Der Apostolische Stuhl 1999 Ansprachen, Predigten und Botschaften des Papstes Erklärungen der Kongregationen Dokumentation Libreria Editrice Vaticana • Verlag J. P. Bachem CrP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ecclesia Catholica / Curia Romana: Der Apostolische StuhlAnsprachen, Predigten u. Botschaften des Papstes, Erkl. d. Kongregationen; vollst. Dokumentation / Hrsg.: Sekretariat d. Dt. Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit d. Rd. d. dt.-sprachigen L’Osservatore Romano. -[Cittä del Vaticano]: Libreria Editrice Vaticana; Köln: Bachem Erscheint jährl. Forts, von: Wort und Weisung 1982-1999 — NE: Ecclesia Catholica / Papa; HST ISBN 978-3-7616-2259-9 Printed in Germany Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Redaktion des deutschsprachigen L’Osservatore Romano Verlag: J. B. Bachem, Köln, und Libreria Editrice Vaticana Druck: Druckerei J. B. Bachem GmbH & Co KG Köln Vorwort Der Dokumentationsband „Der Apostolische Stuhl 1999“ ist der 18. Band in der 1982 begonnenen Reihe. Die hier vorgelegte Zusammenstellung der Ansprachen, Predigten, Grußworte, Botschaften und Enzykliken des Papstes sowie der Erklärungen der Kongregationen und Päpstlichen Räte erhebt nicht den Anspruch einer vollständigen wissenschaftlichen Ausgabe. Es geht vielmehr darum, die Dokumente mit Hilfe eines ausführlichen Registers zugänglich zu machen. Die Übersetzungen sind weitgehend der deutschen Ausgabe des „L’Osservatore Romano“ entnommen. Sofern Texte dort nicht erschienen sind, wurden sie eigens für diesen Band übersetzt. Zur Vervollständigung der Reihe „Der Apostolische Stuhl“ können die Bände der Jahre 1982 bis 1998 noch beim Verlag bezogen werden. Inhaltsverzeichnis I. Ansprachen bei den Generalaudienzen Januar Der Frieden und die Beachtung der Menschenrechte sind untrennbar miteinander verbunden Angelus am Neujahrstag, 1. Januar : 3 Alle Initiativen zur Förderung des Friedens in der Welt nutzen! Angelus am 3. Januar 4 Mission und Verkündigung sind gesamtkirchliche Aufgaben Angelus am Hochfest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 5 Bewusstsein der Gotteskindschaft pflegen Angelus am 10. Januar 6 Das Angesicht des Vaters - Sehnsucht des Menschen Generalaudienz am 13. Januar 7 Förderung der Einheit - wirkungsvolles Zeugnis für das Evangelium Angelus am 17. Janaur 9 Die Vaterschaft Gottes im Alten Testament Generalaudienz am 20. Januar 11 Wege zum Frieden Angelus am 31. Januar 14 Februar Christus ist Licht in dunklen und kalten Tagen Generalaudienz am 3. Februar 14 Geschenk des Lebens in Würde und Verantwortung weitergeben Angelus am 7. Februar 15 Gedanken zur Pastoraireise nach Amerika Generalaudienz am 10. Februar 16 Europa braucht gemeinsame ethische Grundlagen Angelus am 14. Februar 19 Entgegenkommen Gottes - eine Erfahrung der Fastenzeit Generalaudienz am 17. Februar 20 vn Die Fastenzeit konfrontiert den Menschen mit der Realität des eigenen Lebens Angelus am 21. Februar 22 Fastenzeit - Hilfe gewähren ohne eigene Erwartungen Angelus am 28. Februar 23 März Die Vatererfahrung Jesu von Nazaret Generalaudienz am 3. März 24 Maria im Leben der neuen Seligen Angelus am 7. März 27 Die Beziehung Jesu zum Vater - Offenbarung des trinitarischen Geheimnisses Generalaudienz am 10. März 29 Das Kreuz ist untrügerisches Zeichen der Hoffnung Angelus am 14. März 31 Den Vater erkennen Generalaudienz am 17. März 32 Der hl. Josef - väterliches Vorbild und Patron der Kirche Angelus am 21. März 35 Gottvater - fursorgende Liebe Generalaudienz am 24. März 36 Katechese zur Karwoche Generalaudienz am 31. März 38 April Christus unsere Hoffnung - gestern, heute und morgen Regina Caeli in Castelgandolfo am Ostermontag, 5. April 41 Der Vater - anspruchsvolle Liebe Generalaudienz am 7. April 43 Glaube und Vernunft rufen nach Frieden! Regina Caeli am 11. April 45 Für Gottvater Zeugnis geben - die christliche Antwort auf den Atheismus Generalaudienz am 14. April 47 Die neuen Heiligen als Verehrer der Gottesmutter Heiligsprechungen auf dem Petersplatz - Regina Caeli am 18. April 50 vm Gottvater bezeugen im Dialog mit den glaubenden Menschen aller Religionen Generalaudienz am 21. April 51 Dank und Gebet für Neupriester der Diözese Rom Regina Caeli am 25. April 54 Der Dialog mit den Juden Generalaudienz am 28. April 55 Mai Mahner zur Vergebung, zur Versöhnung und zum Frieden Seligsprechung von Pater Pio da Pietrelcina - Regina Caeli am 2. Mai 58 Der Dialog mit dem Islam Generalaudienz am 5. Mai 59 Rückschau auf die Apostolische Reise nach Rumänien Generalaudienz am 12. Mai 62 Nächstenliebe - Kraft mit prophetischer Dimension Regina Caeli am 16. Mai 65 Der Dialog mit den großen Weltreligionen Generalaudienz am 19. Mai 67 Wirken des Geistes in der Kirche heute Regina Caeli am Pfingssonntag, 23. Mai 71 Allumfassende Eschatologie - die Menschheit auf dem Weg zum Vater Generalaudienz am 26. Mai 72 Juni Der Tod - Begegnung mit dem Vater Generalaudienz am 2. Juni 75 Dialog statt Kampf - ein sicherer Weg zum Frieden Angelus am 20. Juni 78 Dank für die Apostolische Reise nach Polen Generalaudienz am 23. Juni 79 Maria in der Verehrung des Volkes Angelus am 27. Juni 84 Pilgerfahrt zu Stätten der Heilsgeschichte Angelus am Hochfest Peter und Paul, 29. Juni 85 IX Die heiligen Apostelfürsten Petrus und Paulus Generalaudienz am 30. Juni 86 Juli Neue Wallfahrtsstätte in Rom - Zeichen für zeitgemäße Marienverehrung Angelus am 4. Juli 89 Gericht und Erbarmen Generalaudienz am 7. Juli 90 Der Himmel als Fülle des Vertrautseins mit Gott Generalaudienz am 21. Juli 92 Stellenwert der älteren Menschen in der Gesellschaft überdenken Angelus in Castel Gandolfo am 25. Juli 95 Die Hölle - endgültige Absage an Gott Generalaudienz am 28. Juli 96 August Ferien - Ausspannen und Auftanken Angelus in Castel Gandolfo am 1. August 98 Die Läuterung - notwendige Reinigung für die Begegnung mit Gott Generalaudienz am 4. August 100 Wege in das dritte Jahrtausend Angelus in Castel Gandolfo am 8. August 102 Das christliche Leben als Weg zur vollen Gemeinschaft mit Gott Generalaudienz am 11. August 103 Die Himmelskönigin als sichere Hoffnungsträgerin Angelus in Castel Gandolfo am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel, 15. August 106 Der Weg der Umkehr als Befreiung vom Bösen Generalaudienz am 18. August 107 Gebet um Trost und Hilfe für die Türkei und Angola Angelus in Castel Gandolfo am 22. August 109 Kampf gegen die persönliche Sünde und die Strukturen der Sünde Generalaudienz am 25. August 111 Glaubenszeugnis des Martyriums auch in unserer Zeit Angelus in Castel Gandolfo am 28. August 114 X September Die Kirche bittet um Vergebung für die Schuld ihrer Kinder Generalaudienz am 1. September 115 Einsatz für den Frieden vermittelt Lebenssinn Angelus in Castel Gandolfo am 5. September 118 Ich glaube an die Vergebung der Sünden Generalaudienz am 8. September 119 Erkennen der Zeichen der göttlichen Offenbarung Angelus in Castel Gandolfo am 12. September 122 Das Sakrament der Buße Generalaudienz am 15. September 124 Versöhnung mit Gott und den Brüdern Generalaudienz am 22. September 127 Lebendige Beziehung von Glaube und Vernunft Angelus in Castel Gandolfo am 26. September 130 Das Geschenk des Ablasses Generalaudienz am 29. September 131 Oktober Im Geist der neuen Seligen für die Synode beten Angelus am 3. Oktober 135 Der Liebende erkennt Gott, denn Gott ist die Liebe Generalaudienz am 6. Oktober 135 Betrachtendes und heilbringendes Gebet - der Rosenkranz Angelus am 10. Oktober 139 Die theologale Tugend der Liebe: die Liebe zu Gott Generalaudienz am 13. Oktober 140 Mission - Auftrag und Sendung in Heimat und Welt Angelus am 17. Oktober 143 Die theologale Tugend der Liebe: die Liebe zum Nächsten Generalaudienz am 20. Oktober 144 Opferbereiten Dienst für das Evangelium leisten Angelus am 24. Oktober 147 Die vorrangige Liebe zu den Armen Generalaudienz am 27. Oktober 148 XI 151 Einen Meilenstein auf dem Weg zur Einheit gesetzt Angelus am 31. Oktober November Eucharistie als Unterpfand ewigen Lebens für die Verstorbenen Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November 153 Einsatz für die internationale Schuldensenkung der armen Länder Generalaudienz am 3. November 154 Kurzansprache an die auf dem Petersplatz versammelten Gläubigen am 10. November 157 Gott danken für die Früchte der Erde Angelus am 14. November 158 Die Apostolische Reise nach Indien und Georgien Generalaudienz am 17. November 159 Viele Wege fuhren zu dem einen Vater Angelus am Christkönigssonntag, 21. November 162 Verpflichtung zur Förderung der Frau Generalaudienz am 24. November 163 Vorbereiten auf das Kommen des Herrn Angelus am Ersten Adventssonntag, 28. November 166 Dezember Verpflichtung zur Förderung der Familie Generalaudienz am 1. Dezember 168 Umkehr und Vorbereitung auf das Kommen des Erlösers Angelus am Zweiten Adventssonntag, 5. Dezember 171 Mit Maria die heilende Kraft der Liebe Christi erfahren Angelus am 8. Dezember 172 Die Welt für das Kommen des Erlösers bereit machen Angelus am Dritten Adventssonntag, 12. Dezember 173 Verpflichtung zum Aufbau einer Zivilisation der Liebe Generalaudienz am 15. Dezember 175 Weihnachten durch Versöhnen vorbereiten Angelus am Vierten Adventssonntag, 19. Dezember 178 xn 179 Eine Weihnachtskatechese Generalaudienz am 22. Dezember. Wirkungsvoller Schutz für die Rechte der Familie, des Lebens und der Kinder Angelus am 26. Dezember 181 Eine Katechese über die Familie Generalaudienz am 29. Dezember 183 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen 1. Pastoraireise nach Mexiko und Saint Louis/USA (22. bis 28. Januar) Freitag, 22. Januar Begrüßungsansprache in Mexiko-City 187 Samstag, 23. Januar Predigt bei der Eucharistiefeier in der Basilika U. L. Frau von Guadalupe in Mexiko 190 Ansprache beim Treffen mit dem Präsidenten der Republik und den Mitgliedern des Diplomatischen Korps in Mexiko-City 194 Sonntag, 24. Januar Botschaft an die Kranken anlässlich des Besuches im Flospital „A. Lopez Mateos“ 198 Predigt bei der Eucharistiefeier im Autodrom „Hennanos Rodriguez“ von Mexiko-City 201 Angelus in Mexiko-City 205 Montag, 25. Januar Ansprache bei der Begegnung mit vier Generationen im Aztekenstadion in Mexiko-City 207 Dienstag, 26. Januar Grußworte beim Abschied in Mexiko 212 Grußwort bei der Ankunft in Saint Louis 214 Ansprache an die Jugendlichen im Kiel Center in Saint Louis 217 Botschaft an die Kinder im „Cardinal Clennon Children's Hospital“ 221 xm Mittwoch, 27. Januar Predigt bei der Eucharistiefeier im „Trans World Dome“ von Saint Louis 222 Ansprache bei der Vesper in der Kathedrale von Saint Louis 227 Schlußworte in der Kathedrale von Saint Louis 230 2. Apostolische Reise nach Rumänien (7. bis 9. Mai) Freitag, 7. Mai Botschaft an das rumänische Volk vor Antritt der Reise 231 Ansprache bei der Ankunft in Bukarest 232 Grußworte an die Rumänen vor der Patriarchal-Kathedrale von Bukarest 235 Ansprache während des Besuches beim Präsidenten von Rumänien 236 Ansprache bei der Begegnung mit der Rumänischen Bischofskonferenz in Bukarest 239 Samstag, 8. Mai Gemeinsame Erklärung des Papstes und des Patriarchen Teoctist 245 Predigt bei der Feier der Göttlichen Liturgie im Byzantinischen Ritus in Bukarest 246 Ansprache bei der Begegnung mit Seiner Seligkeit Patriarch Teoctist und den anderen Mitgliedern des Hl. Synods 250 Sonntag, 9. Mai Predigt bei der Eucharistiefeier auf dem Izvor-Platz in Bukarest 255 Regina Caeli in Bukarest 259 Grußworte beim Abschied am Flughafen von Bäneasa 261 3. Pastoralbesuch in Ancona (30. Mai) Sonntag, 30. Mai Angelus am Dreifaltigkeitssonntag 263 Predigt bei der Eucharistiefeier im Conero-Stadion 264 Ansprache an den Klerus, die Ordensleute und die Vertreter der in der Diözesanpastoral engagierten Laien 268 Grußworte an die Patienten des Krankenhauses von Ancona 272 XIV 4. Pastoraireise nach Polen (5. bis 17. Juni) Samstag, 5. Juni Ansprache bei der Ankunft in Danzig [Gdansk] 275 Predigt während der Eucharistiefeier in Danzig [Gdansk] 277 Sonntag, 6. Juni Predigt bei der Eucharistiefeier in Pelplin 282 Angelus in Pelplin 286 Predigt bei der Eterz-Jesu-Andacht auf dem Flughafen von Elbing [Elblag] ...287 Montag, 7. Juni Ansprache bei der Einweihung des Marienheiligtums in Lichen 291 Predigt während der Eucharistiefeier in Bromberg [Bydgoszcz] 293 Ansprache bei der Begegnung mit den Rektoren der polnischen Hochschulen in der Aula Magna der Kopemikus-Universität in Thom [Torun] 298 Ansprache bei der Herz-Jesu-Andacht und Seligsprechung von Pater Stefan Wincenty Frelichowsky in Thom [Tomn] 303 Dienstag, 8. Juni Predigt bei der hl. Messe auf dem Plac Sapera in Lyck [Elk] mit Teilnahme der litauischen Gläubigen 307 Donnerstag, 10. Juni Predigt bei der hl. Messe auf der Freifläche Blonia Siedleckie in Siedlce mit Teilnahme der griechisch-katholischen Gläubigen 312 Homilie beim Ökumenischen Gottesdienst in Drohiczyn 317 Freitag, 11. Juni Botschaft an die Polnische Bischofskonferenz 321 Botschaft zum 100. Jahrestag der Weihe der Menschheit an das Heiligste Herz Jesu 327 Ansprache vor dem polnischen Parlament in Warschau 333 Gebet am Denkmal für die Opfer des Holocaust am „Umschlagplatz“ in Warschau 339 Predigt zum Abschluss der II. Polnischen Nationalsynode in der Kathedrale von Warschau 340 Samstag, 12. Juni Predigt bei der hl. Messe im Park Blonia Rybitwy in Sandomierz 344 Homilie beim Wortgottesdienst vor der Marienkirche in Zamosc 349 XV Sonntag, 13. Juni Predigt bei der Eucharistiefeier zur Seligsprechung von Regina Protmann und Edmund von Bojanowski sowie 108 Märtyrern des Zweiten Weltkriegs auf dem Pilsudski-Platz in Warschau 355 Angelus in Warschau 360 Ansprache bei der Begegnung mit den Mitarbeitern der Fluggesellschaft LOT auf dem Flughafen Warschau-Okecie 361 Ansprache beim Wortgottesdienst vor der Kathedrale in Warschau-Praga 363 Montag, 14. Juni Predigt bei der hl. Messe vor der Kirche des Guten Hirten in Lowicz 367 Ansprache bei der Begegnung mit den Gläubigen in Sosnowiec 373 Dienstag, 15. Juni Predigt bei der hl. Messe zur Tausendjahrfeier der Erzdiözese Krakau im Blonie-Park von Krakau 377 Ansprache bei der Begegnung mit der Bevölkerung im Aeroklub in Gleiwitz [Gliwice] 384 Mittwoch, 16. Juni Predigt während der hl. Messe zur Heiligsprechung der sei. Schwester Cunegonda [Kinga] vor dem Klarissenkloster von Stary Sacz [Alt-Sandecz] 388 Homilie bei der Vesper in der Basilika der Seligen Jungfrau Maria in Wadowice mit Krönung des Marienbildes 394 Donnerstag, 17. Juni Grußworte bei der Pilgerfahrt nach Tschenstochau [Jasna Göra] 399 Ansprache beim Abschied auf dem Balice-Flughafen von Krakau 400 5. Kurzferien in den Alpen (7. bis 20. Juli) Mittwoch, 7. Juli Angelus in Les Combes 405 Sonntag, 18. Juli Angelus in Quart 407 XVI 6. Pastoralbesuch in Salerno (4. September) Samstag, 4. September Ansprache bei der Einweihung des Metropolitan-Priesterseminars in Salerno 409 7. Pastoraireise nach Slowenien (19. September) Sonntag, 19. September Predigt bei der Eucharistiefeier zur Seligsprechung des Dieners Gottes Anton Martin Slomsek 413 Angelus in Maribor 416 Ansprache beim Wortgottesdienst für die Mitglieder der slowenischen Plenarsynode in Maribor 418 8. Pastoraireise nach Neu-Delhi und nach Georgien (5. bis 9. November) Samstag, 6. November Ansprache bei der Unterzeichnung und Veröffentlichung des nachsynodalen Schreibens Ecclesia in Asia 421 Sonntag, 7. November Predigt während der Eucharistiefeier im Jawaharlal-Nehru-Stadion 424 ' Angelus in Neu-Delhi 427 Ansprache bei der Begegnung mit Repräsentanten anderer Religionen und anderer christlicher Konfessionen in Neu Delhi-Vigyan Bhawan 428 Montag, 8. November Ansprache bei der Ankunft in Tiflis [Georgien] 431 Ansprache bei der Begegnung mit dem Katholikos-Patriarchen und dem Heiligen Synod im Patriarchenpalais von Tiflis 433 Gemeinsamer Friedensappell des Papstes und des orthodoxen Patriarchen ....437 xvn Dienstag, 9. November Ansprache bei der Begegnung mit dem Katholikos-Patriarchen und dem Heiligen Synod in der Kathedrale von Tiflis 438 Predigt während der Eucharistiefeier im Stadion von Tiflis 439 Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern der Welt der Kultur in der Staatsresidenz von Tiflis 443 Ansprache bei der Begegnung mit der katholischen Gemeinschaft in der Kirche St. Peter und Paul in Tiflis 446 Gemeinsames Kommunique des Hl. Stuhls und der Republik Georgien zum Papstbesuch 448 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben Januar In der Achtung der Menschenrechte liegt das Geheimnis des wahren Friedens Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1999, vom 8. Dezember 1998 453 Hoffnung für eine erlöste Welt in der Geschichte Predigt am Hochfest der Gottesmutter Maria, Neujahrstag, 1. Januar 463 Eingeständnis und Bekenntnis von Schuld ist Zeichen für Bereitschaft zu Umkehr und Versöhnung Botschaft zum XTV. Weltjugendtag vom 6. Januar 465 Vornehmste Aufgabe der Bischöfe -Verkündigung der Erscheinung des Herrn in aller Welt Predigt während der Eucharistiefeier und Bischofsweihe am Hochfest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 472 Taufe ist Gabe und Aufgabe Predigt anlässlich der Tauffeier in der Sixtinischen Kapelle am Fest der Taufe des Herrn, 10. Januar 474 Förderung des Friedens muss oberstes Ziel bleiben Ansprache beim Neujahrsempfang für das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 11. Januar 476 Christus, Quelle einer neuen Kultur für Europa. An der Schwelle des dritten Jahrtausends Ansprache beim vorsynodalen Symposium über Europa, veranstaltet vom Päpstlichen Rat für die Kultur am 14. Januar 482 xvm Einrichtungen des Hl. Stuhls im Dienst von Kultur und Wissenschaft Ansprache bei der Sonderaudienz für die Mitarbeiter des Vatikanischen Geheimarchivs und der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek am 15. Januar 484 Zum Tod von Prof. Oscar Cullmann Beileidstelegramm an den Präsidenten der Lutherischen Kirche des Elsaß, Prof. Marc Lienhard, vom 18. Januar 487 Verschlimmerung der Lage im Kosovo Telegramm an den Präsidenten der Jugoslawischen Bischofskonferenz, Erzbischof Frank Perko von Belgrad, am 21. Januar 487 Rechtliche Form der Eheschließung ist eine zivilisatorische Errungenschaft Ansprache zur Eröffnung des Gerichtsjahres der Römischen Rota am 21. Januar 488 Ecclesia in America Nachsynodales Apostolisches Schreiben vom 22. Januar 493 Inter Munera Academiarum Als Motu Proprio erlassenes Apostolisches Schreiben zur Approbation der Statuten der Päpstlichen Akademie des hl. Thomas von Aquin und der Päpstlichen Theologischen Akademie vom 28. Januar 565 Februar Pfarrgemeinden - Stätten der Seelsorge und Mitverantwortung für Migranten Botschaft zum Welttag der Migranten vom 2. Februar 569 Begegnung von Simeon mit Maria - Zeichen der Verbindung von Altem und Neuem Testament Predigt bei der Feier des III. Tages des geweihten Lebens am Fest der Darstellung des Herrn im Tempel, 2. Februar 575 Gelungene Elternschaft - Auftrag und Wert der Familie Botschaft zum Fest der Familie vom 6. Februar 578 Die Stadt Rom bereitet sich auf das Große Jubiläum vor Ansprache bei der Audienz für den Bürgermeister und die Stadtverwaltung von Rom am 6. Februar 580 Für Christus Zeugnis geben im Dienst an Kranken und Leidenden Botschaft zum Welttag der Kranken am 11. Februar, vom 8. Dezember 1998 584 Unterwegs zum Vater Grußworte am Schluss der hl. Messe am Welttag der Kranken, 11. Februar...588 XIX Der Herr wird allen Völkern ein Festmahl richten (vgl. Jes 25,6) Botschaft fiir die Fastenzeit 1999 [17. Februar bis 3. April], vom 15. Oktober 1998 588 Fasten und Werke der Nächstenliebe haben eine religiöse und eine soziale Dimension Predigt am Aschermittwoch in S. Sabina auf dem Aventin, 17. Februar 591 Lehrer und Bildner der Menschen zur Öffnung für die Liebe Gottes Ansprache bei der Sonderaudienz für die Priester der Diözese Rom am 18. Februar 593 Betlehem - ein Symbol der Friedenshoffhung Grußwort an das Organisationskomitee des „International Forum Betlehem 2000“ vom 19. Februar 596 Praktizierte Ökumene in Dialog und Gebet Grußwort an eine Ökumenische Delegation aus Chicago, angeführt von Francis Kardinal George, Erzbischof von Chicago, und Metropolit Iakovos von Krinis, Griechisch Orthodoxer Bischof in Chicago, vom 19. Februar 597 Erzieherischer und politischer Einsatz für die Verteidigung des Lebens in allen Bereichen Schreiben an William Henry Kardinal Keeler vom 20. Februar 598 Papsttelegramm zum Lawinenunglück in Österreich Telegramm an Bischof Alois Kothgasser, Bischof von Innsbruck, vom 24. Februar 600 Schutz für die Unantastbarkeit des Lebens bis zum Tod Ansprache an die Fünfte Generalversammlung der Päpstlichen Akademie für das Leben am 27. Febmar 600 Geistliche Vorbereitung auf dem Weg zum dritten Jahrtausend Dankeswort am Ende der Exerzitien für die Römische Kurie am 27. Februar 604 März Christsein an der Jahrtausendwende -Vorbereitung der Laien auf das Große Jubiläum Ansprache vor der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Laien am 1. März 605 XX Beitrag der Medien zum Jubiläumsjahr 2000 zielstrebig vorbereiten und angemessen unterstützen Ansprache bei der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel am 4. März 608 Aufrichtiges Bemühen um den Aufbau einer zivilisierten und solidarischen Welt Ansprache an das Informations- und Initiativkomitee für den Frieden (COMIN) am 5. März 610 Schaffen von Arbeitsplätzen unter humanen Bedingungen Ansprache bei der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften am 6. März 611 Pilgerweg des Kreuzes an den Universitäten Ansprache nach dem Rosenkranzgebet am 6. März 615 Diener und Verkünder des Friedens und der Versöhnung Predigt während der Eucharistiefeier zu den Seligsprechungen am 7. März 615 Zuverlässige Fürsprecher im aufreibenden Lebensalltag Ansprache bei der Sonderaudienz für die zu den Seligsprechungen angereisten Pilger am 8. März 618 Achtung der Menschenrechte - Leben mit der Schöpfung Ansprache während der Studienwoche der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 12. März 620 Position beziehen - Verantwortung von Produzenten und Rezipienten Ansprache an eine Pilgergruppe anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Liboriusblattes am 12. März 624 Im Bußsakrament Vergebung und Versöhnung erlangen Ansprache bei der Sonderaudienz für die Apostolische Pönitentiarie am 13. März 625 Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1999 vom 14. März 629 Heute Christus verkünden mit dem Charisma von Pater Franziskus Jordan Ansprache an die Generalkurie der Salvatorianer am 19. März 634 Arbeit ist eine Form der Verkündigung Ansprache bei der Sonderaudienz für die Vertreter der Arbeitswelt am Hochfest des hl. Josef, 19. März 635 Einheit in Verschiedenheit gemeinsam verwirklichen Ansprache bei der Eröffnung der Ausstellung „Rom - Armenien“ am 24. März 637 XXI Konkrete Zusammenarbeit zu einer Sendung Ansprache bei der Audienz für Seine Heiligkeit Karekin I., Katholikos aller Armenier, am 25. März 640 Die Liebe Christi gibt dem Leben einen Sinn Antworten auf Fragen bei der Begegnung mit Jugendlichen der Diözese Rom am 25. März 642 Jugoslawien - Dialog wiederaufnehmen Worte nach der Begegnung mit Jugendlichen der Diözese Rom am 25. März 648 Christus - Herr der Geschichte - durch Überwinden von Leid und Tod Predigt am Palmsonntag - XIV. Weltjugendtag 28. März 648 Für konkrete Friedensbemühungen ist immer der richtige Zeitpunkt Worte nach der Eucharistiefeier am Palmsonntag, 28. März 650 Förderung der Einheit Europas und Beachtung der Menschenrechte Ansprache bei der Audienz für die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates am 29. März 651 April Priestertum - Auftrag zum Dienst am Heil der Menschen Predigt während der Chrisam-Messe am Gründonnerstag, 1. April 654 Eucharistie - Geheimnis des Glaubens und Quelle des Lebens Predigt während der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag, 1. April 656 Gebet zur Einführung des Kreuzwegs am Kollosseum, Karfreitag, 2. April 658 Das Dunkel des Kreuzes birgt in sich die Fackel des Lichtes Schlussworte nach dem Kreuzweg am 2. April 658 Auferstehung Christi ist die Hoffnung der Welt Predigt bei der Feier der Ostemacht am Karsamstag, 3. April 661 Brief an die Künstler vom 4. April 663 In Solidarität die Kultur des Hasses und der Gewalt überwinden Botschaft vor dem Segen UrbietOrbi am Ostersonntag, 4. April 679 Gewalt löst keine Konflikte Botschaft an Alexij II., Patriarch von Moskau und ganz Russland, vom 18. April 681 XXH Glaubwürdige Verkünder der Osterbotschaft durch praktizierte Nächstenliebe Predigt bei der Heiligsprechung von Marcellin Benoit Champagnat, Giovanni Calabria und Agostina Livia Pietrantoni am 18. April 682 Der Weg des Dialoges ist immer möglich Schreiben an den Erzbischof von Belgrad, Franc Perko, vom 19. April 685 Friede ist tägliche Verpflichtung für alle Grußwort bei der Audienz für die Teilnehmer des Kolloquiums der „Gorbatschow-Stiftung“ am 22. April 686 Überzeugende Antworten auf Fragen der Sinnsuche Ansprache bei der Sonderaudienz für die Mitarbeiter der Zeitschrift „La Civiltä Cattolica“ am 22. April 687 Kunst als Weg zur Transzendenz Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung: Jaul VI., ein Licht für die Kunst“ am 23. April 690 Fest der Katholischen Schulen Worte an die Teilnehmer des „Frühlingsmarathons“ am 24. April 692 Der Vater beruft zum ewigen Leben Botschaft zum 36. Weltgebetstag für geistliche Berufe am 25. April 1999, 4. Sonntag der Osterzeit, vom 1. Oktober 1998 693 Priestersein - Leben im Geheimnis des Kreuzes Predigt bei der Priesterweihe in St. Peter am 25. April 697 UNO-Initiativen für den Kosovo Botschaft an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, vom 27. April 699 Alle Initiativen zu Eintracht und Freundschaft nutzen Schreiben an die Bischöfe von Äthiopien und Eritrea, 27. April 700 Mai Wahrheit des Wortes Gottes statt Unverbindlichkeiten menschlicher Meinungen Botschaft zum dreißigjährigen Bestehen der Katholischen Bibelföderation vom 1. Mai 702 Glaubwürdiger Verkünder der Berufung zur Heiligkeit Predigt bei der Seligsprechung von Pater Pio da Pietrelcina am 2. Mai 703 Wirken von Pater Pio im Dienst am Heil der Menschen Ansprache bei der Sonderaudienz für die zur Seligsprechung von Pater Pio da Pietrelcina angereisten Pilger am 3. Mai 706 xxm Europa muss die gemeinsamen Werte wieder entdecken, die seine Identität prägten und Bestandteil seiner Geschichte sind Botschaft zum 50. Jahrestag der Gründung des Europarats vom 5. Mai 709 Fachliche Kompetenz und geistliches Leben Ansprache bei der Audienz für die Schweizergarde anlässlich der Vereidigung der Neugardisten am 5. Mai 712 Glückwunschtelegramm an den neuen Präsidenten der Republik Italien vom 13. Mai 714 Das missionarische Bewusstsein des Volkes Gottes fordern Ansprache während der Sonderaudienz für die Leiter der Päpstlichen Missionswerke am 14. Mai 714 Praktizierte Nächstenliebe nach dem Vorbild des sei. Don Orione Botschaft an die „Piccole Suore Missionarie della Caritä“ (Kleine Missionsschwestem der Nächstenliebe) 717 Die Medien: eine freundschaftliche Stütze für die, die auf der Suche nach Gott-Vater sind Botschaft zum 33. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel am 16. Mai, vom 24. Januar 718 Nächstenliebe - reflektierte und praktizierte Christusnachfolge Predigt bei der Eucharistiefeier am Sonntag der Nächstenliebe, 16. Mai 721 Dialog mit den Orthodoxen verstärken Schreiben an Edward Idris Kardinal Cassidy vom 20. Mai 724 Der Heilige Geist - Urheber und Seele der Mission Predigt bei der Feier der Pfingstvigil zum Abschluss der römischen Stadtmission auf dem Petersplatz am 22. Mai 725 Heilige als Wegweiser zur Einheit Ansprache beim Empfang einer bulgarischen Delegation aus Anlass des Festes der hll. Kyrill und Method am 24. Mai 729 Ausrichtung von Lehre und Forschung am Geheimnis des Kreuzes Ansprache bei der Audienz für Mitglieder der Universität vom Hl. Kreuz am 29. Mai 730 Heimsuchung Mariens Worte bei der Abschlussfeier des Marienmonats in den Vatikanischen Gärten am 31. Mai 732 XXIV Juni Eindeutiger Schutz für geborenes und ungeborenes Leben Schreiben an die deutschen Bischöfe vom 3. Juni 733 Eucharistie - Sakrament des Friedens als Fülle des Lebens Predigt während der Eucharistiefeier am Fronleichnamsfest, 3. Juni 736 Gebet zur Feier des Großen Jubiläums des Jahres 2000 vom 3. Juni 739 Neue Gemeinschaften - Zeichen kirchlicher Reife Botschaft an die Verantwortlichen von 40 neuen Bewegungen und geistlichen Gemeinschaften anlässlich des Internationalen Kongresses in Speyer vom 3. Juni 740 Vaterschaft Gottes und Vaterschaft in der Familie Ansprache bei der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 4. Juni 742 Missionarischer Eifer für die Kirche auf der Schwelle des dritten Jahrtausends Botschaft an die Teilnehmer des vom Päpstlichen Rat für die Laien veranstalteten Studienseminars über die kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften am 19. Juni 745 Mitarbeiter an Frieden und Versöhnung im Dienst an den Menschen -Änderung sozialer Verhältnisse durch gewandelte Mentalität Botschaft an die Teilnehmer der 16. Generalversammlung von „Caritas Intemationalis“ am 19. Juni, vom 2. Juni 748 Seid immer mehr in der Welt, aber immer weniger von der Welt Botschaft an die Priester, die im Heiligen Land am Vierten Internationalen Vorbereitungskongress auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 teilnahmen, vom 19. Juni 751 Weltweiter Dienst am Nächsten in der Liebe Christi Grußwort zur 900-Jahr-Feier des Ritterordens vom Hospital des hl. Johannes zu Jerusalam - Souveräner Malteser-Ritterorden - am 24. Juni 754 Zielstrebige Bildungsarbeit in Seelsorgebereichen der Zukunft Ansprache an die Versammlung der „Union der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen“ (ROACO) am 24. Juni 755 Wallfahrtsorte - Stätten der Begegnung und der Sinnsuche Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs am 25. Juni 757 Gemeinsam die Wege der Heiligung und Einheit finden Ansprache bei der Begegnung mit der Delegation des Patriarchats von Konstantinopel unter Leitung des Metropoliten von Efesos am 28. Juni 760 XXV An alle, die sich einstimmen, im Glauben das Große Jubiläum zu feiern Brief über die Pilgerfahrt zu den Stätten, die mit der Heilsgeschichte verbunden sind, vom 29. Juni 761 Ökumenisches Engagement verstärken - Fehler der Vergangenheit vergessen Predigt am Hochfest der hll. Apostel Petrus und Paulus, 29. Juni 770 Aufgabe kirchlicher Erneuerung gemeinsam angehen Botschaft an Seine Heiligkeit Karekin I., Katholikos und Oberster Patriarch aller Armenier, vom 29. Juni 772 Juli Das neue Marienheiligtum - Erfüllung eines alten Gelübdes Predigt bei der Eucharistiefeier zur Einweihung des „Santuario del Divino Amore“ in Rom am 4. Juli 776 Das benediktinische Charisma erneuern und vertiefen Botschaft zur 1500-Jahrfeier der Abtei Subiaco vom 7. Juli 779 August Maria - ein lebendiges Bild für die Kirche aller Zeiten Predigt in Castel Gandolfo am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel, 15. August 784 Trinitarische Berufung in Kirche und Welt des neuen Jahrtausends Ansprache an die Trinitarische Familie zum 800-jährigen Gründungsjubiläum am 26. August 786 Ehe und Familie - Themen interdisziplinärer Forschung Ansprache an die Teilnehmer der Internationalen Studienwoche des Päpstlichen Instituts „Johannes Paul II.“ für Studien über Ehe und Familie am 27. August 789 Der Kampf gegen den Analphabetismus - eine Verpflichtung zur Entwicklung von Menschen und Völkern Botschaft an den Generaldirektor der UNESCO vom 28. August 794 Im Geiste des hl. Franziskus den 15. Weltjugendtag in Rom vorbereiten Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer des Ersten Internationalen Kongresses der „Jugend nach Assisi“ in Castel Gandolfo am 28. August 796 XXVI September Massakern ein Ende setzen Botschaft an die Bischöfe von Ost-Timor vom 9. September 798 Soziallehre der Kirche - ihre Aktualität in unserer Zeit Ansprache bei der Sonderaudienz für die Mitglieder der Stiftung „Centesimus Annus - Pro Pontifice“ am 10. September 799 Habt keine Angst vor der Aufgabe, die euch erwartet: Eure Hoffnung und eure Jugendlichkeit werden euch helfen Botschaft an die israelische und palästinensische Jugend für den Frieden in Nahost vom 22. September 802 Chancen und Risiken uneingeschränkter Kommunikation Botschaft an Herrn Paolo Scandaletti, Präsident des Katholischen Presseverbands (UCSI) vom 22. September 803 Förderung einer Synthese zwischen Glaube und Kultur Ansprache beim Welttreffen der Beauftragten der Bischofskonferenzen für die Universitätsseelsorge am 25. September 806 Lebendige Steine und regsame Glieder der Kirche Ansprache bei der Segnung der restaurierten Fassade des Petersdoms am 30. September 809 Krebsbekämpfung und Dienst am Leben Ansprache beim Siebten Kongress der Internationalen Vereinigung für gynäkologische Krebserkrankungen am 30. September 811 Oktober Brief an die alten Menschen vom 1. Oktober 814 Spes Aedificandi Als Motu Proprio erlassenes Apostolisches Schreiben zur Ausrufung der hl. Brigitta von Schweden, der hl. Katharina von Siena und der hl. Teresia Benedicta a Cruce zu Mitpatroninnen Europas vom 1. Oktober 830 Jesus Christus, der lebt in seiner Kirche, Quelle und Hoffnung für Europa Predigt während der Eucharistiefeier zur Eröffnung der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa am 1. Oktober 839 xxvn Ihr Leben war Dienst am Reich Gottes Predigt bei der Seligsprechung von Ferdinando Maria Baccilieri, Edward Joannes Maria Poppe, Arcangelo Tadini, Mariano da Roccacasale, Diego Oddi und Nicola da Gesturi am 3. Oktober 842 Glaubensakt muss in konkreten Haltungen und Entscheidungen seinen Ausdruck finden Predigt zu Beginn des Akademischen Jahres der kirchlichen Universitäten am 15. Oktober 846 Neue Impulse aus einer in der Kultur verankerten Tradition schöpfen Ansprache beim Offiziellen Besuch des italienischen Staatspräsidenten, Carlo Azeglio Ciampi, beim Hl. Stuhl am 19. Oktober 848 Jesus Christus begegnen in einem geeinten Kontinent Predigt während der Eucharistiefeier zum Abschluss der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa am 23. Oktober 851 Der Vater - Quelle des apostolischen Einsatzes der Kirche Botschaft zum Weltmissionssonntag am 24. Oktober 1999, vom 23. Mai 855 Den Geist von Assisi in dieser Welt lebendig halten Ansprache an die Teilnehmer der Interreligiösen Begegnung auf dem Petersplatz am 28. Oktober 860 Ein Leben in Mut und Demut - geprägt in der Hochschule der Seelenführung Ansprache bei der Audienz für die Franziskanerinnen von der christlichen Liebe am 28. Oktober 863 Institutionelle Anerkennung und ökonomische Gleichbehandlung für alle Schulen Ansprache beim Abschlusstreffen der Nationalversammlung der italienischen katholischen Schulen auf dem Petersplatz in Rom am 30. Oktober 865 November Mit Freude brüderliche Gastfreundschaft gewähren Brief an die Gläubigen in Rom an der Schwelle zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 vom 1. November 868 Lebensweise und Umweltschutz - Schwerpunktthemen kirchlicher Soziallehre Botschaft an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden vom 4. November 871 Ecclesia in Asia Nachsynodales Apostolisches Schreiben vom 6. November 874 xxvm aller Völker Über den Weg des Kreuzes zur ewigen Heimat gelangen Predigt bei der Eucharistiefeier für die im Verlauf des Jahres verstorbenen Kardinäle und Bischöfe am 12. November 947 Einheit im Glauben und Einheit der Kirche im Sinn der hl. Birgitta erneut bekräftigen Predigt während des Ökumenischen Gottesdienstes zum Gedächtnis der hl. Birgitta von Schweden am 13. November 948 Vom Geheimnis der Menschwerdung des Erlösers Zeugnis ablegen Predigt bei der Einweihung der Kapelle „Redemptoris Mater” im Vatikan am 14. November 950 Universitärer Anspruch und theologische Forschung Ansprache bei der Segnung neuer Räumlichkeiten und Eröffnung des akademischen Jahres der Päpstlichen Lateranuniversität am 16. November ...952 Verantwortung der internationalen Gemeinschaft für das Lebensnotwendige Ansprache an die Teilnehmer der 30. Konferenz der Emährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Rom am 18. November 955 Sorge um den Menschen - Schwerpunkt jeder humanen Gesundheitspolitik Ansprache an die Teilnehmer der vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst veranstalteten 14. Internationalen Konferenz über „Wirtschaft und Gesundheit” am 19. November 957 Anregungen und Herausforderungen der zeitgenössischen Kultur aufnehmen Botschaft an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur vom 19. November 960 Eindeutiges Zeugnis für das Leben ablegen Schreiben an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz vom 20. November 963 Die Heiligen weisen den Weg zum Königreich Christi Predigt bei den Heiligsprechungen am Christkönigssonntag, 21. November ....964 Die Gemeinschaft im Glauben und im Zeugnis fordern und stärken Botschaft an den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. zum Fest des hl. Andreas vom 24. November 967 XXIX Dezember Die Komplexität des Menschseins anspruchsvoll ins Bild bringen Ansprache bei der vom Päpstlichen Rat für die Kultur und Päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel veranstalteten Internationalen Studientagung - „Der Film: Bilder für einen Dialog zwischen den Völkern und eine Kultur des Friedens im dritten Jahrtausend” am 2. Dezember 969 Berufung der Ortskirche zum Dienst an der Weltkirche Schreiben an den Bischof von Macau aus Anlass der Rückkehr der Provinz unter die chinesische Souveränität vom 3. Dezember 971 Annahme der Schwachen ist ein Zeichen von Zivilisation Ansprache an die Teilnehmer des vom Päpstlichen Rat für die Familie veranstalteten Kongresses über „Familie und Integration von Behinderten im Kinder- und Jugendalter” am 4. Dezember 973 Gemeinsam Buße tun für Sünden gegen Einheit und Zeichen erneuerter Ökumene setzen Botschaft an die Teilnehmer des ökumenischen Treffens in Betlehem am 5. Dezember . 976 Fördern der Einheit untereinander und mit dem Nachfolger Petri - ein wertvoller Beitrag zum Großen Jubiläum Botschaft an die Katholiken Chinas vom 8. Dezember 977 Mit Maria den Advent als Zeit freudiger Erwartung erleben Gebet an der Mariensäule auf dem Spanischen Platz am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, 8. Dezember 981 Einheit ist Ansporn für alles geistliche Tun in der Kirche Ansprache bei der Sonderaudienz für den Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Landesbischof Dr. Christian Krause, und seine Delegation am 9. Dezember 982 Zeugnisse der Vergangenheit in Ehren halten Schreiben an Kardinal Castrillön Hoyos vom 11. Dezember 985 Bedeutung des Petrusdienstes in der Kunst der Sixtinischen Kapelle Ansprache bei der Einweihung der Sixtinischen Kapelle am 11. Dezember 986 Vorurteilslose und kritische Suche nach Wahrheit in Liebe Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Historikerkongresses über Jan Hus am 17. Dezember 989 Geistlicher Rückblick vor dem Beginn des Heiligen Jahres Ansprache beim Weihnachtsempfang für das Kardinalskollegium und die Mitarbeiter der Römischen Kurie am 21. Dezember 991 XXX Die Menschwerdung Gottes prägt die Geschichte Predigt bei der Christmette zur Eröffnung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 am 24. Dezember 996 Als Pilger die Schwelle der Heiligen Pforte überschreiten Homilie bei der Öffnung der Heiligen Pforte vor der Vesper in St. Johann im Lateran am 25. Dezember 998 Christus ist für die Menschheit die Tür zum Leben Weihnachtsbotschaft vor dem Segen Urbi et Orbi am 25. Dezember 1000 Christus - menschgewordenes Wort in Zeit und Geschichte Homilie bei der Vesper und „Te Deum” zum Jahresschluss im Petersdom am 31. Dezember 1002 IV. Ad-limina-Besuche Bosnien-Herzegowina 15. Januar 1007 Burundi 10. September 1011 Deutschland 15. November 1017 18. November 1023 20. November 1029 Dominikanische Republik 10. Dezember 1036 Elfenbeinküste 28. August 1040 Ghana 20. Februar 1046 Griechenland 5. Februar 1050 Irland 26. Juni 1056 Kamerun 1. Juni 1062 XXXI Kanada 22. April 1069 4. Mai 1074 25. September 1080 30. Oktober 1084 Kenia 20. Mai 1089 Kroatien 13. März 1093 Laos und Kambodscha 11. Februar 1098 Litauen 17. September 1103 Malawi 6. September 1108 Mosambik 20. März 1113 Portugal 30. November 1120 Puerto Rico 11. September 1125 Sambia 3. September 1130 Tschad 9. September 1135 Ukraine 25. März 1140 Zentralafrikanische Republik 27. September 1144 XXXII V. Erklärungen der Kongregationen und Räte Christen und Muslime: Zeugen der Liebe Gottes und seines Erbarmens Botschaft zum Ende des Ramadan ’ID AL-FITR 1419/1999 von Francis Kardinal Arinze, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, vom 9. Januar 1153 Für eine bessere Zukunft gemeinsam Verantwortung übernehmen Botschaft an die Buddhisten zum Vesakh-Fest von Francis Kardinal Arinze, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, vom 5. Mai 1155 Heilige Stätten Erinnerung, Gegenwart und Prophezeiung des lebendigen Gottes Arbeitshilfe für Wallfahrten herausgegeben vom Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs als Vorbereitung auf das Jahr 2000 vom 8. Mai 1157 Die Bischofskonferenzen und das Authentische Lehramt Brief der Kongregation für die Bischöfe an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen vom 13. Mai 1181 Notifikation betreffend Schwester Jeannine Gramick SSND und Pater Robert Nugent SDS Kongregation für die Glaubenslehre vom 31. Mai 1185 Schutz der Allerheiligsten Eucharistie Päpstlicher Rat für die Interpretation von Gesetzestexten veröffentlicht am 9. Juli 1189 VI. Anhang Erklärende Note zum Brief des Hl. Vaters an die deutschen Bischöfe vom 3. Juni 1195 Jesus Christus, der lebt in seiner Kirche, Quelle der Hoffnung für Europa Instrumentum laboris der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa, veröffentlicht während der 5. Vorsynodalen Ratsversammlung, die vom 16.-18. März 1999 in Rom stattfand 1197 XXXIII versammlung der Vereinten Nationen zum Vorrang des Rechts auf Leben und der Würde der menschlichen Person und Familie am 2. Juli 1285 Die Organe der Römischen Kurie Stand: 20. August 1999 1279 Fünf Jahre nach der Konferenz von Kairo Erklärung von Erzbischof Renato R. Martino, Leiter der Delegation des Hl. Stuhls, bei der Abschlusskonferenz der 21. Sondertagung der General- Grundsteinlegung für die neue Apostolische Nuntiatur in Berlin Schreiben von Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano an den Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Giovanni Lajolo,vom 10. September 1288 Die Menschheit lernt nicht aus der Geschichte Ansprache von Bischof Giuseppe Bertello, Leiter der Delegation des Hl. Stuhls bei der außerordentlichen Sitzung der UNO-Menschenrechts- kommission in Genf über die Lage in Ost-Timor, am 23. September 1290 Krise und Entwicklung der Auslandsverschuldung Ansprache des Apostolischen Nuntius, Erzbischof Renato R. Martino, Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen, bei der Generalversammlung (Zweite Kommission) der Vereinten Nationen in New York am 11. Oktober 1292 Der Hl. Stuhl und das Heilige Land - Gerechtigkeit und Nächstenliebe Ansprache von Erzbischof Jean-Louis Tauran bei der 50-Jahr-Feier der Päpstlichen Palästina-Mission in New York am 25. Oktober 1295 Kinder haben ein Recht auf Frieden Ansprache von Erzbischof Renato R. Martino, Apostolischer Nuntius und Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen, bei der 54. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen - Drittes Komitee über Punkt 112: „Förderung und Schutz der Rechte der Kinder“ am 28. Oktober 1303 Botschaft zum Abschluss der Interreligiösen Begegnung beim öffentlichen Festakt auf dem Petersplatz am 28. Oktober 1306 Erklärung zur Rechtfertigungslehre Gemeinsame Erklärung des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche unterzeichnet vom Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Bischof Christian Krause, und dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Edward Idris Kardinal Cassidy, in Augsburg am 31. Oktober 1309 Gemeinsame Offizielle Feststellung des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche am 31. Oktober 1327 XXXIV Anhang (Annex) zur Gemeinsamen Offiziellen Feststellung am 31. Oktober 1329 Die Erklärung zur Rechtfertigungslehre: Fortschritte, Implikationen, Grenzen von Edward Idris Kardinal Cassidy, veröffentlicht am 12. November 1331 Förderung einer tragbaren und menschlichen Entwicklung für alle Bewohner der Erde Statement von Bischof Diarmuid Martin, Sekretär des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden und Leiter der Delegation des Hl. Stuhls bei der Dritten Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO/OMC) in Seattle, USA, am 2. Dezember 1344 Wortregister 1349 Personenregister 1423 Länder- und Ortsregister 1448 Zitierte Bibelstellen 1462 Abkürzungen 1474 XXXV I. Generalaudienzen und Angelus A UDIENZEN UND ANGEL US Der Frieden und die Beachtung der Menschenrechte sind untrennbar miteinander verbunden Angelus am Neujahrstag 1999,1. Januar 1. In der heutigen Liturgie begegnen wir wieder dem alten, eindrücklichen biblischen Segen:„Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil“ (Num 6,24—26). Mit diesen Worten will ich jedem von euch meinen herzlichen Glückwunsch für ein in jeder Hinsicht gutes und trostreiches Neues Jahr entbieten. Wir beginnen das Jahr 1999, den Blick auf die Jungfrau und Gottesmutter gerichtet, die den geheimnisvollen Plan des Vaters mit demütiger Hingabe annahm. Ihrem hochherzigen „Ja“ ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1,9), entsprungen. Dank ihrer vertrauensvollen Mitarbeit wurde den Menschen der Frieden geschenkt, der Christus selbst ist. 2. Sehr passend feiern wir heute wie schon seit Jahren den Weltfriedenstag. In der Botschaft, die ich aus diesem Anlass an die Staatsoberhäupter, die Vertreter der Nationen und an die Menschen guten Willens gerichtet habe und die zum Thema hat: „In der Achtung der Menschenrechte liegt das Geheimnis des wahren Friedens“, wollte ich das Augenmerk auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 lenken. Ich habe an den wechselseitigen, ununter-drückbaren Zusammenhang erinnert, der zwischen der Achtung der Menschenrechte und dem Frieden besteht: „Die ganzheitliche Achtung der Menschenrechte ist der sicherste Weg, um feste Beziehungen unter den Staaten aufzubauen. Die Kultur der Menschenrechte kann nur eine Kultur des Friedens sein“ (Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 1999, Nr. 12). Der Friedenswille, welcher die Versammlung der Vereinten Nationen vor 50 Jahren dazu bewegte, die Menschenrechte zu erklären, leitet auch heute das Bemühen aller Menschen guten Willens, deren Sehnsucht es ist, eine immer gerechtere und solidarischere Welt aufcubauen. 3. Lasst uns beten, dass trotz der Schwierigkeiten und Hindernisse, die den Weg des Friedens manchmal hart und beschwerlich werden lassen, das Streben nach diesem Ideal niemals aus den Herzen schwinde, ausgedrückt in konkreten Gesten der Versöhnung und der Achtung für jedes Menschenwesen. Wir wollen vor allem beten, dass die Vertreter der Staaten großherzige Bereitschaft und einsatzbewussten Eifer bei der Beantwortung und erfolgreichen Umsetzung der ununterdrückbaren, verheißungsvollen Sehnsucht der Menschheit nach Eintracht und Frieden zeigen. Vertrauen wir diese Bitten der himmlischen Mutter des „Königs des Friedens“ an. In ihre Hände legen wir das beginnende Jahr; es möge eine Zeit wahren Fort- 3 A UDIENZEN UND ANGELUS Schrittes und ungetrübten, friedlichen Zusammenlebens für die gesamte Welt werden. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst auf Deutsch: Allen Gläubigen deutscher Sprache wünsche ich ein glückseliges und friedvolles neues Jahr, verbunden mit meinem Gebet für treues Geleit. Alle Initiativen zur Förderung des Friedens in der Welt nutzen! Angelus am 3. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zu Beginn des neuen Jahres entsteht in den Herzen spontan eine Regung der Hoffnung, die in konkrete Werke des Friedens und der Versöhnung umgesetzt werden will. Ich habe dieses verbreitete Ansinnen in der Botschaft aufgenommen, die ich anlässlich des Weltfriedenstages veröffentlicht habe. In ihrem Mittelpunkt steht die Überzeugung: „In der Achtung der Menschenrechte liegt das Geheimnis des wahren Friedens.“ Wenn man die Rechte der Person übergeht oder gar missachtet, werden unvermeidlich die Keime für Instabilität, Rebellion und Gewalt gesät. Es ist dringend notwendig, das Bewusstsein von der Würde jedes Menschen, geschaffen nach dem Bild und Gleichnis Gottes (vgl. Gen 1,26-28), zurückzugewinnen, um darin die sichere Grundlage für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt zu finden. 2. Leider verzeichnet das neue Jahr noch schmerzliche Situationen auf seinen ersten Schritten, und aus verschiedenen Teilen der Welt erheben sich weiterhin Schreie der Verzweiflung wegen Kriegen und Unterdrückung. Mein Gedanke geht in diesem Augenblick nach Angola, wo erneut der Konflikt des Bürgerkriegs aufflammt, in die Republik Kongo, deren Bevölkerung fern von der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit schon lange unter den Folgen bewaffneter Auseinandersetzungen leidet, und nach Sierra Leone, Schauplatz unsäglicher Gewalttaten, welche die Menschen zwingen, ihr Heim auf der Flucht ins Ungewisse zu verlassen. In Erwiderung der beängstigten Appelle, die mich aus vielen Orten erreichen, wende ich mich an politische und militärische Verantwortliche und rufe sie auf, jede mögliche Initiative in die Tat umzusetzen, die geeignet ist, gerechten und dauerhaften Frieden zu fordern. Auch das Drama des Kosovo, wo es an der Vigil von Weihnachten zu neuerlichen Zusammenstößen kam, ist stets gegenwärtig in meinem Herzen. 3. Diese Leidenssituationen vertraue ich der Fürsprache derer an, die wir am ersten Tag des Jahres als Mutter des Wortes angerufen haben, das Mensch geworden ist, 4 A UDIENZEN UND ANGELUS um die Einheit der von der Sünde entzweiten Menschheitsfamilie wiederherzustellen. Die Heilige Jungfrau möge in den Herzen der Männer und Frauen unserer Zeit einen festeren Willen zu Verständnis und Einvernehmen wecken, so dass aus dem Einsatz aller im neuen Jahrtausend, das vor uns liegt, eine gerechtere und solidarischere Welt entstehen kann. Mission und Verkündigung sind gesamtkirchliche Aufgaben Angelus am Hochfest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Vor kurzem ist in der Petersbasilika die Eucharistiefeier zu Ende gegangen, in deren Verlauf ich neue Bischöfe geweiht habe. Dieser eindrucksvolle Ritus wiederholt sich schon seit einigen Jahren am Epiphanie-Tag, der Feier der Erscheinung Christi vor den Völkern, vertreten durch die Sterndeuter, die aus dem Osten nach Betlehem gekommen waren. Christus ist das Licht der Welt, das jeden Menschen und alle Völker erleuchtet: Das ist die Botschaft des heutigen Hochfestes, eine Botschaft, die in erster Linie den Bischöfen anvertraut ist. Für sie gilt über alle Generationen hinweg der Auftrag, den der auferstandene Christus den Aposteln hinterließ: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). 2. Dieser missionarische Auftrag ist für alle Jünger Christi. Während die internationale Gemeinschaft sich anschickt, die Schwelle des dritten Jahrtausends zu überschreiten, und mit Sorge auf die Schatten blickt, die noch über ihrem Weg liegen, „ist es der dringende Wunsch“ der Kirche, dass das Licht Christi alle Menschen erleuchte; sie vermehrt daher ihren Einsatz, um das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Die Menschheit braucht Christus: Sie braucht sein Wort des Heils, seine trostbringende Gegenwart und seine Liebe, die alles erneuert. Die Welt erwartet von den Christen ein unerschrockenes und treues Zeugnis. Wir wollen beten, dass in jedem Gläubigen das missionarische Bewusstsein zunehme und die Zahl derer wachse, die in jedem Winkel der Erde ihre Kräfte in den Einsatz für die Sache des Evangeliums stellen. Ich denke besonders an die Länder der Erstverkündigung und an alle, die nicht davor zurückscheuen, Risiken und Gefahren auf sich zu nehmen, um nur das Wort Gottes dorthin zu bringen; ich denke auch an die, welche unter vielen körperlichen und seelischen Leiden ihr Leben zu einer hochherzigen Gabe an den Herrn machen, um einen Beitrag zu seinen geheimnisvollen Plänen des Heils zu leisten. 5 A UDIENZEN UND ANGELUS 3. Geliebte Brüder und Schwestern! Während wir mit Freude unseren Dank für das Geschenk dieser neuen Bischöfe zum Vater im Himmel erheben, nehmen wir in unser Gebetsgedenken die gesamte Gemeinschaft der Kirche hinein, die von Jesus gesandt ist, allen Völkern das Evangelium zu verkünden: Möge auf ihrem Antlitz stets das Licht des Erlösers erstrahlen. Darum bitten wir auf die Fürsprache der heiligsten Maria, Mutter der Kirche und Königin der Apostel. Sie, die den Sterndeutern in Bethlehem das Jesuskind gezeigt hat, helfe uns, dass wir den Menschen unserer Zeit die Gute Nachricht von der barmherzigen Liebe Gottes verkünden und Zeugnis dafür ablegen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Einen herzlichen Gruß richte ich an die anwesenden Pilger mit einem besonderen Gedanken an alle - Angehörige, Freunde und Bekannte -, die zur Weihe der neuen Bischöfe gekommen sind... Bewusstsein der Gotteskindschaft pflegen Angelus am 10. Januar 1. An diesem Sonntag feiern wir das Fest der Taufe des Herrn. Die Textstelle aus dem Evangelium, die uns die Liturgie zum Nachdenken vorlegt, spricht von Jesus, der im Gewirr der Menge in den Jordanfluss herabsteigt, um von Johannes getauft zu werden. Als er aus dem Wasser kommt, öffnet sich der Himmel, der Geist Gottes erscheint in der Gestalt einer Taube, und aus der Höhe ertönt eine Stimme: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“ (Mt 3,17). In dieser Szene gibt sich in gewisser Weise Gott selbst in seinem trinitarischen Geheimnis zu erkennen: der Vater, Ursprung und Quelle des Lebens und der Heiligkeit; der Sohn, in die Welt gekommen, um sie von Sünde und Tod zu befreien; der Heilige Geist, der mit seiner Kraft das Erlösungswerk trägt. 2. Im Umfeld dieses letzten Vorbereitungsjahres für das Große Jubiläum, des dem Vater gewidmeten Jahres, erhält das heutige Fest einen besonderen Wert. Das Bild der Taufe Jesu bringt uns das barmherzige Antlitz des himmlischen Vaters zu Bewusstsein, von dem das Evangelium sagt: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Wir sind also eingeladen, nachzudenken über die Liebe, die der Vater zu uns hat, die wir von ihm in der Taufe zur Würde von Adoptivkindern erhoben wurden. Das Bewusstsein einer so hohen Würde soll in uns das Bemühen um ein entsprechendes Verhalten wachrufen. 3. Heute morgen habe ich im eindrucksvollen Rahmen der Sixtinischen Kapelle einigen Kindern das erste Sakrament der christlichen Initiation gespendet. Zusammen mit den Eltern und Taufpaten sagen wir dem Herrn Dank für das Geschenk des Lebens und der heiligmachenden Gnade, die diese Kinder zu Adoptivkindern 6 AUDIENZEN UND ANGELUS Gottes gemacht hat. Beten wir ferner für alle Getauften, dass sie, mit erneuerter Treue auf den Ruf des Herrn antwortend, stets in seiner Liebe leben mögen. Diese unsere Bitten vertrauen wir der Gottesmutter an, dass sie als Mutter der göttlichen Gnade jedem Christen helfe, sich der Bedeutung und Wichtigkeit seiner Taufe bewusst zu sein und ihr im täglichen Leben treu zu bleiben. Einen schönen Sonntag und eine gute Woche für alle. Gelobt sei Jesus Christus! Das Angesicht des Vaters - Sehnsucht des Menschen Generalaudienz am 13. Januar 1. „Du hast uns auf dich hin geschaffen, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir“ (Augustinus, Confessiones 1,1; deutsch in Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 30). Dieser berühmte Satz, der die Bekenntnisse des hl. Augustinus eröffnet, fasst eindrucksvoll das ununterdrückbare Bedürfnis in Worte, das den Menschen antreibt, das Angesicht Gottes zu suchen. Eine solche Erfahrung findet sich von verschiedenen religiösen Traditionen bestätigt: „Von den ältesten Zeiten bis zu unseren Tagen findet sich bei den verschiedenen Völkern eine gewisse Wahrnehmung jener verborgenen Macht, die dem Lauf der Welt und den Ereignissen des menschlichen Lebens gegenwärtig ist, und nicht selten findet sich auch die Anerkenntnis einer höchsten Gottheit oder sogar eines Vaters“ (Nostra aetate, Nr. 2). In der Tat kommt in vielen Gebeten des weltweiten religiösen Schrifttums die Überzeugung zum Ausdruck, dass das höchste Wesen wahrgenommen und angerufen werden kann als Vater, zu dem man über die Erfahrung der liebevollen Sorge des irdischen Vaters gelangt. Gerade diese Beziehung hat in einigen Strömungen des heutigen Atheismus zu der Vermutung geführt, dass die Gottesvorstellung selbst eine Projektion des Vaterbildes sei. Der Verdacht ist in Wahrheit unbegründet. Es trifft allerdings zu, dass der Mensch, von seiner Erfahrung ausgehend, bisweilen versucht ist, sich die Gottheit in anthropomorphischen Zügen vorzustellen, welche allzu sehr die Menschenwelt widerspiegeln. Die Gottsuche geht somit durch „Ertasten“ vor sich, wie Paulus in der Rede an die Athener sagte (vgl. Apg 17,27). Man muss sich demnach dieses Helldunkel der religiösen Erfahrung vor Augen halten in dem Bewusstsein, dass nur die volle Offenbarung, in der Gott sich selbst kundmacht, die Schatten und Missverständnisse beseitigen und das Licht leuchten lassen kann. 2. Nach dem Vorbild des Paulus, der gerade in der Rede an die Athener einen Vers des Dichters Arat(os) über den göttlichen Ursprung des Menschen zitiert (vgl. Apg 17,28), blickt die Kirche mit Achtung auf die Versuche, welche die verschiedenen Religionen vorlegen, um das Angesicht Gottes zu erfassen; sie unterscheidet dabei das, was annehmbar ist in deren Glaubensvorstellungen, von dem, was mit der christlichen Offenbarung nicht vereinbar ist. 7 AUDIENZEN UND ANGELUS Auf dieser Linie muss als positive religiöse Intuition die Wahrnehmung Gottes als allumfassender Vater der Welt und der Menschen betrachtet werden. Nicht angenommen werden kann hingegen die Vorstellung von einer Gottheit, die von Willkür und Laune beherrscht ist. Bei den alten Griechen zum Beispiel wurde das Gute als höchstes und göttliches Wesen auch Vater genannt, doch der Gott Zeus bekundete seine Vaterschaft sowohl in Wohlwollen als auch in Zorn und Bosheit. In der Odyssee lesen wir: „Zeus Vater! Kein anderer ist grausamer als du unter den Göttern! Kein Erbarmen hast du mit den Männern, nachdem du sie selbst hast entstehen lassen, daß sie ins Elend geraten und in jammervolle Schmerzen“ (XX,201-203; in: Homer, Die Odyssee, dt. von Wolfgang Schadewaldt, Zürich u. Stuttgart 1966). Dennoch ist das Bedürfnis nach einem über launische Willkür erhabenen Gott auch bei den alten Griechen vorhanden, wovon beispielsweise der „Zeushymnus“ des Dichters Kleanthes zeugt. Die Vorstellung von einem göttlichen Vater, bereit zu großzügigem Geschenk von Leben und vorsehend im Spenden der zum Dasein nötigen Güter, aber auch streng und strafend - und das nicht immer aus ersichtlichem Grund ist in den antiken Gesellschaften mit der Einrichtung des Patriarchats verbunden und überträgt dessen geläufigste Sichtweise auf die religiöse Ebene. 3. In Israel geht die Erkenntnis der Vaterschaft Gottes schrittweise vor sich und ist ständig durch die Versuchung zum Götzendienst gefährdet, wogegen die Propheten kraftvoll ihr Wort erheben: „Sie sagen ... zum Holz: ,Du bist mein Vater und zum Stein: ,Du hast mich geboren“ (Jer 2,27). In Wirklichkeit ist für die biblische religiöse Erfahrung die Wahrnehmung Gottes als Vater weniger an seine Schöpfertätigkeit als vielmehr an sein historisch-heilswirksames Eingreifen gebunden, wodurch er mit Israel eine besondere Bundesbeziehung begründet. Oft bedauert Gott, dass seine väterliche Liebe nicht die angemessene Erwiderung gefunden hat: „Der Herr spricht: Ich habe Söhne großgezogen und emporgebracht, doch sie sind von mir abgefallen (des 1,2). Die Vaterschaft Gottes erscheint Israel solider als die der Menschen: „Wenn mich auch Vater und Mutter verlassen, der Herr nimmt mich auf (Ps 27,10). Der Psalmist, der diese schmerzliche Erfahrung des Verlassenseins gemacht und in Gott einen sorgsameren Vater als seinen irdischen gefunden hat, zeigt uns den Weg, den er gegangen ist, um dieses Ziel zu erreichen: „Mein Herz denkt an dein Wort: ,Sucht mein Angesicht! ’ Dein Angesicht, Herr, will ich suchen“ (Ps 27,8). Die Suche nach dem Angesicht Gottes ist ein notwendiger Weg, der mit aufrichtigem Herzen und beständigem Bemühen zu gehen ist. Nur das Herz des Gerechten vermag sich zu freuen bei der Suche nach dem Angesicht des Herrn (vgl. Ps 105,3 f.), so kann das väterliche Angesicht Gottes über ihm leuchten (vgl. Ps 119,135; vgl. auch 31,17; 67,2; 80,4.8.20). Wer das göttliche Gesetz beachtet, genießt auch vollends den Schutz des Bundesgottes. Der Segen, mit dem Gott über die priesterliche Mittlerschaft Aarons sein Volk bedenkt, hat gerade dieses leuchtende Offenbarwerden des Angesichtes Gottes zum 8 A UDIENZEN UND ANGELUS Thema: „Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil“ (Num 6,25 f.). 4. Seit Jesus in die Welt gekommen ist, hat die Suche nach dem Angesicht von Gott-Vater eine noch bedeutsamere Dimension angenommen. In seiner Lehre hat Jesus, sich auf seine Erfahrung als Sohn berufend, die Auffassung von Gott als Vater bekräftigt, die sich schon im Alten Testament abzeichnete; ja, er hat ständig darauf Bezug genommen, in inniger, unaussprechlicher Weise danach gelebt und ein dementsprechendes Lebensprogramm für die angeboten, welche das Heil erlangen möchten. Vor allem nimmt Jesus eine absolut einmalige Stellung gegenüber der göttlichen Vaterschaft ein dadurch, dass er sich als „Sohn“ offenbart und sich als einziger Weg anbietet, um zum Vater zu gelangen. Dem Philippus, der ihn bittet: „Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns“ (Joh 14,8), antwortet er, dass ihn zu kennen bedeutet den Vater zu kennen, denn der Vater wirkt durch ihn (vgl. Joh 14,8-11). Für den, der dem Vater begegnen will, ist es also notwendig, an den Sohn zu glauben: Durch ihn gewährt Gott uns nicht nur vorsehenden väterlichen Beistand, sondern teilt uns darüber hinaus sein eigenes Leben mit, indem er uns zu „Söhnen und Töchtern im Sohn“ macht. Das betont mit ergriffener Dankbarkeit der Apostel Johannes: „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es“ (7 Joh 3,1). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Wir stehen in dem Jahr, das Gott dem Vater gewidmet ist. Mögen immer mehr Menschen entdecken, dass sie Söhne und Töchter des Einen Vaters sind. Mit diesem Wunsch grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Zunge. Gern erteile ich euch und euren Lieben daheim sowie allen, die über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen. Förderung der Einheit — wirkungsvolles Zeugnis für das Evangelium Angelus am 17. Januar 1. Heute wird in Italien der „Tag der Vertiefung und Entwicklung des jüdisch-christlichen religiösen Dialogs“ begangen. Unser Gebet vereinigt sich mit dem der Brüder und Schwestern jüdischer Religion, um Gottes Segen über uns alle zu erbitten. Der Anlass kommt mir gelegen, um den Wunsch zu erneuern, den ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente (Nr. 53) formuliert habe, nämlich dass dieses dritte Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Jubiläum, 9 A UDIENZEN UND ANGEL US das Gottvater-Jahr, eine große und fruchtbare Gelegenheit für den interreligiösen Dialog, besonders unter denen, die an den einen wahren Gott glauben, sein möge. 2. Dieser Tag des Dialogs mit den Juden geht der „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ voraus, die morgen beginnt und am 25. Januar, dem Fest der Bekehrung des hl. Paulus, zu Ende geht. Es ist dies eine mittlerweile konsolidierte und in den kirchlichen Gemeinschaften vielfach empfundene Initiative: Christen aller Konfessionen werden in den nächsten Tagen miteinander Gedanken und Erfahrungen zu dem von einer gemischten Vorbereitungsgruppe von Protestanten, Orthodoxen und Katholiken erarbeiteten Thema teilen: „Sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein.“ Das Thema ist dem Buch Offenbarung (21,3) entnommen und stellt eine starke Einladung zur Hoffnung dar: Gott ist in der Tat Gemeinschaft, und in Christus hat er die Kirche geboren, Bild der Dreifaltigkeit, Zeichen und Werkzeug der Einheit für das ganze Menschengeschlecht. Dieses Geheimnis der Gemeinschaft, das die Kirche ist, wird am Ende der Zeiten vollends offenbar werden, aber schon in der Geschichte verwirklicht es sich als Licht für alle Völker. Jeder Getaufte ist gerufen, durch ständiges Gebet und geschwisterliche Liebe dazu beizutragen. 3. Zum Abschluss dieser Oktav wird wie gewohnt am kommenden 25. Januar ein feierlicher Gottesdienst in der Basilika St. Paul vor den Mauern stattfmden. Er wird in meinem Namen von Edward Idris Kardinal Cassidy geleitet, da ich abwesend bin: Denn ich werde mich vom 22. bis 28. Januar nach Ciudad de Mexico (Mexiko-Stadt) und nach Saint Louis in den Vereinigten Staaten begeben, um den Gläubigen des amerikanischen Kontinents das Nachsynodale Apostolische Schreiben, welches die aus der vergangenen Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika hervorgegangenen Weisungen und Richtlinien enthält, zu überreichen. Ich bitte, mich im Gebet auf dieser wichtigen apostolischen Reise zu begleiten, die mir die willkommene Gelegenheit bietet, als Pilger zu U. Lb. Frau von Guadalupe, der Patronin von Mexiko und ganz Amerika, zurückzukehren, die ich schon vor zwanzig Jahren anlässlich der ersten apostolischen Pilgerreise meines Pontifikats besucht habe. Ihrer Fürbitte werde ich die Neu-Evangelisierung Amerikas anvertrauen, wo der Großteil der Katholiken und der Christen auf der Welt lebt. Die Mutter der Kirche möge für alle Christgläubigen erbitten, dass sie die Bande der Einheit und Solidarität verstärken, damit das Zeugnis des Evangeliums überall glaubhaft und wirkungsvoll sei. 10 A UDIENZEN UND ANGELUS Die Vaterschaft Gottes im Alten Testament Generalaudienz am 20. Januar 1. Das Volk Israel hat - wie wir bereits in der letzten Katechese erwähnt haben -Gott oft als Vater erfahren. Gleich wie alle anderen Völker erahnte es an ihm die väterlichen Gefühle, die zur gewohnten irdischen Vatererfahrung gehören. Insbesondere hat es an Gott eine erst recht väterliche Haltung wahrgenommen, indem es von der direkten Kenntnis seines besonderen Heilswirkens ausging (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 238). Unter dem ersten Gesichtspunkt, dem der allgemeinen menschlichen Erfahrung, erkannte Israel die göttliche Vaterschaft, ausgehend vom Staunen über die Schöpfung und das werdende neue Leben. Das Wunder eines Kindes, das im mütterlichen Schoß Gestalt annimmt, findet ohne das Handeln Gottes keine Erklärung. So sagt der Psalmist: „Du hast mein Inneres geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter“ (Ps 139,13). Israel konnte in Gott einen Vater auch im Vergleich mit bestimmten Persönlichkeiten sehen, die ein öffentliches Amt, insbesondere ein religiöses, innehatten und als Väter angesehen wurden: etwa Priester (vgl. Ri 17,10: 18,19; Gen 45,8) oder Propheten (vgl. 2 Kön 2,12). Es lässt sich ferner leicht verstehen, wie die Achtung, welche die Gesellschaft Israels dem Vater und den Eltern gegenüber forderte, dazu führte, Gott als anspruchsvollen Vater zu sehen. Tatsächlich ist die mosaische Gesetzgebung sehr streng mit denen, die ihre Eltern nicht achten. Und sie sah für den, der seinen Vater oder seine Mutter schlägt oder auch nur verflucht, sogar die Todesstrafe vor (vgl. Ex 21,15.17). 2. Doch jenseits dieser auf menschliche Erfahrung zurückgehenden Vorstellung reift in Israel ein noch spezifischeres Bild von der göttlichen Vaterschaft, gegründet auf seinem rettenden Eingreifen. Durch die Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft beruft Gott Israel zu einer besonderen Bundesbeziehung mit ihm, es darf sich sogar als sein Erstgeborener betrachten. Gott zeigt so, dass er ihm auf einzigartige Weise Vater ist, wie aus den an Mose gerichteten Worten hervorgeht: „Dann sag zum Pharao: So spricht Jahwe: Israel ist mein erstgeborener Sohn“ {Ex 4,22). In der Stunde der Verzweiflung darf dieses Sohnesvolk es sich erlauben, den himmlischen Vater mit demselben Vorzugstitel anzurufen, damit er das Exodus-Wunder wieder erneuere: „Hab Erbarmen mit dem Volk, das deinen Namen trägt, mit Israel, den du deinen Erstgeborenen nanntest“ (Sir 36,17). Aufgrund dieser Lage ist Israel gehalten, ein Gesetz zu befolgen, das es von den anderen Völkern unterscheidet, vor denen es die göttliche Vaterschaft bezeugen soll, deren es sich in besonderer Weise erfreut. Das betont das Buch Deuteronomium im Zusammenhang mit den aus dem Bund erwachsenden Pflichten: „Ihr seid Kinder des Herrn, eures Gottes. Denn du bist ein Volk, das dem Herrn, deinem Gott heilig ist, und dich hat der Herr ausgewählt, 11 A UDIENZEN UND ANGELUS damit du unter allen Völkern, die auf der Erde leben, das Volk wirst, das ihm persönlich gehört“ (Dtn 14,1 f.). Wenn Israel das Gesetz Gottes nicht befolgt, handelt es im Widerspruch zu seinem Sohn-Sein und zieht sich den Tadel des himmlischen Vaters zu: „An den Fels, der dich gezeugt hat, dachtest du nicht mehr, du vergaßest den Gott, der dich geboren hat“ (Dtn 32,18). Dieser Stand als Sohn erstreckt sich auf alle Mitglieder des Volkes Israel, findet aber in einmaliger Weise Anwendung auf den Nachkommen und Nachfolger Davids gemäß der berühmten Prophezeiung des Natan, worin Gott spricht: „Ich will für ihn Vater sein, und er wird für mich Sohn sein“ (2 Sam 7,14/ 1 Chr 17,13). Gestützt auf diese Weissagung, vertritt die messianische Tradition die Gottessohnschaft des Messias. Zum messianischen König spricht Gott: „Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt“ (Ps 2,7; vgl. Ps 110,3). 3. Die göttliche Vaterschaft an Israel ist gekennzeichnet von einer innigen, beständigen und mitleidsvollen Liebe. Trotz der Treulosigkeiten des Volkes und der daraus folgenden Androhungen von Strafe offenbart Gott sich außerstande, von seiner Liebe abzusehen. Und er bringt dies in Worten von tiefer Zärtlichkeit zum Ausdruck, selbst wenn er gezwungen ist, die mangelnde Erwiderung seitens seiner Kinder zu bedauern: „Ich war es, der Efiraim gehen lehrte, ich nahm ihn auf meine Arme. Sie aber haben nicht erkannt, daß ich sie heilen wollte. Mit menschlichen Fesseln zog ich sie an mich, mit den Ketten der Liebe. Ich war da für sie wie die (Eltern), die den Säugling an ihre Wangen heben. Ich neigte mich ihm zu und gab ihm zu essen ... Wie könnte ich dich preisgeben, Effaim, wie dich aufgeben, Israel? ... Mein Herz wendet sich gegen mich, mein Mitleid lodert auf (Hos 11,3 ff.; vgl. Jer 31,20). Sogar der Tadel wird zum Ausdruck einer vorzugsweisen Liebe, wie das Buch der Sprichwörter lehrt: „Mein Sohn, verachte nicht die Zucht des Herrn, widersetz dich nicht, wenn er dich zurechtweist. Wen der Herr liebt, den züchtigt er, wie ein Vater seinen Sohn, den er gern hat“ (Spr 3,11-12). 4. Eine so göttliche - und in ihrer Ausdrucksweise zugleich so „menschliche“ -Vaterschaft fasst in sich auch die Merkmale zusammen, die normalerweise der Mutterliebe zugeordnet werden. Wenn auch selten, so sind die Bilder des Alten Testaments, in denen Gott sich mit einer Mutter vergleicht, äußerst vielsagend. Wir lesen z. B. im Buch Jesaja: „Zion sagt: Der Herr hat mich verlassen, Gott hat mich vergessen. Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst, wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse dich nicht“ (Jes 49,14—15). Und weiter: „Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch“ (Jes 66,13). Die göttliche Haltung gegenüber Israel zeigt sich somit auch in mütterlichen Zügen, welche die Zärtlichkeit und Nachsicht daran zum Ausdruck bringen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 239). Diese Liebe, die Gott in so reicher Fülle über sein Volk ausgießt, lässt den alten Tobit ausrufen: „Bekennt euch zu ihm vor allen Völkern, ihr Kinder Israels; denn 12 AUDIENZEN UND ANGELUS er selbst hat uns unter die Völker zerstreut. Verkündet dort seine erhabene Größe, preist ihn laut vor allem, was lebt. Denn er ist unser Herr und Gott, er ist unser Vater in alle Ewigkeit“ (Tob 13,3—4). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Wir stehen in der Woche des Gebetes für die Einheit der Kirche. Mögen alle Christen sich ernsthaft bemühen, den gemeinsamen Weg zum einen Gott, dem Vater aller, zu suchen und zu gehen. Mit diesem Wunsch grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Gern erteile ich Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen. Appell für Frieden im Kosovo und in Sierra Leone Das Geschick des Friedens wird in vielen Teilen der Welt weiter bedroht. In diesen Tagen kommt es zu wiederholten Vorfällen von Grausamkeit und Erbarmungslosigkeit insbesondere im Kosovo und in Sierra Leone. Lasst uns mit erneutem Vertrauen zu Gott beten, dass er dort, wo der Hass überhand nimmt, seine väterliche Barmherzigkeit überreich ausgießen und das Gewissen derer, welche die Geschicke der Völker leiten, wachrütteln und die Herzen aller zu einer friedfertigen Gesinnung bewegen möge. Ein Gedanke besonderer Nähe und Solidarität gilt dem Erzbischof von Freetown, den Missionarinnen und Missionaren, die von den Kämpfern in Sierra Leone als Geiseln festgehalten werden, ungeachtet ihrer unermüdlichen Hingabe im Dienst an der Bevölkerung dieses afrikanischen Landes. Ich appelliere an die Verantwortlichen, sie baldmöglichst freizulassen, dass sie zurückkehren können in ihren Dienst der Evangelisierung und Nächstenliebe. Gebetsbitte für Amerikareise Am Vorabend meines Besuches in Mexiko lade ich euch ein, eure Gebete zu U. Lb. Frau von Guadalupe zu erheben, dass sie die Schritte der Neuevangelisierung unter den geliebten Völkern hispanischer Sprache und Kultur lenke. Sie möge euch stets schützen und begleiten. Und zu den Gläubigen portugiesischer Sprache sagte der Papst: Im Vertrauen auf eure geistliche Unterstützung hoffe ich, übermorgen nach dem amerikanischen Kontinent abzureisen, um seinen Christengemeinden die Frucht des bereits gegangenen Weges der Synodenversammlung anzuvertrauen; sie soll zur Anleitung und Ausrichtung beim Aufbau der nächsten Zukunft dienen. 13 A UDIENZEN UND ANGEL US Wege zum Frieden Angelus am 31. Januar 1. Heute ist der Papst ein wenig erkältet, und deshalb werden seine Worte kurz sein. Vor drei Tagen bin ich von meiner Pilgerreise nach Mexiko und nach Saint Louis, in den Vereinigten Staaten, heimgekehrt, und ich danke Gott, dass er mir dazu die Möglichkeit gegeben hat. Unserer Lieben Frau von Guadalupe, der Patronin von Mexiko und dem gesamten Kontinent, vertrauen wir das Schicksal der amerikanischen Völker und ihre Neu-Evangelisierung an. 2. Auf dem Petersplatz sind heute zahlreiche Jungen und Mädchen der Katholischen Aktion von Rom, die zum Abschluss des „Monats des Friedens“ mit ihren Eltern, Erziehern und vielen ihrer Altersgenossen gekommen sind. Meine Lieben, das Thema eurer diesjährigen Initiative lautet „Wir sind rechtzeitig für den Frieden“. Ja, das gehört zur Sendung jedes Christen: alle daran zu erinnern, dass es immer rechtzeitig für den Frieden ist. Die beiden Tauben, die wir gleich fliegen lassen werden, wollen ein Friedenswunsch für Rom und die ganze Welt sein, die wir der Fürsprache der heiligen Jungfrau anvertrauen. Welttag der Aussätzigen Heute wird der Welttag der Aussätzigen begangen, dessen Anliegen es ist, zu erneutem Einsatz aufzurufen, um diese schwere Krankheit zu bekämpfen und zu besiegen, von der auch heute noch rund zwölf Millionen Menschen betroffen sind. Ihnen sende ich einen besonderen Segen mit der Versicherung meines ständigen Gebets. Sodann grüße und ermutige ich die Italienische Vereinigung der Freunde von Raoul Follereau sowie alle, die in der ganzen Welt hochherzig dafür arbeiten, die Hansensche Krankheit und jede Art sozialer Ausgrenzung zu beseitigen. Christus ist Licht in dunklen und kalten Tagen Generalaudienz am 3. Febmar Eine jahreszeitlich bedingte Krankheit hat mich gezwungen, meine Tätigkeit in diesen Tagen zu unterbrechen. Doch heute kann ich es nicht unterlassen, mein Wort an euch zurichten, die ihr zum gewohnten Treffen am Mittwoch gekommen seid. Meine lieben Brüder und Schwestern, ich grüße euch alle mit Zuneigung. Der Herr, den wir am gestrigen Fest als Licht, das den Heilsweg jedes Menschen er- 14 A UDIENZEN UND ANGEL US leuchtet, betrachtet haben, möge im Leben von jedem mit seinem Glanz erstrahlen und es mit seiner Freude und seinem Frieden erfüllen. Einen besonderen Gruß richte ich an die Diakone der Erzdiözese Mailand und an alle anwesenden Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen. Sodann möchte ich einen herzlichen Gedanken all denen übermitteln, die am meisten unter der Kälte leiden, vor allem den Obdachlosen, den Erdbebengeschädigten, den Kranken, den Betagten und den Kindern. Möge für jeden die notwendige Hilfe dasein. Ich hoffe, dass im Sinne des bekannten Sprichworts „Wenn’s an Lichtmess stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit“ bald wieder schöne und warme, sonnige Tage kommen. Allen einen besonderen Segen. Geschenk des Lebens in Würde und Verantwortung weitergeben Angelus am 7. Februar 1. Heute wird in Italien der Tag für das Leben gefeiert, der in diesem Jahr zum Thema hat: „Vaterschaft und Mutterschaft: Geschenk und Verpflichtung.“ Das ist eine deutliche Einladung, nachzudenken über die Größe der Sendung, die der Herr den Eltern anvertraut hat: das Geschenk des Lebens weiterzugeben. In der Übernahme dieser Aufgabe verwirklichen sie die Fülle der Liebe und werden zu herausragenden Mitwirkenden am Schöpfüngswerk Gottes sowie zum Spiegelbild seiner unendlichen und allumfassenden Vaterschaft. Bei der Erhabenheit des Auftrags ist es natürlich, an die Hindernisse zu denken, die sich oft der Zeugung von Kindern in den Weg stellen: das Fehlen einer würdevollen Arbeit, einer angemessenen Unterkunft und einer gesunden und sicheren Lebensumgebung. Was soll man ferner von jenen Eltern sagen, die einer Sichtweise von einem egoistischen und hedonistischen Dasein folgen und freiwillig auf das Geschenk und die Freude verzichten, Vater und Mutter zu sein. Mein Wunsch ist, dass dieses der Reflexion über die Vaterschaft Gottes gewidmete Vorbereitungsjahr auf das Jubiläum in allen Eltern das freudige Bewusstsein ihrer großen Berufung zur Vaterschaft und Mutterschaft wecke und die Träger öffentlicher Verantwortung veranlasse, eine für das Entstehen neuen Lebens immer besser geeigneten Umgebung zu schaffen. 2. Die von zahlreichen Dozenten der Universitäten Roms unterschriebene Erklärung gegen die Klonierung von Menschen habe ich erhalten. Indem ich meine Zufriedenheit über die entschlossene Verurteilung des Klonens von Menschen bekunde, möchte ich Universitätsdozenten ermutigen, den Weg der Erarbeitung einer neuen Kultur der Menschenrechte fortzusetzen und die Person des Menschen von ihrer Empfängnis an gegen jede Form von Verletzung ihrer Würde zu verteidigen. 15 A UDIENZEN UND ANGELUS Diese Erklärung gewinnt noch an Bedeutung im Zusammenhang mit dem heutigen Tag für das Leben. Beten wir zu Maria, der Königin der Familien, dass alle Eltern, dankbar für das Geschenk der Vaterschaft und Mutterschaft, Zeichen der zärtlichen Liebe des Vaters zu jedem menschlichen Leben sein möge. Am Ende der Grußworte nach dem Angelus fugte der Papst noch hinzu: Einen herzlichen Gruß an alle, die mit Kardinal Ruini auf den Petersplatz gekommen sind, um ihre Unterstützung für das Leben zu bekunden. Gedanken zur Pastoraireise nach Amerika Generalaudienz am 10. Febmar 1. Noch sind die Eindrücke von meiner jüngsten Pilgerreise nach Mexiko und in die Vereinigten Staaten lebendig in meiner Erinnerung. Darauf will ich heute zurückkommen. Spontan steigt Dank aus meinem Herzen zum Herrn empor: In seiner Vorsehung hat er gewollt, dass ich genau zwanzig Jahre nach meiner ersten internationalen Reise wiederum nach Amerika gehe, um zu Füßen U. Lb. Frau von Guadalupe die Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika abzuschließen, die Ende 1997 im Vatikan getagt hatte. Aus dieser Versammlung habe ich - wie schon für Afrika und noch ausstehend für Asien, Ozeanien und Europa - Analysen und Vorschläge aufgenommen und in einem Apostolischen Schreiben mit dem Titel Ecclesia in America gesammelt, das ich in Mexiko-Stadt den Adressaten offiziell übergeben habe. Heute möchte ich erneut meinen lebhaften Dank gegenüber denen, die zum Gelingen dieser Pilgerreise beigetragen haben, zum Ausdruck bringen. An erster Stelle danke ich den Staatspräsidenten Mexikos und der Vereinigten Staaten, die mich mit großer Zuvorkommenheit empfangen haben; den Erzbischöfen von Mexiko-Stadt und von Saint Louis und den weiteren verehrten Mitbrüdem im Bischofsamt, die mir liebevolle Aufnahme bereitet haben. Ferner danke ich den Priestern, den Ordensmännem und Ordensffauen sowie den unzähligen Brüdern und Schwestern, die mich während dieser Tage der Gnade mit so viel Glauben und Wärme umgeben haben. Miteinander haben wir die ergreifende Erfahrung einer „Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus, Weg der Umkehr, der Gemeinschaft und der Solidarität“ gemacht. 2. Die Früchte der ersten gesamtamerikanischen Synode in der Geschichte habe ich Maria, U. Lb. Frau von Guadalupe, zu Füßen gelegt, unter deren mütterlichen Schutz die Evangelisierung der Neuen Welt sich ausgebreitet hat. Zu Recht wird sie heute als Leitstern der Neuevangelisierung Amerikas angerufen. Deshalb habe 16 A UDIENZEN UND ANGELUS ich angeordnet, dass ihr liturgischer Gedenktag, der 12. Dezember, auf den ganzen amerikanischen Kontinent ausgedehnt als Fest gefeiert wird. Nach dem Vorbild der Jungfrau Maria hat die Kirche in Amerika die Gute Nachricht des Evangeliums aufgenommen und im Lauf von fünf Jahrhunderten viele Völker für den Glauben gezeugt Und wie das Motto des Mexikobesuchs sagte, „Ein Jahrtausend bricht an. Lasst uns den Glauben neu bekennen“, sind heute die Christengemeinschaften Nord-, Mittel- und Südamerikas und der Karibik gemfen, sich im Glauben zu erneuern, um eine immer stärkere Solidarität zu entwickeln. Sie sind eingeladen, im Rahmen von koordinierten Pastoralplänen zusammenzuarbeiten, wobei jede mit ihren besonderen geistlichen und materiellen Reichtümem zur gemeinsamen Aufgabe beitragen soll. Dieser Geist der Zusammenarbeit ist natürlich auch auf der zivilen Ebene unerlässlich und erfordert daher eine gemeinsame Wertebasis, wie ich bei der Begegnung mit dem Diplomatischen Corps in Mexiko hervorheben konnte. 3. Die Christen sind die „Seele“ und das „Licht“ der Welt. Diese Wahrheit betonte ich vor der riesigen Menge, die zur sonntäglichen Eucharistiefeier auf die Autorennbahn der mexikanischen Hauptstadt gekommen war. An alle, besonders an die Jugendlichen, richtete ich den Aufruf, der im Großen Jubiläum enthalten ist: Sich bekehren und Christus nachfolgen. Die Mexikaner antworteten mit ihrer unvergleichlichen Begeisterung auf die Aufforderung des Papstes, und auf ihren Gesichtem, in ihrem brennenden Glauben, in ihrer überzeugten Bejahung des Evangeliums vom Leben gewahrte ich wiedemm tröstliche Zeichen der Hoffnung finden großen amerikanischen Kontinent. Ich wurde dieser Zeichen auch bei der Begegnung mit der Welt des Leidens gewiss, dort, wo Liebe und menschliche Solidarität die Kraft und sorgende Nähe des auferstandenen Christus in der Schwachheit gegenwärtig zu machen wissen. In Mexiko-Stadt war das Aztekenstadion, berühmt für denkwürdige Sportveranstaltungen, Ort einer außergewöhnlichen Gebets- und Feierstunde mit Vertretern aller Generationen des zwanzigsten Jahrhunderts, von den Höchstbetagten bis zu den Allerjüngsten: ein wunderbares Zeugnis dafür, wie der Glaube imstande ist, Generationen zu verbinden und Antwort auf die Herausforderungen jeder Lebenssaison zu geben. An diesem Jahrhundert- und Jahrtausendwechsel erblickt die Kirche in Amerika und auf der ganzen Welt in den jungen Christen die schönste und verheißungsvollste Frucht ihrer Arbeit und ihrer Leiden. Groß ist meine Freude, dass ich sowohl in Mexiko als auch in den Vereinigten Staaten eine große Zahl von Jugendlichen treffen konnte. Mit ihrer an Begeisterung reichen und zugleich gebannt-aufmerksamen Teilnahme, mit ihrem Beifall an den Stellen der Rede, an denen ich die anspruchsvollsten Gesichtspunkte des christlichen Angebots darlegte, haben sie gezeigt, dass sie die Hauptpersonen einer neuen Zeit mutigen Zeugnisses, tatkräftiger Solidarität und selbstlosen Einsatzes und Dienstes für das Evangelium sein wollen. 17 A UDIENZEN UND ANGELUS 4. Es freut mich, hinzuzufügen, dass ich bei den amerikanischen Katholiken großes Gespür und Engagement für die Verteidigung des Lebens und der Familie angetroffen habe, untrennbare Werte, die eine große Herausforderung für die Gegenwart und Zukunft der Menschheit darstellen. Meine jüngste Reise war in gewissem Sinn ein großer Aufruf an Amerika, das Evangelium vom Leben und von der Familie anzunehmen sowie jeder Form von Gewalt gegen die Person des Menschen von ihrer Empfängnis bis zum natürlichen Tod abzuschwören und mit geistiger und moralischer Konsequenz entgegenzutreten. Nein zu Abtreibung und Euthanasie; Schluss mit der unnötigen Anwendung der Todesstrafe; nein zu Rassismus wie zu Gewalt gegen Kinder, Frauen und Indianer; stoppt die Spekulation mit Waffen und Drogen und die Zerstörung des Erbes der Umwelt. Um diese Schlachten zu gewinnen, gilt es die Kultur des Lebens zu verbreiten, welche Freiheit und Wahrheit zusammenhält. Die Kirche arbeitet Tag für Tag dafür, indem sie Christus, die Wahrheit über Gott und die Wahrheit über den Menschen, verkündet. Sie ist vor allem in den Familien tätig, welche Heiligtümer des Lebens und Grundschulen für die Kultur des Lebens sind: Denn in der Familie lernt die Freiheit, auf soliden moralischen Grundlagen, und letztlich auf dem Gesetz Gottes, zu wachsen. Amerika wird seine wichtige Rolle in der Kirche und der Welt nur dann wahmehmen können, wenn es das gewaltige geistliche und gesellschaftliche Erbe seiner Familien verteidigt und fordert. 5. Mexiko und die Vereinigten Staaten, zwei große Länder, welche den vielförmi-gen Reichtum des amerikanischen Kontinents, aber auch dessen Gegensätze gut repräsentieren. Tief verwurzelt im kulturellen und sozialen Geflecht, lädt die Kirche alle ein, Jesus Christus zu begegnen, der auch heute noch „Weg der Umkehr, der Gemeinschaft und der Solidarität“ ist. Diese Begegnung hat dank dem mütterlichen Wirken Marias, U. Lb. Frau von Guadalupe, die Geschichte Amerikas in unauslöschlicher Weise geprägt. Der Patronin dieses geliebten Kontinents vertraue ich den Wunsch an, dass die Begegnung mit Christus die Völker der Neuen Welt im nun anbrechenden neuen Jahrtausend weiterhin erleuchte. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 18 A UDIENZEN UND ANGELUS Europa braucht gemeinsame ethische Grundlagen Angelus am 14. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir feiern heute das Fest der hll. Kyrillos und Methodios, der Patrone Europas zusammen mit dem Abt Benedikt. Diese beiden heiligen Brüder aus Saloniki sind die großen Evangelisatoren der slawischen Welt, einer Welt, die, vom Lebenssaft des Evangeliums befruchtet, der Kirche und der Menschheit ein unschätzbares Erbe an Spiritualität und Kultur eingebracht hat. Wie sollte man in diesem Zusammenhang nicht an die Horizonte der Mission denken die sich in Europa an der Schwelle des neuen Jahrtausends eröffnen? Die Heilige Pforte des Jahres 2000 wird für eine Gesellschaft geöffnet werden, die es nötig hat, sich vom Licht Christi erleuchten zu lassen. Das „alte Europa“ hat das Geschenk des Evangeliums empfangen, ruft aber jetzt nach einer neuen christlichen Verkündigung, die den Menschen und Nationen helfen soll, Freiheit und Wahrheit miteinander in Einklang zu bringen, und die der wirtschaftlichen und politischen Einigung des Kontinents die geistigen und ethischen Grundlagen sichern möge. Die Fürbitte dieser beiden großen Evangelisatoren verleihe den kirchlichen Gemeinschaften des europäischen Kontinents, die sich bereit machen, im kommenden Herbst eine zweite Sonderversammlung der Bischofssynode zur Vorbereitung auf das Große Jubiläum abzuhalten, reichlichen apostolischen Impuls. 2. Der Gedanke geht sodann zum nächsten Mittwoch, wenn mit der Liturgie der Aschenweihe der intensive Jahresabschnitt der Fastenzeit mit seinem unverkennbaren Aufruf zur Umkehr und Buße beginnt. In diesem Jahr, dem letzten vor dem Jahr 2000, bietet sich die Fastenzeit umso mehr als günstiger Augenblick für eine „Heimkehr zum Haus des Vaters“, um einen „Weg echter Umkehr zu beschreiten, der sowohl einen ,negativen1 Aspekt der Befreiung vom Bösen beinhaltet als such einen ,positiven1, den Aspekt der Wahl des Guten“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 50). Ist das nicht der geeignetste Rahmen für eine Neuentdeckung des Bußsakramentes in seiner tiefsten Bedeutung? Die Verkündigung von Umkehr und Versöhnung als ein unausweichliches Erfordernis der christlichen Liebe ist in der gegenwärtigen Gesellschaft besonders dringlich, in der oft selbst die Grundlagen einer ethischen Sicht der menschlichen Existenz verlorengegangen zu sein scheinen. 3. Wir vertrauen diese unsere Vorsätze und Wünsche der heiligen Jungfrau an, an die wir uns mit dem Titel „Mutter des Vertrauens“ wenden, wie sie im „Seminario Romane Maggiore“ (dem Priesterseminar der Diözese Rom) angerufen wird, das ich gestern besuchen durfte. Die Gottesmutter erbitte für uns die Gabe des Vertrauens die dem Herzen des Menschen Hoffnung und Frieden schenkt. 19 A UDIENZEN UND ANGEL US Entgegenkommen Gottes - eine Erfahrung der Fastenzeit Generalaudienz am 17. Februar 1. Heute beginnt mit der ernsten Zeremonie der Segnung und Austeilung der Asche der Bußweg der Fastenzeit. In diesem Jahr ist er besonders gekennzeichnet vom Bezug auf das göttliche Erbarmen: Wir befinden uns nämlich im Gottvater-Jahr, das uns unmittelbar auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vorbereitet. „Vater, ich habe mich ... gegen dich versündigt“ (Lk 15,18). Diese Worte haben in der Fastenzeit eine besonders ergreifende Wirkung, da es die Zeit ist, in der die kirchliche Gemeinschaft zu tiefer Bekehrung aufgerufen ist. Wenn die Sünde den Menschen gegenüber Gott verschließt, so öffnet hingegen das aufrichtige Bekenntnis der Sünden das Gewissen wieder für das regenerierende Wirken der göttlichen Gnade. Tatsächlich findet der Mensch nicht wieder zur Freundschaft mit Gott, solange nicht von seinen Lippen und aus seinem Herzen die Worte kommen: „Vater, ich habe gesündigt.“ Dieses Bemühen erhält dann Wirksamkeit durch die Heilsbegegnung, die durch den Tod und die Auferstehung Christi stattfindet. Im österlichen Geheimnis, Herz der Kirche, erfährt der Büßende das Geschenk der Vergebung seiner Schuld und die Freude der Wiedergeburt zu unsterblichem Leben. 2. Im Licht dieser außerordentlichen geistlichen Wirklichkeit bekommt das Gleichnis vom verlorenen Sohn, durch das Jesus uns vom liebevollen Erbarmen des Vaters im Himmel sprechen wollte, unmittelbare Aussagekraft. Drei Schlüsselmomente gibt es in der Geschichte dieses jungen Mannes, mit dem jeder von uns sich identifiziert, wenn er der Versuchung erliegt und in Sünde fallt. Erstes Moment: das Weggehen. Wir entfernen uns von Gott wie jener Sohn vom Vater, wenn wir vergessen, dass die Güter und Talente, die wir besitzen, uns von Gott als Aufgabe gegeben sind, und sie mit großer Leichtfertigkeit verschleudern. Sünde ist immer Vergeudung unserer Menschlichkeit, Vergeudung von überaus kostbaren Werten wie die Personenwürde und das Erbe der göttlichen Gnade. Zweites Moment ist der Bekehrungsprozess. Der Mensch, der sich durch die Sünde freiwillig vom väterlichen Haus entfernt hat, bringt durch die Erkenntnis dessen, was er verloren hat, den entscheidenden Schritt des In-sich-Gehens zur Reife: „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen“ (Lk 15,18). Die Gewissheit „Gott ist gut und liebt mich“ ist stärker als Scham und Entmutigung: Sie erfüllt das Gefühl der Schuld und der eigenen Unwürdigkeit mit neuem Licht. Schließlich kommt als drittes Moment die Heimkehr. Für den Vater ist nur eines wichtig: Sein Sohn ist heimgekehrt. Die Umarmung mit dem verlorenen Sohn wird zu einem Fest der Vergebung und der Freude. Ergreifend ist diese im Evangelium beschriebene Szene, die in allen Einzelheiten die Haltung des Vaters im Himmel beschreibt, der „voll Erbarmen ist“ (vgl. Eph 2,4). 3. Wie viele Menschen aller Zeiten haben in diesem Gleichnis die Grundzüge ihrer persönlichen Geschichte wiedererkannt! Der Weg, der nach der bitteren Erfahrung 20 A UDIENZEN UND ANGELUS der Sünde wieder zum Haus des Vaters fuhrt, geht durch Gewissenserforschung, Reue und den festen Vorsatz der Umkehr hindurch. Es ist ein innerer Prozess, der die Art, die Realität zu beurteilen, verändert, über die eigene Hinfälligkeit Gewissheit verschafft und den Gläubigen dazu führt, sich an die Arme Gottes anzulehnen. Wenn der Mensch mit Hilfe der Gnade in seinem geistigen Inneren diese Stationen durchläuft, wächst in ihm das lebendige Bedürfnis, sich selbst und seine Würde als Sohn in der Umarmung des Vaters wiederzufmden. So bringt dieses der Tradition der Kirche wichtige Gleichnis auf einfache, aber tiefe Weise die Wirklichkeit der Bekehrung zum Ausdruck und bietet das konkreteste Zeugnis für das Wirken des göttlichen Erbarmens in der Welt des Menschen. Die erbarmende Liebe Gottes „wertet wieder auf, fordert und zieht aus allen Formen des Übels in der Welt und im Menschen das Gute ... Sie stellt den Grundinhalt der messianischen Botschaft Christi dar und den eigentlichen Impuls seiner Mission“ (vgl. Dives in misericordia, Nr. 6). 4. Zu Beginn der Fastenzeit ist es wichtig, dass wir unseren Geist bereit machen, in Fülle das Geschenk des göttlichen Erbarmens zu empfangen. Das Wort Gottes ermahnt uns, uns zu bekehren und an das Evangelium zu glauben. Die Kirche zeigt uns dafür Gebet, Buße und Fasten sowie großherzige Hilfe an den Mitmenschen als Mittel, um uns in das Klima wahrer innerer wie auch gemeinschaftlicher Erneuerung zu begeben. Wir dürfen auf diese Weise die überbordende Fülle der Liebe des Vaters im Himmel erfahren, die im Ostergeheimnis der ganzen Menschheit in Fülle geschenkt ist. Man könnte sagen, dass die Fastenzeit die Zeit eines besonderen Entgegenkommens Gottes ist, unsere Sünden zu vergeben und zu verzeihen: die Zeit der Versöhnung. Sie ist daher eine besonders gnadenvolle Zeit, um mit Gewinn auf das Bußsakrament zuzugehen. Liebe Brüder und Schwestern, im Bewusstsein, dass unsere Versöhnung mit Gott durch eine wahre Bekehrung geschieht, wollen wir den Pilgerweg der Fastenzeit gehen, indem wir den Blick fest auf Christus, unseren einzigen Erlöser, gerichtet halten. Die Fastenzeit möge uns helfen, dass wir in uns gehen und mutig von allem ablas-sen, was uns daran hindert, dem Evangelium treu zu folgen. Wir wollen vor allem in diesen Tagen das Bild der Umarmung des Vaters mit dem nach Hause zurückgekehrten Sohn betrachten. Es symbolisiert gut das Thema dieses Einfuhrungsjah-res zum Großen Jubiläum des Jahres 2000. Die versöhnende Umarmung des Vaters mit der ganzen sündigen Menschheit geschah auf Golgota. Das Kreuz, Zeichen der Liebe Christi, der sich für unser Heil geopfert hat, möge im Herzen jedes Mannes und jeder Frau unserer Zeit eben dieses Vertrauen wecken, das den verlorenen Sohn sagen ließ: „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen dich versündigt!“ Er erhielt Vergebung und Freude als Geschenk. 21 A UDIENZEN UND ANGEL US In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser Einladung zur Bekehrung am Beginn der Fastenzeit heiße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache willkommen. Unter Euch grüße ich insbesondere die Seminaristen der Diözese Fulda in Begleitung ihres Bischofs Johannes Dyba sowie alle Studenten aus Deutschland und Südtirol. Mein herzlicher Gruß gilt den Ministranten von Windischgarsten. Gern erteile ich Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen. Die Fastenzeit konfrontiert den Menschen mit der Realität des eigenen Lebens Angelus am 21. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am vergangenen Mittwoch sind wir mit dem bedeutsamen Ritus der Segnung und Austeilung der Asche in die Fastenzeit eingetreten. Fleute legt uns die Liturgie wieder das Bild Christi vor, wie er in der Wüste dem Versucher entgegentritt und, am Ende von vierzig Tagen des Fastens und Betens, ihn besiegt mit der entschiedenen Unterwerfung unter den Willen des Vaters. Auf diese Weise zeigt Jesus den Weg zur Überwindung der Sünde: den Weg der Buße. Nicht nur das; sondern er selbst, der „Gerechte“, geht vor uns Sündern her als das Lamm, das die Sünden der Welt auf sich nimmt. Jesus geht uns voran, aber er ruft uns auch auf, ihm zu folgen. „Kehrt um!“ ist das erste Wort seiner Predigt (vgl. Mk 1,15). Und sein Aufruf ertönt in diesem Jahr besonders kraftvoll und drängend, ist es doch das letzte Jahr vor dem Großen Jubiläum und will für alle die geeignete Zeit zur inneren Einkehr sein, die den Entschluss reifen lässt, zu Gott, dem barmherzigen Vater, zurückzukehren. 2. Darum mache ich mir an diesem ersten Sonntag der Fastenzeit den Aufruf des Apostels Paulus zu eigen: „Wir bitten euch an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ {2 Kor 5,20), laßt diese günstige Zeit nicht ungenutzt vorübergehen. Man muss sich aufraffen aus der Gleichgültigkeit und den Zerstreuungen der Welt und auf die Stimme Gottes hören. Sie ist in der Kirche vernehmbar und zuvor noch im Gewissen eines jeden. „Die Gewissenserforschung ist einer der bedeutsamsten Vorgänge der persönlichen Existenz. Denn durch sie wird jeder Mensch mit der Wahrheit des eigenen Lebens konfrontiert. So entdeckt er, wie weit seine Fland-lungen von dem Ideal entfernt sind, das er sich zuvor gesteckt hat“ (Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums Incarnationis mysterium, Nr. 11). Schon von ihrer Natur her, und besonders in diesem Jahr, lässt die Fastenzeit in den echten Geist des Jubiläums eindringen, denn sie hilft den Menschen, wiederzuerlangen, 22 A UDIENZEN UND ANGELUS „was er mit seinen Kräften allein nicht erreichen könnte: die Freundschaft Gottes, seine Gnade, das übernatürliche und damit das einzige Leben, in dem sich die tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens erfüllen können“ {ebd., Nr. 2). 3. Wir wollen für die ganze Kirche und für jeden Gläubigen auf dem Weg durch die Fastenzeit den Schutz Marias herabrufen. Der heiligen Jungfrau vertraue ich auch die geistlichen Exerzitien an, die ich heute Abend zusammen mit meinen Mitarbeitern der Römischen Kurie beginne, und darum erbitte ich von allen ein besonderes Gedenken im Gebet. Fastenzeit — Hilfe gewähren ohne eigene Erwartungen Angelus am 28. Febmar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Fastenzeit lädt uns außer zu Gebet, Buße und Fasten auch zu vermehrten Gesten jener konkreten Liebe ein, welche die biblische Sprache oft mit dem Ausdruck , Almosen“ bezeichnet. In dieser Hinsicht warnt Jesus vor der Gefahr der Selbstgefälligkeit: Die Liebe ist nicht wahrhaft, wenn sie das Lob der Menschen sucht (vgl. Mt 6,2-3). Doch ermahnt er andererseits seine Jünger: Die Menschen sollen „eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ {Mt 5,16). Unsere Taten sind „schön“, wenn sie das Licht Gottes widerspiegeln, und so ist es nur recht, dass Ihm das Verdienst und das Lob dafür zukommt. 2. In diesem letzten Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum, in welchem wir den Blick auf Gottvater richten, ist es wichtig, der „größten“ (7 Kor 13,13) unter den christlichen Tugenden, nämlich der Liebe, besondere Beachtung zu schenken, eingedenk der zusammenfassenden Feststellung des ersten Johannesbriefes: „Gott ist die Liebe“ (4,8.16). Die Liebe mit ihrem doppelten Gesicht als Liebe zu Gott und zu den Schwestern und Brüdern ist die Synthese des geistlichen und sittlichen Lebens des Glaubenden; sie hat in Gott ihren Ursprung und ihre Vollendung (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 50). In der Botschaft zur Fastenzeit habe ich geschrieben, dass „die Erfahrung der Liebe des Vaters ... den Christen [drängt] in einer Logik des Dienens und Teilens seinerseits lebendiges Geschenk zu werden, offen für die Aufnahme der Menschen“. Unter dem Hinweis darauf, dass „in unendlich vielen Bereichen ... die Kirche im Laufe der Jahrhunderte mit Wort und Taten die Liebe Gottes bezeugt [hat]“, habe ich daran erinnert, dass sich „auch heute noch ... weite Räume [vor uns öffnen], in denen durch das Wirken der Christen die Liebe Gottes präsent werden muss. Die neue Armut und andere quälende Fragen, die vielen Angst machen, suchen konkrete und zutreffende Antworten. Wer einsam ist oder an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurde, wer hungert, Opfer der Gewalt oder hoffnungslos ist, soll in 23 AUDIENZEN UND ANGELUS der Fürsorge der Kirche das Mitfühlen des himmlischen Vaters erfahren, der seit Anbeginn der Welt jeden umsorgt und mit seinem Segen beschenkt“ (Nr. 3). 3. Wir wollen zur Jungfrau Maria beten, meine Lieben, dass sie in dieser Fastenzeit allen Jüngern Christi helfe, die Liebe in die Mitte ihres Lebens zu stellen und sich bei der täglichen Gewissenserforschung nach ihr 2x1 überprüfen. Gegenüber der Versuchung, sich in sich selbst zu verschließen, ist der Einsatz, anderen Hilfe zu gewähren, ohne dafür etwas zu erwarten, ein kostbarer Weg, um im eigenen Dasein die Liebe Gottes zu erfahren. Am Schluss seiner Grußworte nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Ich danke für die Gebete, die mir während der geistlichen Exerzitien zugesichert wurden, und wünsche allen einen schönen Sonntag. Ermutigung zur Ächtung von Anti-Personen-Minen Morgen, am l.März, tritt die Konvention über die Ächtung von Anti-Perso-nen-Minen und deren Vernichtung in Kraft. Damit ist für die ganze internationale Gemeinschaft ein Ziel erreicht, das den Sieg der Kultur des Lebens über die Kultur des Todes anzeigt. Der Hl. Stuhl hat von Anfang an mit der Unterzeichnung und Ratifizierung des Ottawa-Dokuments vom 4. Dezember 1997 seine Unterstützung dazu gegeben. Bis die Welt von diesen schrecklichen und heimtückischen Sprengkörpern befreit ist, ist leider noch ein langer Weg zu gehen. Ich bete zu Gott, dass er allen den Mut zum Frieden gebe, damit die Länder, welche dieses wichtige Instrument des internationalen humanitären Rechts noch nicht unterzeichnet haben, dies unverzüglich tun und man die Tätigkeit der Entminung und die Arbeit der Rehabilitation der Verletzten beharrlich fortsetze. Mögen die Menschen gemeinsam Wege des Lebens gehen können, ohne die Gefahr von Zerstörung und Tod fürchten zu müssen! Die Vatererfahrung Jesu von Nazaret Generalaudienz am 3. März 1. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“ (Eph 1,3). Diese Worte des Apostels Paulus geben uns eine gute Einführung in die bedeutende Neuartigkeit der Kenntnis des Vaters“ wie sie aus dem Neuen Testament hervorgeht. Hier erscheint Gott in seiner dreifältigen Gestalt. Seine Vaterschaft beschränkt sich nicht mehr darauf, das Verhältnis zu den Geschöpfen zu zeigen, sondern bringt die grundlegende Beziehung zum Ausdruck, die sein inneres Leben kennzeichnet. Es handelt sich nicht mehr um einen allgemeinen Wesenszug Gottes, sondern um eine Eigenschaft der ersten göttlichen Person. In seinem Geheimnis 24 A UDIENZEN UND ANGELUS der Dreifaltigkeit ist Gott nämlich Vater seinem Wesen nach, er ist seit ewigen Zeiten Vater, da er seit ewigen Zeiten das Wort zeugt - eines Wesens mit ihm und im Heiligen Geist, „der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht“, mit ihm verbunden. Durch seine erlösende Menschwerdung wird das Wort mit uns solidarisch, gerade um uns in dieses Kindschaftsverhältnis einzufuhren, das er seit aller Ewigkeit besitzt. „Allen aber, die ihn aufhahmen“ - schreibt der Evangelist Johannes -„gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12). 2. Grundlage dieser besonderen Offenbarung des Vaters ist die Erfahrung Jesu. Aus seinen Worten und Einstellungen ist ersichtlich, dass er seine Beziehung zum Vater auf ganz einzigartige Weise erlebt. In den Evangelien können wir feststellen, dass Jesus „seine Sohnschaft von derjenigen der Jünger unterschied, indem er nie ,unser Vater1 sagte, außer um ihnen aufzutragen: ,So sollt ihr beten: Unser Vater1 (Mt 6,9) ja, er hob den Unterschied deutlich hervor: ,Mein Vater und euer Vater1 (Joh 20,17)“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 443). Schon als Kind antwortet er Maria und Josef, die ihn voller Angst gesucht hatten: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49). Den Juden, die ihm immer stärker zusetzten, weil' er am Sabbat eine Wunderheilung gewirkt hatte, sagte er: „Mein Vater ist noch immer am Werk, und auch ich bin am Werk“ (Joh 5,17). Am Kreuz fleht er den Vater an, seinen Peinigern zu vergeben und seinen Geist aufzunehmen (Lk 23,34.46). Der Unterschied zwischen der Art, wie Jesus die Vaterschaft Gottes ihm gegenüber empfindet, und der, die alle anderen menschlichen Wesen betrifft, ist in seinem Bewusstsein verankert; Jesus bestätigt sie in den Worten, die er nach der Auferstehung an Maria von Magdala richtet: „Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern, und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott“ (Joh 20,17). 3. Die Beziehung Jesu zum Vater ist einzigartig. Er weiß, dass er immer erhört wird, er weiß, dass der Vater die eigene Herrlichkeit durch ihn zum Ausdruck bringt, auch wenn die Menschen daran zweifeln mögen und von ihm selbst davon überzeugt werden müssen. Das alles können wir in der Episode der Auferweckung des Lazarus erkennen: „Da nahmen sie den Stein weg. Jesus aber erhob seine Augen und sprach: Vater ich danke dir, daß du mich erhört hast. Ich wußte, daß du mich immer erhörst; aber wegen der Menge, die um mich hemm steht, habe ich es gesagt; denn sie sollen glauben, daß du mich gesandt hast“ (Joh 11,41—42). Kraft dieses ganz besonderen Einverständnisses kann Jesus sich selbst als Offenbarer des Vaters darstellen — in einer Kenntnis, die das Ergebnis einer tiefinneren und geheimnisvollen Gegenseitigkeit ist, wie er selbst in seiner Dankeshymne unterstreicht: „Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11,27) (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 240). Der Vater seinerseits tut diese einzigartige Beziehung kund, die der Sohn 25 A UDIENZEN UND ANGELUS mit ihm pflegt, und nennt ihn seinen „geliebten“ Sohn: so zum Beispiel bei der Taufe im Jordan (vgl. Mk 1,11) und bei der Verklärung (vgl. Mk9,l). Jesus wird auf besondere Weise auch im Gleichnis von den bösen Winzern genannt: Sie misshandeln zuerst die beiden Knechte und dann den „geliebten Sohn“ des Besitzers, die er gesandt hatte, um seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs holen zu lassen (vgl. Mk 12,1—11, bes. V.6). 4. Das Markusevangelium hat uns das aramäische Wort „Abba“ überliefert (vgl. Mk 14,36), mit dem Jesus in der schmerzlichen Stunde am Getsemani den Vater angerufen und ihn gebeten hat, den Kelch des Leidens von ihm abzuwenden. Im Matthäusevangelium wird im gleichen Zusammenhang die Bezeichnung „mein Vater“ verwendet (vgl. Mt 26,39, vgl. auch V.42), während bei Lukas einfach „Vater“ steht (vgl. Lk 22,42). Der aramäische Terminus, den wir in den modernen Sprachen mit „Papa“ oder „Vati“ übersetzen könnten, bringt die liebevolle Zärtlichkeit eines Sohnes zum Ausdruck. Jesus verwendet ihn auf ursprüngliche Weise, um sich an Gott zu wenden und um ihn in der erfüllten Reife seines Lebens, das sich am Kreuz seinem Ende zuneigt, die enge Beziehung anzudeuten, die ihn auch in jenen dramatischen Momenten mit dem Vater verbindet. „Abba“ steht für die außergewöhnliche Nähe zwischen Jesus und Gott-Vater: eine Vertrautheit, die es im biblischen oder außer-biblischen religiösen Kontext noch nie gegeben hatte. Kraft des Todes und der Auferstehung Jesu, des einzigen Sohnes dieses Vaters, werden auch wir - laut Paulus - zur Sohneswürde erhoben und besitzen den Heiligen Geist, indem wir rufen: „Abba, Vater“ (vgl. Röm 8,15; Gal 4,6). Dieser einfache Ausdruck aus der Kindersprache, tagtäglich im Milieu Jesu und bei allen Völkern verwendet, hat so eine lehrmäßige Bedeutung höchster Relevanz angenommen, um die einzigartige göttliche Vaterschaft gegenüber Jesus und seinen Jüngern zum Ausdruck zu bringen. 5. Obwohl er sich auf innigste Weise mit dem Vater verbunden fühlte, beteuerte Jesus seine Unkenntnis über die Stunde des endgültigen und entscheidenden Anbruchs des Reiches Gottes: „Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater“ {Mt 24,36). Dieser Aspekt zeigt uns Jesus im Zustand der Erniedrigung durch die Menschwerdung, die seiner Menschlichkeit das eschatologische Ende der Welt verbirgt. Auf diese Weise nimmt Jesus den menschlichen Berechnungen ihre Illusion, um uns zur Wachsamkeit und zum Vertrauen in das fürsorgliche Wirken des Vaters aufzufordem. In der Perspektive der Evangelien werden allerdings die Vertrautheit und Absolutheit seines „Sohn-Seins“ von diesem Nicht-Wissen in keiner Weise beeinträchtigt. Im Gegenteil: Gerade die Tatsache, so solidarisch mit uns geworden zu sein, bringt es mit sich, dass er für uns vor dem Vater eine entscheidende Rolle spielt: „Wer sich nun vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen 26 A UDIENZEN UND ANGELUS verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen“ {Mt 10,32-33). Sich vor den Menschen zu Jesus zu bekennen ist unabdingbar, damit er sich vor dem Vater auch zu uns bekennt. Mit anderen Worten: Unser Kindschaftsverhältnis zum himmlischen Vater hängt ab von unserer mutigen Treue zu Jesus Christus, dem geliebten Sohn. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit dem Wunsch, dass wir immer mehr unsere besondere Beziehung zu Gott unserem Vater, entdecken, grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Besonders heiße ich die Ordensschwestern willkommen, die gerade in La Storta an einem Kurs geistlicher Erneuerung teilnehmen. Außerdem begrüße ich das Institut für Kanonisches Recht an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster. Gern erteile ich Euch und Euren Angehörigen daheim sowie allen, die mit uns über Radio Vatikan oder das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen. Friedensappell für Äthiopien und Eritrea Nach den betrübenden Nachrichten der letzten Tage über schwere, blutige Gefechte zwischen Äthiopien und Eritrea wird jetzt bekannt, dass beide Länder beabsichtigen, auf die von der Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU) formulierten Friedensvorschläge einzugehen. Dieser weisen Entscheidung stimme ich freudig und begleite sie mit inständigem Gebet. Sie allein vermag dem Bruderkrieg ein Ende zu setzen, die Herzen auszusöhnen und einen neuen Regierungsstil und ein erneutes Zusammenleben auf dem afrikanischen Kontinent zu fordern. Maria im Leben der neuen Seligen Angelus am 7. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der heutige Fastensonntag ist mit Freude erfüllt durch die Proklamierung von einigen neuen Seligen. In ihrem Zeugnis erstrahlt das österliche Licht des gestorbenen und auferstandenen Christus, das Licht der Liebe, welche die Selbstsucht überwindet und das menschliche Dasein in ein Geschenk für Gott und die Mitmenschen verwandelt. Das Vorbild der neuen Seligen ermutigt uns, entschlossen auf die Heiligkeit zuzugehen, zu der wir in der Taufe alle gerufen wurden. Maria, im Leben dieser neuen Seligen stets gegenwärtig, wolle uns helfen, dass wir angesichts von Schwierigkeiten den Mut nicht verlieren; sie mache uns zu Anbetern des Vaters im Geist und in der Wahrheit. 27 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Papst hatte auf Italienisch begonnen und fuhr nun aufSpanisch fort: 2. Mit Zuneigung grüße ich die Bischöfe und Gläubigen spanischer Sprache und die Mitglieder des Ordens der Augustiner-Rekollekten, die zur Seligsprechung der Märtyrer von Motril gekommen sind. Alle lade ich ein, das beredte Zeugnis ihres Glaubens nicht zu vergessen, denn das Blut der Märtyrer macht die Kirche fruchtbar und lebendig, die sich mit Hoffnung vorbereitet, den großen Herausforderungen für die Evangelisierung des dritten Jahrtausends entgegenzutreten. und weiter auf Französisch: Einen brüderlichen Gruß richte ich an die Pilger französischer Sprache, besonders an die, welche zur Seligsprechung von Pater Barre gekommen sind. Durch Erziehung und geistliche Betreuung verkündete er die Gute Nachricht des Heils. Liebe Pilger, ich wünsche euch, dass ihr seinem Beispiel folgt und stets die gleiche Begeisterung für das Evangelium bewahrt. sodann auf Deutsch: Herzlich grüße ich die deutschsprachigen Gläubigen, besonders die Pilger aus der Diözese Regensburg. Wie die Eucharistie die Quelle ihrer Kraft war, so war der Rosenkranz der ständige Begleiter von Anna Schärfer. Das Beispiel der neuen Seligen aus eurer Heimat mache euch Mut, immer mehr in das betrachtende Gebet hineinzuwachsen. und schließlich wieder auf Italienisch: 3. Da wir nun im Gebet des „Engel des Herrn“ unsere Gedanken auf Maria richten, lade ich alle ein, mit neuer Spannkraft auf dem Weg des Evangeliums zu gehen, ermutigt durch das Beispiel der Heiligen und Seligen. Sie zeigen uns, dass es möglich ist, Christus in jedem Stand des Lebens zu folgen und bei ihm „lebendiges Wasser“ des Heiligen Geistes zu schöpfen, Quelle von innerer Erneuerung, Geduld, Freude und Frieden. Nach dem Angelusgebet und weiteren Grußworten sagte der Papst noch: 4. Morgen, am 8. März, wird der „Tag der Frau“ begangen. Mein Wunsch ist, dass dieser Anlass Gelegenheit zu erneuter Besinnung auf die Rolle sei, welche der Frau in der Familie, der zivilen Gesellschaft und der kirchlichen Gemeinschaft zukommt. Allen wünsche ich einen schönen Sonntag — Dritten Fastensonntag. 28 A UDIENZEN UND ANGEL US Die Beziehung Jesu zum Vater - Offenbarung des trinitarischen Geheimnisses Generalaudienz am 10. März 1. Wie wir in der vorausgegangenen Katechese gesehen haben, unterhält Jesus mit seinen Worten und seinen Werken eine ganz besondere Beziehung zu „seinem“ Vater. Das Johannesevangelium hebt hervor, dass das, was er den Menschen mitteilt, Frucht dieser innigen und einzigartigen Verbindung ist: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30). Und weiter: „Alles, was der Vater hat, ist mein“ {Joh 16,15). Es besteht eine Gegenseitigkeit zwischen dem Vater und dem Sohn darin, wie sie einander kennen (vgl. Joh 10,15), wie sie ineinander sind (vgl. Joh 14,10), darin, was sie tun (vgl. Joh 5,19; 10,38) und was sie besitzen: „Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein“ (Joh 17,10). Es ist ein gegenseitiger Tausch, der seinen vollen Ausdruck in der Herrlichkeit findet, die Jesus vom Vater im höchsten Geheimnis des Todes und der Auferstehung empfangt, nachdem er selbst sie dem Vater während seines Erdendaseins verschafft hat: „Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht ... Ich habe dich auf der Erde verherrlicht ... Vater, verherrliche du mich jetzt bei dir“ (Joh 17,1—4 f.). Diese wesenhafte Verbindung mit dem Vater begleitet nicht nur das Tun Jesu, sondern bezeichnet sein ganzes Sein. „Die Menschwerdung des Sohnes Gottes offenbart, daß Gott der ewige Vater und daß der Sohn eines Wesens mit dem Vater ist, das heißt, daß er in ihm und mit ihm der einzige Gott ist“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 262). Der Evangelist Johannes hebt hervor, dass gerade dieser göttliche Anspruch zur Reaktion der religiösen Führer des Volkes fuhrt, die es nicht ertragen, dass er Gott seinen Vater nennt und sich damit Gott gleichstellt (Joh 5,18; vgl. 10,33; 19,7). 2. Aufgrund dieses Gleichklangs im Sein und im Handeln offenbart Jesus sowohl mit den Worten als auch mit den Werken den Vater: „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,18). Das „Geliebter-Sohn-Sein“, dessen Christus sich erfreut, wird nach der Geschichte der synoptischen Evangelien bei seiner Taufe verkündet (vgl. Mk 1,11; Aß 3,17; Lk 3,22). Vom Evangelisten Johannes wird es auf seine trinitari-sche Wurzel zurückgefuhrt, nämlich die geheimnisvolle Existenz des Wortes „bei“ Gott (Joh 1,1), dem Vater, der es in Ewigkeit gezeugt hat. Vom Sohn ausgehend, hat das Denken des Neuen Testaments, und weiter die darin wurzelnde Theologie, das Geheimnis der „Vaterschaft“ Gottes vertieft. Der Vater ist der, der im Leben der Dreifaltigkeit die unbedingte Ursache bildet, derjenige, welcher keinen Ursprung hat und aus dem das göttliche Leben entspringt. Die Einheit der drei Personen ist Teilhabe an der einzigen göttlichen Wesenheit, jedoch in der Dynamik wechselseitiger Beziehungen, die im Vater ihre Quelle und Grund- 29 A UDIENZEN UND ANGEL US läge haben. So „ist es der Vater, der zeugt, und der Sohn, der gezeugt wird, und der Heilige Geist, der hervorgeht“ (4. Konzil im Lateran; DH 804). 3. Zu diesem Geheimnis, das unseren Verstand imendlich übersteigt, bietet uns der Apostel Johannes einen Schlüssel, wenn er in seinem ersten Brief verkündet: „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8). Dieser Höhepunkt der Offenbarung besagt, dass Gott „Agape“ ist, d. h. unentgeltliches, vollkommenes Geschenk seiner selbst, wofür Christus uns Zeugnis gegeben hat, besonders mit seinem Tod am Kreuz. Im Opfer Christi wird die unendliche Liebe des Vaters zur Welt offenbar (vgl. Joh 3,16; Röm 5,8). Die Fähigkeit, unendlich zu lieben, sich ohne Vorbehalt und Maß zu schenken, ist Gott eigen. Aufgrund seines „Liebe-Seins“ ist Er noch vor der freien Erschaffung der Welt Vater im göttlichen Leben selbst: der liebende Vater, der den geliebten Sohn zeugt und mit ihm den Heiligen Geist, die Person seiende Liebe, das gegenseitige Band der Gemeinschaft, hervorbringt. Auf dieser Grundlage versteht der christliche Glaube die Gleichheit der drei göttlichen Personen: Der Sohn und der Geist sind dem Vater gleich nicht als eigenständige Ursachen, als wären es „drei“ Götter, sondern insofern als sie vom Vater das ganze göttliche Leben empfangen, wobei sie sich von ihm und untereinander nur in der Verschiedenheit der Beziehungen unterscheiden (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 254). Ein großes Geheimnis, ein Geheimnis der Liebe, ein unsagbares Geheimnis, vor dem das Wort dem Schweigen des Staunens und der Anbetung Platz machen muss. Ein göttliches Geheimnis, das uns befragt und mit einbezieht, denn die Teilhabe am trinitarischen Leben ist uns durch Gnade geboten, durch die erlösende Menschwerdung des Wortes und die Gabe des Heiligen Geistes: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,23). 4. Die Gegenseitigkeit zwischen dem Vater und dem Sohn wird so für uns Glaubende zur Ursache neuen Lebens, das uns gestattet, an der Fülle des göttlichen Lebens selbst teilzuhaben: „Wer bekennt, daß Jesus der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott, und er bleibt in Gott“ (1 Joh 4,15). Die Dynamik des trinitarischen Lebens wird von den Geschöpfen in der Weise gelebt, dass alles auf den Vater gerichtet ist durch Jesus Christus im Heiligen Geist. Und so verkündet der Katechismus der Katholischen Kirche: „Darum steht das ganze christliche Leben in Gemeinschaft mit jeder der göttlichen Personen, ohne sie irgendwie zu trennen. Wer den Vater preist, tut es durch den Sohn im Heiligen Geist“ (Nr. 259). Der Sohn wurde „der Erstgeborene von vielen Brüdern“ (Röm 8,29); durch seinen Tod hat der Vater uns neu geboren (7 Petr 1,3; vgl. auch Röm 8,32; Eph 1,3), so dass wir ihn im Heiligen Geist mit demselben Ausdruck anrufen können, den Jesus gebrauchte: Abba (Röm 8,15; Gal Aß). Paulus erläutert dieses Geheimnis weiter und sagt, dass der Vater uns „fähig gemacht [hat], Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind. Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes“ (Kol 1,12-13). Und die Ojfenba- 30 A UDIENZEN UND ANGELUS rung beschreibt folgendermaßen das eschatologische Los dessen, der mit Christus gegen die Macht des Bösen kämpft und siegt: „Wer siegt, der darf mit mir auf meinem Thron sitzen, so wie auch ich gesiegt habe und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe“ (Offb 3,21). Dieses Versprechen Jesu eröffnet uns eine wunderbare Aussicht auf Teilhabe an seiner himmlischen Vertrautheit mit dem Vater. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan oder das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Das Kreuz ist untrügerisches Zeichen der Hoffnung Angelus am 14. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Unser Weg durch die Fastenzeit dem Osterfest entgegen geht weiter, ein Weg der Bekehrung, geleitet vom Wort Gottes, das die Schritte unseres Lebens erhellt. Die Freude der Auferstehung Christi wird in gewisser Weise vorweggenommen in der heutigen Liturgie, die mit der Aufforderung beginnt, froh zu sein: „Seid fröhlich ..., alle, die ihr traurig wart. Freut euch und trinkt euch satt an der Quelle göttlicher Tröstung“ (Messe vom Vierten Fastensonntag, Eröffnungsvers). Gerade die Auferstehung offenbart den wahren Wert des Kreuzes, auf das wir in dieser Fastenzeit zugehen. Es ist nicht Zeichen des Todes, sondern des Lebens; nicht der Enttäuschung, sondern der Hoffnung; nicht der Niederlage, sondern des Sieges. Ja, das Kreuz Christi ist - wie es in einem alten liturgischen Hymnus heißt - die „einzige Hoffnung“, denn jedes andere Heilsversprechen ist trügerisch, da sie das Grundproblem des Menschen nicht löst: das Problem des Bösen und des Todes. 2. Deshalb verehren die Christen das Kreuz und erkennen in ihm das Zeichen der Liebe und der Hoffnung schlechthin. Auch die Jugendlichen, die von Natur her auf das Leben hin ausgerichtet sind, folgen dem Kreuz Jesu-wie Franz von Assisi und alle Heiligen -, denn sie verstehen intuitiv, dass ohne es das Geheimnis des Lebens ein Rätsel ohne Sinn bliebe. In diesen Monaten zieht das Kreuz der Weltjugendtage auf Pilgerfahrt durch die Diözesen Italiens. Heute ist es in Turin angekommen, wo die Jugendlichen des Piemonts und des Aosta-Tals sich zu seinem Empfang auf der Piazza San Carlo eingefunden haben. An sie — die über Femseh-übertragung mit uns verbunden sind - richte ich einen besonderen Gruß und sage: Habt keine Angst, das Kreuz Christi in eurem Leben anzunehmen! Es gibt den Freuden und Leiden des Daseins vollen Wert und Sinn und hilft jedem, sein Leben zu einem Liebesgeschenk an Gott und die Mitmenschen zu machen. Das Kreuz 31 A UDIENZEN UND ANGELUS lehrt, alle zu lieben, auch die Feinde, um am Erlösungswerk Christi und der Erfüllung des Reiches Gottes mitzuarbeiten. 3. Unter dem Kreuz steht schweigsam und betend die Mutter Jesu. Wenn wir Christus in seinem Leiden folgen, wird Maria immer an unserer Seite sein. Der Heiligen Jungfrau will ich heute den Weg der ganzen Kirche in dieser Fastenzeit anvertrauen. In besonderer Weise möchte ich ihr den Einsatz der Jugendlichen nahelegen, damit sie stets bereit seien, das Kreuz Christi anzunehmen. Zeichen unseres Heils und Banner des endgültigen Sieges, ist das Kreuz, der Stafettenstab, den ihr, liebe Jugendliche, von den Generationen, die euch vorausgegangen sind, übernehmen sollt, um es als wahre Apostel des Evangeliums in das dritte Jahrtausend zu tragen. Appell für Indonesien Schon seit Monaten ist die Stadt Ambon, Hauptort der indonesischen Inselgruppe der Molukken, Zentrum blutiger Zusammenstöße, welche das übliche harmonische Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen erschüttert haben. Schwere ethnische und religiöse Spannungen werden auch in anderen Regionen Indonesiens verzeichnet. Angesichts dieser besorgniserregenden Phänomene richte ich an alle - und besonders an die, welche die Unruhen schüren - eine dringliche Ermahnung, von der Gewalt, Ursache zahlloser Leiden, abzulassen und wieder zu Wegen der Eintracht zu finden. Darüber hinaus möchte ich den Opfern einen Gedanken des Trostes übermitteln und dem ganzen indonesischen Volk, auf das ich den Segen des Herrn herabflehe, meine geistliche Nähe bekunden. Den Vater erkennen Generalaudienz am 17. März 1. In der dramatischen Stunde, in der er sich aufmacht, dem Tod entgegenzutreten, richtet Jesus am Schluss seiner Abschiedsrede (vgl. Joh 13 ff.) ein wunderbares Gebet an den Vater. Es kann als ein geistliches Testament betrachtet werden, mit dem Jesus den empfangenen Auftrag in die Hände des Vaters zurücklegt: der Welt seine Liebe bekannt zu machen durch das Geschenk des ewigen Lebens (vgl. Joh 17,2). Das Leben, das er anbietet, wird bedeutsamerweise als ein Geschenk der Erkenntnis erklärt. „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (Joh 17,3). Erkenntnis bezieht sich in der biblischen Sprache des Alten und Neuen Testaments nicht nur auf den Verstandesbereich, sondern schließt normalerweise eine lebendige Erfahrung ein, welche die menschliche Person in ihrer Gesamtheit, und daher auch in ihrer Fähigkeit zu lieben, erfasst. Es ist eine Erkenntnis, die zur „Begeg- 32 A UDIENZEN UND ANGELUS nung“ mit Gott fuhrt und die im Inneren jenes Prozesses stattfxndet, den die theologische Tradition des Ostens gerne „Vergöttlichung“ nennt und der sich durch das innerliche, umwandelnde Wirken des Geistes Gottes vollzieht (vgl. hl. Gregor von Nyssa, Oratio catech., 37: PG 45, 98B). Wir haben diese Themen bereits in der Katechese für das Heilig-Geist-Jahr berührt. Nun wieder zum angeführten Satz Jesu zurückkehrend, wollen wir vertiefen, was es bedeutet, Gott, den Vater, in lebendigem Sinn zu erkennen. 2. Man kann Gott auf verschiedenen Ebenen als Vater erkennen, je nach dem Blickwinkel, aus dem man schaut, und der Art des Geheimnisses, das man betrachtet. Es gibt eine natürliche Gotteserkenntnis, ausgehend von der Schöpfung: Sie führt dazu, in Ihm den Ursprung und die transzendente Ursache der Welt und des Menschen zu erkennen und in diesem Sinn seine Vaterschaft zu erahnen. Diese Erkenntnis wird im fortschreitenden Licht der Offenbarung vertieft, d. h. aufgrund der Worte und heilsgeschichtlichen Eingriffe Gottes (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 287). Im Alten Testament bedeutete Gott als Vater zu erkennen, an den Urspmng des Bundesvolkes zurückzugehen: „Ist er nicht dein Vater, dein Schöpfer? Hat er dich nicht geformt und hingestellt?“ (Dtn 32,6). Der Bezug auf Gott als Vater garantiert und wahrt die Einheit der Glieder einer selben Familie: „Haben wir nicht alle denselben Vater? Hat nicht der eine Gott uns alle erschaffen?“ (Mal 2,10). Gott wird auch dann als Vater erkannt, wenn er den Sohn zu seinem Wohl zurechtweist: „Wen der Herr liebt, den züchtigt er, wie ein Vater seinen Sohn, den er gern hat“ (Spr 3,12). Und selbstverständlich kann ein Vater immer in der Stunde der Bedrängnis angerufen werden: „Ich rief: Herr, mein Vater bist du, mein Gott, mein rettender Held. Verlaß mich nicht am Tag der Not, am Tag der Vernichtung und Verwüstung!“ (Sir 51,10). In allen diesen Formen werden auf Gott in vorzüglichem Sinn jene Werte angewandt, die man in der menschlichen Vaterschaft erfährt. Man ahnt allerdings, dass es nicht möglich ist, den Bedeutungsgehalt einer solchen göttlichen Vaterschaft in ihrer Tiefe zu erkennen, es sei denn in dem Maß, als Gott selbst sie offenbart. 3. In den Ereignissen der Heilsgeschichte tut sich immer mehr die Initiative des Vaters kund, der mit seinem innerlichen Wirken das Herz der Gläubigen öffnet, um den menschgewordenen Sohn, aufzunehmen. Wenn sie Jesus erkannt haben, werden sie auch Ihn, den Vater, erkennen können. Das lehrt Jesus selbst, der dem Thomas antwortet: „Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen“ (Joh 14,7; vgl. 7-10). Man muss also an Jesus glauben, und auf ihn, das Licht der Welt, blicken, um nicht in der Finsternis der Unkenntnis zu bleiben (vgl. Joh 12,44-46) und zu erkennen, dass seine Lehre von Gott kommt (vgl. Joh 7,17 f.). Unter dieser Bedingung ist es möglich, den Vater zu erkennen und fähig zu werden, ihn „im Geist und in der Wahrheit“ anzubeten (Joh 4,23). Diese lebendige Erkenntnis ist untrennbar von der Liebe. Sie wird von Jesus mitgeteilt, wie er selbst in seinem priesterlichen Gebet 33 A UDIENZEN UND ANGELUS gesagt hat: „Gerechter Vater, ... Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist“ (Joh 17,25-26). „Wenn wir zum Vater beten, sind wir in Gemeinschaft mit ihm und mit seinem Sohn Jesus Christus. Dabei kennen und erkennen wir ihn mit immer neuem Staunen“ {Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2781). Den Vater erkennen bedeutet also, in ihm die Quelle unseres Seins und unserer Einheit als Glieder einer einzigen Familie zu finden, es bedeutet aber auch, in ein „übernatürliches“ Leben getaucht zu sein, das Leben Gottes selbst. 4. Die Verkündigung des Sohnes bleibt also der Hauptweg, um den Vater zu erkennen und ihn bekannt zu machen; es ist, wie ein eindrucksvoller Satz des hl. Irenäus sagt: „Die Kenntnis des Vaters ist der Sohn“ {Adv. haer., 4,6,7: PG 7, 990B; in: Bibliothek der Kirchenväter, Kempten/München 1912, S. 18). Diese Möglichkeit ist Israel geboten, jedoch auch den Heiden, wie Paulus in seinem Brief an die Römer hervorhebt: „Ist denn Gott nur der Gott der Juden, nicht auch der Heiden? Ja, auch der Heiden, da doch gilt: Gott ist ,der Eine. Er wird aufgrund des Glaubens sowohl die Beschnittenen wie die Unbeschnittenen gerecht machen“ {Röm 3,29 f.). Gott ist einer, und er ist Vater von allen, und allen will er das durch seinen Sohn bewirkte Heil bieten: das, was das Johannesevangelium Geschenk des ewigen Lebens nennt. Dieses Geschenk muss angenommen und mitgeteilt werden auf der Welle jener Erkenntlichkeit, die Paulus im zweiten Brief an die Thessalonicher sagen ließ: „Wir müssen Gott zu jeder Zeit euretwegen danken, vom Herrn geliebte Brüder, weil Gott euch als Erstlingsgabe dazu auserwählt hat, aufgrund der Heiligung durch den Geist und aufgrund eures Glaubens an die Wahrheit gerettet zu werden“ {2 Thess 2,13). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Insbesondere heiße ich die Seminaristen des Priesterseminars der Diözese Essen willkommen. Außerdem begrüße ich eine Gruppe von Politikern aus Bayern und Baden-Württemberg. Gern erteile ich Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die über Radio Vatikan oder das Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen. 34 A UDIENZEN UND ANGELUS Der hl. Josef - väterliches Vorbild und Patron der Kirche Angelus am 21. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der christliche Volksbrauch widmet den Monat März dem hl. Josef. Am 19. März haben wir in der Tat sein liturgisches Fest gefeiert. Josef, der Gemahl der sei. Jungfrau Maria, ist Schutzpatron der ganzen Kirche, und er erfreut sich beim Gottesvolk einer besonderen Verehrung, wovon auch die große Zahl Christen zeugt, die seinen Namen tragen. Seiner Gestalt und Sendung als Beschützer des Erlösers und der Kirche habe ich vor zehn Jahren ein Apostolisches Schreiben gewidmet, das ich gerne wieder allen zur Beachtung empfehle im Zusammenhang mit dem letzten Vorbereitungsjahr für das Große Jubiläum: dem Gottvater-Jahr. Denn in Josef, der berufen ist, irdischer Vater des menschgewordenen Wortes zu sein, widerspiegelt sich die göttliche Vaterschaft in ganz außergewöhnlicher Weise. 2. Josef ist der Vater Jesu, denn er ist wirklich der Mann Marias. Sie hat als Jungfrau empfangen durch das Wirken Gottes, aber das Kind ist auch Sohn Josefs, ihres rechtmäßigen Ehegatten. Deshalb werden beide im Evangelium „die Eltern“ Jesu genannt (Mk 2,27.41). Durch die Ausübung seiner Vaterschaft wirkt Josef in der Fülle der Zeit an dem großen Geheimnis der Erlösung mit (vgl. Redemptoris custos, Nr. 8). „Seine Vaterschaft kommt konkret darin zum Ausdruck, daß er ,sein Leben zu einem Dienst... [am] Geheimnis der Menschwerdung und ... [dem] damit verbundenen Erlösungsauftrag gemacht hat; ... daß er seine menschliche Berufung zur familiären Liebe in die übernatürliche Darbringung seiner selbst, seines Herzens und aller Fähigkeiten verwandelt hat, in die Liebe, die er in den Dienst des seinem Haus entsprossenen Messias gestellt hat“ (ebd.). Dazu hat Gott Josef seine eigene Vaterliebe mitgeteilt, die Liebe des Vaters, „nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird“ (Eph 3,15). Wie jedes Kind lernte Jesus die Grundkenntnisse des Lebens und die Art des Verhaltens von seinen Eltern. Und wie sollten wir nicht mit inniger Verwunderung annehmen, dass sein vollkommener Gehorsam dem Willen Gottes gegenüber in menschlicher Hinsicht vor allem durch die Befolgung des Vorbildes seines Vaters Josef, des „gerechten Mannes“ (vgl. Mt 1,19), gereift war? 3. Heute möchte ich den himmlischen Schutz des hl. Josef über alle Väter und ihre Aufgaben im Bereich der Familie herabflehen. Ihm vertraue ich auch die Bischöfe und die Priester an, denen in der kirchlichen Familie der Dienst der geistlichen, Pastoralen Vaterschaft aufgetragen ist. Mögen alle in der konkreten Ausübung der eigenen Verantwortung die fürsorgliche und treue Liebe Gottes widerspiegeln. Das 35 A UDIENZEN UND ANGEL US erwirke uns die Fürbitte des hl. Josef und der Allerheiligsten Maria, Königin der Familien und Mutter der Kirche. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst unter anderem: Am Mittwoch, 24. März, wird in Italien und verschiedenen anderen Ländern der Welt der „Gebets- und Fasttag zum Gedenken der Märtyrer-Missionare“ begangen. Das Blut dieser Brüder und Schwestern ist der Same neuer Christen, Same der Versöhnung und der Hoffnung. Während des vergangenen Jahres wurden 39 Missionare getötet: Ihr Zeugnis bereichert den Schatz der Gnade, den die Kirche im Großen Jubeljahr allen öffnen wird, und ihr Gedächtnis hilft, diese Tage der Vorbereitung auf Ostern intensiver zu leben. Am kommenden Donnerstagnachmittag kommen die Jugendlichen Roms zu einer inzwischen Tradition gewordenen Begegnung des Feiems und Betens im Vatikan zusammen, an der ich persönlich teilnehmen werde; sie gilt der Vorbereitung des Weltjugendtages, der in der ganzen Kirche am kommenden Sonntag, Palmsonntag, gefeiert wird. Alle Jungen und Mädchen Roms lade ich zu diesem Treffen ein, das bereits auf das Jahr 2000 blickt, wenn in Rom vom 15. bis 20. August das Große Jubiläum der Jugendlichen stattfinden wird. Appell für den Frieden im Kosovo Die Zuspitzung der Lage im Kosovo veranlasst mich, um euer Gebet zu bitten, dass der Herr alle Verantwortlichen für die Zukunft dieser Region erleuchte. Die betroffenen Volksgemeinschaften haben bereits einen langen „Kreuzweg“ hinter sich und erwarten Lösungen, die Geschichte und Recht respektieren. Maria, Königin des Friedens, gieße in die Herzen derer, die das Geschick der Völker in den Händen haben, den Mut zu Initiativen im Sinne des wahren Gemeinwohls aus. Gottvater —fürsorgende Liebe Generalaudienz am 24. März 1. Unsere Meditation über Gottvater fortsetzend, wollen wir uns heute mit seiner freigebigen und fürsorgenden Liebe befassen. „Das Zeugnis der Schrift lautet einstimmig: Die Fürsorge der Vorsehung ist konkret und unmittelbar; sie kümmert sich um alles, von den geringsten Kleinigkeiten bis zu den großen weltgeschichtlichen Ereignissen“ {Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 303). Wir können ausgehen von einem Text aus dem Buch der Weisheit, worin die göttliche Vorsehung in ihrem Wirken für ein Boot auf hoher See betrachtet wird: „Deine Vorsehung, Vater, steuert es; denn du hast auch im Meer einen Weg gebahnt und in den Wogen einen sicheren Pfad. Damit zeigst du, daß du imstande bist, aus jeder Lage 36 A UDIENZEN UND ANGEL US zu retten, so dass auch jemand, der keine Erfahrung hat, ein Schiff besteigen kann“ (Weish 14,3-4). In einem Psalm begegnen wir ein weiteres Mal dem Bild des Meeres; Schiffe ziehen auf ihm dahin, und es wimmelt von großen und kleinen Tieren: ein Hinweis auf die Nahrung, die Gott allen Lebewesen spendet: „Sie alle warten auf dich, daß du ihnen Speise gibst zur rechten Zeit. Gibst du ihnen, dann sammeln sie ein; öffnest du deine Hand, werden sie satt an Gutem“ (Ps 104,27-28). 2. Das Bild vom Boot auf dem Meer bringt gut unsere Lage gegenüber dem fürsorgenden Vater zum Ausdruck. Er lässt, wie Jesus sagt, „seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,45). Allerdings fragt man sich angesichts dieser Botschaft von der fürsorgenden Liebe des Vaters unwillkürlich, wie denn das Leid zu erklären sei. Und man muss eingestehen, dass das Problem des Leides ein Rätsel darstellt, vor dem die menschliche Vernunft ratlos dasteht. Die göttliche Offenbarung hilft uns, zu verstehen, dass es nicht von Gott gewollt ist, ist es doch durch die Sünde des Menschen in die Welt gekommen (vgl. Gen 3,16-19). Gott lässt es zu für das Heil des Menschen, indem er aus dem Bösen Gutes schafft. „Der allmächtige Gott ... [könnte] in seiner unendlichen Güte unmöglich irgend etwas Böses an seinen Werken dulden, wenn er nicht bis zu dem Grade allmächtig und gut wäre, dass er auch aus dem Bösen Gutes schaffen könnte“ (Augustinus, Enchiridion defide, spe et caritate, 11,3: PL 40, 236; in Bibliothek der Kirchenväter, Bd.49 [Augustinus VIII], München 1925, S. 399 f.). Bedeutungsvoll in dieser Hinsicht sind die tröstenden Worte, die Josef an seine Brüder richtet, die ihn verkauft hatten, nun aber von seiner Macht abhängig sind: „Nicht ihr habt mich hierher geschickt, sondern Gott ... Ihr habt Böses gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn, um zu erreichen, was heute geschieht: viel Volk am Leben zu erhalten“ (Gen 45,8; 50,20). Die Pläne Gottes decken sich nicht mit denen des Menschen; sie sind unendlich viel besser, doch oft bleiben sie dem menschlichen Denken unverständlich. Im Buch der Sprichwörter heißt es: „Der Herr lenkt die Schritte eines jeden. Wie könnte der Mensch seinen Weg verstehen?“ (Spr 20,24). Im Neuen Testament verkündet Paulus das tröstliche Prinzip, dass „Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Röm 8,28). 3. Was soll unsere Haltung gegenüber diesem fürsorgenden und weitblickenden göttlichen Wirken sein? Gewiss sollen wir nicht passiv darauf warten, was Er uns schickt, sondern sollen mit Ihm Zusammenarbeiten, damit Er das zur Vollendung bringt, was Er in uns zu wirken begann. Vor allem sollen wir um das Streben nach den himmlischen Gütern bemüht sein. Diese sollen an erster Stelle stehen, wie Jesus fordert: „Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen“ (Mt 6,33). Die anderen Güter sollen nicht Anlass zu übertriebener Sorge sein, denn unser himmlischer Vater kennt unsere Bedürfnisse; das lehrt uns Jesus, wenn er von seinen Jüngern „eine kindliche Hingabe an die Vorsehung des himmlischen Vaters, der sich um die geringsten Bedürfnisse seiner Kinder kümmert“ 37 A UDIENZEN UND ANGELUS {Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 305), verlangt: „Fragt nicht, was ihr essen und was ihr trinken sollt, und ängstigt euch nicht! Denn um all das geht es den Heiden in der Welt. Euer Vater weiß, daß ihr das braucht“ {Lk 12,29 f.). Wir sind also gerufen, mit Gott zusammenzuarbeiten in einer Haltung großen Vertrauens. Jesus lehrt uns, den himmlischen Vater um das tägliche Brot zu bitten (vgl. Mt 6,11; Lk 11,3). Wenn wir es mit Dankbarkeit empfangen, wird für uns der Gedanke selbstverständlich, dass nichts uns gehört und wir bereit sein müssen, zu geben: „Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand etwas wegnimmt, verlang es nicht zurück“ {Lk 6,30). 4. Die Gewissheit der Liebe Gottes lässt uns auch in den schwierigsten Augenblicken des Daseins auf seine väterliche Vorsehung vertrauen. Dieses volle Vertrauen in Gott, den fürsorgenden Vater, auch unter widrigen Umständen wird wunderbar von der hl. Theresia von Jesus zum Ausdruck gebracht: „Nichts verwirre dich. Nichts erschrecke dich. Alles geht vorüber. Gott ändert sich nicht Die Geduld erreicht alles. Wer Gott besitzt, dem mangelt nichts. Gott allein genügt.“ (Poesias, 30; Sämtliche Schreiben der heiligen Theresia von Jesus, 6 Bde., München 1012-22; Bd. IV/2, S. 90, zitiert nach W. Nigg, Große Heilige, Zürich 1955, S. 234). Die Schrift bietet uns ein beredtes Beispiel völliger Hingabe an Gott, wenn sie uns erzählt, wie in Abraham der Entschluss reifte, seinen Sohn Isaak zu opfern. In Wirklichkeit wollte Gott nicht den Tod des Sohnes, sondern den Glauben des Vaters. Abraham beweist ihn in vollem Sinn, denn als Isaak ihn fragt, wo das Lamm für das Brandopfer sei, wagt er ihm zu antworten: „Gott wird sich das Opferlamm aussuchen“ {Gen 22,8). Und gleich darauf erfährt er die wohlmeinende Vorsehung Gottes, der den Knaben rettet und den Glauben des Vaters mit der Fülle seines Segens belohnt. Solche Texte gilt es nun, im Licht der gesamten Offenbarung zu interpretieren, die ihre Fülle in Jesus Christus erreicht. Er lehrt uns, auch in den schwierigsten Augenblicken unbegrenztes Vertrauen in Gott zu setzen: Ans Kreuz genagelt, gibt Jesus sich vollends dem Vater hin: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ {Lk 23,46). Mit dieser Haltung erhebt Er auf höchste Ebene, was Ijob in die bekannten Worte gefasst hatte: „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der Name des Herrn“ {Ijob 1,21). Auch das, was menschlich ein Missgeschick ist, kann zu jenem großen Plan unendlicher Liebe gehören, mit dem der Vater für unser Heil sorgt. 38 A UDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum. Besonders heiße ich die vielen Schüler und Jugendlichen willkommen. Euch allen, Euren Lieben daheim sowie den über Radio Vatikan oder das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gern den Apostolischen Segen. Gebet für den Frieden auf dem Balkan Wir wollen nun ein besonderes Gebet zum Vater der Barmherzigkeit erheben, dass er das Geschenk des Friedens gewähre, den vor allem der Kosovo und Europa heute so sehr nötig haben. Katechese zur Karwoche Generalaudienz am 31. März 1. Mit dem vergangenen Sonntag, dem Palmsonntag, sind wir in die Karwoche eingetreten, die auch die „heilige“ Woche genannt wird, weil wir in ihr das Gedächtnis der zentralen Ereignisse unserer Erlösung begehen. Der Kern dieser Woche sind die Drei Österlichen Tage vom Leiden, vom Tod und von der Auferstehung des Herrn, die, wie es im Römischen Messbuch heißt „Höhepunkte des ganzen Kirchenjahres“ sind, denn: „Das Werk der Erlösung der Menschen und der vollendeten Verherrlichung Gottes hat Christus, der Herr, vor allem vollzogen durch das Paschamysterium, indem er durch seinen Tod unseren Tod überwunden und in der Auferstehung das Leben wiederhergestellt hat“ (Messbuch, Grundordnung des Kirchenjahres und des neuen Römischen Generalkalenders, Nr. 18). In der Geschichte der Menschheit hat sich nichts Bedeutenderes und nichts von größerem Wert ereignet. So gehen wir also am Ende der Fastenzeit daran, diese für unseren Glauben wichtigsten Tage mit andächtiger Teilnahme zu leben, und verstärken unser Bemühen, Christus, dem Erlöser des Menschen, mit immer größerer Treue nachzufolgen. 2. Die Karwoche fuhrt uns zur Meditation über den Sinn des Kreuzes, indem „die Offenbarung der erbarmenden Liebe ihren Höhepunkt erreicht“ (vgl. Dives in mi-sericordia, Nr. 8). Ganz besonders regt uns zu dieser Betrachtung das Thema des dritten Jahres der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 an: Gottvater. Sein unendliches Erbarmen hat uns gerettet. Um die Menschheit zu erlösen, hat er aus freiem Entschluss seinen eingeborenen Sohn dahingegeben. Wie soll man ihm nicht danken? Die Geschichte wird erleuchtet und auf ihrem Weg geleitet durch das unvergleichliche Ereignis der Erlösung: Gott, der 39 A UDIENZEN UND ANGEL US voll Erbarmen ist, hat durch das Opfer Christi seine unendliche Güte über jeden Menschen ausgeschüttet. Wie können wir auf angemessene Weise unsere Dankbarkeit ausdrücken? Wenn die Liturgie dieser Tage uns einerseits einen Dankeshymnus erheben lässt zum Herrn, dem Sieger über den Tod, fordert sie uns doch zugleich auf, alles aus unserem Leben zu entfernen, was uns daran hindert, ihm gleichgestaltet zu werden. Wir betrachten Christus im Glauben und lassen die entscheidenden Augenblicke des von ihm gewährten Heils an uns vorbeiziehen. Wir erkennen uns als Sünder an und bekennen unseren Undank, unsere Untreue und unsere Gleichgültigkeit gegenüber seiner Liebe. Wir bedürfen seiner Vergebung, die uns reinwäscht und uns stützt im Bemühen innerer Umkehr und steter Erneuerung im Geist. 3. „Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld, tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen! Wasch meine Schuld von mir ab, und mach mich rein von meiner Sünde!“ (Ps 51,3-4). Diese Worte, die wir am Aschermittwoch gebetet haben, haben uns auf dem ganzen Weg durch die Fastenzeit begleitet. Sie hallen mit besonderer Eindringlichkeit in uns wider beim Herannahen der heiligen Tage, in denen das außerordentliche Geschenk der Sündenvergebung, das Christus uns am Kreuz erworben hat, uns neu geboten wird. Wie sollten wir vor dem Gekreuzigten, dem beredten Anruf des göttlichen Erbarmens, nicht unsere Sünden bereuen und zur Liebe umkehren? Wie sollten wir anderen zugefugtes Unrecht nicht konkret wiedergutmachen und unehrlich erworbenes Gut nicht zurückerstatten? Vergebung erfordert konkrete Gesten: Die Reue ist nur dann aufrichtig und wirksam, wenn sie sich in den greifbaren Taten der Umkehr und gerechten Wiedergutmachung niederschlägt. 4. „Gott, hilf mir in deiner Treue!“ So lässt uns heute die Liturgie vom Mittwoch der Karwoche beten, die bereits ganz auf die Heilsereignisse ausgerichtet ist, die wir in den kommenden Tagen feiern werden. Wenn wir heute das Evangelium nach Matthäus vom Paschamahl und dem Verrat des Judas lesen, denken wir bereits an die feierliche Messe vom Letzten Abendmahl, bei der wir morgen Abend der Einsetzung des Priesteramts und der Eucharistie sowie des „neuen“ Gebots brüderlicher Liebe, das der Herr uns am Abend vor seinem Tod hinterlassen hat, gedenken werden. Dieser eindrucksvollen Feier geht am morgigen Vormittag die Chrisam-Messe voraus, die in allen Bischofskirchen der Welt vom Bischof in Gemeinschaft mit seinen Priestern gefeiert wird. Dabei werden die heilige Öle geweiht: das Kate-chumenenöl, das Krankenöl und der Chrisam. In der Nacht ist dann nach der Abendmahlsmesse Zeit für die Anbetung gewissermaßen in Antwort auf die Einladung, die Jesus in der dramatischen Nacht der Todesangst an seine Jünger richtete: „Bleibt hier und wacht mit mir!“ (Mt 26,38). Der Karfreitag ist der Tag großer Betroffenheit, an dem die Kirche uns von neuem die Erzählung der Passion Christi vernehmen lässt. Die „Verehrung“ des Kreuzes steht im Mittelpunkt des liturgischen Geschehens, das an diesem Tag stattfindet, 40 A UDIENZEN UND ANGELUS während die kirchliche Gemeinschaft eindringlich für die Anliegen der Glaubenden der ganzen Welt betet. Danach folgt eine Zeit tiefer Stille. Alles schweigt bis zur Nacht des Karsamstags. Mitten in die Finsternis brechen Licht und Freude herein mit den eindrucksvollen Riten der Feier der Ostemacht und dem festlichen Gesang des Halleluja. Es ist die Begegnung im Glauben mit dem auferstandenen Christus, und die österliche Freude breitet sich über die ganzen fünfzig folgenden Tage aus. 5. Liebe Brüder und Schwestern, machen wir uns bereit, diese Ereignisse mit inniger Anteilnahme zu leben zusammen mit der allerheiligsten Maria, die im Augenblick des Leidens ihres Sohnes anwesend und Zeugin seiner Auferstehung war. In einem polnischen Lied heißt es: „Heiligste Mutter, zu deinem vom Leidensschwert durchbohrten Herzen schreien wir empor ...“ Maria nehme unsere Gebete und die Opfer der Leidenden auf; sie besiegle unsere Vorsätze aus der Fastenzeit und begleite uns, während wir Jesus in die Stunde der äußersten Prüfung folgen. Der gemarterte und gekreuzigte Christus ist die Quelle der Kraft und Zeichen der Hoffnung für alle Glaubenden und für die ganze Menschheit. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Christus unsere Hoffnung — gestern, heute und morgen Regina Caeli in Castel Gandolfo am Ostermontag, 5. April 1. Der Ruf „Er lebt, der Herr, meine Hoffnung“ (Sequenz von Ostern) hallt weiter nach in der heutigen Liturgie. Die geistliche Freude von Ostern hält somit an und verbreitet sich in der Kirche und in den Herzen der Gläubigen. Die Auferstehung Christi stellt das umwälzendste Ereignis der Menschheitsgeschichte dar. Und dieses Ereignis hat allen neue Hoffnung gegeben: Hoffen heißt heute nicht mehr erwarten, dass etwas geschieht. Es bedeutet Gewissheit, dass etwas geschehen ist, denn „Christus ist von den Toten erstanden. Er stirbt nicht mehr“! Zum ersten Mal wurden die Worte, die die Auferstehung verkündeten, von einem Engel am leeren Grab Christi ausgesprochen. Zu den Frauen, die sich nach dem Sabbat in der Morgendämmerung des ersten Tages an das Grab begeben hatten, sagte er: „Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden“ {Mt 28,5). Und sie „eilten voll ... großer Freude“ {Mt 28,8) zu den Jüngern, um ihnen die Worte zu wiederholen. Den verängstigten und entmutigten Jüngern bot die Nachricht des Himmelsboten, 41 A UDIENZEN UND ANGELUS die durch die Erscheinungen des Auferstandenen noch deutlicher offenbar wurde, die Bestätigung dessen, was der Herr vorausgesagt hatte. Getröstet durch diese Gewissheit und erfüllt vom Heiligen Geist, werden sie nun auf den Straßen der Welt dahinziehen, um die frohe Osterbotschaft erschallen zu lassen. 2. Liebe Brüder und Schwestern, an diesem Ostermontag lädt die Liturgie uns ein, wieder die Worte des Engels zu hören, die auch uns von dem großen Ereignis dieses Tages berichten. Auf ihnen ruht die lebendige Mitte des Christentums. Sie bezeichnen das Geheimnis, das alles erklärt. Nach den Riten der Karwoche betrachten unsere Augen nun den auferstandenen Christus. Auch wir sind gerufen, ihm persönlich zu begegnen und seine Boten und Zeugen zu werden, wie es die Frauen und die Jünger waren. „Er lebt, der Herr, meine Hoffnung“, wiederholen wir an diesem Tag und erbitten von ihm Mut zur Treue und Beharrlichkeit im Guten. Wir bitten ihn vor allem um den Frieden, das Geschenk, das er uns durch seinen Tod und seine Auferstehung erwarb. Wir bitten, dass das kostbare Geschenk des Friedens besonders unseren Brüdern und Schwestern im Kosovo zuteil werde, wo die Osterglocken nicht zum Fest geläutet haben und wo leider der Krieg mit Zerstörung, Deportation und Tod weitergeht. 3. Diese unsere besorgte Bitte vertrauen wir Maria an. O „Himmelskönigin“, die du dich freust: „Den du zu tragen würdig warst, er ist auferstanden.“ Erbitte Trost und Beistand für die Flüchtlinge und alle, die aufgrund des Krieges leiden. Erbitte Frieden und Ruhe für die ganze Welt. Nach dem Gebet des Regina Caeli sagte der Papst: Herzlich grüße ich die Bewohner von Castel Gandolfo, die mich immer mit großer Aufmerksamkeit empfangen, und alle die sich hier an diesem Tag zu Ruhe und Entspannung eingefunden haben. Doch dürfen wir nicht derer vergessen, die dagegen Augenblicke großen Leidens durchmachen. Mit Zuneigung denke ich an die so vielen Flüchtlinge aus dem Kosovo, die sich in einer dramatischen Lage befinden. Von Herzen danke ich denen, die ihnen großzügig zu helfen suchen. Meine besondere Anerkennung spreche ich Italien aus, das auf eigenem Boden sowie in Albanien mit einer weitgefassten und großangelegten Hilfsaktion unter dem Namen „Arcobaleno-Regenbogen“ tätig ist. Ich ermutige öffentliche und private Einrichtungen, Organismen der freiwilligen Hilfe und einzelne Bürger, ihre Anstrengungen zu vermehren, um diesen unseren Brüdern, die so hart geprüft wurden, entge-genkommen zu können. 42 A UDIENZEN UND ANGELUS Der Vater - anspruchsvolle Liebe Generalaudienz am 7. April 1. Gegenüber der Liebe Gottvaters können wir nicht gleichgültig bleiben; sie verlangt nach Erwiderung in ständigem Liebesbemühen. Dieses Bemühen erfahrt eine immer tiefere Bedeutung, je mehr wir Jesus nahe kommen, der in vollkommener Gemeinschaft mit dem Vater lebt und so für uns zum Vorbild wird. Im kulturellen Sinnzusammenhang des Alten Testaments ist die Autorität des Vaters unbeschränkt und wird als ein Vergleichsbegriff genommen, um die Autorität des Schöpfergottes zu beschreiben, die keine Beanstandungen duldet. In Jesaja lesen wir: „Weh dem, der zum Vater sagt: Warum zeugtest du mich?, und zur Mutter: Warum brachtest du mich zur Welt? So spricht der Herr, der Heilige Israels und sein Schöpfer: Wollt ihr mir etwa Vorwürfe machen wegen meiner Kinder und Vorschriften über das Werk meiner Hände?“ (Jes 45,10 f.). Ein Vater hat auch die Aufgabe, den Sohn zu fuhren und ihn wenn nötig mit Strenge zu ermahnen. Das Buch der Sprichwörter erinnert daran, dass das auch für Gott gilt: Wen der Herr liebt, den züchtigt er, wie ein Vater seinen Sohn, den er gern hat“ (Spr 3,12; vgl. Ps 103,13). Der Prophet Maleachi bestätigt seinerseits die erbar-mungsvolle Zuneigung Gottes zu seinen Kindern (Mal 3,17), aber es handelt sich dabei doch stets um eine anspruchsvolle Liebe: „Denkt an das Gesetz meines Knechtes Mose; am Horeb habe ich ihm Satzung und Recht übergeben, die für ganz Israel gelten“ (Mal 3,22). 2. Das Gesetz, das Gott seinem Volk gibt, ist nicht eine von einem tyrannischen Vater auferlegte Last, sondern Ausdruck jener Vaterliebe, die den rechten Weg für das menschliche Verhalten weist und Bedingung ist, um der Verheißungen Gottes teilhaftig zu werden. Das ist der Sinn der Aufforderung des Buches Deuteronomium: „Du sollst auf die Gebote des Herrn, deines Gottes, achten, auf seinen Wegen gehen und ihn fürchten“, die in engem Zusammenhang steht mit der Verheißung, dass Gott, der Herr, sein Volk „in ein prächtiges Land führt“ (Dtn 8,6 f.). Als Satzung, die den Bund zwischen Gott und den Söhnen Israels festlegt, ist das Gesetz von der Liebe geleitet. Es zu übertreten bleibt jedoch nicht ohne Folgen und bringt schmerzliche Resultate mit sich, die allerdings stets unter der Logik der Liebe stehen, denn sie veranlassen den Menschen zu einem heilsamen Bewusstwerden einer grundlegenden Dimension seines Seins. „Wenn unser Herz die Größe und Liebe Gottes entdeckt, wird es von Abscheu vor der Sünde und von ihrer Last erschüttert. Es beginnt davor zurückzuschrecken, Gott durch die Sünde zu beleidigen und so von ihm getrennt zu werden“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1432). Wenn der Mensch sich von seinem Schöpfer abwendet, fallt er notwendigerweise ins Böse, in den Tod, ins Nichts. Im Gegenteil ist Zuwendung zu Gott Quelle des Lebens und Segens. Das wird ebenfalls vom Buch Deuteronomium betont: „Hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor. 43 A UDIENZEN UND ANGEL US Wenn du auf die Gebote des Herrn, deines Gottes, auf die ich dich heute verpflichte, hörst, indem du den Herrn, deinen Gott, liebst, auf seinen Wegen gehst und auf seine Gebote, Gesetze und Rechtsvorschriften achtest, dann wirst du leben und zahlreich werden, und der Herr, dein Gott, wird dich in dem Land, in das du hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen, segnen“ (Dtn 30,15 f.). 3. Jesus hebt das Gesetz in seinen Grundwerten nicht auf, sondern vollendet es, wie er in der Bergpredigt selbst sagt: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen“ (Mt 5,17). Jesus verkündet als Kern des Gesetzes das Gebot der Liebe und leitet radikale Forderungen daraus ab. In Erweiterung der Vorschrift des Alten Testaments gebietet er, Freunde und Feinde zu lieben, und erklärt die Ausdehnung der Regel, indem er den Bezug zur Vaterschaft Gottes deutlich macht: „damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,43-45; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2784). Mit Jesus geschieht ein qualitativer Sprung: Er fasst das Gesetz und die Propheten in einer einzigen Regel zusammen, die in ihrer Formulierung ebenso einfach wie in der Anwendung schwierig ist: ,Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen“ (vgl. Mtl,\T). Ja, sie wird als der Weg dargestellt, der zu gehen ist, um vollkommen zu sein, wie es der himmlische Vater ist (vgl. Mt 5,48). Wer so handelt, legt Zeugnis ab vor den Menschen, damit der Vater im Himmel verherrlicht werde (vgl. Mt 5,16), und wird bereit, das Reich zu empfangen, das der Vater für die Gerechten vorbereitet hat nach den Worten Christi beim letzten Gericht: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist“ (Mt 25,34). 4. Wenn er die Liebe des Vaters verkündet, unterlässt Jesus es nie, daran zu erinnern, dass es sich um eine anspruchsvolle Liebe handelt. Dieser Zug des Antlitzes Gottes geht aus dem ganzen Leben Jesu hervor. Seine „Speise“ ist es doch, den Willen dessen zu tun, der ihn gesandt hat (vgl. Joh 4,34). Und gerade, weil es ihm nicht um den eigenen Willen geht, sondern um den Willen des Vaters, der ihn in die Welt gesandt hat, ist sein Gericht gerecht (vgl. Joh 5,30). Der Vater legt deshalb über ihn Zeugnis ab (vgl. Joh 5,37) und so auch die Schriften (vgl. Joh 5,39). Vor allem die Werke, die er im Namen des Vaters vollbringt, bürgen dafür, dass er von ihm gesandt ist (vgl. Joh 5,36; 10,25.37-38). Das höchste unter ihnen ist, dass er sein Leben hingibt, wie es ihm der Vater aufgetragen hat: Diese Selbsthingabe ist gerade der Grund, weshalb der Vater ihn liebt (vgl. Joh 10,17—18), und das Zeichen dafür, dass er den Vater liebt (vgl. Joh 14,31). Wenn schon das Gesetz des Deuteronomiums Weg und Gewähr für das Leben war, so ist das Gesetz des Neuen Testaments es in völlig neuer und paradoxer Weise, ausgedrückt in dem Gebot, dass man einander bis zu dem Punkt lieben soll, dass man sein Leben für seine Freunde hingibt (vgl. Joh 15,12-13). 44 A UDIENZEN UND ANGEL US Das „neue Gebot“ der Liebe hat seinen letzten Ursprung in der göttlichen Liebe, wie Johannes Chrysostomus erwähnt: „Ihr könnt euren Vater nicht den Gott alles Guten nennen, wenn ihr ein unmenschliches und grausames Herz behaltet. Denn in diesem Fall habt ihr nicht mehr das Kennzeichen der Güte des himmlischen Vaters in euch“ (Hom. in illud „Angusta est porta“: PG 51, 4413; in Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2784). In dieser Sichtweise haben wir Kontinuität und Überwindung in Einklang gebracht: Das Gesetz wird verwandelt und vertieft als Gesetz der Liebe, das einzige, das dem väterlichen Antlitz Gottes entspricht. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein. Insbesondere heiße ich die Teilnehmer an der Pilgerfahrt des Bistums Würzburg in Begleitung des Diözesan-bischofs Paul-Werner Scheele willkommen. Außerdem begrüße ich die vielen Ministranten- und Jugendgmppen. Allen wünsche ich schöne Ferientage in Rom. Gern erteile ich Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die über Radio Vatikan oder das Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen. Glaube und Vernunft rufen nach Frieden! Regina Caeli am 11. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am Ende der Osteroktav mache ich mir — mit einem besonderen Gedanken an unsere orthodoxen Brüder, die gerade heute das Osterfest feiern - die Worte des Apostels Petras aus der heutigen Liturgie zu eigen: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben“ (7 Petr 1,3). Aus dem ganzen Gottesvolk, das auf das Große Jubiläum hin unterwegs ist, erhebt sich ein Dankeshymnus an Gottvater, der im Pascha Mysterium Christi der Welt sein Antlitz und sozusagen sein Herz „voll Erbarmen“ offenbart hat (Eph 2,4). Der heutige Sonntag wird auch Sonntag vom Göttlichen Erbarmen genannt: Er bietet eine kostbare Gelegenheit in diesem Gottvater-Jahr, um als Einzelne und als Kirche in den wahren Geist des Jubiläums einzutreten entsprechend den Worten Jesu selbst: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich ... gesandt, damit ich ... ein Gnadenjahr des Herrn ausrafe“ (Zi: 4,18-19). Es freut mich sehr, dass zahlreiche Priester und Gläubige heute morgen auf den Petersplatz gekommen sind, um an einer festlichen, von Kardinal Fiorenzo Angelini geleiteten Eucharistiefeier teilzunehmen; ihm gilt mein herzlicher Gruß und ebenso allen Anwesenden 45 A UDIENZEN UND ANGEL US zusammen mit dem Ausdruck meines Wohlgefallens für eure Verehrung des barmherzigen Jesus. Von Herzen ermutige ich euch, im Lebens- und Arbeitsumfeld eines jeden von euch Apostel des göttlichen Erbarmens zu sein gleich der sei. Faustina Kowalska. 2. Wie sollte einem nicht der schreiende Kontrast zwischen der Einladung zu Erbarmen und Vergebung, welche die heutige Liturgie durchzieht, und der Gewalt tragischer Konflikte, die die Balkanregion in Blut tauchen, auffallen? Möge endlich der Friede siegen! Ich erneuere hier den Appell, der nicht nur vom Glauben, sondern zuvor noch von der Vernunft her geboten ist: Mögen die Volksgruppen in Harmonie in ihren Ländern Zusammenleben können, mögen die Waffen schweigen und der Dialog wiederaufgenommen werden! Meine Gedanken sind ständig auf die gerichtet, welche unter den harten Folgen des Krieges zu leiden haben, und ich bete zum auferstandenen Herrn, dem Friedens-fürsten, dass er uns seinen Frieden schenke. 3. Alle Gläubigen möchte ich einladen, ihr Gebet für den Frieden zu vermehren, denn was menschlich bisweilen fast unmöglich erscheint, vermacht Gott dem, der inständig dämm bittet, als Geschenk seines Erbarmens. Dazu erbitten wir die Fürsprache der allerheiligsten Maria. Zu ihr, der Mutter des Erbarmens, erheben wir unser Bittgebet, dass sie uns helfe, mutig den Weg der Liebe und des Friedens einzuschlagen. Nach dem Gebet des Regina Caeli sagte der Papst: Wie ich vorhin erwähnt habe, feiern heute die orthodoxen Kirchen das Osterfest. Mit Freude vereinige ich mich im Gebet mit unseren orthodoxen Brüdern und spreche ihnen meine aufrichtigen Segenswünsche aus. Der Friede, den Christus den Jüngern am Tag seiner Auferstehung ankündigte, möge stets unter den Glaubenden wirksam sein. In diesem Augenblick gehen meine Gedanken besonders zu denen, die aufgrund des Krieges leiden. Die Hoffnung auf Frieden möge sie in dieser harten Prüfung unterstützen und sie immer mehr zu Gestaltern eines Zusammenlebens werden lassen, das die Rechte eines jeden respektiert und von solidarischer Geschwisterlichkeit gekennzeichnet ist. Graß an die Thomas-Christen Mein besonderer Gmß geht an die Thomas-Christen der syro-malabarischen und der syro-malankarischen Kirche, die heute die Erscheinung des auferstandenen Herrn vor dem Apostel Thomas feiern. Ich bete, dass der allmächtige Gott eure Gemeinschaften weiterhin mit starkem Glauben und reichlichen Werken der Liebe segne. 46 A UDIENZEN UND ANGEL US Tourismus - geistliche Bereicherung Einen besonderen Gedanken richte ich an die Jugendlichen, die aus verschiedenen italienischen Regionen gekommen sind, um die vor 50 Jahren erfolgte Gründung des Centro Turistico Giovanile (Jugend-Tourismuszentrums) zu feiern. 1949 rief die Katholische Aktionsjugend (Gioventü di Azione Cattolica) diese apostolische Initiative ins Leben, um einen Tourismus zu fördern, der Quelle zu geistlicher Bereicherung sein sollte. Das ist auch heute mein Wunsch, während ich alle von Herzen segne. Für Gottvater Zeugnis geben - die christliche Antwort auf den Atheismus Generalaudienz am 14. April 1. Die religiöse Ausrichtung des Menschen entspringt seiner Geschöpflichkeit, die ihn zur Sehnsucht nach Gott drängt, von dem er geschaffen ist als sein Abbild, ihm ähnlich (vgl. Gen 1,26). Das II. Vatikanische Konzil lehrt: „Ein besonderer Wesenszug der Würde des Menschen liegt in seiner Beratung zur Gemeinschaft mit Gott. Zum Dialog mit Gott ist der Mensch schon von seinem Ursprung her aufge-rafen: er existiert nämlich nur, weil er, von Gott aus Liebe geschaffen, immer aus Liebe erhalten wird; und er lebt nicht voll gemäß der Wahrheit, wenn er diese Liebe nicht frei anerkennt und sich seinem Schöpfer anheimgibt“ (Gaudium et spes, Nr. 19). Der Weg, der die Menschen zur Erkenntnis Gottvaters fuhrt, ist Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, das zu uns kommt in der Macht des Heiligen Geistes. Wie ich in den vorangegangenen Katechesen betont habe, ist eine solche Erkenntnis echt und vollkommen, wenn sie sich nicht auf ein rein verstandesmäßiges Erfassen beschränkt, sondern in lebendiger Weise die ganze Person des Menschen mit einbezieht. Dieser schuldet dem Vater eine Glaubens- und Liebesantwort aus dem Bewusstsein, dass wir, noch bevor wir erkannt haben, von Ihm schon erkannt und geliebt worden sind (vgl. Gal 4,9; 1 Kor 3,12; 1 Joh 4,19). Leider wird diese innigste und lebenskräftige Verbindung mit Gott, die seit dem Beginn der Geschichte durch die Schuld der Ureltem beeinträchtigt ist, vom Menschen in schwankender und widersprüchlicher Weise gelebt, bedroht durch Zweifel und oft gebrochen durch Sünde. Schließlich hat die moderne Zeit besonders verheerende Formen von „theoretischem“ und „praktischem“ Atheismus gekannt (vgl. Fides et ratio, Nr. 46-47). Vor allem erweist sich der „Säkularismus“ verderblich mit seiner Gleichgültigkeit gegenüber den letzten Fragen und dem Glauben: Er ist in der Tat Ausdruck eines vom Bezug zur Transzendenz völlig abgelösten Menschenbildes. Somit ist der „praktische“ Atheismus bittere und konkrete Wirklichkeit. Zeigt er sich auch vor allem in den wirtschaftlich und technisch hochentwi- 47 AUDIENZEN UND ANGELUS ekelten Kulturen, so erfassen seine Auswirkungen doch jene Situationen und Kulturen mit, die noch am Anfang eines Entwicklungsprozesses stehen. 2. Es ist nötig, sich vom Wort Gottes leiten zu lassen, um diese Situation der heutigen Welt verstehen und auf die schwerwiegenden Fragen, die sich stellen, antworten zu können. Von der Heiligen Schrift ausgehend, wird man sogleich bemerken, dass sich darin kein Hinweis auf „theoretischen“ Atheismus findet, während das Interesse darauf gerichtet ist, „praktischen“ Atheismus anzuprangem. Der Torheit bezichtigt der Psalmist diejenigen, die denken: „Es gibt keinen Gott“ (Ps 14,1), und sich danach verhalten: „Sie handeln verwerflich und schnöde; da ist keiner, der Gutes tut“ (ebd.). In einem anderen Psalm wird der überhebliche Frevler getadelt, der den Herrn verachtet und sagt: „Gott straft nicht, es gibt keinen Gott“ {Ps 10,4). Überhaupt spricht die Bibel nicht von Atheismus, sondern vielmehr von Gottlosigkeit und Götzendienst. Gottlos und ein Götzendiener ist derjenige, der dem wahren Gott eine Reihe von menschlichen Produkten vorzieht, die fälschlicherweise als göttlich, lebendig und wirktätig angesehen werden. Der Hilflosigkeit der Götzenbilder - und parallel dazu derer, die sie anfertigen - sind lange prophetische Anklagereden gewidmet. Mit dialektischer Eindringlichkeit stellen sie der Leere und dem Unvermögen der vom Menschen angefertigten Götzenbilder die Macht des wundertätigen Schöpfergottes entgegen (vgl. Jes 44,9-20; Jer 10,1-16). Diese Lehre erreicht ihre größte Entfaltung im Buch der Weisheit (vgl. Weish 13-15), wo sich der Weg der Gotteserkenntnis über die Werke der Schöpfung abzeichnet, auf den später der Apostel Paulus (vgl. Röm 1,18-23) wieder zurückkommt. „Atheist“ zu sein bedeutet also: nicht die wahre Natur der geschaffenen Wirklichkeit zu erkennen, diese vielmehr zu verabsolutieren und genau deshalb zu „vergöttern“, anstatt sie als Abglanz des Schöpfers und Weg, der zu ihm fuhrt, zu betrachten. 3. Der Atheismus kann sogar zu einer Form von intoleranter Ideologie werden, wie die Geschichte beweist. Die letzten beiden Jahrhunderte haben Strömungen eines theoretischen Atheismus gekannt, die im Namen einer beanspruchten absoluten Autonomie des Menschen, der Natur oder der Wissenschaft Gott leugneten. Hierzu betont der Katechismus der Katholischen Kirche: „Oft basiert der Atheismus auf einer falschen Auffassung von der menschlichen Autonomie, die so weit geht, dass sie jegliche Abhängigkeit von Gott leugnet“ (Nr. 2126). Dieser systematische Atheismus hat sich jahrzehntelang behauptet und die Illusion geliefert, dass wenn man Gott eliminierte, der Mensch sowohl in psychologischer als auch in sozialer Hinsicht freier wäre. Die wichtigsten Einwände, die vor allem gegen Gottvater vorgebracht wurden, gehen von der Auffassung aus, dass die Religion für den Menschen einen Wert kompensativer Art darstelle. Der erwachsene Mensch, der das Bild des irdischen Vaters beseitigt hat, würde in Gott das Bedürfnis nach einem vergrößerten Vater projizieren und müsse sich davon wiederum befreien, weil es den Reifeprozeß des Menschen behindere. 48 AUDIENZEN UND ANGELUS Welches ist die Haltung der Kirche gegenüber den Formen des Atheismus und ihren ideologischen Begründungen? Die Kirche verachtet keineswegs ein ernsthaftes Studium der psychologischen und soziologischen Komponenten des religiösen Phänomens, weist jedoch die Interpretation der Religiosität als Projektion der menschlichen Psyche oder als Ergebnis soziologischer Bedingungen entschieden zurück. Die echte religiöse Erfahrung ist in der Tat kein Ausdruck von Infantilismus, sondern eine reife und würdige Haltung der Annahme Gottes, die dem Bedürfnis nach einem umfassenden Sinn des Lebens entspricht und zur Verantwortung für eine bessere Gesellschaft verpflichtet. 4. Das Konzil hat erkannt, dass zur Entstehung des Atheismus die Gläubigen beigetragen haben können, insofern als sie das Antlitz Gottes nicht immer in angemessener Weise offenbart haben (vgl. Gaudium et spes, Nr. 19; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2125). Aus dieser Sicht zeigt sich gerade im Zeugnis für das wahre Antlitz Gottvaters die überzeugendste Antwort auf den Atheismus. Das schließt natürlich nicht aus, sondern erfordert auch, dass man die Gründe rationaler Ordnung, die zur Erkenntnis Gottes führen, richtig darlegt. Leider werden diese Gründe oft verdunkelt durch Konditionierungen, verursacht von der Sünde, sowie vielfältige kulturelle Gegebenheiten. Daher ist die Verkündigung des Evangeliums, bekräftigt durch das Zeugnis einer verständigen Nächstenliebe (vgl. Gaudium et spes, Nr. 21), der wirksamste Weg, damit die Menschen die Güte Gottes zu erahnen vermögen und nach und nach sein barmherziges Antlitz erkennen können. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders heiße ich die Gruppe der Studentenmusik aus Einsiedeln willkommen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Wucher - ein soziales Übel Ein besonderer Gedanke gilt vor allem den Mitgliedern des Nationalen Konsultativrates der Stiftungen gegen den Wucher (Consulta Nazionale Fondazi-oni Antiusura) sowie den Delegationen der verschiedenen regionalen Stiftungen, die gekommen sind, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das besorgniserregende und leider verbreitete Phänomen des Kreditwuchers zu lenken, das bisweilen dramatische Folgen nach sich zieht. Die Schwierigkeiten, denen ihr begegnet, meine Lieben, sind mir wohlbekannt; ich weiß aber, dass ihr entschlossen und einig seid im Kampf gegen dieses schwere soziale Übel. Kämpft weiter gegen den Wucher, um den Personen und Familien, die ihm zum Opfer fallen, Hoffnung zu 49 A UDIENZEN UND ANGELUS geben. Der Papst ermutigt euch, euer großherziges Werk fortzusetzen zum Aufbau einer gerechteren und solidarischeren Gesellschaft, die den Nöten der Bedürftigen vermehrt Aufmerksamkeit entgegenbringt. Die neuen Heiligen als Verehrer der Gottesmutter Heiligsprechungen auf dem Petersplatz - Regina Caeli am 18. April 1. Am Ende dieses feierlichen Gottesdienstes spreche ich euch allen meinen herzlichen Dank aus, liebe Gläubige und Pilger, die ihr gekommen seid, um den neuen Heiligen, die die Kirche uns als Vorbilder für unser Leben und Fürsprecher für unsere Anliegen vorstellt, die Ehre zu erweisen. Vor dem gewohnten Gebet des Regina Caeli möchte ich die empfindsame und kindliche Liebe der neuen Heiligen zur Jungfrau Maria hervorheben. Die hl. Agostina Livia Pietrantoni hütete eifersüchtig ein Bild der Madonna im Hospital: An sie wandte sie sich mit Glauben, und ihr vertraute sie die schwierigsten und schwersten Fälle unter ihren Kranken an. „Liebt und liebt und liebt Maria“, gebot der hl. Giovanni Calabria seinen Jüngern und hielt sie dazu an, Maria zu „leben“ und zu „atmen“. Indem ich alle auffordere, die innige Marienverehrung der neuen Heiligen nachzuahmen, richte ich einen besonderen Gmß an die Armen Diener und die Armen Dienerinnen der Göttlichen Vorsehung und an die Barmherzigen Schwestern der hl. Jeanne-Antide Thouret. Der Papst setzte die Italienisch begonnene Rede auf Französisch fort: 2. Mit Freude empfange ich euch Pilger, die ihr zur Heiligsprechung von Marcelin Champagnat gekommen seid, insbesondere euch Bischöfe, Priester, Maristen-schulbrüder und weiteren Mitglieder der Maristenfamilie; auch die Schüler und ehemaligen Schüler grüße ich. Möge die Jungfrau Maria für uns alle „unsere alltägliche Hilfsquelle“ sein, wie Pater Champagnat im Vertrauen gern sagte! „Alles zu Jesus durch Maria, alles zu Maria durch Jesus“; unsere Marienverehrung lasse sich von der Devise des neuen Heiligen inspirieren, damit auch wir jeden Tag mit Demut und Treue den Weg der Heiligkeit gehen! ... und sprach dann wieder Italienisch weiter: 3. Maria, die wir als Königin des Friedens anrufen, erbitte in diesen Tagen großer Sorge wegen des Konflikts in Jugoslawien das kostbare Geschenk des Friedens vor allem für dieses geliebte, leidende und gemarterte Land. Die Kraft des friedlichen Zusammenlebens und des Dialogs siege über ethnische Unterdrückung und die Gewalt der Waffen! 50 A UDIENZEN UND ANGEL US Gottvater bezeugen im Dialog mit den glaubenden Menschen aller Religionen Generalaudienz am 21. April 1. „Ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4,6). Im Licht dieser Worte aus dem Brief des Apostels Paulus an die Christen in Ephesus wollen wir heute darüber nachdenken, wie man für Gottvater Zeugnis geben kann im Dialog mit den glaubenden Menschen aller Religionen. Bei unseren Überlegungen werden wir uns auf zwei Bezugspunkte stützen: das II. Vatikanische Konzil mit der Erklärung Nostra aetate über „Das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ und das bereits nahe Ziel des Großen Jubiläums. Die Erklärung Nostra aetate hat den Grund zu einem neuen Stil, dem des Dialogs, in den Beziehungen der Kirche zu den verschiedenen Religionen gelegt. Seinerseits stellt das Große Jubiläum des Jahres 2000 eine vorzügliche Gelegenheit dar, um diesen Stil unter Beweis zu stellen. In Tertio millennio adveniente habe ich dazu eingeladen, den Dialog mit den großen Religionen zu vertiefen auch durch Begegnungen an bedeutsamen Orten (vgl. Nm. 52-53). 2. In der Heiligen Schrift wird das Thema des einen Gottes gegenüber der Gesamtheit der Völker, die das Heil suchen, nach und nach entfaltet bis zum Höhepunkt der vollen Offenbarung in Christus. Der Gott Israels, ausgedrückt im heiligen Tetragramm (J[a]HW[e]H), ist der Gott der Erzväter, der Gott, der dem Mose im brennenden Dombusch erschienen ist (vgl. Ex 3), um Israel zu befreien und es zum Bundesvolk zu machen. Im Buch Josua wird von der Entscheidung für den Herrn erzählt, die in Sichern getroffen wurde, wo die große Versammlung des Volkes den Gott wählt, der sich gütig und fursorgend an ihm erwiesen hat, und alle anderen Götter abschafft (vgl. Jos 24). Im religiösen Bewusstsein des Alten Testaments verdeutlicht sich diese Wahl immer mehr im Sinn eines strengen, die ganze Menschheit umfassenden Monotheismus. Wenn der Herr, der Gott Israels, nicht ein Gott unter vielen ist, sondern der einzige wahre Gott, dann folgt daraus, dass von ihm alle Völker „bis an das Ende der Erde“ (Jes 49,6) gerettet werden sollen. Der universale Heilswille macht die Menschheitsgeschichte zu einem großen Pilgerweg der Völker auf ein einziges Ziel, Jerusalem, hin, ohne jedoch die ethnisch-kulturellen Unterschiede aufzuheben (vgl. Offb 7,9). Der Prophet Jesaja stellt diese Aussicht eindrücklich dar durch das Bild einer Straße, die von Ägypten nach Assur führt, und hebt hervor, dass nun der Segen Gottes Israel mit Ägypten und Assur vereint (vgl. Jes 19,23-25). Jedes Volk ist unter völliger Bewahrung der eigenen Identität gerufen, sich immer mehr zum einzigen Gott zu bekehren, der sich gegenüber Israel offenbart hat. 51 A UDIENZEN UND ANGEL US 3. Diese „universalistische“ Eingebung, die schon im Alten Testament vorhanden ist, wird im Neuen weiterentwickelt. Darin wird uns offenbart, dass Gott „will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Die Überzeugung, dass Gott tatsächlich alle Menschen auf das Heil vorbereitet, begründet den Dialog der Christen mit den glaubenden Menschen aller Religionen. Das Konzil hat die Haltung der Kirche gegenüber den nichtchristlichen Religionen folgendermaßen Umrissen: „Mit aufrichtigem Emst betrachtet sie [die katholische Kirche] jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet. Unablässig aber verkündet sie und muß sie verkündigen Christus, der ist ,der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6), in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat“ (Nostra aetate, Nr. 2). In den vergangenen Jahren wurde der „Dialog“ mit den glaubenden Menschen aller Religionen von gewisser Seite in Gegensatz gebracht zur „Verkündigung“, der vorrangigen Pflicht in der Heilssendung der Kirche. In Wirklichkeit ist der interreligiöse Dialog integrierender Bestandteil des Evangelisierungsauftrags der Kirche (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 856). Wie ich wiederholt betont habe, ist der Dialog für die Kirche von grundlegender Bedeutung, gehört in ihren Heilsauftrag und ist dämm ein Dialog des Heils (vgl. Ansprache an die Vollversammlung des Sekretariats für die Nichtchristen am 3. März 1984; in DAS 1984, S. 1041-1045). Beim interreligiösen Dialog geht es also nicht dämm, auf die Verkündigung zu verzichten, sondern auf einen göttlichen Anruf zu antworten, so dass Austausch und Teilen zu gegenseitigem Zeugnis von der eigenen religiösen Sicht werden und zu tieferer Kenntnis der jeweiligen Überzeugungen und Einigkeit bezüglich gewisser Grundwerte fuhren. 4. Die Berufung auf die gemeinsame „Vaterschaft“ Gottes wird somit nicht als ein vager, allgemeingültiger Anhaltspunkt erscheinen, sondern von den Christen im vollen Bewusstsein jenes Heilsdialogs gelebt werden, der über die Vermittlung Jesu und das Wirken seines Geistes geht. Wenn wir zum Beispiel von Religionen wie der muslimischen das starke Bekenntnis zu einem personalen und in Bezug zum Menschen und zum Kosmos transzendenten Absoluten entgegennehmen, so können wir unsererseits das Zeugnis von Gott in seinem innersten trinitarischen Leben vorlegen und erklären, dass die Dreiheit der Personen die Einheit Gottes nicht vermindert, sondern aufwertet. Ebenso nimmt das Christentum aus religiösen Wegen, die zu einer monistischen Auffassung von der letzten Wirklichkeit als undifferenziertes „Selbst“ führen, den Anruf entgegen, den tiefsten Sinn des göttlichen Mysteriums jenseits aller Worte und menschlichen Begriffe zu respektieren. Und es zögert dennoch nicht, die personale Transzendenz Gottes zu bezeugen und zugleich seine allumfassende, liebende Vaterschaft zu verkünden, die sich im Mysterium des gekreuzigten und auferstandenen Sohnes voll offenbart. 52 A UDIENZEN UND ANGEL US Möge das Große Jubiläum eine kostbare Gelegenheit sein, dass die glaubenden Menschen aller Religionen einander besser kennenlemen, um sich gegenseitig wertzuschätzen und zu lieben in einem Dialog, der für alle eine Begegnung des Heils sein solle! In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Im Blick auf Gott, den Vater aller Menschen, grüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Ich heiße die verschiedenen Gruppen von Ordensschwestern willkommen, die sich gerade zur geistlichen Erneuerung in Rom aufhalten. Außerdem grüße ich eine Delegation von Offiziersanwärtern und Offizieren. Besonders freue ich mich, dass so viele Schüler und Jugendliche unter uns sind. Euch allen, Euren Angehörigen daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gern den Apostolischen Segen. Appell für Vergessene Kriege in Afrika In den Freudentagen der Osterzeit geht die Passion zahlreicher Völker der Welt leider weiter. Über das anhaltende Drama im Kosovo hinaus möchte ich heute an die vielen „vergessenen Kriege“ erinnern, die Afrika mit Blut überströmen. Von Angola zu den Großen Seen, von Kongo-Brazzaville zu Sierra Leone, von Guinea-Bissau zur Demokratischen Republik Kongo, vom Horn von Afrika zum Sudan ist es eine lange, bittere Reihe von inneren und zwischenstaatlichen Konflikten, die vor allem die unschuldige Bevölkerung treffen und das Leben der katholischen Gemeinschaften erschüttern. Kummer und Bedauern hervorgerufen hat insbesondere die Nachricht von der Verhaftung des Bischofs von Gikongoro, in Ruanda, Msgr. Augustin Misago. Der auferstandene Christus wiederholt unseren so hart geprüften Brüdern und Schwestern ohne Unterlass: „Friede sei mit euch!“ (vgl. Joh 20,19). Möge seine göttliche Stimme sich bei denen Gehör verschaffen, die sich hartnäckig der Annahme seiner Botschaft vom Leben widersetzen! Möge er die Blindheit derer erleuchten, die sich darauf versteifen, die verschlungenen Wege des Hasses und der Gewalt zu gehen, und sie dazu bewegen, sich endgültig für einen aufrichtigen und geduldigen Dialog zu entscheiden, der zu vorteilhaften Lösungen für alle führen kann! In der Gewissheit, dass die Macht des Auferstandenen stärker ist als das Böse, flehen wir zum Sieger über Sünde und Tod, damit die Sehnsucht nach einem friedlichen und geschwisterlichen Afrika bald tröstliche Wirklichkeit werden möge. 53 AUDIENZEN UND ANGELUS Aufruf zur Freilassung von Entführten Mit Anteilnahme habe ich die Nachrichten verfolgt über das Schicksal der Gruppe von Personen, die am vergangenen 12. April auf dem Flug von Bucaramanga nach Bogota entfuhrt wurden und gegen ihren Willen im Norden Kolumbiens noch festgehalten werden. Ich möchte einen nachdrücklichen Appell an die Entführer richten, dass sie ihre ungerechte Haltung gegenüber diesen Personen, deren Rechte sie schwerwiegend verletzen, aufgeben und ihnen die Freiheit zurückgeben. Dank und Gebet für Neupriester der Diözese Rom Regina Caeli am 25. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Soeben ist in der Petersbasilika die heilige Messe zu Ende gegangen, bei der ich die Freude hatte, 31 Diakonen der Diözese Rom die Priesterweihe zu erteilen. Diese Neupriester sind ein großes Geschenk für die kirchliche Gemeinschaft Roms und für die Gesamtkirche. Danken wir dem Herrn und beten wir, dass die Neugeweihten, die aus verschiedenen Nationen kommen, Gott, der sie zum Altardienst berufen hat, treu sein mögen. 2. Die heutige, so eindrucksvolle Feier steht im Zusammenhang des Vierten Sonntags der Osterzeit, des Weltgebetstags für Geistliche Berufe, der dieses Jahr zum Thema hat: „Der Vater beruft zum ewigen Leben.“ Wie wichtig sind die Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben für das ewige Heil der Menschen! Gott fährt fort, sich als Vater zu erweisen durch Menschen, die in Wort und Tat, manchmal bis hin zum Martyrium, ihre vorbehaltlose Hingabe im Dienst an den Brüdern unter Beweis stellen (vgl. Botschaft zum 36. Weltgebetstag für Geistliche Berufe, Einleitung; in O.R. dt., 15.1.1999, S. 9). Vorbild für jeden Priester ist Jesus, der Gute Hirt, der gekommen ist, damit die Welt das Leben habe und es in Fülle habe (vgl. Joh 10,10). Vor den Augen des Guten Hirten öffnen sich die weiten Horizonte der Neuevangelisiemng. Das 4. Internationale Priestertreffen, das die Kongregation für den Klerus vom 22. bis 27. Juni dieses Jahres im Heiligen Land veranstaltet, bildet einen vorzüglichen Anlass für die Priester aller Nationen, miteinander auf das Große Jubiläum zuzugehen, um mit erneuerter Treue und brennendem missionarischen Geist ins dritte Jahrtausend einzutreten. Ich versichere mein Gebet für das bestmögliche Gelingen dieses Treffens, für das ich mir breite Teilnahme aus den verschiedenen Nationen und Kontinenten erhoffe. 3. Maria, der vielgeliebten Tochter des Vaters, Vorbild jeder hochherzigen Antwort auf den Ruf Gottes, vertrauen wir die Gebete an, die sich heute aus der ganzen Kirche um Geistliche Bemfe erheben. Insbesondere bitten wir um ihren müt- 54 A UDIENZEN UND ANGELUS terlichen Schutz für die Neupriester der Diözese Rom und alle, die in diesem Jahr die Priesterweihe empfangen, sowie die, welche das Ordensleben wählen. Die Jungfrau helfe den Eltern, den Wert der Berufungen zur besonderen Weihe zu verstehen und ihr Wachsen durch Gebet und Beispiel zu fördern. Wenn wir den Blick auf das dritte Jahrtausend richten, ertönen in der Tat die Worte des Herrn Jesus lebendiger denn je: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,37-38). Die Mutter der Kirche unterstütze unser Gebet! Nach dem Regina Caeli sagte der Papst: Angesichts der großen Leiden der Welt von heute, insbesondere der von Kriegen verursachten, ist es eine immer dringendere Notwendigkeit, in konkreter Weise das „Evangelium von der Liebe“ zu verbreiten und zu bezeugen. In diesen Zusammenhang stellt sich das vom Päpstlichen Rat Cor Unum ausgerichtete Treffen, dem ich am Sonntag, den 16. Mai, die Freude haben werde, vorzusitzen. Zahlreiche Zeugen der Liebe werden daran teilnehmen, und ich werde für sie in festlichem Rahmen die Eucharistie auf dem Petersplatz feiern. Es wird eine bedeutsame Gelegenheit sein, um die Ermutigung der Kirche all denen gegenüber auszudrücken, die sich ihren Mitmenschen in Schwierigkeiten widmen und dafür arbeiten, eine Zukunft wahren Friedens in einer mitmenschlicheren und solidarischeren Gesellschaft aufzubauen. Der Dialog mit den Juden Generalaudienz am 28. April 1. Der interreligiöse Dialog, den das Apostolische Schreiben Tertio millennio ad-veniente als bezeichnenden Aspekt des laufenden Gottvater-Jahres empfiehlt (vgl. Nm. 52-53), bezieht sich vor allem auf die Juden, „unsere älteren Brüder“, wie ich sie anlässlich des denkwürdigen Treffens mit der jüdischen Gemeinde der Stadt Rom am 13. April 1986 (vgl. DAS 1986, S. 1245) genannt habe. In Besinnung auf das geistliche Erbe, das uns vereint, hat das II. Vatikanische Konzil, speziell in der Erklärung Nostra aetate, unseren Beziehungen zur jüdischen Religion eine neue Ausrichtung gegeben. Diese Lehre gilt es immer mehr zu vertiefen, und das Jubiläum des Jahres 2000 kann eine großartige Gelegenheit zu gemeinsamen Begegnungen sein möglichst an Orten, die für die großen monotheistischen Religionen Bedeutung haben (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 53). Es ist bekannt, dass die Beziehung zu den jüdischen Brüdern von den ersten Zeiten der Kirche an bis in unser Jahrhundert leider schwierig gewesen ist Aber in dieser langen und leidvollen Geschichte hat es nicht an Augenblicken abgeklärten und konstruktiven Dialogs gefehlt. Diesbezüglich sei daran erinnert, dass das erste theologische Werk mit dem Titel „Dialog“, im zweiten Jahrhundert von Justin, 55 AUDIENZEN UNDANGELUS dem Märtyrer und Philosophen, verfasst, bedeutsamerweise dessen Gespräch mit einem Juden namens Tryphon gewidmet ist. Ebenso ist auf die dialogische Dimension hinzuweisen, die stark in der zeitgenössischen neujüdischen Literatur vorhanden ist, welche das philosophisch-theologische Denken des zwanzigsten Jahrhunderts tief beeinflusst hat. 2. Dieses dialogische Verhalten zwischen Christen und Juden ist nicht nur Ausdruck des allgemeinen Wertes des Dialogs unter den Religionen, sondern auch der Gemeinsamkeit des langen Weges, der vom Alten zum Neuen Testament fuhrt. Es gibt einen langen Abschnitt der Heilsgeschichte, auf den Christen und Juden gemeinsam blicken. Denn „im Unterschied zu den anderen nichtchristlichen Religionen ist der jüdische Glaube schon Antwort auf die Offenbarung Gottes im Alten Bund“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 839). Diese Geschichte wird von einer großen Schar heiliger Menschen erhellt, deren Leben den Besitz der erhofften Dinge im Glauben bezeugt. Der Brief an die Hebräer hebt gerade diese Glaubensantwort im ganzen Lauf der Heilsgeschichte hervor (vgl. Hebr 11). Mutiges Zeugnis für den Glauben sollte auch heute die Zusammenarbeit von Christen und Juden zur Verkündigung und Verwirklichung des Heilsplanes Gottes für die ganze Menschheit kennzeichnen. Wenn dieser Plan an einem gewissen Punkt bezüglich der Annahme Christi unterschiedlich interpretiert wird, führt das natürlich zu einem entscheidenden Unterschied, der für das Christentum selbst grundlegend ist. Er schließt aber nicht aus, dass viele gemeinsame Elemente bleiben. Vor allem bleibt die Pflicht zur Zusammenarbeit, um dem Plan Gottes besser entsprechende humane Bedingungen zu fördern. Das Große Jubiläum, das sich ja gerade auf die jüdische Tradition der Jubeljahre beruft, rückt die Dringlichkeit eines solchen gemeinsamen Einsatzes zur Wiederherstellung des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit ins Licht. In Anerkennung der Herrschaft Gottes über die ganze Schöpfung und im besonderen über die Erde (vgl. Lev 25) sind alle Glaubenden aufgerufen, ihren Glauben in konkreten Einsatz zum Schutz der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens in all seinen Formen und zur Verteidigung der Würde jedes Bruders und jeder Schwester umzusetzen. 3. Indem die Christen über das Geheimnis Israels und seiner „unwiderruflichen Berufung“ (vgl. Ansprache anläßlich des Besuchs der römischen Synagoge, 13. April 1986; in DAS 1986, S. 1245) nachdenken, erforschen sie auch das Geheimnis ihrer Wurzeln. In den biblischen Quellen, die sie mit den jüdischen Brüdern teilen, finden sie unentbehrliche Elemente, um ihren eigenen Glauben zu leben und zu vertiefen. Das sieht man zum Beispiel an der Liturgie. Wie Jesus, den Lukas uns vorstellt, wie er in der Synagoge von Nazaret das Buch des Propheten Jesaja aufschlägt, so schöpft die Kirche aus dem liturgischen Reichtum des jüdischen Volkes. Sie ordnet das Stundengebet, die Schriftlesungen und selbst die Struktur der eucharistischen Gebete nach den Vorbildern der jüdischen Tradition. Einige große Feste wie 56 A UDIENZEN UND ANGEL US Ostern oder Pfingsten verweisen auf den Festkalender der Juden und stellen ausgezeichnete Gelegenheiten dar, des von Gott erwählten und geliebten Volkes (vgl. Röm 11,2) im Gebet zu gedenken. Fleute bedeutet Dialog auch, dass die Christen sich dieser Elemente, die uns einander näherbringen, vermehrt bewusst sind. Wie man den von Gott „nie gekündigten Bund“ (vgl. Ansprache an die Vertreter der jüdischen Gemeinde in Mainz, 17. November 1980; in: O.R. dt., 21.11.1980, S. 17) zur Kenntnis nimmt, so gilt es, den eigenen Wert des Alten Testaments (vgl. Dei Verbum, Nr. 3) anzuerkennen, auch wenn es seinen vollen Sinn im Licht des Neuen Testaments erfährt und Verheißungen enthält, die sich in Jesus erfüllen. Machte nicht etwa die von Jesus gegebene gegenwartsbezogene Darlegung der jüdischen Heiligen Schrift, dass den Jüngern von Emmaus „das Herz in der Brust“ brannte (Lk 24,32)? 4. Nicht nur die gemeinsame Geschichte von Christen und Juden, sondern besonders ihr Dialog muss auf die Zukunft ausgerichtet sein (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 840), sozusagen um „memoria futuri“ zu sein (Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden, Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoah, 16. März 1998; in: O.R. dt., 3.4.1998, S. 7). Die Erinnerung an die bedauerlichen und tragischen Vorfälle der Vergangenheit kann den Weg zu einem neuen Sinn der Brüderlichkeit, Frucht der Gnade Gottes, öffnen und zum Einsatz dafür, dass der schlechte Samen des Anti-Judaismus und Anti-Semitismus nie mehr im Herzen des Menschen Wurzeln schlägt. Israel, das Volk, das seinen Glauben auf die Verheißung Gottes an Abraham gründet: „Du wirst Stammvater einer Menge von Völkern“ (Gen 17,4; vgl. Röm 4,17), verweist vor der Welt auf Jerusalem als symbolischen Ort des eschatologischen Pilgerwegs der Völker, vereint im Lob des Höchsten. Mein Wunsch ist, dass am Anbruch des dritten Jahrtausends der aufrichtige Dialog zwischen Christen und Juden beitragen möge, eine neue, auf den einen, heiligen und barmherzigen Gott gegründete Zivilisation zu schaffen im Dienst einer in der Liebe versöhnten Menschheit. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser Hoffnung grüße ich alle Pilger und Besucher aus Deutschland, Österreich und Italien. Insbesondere heiße ich die Firmgruppen aus der Schweiz willkommen. Außerdem begrüße ich die offizielle Delegation des Bundes der Europäischen Schützenbruderschafiten. Gern erteile ich Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die über Radio Vatikan oder das Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen. 57 A UDIENZEN UND ANGEL US Mahner zur Vergebung, zur Versöhnung und zum Frieden Seligsprechung von Pater Pio da Pietrelcina - Regina Caeli am 2. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Auf dem Petersplatz haben wir die feierliche eucharistische Liturgie abgeschlossen, bei der ich die Freude hatte, Pater Pio da Pietrelcina selig zu sprechen. Nun freue ich mich, hier mit euch zusammen zu sein, die ihr aus verschiedenen Teilen Italiens und aus der ganzen Welt auf diesem Platz vor der Lateranbasilika zusammengekommen seid, um den neuen Seligen zu ehren und ihm eure Liebe zu bezeigen. Zusammen mit euch möchte ich herzlich die zahlreichen Gläubigen grüßen, die sich beim Kapuzinerkloster von San Giovanni Rotondo zum Gebet versammelt haben, wie auch alle anderen, welche die Seligsprechungsfeier über Radio und Fernsehen mitverfolgt haben. Es ist eine große Kundgebung des Glaubens. Sie lässt uns in konkreter Weise die Realität der Kirche als Familie Gottes verspüren, die sich heute über die Heiligkeit eines ihrer großherzigen und treuen Kinder freut. Mit seiner Lehre und mit seinem Vorbild lädt Pater Pio uns ein zum Gebet, zum Schöpfen aus dem göttlichen Erbarmen durch das Sakrament der Beichte sowie zur Nächstenliebe. Insbesondere lädt er uns ein, die Jungfrau Maria zu lieben und zu verehren. Seine Hinwendung zur Gottesmutter kommt in allen Zeugnissen seines Lebens zum Ausdruck: in seinen Worten und Schriften, in seiner Lehre und in den Empfehlungen, die er seinen zahlreichen geistlichen Söhnen und Töchtern gab. Als wahrer Sohn des Franz von Assisi, von dem er gelernt hatte, sich mit wunderbaren Ausdrücken des Lobes und der Liebe an Maria zu wenden (vgl. Saluto alla Vergine in: Fonti Francescane, 59), wurde der neue Selige nicht müde, den Gläubigen eine zärtliche, tiefe und in der echten Tradition der Kirche wurzelnde Verehrung der Gottesmutter einzuprägen. In der Vertraulichkeit des Beichtstuhls wie in seinen Predigten ermahnte er immer wieder: Liebt die Muttergottes! Am Ende seines irdischen Daseins im Augenblick der Bekundung seines letzten Willens richtete er, wie er es sein ganzes Leben lang getan hatte, seine Gedanken auf die Heiligste Maria: „Liebt die Muttergottes und macht, daß man sie liebt. Betet allezeit den Rosenkranz!“ 2. Mit tiefem Schmerz und Besorgnis gehen meine Gedanken heute erneut ins nahe Jugoslawien, und meine Zuneigung umfasst alle, die dort weinen, leiden und sterben. Erneut erhebe ich die Stimme, um - im Namen Gottes - zu flehen, dass die Gewalttätigkeit des Menschen gegen den Menschen aufhöre, die Werkzeuge der Zerstörung und des Todes zum Stillstand kommen und jeder mögliche Verbindungsweg zugänglich gemacht werde, um denen, die inmitten von unbeschreibba-ren Grausamkeiten zum Verlassen des eigenen Landes gezwungen sind, Hilfe zu leisten. Der Dialog möge wieder aufgenommen werden mit jener Vernunft und Kreativität, die Gott dem Menschen gegeben hat, um Spannungen und Konflikte zu 58 AUDIENZEN UND ANGELUS lösen und eine Gesellschaft aufzubauen, der die jedem Menschen geschuldete Achtung zugrunde liegt. Mit allen meinen Kräften mfe ich euch auf, liebe Brüder und Schwestern, während dieses Monats Mai inständig zu beten, um von der Muttergottes das Geschenk des Friedens auf dem Balkan und an allzu vielen anderen Orten der Welt zu erflehen, wo Gewalt herrscht, geschürt von Vorurteilen und Hass gegen die, welche anderer ethnischer Abstammung, religiöser Überzeugung und politischer Auffassung sind. Meine Gedanken gehen außer zum Balkan nach Afrika, dem zur Zeit von der größten Anzahl Kriegen blutbefleckten Kontinent: Machtkämpfe, ethnische Konflikte und die Gleichgültigkeit der anderen machen ihn allmählich nieder. Während dieses Monats Mai mögen in jeder Diözese Gebete veranlasst werden, so dass sich in der Kirche ein einstimmiger Ruf zur Heiligsten Jungfrau „Regina Paris“ erhebe, damit auf dem Balkan, auf dem afrikanischen Kontinent und in jedem anderen Teil der Welt Friedensstifter hervortreten, die ihre Partikularinteressen hintanstellen und bereit sind, für das Gemeinwohl zu arbeiten. Pater Pio, der vielgeliebte Sohn der „Himmelskönigin“, möge Fürbitte für uns und für alle einlegen, dass am Ende dieses Jahrtausends und dem Beginn des neuen, dritten Jahrtausends, auf das wir uns vorbereiten, Empfindungen der Vergebung, der Versöhnung und des Friedens aus den Herzen der Menschen hervorgehen. Der Dialog mit dem Islam Generalaudienz am 5. Mai 1. Wir vertiefen das Thema des interreligiösen Dialogs und denken heute über den Dialog mit den Muslimen nach, die „mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen (Lumen Gentium, Nr. 16; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 841). Die Kirche betrachtet sie mit Wertschätzung. Sie ist nämlich überzeugt, dass ihr Glaube an einen transzendenten Gott dazu beiträgt, eine neue, auf die höchsten Erwartungen des menschlichen Herzens gegründete Menschheitsfamilie aufzubauen. Auch die Muslime blicken wie Juden und Christen auf die Gestalt Abrahams als Vorbild der bedingungslosen Unterwerfüng unter die Ratschlüsse Gottes (vgl. Nostra aetate Nr. 3). Nach dem Beispiel Abrahams bemühen sich die Gläubigen, Gott die Stellung in ihrem Leben zu geben, die Ihm als Ursprung, Herr, Lenker und letztem Ziel aller Wesen zukommt (vgl. Päpstl. Rat für den Interreligiösen Dialog, Botschaft an die Muslime zum Ende des Ramadan 14.7.1997; O.R. dt., 7.2.1997, S. 4). Dieses Bereitsein und Sich-öffnen des Menschen dem Willen Gottes gegenüber zeigt sich in der Haltung des Gebets, in der sich das existenzielle Befinden jedes Menschen vor dem Schöpfer ausdrückt. Auf der Spur von Abrahams Ergebensein in den göttlichen Willen findet sich eine Frau aus seiner Nachkommenschaft, die Jungfrau Maria, Mutter Jesu, die, beson- 59 A UDIENZEN UND ANGELUS ders in der Volksfrömmigkeit, auch von den Muslimen mit Verehrung angerufen wird. 2. Mit Freude erkennen wir Christen die religiösen Werte, die wir mit dem Islam gemein haben. Ich möchte heute wiederholen, was ich vor einigen Jahren zur muslimischen Jugend in Casablanca gesagt habe: „Wir glauben an denselben Gott, den einzigen, den lebendigen, den Gott, der die Welten schafft und seine Geschöpfe zur Vollendung führte (Ansprache bei der Begegnung mit der muslimischen Jugend im Sportstadion in Casablanca, Marokko, am 20. August 1985; in: Insegnamenti VIII/2[1985]498; deutsch in DAS 1985, S. 959). Das Erbe der biblischen Offenbarungstexte spricht übereinstimmend von der Einzigkeit Gottes. Auch Jesus bestätigt diese, wenn er das Bekenntnis Israels zu seinem macht: „Der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr“ (Mk 12,29; vgl. Dtn 6,4-5). Diese Einzigkeit bekräftigt auch das aus dem Herzen kommende Loblied des Apostels Paulus: „Dem König der Ewigkeit, dem unvergänglichen, unsichtbaren, einzigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen“ (I Tim 1,17). Wir wissen im Licht der vollen Offenbarung in Christus, dass diese geheimnisvolle Einzigkeit nicht auf eine numerische Einzahl zurückgeführt werden kann. Das christliche Geheimnis lässt uns in der Wesens-Einheit Gottes die Personen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes betrachten: jede im Besitz der ganzen und unteilbaren göttlichen Substanz, doch die eine von der anderen aufgmnd der gegenseitigen Beziehung unterschieden. 3. Die Beziehungen vermindern die göttliche Einheit nicht im geringsten, wie das 4. Konzil im Lateran (1215) erklärt: „Jede der drei Personen ist jene Wirklichkeit, d. h. göttliche Substanz, Wesenheit oder Natur: Sie ... zeugt nicht, noch wurde sie gezeugt, noch geht sie hervor ..." (Dignitatis humanae, Nr. 804). Die von den Konzilien festgelegte christliche Dreifaltigkeitslehre lehnt eindeutig jeden „Tritheismus“ oder „Polytheismus“ ab. In diesem Sinn, d. h. hinsichtlich der einzigen göttlichen Substanz, besteht eine bedeutsame Übereinstimmung zwischen Christentum und Islam. Diese Übereinstimmung darf jedoch nicht die Unterschiede zwischen den beiden Religionen vergessen machen. Wir wissen in der Tat, dass die Einheit Gottes sich im Geheimnis der drei göttlichen Personen ausdrückt. Da nämlich Gott Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8), ist er von Ewigkeit her der Vater, der sich ganz gibt, indem er den Sohn zeugt, beide vereint in der Liebesgemeinschaft des Heiligen Geistes. Diese Verschiedenheit und wechselseitige Durchdringung (Perichorese) der drei göttlichen Personen ist nicht etwas zu ihrer Einheit Hinzugefügtes, sondern deren höchster und kennzeichnender Ausdmck. Anderseits darf man nicht vergessen, dass der für das Christentum typische trinita-rische Monotheismus ein Geheimnis bleibt, das der menschlichen Vernunft nicht zugänglich ist, die allerdings gerufen ist, die Offenbarung des innersten Wesens Gottes anzunehmen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 237). 60 A UDIENZEN UND ANGEL US 4. Ein besonderes Zeichen der Hoffnung ist der interreligiöse Dialog, der zu einer tieferen Kenntnis und Wertschätzung des anderen fuhrt (vgl. Päpstl. Rat ftir den Interreligiösen Dialog, Botschaft an die Muslime zum Ende des Ramadan 1418/1998; O.R. dt., 16.1.1998, S. 4). Beide Traditionen, die christliche wie die muslimische, haben eine lange Geschichte des Studiums, der philosophischen und theologischen Reflexion, der Kunst, Literatur und Wissenschaft, welche ihre Spuren in den Kulturen des Westens und des Ostens hinterlassen hat. Die Anbetung des einzigen Gottes, Schöpfers aller Menschen, ermutigt uns, in Zukunft unsere gegenseitige Kenntnis zu vertiefen. In der heutigen Welt, die tragisch gekennzeichnet ist von der Vergessenheit auf Gott, sind Christen und Muslime aufgerufen, die Menschenwürde, die sittlichen Werte und die Freiheit stets im Geist der Liebe zu verteidigen und zu fördern. Der gemeinsame Pilgerweg zur Ewigkeit hin soll seinen Ausdruck in Gebet, Fasten und Werken der Liebe, aber auch in solidarischem Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, für menschliche Entwicklung und Schutz der Umwelt finden. Wenn wir miteinander den Weg der Versöhnung gehen und in demütiger Ergebenheit in den Willen Gottes auf jede Form von Gewalt als Mittel zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten verzichten, werden die beiden Religionen ein Zeichen der Hoffnung setzen können und die Weisheit und Barmherzigkeit des einzigen Gottes, der die Menschheitsfamilie geschaffen hat und lenkt, in der Welt zum Leuchten bringen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders heiße ich willkommen: die Eltern, Angehörigen und Bekannten der Schweizergardisten, die zur Vereidigung am 6. Mai nach Rom gekommen sind. Außerdem grüße ich die Polizei-Führungsakademie der Bundesrepublik Deutschland aus Münster und die verschiedenen Musikgruppen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und alle, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Gruß nach Rumänien Übermorgen reise ich nach Rumänien. Es ist das erste Mal, dass ich mich in ein Land begebe, wo die Christen mehrheitlich Orthodoxe sind. Schon jetzt übermittle ich allen meinen Gruß, froh über diese Reise, welche die Bande zwischen Rumänien und dem Hl. Stuhl bestärken will, die für die Geschichte des Christentums in der weiten Region so große Bedeutung gehabt haben. Im Namen Christi komme ich an der Schwelle des dritten Jahrtausends zu euch. Den Gläubigen der orthodoxen Kirche und der katholischen Kirche Rumäniens wünsche ich Freude und Frie- 61 A UDIENZEN UND ANGELUS den im auferstandenen Herrn. Liebe Rumänen, ich freue mich darauf, bei euch zu sein. Allen bestätige ich meine Zuneigung und Wertschätzung. Synode der katholischen Armenier Ihr haltet zur Zeit im Vatikan eine Synode, die sich mit wichtigen Fragen hinsichtlich des Lebens eurer Gemeinschatten befasst. Die Kirche ist eurem Volk dankbar für sein Zeugnis der Treue zu Christus, und sie freut sich über die 1700-Jahr-Feier eurer Evangelisierung. Mit Mut, Glauben, Begeisterung und im Gebet seid ihr zu neuer apostolischer Dynamik aufgemfen. Euer Volk erwartet ein starkes Wort und konkrete Taten zu dessen Bekräftigung. Seiner Seligkeit Jean-Pierre XVIII., Patriarch von Kilikien der Armenier, und allen Bischöfen wünsche ich eine fruchtbare Arbeit: Ich mfe den Beistand des Heiligen Geistes über sie herab, dass er der armenischen katholischen Gemeinschaft Kraft und Mut an diesem wichtigen Wendepunkt ihrer Geschichte gebe. Bevölkerungsproblematik und Menschenrechte In diesen Tagen findet am Sitz der Vereinten Nationen in New York eine wichtige Versammlung über die Anwendung der Beschlüsse der Konferenz von Kairo im Jahr 1994 statt. Bei jener Gelegenheit hatte der Hl. Stuhl mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass der Mensch in den Mittelpunkt jedes Entwicklungsprogrammes gestellt werden muss. Das bedeutet, dass die Lösung der je nach Standpunkt verschiedenen Bevölkerungsprobleme die Würde jedes Menschen respektieren und ebenso seine Grundrechte fördern muss, zuerst und vor allem das Recht auf Leben. Dem sind das Recht auf Gesundheit und das Recht auf Bildung hinzuzufügen, wobei die Familie in ihrer unersetzbaren Rolle als aufbauender eigenständiger Träger menschlicher, geistlicher und sittlicher Werte mit einzubeziehen ist. Fünf Jahre nach der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung ist es erforderlich, dass die Regierungen die unterschriebenen Verpflichtungen erneuern, um eine wahre und dauerhafte humane Entwicklung sicherzustellen. Rückschau auf die Apostolische Reise nach Rumänien Generalaudienz am 12. Mai 1. Von dem Erlebten noch ganz bewegt, denke ich an den Besuch in Rumänien zurück, den ich nach Gottes Willen in den vergangenen Tagen machen konnte. Es handelt sich um ein Ereignis von historischer Tragweite, denn es war meine erste Reise in ein Land, wo die Christen mehrheitlich Orthodoxe sind. Ich danke Gott, der es in seiner Vorsehung gefügt hat, dass mein Besuch in zeitlicher Nähe zum Jahr 2000 stattfand. Er bot so den Katholiken und den orthodoxen Mitchristen die 62 AUDIENZEN UND ANGELUS Gelegenheit, gemeinsam eine Geste von besonderer Bedeutung auf dem Weg zur vollen Einheit zu vollziehen, in dem Geist, der das bevorstehende Große Jubiläum kennzeichnet. Es ist mein Wunsch, noch einmal allen Dank zu sagen, die mir diese apostolische Pilgerreise ermöglicht haben. Für die freundliche Einladung danke ich dem Präsidenten Rumäniens, Herrn Emil Constantinescu, dessen Zuvorkommenheit ich sehr geschätzt habe. Mit brüderlicher Zuneigung danke ich Seiner Seligkeit Teoctist, Patriarch der rumänischen orthodoxen Kirche, und dem Hl. Synod: Die große Herzlichkeit, mit der sie mich empfangen haben, die aufrichtige Zuneigung, die aus den Worten und dem Gesicht eines jeden sprach, haben sich meinem Herzen unauslöschlich eingeprägt. Ich danke auch den griechisch-katholischen und den lateinischen Bischöfen, mit denen ich die Bande unserer tiefen Gemeinschaft in der Liebe Christi bestärken konnte. Schließlich danke ich den Behörden, den Organisatoren und allen, die für einen bestmöglichen Verlauf gesorgt haben. Wenn man bedenkt, wie die politische Situation bis vor nicht vielen Jahren gewesen ist, wie sollte man dann in diesem Ereignis nicht ein beredtes Zeichen des Wirkens Gottes in der Geschichte sehen? Einen Papstbesuch ins Auge zu fassen wäre damals völlig undenkbar gewesen, doch der Herr, der die Wege des Menschen lenkt, hat möglich gemacht, was menschlich unmachbar schien. 2. Mit dieser Pilgerreise wollte ich dem rumänischen Volk und seinen christlichen Wurzeln die Ehre erweisen, Wurzeln, die nach der Überlieferung auf die Verkündigung des Evangeliums durch den Apostel Andreas, Bruder des Simon Petrus, zurückreichen. Die Menschen haben das verstanden und haben sich in Massen längs der Straßen und zu den Veranstaltungen eingefunden. Im Lauf der Jahrhunderte hat der Saft der christlichen Wurzeln eine ununterbrochene Ader heiligmäßigen Lebens mit zahlreichen Märtyrern und Bekennem des Glaubens genährt. Dieses geistliche Erbe wurde in unserem Jahrhundert von den vielen Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien aufgenommen, die während der langen und harten kommunistischen Herrschaft ihr Zeugnis für Christus gegeben und dafür mutig Folter, Gefängnis und manchmal sogar den Tod auf sich genommen haben. Mit welcher Ergriffenheit habe ich an den Gräbern von Kardinal Inliu Hossu und von Bischof Vasile Aftenie verweilt, die Opfer der Verfolgung während des diktatorischen Regimes gewesen sind. Ehre sei dir, du Kirche Gottes in Rumänien! Du hast viel gelitten für die Wahrheit, und die Wahrheit hat dich befreit. Die Erfahrung des Martyriums hat Christen aus den verschiedenen in Rumänien anwesenden Konfessionen vereint. Ein einziges Zeugnis haben Orthodoxe, Katholiken und Protestanten mit dem Opfer ihres Lebens für Christus abgelegt. Aus dem Heroismus dieser Märtyrer kommt Ermutigung zu Eintracht und Versöhnung, um die noch vorhandenen Spaltungen zu überwinden. 3. Diese Reise gab mir die Gelegenheit, zu erfahren, welcher Reichtum es ist, als Christen mit den beiden „Lungenhälften“ der Tradition des Ostens und des Wes- 63 AUDIENZEN UND ANGELUS tens zu atmen. Ich wurde mir dessen bewusst bei den feierlichen und eindrucksvollen liturgischen Anlässen: So hatte ich die Freude, der Eucharistiefeier nach griechisch-katholischem Ritus vorzustehen; ich nahm an der Göttlichen Liturgie teil, die der Patriarch in rumänisch-byzantinischem Ritus für unsere orthodoxen Brüder und Schwestern zelebrierte, und konnte mit ihnen beten; schließlich feierte ich die Messe im römischen Ritus mit den Gläubigen der lateinischen Kirche. Während des ersten dieser Anlässe zum feierlichen und innigen Gebet habe ich der in den Jahren der Verfolgung hart geprüften griechisch-katholischen Kirche die Ehre erwiesen und des 300jährigen Bestehens ihrer Union mit Rom im Jahr 2000 gedacht. Symbol des heroischen Widerstandes dieser Kirche ist der verehrte Kardinal Alexandra Todea, den das Regime sechzehn Jahre im Gefängnis und siebenundzwanzig unter Zwangsaufenthalt hielt. Trotz des vorgerückten Alters und der Krankheit konnte er nach Bukarest kommen: Ihn zu umarmen war eine der größten Freuden dieser Pilgerreise. 4. Besonders ersehnt und bedeutungsreich war die Begegnung mit Patriarch Teoc-tist und dem Hl. Synod der rumänischen orthodoxen Kirche. Am Samstag nachmittag wurde ich von ihnen mit großer Herzlichkeit im Patriarchat empfangen, und ich konnte bei Seiner Seligkeit und den anderen Mitgliedern des Hl. Synods brüderliche Verständnisbereitschaft und den aufrichtigen Wunsch nach voller Gemeinschaft entsprechend dem Willen des Herrn feststellen. Bei dieser Gelegenheit wollte ich die rumänische orthodoxe Kirche, die sich an einem wichtigen Werk der Erneuerung befindet, der Zuwendung und Zusammenarbeit seitens der katholischen Kirche versichern. Brüderliche Liebe ist die Seele des Dialogs, und das ist der Weg, um die Hindernisse und Schwierigkeiten zu überwinden, die der vollen Einheit unter den Christen noch entgegenstehen. Gott hat bereits Wunderbares auf dem Weg der Versöhnung vollbracht: Es gilt nun, den Weg mit zuversichtlichem Schwung weiterzugehen, denn Europa und die Welt brauchen mehr denn je das sichtbare Zeugnis der Brüderlichkeit unter den Christgläubigen. In diesem Licht verspüre ich das Bedürfnis, der rumänischen orthodoxen Kirche noch einmal zu danken, da sie mir durch ihre Einladung die Gelegenheit gegeben hat, wesentliche Aspekte des Petrusamtes gemäß der von mir in der Enzyklika Ut unum sint aufgezeigten Perspektive zu verwirklichen. 5. Der Einsatz für die Ökumene setzt die dem Nachfolger Petri zukommende Aufgabe des Hirten der katholischen Kirche nicht herab; sondern bekräftigt sie vielmehr. Ich habe dieses mir aufgetragene Amt vor allem in der Begegnung mit der Rumänischen Bischofskonferenz ausgeübt, die sich aus Bischöfen des lateinischen Ritus und des griechisch-katholischen Ritus zusammensetzt; ihr Vorsitzender ist Msgr. Lucian Muresan, Erzbischof von Fägäras und Alba Julia. An sie richtete ich die Aufforderung, unermüdlich das Evangelium zu verkünden, Baumeister der Gemeinschaft zu sein, Sorge zu tragen für die Ausbildung der Priester und der vielen zum Ordensleben Berufenen sowie für die Laienbildung. Ich habe sie ermu- 64 A UDIENZEN UND ANGEL US tigt, die Jugend- und Schulpastoral zu fordern, für die Verteidigung der Familie, den Schutz des Lebens und den Dienst an den Armen zu arbeiten. 6. Die rumänische Nation ist mit der Evangelisierung entstanden, und im Evangelium wird sie das Licht und die Kraft finden, um ihre Berufung zu verwirklichen, Kreuzungspunkt des Friedens im Europa des nächsten Jahrtausends zu sein. Das Jahr 1989 hat auch für diese geliebte Nation einen Augenblick der Wende bedeutet. Mit dem plötzlichen Zusammenbruch der Diktatur hat ein neuer Frühling der Freiheit begonnen, und das Land ist so zu einem Bauplatz der Demokratie geworden, die es mit Geduld und Rechtschaffenheit zu errichten gilt. Im Schöpfen aus seinen ursprünglichen kulturellen und geistlichen Quellen hat Rumänien Kultur und Werte sowohl der lateinischen Zivilisation - wie schon die Sprache beweist -als auch der byzantinischen Zivilisation mit vielen slawischen Elementen geerbt. Seine Geschichte und geographische Lage machen es zu einem integrierenden Bestandteil des neuen Europas, das nach dem Fall der Berliner Mauer allmählich im Aufbau begriffen ist. Die Kirche will diesen Entwicklungs- und demokratischen Integrationsprozess im Geist tatkräftiger Zusammenarbeit unterstützen. 7. Im Gedenken daran, dass Rumänien nach verbreitetem Volksbrauch „Garten Marias“ genannt wird, möchte ich die heilige Jungfrau in diesem ihr geweihten Monat bitten, in den Christen den Wunsch nach der vollen Einheit neu zu entfachen, um miteinander Ferment des Evangeliums zu sein. Ich bitte Maria darum, dass das geliebte rumänische Volk in den geistlichen und sittlichen Werten wachse, auf denen jede menschengerechte und auf das Gemeinwohl bedachte Gesellschaft gründet. Ihr, der himmlischen Mutter der Hoffnung, vertraue ich vor allem die Familien und die Jugend an, in der die Zukunft des vielgeliebten Volkes Rumäniens liegt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In dankbarer Rückschau auf meine jüngste Pastoraireise grüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Besonders heiße ich die Jugend- und Schülergruppen willkommen. Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die über Radio Vatikan oder das Fernsehen mit uns verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Nächstenliebe — Kraft mit prophetischer Dimension Regina Caeli am 16. Mai 1. Mit Freude grüße ich euch alle, die ihr heute zu dem vom Päpstlichen Rat Cor Unum angeregten Tag der Nächstenliebe auf dem Petersplatz zusammengekommen seid. Einige von euch haben Verantwortung in den großen katholischen Hilfs- 65 AUDIENZEN UND ANGELUS Organisationen, die mit beachtlichen Anstrengungen die in der Welt vorhandene Not zu bekämpfen suchen. Andere repräsentieren die große Menge derer, die Freiwilligendienste leisten und in vielen Teilen der Welt ihren unentgeltlichen Einsatz dem Nächsten widmen. Aus Anlass von Naturkatastrophen, Notsituationen, Kriegen und Krankheiten stimmt ein Heer von Männern und Frauen sich der in Schwierigkeiten Befindlichen im Geist hochherziger Selbstlosigkeit an und widmet ihnen nach dem Beispiel des barmherzigen Samariters Zeit und Kraft. Denn gerade der barmherzige Samariter, von dem das Evangelium spricht, ist das Vorbild für die Freiwilligendienst-Leistenden, die dem bedürftigen Mitbruder zum Nächsten werden (vgl. Lk 10,30 ff.). Gebe Gott, dass dieses friedliche „Heer der Hoffnung“ seine Tätigkeit immer mehr ausdehne mit Initiativen zum Schutz der Menschenrechte, zur Hilfe an Notleidenden sowie zur Förderung der Kultur der Solidarität und der Zivilisation der Liebe. 2. Welchen besonderen Beitrag sind die Christen angesichts einer solch ermutigenden Entwicklung der karitativen und humanitären Organismen bemfen zu leisten? Im Licht der Lehre des Evangeliums wissen sie, dass sie überall und mit allen möglichen Mitteln das oberste Gebot der Liebe zu bezeugen haben: „Du [sollst] den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. ... Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mk 12,30-31). Gott lieben und den Nächsten lieben: Das also ist die Berufung und die Sendung der Glaubenden. Die Liebe zum Bruder kommt aus der Liebe zu Gott und kann nur bei dem, der die Liebe zu Gott lebt, zur Fülle gelangen. Menschenliebe ist, so löblich sie auch sein mag, machtlos vor bestimmtem menschlichen Elend. Wenn sie dem Auftrag und dem Vorbild Jesu treu bleibt, wird die karitative Tätigkeit des Christen zur Verkündigung und zum Zeugnis Christi, der sein Leben hingibt, das Herz des Menschen heilt, dessen von Hass und Sünde verursachte Verletzungen behandelt und allen Freude und Frieden bringt. Die Welt des Freiwilligendienstes, die Menschen jeder sozialen Herkunft und unterschiedlicher kultureller und religiöser Zugehörigkeit umfasst, wartet darauf, dass die Glaubenden ihren besonderen Beitrag einbringen. Wenn sie dieses apostolische Erfordernis nicht wahmehmen, laufen sie Gefahr, ihrem Auftrag zur Evangelisierung nicht nachzukommen, „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ zu sein (vgl. Mt 5,13-14). 3. Daher wende ich mich an euch, liebe Brüder und Schwestern, die ihr euch bei eurer Tätigkeit am Evangelium ausrichtet. Ihr habt das Geschenk der Nächstenliebe empfangen: Seid euch bewusst, Zeugen und Spender dieses Geschenks zu sein. Eure Sendung darf sich nie auf die Rolle bloßer Sozialarbeiter und selbst noch so hochherziger Menschenfreunde beschränken. Das Evangelium von der Nächstenliebe ist die große Prophezeiung der heutigen Zeit. Es ist die auch denen, die Christus noch nicht kennen, am unmittelbarsten verständliche Sprache der Evangelisierung. Im notleidenden Bruder ist Christus 66 A UDIENZEN UND ANGEL US selbst gegenwärtig. Das versichert uns sein Wort unmissverständlich: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (vgl. Mt 25,40). Indem ich euch für das, was ihr tut, danke, sage ich euch im Namen der Kirche: Zeigt den Menschen unserer Zeit Christus, gestorben und auferstanden für das Heil jedes Menschen ohne Unterschied der Rasse und Kultur! Er ist die Hoffnung, die am Horizont der Menschheit aufleuchtet Euch möge Maria beistehen, die hinhörende Jungfrau und fürsorgliche Mutter aller Menschen. Es begleite euch auch mein Segen, den ich euch, euren Initiativen und allen, denen ihr bei eurer Tätigkeit humanitären Einsatzes und christlicher Solidarität begegnet, erteile. Medien als Lebensbegleiter Die Kirche feiert heute den Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel. An alle, die in der Welt der Massenmedien tätig sind, richte ich einen herzlichen Gruß und ermutige sie, darauf hinzuarbeiten, dass die Medien - wie ich in der jährlichen Botschaft zu diesem Tag geschrieben habe - immer ein freundlicher Begleiter an der Seite der Männer und Frauen unserer Zeit seien und eine Hilfe bei der Suche nach Gott, nach dem Guten und Wahren. Grußworte an Pilger Es freut mich, heute Vormittag eine große Gruppe von Flüchtlingen aus dem Kosovo willkommen zu heißen, die Gäste verschiedener italienischer Caritas-Stellen sind. Liebe Brüder, in diesem Monat Mai beten wir in besonderer Weise um den Frieden. Die Fürsprache der allerheiligsten Maria erbitte diesen auch für euch und für alle von Kriegen geplagten Völker. Mit Zuneigung grüße ich die anwesenden Pilger, insbesondere die zu Pferd aus der Toskana über die antike Via Francigena angereiste Gruppe ... Der Dialog mit den großen Weltreligionen Generalaudienz am 19. Mai 1. Das Buch der Apostelgeschichte berichtet von einer Rede des hl. Paulus an die Athener, die sich von großer Aktualität für den Areopag des religiösen Pluralismus unserer Zeit erweist. Um den Gott Jesu Christi vorzustellen, geht Paulus von der Religiosität seiner Zuhörer aus mit den anerkennenden Worten: ,Athener, nach allem, was ich sehe, seid ihr besonders fromme Menschen. Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: Einem unbekannten Gott. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch“ (Apg 17,22-23). 67 A UDIENZEN UND ANGELUS Auf meiner geistlichen und pastoralen Pilgerreise durch die Welt von heute habe ich wiederholt die Wertschätzung der Kirche für alles, was in den Religionen der Völker „wahr und heilig ist“, zum Ausdruck gebracht. Auf Hinweis des Konzils fügte ich hinzu, dass die christliche Wahrheit dazu dient, die „geistlichen und sittlichen Güter und auch die sozial-kulturellen Werte, die sich bei ihnen finden“, zu „fördern“ (Nostra aetate, Nr. 2). Die allumfassende, in Jesus Christus offenbar gewordene Vaterschaft Gottes drängt zum Dialog auch mit den Religionen außerhalb des abrahamitischen Stammes. Dieser Dialog gestaltet sich reich an Anreizen und Herausforderungen, wenn man zum Beispiel an die tief von religiösem Geist durchdrungenen asiatischen Kulturen oder an die traditionellen afrikanischen Religionen, die für viele Völker eine Quelle der Weisheit und des Lebens darstellen, denkt. 2. Grundlage der Begegnung der Kirche mit den Weltreligionen ist die Unterscheidung ihres besonderen Charakters, d. h. der Art und Weise, wie sie sich dem Geheimnis des Erlösergottes, der endgültigen Wirklichkeit des menschlichen „Lebens, annähem. Jede Religion stellt sich in der Tat als eine Suche nach dem Heil dar und bietet Wege an, um dieses zu erlangen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 843). Voraussetzung des Dialogs ist die Gewissheit dass der Mensch, nach dem Bild Gottes geschaffen, auch bevorzugter „Ort“ seiner heilswirkenden Gegenwart ist. Das Gebet als verehrende Anerkennung Gottes, Danksagung für seine Gaben, Bitte um Hilfe ist ein besonderer Weg der Begegnung vor allem mit jenen Religionen, die, wenn sie auch nicht das Geheimnis der Vaterschaft Gottes erkannt haben, „sozusagen ihre Arme zum Himmel ausstrecken“ (Paul VI., Evangelii nuntiandi, Nr. 53). Schwieriger ist hingegen der Dialog mit einigen Strömungen der zeitgenössischen Religiosität, bei denen das Gebet letztlich oft eine Ausdehnung des Lebenspotentials ist, die mit dem Heil verwechselt wird. 3. Verschieden sind die Formen und Ebenen des Dialogs des Christentums mit den anderen Religionen, angefangen beim Dialog des Lebens, in dem „Menschen in einer offenen und nachbarschaftlichen Atmosphäre Zusammenleben wollen, indem sie Freud und Leid, ihre menschlichen Probleme und Beschwernisse miteinander teilen (Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog/Kongregation für die Evangelisierung der Völker: Dialog und Verkündigung - Überlegungen und Orientierungen zum Interreligiösen Dialog und zur Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi [19. Mai 1991], Nr. 42; DAS 1991, S. 1504). Besondere Bedeutung kommt dem Dialog des Handelns zu, wobei die Erziehung zum Frieden und zur Achtung vor der Umwelt, die Solidarität mit der Welt des Leidens sowie die Förderung der sozialen Gerechtigkeit und einer umfassenden Entwicklung der Völker hervorzuheben sind. Die christliche Liebe, die keine Grenzen kennt, begegnet gerne dem solidarischen Zeugnis der Mitglieder anderer Religionen und freut sich über das von ihnen vollbrachte Gute. 68 AUDIENZEN UND ANGELUS Dann gibt es den theologischen Dialog, bei dem Spezialisten ihr Verständnis des jeweiligen religiösen Erbes zu vertiefen und dessen geistliche Werte anzuerkennen suchen. Die Treffen unter Fachleuten der verschiedenen Religionen dürfen sich jedoch nicht auf die Suche nach einem kleinsten gemeinsamen Nenner beschränken. Ihr Ziel ist es, einen mutigen Dienst an der Wahrheit zu leisten und sowohl Bereiche der Übereinstimmung als auch grundlegende Unterschiede herauszuarbeiten im ehrlichen Bemühen, Vorurteile und Missverständnisse zu überwinden. 4. Auch der Dialog der religiösen Erfahrung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Übung der Kontemplation kommt dem großen Durst nach Innerlichkeit entgegen, welcher den Menschen auf geistlicher Suche eigen ist, und hilft den Glaubenden, tiefer in das Geheimnis Gottes einzudringen. Einige aus den großen orientalischen Religionen stammende Praktiken üben auf den heutigen Menschen eine gewisse Anziehung aus. Auf diese müssen die Christen eine geistliche Unterscheidung anwenden, um niemals den Sinn des Gebets aus dem Blick zu verlieren, wie er von der Bibel über die ganze Heilsgeschichte hinweg erläutert wird (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre: Schreiben über einige Aspekte der christlichen Meditation [15. Oktober 1989]; zLLS 82(1990)362-379). Diese gebührliche Unterscheidung behindert den interreligiösen Dialog nicht. Tatsächlich öffnen die seit Jahren stattfindenden Begegnungen mit monastischen Kreisen anderer Religionen, die von Herzlichkeit und Freundschaft geprägt sind, Wege, um spirituellen Reichtum untereinander zu teilen, „was Gebet und Betrachtung, Glaube und Suche nach Gott oder dem Absoluten angeht“ (Dialog und Verkündigung, Nr. 42; a.a.O.). Doch darf Mystik nie als Vorwand gebraucht werden, um im Namen einer Erfahrung, die den Wert der Offenbarung Gottes in der Geschichte herabsetzt, einem religiösen Relativismus Vorschub zu leisten. Als Jünger Christi verspüren wir die Dringlichkeit und die Freude, zu bezeugen, dass gerade in Ihm Gott sich kundgetan hat, wie uns das Johannesevangelium sagt: „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,18). Davon müssen wir Zeugnis geben ohne jede Zurückhaltung, aber auch in dem Bewusstsein, dass das Wirken Christi und seines Geistes bereits geheimnisvoll anwesend ist in denen, die aufrichtig ihre religiöse Erfahrung leben. Und zusammen mit allen wahrhaft religiösen Menschen geht die Kirche ihren Pilgerweg durch die Geschichte auf die immerwährende Kontemplation Gottes im Glanz seiner Herrlichkeit zu. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Sehr herzlich grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Insbesondere heiße ich die Berufsunteroffiziersschule der Schweizer Armee willkommen. Gern erteile ich Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die über 69 AUDIENZEN UND ANGELUS Radio Vatikan oder das Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen. Gruß an eine Delegation des „Nato-Defense-Collegs“ Heute herrscht leider auf dem Balkan kein Frieden, und wir sind täglich Zeugen des großen Leids so vieler unserer Brüder und Schwestern. Ich bitte Sie eindringlich, sich die Notwendigkeit klar vor Augen zu halten, dass jeder seinen Beitrag leistet, um sicher zu stellen dass es durch Dialog und Verhandlungen gelingt, der Gewalt in diesem Gebiet ein Ende zu setzen. Erinnerung an die Schlacht bei Montecassino Der Papst an die Polen bei der Generalaudienz am 19. Mai Von Herzen will ich meine bei der heutigen Audienz anwesenden Landsleute grüßen, die aus Polen und der Emigration nach Rom gekommen sind, um den 55. Jahrestag der denkwürdigen Schlacht bei Montecassino zu begehen. Mit Freude grüße ich die Soldaten, die an jener Schlacht teilgenommen haben, und auch die Vertreter der Organisationen der ehemaligen Frontkämpfer. Mein Willkommensgruß gilt dem Kardinalprimas, dem Kardinalmetropoliten von Breslau [Wroclaw], dem Seelsorger der Polnischen Emigration, Erzbischof Szczepan Wesoly, sowie den Bischöfen Kraszewski und Glodz. Ich begrüße die Repräsentanten der höchsten Behörden und der Regierung Polens mit der Senatspräsidentin, die Vertretung des polnischen Heeres, den Botschafter der Republik Polen beim Hl. Stuhl. Vor allem möchte ich hier zwei Namen erwähnen: Präsident Kaczo-rowski und Frau Anders, deren Anwesenheit heute eine besonderer Bedeutung hat. Die Schlacht bei Montecassino ist für immer in die Geschichte Polens und Europas geschrieben. Sie hat gezeigt, wie groß der Wert der Vaterlandsliebe und der Wunsch ist, die verlorene Unabhängigkeit zurück zu gewinnen. „Vor Montecassino“ - so sagte ich einmal - „kämpfte der polnische Soldat, hier fiel er, hier vergoss er sein Blut im Gedanken an das Vaterland, das gerade deswegen für uns die so sehr geliebte Mutter ist, weil die Vaterlandsliebe so viele Opfer und Leiden fordert. ... Der polnische Soldat war vom Bewusstsein der Richtigkeit seiner Sache geleitet. Denn diese bestand schließlich in dem Recht der Nation auf Existenz, Unabhängigkeit, auf ein gesellschaftliches Leben im Geiste eigener Überzeugungen, eigener nationaler und religiöser Traditionen, auf ... Souveränität des eigenen Staates“ (Homilie beim Gottesdienst auf dem polnischen Soldatenfriedhof bei Montecassino am 18. Mai 1979; O.R. dt., 1.6.1979, S. 6). Mit dem Opfer ihres Lebens und dem Blutzoll, den sie dort gezahlt haben, legten unsere Landsleute die Grundlage für ein neues Europa, ein seiner christlichen Tradition treues, seiner geistlichen Wurzeln bewusstes, ein geeinteres Europa. Sie legten auch die Grundlage für ein neues Polen. Die Erinnerung an diese Schlacht möge in der jetzigen und den kommenden Generationen unablässig fortdauem. Sie 70 AUDIENZEN UND ANGELUS ist für uns eine große Herausforderung auf dem Weg des Aufbaus des gesellschaftlichen Lebens in der neuen Realität. Eines Lebens, begründet auf der Lehre des Evangeliums und dem tausendjährigen geistlichen Erbe unserer Nation. In unser Gebet schließen wir heute die Soldaten, die in Montecassiono gekämpft haben, ihre Familien und alles, was unser Vaterland betrifft, ein. Wirken des Geistes in der Kirche heute Regina Caeli am Pfingstsonntag, 23. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das Hochfest Pfingsten lässt uns die außergewöhnliche Erfahrung der Apostel fünfzig Tage nach der Auferstehung Christi nachleben. Mit Pfingsten erfüllt sich die Osterzeit, und diese Erfahrung besteht gerade in der Gabe des Heiligen Geistes gemäß dem Versprechen Jesu. Wir betrachten heute die Verwandlung der Jünger des Herrn, seiner in Angst befangenen Anhänger, die zu unerschrockenen Zeugen werden, die mutig allen Völkern die Gute Nachricht verkünden. Aus dem Abendmahlssaal, wo sie mit Maria einmütig im Gebet verharren, werden sie vom Geist der Wahrheit hinausgesandt, um die ganze Welt zu einer im Abendmahlssaal versammelten Gemeinschaft in Liebe und Einheit zu machen. Die beiden Dimensionen — Gebet und Apostolat, Gemeinschaft und Sendung - sind unentbehrlich für das Leben der Kirche zu allen Zeiten und an allen Orten. 2. Auf dieses große Fest haben wir uns gestern Abend mit der feierlichen Pfingst-vigil zum Abschluss der römischen Stadtmission hier auf dem Petersplatz vorbereitet. Welch außerordentliche geistliche Erfahrung! Man musste an das letztjährige große Treffen mit den kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften denken, die ein wahres Geschenk des Geistes an die Kirche des ausgehenden Jahrtausends und eines der aus dem II. Vatikanischen Konzil hervorgebrochenen neuen Zeichen sind. Jenes Treffen vom letzten Jahr brachte wertvolle Früchte. In der Tat haben sich die Initiativen vermehrt, welche in den Bewegungen und Gemeinschaften den Sinn der „communio“ fordern wollen, um die Zusammenarbeit unter diesen wie auch innerhalb der Ortskirchen und Pfarreien wachsen zu lassen. Danken wir dem Herrn für diesen vielversprechenden, an Hoffnung reichen Frühling der Kirche. Zu dessen weiterer Entwicklung wird, des bin ich gewiss, der kommende vom Päpstlichen Rat für die Laien veranstaltete Kongress zum Thema „Kirchliche Bewegungen und neue Gemeinschaften in der pastoralen Sorge der Bischöfe“ einen vorteilhaften Beitrag leisten. Die säkularisierte Welt ist für jeden Christen heute eine Aufforderung, sein missionarisches Engagement zu verstärken durch die Rückbindung auf eine radikale Erfahrung des Glaubens an Christus, eine in Gebet, Einheit und Verkündigung bestehende Erfahrung. 71 A UDIENZEN UND ANGELUS 3. Wir wollen miteinander den Heiligen Geist anrufen, dass er die römische Stadtmission fruchtbar mache und den Erwartungen der ganzen Kirche Früchte schenke. Der Einsatz für die Mission kennt keine Fristen und ruft jedes Mitglied der Christengemeinschaft auf den Plan. Heute wie zu den Anfangszeiten weiß die Kirche, dass sie es nötig hat, mit Maria, der Mutter Jesu und unserer Mutter, im Gebet zu verharren, um den Herausforderungen der Neuevangelisierung begegnen zu können. Bitten wir die Jungfrau, mit uns und für uns zum himmlischen Vater zu beten, dass er über alle Glaubenden den Heiligen Geist ausgieße und die Wundertaten von Pfingsten erneuere. Allumfassende Eschatologie - die Menschheit auf dem Weg zum Vater Generalaudienz am 26. Mai 1. Das Thema, mit dem wir uns in diesem letzten Vorbereitungsjahr für das Jubiläum befassen, nämlich der Weg der Menschheit zum Vater, regt uns an, über die eschatologische Perspektive, d. h. die letzte Bestimmung der Menschheitsgeschichte, zu meditieren. Zumal in unserer Zeit geht alles mit unglaublicher Geschwindigkeit vor sich, sei es dank der Errungenschaften von Wissenschaft und Technik, sei es aufgrund des Einflusses der Medien. So stellt man sich spontan die Frage, was das Schicksal und das letzte Ziel der Menschheit sei. Eine besondere Antwort auf diese Fragestellung bietet uns das Wort Gottes, das den Heilsplan darlegt, den der Vater in der Geschichte durch Christus und mit dem Wirken des Geistes verwirklicht. Wesentlich ist im Allen Testament die Bezugnahme auf den Exodus mit seiner Ausrichtung auf den Einzug ins Gelobte Land. Der Exodus ist nicht bloß ein geschichtliches Ereignis, sondern Offenbarung eines Heilswirkens Gottes, das sich fortschreitend verwirklicht. Das wollen die Propheten, die die Gegenwart und Zukunft Israels beleuchten, aufzeigen. 2. Zur Zeit des Exils kündigen die Propheten einen neuen Exodus, eine Rückkehr ins Gelobte Land, an. Mit diesem neuen Geschenk des Landes will Gott nicht nur sein unter den Heiden zerstreutes Volk wieder zusammenführen, sondern einen jeden in seinem Herzen, d. h. in seiner Erkenntnis-, Liebes- und Handlungsfähigkeit, umwandeln: „Ich schenke ihnen ein anderes Herz und schenke ihnen einen neuen Geist. Ich nehme das Herz von Stein aus ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz von Fleisch, damit sie nach meinen Gesetzen leben und auf meine Rechtsvorschriften achten und sie erfüllen. Sie werden mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein“ (Ez 11,19-20; vgl. 36,26-28). Darauf bedacht, die im Bund gegebenen Vorschriften zu befolgen, wird das Volk in einer Umwelt leben können, die der aus den Händen Gottes im Augenblick der Schöpfung hervorgegangenen ähnlich ist: „Dieses verödete Land ist wie der Garten 72 A UDIENZEN UND ANGELUS Eden geworden; die zerstörten, verödeten, vernichteten Städte sind wieder befestigt und bewohnt“ (Ez 36,35). Es geht hier um einen neuen Bund, der sich verwirklicht im Befolgen eines Gesetzes, das ins Herz geschrieben wurde (vgl. Jer 31,31-34). Dann weitet sich die Perspektive aus mit der Verheißung einer neuen Erde. Das endgültige Ziel ist ein neues Jerusalem, wo jede Trübsal schwindet, wie wir im Buch Jesaja lesen: „Denn schon erschaffe ich einen neuen Himmel und eine neue Erde. ... ich mache aus Jerusalem Jubel und aus seinen Einwohnern Freude. Ich will über Jerusalem jubeln und mich freuen über mein Volk. Nie mehr hört man dort lautes Weinen und lautes Klagen (Jes 65,17-19). 3. Die Offenbarung nimmt diese Sicht wieder auf. Johannes schreibt: „Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat“ (Offb 21,1 f.). Der Übergang zu diesem Zustand neuer Schöpfiing erfordert ein Streben nach Heiligkeit, dem das Neue Testament absolute Radikalität verleiht, wie im zweiten Brief des Petrus zu lesen ist: „Wenn sich das alles in dieser Weise auflöst: wie heilig und fromm müsst ihr dann leben, den Tag Gottes erwarten und seine Ankunft beschleunigen! An jenem Tag wird sich der Himmel im Feuer auflösen, und die Elemente werden im Brand zerschmelzen. Dann erwarten wir, seiner Verheißung gemäß, einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt“ (2 Petr 3,11—13). 4. Die Auferstehung Christi, seine Himmelfahrt und die Ankündigung seiner Wiederkunft eröffnen neue eschatologische Perspektiven. So sagt Jesus in der Rede nach dem Abendmahl: „Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten ... Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin“ (Joh 14,2-3). Und später schreibt Paulus an die Thessalonicher: „Der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen, wenn der Befehl ergeht, der Erzengel ruft und die Posaune Gottes erschallt. Zuerst werden die in Christus Verstorbenen auferstehen; dann werden wir, die Lebenden, die noch übrig sind, zugleich mit ihnen auf den Wolken in die Luft entrückt, dem Herrn entgegen. Dann werden wir immer beim Herrn sein“ (i Thess 4,16-17). Über den Zeitpunkt dieses endzeitlichen Ereignisses ist uns nichts mitgeteilt. Wir müssen Geduld aufbringen mit der Erwartung des auferstandenen Jesus, der auf die Frage der Apostel, ob er bald das Reich für Israel wiederherstellen werde, diesen mit der Aufforderung, zu predigen und Zeugnis zu geben, antwortet: „Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,7-8). 73 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Die Erwartung des endzeitlichen Ereignisses gilt es, mit ruhiger Hoffnung zu leben, indem wir uns in der Gegenwart für den Aufbau jenes Reiches einsetzen, das am Ende von Christus dem Vater in die Hände gegeben werden wird: „Danach kommt das Ende, wenn er jede Macht, Gewalt und Kraft vernichtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt“ (7 Kor 15,24/ Mit Christus, dem Sieger über die gegnerischen Mächte, werden auch wir an der neuen Schöpfung Anteil haben, die in der endgültigen Rückkehr aller Dinge zu dem, von dem alles kommt, besteht: „Wenn ihm dann alles unterworfen ist; wird auch er, der Sohn, sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott herrscht über alles und in allem“ (7 Kor 15,28). Es muss daher unsere Überzeugung sein: „Unsere Heimat ... ist im Himmel. Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter“ (Phil 3,20). Wir haben hier keine beständige Stadt (vgl. Hebr 13,14). Pilger sind wir und auf der Suche nach einem endgültigen Wohnsitz, und so müssen wir wie die Väter im Glauben nach einer besseren Heimat, „nämlich der himmlischen“ (Hebr 11,16), streben. In deutscher Sprache sagte der Papst: Die Menschheit unterwegs zum Vater Liebe Schwestern und Brüder! Unsere heutige Zeit ist sehr schnelllebig. Dies gilt sowohl für Wissenschaft und Technik als auch für die Medien. Trotz des hohen Tempos bleibt die Frage: Wohin geht die Geschichte? Was ist ihr Ziel? Das Alte Testament dachte in den Kategorien des Exodus. Nach dem Einzug in das gelobte Land sollte ein neuer Exodus folgen: „Ich nehme das Herz von Stein aus ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz von Fleisch“ (Ez 11,19). Was die Propheten als Ahnung verkündeten, davon gerät Johannes ins Schwärmen: „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde ..., die heilige Stadt, das neue Jerusalem“ (Ofjb 21,1-2). Diese Perspektive erscheint in neuem Licht, wenn wir sie von der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi und von seiner Wiederkunft aus betrachten. Er ist gegangen, um uns einen Platz vorzubereiten. Denn die Heimat der Christen ist nicht hier auf dieser Erde. Sie ist im Himmel. Auf dieses Ziel strebt die Geschichte des Menschen zu. Zwar bleibt uns Zeit und Stunde der Wiederkunft unbekannt, aber in dieser Spannung zu leben, kann auch spannend sein: warten auf den Moment, in dem Christus ,jede Macht, Gewalt und Kraft vernichtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt“ (7 Kor 15,24). In der Freude über das Kommen des Heiligen Geistes, das wir an Pfingsten gefeiert haben, grüße ich die Pilger und Besucher deutscher Sprache. Besonders heiße ich die Mönche von Königsmünster willkommen, die auf den Spuren des hl. Benedikt pilgern. Mein Gmß gilt der Gruppe von Spätaussiedlern aus Rußland, die jetzt in der Diözese Augsburg leben. Neben den vielen Jugendgruppen begrüße ich vor 74 A UDIENZEN UND ANGELUS allem die jungen Christen, die im Bistum Eichstätt am Altar dienen. Gern erteile ich euch, euren Lieben daheim und den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen den Apostolischen Segen. Auf Englisch begrüßte der Papst Pilger aus der äthiopischen Diözese Meki mit folgenden Worten: Wunsch nach Frieden im Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea Der Konflikt zwischen eurem Land und Eritrea ist für mich ein Grund zu großer Traurigkeit. Wir wollen beten, dass der Friede schnell und dauerhaft wiederhergestellt werde. Der Tod - Begegnung mit dem Vater Generalaudienz am 2. Juni 1. Nachdem wir über das gemeinsame Schicksal der Menschheit, das sich am Ende der Zeit erfüllen wird, nachgedacht haben, wollen wir heute das Augenmerk auf ein anderes Thema, das uns nahe angeht, richten: die Bedeutung des Todes. Es ist heute schwer geworden, vom Tod zu sprechen, weil die Wohlstandsgesellschaft diese Wirklichkeit zu verdrängen neigt und allein der Gedanke daran Angst hervor-ruft. In der Tat:,Angesichts des Todes wird das Rätsel des menschlichen Daseins am größten“, stellt das Konzil fest (Gaudium et spes, Nr. 18). Aber über diese Wirklichkeit bietet uns das Wort Gottes, wenn auch stufenweise fortschreitend, ein Licht, das erhellt und tröstet. Erste Hinweise werden im Alten Testament aus allgemeinen Erfahrungen der Sterblichen gegeben, die noch nicht erleuchtet sind von der Hoffnung auf ein seliges Leben über den Tod hinaus. Man dachte gemeinhin, dass das menschliche Dasein im „Scheol“, Ort der Schatten, ende, einem mit Leben in Fülle unvereinbaren Ort. Sehr bedeutsam in dieser Hinsicht sind die Worte des Buches Ijob: „Sind wenig nicht die Tage meines Lebens? Laß ab von mir, damit ich ein wenig heiter blicken kann, bevor ich fortgehe ohne Wiederkehr ins Land des Dunkels und des Todesschattens, ins Land, so finster wie die Nacht, wo Todesschatten herrscht und keine Ordnung, und wenn es leuchtet, ist es wie tiefe Nacht“ {Ijob 10,20-22). 2. In dieser dramatischen Sicht des Todes gewinnt die Offenbarung Gottes langsam an Raum, und das menschliche Denken öffnet sich für einen neuen Horizont, der im Neuen Testament volles Licht erhalten soll. Es wird vor allem erkannt, dass der Tod, jener unerbittliche Feind des Menschen, der ihn zu überwältigen und seiner Macht zu unterwerfen sucht, nicht von Gott gemacht sein kann, weil Gott keine Freude am Untergang der Lebenden haben kann (vgl. Weish 1,13). Der ursprüngliche Plan Gottes war anders, doch wurde er von der Sünde vereitelt, die der Mensch unter dämonischem Einfluss beging, wie das Buch der Weisheit 75 AUDIENZEN UND ANGELUS erklärt: „Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht. Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt, und ihn erfahren alle, die ihm angehören“ (Weish 2,23-24). Auf diese Auffassung beruft sich auch Jesus (vgl. Joh 8,44), und auf sie gründet sich die Lehre des hl. Paulus über die Auferstehung Christi, des neuen Adam (vgl. Röm 5,12.17; 1 Kor 15,21). Mit seinem Tod und seiner Auferstehung hat Jesus die Sünde und den Tod, der ihre Folge ist, besiegt. 3. Im Licht des von Jesus Vollbrachten versteht man die Flaltung des Gottvaters gegenüber Leben und Tod seiner Geschöpfe. Schon der Psalmist hatte intuitiv verstanden, dass Gott seine treuen Diener im Grab nicht verlassen, noch seinen Frommen der Vergänglichkeit preisgeben kann (vgl. Ps 16,10). Jesaja weist auf eine Zukunft hin, in der Gott den Tod für immer beseitigt, „die Tränen ab[wischt] von jedem Gesicht“ (Jes 25,8) und die Toten zu neuem Leben erweckt: „Deine Toten werden leben, die Leichen stehen wieder auf; wer in der Erde liegt, wird erwachen und jubeln. Denn der Tau, den du sendest, ist ein Tau des Lichts; die Erde gibt die Toten heraus“ (Jes 26,19). Dem Tod als gleichmachender Realität für alle Lebenden wird somit das Bild von der Erde als Mutter entgegengesetzt, die sich zur Geburt eines neuen Lebewesens anschickt und die Gerechten zum Licht gebiert, denen es beschieden ist, in Gott zu leben. Für sie heißt es daher zu Recht: „In den Augen der Menschen wurden sie gestraft; doch ihre Hoffnung ist voll Unsterblichkeit“ (Weish 3,4). Die Hoffnung auf Auferstehung wird vortrefflich im zweiten Buch der Makkabäer von den sieben Brüdern und ihrer Mutter im Augenblick, da sie das Martyrium erleiden, bekräftigt. Einer von ihnen erklärt: „Vom Himmel habe ich sie [die Glieder] bekommen, und wegen seiner Gesetze achte ich nicht auf sie. Von ihm hoffe ich sie wiederzuerlangen“ (2 Makkljl); ein anderer „sagte, als er dem Ende nahe war: Gott hat uns die Hoffnung gegeben, daß er uns wieder auferweckt. Darauf warten wir gern, wenn wir von Menschenhand sterben“ (2Makkl,14). Heroisch ermutigt die Mutter sie, mit dieser Hoffnung dem Tod entgegenzutreten (vgl. 2 Makk 7,29). 4. Schon in der Perspektive des Alten Testamentes mahnten die Propheten, „den Tag des Herrn“ mit rechter Gesinnung zu erwarten, er würde sonst „Finsternis und nicht Licht“ sein (vgl. Am 5,18.20). In der vollen Offenbarung des Neuen Testamentes wird betont, dass alle dem Gericht unterworfen sind (vgl. 1 Petr 4,5; Röm 14,10). Doch davor brauchen sich die Gerechten nicht zu fürchten, da sie als Auserwählte dazu bestimmt sind, das verheißene Erbe zu empfangen; sie werden zur Rechten Christi versammelt werden, der sie „von meinem Vater gesegnet“ nennen wird {Mt 25,34; vgl. 22,14; 24,22.24). Der Tod, den der Gläubige als Glied des mystischen Leibes erfährt, eröffnet den Weg zum Vater, der uns im Tod Christi, „Sühne für unsere Sünden“ (1 Joh 4,10; vgl. Röm 5,7), in der Tat seine Liebe erwiesen hat. Wie der Katechismus der Katholischen Kirche unterstreicht, ist der Tod „für jene, die in der Gnade Christi ster- 76 A UDIENZEN UND ANGELUS ben, ... ein Hineingenommenwerden in den Tod des Herrn, um auch an seiner Auferstehung teilnehmen zu können“ (Nr. 1006). Jesus „liebt uns und hat uns von unseren Sünden erlöst ... er hat uns zu Königen gemacht und zu Priestern vor Gott, seinem Vater“ (Offt> 1,5-6). Sicher müssen wir durch den Tod hindurchgehen, aber nunmehr mit der Gewissheit, dem Vater zu begegnen; wenn „sich dieses Vergängliche mit Unvergänglichkeit bekleidet und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit“ (1 Kor 15,54). Dann werden wir klar erkennen: „Verschlungen ist der Tod vom Sieg“ (1 Kor 15,54) und wir werden ohne Angst in die herausfordernde Frage einstimmen können: „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ (1 Kor 15,55). Gerade diese christliche Sicht vom Tod war es, die den hl. Franz von Assisi in seinem Sonnengesang jubeln ließ: „Gepriesen seist du, mein Herr, durch unseren Bruder, den leiblichen Tod“ (Sonnengesang, 13, in: Franziskanische Quellenschriften Bd. 1, Werl 1994, S. 215). Angesichts dieser tröstlichen Perspektive versteht man die im Buch der Offenbarung gegebene Seligpreisung, gewissermaßen eine Krönung der Seligpreisungen des Evangeliums: „Selig die Toten, die im Herrn sterben, von jetzt an; ja, spricht der Geist, sie sollen ausruhen von ihren Mühen; denn ihre Werke begleiten sie“ (Offb 14,13). Aufruf für Frieden in Kolumbien Aus Kolumbien kommen immer wieder traurige Nachrichten: Letzten Sonntag unterbrach eine bewaffnete Gruppe in sakrilegischer Weise die Feier der heiligen Messe in der Kirche „Transfiguraciön“ (Verklärung Jesu) in der Stadt Cali und entführte zahlreiche Personen, darunter den Priester. Schon in der Vergangenheit ist es zu ähnlichen Aktionen an Orten im Landesinneren wie EI Pinön (Magdalena) und zu Morden an kirchlichem Personal gekommen. Angesichts von Vorfällen solchen Ausmaßes erneuere ich meinen dringenden Aufruf zur Befriedung im Respekt den Menschenrechten und zum Eintreten in einen Dialog, der die ersehnte Lösung für die schwere Krise herbeiführe. Diesen Wunsch begleite ich mit meinem Gebetsgedenken, dass Gott Kolumbien den Frieden schenke. Bitte um Gebet für Polenreise Euch alle, liebe italienische Pilger, bitte ich, mich mit eurem Gebet auf der Pilgerreise nach Polen zu begleiten, die ich, so Gott will, am kommenden Samstag an-treten werde. Ich bitte euch, dafür zu beten, dass diese Reise, die längste in meine Heimat, die erhofften geistlichen Früchte bringen möge. 77 A UDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Christen und der Tod Liebe Schwestern und Brüder! In unserer heutigen Katechese sprechen wir über ein Thema, das uns alle berührt: die Bedeutung des Todes. In den Wohlstandsgesellschaften ist es schwierig geworden, über die Tatsache zu sprechen: Das Leben auf Erden hat ein Ende. Sterben macht Angst. Es besteht die Gefahr, dass der Tod in den Hintergrund gedrängt wird - sowohl im öffentlichen Leben als auch im eigenen Bewusstsein. Die Christen hingegen fürchten das Sterben nicht Die Gerechten müssen keine Angst davor haben, so lesen wir im Neuen Testament. Sie sind erwählt, das verheißene Reich in Besitz zu nehmen. Sie werden zur Rechten Gottes sitzen und „Gesegnete meines Vaters“ heißen (vgl. Mt 25,34). Nach dem Tod werden wir erst klar sehen, „dass der Tod vom Sieg verschlungen ist“. Wir werden ohne Angst mfen können: „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ (1 Kor 15,54). Diese Rückkehr zu Gott, dem Vater, dieses große Wiedersehen im Haus des Vaters ist das Ziel, zu dem wir als Christen auf dieser Erde unterwegs sind. Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders heiße ich willkommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz aus Bonn, die Mitglieder des Fördervereins Europäischer Bildung sowie die Gruppe der Gesamtschule Bonn Beuel. Euch, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Dialog statt Kampf - ein sicherer Weg zum Frieden Angelus am 20. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am letzten Donnerstag bin ich von einer langen Pilgerreise nach Polen zurückgekehrt und trage die Bilder von den besuchten Orten und vor allem von den Mengen meiner Landsleute und anderer Gläubigen aus verschiedenen Ländern, die mir an allen Orten einen wahrlich bewegenden Empfang bereitet haben, noch lebendig in Geist und Herz. Mich beschäftigen Erinnerungen und Empfindungen von tiefer Intensität. Wie sollte ich dem Herrn nicht danken für diese großartige Gelegenheit, die er mir gegeben hat? Ihm an erster Stelle soll heute mein dankbares Gedenken gelten. Weiter möchte ich all denen, die am Gelingen dieser Apostolischen Reise mitbeteiligt waren, mein herzliches „Dankeschön“ zukommen lassen mit einer besonderen Umarmung für meine Brüder im Bischofsamt, die mich in ihren Diözesen als 78 A UDIENZEN UND ANGELUS Gast aufgenommen haben. Es war eine unvergessliche Erfahrung des Glaubens und der Brüderlichkeit. 2. „Gott ist die Liebe“ war das Motto, das jede Etappe dieser Pilgerreise begleitet hat: Das Evangelium von der Liebe, das Evangelium der Seligpreisungen, ist als einziges in der Lage, den Herzen Frieden zu bringen und die Beziehungen innerhalb der Gesellschaft unbeschwert und gewinnbringend werden zu lassen. Aus der Liebe Gottes und dem Frieden mit Ihm entspringen Solidarität und friedliches Einvernehmen unter den Menschen und Völkern. Wenn ich diese Worte ausspreche, denke ich besonders an Europa, das die noch blutenden Verletzungen des jüngsten Konfliktes in Jugoslawien an sich trägt, und auch an zwei Länder Asiens, Indien und Pakistan, wo der Friede schwer beeinträchtigt ist. Lasst uns miteinander beten, dass sich in Europa der Friedensprozess konsolidiere; lasst uns beten, dass Indien und Pakistan von neuem den Weg des Dialogs einzuschlagen wissen und unmittelbar alles daran setzen, um den Kämpfen mit ihrer Last der Gewalt und des Todes ein Ende zu setzen. Mögen die Völker Europas, Asiens und der anderen Kontinente aus dem Schatz geistiger Werte ihrer Geschichte die Beweggründe für einen erneuerten Einsatz in gegenseitigem Respekt und großzügiger, loyaler Zusammenarbeit schöpfen. 3. Die Heilige Jungfrau, an die ich mich mehrmals während der jüngsten Reise gewandt habe, ganz besonders beim Besuch des Heiligtums von Tschenstochau, möge für uns Fürbitte einlegen, damit in allen der Wille zu Bekehrung, Versöhnung und Frieden gestärkt werde. Dank für die Apostolische Reise nach Polen Generalaudienz am 23. Juni 1. Heute möchte ich mich noch einmal mit der Pilgerreise befassen, die mich vom 5. bis 17. dieses Monats nach Polen führte. Dieser siebte und längste Pastoralbe-such in meiner Heimat fand zwanzig Jahre nach meiner ersten Reise vom 2. bis 10. Juni 1979 statt. An der Schwelle zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 habe ich mit der Kirche in Polen die Jahrtausendfeier zweier Ereignisse geteilt, die am Anfang ihrer Geschichte stehen: die Kanonisierung des hl. Adalbert und die Errichtung der ersten Metropolie im Land: Gnesen mit den drei Suffraganbistümem Kolberg, Krakau und Breslau. Ich habe ferner die II. Nationalsynode Polens beschließen sowie eine neue Heilige und zahlreiche neue Selige, beispielhafte Zeugen der Liebe Gottes, proklamieren können. „Gott ist die Liebe“ war das Motto der Apostolischen Reise, die so etwas wie eine große Lobeshymne an den himmlischen Vater und auf die wunderbaren Werke seines Erbarmens darstellte. Daher lasse ich nicht ab, Ihm zu danken, dem Herrn der Welt und der Geschichte, der es mir gewährt hat, noch einmal das Land meiner 79 A UDIENZEN UND ANGEL US Väter als Pilger des Glaubens und der Hoffnung, als Pilger besonders seiner Liebe, zu bereisen. Es ist mir ein Anliegen, dem Herrn Präsidenten der Republik und den Verantwortungsträgem des Staates den Ausdruck meiner Dankbarkeit für ihre Gastfreundschaft und teilnehmende Zustimmung zu erneuern. Von großem Trost war mir überdies die brüderliche Begegnung mit den Hirten der geliebten Kirche in Polen, denen ich von Herzen für ihren großen Einsatz und Eifer im Apostolat danke. Mein Dank erstreckt sich auf all jene, die in irgendeiner Weise zum guten Gelingen meines Besuches beigetragen haben: Ich denke insbesondere an alle, die dafür gebetet und ihre Leiden aufgeopfert haben; ich denke ferner an die Jugendlichen, die in großer Zahl an jeder Phase meiner Pilgerreise teilgenommen haben. 2. Leitfaden dieser Tage waren die Seligpreisungen aus dem Evangelium, welche die Liebe Gottes in den unverwechselbaren Zügen des Antlitzes Christi darstellen. Welche Freude für mich, auf den Spuren des hl. Adalbert die acht Seligpreisungen zu verkünden und dabei die Geschichte meiner Vorväter zu meditieren! Dem Gedenken des großen Bischofs und Märtyrers waren die Etappen in Danzig, Pelplin und Elbing in der Region des Baltikums gewidmet, wo Adalbert das Martyrium erlitt. Das Erbe Adalberts ist vom polnischen Volk stets gehütet worden und hat über die ganze Geschichte Polens hinweg erstaunliche Früchte des Zeugnisgebens getragen. In dieser Hinsicht hatte ich Gelegenheit, Städte zu besuchen, welche unauslöschlich die Erinnerung an die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, die Massenhinrichtungen und die schrecklichen Deportationen mit sich tragen. Allein der Glaube an den Gott, der Liebe und Erbarmen ist, hat ihren materiellen und moralischen Wiederaufbau ermöglicht. In Bromberg, wo Kardinal Wyszynski die den „Hll. polnischen Märtyrerbrüdem“ geweihte Kirche errichten ließ, habe ich die Messe der Märtyrer gefeiert zum Gedenken der in diesem Jahrhundert gestorbenen „unbekannten Soldaten“ der Sache Gottes und des Menschen. In Thom habe ich den Priester Wincenty Frelichowski (1913-1945) seliggesprochen, der in seinem seelsorglichen Dienst und dann im Konzentrationslager ein Friedensstifter war und bis zu seinem Tod die Liebe Gottes unter den Typhuskranken im Lager Dachau bezeugte. In Warschau habe ich 108 Märtyrer seliggesprochen, darunter Bischöfe, Priester, Ordensangehörige und Laien, Opfer der Konzentrationslager während des Zweiten Weltkriegs. In der Hauptstadt habe ich ebenfalls seliggesprochen: Edmund von Bojanowski, der als Förderer von Werken der Erziehung und Caritas ein Vorläufer der Lehre des Konzils über das Laienapostolat war, und Schwester Regina Protmann, die das kontemplative Leben mit der Pflege der Kranken und der Ausbildung von Kindern und jungen Mädchen in Einklang brachte. In Stary Sacz habe ich Schwester Kinga, heiliggesprochen, eine herausragende Gestalt des 13. Jh.s und ein Vorbild der Nächstenliebe sowohl als Frau des polnischen Fürsten Boleslaw als auch nach dessen Tod als Klarissen-Nonne. 80 A UDIENZEN UND ANGELUS Diese heroischen Zeugen des Glaubens zeigen, dass die „traditio“ (Überlieferung) des gehörten und in die Praxis umgesetzten Wortes Gottes von Adalbert aus in die Gegenwart gelangt ist und nun mit Mut in die heutige Gesellschaft eingebracht werden will, die sich anschickt, die Schwelle des dritten Jahrtausends zu überschreiten. 3. Der Glaube wurde in Polen durch die Verehrung des Heiligsten Herzen Jesu und der Seligen Jungfrau Maria genährt und dadurch sehr stark getragen. Der Kult des göttlichen Herzen Jesu hat auf dieser Pilgerreise eine besondere Akzentsetzung erfahren: Im Hintergrund stand dabei die Weihe der Menschheit an das Heiligste Herz Jesu, die mein verehrter Vorgänger Leo XHI. erstmals vor genau hundert Jahren vomahm. Für die Menschheit ist es nötig, bei ihrem Eintritt in das neue Jahrtausend auf die barmherzige Liebe Gottes zu vertrauen. Das ist jedoch nur möglich, wenn man sich Christus dem Erlöser, unversiegbarer Quell des Lebens und der Heiligkeit, zuwendet. Und was soll man ferner von der kindlichen Zuneigung sagen, die meine Landsleute zu ihrer Königin, der heiligsten Maria, haben? In Lichen habe ich das neue, große ihr geweihte Heiligtum gesegnet, und in einigen Städten, einschließlich meiner Geburtsstadt, habe ich vielverehrte Bildnisse der Jungfrau gekrönt. In Sandomierz habe ich die Eucharistie zu Ehren des Unbefleckten Herzens der Seligen Jungfrau Maria gefeiert. Weiters möchte ich an meine Gebetstreffen in Lyck, Zamosc, Warschau-Praga, Lowicz, Sosnowiec und Gleiwitz sowie in meiner Geburtsstadt Wadowice erinnern. Und auch an meinen Besuch im Kloster Wigry. Vor meiner Rückkehr habe ich mich niedergekniet vor dem ehrwürdigen Bild Unserer Lieben Frau von Tschenstochau in Jasna Göra: Es war ein Augenblick tiefer geistlicher Ergriffenheit. Ihr, der „Heiligen Jungfrau, die das helle Tschenstochau verteidigt“ (vgl. Mickiewicz), habe ich erneut mein Leben und mein Petrusamt anvertraut; Ihr habe ich die Kirche in Polen und der ganzen Welt geweiht; von Ihr habe ich das kostbare Geschenk des Friedens für die ganze Menschheit sowie der Solidarität unter den Völkern erbeten. 4. Im Verlauf meiner Reise habe ich mehrmals die Gelegenheit gehabt, Gott für die Veränderungen zu danken, die in Polen in den letzten zwanzig Jahren im Namen der Freiheit und der Solidarität vollbracht wurden. Ich tat es in Danzig, Symbolstadt der Bewegung „Solidamosc“. Ich tat es vor allem in meiner Rede vor dem Parlament der Republik, worin ich an die friedlichen Kämpfe der Achtzigeijahre und an die Wende von 1989 erinnerte. Die moralischen Prinzipien jener Kämpfe müssen weiterhin das politische Leben tragen, damit die Demokratie auf soliden ethischen Werten aufbauen kann: Familie, menschliches Leben, Arbeit, Erziehung, Sorge für die Schwachen. In genau jenen Tagen, an denen das Europäische Parlament neu bestellt wurde, habe ich für den „alten“ Kontinent gebetet, dass er weiterhin ein Leuchtturm der Zivilisation und des wahren Fortschrittes zu sein vermöge, indem er seine geistig geistlichen Wurzeln neu entdeckt und die Leistungs- 81 AUDIENZEN UND ANGELUS fähigkeiten der Völker vom Atlantik bis zum Ural, die zu ihm gehören, nutzbar macht. Bei zwei Begegnungen mit der akademischen Welt in Thom konnte ich darüber hinaus aufzeigen, wie sich die Beziehungen zwischen der Kirche und den wissenschaftlichen Kreisen verbessert haben mit großen Vorteilen für beide Seiten. Nicht vergessen kann ich das Gebet in Radzymin zum Gedenken des Krieges von 1920, des „Wunders an der Weichsel“. Bei anderen Anlässen habe ich sodann die Stimme zur Verteidigung der sozial schwächeren Personen und Gruppen erhoben: Indem die Kirche Werke der Barmherzigkeit vollbringt, fördert sie die Gerechtigkeit und Solidarität, dem Beispiel der Heiligen wie Königin Hedwig und Albert Chmielöwski folgend, die Vorbilder des Teilens mit den am meisten Benachteiligten sind. Der Fortschritt kann nicht auf Kosten der Armen, noch der wirtschaftlich weniger starken Gruppen und auch nicht auf Kosten der natürlichen Umwelt geschehen. 5. Es hat nicht an Gelegenheit gefehlt, um darauf hinzuweisen, dass die Kirche ihren Beitrag zur Gesamtentwicklung der Nation vor allem durch die Bildung des Gewissens leistet. Die Kirche ist da, um zu evangelisieren, d. h. um allen zu verkündigen: „Gott ist die Liebe“ und dafür zu sorgen, dass jeder Ihm begegnen kann. Die „Zweite Plenarsynode“ hat dieses Engagement auf der Linie des II. Vatikanischen Konzils und im Licht der Zeichen der Zeit erneuert und alle Gläubigen zu großherziger Mitverantwortung aufgerufen. Die Evangelisierung ist nicht glaubwürdig, wenn wir als Christen nicht einander nach dem Gebot des Herrn lieben. In Siedlce und in Warschau habe ich im Gedenken an die sei. Märtyrer von Podlachien zusammen mit den griechisch-katholischen Gläubigen für die Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends gebetet. Darüber hinaus habe ich den Bruderchristen anderer Konfessionen begegnen wollen, um die Bande der Einheit zu bestärken. In Drohiczyn hat dieses Gebet bei einem ökumenischen Gottesdienst mit eifriger Teilnahme Orthodoxe, Lutheraner und weitere nichtkatholische kirchliche Gemeinschaften zusammengeführt. Die Notwendigkeit der Einheit der Kirche wird von allen verspürt: Wir müssen für ihre volle Verwirklichung arbeiten, bereit, Schuld einzugestehen und uns gegenseitig zu vergeben. Am Morgen des letzten Tages war es mir gegeben, die Eucharistie in der Wawel-Kathedrale zu feiern. Bei diesem Abschied von meiner geliebten Stadt Krakau konnte ich Gott für das Jahrtausend der Erzdiözese danken. 6. Liebe Brüder und Schwestern, lasst uns gemeinsam den Herrn lobpreisen für diese Tage der Gnade. Heute wiederhole ich mit euch: „Te Deum laudamus ...!“ Ja, wir loben Dich, o Gott, für die heilige Kirche, gegründet auf Christus, den Eckstein, auf die Apostel und die Märtyrer, und überall auf der Erde verbreitet. Wir loben Dich besonders für die Kirche in Polen, reich an Glauben und an Werken der Liebe. 82 A UDIENZEN UND ANGELUS Wir loben Dich, o Maria, Mutter der Kirche und Königin Polens! Die Du in besonderer Weise ins Geheimnis der Menschwerdung einbezogen bist, hilf deinem Volk, mit Glauben das Große Jubiläum zu leben, und komme allen zu Hilfe, die sich in ihren Schwierigkeiten an Dich wenden. Hilf jedem von uns, die unvergänglichen Wirklichkeiten zu wählen: den Glauben, die Hoffnung und die Liebe. Hilf uns, o Mutter, die Liebe zu leben, die von allen die größte ist, denn „Gott ist die Liebe“. In deutscher Sprache sagte der Papst: Dank für die Polenreise Liebe Schwestern und Brüder! Heute drängt es mich, in Dankbarkeit auf meine Pastoraireise nach Polen zurückzuschauen. Die Tage standen unter dem Motto: Gott ist die Liebe. Ich habe mich dabei als Pilger gefühlt Auf dem Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe durfte ich an vielen Orten meiner geliebten Heimat innehalten und meine Landsleute im Glauben stärken. Es war die siebte Reise in meine Heimat. In den letzten zwanzig Jahren hat sich dort viel verändert. Heute ist Polen ein demokratisches Land. So mischt sich in den Dank an Gott, der die Geschichte lenkt, auch eine Bitte, die mir sehr am Herzen liegt: Echte und wahrhaftige Demokratie braucht feste moralische Werte. Das hohe Gut der Familie, das menschliche Leben, Bildung und Arbeit, die Sorge um die Schwachen müssen an oberster Stelle stehen. Nur so kann es einen wahren Fortschritt geben. Am Ende meiner Pilgerreise durfte ich wiederum bei der Madonna von Tschensto-chau einkehren. Zu ihr habe ich meine Anliegen getragen. So möchte ich schließen mit einem Gebet: Wir loben dich, Maria, Mutter der Kirche und Königin Polens. Steh allen bei, die in ihrer Not bei dir Zuflucht suchen. Gib, dass wir uns für die unvergänglichen Güter entscheiden: den Glauben, die Hoffnung und die Liebe. Hilf uns, gute Mutter, die Liebe zu leben, die von allem am größten ist. Denn Gott ist die Liebe. Dankbar für die Tage in meiner Heimat grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Ich heiße die Mitglieder des Souveränen Malte-ser-Ritter-Ordens aus der Schweiz willkommen. Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich gern den Apostolischen Segen. 83 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria in der Verehrung des Volkes Angelus am 27. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute ist auf dem Petersplatz eine Initiative ganz besonderer Art zu Gast. Es handelt sich um die Darstellung sogenannter „Mysterien“-Szenen, verwirklicht von den Pilgern aus (der süditalienischen Region) Molise, an die ich einen herzlichen Gruß richte. Mein Dank gilt dem Erzbischof von Campobasso-Boiano, Msgr. Armando Dini, den Organisatoren, den Trägem, den Statisten und allen anderen Mitwirkenden an dieser eindrucksvollen Bekundung volkstümlicher Religiosität. An einigen großen liturgischen Festen hat sich seit dem Mittelalter in verschiedenen europäischen Ländern der Brauch ausgebreitet, Umzüge mit lebenden Bildern, sogenannten „Mysterien“, zu veranstalten. In Campobasso hat er als Teil der feierlichen Fronleichnamsprozession im 18. Jh. eine beachtliche Entwicklung erfahren. Insgesamt dreizehn lebende Gmppen sind phantasievoll auf schmiedeeisernen Aufbauten arrangiert und stellen der Reihe nach folgende Themen dar: den Erzengel Michael, die Unbefleckte Empfängnis, Abraham, die Heilige Familie, die hl. Maria Magdalena, Sankt Crispinus, Sankt Januarius, Sankt Antonius den Abt, Sankt Nikolaus von Bari, Sankt Leonhard von Noblat, Sankt Isidor, Sankt Rochus und die Aufnahme Mariens in den Himmel. 2. Die „Mysterien“ sind nicht allein folkloristischer Art, sondern haben vor allem religiösen Wert. Denn schon durch die Anordnung in ihrer Reihenfolge laden sie zur Meditation über die Heilsgeschichte ein. Während wir uns auf das Angelusgebet vorbereiten, weise ich gerne darauf hin, wie Maria in diesem geistlichen Spiel die einzigartige Stellung einnimmt, die ihr gebührt. Das „Mysterium“ der Unbefleckten Empfängnis, das im Umzug unmittelbar der mit dem Ur-Sieg der treuen über die abtrünnigen Engel (vgl. Offb 12,7) verbundenen Bild-Szene folgt, erinnert daran, dass am Anfang der Geschichte des Menschen die Gnade Gottes steht. Sein Heilsplan der Vorsehung besiegt die Macht des Bösen. Als letztes „Mysterium“ kommt das der Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele: Es drückt die Herrlichkeit aus, in die die Jungfrau bereits eingegangen ist und zu der alle berufen sind, welche die Erlösung durch Christus annehmen. Weitere „Mysterien“ stellen in der Volksfrömmigkeit besonders beliebte Heilige dar und heben die Wundertaten hervor, welche die erbarmende Liebe Gottes im Lauf der Jahrhunderte im Menschen vollbracht hat. 3. Von Herzen wünsche ich, dass so bedeutsame Formen volkstümlicher Religiosität, die an Glauben reichen Gemeinschaften entspringen, auch heute wieder wirksame Mittel der Evangelisierung sind. Sie mögen zur Anregung für die Betrachtung und das Gebet dienen und vor allem in den Jugendlichen dieselbe religiöse Begeisterung wie in den vergangenen Generationen wecken. 84 A UDIENZEN UND ANGELUS Die Jungfrau Maria, die den Weg des Christenvolkes begleitet, helfe uns, das „Mysterium“ der Erlösung in unser Alltagsleben zu übersetzen, und uns so auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vorzubereiten. Pilgerfahrt zu Stätten der Heilsgeschichte Angelus am Hochfest Peter und Paul, 29. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Kirche feiert heute das Hochfest der hll. Apostel Petrus und Paulus. Es ist ein großes Fest für die Stadt Rom, die sie als ihre Patrone verehrt, weil diese beiden Boten des Evangeliums hier ihr Blut für Christus vergossen haben. In der Vatikanbasilika, am Grab des Fischers von Galiläa, dem Christus seine Herde anvertraute, habe ich heute Vormittag die Heilige Messe gefeiert. Daran hat im Zeichen der Brüderlichkeit eine Delegation des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel teilgenommen. Nach einer altehrwürdigen und sehr bezeichnenden Tradition haben an dieser feierlichen Zelebration auch die Metropolitan-Erzbischöfe teilgenommen, die ich im Verlauf des letzten Jahres ernannt habe. Ihnen habe ich das „Pallium“ überreicht, ein liturgisches Zeichen, das die Gemeinschaft mit dem Hl. Stuhl und dem Nachfolger des Petrus ausdrückt. Die Metropoliten kommen aus allen Teilen der Welt und ihre heutige Zusammenkunft mit dem Bischof von Rom bekundet in beredter Weise die Einheit der katholischen Kirche, die über alle Kontinente verbreitet ist. Mein Gruß und Dank gilt den Pilgern, die ihre Hirten zu diesem freudigen Anlass nach Rom begleitet haben: Die hll. Apostel Petrus und Paulus erwirken überreiche Gnaden für ihre jeweiligen kirchlichen Gemeinschaften. 2. Liebe Brüder und Schwestern! Mit dem heutigen Tag habe ich ein Dokument unterzeichnet, das morgen veröffentlicht wird. Es handelt sich um einen Brief über die Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten, die mit der Heilsgeschichte verbunden sind. Der Vorabend des Großen Jubiläums hat mich veranlasst, eine Betrachtung verbunden mit dem Wunsch vorzulegen, wenn Gott es zulässt, persönlich eine besondere Jubiläumswallfahrt mit Aufenthalten an einigen Orten der Heilsgeschichte und besonders am Ort der Menschwerdung des Wortes Gottes zu machen. Ich möchte die ausschließlich religiöse und geistliche Bedeutung einer solchen Pilgerreise betonen, der wirklich keine anderen Interpretationen zuzuschreiben sind. Der Besuch des altehrwürdigen Ur in Chaldäa, Urspmngsland Abrahams oder des Berges Sinai, Symbol des Exodus und des Bundes, und vor allem von Nazaret, Betlehem und Jerusalem bedeutet, die Straße der Göttlichen Offenbarung wieder zu entdecken. Stark bewegt mich dieser Wunsch, zum Gebet an diese Stätten zu kommen, denen der lebendige Gott sein Siegel aulprägte und die ich zum Teil im Jahre 1965 als Erzbischof von Krakau besuchen konnte. Ich komme wieder als Papst und Pilger 85 A UDIENZEN UND ANGEL US aus Anlass des Jahres 2000. Es ist ein Vorhaben, das ich dem Herrn und der hl. Gottesmutter sowie euren Gebeten anvertraue. Die heiligen Apostelfürsten Petrus und Paulus Generalaudienz am 30. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gestern haben wir das Fest der hll. Petrus und Paulus gefeiert Diese beiden Apostel, von der Liturgie „Apostelfürsten“ genannt, wurden trotz ihrer persönlichen und kulturellen Unterschiede vom geheimnisvollen Plan der göttlichen Vorsehung in einer einzigen apostolischen Geschichte vereinigt, und die Kirche verbindet sie in einer einzigen Gedenkfeier.. Das gestrige Fest ist schon sehr alt; es wurde sogar noch vor dem Weihnachtsfest im römischen Festkalender eingefiihrt. Im vierten Jahrhundert war es üblich, an diesem Tag in Rom drei hl. Messen zu feiern: eine in der Petersbasilika im Vatikan, eine in St. Paul vor den Mauern und die dritte in den Katakomben von S. Sebastiano, wo - laut Überlieferung — die Leichname der zwei Apostel während der Epoche der Invasionen eine Zeit lang versteckt worden sein sollen. Der hl. Petrus, Fischer aus Betsaida, wird von Christus dazu auserwählt, Grundstein der Kirche zu werden. Der hl. Paulus, auf dem Weg nach Damaskus wie vom Blitz getroffen, verwandelt sich von einem Christenverfolger in den Völkerapostel. Beide beschließen ihr irdisches Dasein mit dem Märtyrertod in Rom. Durch sie hat der Herr „der Kirche die Erstlingsffüchte des christlichen Glaubens gegeben“ (vgl. Gabengebet der Messe zu Ehren der Apostel). Der Papst beruft sich auf die Autorität dieser beiden „Säulen der Kirche“, wenn er in den offiziellen Dokumenten die Überlieferung auf ihren Ursprung bezieht, nämlich auf das von den Aposteln bewahrte und weitergegebene Wort Gottes. Im folgsamen Hören dieses Wortes wird die kirchliche Gemeinschaft in der Liebe vollendet, vereint mit dem Papst, den Bischöfen und der ganzen Priesterschaft (vgl. II. Hochgebet). 2. Gestern habe ich die Liturgie in der Peterskirche gefeiert: Unter den Zeichen, die diese Liturgie - nach einem festen Brauch - bereichert haben, ist auch der uralte Ritus der „Übergabe des Palliums“. Das Pallium ist ein kleines rundes Band in Stolaform, auf dem sich sechs Kreuze befinden. Es wird handgefertigt aus weißer Wolle von der Schur der Schafe, die jedes Jahr am 21. Januar, dem Fest der hl. Agnes, gesegnet werden. Der Papst überreicht des Pallium den in letzter Zeit ernannten Metropolitan-Erzbischöfen. Es steht für die Macht, die der Metropolit in Gemeinschaft mit der Kirche von Rom von Rechts wegen in seiner Kirchenprovinz erwirbt (vgl. CIC, can. 437, § 1). Die archäologischen und ikonographischen Zeugnisse sowie verschiedene schriftliche Dokumente erlauben es, diesen Ritus bis in die ersten Jahrhunderte der 86 AUDIENZEN UND ANGELUS christlichen Zeitrechnung zurückzudatieren. Wir stehen also vor einer uralten Tradition, die praktisch die ganze Kirchengeschichte begleitet hat. Unter den verschiedenen Bedeutungen dieses Ritus scheinen mir zwei besonders deutlich herauszuragen. An erster Stelle die besondere Beziehung der Metropolitan-Erzbischöfe zum Nachfolger Petri und, demnach, zu Petrus selbst. Das Pallium kommt vom Grab des Apostels - ewiges Gedenken an das Bekenntnis seines Glaubens an den Herrn Jesus -, und von ihm erhält es symbolische Kraft: Wer es trägt, wird sich selbst und die anderen an dieses innige und tiefe Verhältnis zur Person und Sendung Petri erinnern müssen. Das muss in allen Lebenssituationen geschehen, von der Lehre bis zur seelsorgerischen Leitung, von der Feier der Sakramente bis hin zum Dialog mit der Gemeinschaft. Sie sind auf diese Weise aufgerufen, zu den maßgeblichen Gestaltern der Einheit der Kirche zu gehören, die ihren Ausdruck im Bekenntnis des einen Glaubens und in brüderlicher Liebe findet. 3. Es gibt aber noch einen zweiten Wert, den die Übergabe des Palliums klar herausstellt. Das Lamm, das die Wolle für die Herstellung des Palliums geliefert hat, ist ein Symbol für das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf sich genommen und sich selbst hingegeben hat, um die Menschheit loszukaufen. Christus, Lamm und Hirte, wacht immer über seine Herde und vertraut sie der Fürsorge jener Menschen an, die Ihn durch das Sakrament vertreten. Das Pallium mit seiner weißen Wolle ist eine Erinnerung an die Unschuld des Lebens, und mit der Reihe der sechs Kreuze ist es ein Verweis auf die tägliche Treue zum Herrn, falls nötig bis zum Martyrium. Wer das Pallium trägt, muss also in einzigartiger und ständiger Gemeinschaft mit dem Herrn leben, die von reinen Absichten und Taten und von großherzigem Dienst und Zeugnis geprägt ist. Mit herzlicher Zuneigung begrüße ich die Metropolitan-Erzbischöfe, die gestern das Pallium erhalten haben, und auch jene, die heute bei dieser Audienz anwesend sind. Euch alle, liebe Brüder und Schwestern, die ihr diese Erzbischöfe begleitet, möchte ich auffordem, für eure Hirten zu beten. Dem Guten Hirten empfehlen wir diese meine verehrten Brüder im Bischofsamt, damit sie jeden Tag in ihrer Treue zum Evangelium wachsen und „Vorbilder für die Herde“ (7 Petr 5,3) sind. Maria, Mutter der Kirche, schütze alle, die zur Leitung des Christenvolkes berufen sind, und erwirke für alle Jünger Christi die kostbare Gabe der Liebe und der Einheit. In deutscher Sprache sagte der Papst: Hochfest der Apostelfürsten Liebe Schwestern und Brüder! Gestern hat die Kirche das Hochfest der Apostel Petrus und Paulus begangen. Die Liturgie feiert die sogenannten Apostelfürsten zusammen am gleichen Tag, obwohl sie von ihrer Persönlichkeit und von ihrer Kultur her sehr unterschiedlich sind. Die 87 AUDIENZEN UND ANGELUS göttliche Vorsehung aber hat beide nach Rom geführt, wo sie ihr Leben für Jesus Christus hingegeben haben. Von alters her ist mit dem Gedächtnis der beiden Apostel die Übergabe der Pallien an die Metropoliten und Erzbischöfe verbunden. Diese kleinen Stolen aus Wolle erhalten ihre Symbolkraft vom Petrusgrab. Sie erinnern die Träger an die enge Verbindung mit dem Nachfolger des hl. Petrus. Sie stehen alle in der Nachfolge der Apostel und sind von Gott als Hirten zur Führung der Gläubigen bestellt. Maria, die Mutter der Kirche, möge die Hirten des Volkes Gottes beschützen. Sie erflehe allen Jüngern Jesu Christi das wunderbare Geschenk der Liebe und der Einheit. Sehr herzlich grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Insbesondere heiße ich die katholischen Angestellten der Christlichen Partei Niederösterreichs willkommen. Außerdem entbiete ich allen Schülerinnen und Schülern einen herzlichen Gruß. Gern erteile ich euch und euren Lieben daheim sowie allen, die über Radio Vatikan oder das Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen. Zum Tod von Patriarch Karekin I. Mit großem Schmerz habe ich die Nachricht vom Tode Seiner Heiligkeit Karekin I., Höchster Patriarch und Katholikos aller Armenier, erhalten. In tiefer Zuneigung war ich ihm verbunden. Ich hatte die Möglichkeit, ihm bei den beiden Besuchen, die er mir in diesen Jahren gemacht hat, persönlich zu begegnen, und hatte dabei Gelegenheit, seine geistliche Gestalt zu bewundern, seine innige Liebe zur Kirche und seine Einsatzbereitschaft für die Einheit aller Christen im einzigen Schafgehege Christi. Gerne hätte ich ihm einen brüderlich freundschaftlichen Besuch gemacht, aber die Umstände haben es nicht zugelassen. Gestern, während der feierlichen Liturgie in der Vatikanbasilika zum Hochfest der hll. Petrus und Paulus, wurde auch für ihn gebetet. Ich lade euch alle ein, euch mit mir zu verbinden im fürbittenden Gebet zum Herrn für die Seele dieses ausgezeichneten Hirten: Nehme Gott ihn zu sich in die Gemeinschaft der Heiligen des Himmels. Gleichzeitig bekunde ich der Mutterkirche von Etchmiadzin, der Armenischen Apostolischen Kirche und dem armenischen Volk mein aufrichtiges Beileid zum Tod des so herausragenden Patriarchen. 88 A UDIENZEN UND ANGELUS Neue Wallfahrtsstätte in Rom - Zeichen für zeitgemäße Marienverehrung Angelus am 4. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am Schluss dieser Feier ist das Gefühl der Dankbarkeit gegenüber Gott in unseren Gedanken lebendig. In seiner Vorsehung hat er die menschlichen Bemühungen unterstützt, so dass wir jetzt vor den Toren Roms und auf der Schwelle zum Großen Jubeljahr ein neues Marienheiligtum haben, an einem Ort, der den Bewohnern von Rom und Latium lieb und teuer ist. Mit Bewegtheit erinnere ich mich an meinen ersten Besuch als Bischof von Rom beim „Santuario del Divino Amore“ im Jahr 1979 vor zwanzig Jahren. Damals wurde mir ein kleiner goldener Ölzweig geschenkt, damit ich ihn der Madonna von Tschenstochau bringe: Zu ihren Füßen habe ich noch vor wenigen Tagen, zum Abschluss meiner Polenreise, im Gebet verweilt. Dieser goldene Ölzweig bewirkt gewissermaßen eine spirituelle Bindung zwischen diesem „Santuario del Divino Amore“, das so eng mit Rom verbunden ist, und dem von Jasna Göra, dem Symbol meiner Heimat auf Erden. Heute gehen meine Gedanken gern zu den vielen Marienwallfahrtsorten, zu denen ich im Laufe meines einundzwanzigjährigen Pontifikats gepilgert bin. Welche Freude wird es für mich sein, wenn ich mich nächstes Jahr nach Nazaret begeben kann, dorthin, wo „das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“ (vgl. Joh 1,14). 2. In diesem „Santuario del Divino Amore“ wird vom 15. bis 24. September 2000 der XX. Internationale Mariologisch-Marianische Kongress über das Thema „Das Geheimnis der Dreifaltigkeit und Maria“ stattfinden. Ich freue mich darüber, dass die Überlegungen über die einzigartige Rolle Marias im Geheimnis Christi und der Kirche im Lichte des II. Vatikanischen Konzils immer weiter entwickelt werden. Diese Vertiefung hat ihre Wurzeln in der Marienverehrung des Volkes; gleichzeitig trägt sie zu deren Förderung, Erhöhung und Läuterung bei. Mein Wunsch ist, dass die Verehrung der Muttergottes jedem Gläubigen helfe, die wahre Bedeutung des nahen Jubeljahrs zu verstehen und sich der Barmherzigkeit Gottes innerlich zu öffnen. 3. 0 Maria, geliebte Braut der göttlichen Liebe, segne diesen Ort und die Pilger, die hierher kommen, allezeit mit deiner mütterlichen Gegenwart. Erwirke der Stadt Rom, Italien und der Welt das Geschenk des Friedens, den dein Sohn Jesus denen, die an ihn glauben, als Erbe hinterlassen hat Gib, o unsere Mutter, dass niemand je zu diesem Heiligtum gelangt, ohne die tröstende Sicherheit der Liebe Gottes in seinem Herzen zu empfangen. Amen. 89 AUDIENZEN UND ANGELUS Gericht und Erbarmen Generalaudienz am 7. Juli 1. Im Psalm 116 ist zu lesen: „Der Herr ist gnädig und gerecht, unser Gott ist barmherzig“ (V. 5). Auf den ersten Blick scheinen Gericht und Erbarmen zwei unvereinbare Wirklichkeiten, oder wenigstens scheint die zweite nur dann zur ersten zu passen, wenn diese ihre unerbittliche Kraft abschwächt. Man muss aber die Logik der Heiligen Schrift begreifen, die sie aneinander bindet, ja noch mehr: sie auf eine Weise darstellt, dass die eine ohne die andere nicht bestehen kann. Der Sinn der göttlichen Gerechtigkeit wird im Allen Testament fortschreitend erfasst - ausgehend von der Situation jenes Menschen, der richtig gehandelt hat und sich ungerechterweise bedroht fühlt. Er findet dann in Gott Zuflucht und Verteidigung. Diese Erfahrung kommt in den Psalmen öfter zum Ausdruck; zum Beispiel bekräftigen sie: „Ich weiß, der Herr fuhrt die Sache des Armen, er verhilft den Gebeugten zum Recht. Deinen Namen preisen nur die Gerechten, vor deinem Angesicht dürfen nur die Redlichen bleiben“ (.Ps 140,13-14). Der Einsatz zugunsten der Unterdrückten wird von der Schrift vor allem als Gerechtigkeit aufgefasst, das heißt, als Treue Gottes zu den dem Volk Israel gemachten Heilsversprechen. Diese Gerechtigkeit Gottes kommt von der unentgeltlichen und barmherzigen Initiative, mit der er sich in einem ewigen Bund an sein Volk gebunden hat. Gott ist gerecht, weil er rettet und auf diese Weise sein Versprechen erfüllt, während das Gericht über die Sünder und die Gotteslästerer nur die Kehrseite seines Erbarmens ist. Ein aufrichtig reuiger Sünder kann immer auf diese barmherzige Gerechtigkeit vertrauen (vgl. Ps 51,6.16) Angesichts der Schwierigkeit, Gerechtigkeit bei den Menschen und in ihren Einrichtungen zu finden, bahnt sich in der Bibel ein Weg zu der Sichtweise an, dass die Gerechtigkeit sich nur in der Zukunft vollkommen realisieren wird, und zwar durch das Werk einer geheimnisvollen Persönlichkeit, die allmählich deutlicher „messianische“ Züge annehmen wird: ein König oder Königssohn (vgl. Ps 72,1), ein Reis, das „aus dem Baumstumpfisais“ hervorwächst (vgl. Jes 11,1), ein „gerechter Spross“ aus dem Hause Davids (vgl. Jer 23,5) 2. Die Gestalt des Messias, die in vielen Texten und vor allem in den Büchern der Propheten angedeutet wird, nimmt vom Gesichtspunkt des Heils aus die Funktionen der Regiemng und des Gerichts für das Wohlergehen und das Wachstum der Gemeinschaft und ihrer einzelnen Bestandteile an. Die richterliche Funktion wird gegenüber Guten und Bösen ausgeübt, die zusammen vor dem Gericht erscheinen werden, wo der Triumph der Gerechten sich in Schrecken und Verwunderung für die Gotteslästerer verwandelt (vgl. Weish 4,20-5,23; vgl. Dan 12,1-3). Das dem „Menschensohn“ anvertraute Gericht hat in der apokalyptischen Anschauung des Buches Daniel die Wirkung eines Sieges des Volkes der Heiligen des Höchsten über die Ruine der Reiche dieser Erde (vgl. Dan 7; besonders V. 18 und 27). 90 A UDIENZEN UND ANGEL US Aber auch wer sich ein wohlwollendes Urteil erwarten darf, ist sich seiner Grenze bewusst. So wächst das Bewusstsein, dass es ohne die Gnade Gottes unmöglich ist, gerecht zu sein, wie der Psalmist bestätigt: „Herr, ... erhöre mich in deiner Gerechtigkeit! Geh mit deinem Knecht nicht ins Gericht; denn keiner, der lebt, ist gerecht vor dir“ (Ps 143,1-2). 3. Die gleiche, gmndlegende Logik findet sich im Neuen Testament wieder, wo das Gottesgericht an das Heilswerk Christi gebunden ist. Jesus ist der Menschensohn, dem der Vater die Macht zu richten übertragen hat. Er wird die richten, die aus den Gräbern hervorkommen, und dabei diejenigen, die zum Leben auferstehen, von denen absondem, die zum Gericht auferstehen (vgl. Joh 5,26-30). Der Evangelist Johannes weist aber auch daraufhin, dass „Gott seinen Sohn nicht in Welt gesandt hat, damit er die Welt richtete, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“ (vgl. Joh 3,17). Nur wer das von Gott in seinem grenzenlosen Erbarmen angebotene Heil ablehnt, wird verurteilt werden, weil er sich schon selbst verurteilt haben wird. 4. Paulus vertieft den Begriff der „Gerechtigkeit Gottes“, die durch den „Glauben an Jesus Christus, offenbart für alle, die glauben“, verwirklicht wird, im heilsgeschichtlichen Sinn. Die Gerechtigkeit Gottes ist ganz eng mit dem Geschenk der Versöhnung verbunden: Wenn wir uns durch Christus mit dem Vater versöhnen lassen, können auch wir in ihm Gerechtigkeit Gottes werden (vgl. 2 Kor 5,18-21). Gericht und Erbarmen werden auf diese Weise als zwei Dimensionen desselben Liebesgeheimnisses verstanden: „Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen, um sich aller zu erbarmen“ (Röm 11,32). Die Liebe, die der göttlichen Einstellung zugrunde liegt und zu einer Haupttugend der Gläubigen werden muss, bringt uns also dazu, mit Vertrauen auf den Tag des Gerichts zu blicken und jede Angst auszuschließen (vgl. 1 Joh 4,18). In Nachahmung diesen göttlichen Gerichts muss auch das menschliche nach einem Gesetz der Freiheit ausgeübt werden, in dem die Barmherzigkeit vorherrschen muss: „Darum redet und handelt wie Menschen, die nach dem Gesetz der Freiheit gerichtet werden. Denn das Gericht ist erbarmungslos gegen den, der kein Erbarmen gezeigt hat. Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht“ (Jak 2,12-13). 5. Gott ist der Vater des Erbarmens und allen Trostes. In der fünften Bitte des Gebets schlechthin, nämlich des Vater Unser, beginnt „unsere Bitte mit einer ,Beichte, in der wir zugleich unser Elend und Gottes Barmherzigkeit bekennen“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2839). Jesus hat uns die Fülle des Erbarmens des Vaters offenbart und uns auf diese Weise gelehrt, dass man zu diesem so gerechten und barmherzigen Vater nur durch die Erfahrung der Barmherzigkeit, die unsere Beziehungen zu den Nächsten auszeichnen muss, Zugang hat. „Diese Barmherzigkeit kann nicht in unser Herz ein-dringen, bevor wir nicht unseren Schuldiger vergeben haben ... Wenn wir uns weigern, den Brüdern und Schwestern zu vergeben, verschließt sich unser Herz 91 A UDIENZEN UND ANGELUS und seine Härte wird undurchdringbar für die barmherzige Liebe des Vaters (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2840). Heil - Werk der Barmherzigkeit Gottes Liebe Schwestern und Brüder! Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sind das Thema unserer heutigen Katechese. Auf den ersten Blick sind diese beiden Begriffe schwer miteinander in Einklang zu bringen. Das Alte Testament lehrt vor allem Gottes Gerechtigkeit. Besonders ausgeprägt ist dabei der Gedanke von der Gerechtigkeit des Messias. Dieser ist es, der richten wird über Lebende und Tote. Kein Mensch ist dieser Gerechtigkeit gewachsen. So lesen wir in den Psalmen (vgl. Ps 143,1-2). Im Neuen Testament wird diese Sicht fortgeführt, der göttliche Richterdienst gehört zum Erlösungswerk Christi. Aber der Blick weitet sich, wie Johannes betont: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerichtet wird“ (Joh 3,17). Das Heil wird gesehen als Werk der Barmherzigkeit Gottes. Derjenige, der dieses Heil zurückweist, richtet sich selbst. Die Gerechtigkeit Gottes steht im engen Zusammenhang mit der Versöhnung: Wem wir durch Christus mit dem Vater versöhnt werden, können wir auch in ihm Gerechtigkeit Gottes werden (vgl. 2 Kor 5,18-21). Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders heiße ich eine Gmppe der Katharinenschwestem willkommen. Zusammen mit ihrer Generaloberin sind sie nach Rom gekommen, um in einem Triduum für die Seligsprechung ihrer Gründerin Regina Protmann zu danken. Euch, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Der Himmel als Fülle des Vertrautseins mit Gott Generalaudienz am 21. Juli 1. Wem diese Welt vergangen sein wird, werden sich die, die Gott in ihrem Leben angenommen haben und für seine Liebe - zumindest in der Todesstunde - aufrichtig offen gewesen sind, an jener Fülle der Gemeinschaft mit Gott erfreuen körnen, die das Ziel des menschlichen Daseins ist. Wie der Katechismus der Katholischen Kirche lehrt, wird „dieses vollkommene Leben mit der allerheiligsten Dreifaltigkeit, diese Lebens- und Liebesgemeinschaft mit ihr, mit der Jungfrau Maria, den Engeln und allen Seligen ,der Himmel1 genamt. Der Himmel ist das letzte Ziel und die Erfüllung der tiefsten Sehnsüchte des Menschen, der Zustand höchsten, endgültigen Glücks“ (Nr. 1024). Wir wollen 92 A UDIENZEN UND ANGEL US heute versuchen, den biblischen Sinn von „Himmel“ zu erfassen, um die Wirklichkeit besser begreifen zu können, auf die dieser Ausdruck verweist. 2. Im biblischen Sprachgebrauch ist der „Himmel“, wenn er mit der „Erde“ verbunden ist, ein Teil des Universums. In Bezug auf die Schöpfung sagt die Schrift: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (Gen 1,1). Im übertragenen Sinn wird der Himmel verstanden als Wohnung Gottes, der sich dadurch von den Menschen unterscheidet (vgl. Ps 104,2 f.; 115,16; Jes 66,1). Von der Höhe des Himmels schaut er herab und richtet er (vgl. Ps 113,4-9) und steigt herab, wenn er angerufen wird (vgl. Ps 18,7.10; 144,5). Dennoch macht die biblische Metaphorik gut verständlich, dass Gott sich weder mit dem Himmel identifiziert noch dass er in den Himmel eingeschlossen werden kann (vgl. 1 Kön 8,27); und das ist wahr, auch wenn in einigen Textabschnitten des ersten Buches der Makkabäer „der Himmel“ einfach ein Name Gottes ist (1 Makk 3,18.19.50.60; 4,24.55). Zu der Darstellung des Himmels als transzendenter Aufenthaltsort des lebendigen Gottes tritt auch diejenige hinzu von einem Ort, zu dem auch die Gläubigen durch Gnade aufsteigen können, wie aus dem Alten Testament durch das Leben Henochs (vgl. Gen 5,24) und Elijas (vgl. 2 Kön 2,11) hervorgeht. Der Himmel wird so zum Bild für das Leben in Gott. In diesem Sinn spricht Jesus vom „Lohn im Himmel“ (Mt 5,12) und fordert auf, „Schätze im Himmel zu sammeln“ (Mt 6,20; vgl. 19,21). 3. Das Neue Testament vertieft die Vorstellung vom Himmel auch in bezug auf das Mysterium Christi. Um zu zeigen, dass das Opfer des Erlösers vollkommenen und endgültigen Wert annimmt, bestätigt der Brief an die Hebräer, dass Christus „die Himmel durchschritten hat“ (Hebr4,\4) und „nicht in ein von Menschenhand errichtetes Heiligtum hineingegangen (ist), in ein Abbild des wirklichen, sondern in den Himmel selbst“ (Hebr 9,24). Die Glaubenden, die auf eine besondere Weise vom Vater geliebt werden, werden mit Christus auferstehen und Bewohner des Himmels werden. Es lohnt sich zu hören, was diesbezüglich der Apostel Paulus uns in einem sehr eindringlichem Text mitteilt: „Gott aber, der voll Erbarmen ist, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus wieder lebendig gemacht. Aus Gnade seid ihr gerettet. Er hat uns mit Christus Jesus auferweckt und uns zusammen mit ihm einen Platz im Himmel gegeben. Dadurch, dass er in Christus Jesus gütig an uns handelte, wollte er den kommenden Zeiten den überfließenden Reichtum seiner Gnade zeigen“ (Eph 2,4—7). Die Menschen erfahren das Vatersein Gottes, das reich an Erbarmen ist, durch die Liebe des Gottessohnes, der gekreuzigt wurde und auferstanden ist. Er sitzt als Herr im Himmel zur Rechten des Vaters. 4. Die Teilhabe am erfüllten Vertrautsein mit dem Vater nach Ablauf unseres irdischen Lebens geschieht durch die Einbeziehung in das österliche Geheimnis Christi. Der hl. Paulus betont diesen unseren Gang zu Christus in den Himmel am Ende des Leidens mit lebendiger, räumlicher Bildhaftigkeit: „Dann werden wir, die Lebenden, die noch übrig sind, zugleich mit ihnen auf den Wolken in die Luft ent- 93 AUDIENZEN UND ANGELUS rückt, dem Herrn entgegen. Dann werden wir immer beim Herrn sein. Tröstet also einander mit diesen Worten“ (7 Thess 4,17-18). In dem Bild der Offenbarung wissen wir, dass der „Himmel“ oder die „Seligkeit“, in der wir sein werden, weder abstrakte Begriffe noch physische Orte zwischen den Wolken sind, sondern eine lebendige und persönliche Beziehung zur Heiligen Dreifaltigkeit. Es ist die Begegnung mit dem Vater, die sich im auferstandenen Christus durch die Gemeinschaft des Heiligen Geistes verwirklicht. Es ist nötig, immer eine gewisse Nüchternheit beizubehalten, wenn man diese „letzten Wirklichkeiten“ beschreibt, weil ihre Wiedergabe immer unangemessen bleibt. Heutzutage gelingt es der personalistischen Sprache auf weniger unangemessene Weise, die Situation der Glückseligkeit und des Friedens auszudrücken, in der sich die endgültige Gemeinschaft mit Gott festigen wird. Der Katechismus der Katholischen Kirche fasst die kirchliche Lehre bezüglich dieser Wahrheit zusammen und bekräftigt, dass „durch seinen Tod und seine Auferstehung ... uns Jesus Christus den Himmel,geöffnet4 [hat]. Das Leben der Seligen besteht im Vollbesitz der Früchte der Erlösung durch Christus. Dieser läßt jene, die an ihn geglaubt haben und seinem Willen treu geblieben sind, an seiner himmlischen Verherrlichung teilhaben. Der Himmel ist die selige Gemeinschaft all derer, die völlig in ihn eingegliedert sind“ (Nr. 1026). 5. Diese endgültige Situation kann allerdings in gewisser Weise heute vorweggenommen werden, sei es im sakramentalen Leben, dessen Zentrum die Eucharistie ist, oder sei es in der Hingabe seiner selbst durch die brüderliche Nächstenliebe. Wenn wir uns an den Gütern recht erfreuen können, die uns der Herr jeden Tag schenkt, werden wir gewiss diese Freude und diesen Frieden erfahren, deren wir uns eines Tages vollkommen erfreuen werden. Wir wissen, dass in diesem irdischen Lebensabschnitt alles im Zeichen der Grenze steht. Dennoch hilft uns der Gedanke an die „letzte“ Wirklichkeit, um gut in der „vorletzten“ Wirklichkeit zu leben. Wir sind uns bewusst dass wir, während wir in dieser Welt unterwegs sind, berufen sind, „nach dem (zu suchen), was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt“ (Kol 3,1), um mit ihm in der eschatologischen Erfüllung zu sein, wenn er im Geist „alles im Himmel und auf Erden“ (Kol 1,20) mit dem Vater wieder vollkommen vereinigen wird. In deutscher Sprache sagte der Papst: Sehr herzlich grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Insbesondere heiße ich die Schülerinnen und Schüler willkommen und wünsche ihnen schöne und erholsame Ferien. Gern erteile ich Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die über Radio Vatikan oder das Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen. 94 A UDIENZEN UND ANGEL US Stellenwert der älteren Menschen in der Gesellschaft überdenken Angelus in Castel Gandolfo am 25. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Morgen feiert die Liturgie den hl. Joachim und die hl. Anna. Deren Überlieferung geht zurück auf das apokryphe Evangelium des Jakobus, das sie als Eltern der hl. Jungfrau Maria verehrt. Dieser Umstand veranlasst mich, dem fortgeschrittenen Lebensalter und seiner Bedeutung einige Worte zu widmen, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass 1999 das Internationale Jahr der alten Menschen ist. Die sogenannte „Dritte Lebensphase“ ist vor allem ein Wert an sich, allein durch die Tatsache, dass das Leben länger wird, und das Leben ist ein Geschenk Gottes. Es ist außerdem Träger besonderer „Talente“, und dank des Reichtums an Erfahrungen, Kenntnissen und Ansichten, die der ältere Mensch hütet. Deshalb ist , Alter“ in allen Kulturen ein Synonym für Weisheit und Ausgewogenheit. Mit seiner eigenen Anwesenheit erinnert der ältere Mensch alle, besonders die Jugendlichen, dass das Leben auf der Erde wie eine „Parabel“ mit einem eigenen Anfang und einem eigenen Ende ist: um seine Fülle zu finden, fordert es auf, sich nicht auf flüchtige und oberflächliche, sondern auf echte und tiefe Werte zu beziehen. 2. In den industriell und technisch hochentwickelten Gesellschaften sind die Bedingungen für ältere Menschen zwiespältig: auf der einen Seite sind sie immer weniger eingebunden in das familiäre und soziale Gefüge; auf der anderen Seite hingegen spielen sie eine immer wichtigere Rolle, vor allem bei der Fürsorge und der Erziehung der Enkel. Die jungen Paare finden in der Tat in den „Großeltern“ eine oft unentbehrliche Hilfe. Einerseits also sind die älteren Menschen an den Rand gedrängt und andererseits sind sie gesucht. All dies zeigt das typische Ungleichgewicht eines sozialen Modells, das von der Ökonomie und dem Profit beherrscht wird und danach strebt, die „nicht produktiven“ Gruppen zu bestrafen, indem es die Menschen mehr nach ihrer Nützlichkeit als nach ihnen selbst bewertet. 3. In diesem Zusammenhang ist es äußerst notwendig, aus den frischen Quellen der göttlichen Offenbarung die Wahrheit über den Menschen, besonders über die älteren Menschen, zu schöpfen. In der Heiligen Schrift ist das Alter umgeben von Verehrung (vgl. 2 Makk 6,23). Der Gerechte verlangt nicht, von seinem Alter und dessen Last befreit zu sein; im Gegenteil, so bittet er: „Herr, mein Gott, du bist ja meine Zuversicht, meine Hoffnung von Jugend auf... Auch wenn ich alt und grau bin, o Gott, verlass mich nicht, damit ich von deinem machtvollen Arm der Nachwelt künde, den kommenden Geschlechtern von deiner Stärke“ (Ps 71[70],5.18). An den Schwellen des Neuen Testaments sind es eben Joachim und Anna, die die Ankunft des Messias vorbereiten, indem sie Maria als Geschenk Gottes annehmen 95 A UDIENZEN UND ANGELUS und sie der Welt darreichen als unbefleckte ,Arche des Heils“. Nach dem apokryphen Evangelium des Jakobus wurden sie ihrerseits von der hl. Familie aus Nazaret aufgenommen und verehrt, die so Beispiel für zuvorkommenden Beistand in ihren Auseinandersetzungen wird. Vom hl. Joachim, von der hl. Anna und vor allem von ihrer hocherhabenen Tochter, der Mutter des Heilands, erbitte ich Verständnis für die Liebe zu den älteren Menschen, damit in unserer Gesellschaft jede Familie, in allen ihren Bestandteilen, „die Liebe hüten, offenbaren und mitteilen“ (Familiaris consortio, Nr. 17) kann. Nach dem Angelus sagte der Papst: Dies ist der erste Sonntag, den ich nach meiner Rückkehr aus dem Aostatal in Castel Gandolfo verbringe. Deshalb möchte ich vor allem einen herzlichen Gruß an den Bürgermeister und an die lieben Bürger von „Castello“ richten, bei denen ich mich wie gewöhnlich bis zum Ende des Sommers aufhalten werde. Ich freue mich, dass meine Ankunft mit dem jährlichen „Fest der Pfirsiche“ zusammenfällt. Dies gibt mir die Möglichkeit, einen besonderen Wunsch für alle die zum Ausdruck zu bringen, die in dieser Jahreszeit damit beschäftigt sind, die kostbaren Früchte der Erde zu ernten. Die Hölle - endgültige Absage an Gott Generalaudienz am 28. Juli 1. Gott ist ein unendlich guter und barmherziger Vater. Aber der Mensch, berufen, ihm in Freiheit zu antworten, kann sich leider dafür entscheiden, dessen Liebe und Vergebung zurückzuweisen. Er entzieht sich so für immer der freudvollen Gemeinschaft mit ihm. Tatsächlich ist dieser tragische Augenblick von der christlichen Glaubenslehre dargelegt, wenn sie vom Verderben oder von der Hölle spricht. Es handelt sich nicht um eine von außen verhängte Strafe Gottes, sondern um eine Entwicklung von Voraussetzungen, die schon vom Menschen in diesem Leben geschaffen wurden. Dieselbe Dimension an Unglück, die dieser dunkle Zustand mit sich bringt, kann in bestimmter Weise durch das Licht einiger unserer schrecklichen Erfahrungen erahnt werden, die das Leben, wie man gewöhnlich sagt, zur „Hölle“ machen. Im theologischen Sinn ist die Hölle dennoch etwas anderes: es ist die letzte Auswirkung der Sünde selbst, die wieder auf den zurückfallt, der sie begangen hat. Es ist die Situation, in die sich endgültig der stellt, der die Barmherzigkeit des Vaters auch im letzten Augenblick seines Lebens zurückweist. 2. Um diese Wirklichkeit zu beschreiben, bedient sich die Heilige Schrift einer symbolischen Sprache, die sie nach und nach präzisieren wird. Im Alten Testament war der Zustand der Toten noch nicht ganz durch die Offenbarung erhellt. Tatsächlich dachte man häufig, dass die Toten im „Sheol“ (Totenreich) aufgenommen 96 A UDIENZEN UND ANGEL US werden würden, ein Ort der Finsternis (vgl. Ez 28,8; 31,14; Ijob 10,21 f.; 38,17; Ps 30,10; 88,713), eine Versenkung, aus der man nicht aufsteigt (vgl. Ijob 7,9), ein Ort, an dem es unmöglich ist, Gott zu preisen (vgl. Jes 38,18; Ps 6,6). Das Neue Testament wirft ein neues Licht auf den Zustand der Toten, vor allem durch seine Verkündigung, dass Christus durch seine Auferstehung den Tod besiegt und seine erlösende Macht auch im Reich der Toten verbreitet hat. Die Erlösung bleibt dennoch ein Heilsangebot, das dem Menschen zukommt, es in Freiheit aufzunehmen. Darum wird jeder „nach seinen Werken“ {Offb 20,13) beurteilt werden. Das Neue Testament greift auf Bilder zurück und stellt den für die Urheber des Bösen bestimmten Ort als ein glühendes Feuer dar, wo „sie heulen und mit den Zähnen knirschen werden“ {Mt 13,42; vgl. 25,30.41), oder als „Ge-henna“ (Strafstätte) vom „nie erlöschenden Feuer“ (Mk 9,43). Dies alles ist erzählerisch im Gleichnis vom reichen Verschwender ausgedrückt, in dem verdeutlicht wird, dass die Unterwelt ein Ort endgültiger Strafe ist, ohne Möglichkeit zurückzukehren oder den Schmerz zu mildem (vgl. Lk 16,19-31). Auch die Offenbarung stellt anschaulich in einem „Feuersee“ jene dar, die sich dem Buch des Lebens entziehen und so „dem zweiten Tod“ {Offb 20,13 f.) entgegengehen. Wer also darauf besteht, sich nicht dem Evangelium zu öffnen, stellt sich auf „ewiges Verderben, fern vom Angesicht des Herrn und von seiner Macht und Herrlichkeit“ (2 Thess 1,9) ein. 3. Die Bilder, durch welche die Heilige Schrift uns die Hölle darstellt, müssen richtig gedeutet werden. Sie zeigen die ganze Vereitelung und Leere eines Lebens ohne Gott. Die Hölle stellt mehr als einen Ort dar, nämlich die Situation, in der sich jener wiederfmden wird, der sich freiwillig und endgültig von Gott, Quelle des Lebens und der Freude, entfernt. So fasst der Katechismus der Katholischen Kirche die Aussagen des Glaubens über dieses Thema zusammen: „In Todsünde sterben, ohne diese bereut zu haben und ohne die barmherzige Liebe Gottes anzunehmen, bedeutet, durch eigenen freien Entschluss für immer von ihm getrennt zu bleiben. Diesen Zustand der endgültigen Selbstausschließung aus der Gemeinschaft mit Gott und den Seligen nennt man „Hölle“ (Nr. 1033). Das „Verderben“ wird deshalb nicht der Veranlassung Gottes zugeschrieben, weil er in seiner barmherzigen Liebe nichts anderes als das Heil derer will, die von ihm geschaffen wurden. In Wirklichkeit ist es die Kreatur, die sich seiner Liebe verschließt. Die „Verdammnis“ besteht wirklich aus der endgültigen Entfremdung von Gott, die vom Menschen gewählt und mit dem Tod bestärkt wurde, der jene freie Wahl für immer besiegelt. Das Gottesurteil bestätigt diesen Zustand. 4. Der christliche Glaube lehrt, dass in dem Wagnis des „Ja“ und des „Nein“, welche die Freiheit der Geschöpfe kennzeichnet, schon einer nein gesagt hat. Es handelt sich um geistige Kreaturen, die sich der Liebe Gottes widersetzen und Dämonen genannt werden (vgl. 4. Laterankonzil DS, 800-801). Für uns menschliche Wesen klingt ihr Schicksal wie eine Ermahnung: es ist ein beständiger Aufruf, die 97 AUDIENZEN UNDANGELUS Tragödie zu vermeiden, in der die Sünde mündet, und unsere Existenz nach der von Jesus zu formen, die sich im Zeichen des „Ja“ zu Gott entfaltet. Die Verdammnis bleibt eine wirkliche Möglichkeit. Aber uns ist es nicht bestimmt, sie zu kennen, ohne besondere göttliche Offenbarung, wann und welche menschlichen Wesen wirklich darin verwickelt sind. Die Vorstellung von der Hölle - um so weniger der unangebrachte Gebrauch der biblischen Bilder - darf keine Psychosen oder Ängste hervorrufen, sondern stellt eine notwendige und heilsame Ermahnung an die Freiheit dar, an das Innere der Verkündigung, dass der auferstandene Jesus den Satan besiegt hat und uns den Geist Gottes gegeben hat, der uns rufen lässt: „Abba, Vater“ (Röm 8,15; Gal 4,6). Diese hoffnungsvolle Aussicht überwiegt in der christlichen Verkündigung. Sie spiegelt sich eindrucksvoll in der liturgischen Überlieferung der Kirche wider, wie zum Beispiel die Worte des Römischen Messkanons bezeugen: „Nimm gnädig an, o Gott, diese Gaben deiner Diener und deiner ganzen Gemeinde ... rette uns vor dem ewigen Verderben und nimm uns auf in die Schar deiner Erwählten.“ In deutscher Sprache sagte der Papst: Hölle - Leben ohne Gott Liebe Schwestern und Brüder! Gott ist ein unendlich guter und barmherziger Vater. Aber der Mensch in seiner Freiheit kann seine Liebe und seine Vergebung endgültig ablehnen und sich somit seiner Gemeinschaft für immer entziehen. Diese tragische Situation wird von der christlichen Lehre als „Verdammnis“ oder „Hölle“ bezeichnet. Die Bilder, mit denen die Heilige Schrift die Hölle darstellt, müssen richtig interpretiert werden. Sie wollen die völlige Leere eines Lebens ohne Gott aufzeigen. Die Hölle meint nicht so sehr einen bestimmten Ort, sondern vielmehr die Situation dessen, der sich frei und endgültig von Gott entfernt hat. Der Gedanke an die Hölle soll uns nicht in Angst versetzen, denn wir sind aufgerufen, unseren Lebensweg frohgemut mit Jesus Christus zu gehen, der den Satan und den Tod für immer besiegt hat. Dieser Glaube voller Hoffnung ist der Kern der christlichen Verkündigung. Ferien — Ausspannen und Auftanken Angelus in Castel Gandolfo am 1. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am heutigen Sonntag beginnt der Monat August, der zumindest in Italien und Europa den wichtigsten Abschnitt der Sommerferien darstellt. Es handelt sich hierbei um einen allgemeinen gesellschaftlichen Brauch, obwohl die sozioökonomi-schen Entwicklungen eine breitere Streuung der Ferien über das ganze Jahr mit 98 AUDIENZEN UND ANGELUS sich bringen. In nicht wenigen Ländern ist der August also der Monat, in dem die Menschen, die in der Feme arbeiten, nach Hause zurückkehren und die Familien sich vollzählig zusammenfmden, nicht selten zur selben Zeit von traditionsreichen religiösen Feierlichkeiten oder Patronatsfesten. Meine Gedanken gehen in dieser Ferienzeit daher auch zuerst zu den Familien. Wie oft leiden sie unter den negativen Auswirkungen der hektischen Arbeitsrhythmen, besonders in den Großstädten! Wie schwierig ist es doch oft, ein ruhiges Klima und eine entspannte Atmosphäre zu finden, um die innige Zusammengehörigkeit zu genießen, um miteinander zu reden und um die Bedürfnisse und Pläne eines jeden zur Sprache zu bringen! Die Ferien kommen also wie gerufen vor allem, um diese Lücken an „Menschlichkeit“, um es mal so zu sagen, an Frieden und an Zusammenleben zu füllen. 2. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass die Ferien auch wirklich eine Zeit des menschlichen Wiederauftankens sind, wo man - fern von dem normalen Lebensumfeld - sich selbst und die anderen in einer ausgeglichenen und ruhigeren Dimension wiederfinden kann. In dieser Hinsicht ist zweifellos die Feststellung interessant, dass immer mehr Einzelpersonen und Familien die Ferien nutzen, um einige Tage an den sogenannten „Stätten des Geistes“ zu verbringen: Klöster, Wallfahrtsorte, Einsiedeleien, Exerzitienhäuser. Fast immer vereinen diese Orte die Naturschönheit ihrer Umgebung mit der Möglichkeit, aus der Begegnung mit Gott in der Betrachtung und der Stille, im Gebet und in der Kontemplation geistlichen Reichtum zu schöpfen. Dies ist gewiss ein gesunder Trend. Es wäre wünschenswert, dass er nicht auf die Ferienzeit beschränkt bliebe, sondern in angemessener Form die Alltagstätigkeit auch in anderen Zeiten des Jahres begleitete. Die wahre Herausforderung liegt nämlich im Erhalt der inneren Harmonie, damit der tägliche Lebensrhythmus immer jene übernatürliche Dimension beibehält, die jeder von uns braucht. 3. Heute empfehlen wir dem Schutz der seligen Jungfrau Maria die Menschen, die nun ihre Ferien antreten, und die, die sie schon beendet haben. Ihr vertrauen wir besonders jene an, die aus gesundheitlichen oder vielfältigen anderen Gründen die Ferienzeit nicht genießen können. Wer sich im Urlaub befindet, möge sich der verdienten Regenerierung erfreuen, und wer nicht die Möglichkeit dazu hat, möge sich trotzdem von konkreten Gesten der Freundschaft und Solidarität umgeben fühlen. Nach dem Angelus sagte der Papst: In diesen Wochen habe ich die leidvollen Entwicklungen des bewaffneten Konflikts in Kolumbien - mit Hunderten von Entführungen, mit Verwüstungen von Wohnbezirken und sogar Kultstätten und mit Ermordungen wehrloser Menschen -aus der Nähe verfolgt. 99 A UDIENZEN UND ANGEL US Sorgen machen uns auch die Schwierigkeiten, denen der Fortschritt des ersehnten Friedensprozesses begegnet, denn in der Tat ist er der einzig mögliche Weg zur Wiederversöhnung unter den Kolumbianern. Der Hl. Stuhl, der jede Bemühung zugunsten des Friedens zwischen den Völkern und innerhalb jedes Volkes entschlossen fordert, ermutigt und unterstützt das Werk der Versöhnung, das vom kolumbianischen Episkopat und von vielen Menschen guten Willens in Gang gesetzt worden ist. Ich bitte euch, für dieses edle Vorhaben zu beten. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit großer Freude grüße ich euch, liebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache. Insbesondere heiße ich den Tambouren-Verein Schwyz herzlich willkommen. Der Herr möge euch und eure Lieben daheim im Glauben bestärken und weiterhin auf eurem Lebensweg begleiten. Gerne erteile ich euch allen den Apostolischen Segen. Die Läuterung — notwendige Reinigung für die Begegnung mit Gott Generalaudienz am 4. August 1. Wie wir in den beiden vorangegangenen Katechesen gesehen haben, steht der Mensch wegen der endgültigen Entscheidung für oder gegen Gott vor einer Alternative: entweder lebt er mit dem Herrn in ewiger Glückseligkeit oder er bleibt dessen Gegenwart fern. Von denen, die sich in einem Zustand des Offenseins für Gott befinden, jedoch in einer unvollkommenen Weise, fordert der Weg zur vollen Glückseligkeit eine Läuterung, die der Glaube der Kirche durch die Lehre vom „Purgatorium“ (Fegefeuer) verdeutlicht (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 1030-1032). 2. In der Heiligen Schrift kann man einige Elemente finden, die hilfreich sind, den Sinn dieser Lehre zu erfassen, auch wenn sie nicht auf formale Weise dargelegt ist. Sie drücken die Überzeugung aus, dass man nicht zu Gott gelangen kann, ohne irgendeine Läuterung durchzumachen. Nach der religiösen Gesetzgebung des Alten Testaments muss nämlich jeder, der für Gott bestimmt ist, vollkommen sein. Folglich ist vor allem auch die körperliche Unversehrtheit gefordert für die Wirklichkeiten, die mit Gott auf der Ebene des Opfers in Berührung kommen, wie zum Beispiel die Opfertiere (vgl. Lev 22,22), oder auf der institutionellen Ebene, wie im Fall der Priester und der Kultdiener (vgl. Lev 21,17-23). Dieser körperlichen Unversehrtheit muss eine völlige Hingabe der einzelnen und der Gemeinschaft (1 Kön 8,61) entsprechen zu dem Gott des Bündnisses auf der Linie der großen Lehren des Deuteronomiums {vgl. 6,5). Es 100 A UDIENZEN UND ANGELUS geht dämm, Gott mit seinem ganzen Dasein, mit der Reinheit des Herzens und mit dem Zeugnis der Werke zu lieben (vgl. ebd., 10,12). Die Notwendigkeit der Unversehrtheit nach dem Tod zum Eintritt in die vollkommene und endgültige Gemeinschaft mit Gott ist offensichtlich vorausgesetzt. Wer diese Unversehrtheit nicht hat, muss die Läuterung durchmachen. Eine Schrift des hl. Paulus bestätigt diese Meinung. Der Apostel spricht über den Wert des Werkes eines jeden, das an dem Tag des Gerichts offenbar wird, und sagt: „Hält das stand, was er [auf Christus] aufgebaut hat, so empfängt er Lohn. Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch“ (7 Kor 3,14-15). 3. Um einen Zustand vollkommener Unversehrtheit zu erreichen, ist manchmal die Fürsprache oder die Vermittlung durch eine Person notwendig. Zum Beispiel erhält Moses die Vergebung für das Volk durch ein Gebet, in dem er das Heilswerk, von Gott in der Vergangenheit erfüllt, benennt und seine Treue gegenüber dem Eid, den dieser den Vätern gegeben hat, anruft (vgl. Ex 32,30.11-13). Die Gestalt des Gottesknechtes, beschrieben im Buch Jesaja, steht auch für die Funktion des Fürsprechens und des Büßens zugunsten vieler; am Ende seiner Leiden „wird er das Licht erblicken“ und „viele gerecht machen“, indem er sich ihrer Sünden annimmt (vgl. Jes 52,13-53,12, bes. 53,11). Psalm 51 kann nach der Sichtweise des Allen Testamentes als eine Zusammenfassung des Reintegrationsprozesses gesehen werden: Der Sünder bekennt und gesteht die eigene Schuld ein (V. 6), verlangt beharrlich gereinigt oder „gewaschen“ (V. 4.9.12.16) zu werden, um den göttlichen Ruhm verkünden zu können (V. 17). 4. Im Neuen Testament ist Christus als Fürsprecher dargestellt, der in sich die Funktionen des Hohenpriesters am Versöhnungstag aufhimmt (vgl. Hehr 5,7; 7,25). Aber in ihm stellt das Priestertum eine neue und endgültige Form dar. Er tritt ein einziges Mal in das himmlische Allerheiligste ein mit der Absicht, vor Gottes Angesicht für uns Fürsprache einzulegen (vgl. Hebr 9,23-26, bes. 24). Er ist zugleich Priester und „Sühne für unsere Sünden“ für die Sünden der ganzen Welt (vgl. 1 Job 2,2). Als großer Fürsprecher, der für uns büßt, wird Jesus sich am Ende unseres Lebens ganz offenbaren, wenn er sich durch das Angebot der Barmherzigkeit äußert, aber auch durch das unvermeidliche Urteil über denjenigen, der die Liebe und die Vergebung des Vaters ablehnt. Das Angebot der Barmherzigkeit schließt nicht die Pflicht aus, dass wir rein und unversehrt vor Gottes Angesicht hintreten, reich an jener Liebe, die Paulus „das Band [nennt], das alles zusammenhält und vollkommen macht“ (Kol 3,14). 5. Indem wir der Aufforderung im Geist des Evangeliums, vollkommen wie der Vater im Himmel zu sein (vgl. Mt 5,48), während unseres irdischen Lebens folgen, sind wir berufen, in der Liebe zu wachsen, um untadelig und unerschütterlich vor Gottvater zu stehen, „wenn Jesus, unser Herr, mit allen seinen Heiligen kommt“ (7 Thess 3,12 f.). Auf der anderen Seite sind wir aufgefordert, „uns von aller Un- 101 AUDIENZEN UND ANGELUS reinheit des Leibes und des Geistes zu reinigen“ (2 Kor 7,1; vgl. 1 Joh 3,3), weil die Begegnung mit Gott eine vollkommene Reinheit verlangt. Jede Spur der Bindung an das Böse muss ausgelöscht, jede Unförmigkeit der Seele ausgeglichen werden. Die Läuterung muss abgeschlossen sein, und dies ist es eben, was die Lehre der Kirche mit Fegefeuer bezeichnet. Dieser Begriff weist nicht auf einen Ort hin, sondern auf einen Lebenszustand. Diejenigen, die nach dem Tod in einem Zustand der Reinigung leben, sind schon in der Liebe Christi, der sie von den Resten der Unvollkommenheit befreit (vgl. Konzil von Florenz, Decretum pro Graecis: DH 1304; Konzil von Trient, Decretum de iustificatione: DH 1580; Decretum de purgatorio DH 1820). Man muss sich klar machen, dass der Zustand der Reinigung keine Fortsetzung des irdischen Lebens ist, als wäre nach dem Tod eine letzte Möglichkeit gegeben, das eigene Schicksal zu ändern. Die Lehre der Kirche ist in dieser Beziehung unmissverständlich und ist durch das II. Vatikanische Konzil bekräftigt worden, das genauso lehrt: „Da wir aber weder Tag noch Stunde wissen, so müssen wir nach der Mahnung des Herrn standhaft wachen, damit wir am Ende unseres einmaligen Erdenlebens (vgl. Hebr 9,27) mit ihm zur Hochzeit einzutreten und den Gesegneten zugezählt zu werden verdienen und nicht wie böse und faule Knechte ins ewige Feuer weichen müssen, in die Finsternis draußen, wo ,Heulen und Zähneknirschen sein wird' {Mt 22,13 und 25,30)“ {Lumen Gentium, Nr. 48). 6. Ein letzter wichtiger Aspekt, den die kirchliche Überlieferung immer hervorgehoben hat, wird heute aufgegriffen: Es ist die Dimension der Gemeinschaft. Tatsächlich sind die, die sich im Zustand der Läuterung befinden, sowohl an die Glücklichen gebunden, die sich ganz des ewigen Lebens erfreuen, als auch an uns, die wir in dieser Welt zum Haus des Vaters gehen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1032). Wie im irdischen Leben sind die Gläubigen untereinander im einzigen mystischen Leib vereint. So erfahren nach dem Tod jene, die im Zustand der Läuterung leben, dieselbe Solidarität der Kirche, die im Gebet, in den Fürbitten und in der Liebe der anderen Brüder im Glauben wirkt. Die Läuterung wird im wesentlichen Band erfahren, das zwischen diesen entsteht, die das Leben der gegenwärtigen Zeit leben, und jenen, die sich schon ewiger Glückseligkeit erfreuen. Wege in das dritte Jahrtausend Angelus in Castel Gandolfo am 8. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. In der Stelle des Evangeliums, die uns die heutige Liturgie vorlegt, hören wir die Worte Jesu an die verstörten und verängstigten Jünger: „Habt Vertrauen, ich bin es; furchtet euch nicht!“ {Mt 14,27). Der Evangelist berichtet, dass, ermutigt durch 102 A UDIENZEN UND ANGELUS die Anwesenheit des Herrn, „die Jünger im Boot aber vor Jesus niederfielen und sagten: „Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!“ (ebd., 14,33). Die Kirche macht sich dieses Glaubensbekenntnis zum Sohn Gottes zu eigen. Sie erneuert es beständig, während sie die Frohe Botschaft verbreitet, dass er gekommen ist, um sich für die Menschen zu jeder Zeit und an jedem Ort hinzugeben. 2. Ein unermüdlicher Verkünder und furchtloser Zeuge des Evangeliums Christi war auch der Diener Gottes Paul VI., mein verehrter Vorgänger, der am 6. August vor 35 Jahren seine erste Enzyklika mit dem Titel Ecclesiam suam verfasste. Vierzehn Jahre später wurde er, am Fest der Verklärung Christi und wirklich hier in Castel Gandolfo, gerufen, um für immer das Angesicht des Herrn in der glückseligen Heimat zu schauen. In Ecclesiam suam hat dieser große Papst die Wege eines kirchlich ausgerichteten Kurses in das dritte Jahrtausend gezeigt. Der erste Pfad ist von geistlicher Ordnung und bezieht sich auf das Bewusstsein, das die Kirche von sich haben muss, um mit der anvertrauten Berufung des Erlösers übereinzustimmen. Der zweite Weg ist der moralische und betrifft die wirkliche asketische, praktische und kanonische Erneuerung, die für sie notwendig ist, um ihre Aufgabe in der Welt zu verwirklichen. Der dritte Weg ist der apostolische. Die Methode des Dialogs wird für die kirchliche Gemeinschaft die Art und Weise, mit der sie arbeitet, um die tröstende und rettende Botschaft ihres Herrn überall zu verbreiten. 3. Wie kann man Gott nicht für das Geschenk solcher prophetischen Lehren danken, die den Weg des christlichen Volkes in diesen funfunddreißig Jahren gelenkt haben? Durch das II. Vatikanische Konzil, das von Paul VI. weise geleitet wurde, hat die Kirche ihr innerstes Wesen und ihre universale Sendung besser vertieft. Dank der ständigen Unterstützung des Heiligen Geistes ist in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts, die gekennzeichnet waren durch viel Licht, aber auch durch nicht wenige Schatten, ihr Glaube unerschütterlich geblieben. Jetzt bereitet sie sich vor, vertrauensvoll die Schwelle des nächsten Jahrtausends zu übertreten. Richten wir noch einmal unseren Dank zu Gott für den fruchtbaren apostolischen Dienst des unvergesslichen Paul VI. Vertrauen wir gleichzeitig Maria, Mutter der Kirche und Stern der Evangelisation, die zukünftigen Aussichten und die missionarischen Herausforderungen an, die vor uns liegen, damit sie, wie sie es mit der entstehenden Kirche tat, die Schritte aller Christen lenke. Das christliche Leben als Weg zur vollen Gemeinschaft mit Gott Generalaudienz am 11. August l.Nach unseren Betrachtungen über das eschatologische Ziel unseres Daseins, nämlich über das ewige Leben, wollen wir nun über den Weg nachdenken, der zu ihm hin führt. Entwickeln wir deshalb die Sichtweise, die im Apostolischen 103 A UDIENZEN UND ANGEL US Schreiben Tertio millennio adveniente dargestellt wird: „Das ganze christliche Leben ist wie eine große Pilgerschaft zum Haus des Vaters, dessen unbedingte Liebe zu jedem menschlichen Geschöpf und besonders zum,verlorenen Sohn man jeden Tag wiederentdeckt (vgl. Lk 15,11-32). Diese Pilgerschaft involviert das Innerste der Person, erweitert sich dann auf die gläubige Gemeinschaft, um schließlich die ganze Menschheit zu erreichen“ (Nr. 49). In Wirklichkeit ist in gewisser Weise schon heute das vorweggenommen, was der Christ eines Tages in Fülle leben wird. Das Ostern des Herrn ist tatsächlich Eröffnung des Lebens der Welt, das kommen wird. 2. Das Alte Testament bereitet die Ankündigung dieser Wahrheit durch die umfassende Thematik des Buches Exodus vor. Der Weg des auserwählten Volkes in das versprochene Land (Ex 6,8) ist wie eine herrliche Ikone des Weges des Christen zum Haus des Vaters. Offensichtlich ist der Unterschied grundlegend: Während im altüberlieferten „Auszug“ die Befreiung auf den Landbesitz ausgerichtet war, vorläufiges Geschenk wie alle menschlichen Wirklichkeiten, ist der neue „Auszug“ der Weg zum Haus des Vaters in der die menschliche und kosmische Geschichte übersteigenden Sichtweise von Endgültigkeit und Ewigkeit. Das im Alten Testament versprochene Land ging tatsächlich durch den Fall der beiden Reiche und durch das babylonische Exil verloren. In ihrer Folge entwickelte sich die Idee einer Rückkehr als neuer „Auszug“. Manchmal verlief dieser Weg nicht eindeutig zu einem anderen Sesshaftwerden geographischer oder politischer Art, sondern öffnete sich einer „eschatologischen“ Vorstellung, die schon die volle Offenbarung in Christus ankündigte. In diese Richtung bewegen sich eben die weltumfassenden Bilder, die im Buch Jesaja den Weg des Volkes und der Geschichte zu einem neuen Jerusalem, dem Mittelpunkt der Welt, beschreiben (vgl. Jes 56-66). 3. Das Neue Testament kündigt die Erfüllung dieser großen Erwartung an und weist auf Christus, den Erlöser der Welt, hin: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4—5). Im Licht dieser Verkündung steht das gegenwärtige Leben schon unter dem Vorzeichen des Heils. Das wird im Geschehen des Jesu von Nazaret Wirklichkeit. Es erreicht mit Ostern seinen Höhepunkt, wird aber seine volle Verwirklichung in der „Parusie“, in der letzten Ankunft Christi, haben. Nach dem Apostel Paulus ist dieser Weg des Heils, der die Vergangenheit mit der Gegenwart verbindet, indem er sie in die Zukunft projiziert, Frucht eines Planes Gottes, der ganz auf das Mysterium Christi gegründet ist. Es handelt sich um „das Geheimnis seines Willens, wie er es gnädig im voraus bestimmt hat: Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist“ (Eph 1,9-10; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1042 fi). In diesem göttlichen Plan ist die Gegenwart die Zeit des „schon und noch nicht“, die Zeit des bereits wirklich gewordenen Heils und des Weges zu seiner vollkom- 104 A UDIENZEN UND ANGELUS menen Verwirklichung: „So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen“ (Eph 4,13). 4. Das Reifen hin zu einer solchen Vollkommenheit in Christus und deshalb zur Erfahrung des Mysteriums der Dreifaltigkeit beinhaltet, dass Ostern sich in seiner Fülle im eschatologischen Reich Gottes (vgl. Lk 22,16) verwirklicht und gefeiert wird. Aber das Geschehen der Menschwerdung, des Kreuzes und der Auferstehung stellt schon die endgültige Offenbarung Gottes dar. Das Angebot der Erlösung, das dieses Ereignis mit sich bringt, tritt in die Geschichte unserer menschlichen Freiheit ein, die berufen ist, dem Aulruf zum Heil zu antworten. Das christliche Leben ist Teilnahme am Ostergeheimnis wie Kreuzweg und Auferstehung. Kreuzweg, weil unser Dasein beständig einer läuternden Prüfung unterliegt, die zur Überwindung der alten, von der Sünde gekennzeichneten Welt führt. Weg der Auferstehung, weil Gott durch den auferstandenen Christus die Sünde besiegt hat und dadurch für den Gläubigen das „Kreuzesurteile zur „Gerechtigkeit Gottes“ wird, das heißt Triumph seiner Wahrheit und seiner Liebe über die Niederträchtigkeit der Welt. 5. Das christliche Leben ist letztlich ein Reifen zum Mysterium des ewigen Ostern. Darum erfordert es, den Blick fest auf das Ziel zu richten, auf die letzten Wirklichkeiten, aber sich gleichzeitig um die „vorletzten“ Wirklichkeiten zu bemühen: Zwischen diesen Wirklichkeiten und dem eschatologischen Ziel besteht kein Gegensatz, sondern im Gegenteil eine Beziehung gegenseitigen Befruchtens. Wenn auch immer die Vorrangstellung der Ewigkeit bekräftigt wird, hindert das nicht daran, dass wir in rechter Weise im Licht Gottes die geschichtlichen Wirklichkeiten leben (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1048 f.). Es geht darum, jeden Ausdruck des Menschlichen und jedes irdische Wirken zu reinigen, damit in ihnen immer mehr das Ostermysterium des Herrn erstrahlt. Wie uns das Konzil wirklich in Erinnerung gerufen hat, wird das menschliche Wirken, das immer das Zeichen der Sünde mit sich bringt, gereinigt und durch das Ostergeheimnis zur Vollendung erhoben, so dass „alle guten Erträgnisse der Natur und unserer Bemühungen, nämlich die Güter menschlicher Würde, brüderlicher Gemeinschaft und Freiheit im Geist des Herrn und gemäß seinem Gebot, auf Erden vermehrt werden; dann werden wir sie wiederfinden, gereinigt von jedem Makel, lichtvoll und verklärt, dann nämlich, wenn Christus dem Vater ein ewiges, allumfassendes Reich übergeben wird“ (Gaudium et spes, Nr. 39). Dieses Licht der Ewigkeit erhellt das Leben und die ganze Geschichte des Menschen auf der Erde. 105 AUDIENZEN UND ANGELUS Mit Christus wird Geschichte zur Heilsgeschichte Liebe Schwestern und Brüder! In den letzten Katechesen haben wir uns mit den eschatologischen Wirklichkeiten beschäftigt, besonders mit dem ewigen Leben. Heute wollen wir über den Weg nachdenken, der zum ewigen Leben fuhrt. Die Erwartungen, die das Alte Testament in Bilder wie den Exodus oder das neue Jerusalem gekleidet hatte, winden in Jesus Christus Wirklichkeit. Mit dem Kommen des Erlösers steht die Geschichte endgültig unter dem Vorzeichen des Heils. Es bleibt jedoch eine Spannung: Wir leben in der Zeit zwischen „Schon oft“ und „Noch nicht“. Einerseits ist das Heil schon da, anderseits sind wir noch auf dem Weg zu SEINER vollen Verwirklichung. Denn wir warten auf die Wiederkunft Christi. Diese Spannung prägt auch unsere Sendung. Der Blick auf das Geheimnis vom „ewigen Ostern“ ist gleichsam das Wasserzeichen für unseren Einsatz auf dieser Erde. Wer auf die letzten Dinge hinlebt, dem werden auch die vorletzten wichtig. Und wer sich in rechter Weise um die vorletzten Dinge müht, der tut es, weil er um die letzten weiß. So besteht zwischen Himmel und Erde, zwischen unserer Hoffnung auf das ewige Leben und unserem Einsatz in dieser Welt keineswegs ein Gegensatz. Im Gegenteil: Beide befruchten einander. Die Himmelskönigin als sichere Hoffnungsträgerin Angelus in Castel Gandolfo am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel, 15. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute lädt uns die Liturgie zur Betrachtung der mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommenen Jungfrau Maria ein. Auf Grund eines besonderen Privilegs wurde sie von ihrer Zeugung an mit der Gnade Gottes überreich erfüllt, und Christus, zur Rechten des Vaters aufgefahren, öffnete ihr als Erste unter den Geschöpfen die Tore zu seinem Reich. Im Himmel wurde die Mutter Gottes und der Kirche zur Königin der Engel und Heiligen gekrönt; von dort ist sie dem Christenvolk nahe, vor dem sie erstrahlt als „die neue, makellose Frau, die die Schuld der ersten Frau wiedergutmachte“ (vgl. Sacramentarium Gregorianum, Praefatio in Assumpt, 1688). Wenden wir uns vertrauensvoll an diejenige, die „unter den Heiligen strahlt wie die Sonne unter den Sternen“. Uns Pilgern auf Erden, zur himmlischen Herrlichkeit unterwegs, zeigt Maria als leuchtender Stern die Heimat, nach der wir uns sehnen. Sie versichert uns, dass wir dieses Ziel erreichen, wenn wir nicht müde werden, mit lebendigem Glauben, fester Hoffnung und eifriger Liebe unablässig nach den „letzten Dingen“ zu suchen. Nicht nur zeigt sie uns den Weg: Sie selbst begleitet uns und ist die „glückselige Pforte des Himmels“. 106 A UDIENZEN UND ANGELUS 2. In verschiedenen Teilen der Welt fällt dieses traditionsreiche Marienfest mitten in die sommerliche Jahreszeit, wenn viele Menschen sich im Urlaub befinden, der zuweilen als einfacher Ausbruch aus der Alltäglichkeit und als Befreitsein von Verpflichtungen erlebt wird. Während sich aber der Körper zu Recht erholt, erlaubt die Freiheit von der Arbeit, dem inneren Leben und der Betrachtung der ewigen Wirklichkeiten mehr Zeit zu widmen. An nicht wenigen Urlaubsorten befinden sich wunderschöne Heiligtümer und einladende Orte der Marienverehrung. Warum nicht diese Tage des Ausmhens nutzen, um diese Stätten zu besuchen und dort im Gebet zu verweilen - möglichst mit der ganzen Familie? Die Begegnung mit Maria in diesen Oasen des Geistes wird sich als tröstlich und ermutigend herausstellen für ein zufriedeneres Leben und ein christliches Zeugnis, das dem Evangelium immer besser angepasst ist. 3. Das Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel sei also Gelegenheit zu einer tieferen Erfahrung der liebevollen Gegenwart Marias. Als Zeichen sicherer und tröstender Hoffnung ist sie für die Gläubigen eine Stütze und Anregung, wahre Jünger Christi zu sein. Alle Menschen sollen ihre Nähe spüren; ihre wirksame Fürsprache werde besonders den Leidenden, Kranken und den Personen zuteil, die sich in Schwierigkeiten und Prüfungen an sie wenden. Maria, süße Himmelskönigin, zeige dich als Mutter aller! „Gib ein reines Leben, mach den Weg uns eben, dass in Himmelshöhen froh wir Jesus sehen“ {Hymnus der Zweiten Vesper). Amen. Der Weg der Umkehr als Befreiung vom Bösen Generalaudienz am 18. August 1. Unter den Themen, die dem Gottesvolk in diesem dritten Vorbereitungsjahr auf das Große Jubeljahr 2000 zur besonderen Betrachtung vorgeschlagen werden, finden wir auch die Umkehr, die die Befreiung vom Bösen einschließt (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 50). Das ist ein Thema, das unsere persönliche Erfahrung ganz tief berührt, denn unsere gesamte persönliche und gemeinschaftliche Geschichte stellt sich zum großen Teil als Kampf gegen das Böse dar. Die flehentliche Bitte „Erlöse uns von dem Bösen“ oder vom „Übel“, die im „Vaterunser“ enthalten ist, prägt unser Gebet, weil wir uns von der Sünde entfernen und von jeder Mittäterschaft mit dem Bösen frei sind. Sie verweist uns auf den täglichen Kampf, aber vor allem erinnert sie uns an das Geheimnis zum Sieg über das Böse: die Kraft Gottes, die sich in Christus offenbart hat und uns in ihm angeboten wird (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2853). 2. Das sittliche Übel erzeugt Leid, das - besonders im Alten Testament - dargestellt wird als Strafe für Verhaltensweisen, die dem Gesetz Gottes entgegenstehen. Die Heilige Schrift weist aber auch darauf hin, dass man nach begangener Sünde 107 A UDIENZEN UND ANGELUS Gott um sein Erbarmen, das heißt um die Vergebung der Schuld und um das Ende der dadurch verursachten Qualen, bitten kann. Die aufrichtige Rückkehr zu Gott und die Befreiung vom Bösen sind zwei Aspekte eines einzigen Vorgangs. So fordert beispielsweise Jeremia das Volk auf: „Kehrt um, ihr abtrünnigen Söhne, ich will eure Abtrünnigkeit heilen“ (Jer 3,22). Im Buch der Klagelieder wird die Aussicht der Rückkehr zum Herrn (vgl. Klgl 5,21) sowie die Erfahrung seiner Barmherzigkeit besonders herausgestellt: „Die Huld des Herrn ist nicht erschöpft, sein Erbarmen ist nicht zu Ende. Neu ist es an jedem Morgen; groß ist seine Treue“ (3,22-23; vgl. V. 32). Die gesamte Geschichte Israels wird im Lichte der Dialektik „Sünde Strafe Reue -Erbarmen“ neu ausgelegt (vgl. z. B. Ri 3,7—10): Das ist der eigentliche Kern der deuteronomistischen Überlieferung. Sogar der dramatische Niedergang des Reiches und der Stadt Jerusalem wird als Strafe Gottes für mangelnde Treue gegenüber dem Bund gedeutet. 3. In der Bibel ist die Klage des vom Leid gepeinigten Menschen zu Gott immer begleitet von der Erkenntnis der begangenen Sünde und vom Vertrauen auf Gottes befreiendes Eingreifen. Das Schuldbekenntnis ist eines der Elemente, wodurch dieses Vertrauen zum Ausdruck kommt. In diesem Zusammenhang sind verschiedene Psalmen besonders bedeutsam, denn sie stellen das Bekenntnis der Schuld und den Schmerz für die eigene Sünde eindrucksvoll dar (vgl. Ps 38,19; 41,5). Eine solche Erkenntnis der Schuld, die in Psalm 51 eindringlich beschrieben wird, ist Grundvoraussetzung für den Beginn eines neuen Lebens. Die Beichte der eigenen Sünden bringt die Gerechtigkeit Gottes noch stärker zum Strahlen: „Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was dir mißfällt. So behältst du recht mit deinem Urteil, rein stehst du da als Richter“ (V. 6). An zahlreichen Stellen in den Psalmen finden wir die Bitte um Hilfe und das vertrauensvolle Warten auf die Befreiung Israels (vgl. Ps 88; 130). Jesus selbst betete am Kreuz mit Psalm 22, um in seiner Todesstunde die liebevolle Zuneigung des Vaters zu erfahren. 4. Wenn Jesus so zum Vater spricht, verleiht er der Erwartung nach Befreiung vom Bösen Ausdruck; in der biblischen Perspektive vollzieht sie sich durch eine Gestalt, die das Leid mit seinem Wert als Sühne auf sich nimmt: Dies ist der Fall der geheimnisvollen Gestalt des Knechtes Gottes im Buch Jesq/a (vgl. 42,1-9; 49,1-6; 50,4—9; 52,13-53.12). Auch andere Personen können diese Funktion übernehmen, so z. B. der Prophet, der die Schuld Israels büßt und sühnt (vgl. Ez 4,4-5), der Durchbohrte, zu dem die Menschen ihre Blicke erheben werden (vgl. Sach 12,10-11 und Joh 19,37; vgl. auch Offh 1,7), oder die Märtyrer, die ihr Leid als Sühne für die Sünden ihres Volkes auf sich nehmen (vgl. 2 Makk 7,37-38). Jesus fasst alle diese Personen zusammen und gibt ihnen eine neue Ausrichtung. Nur in Ihm und durch Ihn wird uns das Böse bewusst, und wir können uns an den Vater wenden, um davon befreit zu werden. Im Gebet des „Vater unser“ wird das Böse ausdrücklich erwähnt: Der Begriff „po-nerös“ (Mt 6,13), der an sich eine adjektivische Form hat, kann hier als Personifi- 108 A UDIENZEN UND ANGELUS zierung des Bösen verstanden werden. In der Welt wird das Böse von jenem geistigen Wesen gewirkt, das von der biblischen Offenbarung als Teufel oder Satan bezeichnet wird und das sich willentlich Gott entgegen gesetzt hat (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2851 f.). Die menschliche „Bösartigkeit“, die auf dem Teuflischen beruht oder durch dessen Einfluss erweckt wird, zeigt sich auch in unseren Tagen in verlockender Form. Sie verfuhrt Verstand und Herz, so dass man sogar den Sinn für das Böse und die Sünde verliert. Es handelt sich um die „geheime Macht der Gesetzwidrigkeit“ (2 Thess 2,7), von der Paulus spricht und die sicherlich mit der menschlichen Freiheit verknüpft ist, „aber innerhalb dieser menschlichen Realität wirken Faktoren mit, durch welche die Sünde über den Menschen hinausragt in den Grenzbereich, wo Bewußtsein, Wille und Empfinden in Kontakt mit den dunklen Kräften stehen,, die nach dem hl. Paulus in der Welt fast bis zu deren Beherrschung wirken“ (Reconciliatio et paenitentia, Nr. 14). Leider können die Menschen sich großer Bosheit fähig zeigen, das heißt sie werden zu einer „bösen und treulosen Generation“ (vgl. Mt 12,39). 5. Wir glauben, dass Jesus den Satan endgültig überwunden und uns auf diese Weise der Angst ihm gegenüber entrissen hat. Jeder Generation stellt die Kirche das befreiende Bild Jesu von Nazaret vor Augen - wie der Apostel Petrus es damals in seinen Worten an Kornelius getan hatte „wie dieser Jesus umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm“ (Apg 10,38). Wenn sich in Jesus die Überwindung des Bösen vollzog, so muss doch sein Sieg von jedem von uns freiwillig akzeptiert werden, bis das Böse endgültig ausgerottet sein wird. Der Kampf gegen das Böse erfordert also ständigen Einsatz und stete Wachsamkeit. Die endgültige Befreiung ist nur in einer eschatologischen Perspektive erkennbar (vgl. Ofjh 21,4). Jenseits all unserer Mühen und sogar unseres Versagens bleibt uns dieses tröstende Wort Christi: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (Joh 16,33). Gebet um Trost und Hilfe für die Türkei und Angola Angelus in Castel Gandolfo am 22. August 1. Im Evangelium dieses Sonntags stellt Jesus seinen Jüngern die Frage: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ {Mt 16,15). Simon Petrus antwortet ihm: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ {Mt 16,16). In der Antwort des Petras liegt wirklich das Herz des Christentums. Auf sie stützt sich der Dienst für den Glauben und die Einheit, den Petrus und seine Nachfolger nach den Worten Jesu selbst zu leisten berufen sind: „Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ {Mt 16,18). Die Aufgabe des Papstes ist ein 109 A UDIENZEN UND ANGELUS Dienst an der Kirche und an der Menschheit. Deshalb wird er von alters her „Servus servorum Dei - Diener der Diener Gottes“ genannt. 2. Der liturgische Kalender lädt uns außerdem heute ein, Maria unter der Bezeichnung „Königin“ zu ehren. Diese Ehrenbezeichnung vervollständigt gewissermaßen das Bild Mariens, das uns die Liturgie am letzten Sonntag an Mariä-Himmelfahrt vorgelegt hat. Um tatsächlich die königliche Sonderstellung Mariens zu begreifen, dürfen wir nicht vergessen, dass im Königtum ein christlicher Sinn liegt, der sich deutlich von den irdischen Machtvorstellungen unterscheidet. Es handelt sich um ein Königtum des Dienstes und der Liebe, welches das Kreuz nicht umgehen kann (vgl. Joh 18, 33-37), bevor es in der Auferstehung erstrahlt. Die Jungfrau Maria, gekrönte Königin, setzt sich für uns ein und hält uns dazu an, ihr in der Erfüllung des Willens Gottes auf der Erde treu Gefolgschaft zu leisten, um ihr eines Tages ins himmlische Jerusalem nachzufolgen. In jedem Augenblick unseres Lebens rufen wir sie zuversichtlich an: „Königin aller Heiligen, bitte für uns!“ 3. Ich kann nicht umhin, meine Gedanken auf die geschätzte Bevölkerung der Türkei zu richten, die vor kurzem von einem gewaltigen Erdbeben heimgesucht wurde. Die ständig eintreffenden Nachrichten beschreiben eine Situation, die das Ausmaß einer Katastrophe erreicht hat. Die offiziellen Quellen sprechen von mehreren tausend Toten, deren Zahl leider steigt, während die Aktionen der Helfer an-dauem. Die Verwundeten und Obdachlosen sind unzählbar, viele Gebäude wurden zerstört und viele Wohnorte dem Erdboden gleichgemacht. Ständig bin ich in voller Sorge und in tiefer Zuneigung diesen Brüdern und Schwestern nahe, die so hart getroffen wurden, und drücke meine aufrichtige Trauer über die Toten aus. Ich bitte den barmherzigen Gott, sie in seiner ewigen Wohnung aufzunehmen. Ich bitte weiter, der Herr möge die Leiden derjenigen lindem, die großen Schaden erlitten haben und obdachlos sind. Die von den Behörden geforderte und koordinierte Hilfsaktion und die tatkräftige Solidarität der Freiwilligen, die aus der Türkei und aus vielen anderen Ländern gekommen sind, seien Trost und Hilfe für diejenigen, die in diesem mir lieben Land einen Augenblick voller Leid erleben. Lasst uns nun für sie beten. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Aus Angola kommen immer besorgniserregendere Meldungen, wo sich infolge eines Bruderkrieges eine der schlimmsten humanitären Krisen des afrikanischen Kontinents unter dem Schweigen und der Missachtung der Menschenwürde entwickelt. Der Egoismus der einen, verbunden mit den Interessen der anderen, führt diese Nation in einen langsamen und unerbittlichen Todeskampf, der auch die Zukunft der ganzen Region gefährdet. 110 A UDIENZEN UND ANGEL US In ihrer stetigen seelsorgerischen Fürsorge haben die Bischöfe aus Angola in diesen Tagen auf die Hilferufe hingewiesen, die vor allem von den Schwächsten und Hilflosesten kommen. Bitten wir Maria, Königin des Friedens, dass sie jedem Menschen guten Willens den Mut zum Frieden und der Internationalen Gemeinschaft zusätzliche Solidarität schenke, damit das Wiederaufleben der Hoffnung begünstigt werde und bei jenen Völkern Frieden und Gerechtigkeit einkehre, wonach sie sich schon lange sehnen. Kampf gegen die persönliche Sünde und die Strukturen der Sünde Generalaudienz am 25. August 1. Wir denken weiter über den Weg der Umkehr nach und wollen heute, von der Gewissheit der väterlichen Liebe getragen, unsere Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Sünde richten, sei sie personal oder sozial. Betrachten wir vor allem das Verhalten Jesu, der gekommen ist, um die Menschen von der Sünde und dem Einfluss Satans zu befreien. Das Neue Testament betont sehr die Macht Jesu über die Dämonen, die er „durch den Finger Gottes“ (Lk 11,20) austreibt. In der Vorstellung des Evangeliums besitzt die Heilung der Besessenen (vgl. Mk 5,1-20) eine größere Bedeutung als die einfache körperliche Heilung, weil das körperliche Übel mit einem inneren Übel in Zusammenhang steht. Die Krankheit, von der Jesus befreit, ist vor allem die der Sünde. Jesus selbst erklärt es bei der Heilung des Gelähmten: „Ihr sollt aber erkennen, daß der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben. Und er sagte zu dem Gelähmten: Ich sage dir: Steh auf, nimm deine Tragbahre, und geh nach Hause“ {Mk 2,10-11). Noch vor den Heilungen hat Jesus die Sünde besiegt, indem er selbst den „Versuchungen“ widerstand, vor die der Teufel ihn in der Zeit stellte, die er nach der von Johannes empfangenen Taufe in der Wüste verbrachte (vgl. Mk 1,12-13; Mt 4,1-11; Lk4,1-13). Um die Sünde zu bekämpfen, die sich in und um uns festsetzt, müssen wir den Spuren Jesu folgen und die Vorliebe für das „Ja“ erlernen, das er ständig auf die Vorgabe der Vaterliebe aussprach. Dieses „Ja“ verlangt unseren vollen Einsatz, aber wir könnten es nicht ohne die Hilfe der Gnade aussprechen, die Jesus selbst durch sein Erlösungswerk für uns erworben hat. 2. Bei einem Blick auf die gegenwärtige Welt müssen wir feststellen, dass in ihr das Sündenbewusstsein beträchtlich nachgelassen hat. Auf Grund einer weit verbreiteten religiösen Gleichgültigkeit und der Ablehnung dessen, was uns die rechte Vernunft und die Offenbarung über Gott sagen, verlieren viele Männern und Frauen das Bewusstsein eines Bundes mit Gott und seinen Geboten. Sehr oft wird die menschliche Verantwortung durch den Anspruch auf eine absolute Freiheit getrübt, die man bedroht und eingeschränkt sieht durch Gott, den höchsten Gesetzgeber. 111 AUDIENZEN UNDANGELUS Das Drama der heutigen Zeit, die einige grundlegende moralische Werte aufzugeben scheint, ist größtenteils durch den Verlust des Sündenbewusstseins bedingt. In diesem Augenblick spüren wir, wie großartig der Weg der „Neuevangelisierung“ sein muss. Es ist notwendig, dem Bewusstsein den Sinn für Gott, für seine Barmherzigkeit und für die Unentgeltlichkeit seiner Gaben zurückzugeben, damit es die Schwere der Sünde begreift, die den Menschen gegen seinen Schöpfer stellt. Denn der Tatbestand der persönlichen Freiheit muss als kostbares Geschenk Gottes wiedererkannt und geschützt werden gegen das Bestreben, sie in die Kette der gesellschaftlichen Bedingungen aufzulösen oder sie von der unverzichtbaren Beziehung zu Gott abzutrennen. 3. Es ist auch richtig, dass die persönliche Sünde immer einen gesellschaftlichen Stellenwert hat. Während der Sünder Gott verletzt und sich selbst schadet, ist er weiterhin für das schlechte Zeugnis und die mit seinem Verhalten verbundenen negativen Auswirkungen verantwortlich. Auch wenn die Sünde im Inneren ist, verursacht sie ein Verschlechtern des menschlichen Zustandes und fuhrt zu einem Sinken des Beitrages, zu dem jeder Mensch für den geistigen Fortschritt der menschlichen Gemeinschaft berufen ist. Darüber hinaus festigen die Sünden der einzelnen jene Formen der sozialen Sünde, die eben die Folge des Anhäufens vieler persönlicher Sünden sind. Die wirkliche Verantwortung jedoch haben offensichtlich die Personen unter der Voraussetzung, dass die soziale Struktur als solche nicht Subjekt moralischer Handlungen ist. Wie das nachsynodale apostolische Schreiben Reconciliatio et paenitentia sagt: „Wenn die Kirche von Situationen der Sünde spricht oder bestimmte Verhältnisse und gewisse kollektive Verhaltensweisen von mehr oder weniger breiten sozialen Gruppen oder sogar von ganzen Nationen und Blöcken von Staaten als soziale Sünden anklagt, dann weiß sie und betont es auch, dass solche Fälle von sozialer Sünde die Frucht, die Anhäufung und die Zusammenballung vieler personaler Sünden sind ... Die wirkliche Verantwortung liegt also bei den Personen“ (Nr. 16). Es ist dennoch eine unbestreitbare Tatsache, dass - wie ich mehrmals zu betonen Gelegenheit hatte - die gegenseitige Abhängigkeit der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Systeme in der heutigen Welt vielfältige Strukturen der Sünde schafft (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 36; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1869). Es besteht eine erschreckende Anziehungskraft des Bösen, das viele Verhaltensweisen als „normal“ und „unvermeidlich“ beurteilt. Das Böse nimmt zu und bedrängt mit verheerenden Folgen das Bewusstsein, das orientierungslos zurückbleibt und nicht einmal in der Lage ist zu unterscheiden. Wenn man dann an die Strukturen der Sünde denkt, die die Entwicklung der benachteiligten Völker unter dem ökonomischen und politischen Aspekt hemmen (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 37), müsste man sich beinahe ergeben angesichts eines scheinbar unabwendbaren moralischen Übels. Viele Menschen nehmen die Machtlosigkeit und die Verwirrung angesichts der erdrückenden und aussichtslos erscheinenden Lage wahr. Aber die Verkündung des Sieges Christi über das Böse, gibt uns Gewissheit, 112 AUDIENZEN UND ANGELUS dass auch die vom Bösen am meisten gefestigten Strukturen von den „Strukturen des Guten“ besiegt und ersetzt werden können (vgl. ebd., Nr. 39). 4. Die „Neuevangelisierung“ stellt sich dieser Herausfordemng. Sie muss sich ihrer annehmen, damit alle Menschen wieder das Bewusstsein erlangen, dass in Christus das Böse durch das Gute besiegt werden kann. Es muss im Sinne einer persönlichen Verantwortung gebildet werden, das eng mit den moralischen Anforderungen und dem Sündenbewusstsein verbunden ist. Der Weg der Umkehr beinhaltet den Ausschluss jeder Mitwisserschaft von Strukturen der Sünde, die heutzutage die Menschen in den verschiedenen Lebensbereichen besonders prägen. Das Jubiläum kann eine günstige Gelegenheit darstellen, damit die einzelnen und die Gemeinschaft in diese Richtung gehen. Es soll eine echte „metanoia“ fördern, das heißt eine Mentalitätsänderung, die einen Beitrag leistet zur Bildung von gerechteren und menschlicheren Strukturen zum Vorteil des Gemeinwohls. Eindringlicher Aufruf zum Frieden in Ost-Timor Auch heute möchte ich den Frieden in der Welt dem Gebet der ganzen Kirche anvertrauen. Ich verweise besonders auf einige Situationen, die trotz ihrer geographischen Entfernung immer in meinem Herzen gegenwärtig sind. Zuversichtlich bitten wir den Herrn, der geschätzten Bevölkerung von Ost-Timor eine Zukunft des Friedens zu gewähren. Alle seine Bewohner und alle anderen, die in die Ereignisse in diesem Gebiet verwickelt sind, mögen von dem aufrichtigen Vorhaben angeregt sein, für die Wiederversöhnung zu wirken und dazu beizutragen, mit Achtung und gegenseitiger Liebe die schmerzhaften Wunden der Vergangenheit zu heilen. Auch die ethnisch-religiösen Spannungen zwischen Christen und Muslimen, die sich wieder auf der indonesischen Insel Ambon verschärft haben, erfordern unser Gedenken im Gebet. Zugleich mit der festen Verurteilung bringe ich die eindringliche Forderung zum Ausdruck, dass die Gewalt aufhöre, die bis jetzt unzählige Opfer und gewaltige Schäden verursacht hat. Ich hoffe, dass man in Vergebung und in Gerechtigkeit jene Friedensbeziehungen wieder aufbauen kann, die lange das Zusammenleben beider Gemeinschaften gekennzeichnet haben. Möge Maria, Königin des Friedens, mit ihrer einflussreichen Fürsprache unsere Bitten bekräftigen! Freiheit und Umkehr Liebe Schwestern und Brüder! Ein Zauberwort unserer Zeit heißt Freiheit. Aber was ist Freiheit? Das Drama des Menschen besteht darin, dass er seine Freiheit absolut setzt und nicht mehr sieht, was sie eigentlich ist: Geschenk des Himmels, Gabe Gottes. Frei- 113 AUDIENZEN UNDANGELUS heit ist verbunden mit Verantwortung. Freiheit schließt auch die Möglichkeit der Sünde ein. Manchmal höre ich die Klage: Die Menschen haben kein Sündenbewusstsein mehr. Aber die Klage allein ist kein guter Ratgeber. Wer für die Sünde sensibilisieren will, muss anderswo ansetzen: bei Gott und seiner Zuwendung zum Menschen. Denn die Sünde bekommt erst dort ihre wahre Bedeutung, wo wir sie im Licht der Barmherzigkeit Gottes anschauen. Das gibt der neuen Evangelisierung eine positive Perspektive. Noch etwas liegt mir sehr am Herzen. Die Sünde hat Konsequenzen für die Gemeinschaft im Kleinen wie im Großen. Heute spricht man so viel von Globalisierung. Dieser Begriff gilt nicht nur für wirtschaftliche Prozesse, sondern auch für die Strukturen des Bösen. Sie drohen, die ganze Welt zu durchsetzen. Die Verlierer dabei sind die Armen. Ich lade deshalb zu einer echten Umkehr ein. Wenn immer mehr Menschen mit Gottes Gnade bereit sind, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben, dann zerbrechen die Strukturen des Bösen an den Strukturen des Guten. Gebe Gott, dass unsere Welt immer gerechter und menschlicher werde. Fangen wir an mit der „Globalisierung im Guten“! Mit dem Wunsch, immer bewusster vor Gott zu leben, grüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Euer Aufenthalt in Rom möge Euch Gott näher bringen! Dazu erteile ich Euch, Euren Lieben daheim sowie allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, von Herzen den Apostolischen Segen. Glaubenszeugnis des Martyriums auch in unserer Zeit Angelus in Castel Gandolfo am 28. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Jünger Christi zu sein ist anspruchsvoll und herausfordernd, wie Jesus selbst an einer Stelle des Evangeliums vom heutigen Sonntag in Erinnerung ruft: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mt 16,24). Sich selbst zu verleugnen und das Kreuz auf sich zu nehmen bedeutet, den eigenen Hochmut zu überwinden und sich völlig Gott anzuvertrauen, indem man wie Christus in ganzer Hingabe zum Vater und zu den Brüdern lebt. Der hl. Paulus bezieht sich auf die Lehre Jesu, als er an die Christen Roms schreibt. Er fordert sie auf, sich nicht der Mentalität der Welt anzupassen, sondern vielmehr ihre ganze Existenz als lebendiges Opfer darzubringen, das Gott heilig und willkommen ist (vgl. Röm 12,1-2). Die Nachfolge Christi schließt einen Weg ein, der oft durch Unverständnis und Leiden gekennzeichnet ist. Niemand darf sich Illusionen machen: Heute wie gestern bedeutet Christ sein, bezüglich der Mentalität dieser Welt gegen den Strom zu schwimmen und nicht seine eigenen Interessen 114 A UDIENZEN UND ANGEL US und den Beifall der Menschen zu suchen, sondern nur den Willen Gottes und das wirkliche Wohl des Nächsten. 2. Diesen bedingungslosen Glauben an Christus sehen wir im Martyrium des hl. Johannes des Täufers aufleuchten, dessen Fest heute gefeiert wird. Der Vorläufer Christi schlug den Weg der Folgerichtgkeit ein und gab ein vollendetes Zeugnis für das Lamm Gottes, dessen Weg er bereitete. Ohne jeden Kompromiss bezahlte er seine Liebe zur Wahrheit mit dem Tod. Nach seinem Beispiel haben viele andere Jünger des Herrn den Glauben mit dem Opfer ihres Lebens bekannt. Denken wir vor allem an die Priester, an die Ordensbrüder, an die Ordensschwestern und an die Laien, die in totalitären und antichristlichen Regimen unseres Jahrhunderts still ihr Leben aus Liebe zu Christus geopfert haben. Auch in unserer Zeit sind viele in verschiedenen Gegenden der Welt wegen des Evangeliums unaufhörlichen Leiden ausgesetzt. Aus Anlass des Großen Jubiläums im Jahre 2000 muss man an die Zeugen des Glaubens erinnern, die auch in unserer Zeit für ihn gelitten und ganz in der Wahrheit Christ gelebt haben. Bitten wir, ihrem Beispiel folgen zu können in dem Bewusstsein, dass der, der sein eigenes Leben für das Evangelium verliert, es gewinnen wird (vgl. Mt 16,25). 3. Möge uns Maria, Königin der Bekenner des Glaubens und der Märtyrer, helfen, tapfer gegenüber den Leiden des Lebens zu sein und sie in Vereinigung mit Christus für das Heil der Welt zu ertragen. An sie wenden wir uns vertrauensvoll in den Augenblicken der Prüfung. Sie, die treue Jungfrau, wird unserem Geist Mut einflößen und in uns einen immer selbstloseren Einsatz der Treue zum Evangelium erwecken. Die Kirche bittet um Vergebung für die Schuld ihrer Kinder Generalaudienz am 1. September 1. „Gepriesen und gelobt bist du, Herr, Gott unserer Väter ... wir haben gesündigt und durch Treuebruch gefrevelt und haben in allem gefehlt. Wir haben deinen Geboten nicht gehorcht“ (Dan 3,26.29 f.). So beteten die Juden nach dem Exil (vgl. Bar 2,11-13), indem sie für die Schuld ihrer Väter einstanden. Die Kirche folgt ihrem Beispiel und bittet auch für die historische Schuld ihrer Kinder um Vergebung. In der Tat hat in unserem Jahrhundert das Ereignis des II. Vatikanischen Konzils einen bedeutsamen Anstoß zur Erneuerung der Kirche gegeben, damit sie als Gemeinschaft der Erlösten immer mehr lebendige Transparenz der Botschaft Jesu in der Welt werde. In Treue zur Lehre des letzten Konzils ist sich die Kirche immer mehr bewusst, dass nur in einer fortwährenden Läuterung ihrer Mitglieder und Institutionen sie der Welt ein konsequentes Zeugnis für den Herrn bieten kann. Daher geht sie, „zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig,... immerfort den Weg der Buße und Erneuerung“ (Lumen Gentium, Nr. 8). 115 A UDIENZEN UND ANGELUS 2. Die Anerkennung der gemeinschaftlichen Verflechtungen von Schuld drängt die Kirche, für die „historische“ Schuld ihrer Kinder um Vergebung zu bitten. Anlass dazu bietet die kostbare Gelegenheit des Großen Jubiläums des Jahres 2000, das in der Spur der Lehre des II. Vatikanums eine neue Seite der Geschichte aufschlagen will in der Überwindung der Hindernisse, welche die Menschen, und besonders die Christen, noch untereinander trennen. Daher habe ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente dazu aufgerufen, die Kirche möge sich am Ende dieses zweiten Jahrtausends „mit stärkerer Bewußtheit der Schuld ihrer Söhne und Töchter“ annehmen, „eingedenk aller jener Vorkommnisse im Laufe der Geschichte, wo diese sich vom Geist Christi und seines Evangeliums, dadurch entfernt haben, dass sie der Welt statt eines an den Werten des Glaubens inspirierten Lebenszeugnisses den Anblick von Denk- und Handlungsweisen boten, die geradezu Formen eines Gegenzeugnisses und Skandals darstellten“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 33). 3. Die Anerkennung historischer Schuld setzt eine Stellungnahme gegenüber den Ereignissen voraus, so wie sie wirklich geschehen sind, was allein unparteiische und vollständige historische Rekonstruktionen ans Licht bringen können. Zum anderen kann das Urteil über historische Ereignisse nicht absehen von einer realistischen Betrachtung der durch die einzelnen kulturellen Kontexte gebotenen Bedingtheiten, bevor man den einzelnen bestimmte moralische Verantwortlichkeiten zuweist. Die Kirche fürchtet gewiss nicht die Wahrheit, die aus der Geschichte kommt, und ist bereit, Fehler anzuerkennen, wo diese festgestellt sind, vor allem, wenn es um die den Personen und den Gemeinschaften geschuldete Achtung geht. Sie ist nicht geneigt, den verallgemeinernden Urteilen des Freispruchs oder der Verurteilung verschiedener Zeitabschnitte der Geschichte Glauben zu schenken. Sie vertraut die Untersuchung der Vergangenheit geduldiger, sachlicher wissenschaftlicher Rekonstruktion an, frei von konfessionellen und ideologischen Vorurteilen, sowohl was die ihr gemachten Anschuldigungen als auch das von ihr erlittene Unrecht betrifft. Wenn durch ernsthafte historische Untersuchung eine Schuld ihrer Mitglieder festgestellt ist, verspürt die Kirche die Pflicht, diese anzuerkennen und Gott und die Mitmenschen dafür um Vergebung zu bitten. Diese Vergebungsbitte darf nicht als Zur-Schau-Stellung vorgetäuschter Demut verstanden werden noch als Verleugnung einer zweitausendjährigen Geschichte, die zweifellos reich ist an Verdiensten auf den Gebieten der Caritas, der Kultur und des Sanitätswesens. Sie entspricht hingegen einem unverzichtbaren Anspruch der Wahrheit, außer positiven Gesichtspunkten auch Grenzen und menschliche Schwächen von verschiedenen Generationen der Jünger Christi anzuerkennen. 4. Das herannahende Jubiläum lenkt die Aufmerksamkeit auf bestimmte Arten von Schuld in Vergangenheit und Gegenwart, für die es in besonderer Weise das Erbarmen des Vaters anzurufen gilt. 116 A UDIENZEN UND ANGELUS Hier denke ich vor allem an die schmerzliche Wirklichkeit der Spaltung unter den Christen. Die Entzweiungen der Vergangenheit, gewiss nicht ohne Schuld auf beiden Seiten, bleiben vor der Welt ein Ärgernis. Ein weiterer Akt der Reue betrifft die Nachgiebigkeit gegenüber Methoden der Intoleranz oder gar Gewalt im Dienst an der Wahrheit (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 35). Auch wenn viele in gutem Glauben so gehandelt haben, entsprach es gewiss nicht dem Evangelium, zu meinen, dass die Wahrheit mit Gewalt aufzudrängen sei. Dazu kommt die fehlende Erkenntnis nicht weniger Christen hinsichtlich Situationen von Verletzung der grundlegenden Menschenrechte. Die Bitte um Vergebung gilt für das, was unterlassen oder verschwiegen wurde, sei es aus Schwäche oder aus Fehleinschätzung; für das, was unentschlossen und in wenig geeigneter Weise getan und gesagt wurde. In diesen und in anderen Fällen „[entbindet] die Berücksichtigung der mildernden Umstände ... die Kirche nicht von der Pflicht, zutiefst die Schwachheit so vieler ihrer Söhne zu bedauern, die das Antlitz der Kirche dadurch entstellten, daß sie sie hinderten, das Abbild ihres gekreuzigten Herrn als eines unübertrefflichen Zeugen geduldiger Liebe und demütiger Sanftmut widerzuspiegeln“ (ebd.). Die Reuegesinnung der Kirche unserer Zeit an der Schwelle des dritten Jahrtausends will also kein bequemer Geschichts-Revisionismus sein, was ebenso verdächtig wie nutzlos erschiene. Vielmehr ist es ein Blick in die Vergangenheit im Eingeständnis von Schuld, damit es Lehre sei für eine Zukunft eines klareren Zeugnisses. Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkrieges Heute sind genau 60 Jahre vergangen seit dem tragischen Tag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs. Mit dem Einfall Hitlers in Polen begann die von Tod und Leid für Menschen und ganze Nationen gezeichnete traurige Zeit. Mit besonderer Dankbarkeit gedenken wir heute der heroischen Verteidiger unseres Vaterlandes, die während des Septemberfeldzugs ihr Blut vergossen haben, um es zu retten. Wir bitten Gott, dass er ihr Opfer in seiner Herrlichkeit vergelte. Wenn wir mit den Gedanken zu jenen so sehr leidvollen Tagen zurückkehren, bitten wir heute im Gebet um das Geschenk des Friedens für unser Vaterland und alle Nationen Europas und der Welt. „Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“ (Mt 5,9). Wahrheit und Versagen Liebe Schwestern und Brüder! Die Kirche „ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig. Sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8). Besonders fühlen wir dies an der Schwelle des dritten Jahrtausends. Denn das Große Jubiläum 117 A UDIENZEN UND ANGELUS des Jahres 2000 lädt uns ein, für die „historischen“ Sünden der Kirche um Vergebung zu bitten. Um zu den Sünden zu stehen, muss man die Geschichte genau kennen und gründlich analysieren. Wer die historischen Ereignisse beurteilen will, muss zudem beachten, wie sie in den geschichtlichen Kontext eingebettet sind. Erst dann ist es erlaubt, Verantwortung zuzuweisen. Die Kirche hat sicherlich keine Angst vor der historischen Wahrheit und ist gern bereit, eventuelle Fehltritte anzuerkennen. Doch es liegt ihr fern, generelle Verurteilungen auszusprechen. Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Euch, euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Einsatz für den Frieden vermittelt Lebenssinn Angelus in Castel Gandolfo am 5. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Monate vergehen, und der Anlass des Großen Jubiläums, der das dritte Jahrtausend einleiten wird, rückt immer näher heran. Das Panorama, das sich zum Ende dieses Jahrhunderts vor unseren Augen abzeichnet, weist nicht wenige Schatten auf, wie das Leiden und die Ungerechtigkeit, die über Menschen und Völkern lasten, wie die Gewalt und die Kriege, die leider immer noch in so vielen Gegenden der Erde zu Blutvergießen führen. Doch es gibt tröstliche Lichtstrahlen, die uns mit Hoffnung in die Zukunft blicken lassen. Unser Optimismus ist vor allem auf die Gewissheit der fortwährenden Hilfe Gottes gegründet, woran es denen, die demütig und zuversichtsvoll darum bitten, niemals fehlen wird. Das bringt uns der Abschnitt aus dem Evangelium, den die Liturgie uns heute zur Betrachtung vorlegt, in Erinnerung. Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Das Bewusstsein, dass Christus unter seinem Volk gegenwärtig bleibt, macht den Glaubenden Mut und veranlasst sie, Förderer wahrer Solidarität zu sein und sich aktiv für die Verwirklichung einer „Zivilisation der Liebe“ einzusetzen. 2. Diesbezüglich möchte ich an die große Schar hochherziger Menschen erinnern, die im zwanzigsten Jahrhundert Christus ihr Leben darbrachten, indem sie es in einer Haltung der Demut und Liebe in den Dienst der Brüder stellten. Meine Gedanken gehen insbesondere zu Mutter Teresa von Kalkutta, die Gott genau an diesem Tag vor zwei Jahren zu sich gerufen hat. Die Gründerin der Missionarinnen der Nächstenliebe pflegte zu sagen: „Wenn wir einem anderen Menschen helfen, ist unser Lohn Friede und Freude, denn wir haben unserem Leben einen Sinn gegeben“. Sie war eine große und geschätzte Lehrmeisterin des Lebens, besonders 118 A UDIENZEN UND ANGELUS für die Jugendlichen, die sie daran erinnerte, dass sie „die große Aufgabe“ haben, „den Frieden aufzubauen, angefangen bei ihren Familien, und das Leben immer und auf jeden Fall zu verteidigen, vor allem dann, wenn es besonders schwach ist“. Ihr Zeugnis sei Anstoß und Ermutigung für viele Jungen und Mädchen, sich großherzig in den Dienst des Evangeliums zu stellen. 3. Maria, die die Gläubigen nicht müde werden, als liebreiche Mutter anzurufen, möge in jedem Herzen eine Gesinnung des Friedens und die Bereitschaft zu aktivem Apostolatseinsatz wachrufen. Wenn jeder Mensch die Aufgabe hat, Solidarität und Liebe zu fordern, so gilt das umso mehr für die Christen. Die heilige Jungfrau möge für die ganze Menschheit Fürbitte hatten, damit das dritte Jahrtausend eine Zeit wahren und andauernden Friedens sei. Maria, Königin des Friedens, bitte für uns! Anschließend grüßte der Papst die Besucher in verschiedenen Sprachen; auf Deutsch sagte er: Zu unserem gemeinsamen Gebet begrüße ich euch, liebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache, sehr herzlich. Ich wünsche euch allen einen gesegneten Urlaub. Nehmt euch Zeit für Gott und füreinander! Appell für Ost-Timor Besorgniserregende Nachrichten treffen in diesen Stunden aus Ost-Timor ein, wo schwerwiegende Einschüchterungs- und Gewaltakte in Gang sind. In dem Wunsch, dass es in dem Gebiet zu einem Klima der Ruhe und Eintracht kommen möge, lade ich euch ein, mit mir für diese unsere schwergeprüften Brüder zu beten. Die Jungfrau Maria wecke in den Herzen von allen Gefühle wahrer Friedenssuche und konstruktiver Achtung vor dem Willen, den die timoresische Bevölkerung in den vergangenen Tagen ausgedrückt hat. Ich glaube an die Vergebung der Sünden Generalaudienz am 8. September 1. Indem wir fortfahren, den Sinn der Bekehrung weiter zu ergründen, wollen wir heute auch die Bedeutung der Sündenvergebung zu verstehen suchen, die uns von Christus durch die sakramentale Vermittlung der Kirche angeboten ist. Und an erster Stelle wollen wir uns die biblische Botschaft von der Vergebung Gottes zu Bewusstsein bringen: eine Botschaft, die im Alten Testament weitgehend entwickelt und im Neuen in Fülle zum Ausdruck gebracht wird. Die Kirche hat diesen Inhalt ihres Glaubens sogar ins Credo aufgenommen, wo sie die Vergebung der Sünden bekennt: „Credo ... in remissionem peccatorum.“ 2. Das Alte Testament spricht in unterschiedlicher Weise von der Vergebung der Sünden. Diesbezüglich finden wir eine abwechslungsreiche Terminologie vor: Die 119 A UDIENZEN UND ANGELUS Sünde wird „genommen“ (vgl. Ex 32,32), „getilgt“, „gesühnt“ (vgl. Jes 6,7), „hinter den Rücken geworfen“ (vgl. Jes 38,17). In Psalm 103 zum Beispiel heißt es, dass Gott „all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt“ (V. 3), und weiter: „Er handelt an uns nicht nach unsem Sünden und vergibt uns nicht nach unsrer Schuld. Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über alle, die ihn furchten“ (V. 10 und V. 13). Eine solche Bereitschaft Gottes zur Vergebung mindert die Verantwortung des Menschen und die Notwendigkeit seines Einsatzes zur Bekehrung nicht. Aber wenn, wie der Prophet Ezechiel hervorhebt, der Übeltäter von seinem ruchlosen Verhalten Abstand nimmt, wird seiner Sünde nicht mehr gedacht werden, und er wird leben (vgl. Ez 18, bes. V. 19-22). 3. Im Neuen Testament wird die Vergebung Gottes durch die Worte und Taten Jesu offenbar. Jesus vergibt Sünden und zeigt damit das Antlitz Gottes, des barmherzigen Vaters. Er stellt sich bestimmten religiösen Tendenzen entgegen, die von heuchlerischer Strenge gegenüber den Sündern gekennzeichnet waren, und macht bei verschiedenen Gelegenheiten deutlich, wie groß und tief das Erbarmen des Vaters für alle seine Kinder ist (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1443). Als Höhepunkt dieser Offenbarung kann das unübertreffliche Gleichnis - üblicherweise „vom verlorenen Sohn“ genannt -, das aber eigentlich vom „barmherzigen Vater“ heißen sollte, gelten (vgl. Lk 15,11-32). Hier wird die Haltung Gottes in wahrlich überwältigenden Worten angesichts menschlicher Maßstäbe und Erwartungen beschrieben. Das Verhalten des Vaters wird in dem Gleichnis in seiner ganzen Natürlichkeit verstanden, wenn wir bedenken, dass es im gesellschaftlichen Umfeld der Zeit Jesu üblich war, dass die Söhne im väterlichen Gut arbeiteten wie die beiden Söhne des Herrn des Weinbergs, von denen Jesus in einem anderen Gleichnis (vgl. Mt 21,28-31) spricht. Diese Regelung sollte bis zum Tod des Vaters gelten. Dann erst teilten die Söhne die Güter auf, die ihnen als Erbe zustanden. In unserem Fall hingegen kommt der Vater dem Wunsch des jüngeren Sohnes nach, der ihn bittet, ihm sein Erbteil auszuzahlen, und teilt das Vermögen zwischen ihm und dem älteren Sohn auf (vgl. Lk 15,12). 4. Die Entscheidung des jüngeren Sohnes, der sich emanzipieren will, indem er das vom Vater erhaltene Vermögen verschleudert und ein zügelloses Leben fuhrt (vgl. ebd., 15,13), ist eine ungezogene Absage an die familiäre Gemeinschaft. Das Weggehen vom väterlichen Haus bringt die Bedeutung der Sünde mit ihrem Charakter undankbarer Auflehnung und ihren auch menschlich leidhaften Folgen gut zum Ausdruck. Angesichts der Wahl dieses Sohnes würde menschliches Vemunftden-ken, wie es in gewisser Weise im Protest des älteren Sohnes zum Ausdruck kommt, die Strenge einer angemessenen Strafe vor der Wiederaufnahme in die Familie geraten sein lassen. Der Vater aber, der ihn schon von weitem kommen sieht, wird von Mitleid erfüllt [eigentlich: In seinem Innersten bewegt, wie es im griechischen Text bei Lk 15,20 120 AUDIENZEN UND ANGELUS wörtlich heißt], läuft ihm entgegen, drückt ihn in liebender Umarmung an sich und will, dass alle ein Fest für ihn feiern. Das väterliche Erbarmen tritt noch deutlicher zutage, als dieser Vater den älteren Sohn, der ihm seine Rechte vorhält (vgl. Lk 15,29 f.), unter sanftem Tadel zum gemeinsamen Freudenmahl einlädt. Die reine Gesetzlichkeit wird von der weitherzigen und unentgeltlichen Liebe des Vaters übertroffen, welche die menschliche Gerechtigkeit übersteigt und beide Brüder auffordert, sich wieder an den väterlichen Tisch zu setzen. Die Vergebung besteht nicht nur in einer erneuten Aufnahme des Sohnes, der weggegangen ist, unter dem väterlichen Dach, sondern auch in seinem Empfang in der Freude wiederhergestellter Gemeinschaft, die vom Tod zum Leben fuhrt. Daher „müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern“ {Lk 15,13). Der barmherzige Vater, der den verlorenen Sohn in seine Arme schließt, ist das endgültige Bild des durch Christus offenbarten Gottes. Er ist zuerst und vor allem Vater: Gottvater, der seine segnenden und erbarmenden Arme ausstreckt, immer wartet, keines seiner Kinder drängt. Seine Flände tragen, stützen und stärken, zugleich ermutigen, trösten und liebkosen sie. Es sind zu gleicher Zeit Hände eines Vaters und einer Mutter. Der barmherzige Vater des Gleichnisses trägt alle Merkmale der Vaterschaft und der Mutterschaft an sich und übersteigt sie. Wenn er dem Sohn um den Hals fällt, zeigt er die Züge einer Mutter, die ihr Kind liebkost und es mit ihrer Wärme umgibt. Im Licht dieser Offenbarung des Antlitzes und Herzens Gottes, des Vaters, kann man den Ausspruch Jesu begreifen, der die menschliche Logik erschüttert: Es wird „im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren“ {Lk 15,7). Und weiter: Es herrscht „bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt“ {ebd., 15,10). 5. Das Geheimnis der „Heimkehr“ drückt wunderbar die Begegnung des Vaters mit der Menschheit, des Erbarmens mit der Armseligkeit aus in einem Kreis der Liebe, der nicht nur den verlorenen Sohn betrifft, sondern sich auf alle erstreckt. Die Einladung zum Festmahl, die der Vater an den älteren Sohn richtet, enthält die Ermahnung des himmlischen Vaters an alle Glieder der Menschheitsfamilie, ihrerseits barmherzig zu sein. Die Erfahrung der Vaterschaft Gottes bedeutet auch Annahme der „Brüderlichkeit“, gerade weil Gott Vater aller ist, und daher auch des Bruders, der einen Fehler begeht. Jesus, der dieses Gleichnis erzählt, spricht nicht nur vom Vater, sondern gibt auch seine eigenen Gefühle zu erkennen. Vor den Pharisäern und Schriftgelehrten, die ihn beschuldigen, mit Sündern zu verkehren und mit ihnen zu essen (vgl. Lk 15,2), macht er seine Vorliebe für die Sünder und Zöllner, die mit Vertrauen zu ihm kommen (vgl. ebd., 15,1), deutlich und zeigt damit, dass er gesandt ist, die Barmherzigkeit des Vaters zu offenbaren. Es ist die Barmherzigkeit, die vor allem auf Golgota erstrahlt in dem von Christus zur Vergebung der Sünden (vgl. Mt 26,28) dargebrachten Opfer. 121 AUDIENZEN UND ANGELUS Begegnung der Menschheit mit dem barmherzigen Vater Liebe Schwestern und Brüder! Leben und Glauben sind in erster Linie ein Weg. Eine der schönsten Weggeschichten der Heiligen Schrift erzählt Jesus im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Eigentlich mühte es besser heißen: Gleichnis vom barmherzigen Vater. Die Dramatik der Erzählung kennen wir alle. Besonders einprägsam ist der Augenblick, in dem der barmherzige Vater den „verlorenen Sohn“ in seine Arme schließt. Diese Szene ist gleichsam die Ikone Gottes, wie Christus sie offenbart. Gottes Hände sind gute Hände: weit geöflnet und voller Erwartung. Gleichzeitig sind Gottes Hände stark: Mit Kraft können sie tragen und trösten. Es sind väterliche und mütterliche Hände zugleich. So hat der barmherzige Vater sowohl väterliche als auch mütterliche Züge, wobei er beide gleichzeitig übersteigt. Der Heimweg des verlorenen Sohnes ins Vaterhaus und die Einladung des älteren Sohnes zum Festmahl der Freude sind ein wunderbares Bild für die Begegnung Gottes, des Vaters mit der Menschheit. Es malt gleichsam den Kreislauf der Liebe Gottes, der nicht nur den verlorenen Sohn betrifft, sondern uns alle angeht. Herzlich grüße ich die vielen Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Besonders möchte ich heute die folgenden Gruppen erwähnen: die Leser des „Paulinus“ aus dem Bistum Trier und Pilger aus dem Frankenwald in der Erzdiözese Bamberg sowie Stipendiaten der Deutschen Bischofskonferenz. Nicht vergessen möchte ich die Ordensschwestern, die in La Storta an einer geistlichen Erneuerung teilnehmen. Gern erteile ich Euch, Euren Lieben daheim sowie allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen. Erkennen der Zeichen der göttlichen Offenbarung Angelus in Castel Gandolfo am 12. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. In vielen Ländern ist der Monat September die Zeit der Wiederaufnahme des Schulbetriebs nach den Ferienmonaten. Den Schülern und Lehrern sowie der ganzen Welt der Schule wünsche ich von Herzen eine gute Rückkehr zur Arbeit. Und während wir in ein neues Akademisches Jahr aufbrechen, möchte ich eure Aufmerksamkeit auf die Enzyklika Fides et ratio lenken, die ich vor einem Jahr am 14. September unterzeichnen durfte. Dieses Dokument handelt von der Beziehung zwischen Glaube und Vernunft, einem entscheidenden Thema für die Kultur und das Dasein selbst. Glaube und Vernunft sind in der Tat zwei verschiedene, doch einander ergänzende Wege, um zu Gott zu gelangen. 2. Der Weg der Vernunft führt sozusagen „von der Welt zum Schöpfer“: Er setzt bei der Frage über die Wirklichkeiten der Welt an, um deren letzten Grund zu su- 122 A UDIENZEN UND ANGEL US chen. Von der Wahrnehmung des nicht wesensnotwendigen Seins aller irdischen Dinge erhebt sich die Vernunft zum Geheimnis dessen, der Ursprung und Grund von allem ist. Bei der Glaubenserkenntnis fuhrt der Weg vielmehr „von Gott zur Welt“: Gott hat sich in der Geschichte offenbaren wollen mit einer Sprache und einer Botschaft, die weit über diejenige der Schöpfung hinausgehen. Diese Offenbarung, die sich in Wort und Tat ereignet, die innerlich miteinander verknüpft sind, ist das Geschehen, mit dem Gott auf die Menschen zukommt und sie anredet, „um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen“ (Dei Verbum, Nr. 2). Es ist eine Begegnung, die in Christus gipfelt, der „die Fülle der ganzen Offenbarung ist“ (ebd.). Gott, der sich offenbart, ist der „Gehorsam des Glaubens“ (Dei Verbum, Nr. 5) geschuldet. Es handelt sich um ein Überantworten in voller Freiheit, d. h. ohne Beeinflussung nicht nur durch äußere Zwänge, sondern auch durch einen blinden Fideismus, der sich aus dem Gefühl nährt und jeder Stimmungsschwankung preisgegeben ist. Um den Fideismus zu vermeiden, kommt eine wichtige Rolle der Vernunft zu, deren Aufgabe es ist, die Zeichen zu erkennen, mit denen Gott seine Offenbarung beglaubigt, damit der sie aufnehmende Mensch ihr voll zustimme. 3. Die heiligste Maria, deren heiligen Namen wir heute fromm verehren, helfe denen, die besonders im Bereich der Schule sowie der wissenschaftlichen Forschung ihren Einsatz leisten: Sie mögen angesichts von Schwierigkeiten nicht aufgeben, sondern ihren Weg glücklich zu Ende gehen und dabei das innerliche Zusammenstreben und Einander-Ergänzen von Glaube und Vernunft entdecken. Beide führen zu Gott, Ziel und Erfüllung für den Menschen. Bei seinen Grußworten an die Besucher in verschiedenen Sprachen sagte der Papst auf Deutsch: Zu unserem Mittagsgebet begrüße ich euch, liebe Schwestern und Brüder aus dem deutschsprachigen Raum, sehr herzlich. Besonders heiße ich eine Gruppe von Bürgermeistern aus Niederbayem willkommen. Ich wünsche euch allen einen gesegneten Aufenthalt in der Ewigen Stadt. Gott segne eure Arbeit! Ende der Gewalt in Ost-Timor Erneuter Appell zur Kampfeinstellung beim Angelusgebet Meine Gedanken gehen erneut nach Ost-Timor, wo weiterhin brutale Gewalt wütet und sich auch gegen die katholische Kirche richtet, die nicht erst seit heute Urheberin des Dialogs und der Versöhnung ist. Meine tiefe Verbitterung wegen der wiederholten Niederlage jeglichen Sinnes für Menschlichkeit kann ich nicht verschweigen, wenn sich zu Beginn des dritten Jahrtausends die Hände von Brudermördern wieder erheben, um erbarmungslos zu töten und zu zerstören. Erneut bringe ich meine vollkommene Missbilligung über die schweren Verletzungen der Menschenrechte zum Ausdruck, die in diesem Gebiet fortdauem mit dem 123 AUDIENZEN UND ANGELUS unbegründeten Versuch, den von der Bevölkerung geäußerten Willen und ihre rechtmäßigen Bestrebungen auszulöschen. Ich wiederhole den Aufruf, damit die politischen und militärischen Verantwortlichen sowie die Internationale Gemeinschaft den Aufschrei der Schwachen und Wehrlosen hören und ihnen umgehend zu Hilfe kommen. Schließlich lade ich euch ein, die heilige Jungfrau, die Königin des Friedens, zu bitten für die Toten, Verletzten und Flüchtlinge sowie für jene, die weinen und leiden. Sie, die wir am Tag ihrer Gebürt angerufen haben als „Morgenröte und Hoffnung des Heiles, möge dies auch für das geschätzte Volk von Timor sein, das weiterhin vertrauensvoll eine bessere Zukunft erwartet. Das Sakrament der Buße Generalaudienz am 15. September 1. Der Weg zum Vater, der uns in diesem Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum zu besonderem Nachdenken vorgestellt ist, beinhaltet auch die Wiederentdeckung des Bußsakramentes in seiner tiefen Bedeutung einer Begegnung mit Ihm, der vergibt durch Christus im Geist (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 50). Aus verschiedenen Gründen erscheint in der Kirche ein ernsthaftes Nachdenken über dieses Sakrament dringlich. Das erfordert vor allem die Botschaft von der Liebe des Vaters als Grundlage christlichen Lebens und Handelns im Umfeld der heutigen Gesellschaft, wo die ethische Sicht des menschlichen Daseins oft verdeckt ist. Wenn vielen die Dimension von Gut und Böse abhanden gekommen ist, so liegt das daran, dass sie den Sinn für Gott verloren haben und Schuld nur nach psychologischen oder soziologischen Perspektiven interpretieren. An zweiter Stelle muss die Seelsorge neue Impulse für einen Weg des Wachstums im Glauben vermitteln, der die Bedeutung des Geistes und der Praxis der Buße über das ganze christliche Leben hinweg betont. 2. Die Botschaft der Bibel präsentiert diese „Buß“-Dimension als ein ständiges Bemühen um Umkehr. Werke der Buße zu tun setzt eine Wandlung des Gewissens voraus, die Fracht der Gnade Gottes ist. Vor allem im Neuen Testament wird Umkehr als Grandentscheidung von denen gefordert, an die die Verkündigung vom Reich Gottes ergeht: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15; vgl. Mt 4,17). Mit diesen Worten beginnt Jesus sein Wirken, verkündet er die Erfüllung der Zeit und die Nähe des Gottesreiches. Das „Kehrt um“ (auf griechisch: „meta-noeite“) ist eine Aufforderung, Denk- und Verhaltensweisen zu ändern. 3. Dieselbe Aufforderung zur Umkehr bildet den vitalen Schlusspunkt der Predigt der Apostel nach Pfingsten. Der Gegenstand der Verkündigung wird dabei ganz klargelegt: nicht mehr allgemein das „Reich“, sondern das Wirken Jesu selbst, eingebettet in den göttlichen Plan, der von den Propheten vorausgesagt wurde. Auf die Verkündigung des Geschehens in Jesus Christus, des Gestorbenen und Aufer- 124 A UDIENZEN UND ANGELUS standenen, der in der Herrlichkeit des Vaters lebt, folgt die dringliche Ermahnung zur „Umkehr“, an sie ist auch die Vergebung der Sünden geknüpft. All dies kommt in der Rede, die Petrus in der Halle Salomons hält, deutlich zum Ausdruck: „Gott aber hat auf diese Weise erfüllt, was er durch den Mund aller Propheten im voraus verkündigt hat: dass sein Messias leiden werde. Also kehrt um, und tut Buße, damit eure Sünden getilgt werden“ (Apg 3,18-19). Diese Vergebung der Sünden wird im Alten Testament von Gott im Rahmen des „neuen Bundes“ versprochen, den er mit seinem Volk schließen will (vgl. Jer 31,31-34). Gott schreibt das Gesetz ins Herz hinein. In dieser Sicht ist die Umkehr ein Erfordernis des endgültigen Bundes mit Gott und zugleich eine fortwährende Haltung des Menschen, der mit der Annahme des Wortes, der Botschaft des Evangeliums, eingetreten ist ins Reich Gottes in seiner historischen und eschatolo-gischen Dynamik. 4. Das Sakrament der Versöhnung vermittelt diese vom Wort Gottes verkündeten Grundwerte und macht sie im Mysterium sichtbar. Es stellt den Menschen wieder in den Heilskontext des Bundes und öffnet ihn neu für das trinitarische Leben, welches Dialog der Gnade, Kreislauf der Liebe, Geschenk und Aufnahme des Heiligen Geistes ist. Ein aufmerksames Wiederlesen von Ordo Paenitentiae wird eine nicht geringe Hilfe sein, um die Hauptdimensionen dieses Sakraments anlässlich des Jubiläums zu vertiefen. Die Reife kirchlichen Lebens hängt zum großen Teil von seiner Neuentdeckung ab. Das Sakrament der Buße schließt in der Tat nicht mit dem Moment der liturgischen Feier ab, sondern lässt die Bußhaltung als ständige Dimension christlicher Erfahrung leben. Es ist „eine Annäherung an die Heiligkeit Gottes ..., eine Rückgewinnung der eigenen inneren Wahrheit, die durch die Sünde entstellt wurde, eine im tiefsten sich vollziehende Befreiung von sich selbst und darum eine Rückgewinnung verlorener Freude, der Freude darüber, erlöst zu sein, welche die meisten Menschen von heute nicht mehr recht zu verkosten vermögen“ (Reconcili-atio etpaenitentia, Nr. 31, III). 5. Was die lehrmäßigen Inhalte dieses Sakramentes betrifft, verweise ich auf das Apostolische Schreiben Reconciliatio et paenitentia (vgl. Nm. 28-34) und auf den Katechismus der Katholischen Kirche (vgl. Nm. 1420-1484) sowie die weiteren Äußerungen des kirchlichen Lehramtes. Hier möchte ich das Augenmerk auf die Wichtigkeit der pastoralen Sorge lenken, die nötig ist für eine Aufwertung dieses Sakramentes beim Gottesvolk, damit die Verkündigung der Versöhnung, der Weg der Umkehr und die Feier des Sakramentes selbst die Herzen der Männer und Frauen unserer Zeit besser zu erreichen vermögen. Insbesondere möchte ich die Seelsorger daran erinnern, dass man ein guter Beichtvater ist, wenn man ein echter Büßer ist. Die Priester wissen, dass sie Hüter einer Macht sind, die von oben kommt: Tatsächlich ist die von ihnen vermittelte Vergebung „das wirksame Zeichen des Eingreifens des Vaters“ (Reconciliatio et paenitentia, Nr. 31, III), welches vom geistlichen Tod auferstehen lässt. Daher mögen 125 A UDIENZEN UND ANGEL US die Beichtväter, wenn sie in Demut und evangeliumsgemäßer Einfachheit eine so wesentliche Dimension ihres Amtes leben, die eigene Vervollkommnung und Weiterbildung nicht vernachlässigen, damit es ihnen niemals an jenen menschlichen und geistlichen Qualitäten mangle, die für die Beziehung zu den Gewissen so sehr nötig sind. Doch zusammen mit den Seelsorgern soll die gesamte christliche Gemeinschaft an der pastoralen Erneuerung der Versöhnung mitbeteiligt sein. Das erfordert schon die dem Sakrament innewohnende „Kirchlichkeit“. Die kirchliche Gemeinschaft ist der Schoß, der den reuigen und losgesprochenen Sünder aufnimmt; und davor noch schafft sie die geeignete Umgebung für einen Weg der Rückkehr zum Vater. In einer versöhnten und versöhnenden Gemeinschaft können die Sünder den verlorenen Weg wiederfinden und der Hilfe der Mitbrüder begegnen. Und schließlich kann durch die christliche Gemeinschaft wieder ein solider Weg der Nächstenliebe gebahnt werden, der durch gute Taten die neugefundene Vergebung, das wiedergutgemachte Böse sowie die Hoffnung, erneut den barmherzigen Armen des Vaters zu begegnen, sichtbar macht. Bußsakrament - Grundlage für das christliche Leben Liebe Schwestern und Brüder! Im Mittelpunkt unserer Katechese von heute steht das Bußsakrament. Wir verkündigen dadurch die Liebe und die Barmherzigkeit Gottes, des Vaters, worauf christliches Leben und Handeln gründet. In der heutigen Gesellschaft wird leider die ethische Wahrheit des menschlichen Daseins häufig verstellt. Viele haben den Sinn für Gut und Böse verloren, weil sie Gott verloren haben. Für sie ist die Sünde nach rein psychologischen oder soziologischen Kriterien zu erklären. Darum soll die Pastoral dazu anspomen, den Sinn und die Praxis der Buße neu zu wecken und dadurch im Glauben zu wachsen. Unter der Leitung der Hirten möge sich die ganze christliche Gemeinschaft um die Erneuerung des Bußsakramentes bemühen, damit die Gläubigen zum Gott der Liebe und der Barmherzigkeit zurückfinden. Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders heiße ich willkommen: die Schwestern von der heiligen Elisabeth aus verschiedenen Ländern, die an einem Seminar für geistliche Erneuerung teilnehmen. Euch, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 126 A UDIENZEN UND ANGELUS Versöhnung mit Gott und den Brüdern Generalaudienz am 22. September 1. Wir führen unsere Überlegungen über das Sakrament der Buße fort und wollen heute eine dafür innerlich kennzeichnende Dimension vertiefen, und zwar die Versöhnung. Dieser Aspekt des Sakramentes tritt als Gegenmittel und Medizin dem verwundenden Charakter, welcher der Sünde eigen ist, gegenüber. Denn der Mensch, der sündigt, entfernt sich nicht nur von Gott, sondern setzt Keime der Spaltung in sich und in der Beziehung zu den Brüdern. Die Bewegung der Rückkehr zu Gott umfasst daher auch die Wiederherstellung der von der Sünde verletzten Einheit. 2. Die Versöhnung ist „Geschenk des Vaters“: Er allein kann sie bewirken. Daher stellt sie vor allem einen Anruf, der von oben kommt, dar: „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). Wie Jesus uns im Gleichnis vom barmherzigen Vater (vgl. Z-Ä: 15,11—32) klar macht, ist Vergeben und Mit-sich-Versöhnen für diesen ein Fest. Der Vater bietet an dieser wie an anderen Stellen des Evangeliums nicht nur Vergebung und Versöhnung an, sondern zeigt zugleich, dass diese Geschenke Anlass zur Freude für alle sind. Bedeutsam ist im Neuen Testament die Verbindung zwischen der Vaterschaft Gottes und der Freude des Festmahls. Das Reich Gottes wird mit einem freudigen Festmahl verglichen, zu dem der Vater einlädt (vgl. Mt 8,11; 22,4; 26,29). Die Erfüllung der ganzen Heilsgeschichte wird wiederum mit dem Bild des von Gottvater für die Hochzeit des Lammes bereiteten Mahles ausgedrückt (vgl. Offb 19,6-9). 3. Gerade in Christus, dem Lamm ohne Makel, das für unsere Sünden geopfert wurde (vgl. 1 Petr 1,19; Offb 5,6; 12,11), konzentriert sich die Versöhnung, die vom Vater kommt. Jesus Christus ist nicht nur der Versöhner, sondern die Versöhnung selbst. Wie der hl. Paulus lehrt, kommt die Tatsache, dass wir neue - vom Geist erneuerte Schöpfung werden „von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat. Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung (zur Verkündigung) anvertraute“ (2 Kor 5,18-19). Gerade durch das Geheimnis des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus wird das Drama der zwischen dem Menschen und Gott bestehenden Spaltung überwunden. In der Tat dringt mit dem Pascha das Geheimnis der grenzenlosen Barmherzigkeit des Vaters bis in die tiefsten Wurzeln des Bösen im Menschen ein. Dort kommt es zu einer Bewegung der Gnade, die - wenn sie in freier Zustimmung angenommen wird — dazu führt, die Wonne vollkommener Versöhnung zu verkosten. Der Abgmnd des Leidens und der Verlassenheit Christi wandelt sich so in eine unerschöpfliche Quelle mitleidsvoller und friedensstiftender Liebe. Der Erlöser zeichnet neu einen Weg der Rückkehr zum Vater, der es erlaubt, die verlorenge- 127 AUDIENZEN UNDANGELUS gangene Kindesbeziehung wieder zu erfahren, und zugleich dem Menschen die nötige Kraft gibt, diese tiefe Gemeinschaft mit Gott zu bewahren. 4. Leider besteht auch im erlösten Dasein die Möglichkeit, wieder zu sündigen, und das erfordert ständige Wachsamkeit. Darüber hinaus bleiben auch nach der Vergebung „Rückstände der Sünde“, die es durch ein festgelegtes Sühnevorhaben von vermehrtem Einsatz im Guten zu entfernen und bekämpfen gilt. Dieses erfordert an erster Stelle die Wiedergutmachung von Unrecht, materiellem wie moralischem, das Gruppen oder Individuen angetan wurde. Umkehr wird so zu einem fortwährenden Weg, wobei das Geheimnis der im Sakrament bewirkten Versöhnung den Ausgangs und Zielpunkt bildet. Die Begegnung mit Christus, der vergibt, entfaltet in unserem Herzen jene Dynamik der dreifältigen Liebe, welche der Ordo Poenitentiae so beschreibt: „Durch das Bußsakrament nimmt also der Vater den Sohn wieder an, der zu ihm zurückkehrt; Christus nimmt das verlorene Schaf auf seine Schultern und trägt es zur Herde zurück; der Heilige Geist heiligt von neuem seinen Tempel oder wohnt in größerer Fülle in ihm. Das kommt durch die neuerliche oder intensivere Teilnahme am Tisch des Herrn zum Ausdruck. Denn beim Festmahl der Kirche Gottes herrscht Freude über den aus der Fremde heimgekehrten Sohn“ (Nr. 6; vgl. auch Nm. 5 u. 19). 5. Der „Ritus der Buße“ bringt in der Lossprechungsformel die Verbindung zwischen der Vergebung und dem Frieden zum Ausdruck, die Gott, der Vater, im Pascha seines Sohnes und „durch den Dienst der Kirche“ (ebd., 46) schenkt. Während das Sakrament das Geschenk der Versöhnung bezeichnet und verwirklicht, macht es deutlich, dass diese nicht nur unsere Beziehung zu Gott, dem Vater, sondern auch die zu unseren Brüdern betrifft. Es handelt sich um zwei Aspekte der Versöhnung, die in innigem gegenseitigem Zusammenhang stehen. Das Versöhnungswerk Christi geschieht in der Kirche. Diese kann nicht aus sich heraus versöhnen, sondern tut es als lebendiges Werkzeug der Vergebung Christi aufgrund eines klaren Auftrags des Herrn (vgl. Joh 20,23; Mt 18,18). Diese Versöhnung in Christus verwirklicht sich in hervorragender Weise in der Feier des Bußsakraments. Doch ist das ganze innerste Sein der Kirche in ihrer Gemeinschaftsdimension von einer ständigen Versöhnungshaltung gekennzeichnet. Man muss einen gewissen Individualismus in der Auffassung der Versöhnung überwinden: Die ganze Kirche wirkt an der Umkehr des Sünders mit durch Gebet, Ermahnung, brüderliche Zurechtweisung, den Beistand der Liebe. Ohne Versöhnung mit den Brüdern nimmt die Liebe keine Gestalt im Individuum an. So wie die Sünde das Geflecht des Leibes Christi verletzt, so stellt die Versöhnung die Solidarität zwischen den Mitgliedern des Volkes Gottes wieder her. 6. Die alte Bußpraxis gab dem kirchlich-gemeinschaftlichen Aspekt der Versöhnung besonderen Ausdruck, vor allem im abschließenden Moment der Absolution durch den Bischof mit der vollen Wiederzulassung des Pönitenten zur Gemeinschaft. 128 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Lehre der Kirche und die nach dem II. Vatikanischen Konzil erlassene Bußordnung ermahnt dazu, die kirchlich gemeinschaftliche Dimension der Versöhnung wieder zu entdecken und ihr den gebührenden Platz zu geben (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11 u. auch Sacrosanctum concilium, Nr. 27), unbeschadet der Lehre über die Notwendigkeit der Einzelbeichte. Im Kontext des Großen Jubiläums des Jahres 2000 wird es wichtig sein, dem Gottesvolk brauchbare und zeitgemäße Wege der Versöhnung vorzuschlagen, welche den Gemeinschaftscharakter nicht nur der Buße, sondern des gesamten Heilsplanes des Vaters für die Menschheit neu entdecken lassen. So wird sich verwirklichen, was die Konstitution Lumen Gentium lehrt: „Gott aber hat es gefallen, die Menschen nicht einzeln, unabhängig von aller wechselseitigen Verbindung, zu heiligen und zu retten, sondern sie zu einem Volke zu machen, das ihn in Wahrheit anerkennen und ihm in Heiligkeit dienen soll“ (Nr. 9). Versöhnung in der Gemeinschaft der Kirche Liebe Schwestern und Brüder! Wie die letzten Male wollen wir auch heute über das Sakrament der Buße etwas nachdenken und dabei die Versöhnung als dessen Wesensmerkmal in den Vordergrund stellen. Die Versöhnung als freies Geschenk Gottes bewirkt die entschlossene Rückkehr des Sünders zu Gott. Der Apostel Paulus sagt dazu: „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). In Christus, dem Lamm ohne Makel, das für unsere Sünden geopfert worden ist, ist die Versöhnung zusammengefasst die vom Vater ausgeht. Jesus Christus ist dabei nicht nur der Versöhner, sondern die Versöhnung selbst. Durch das Geheimnis des Kreuzes ist das Drama der Trennung zwischen dem Menschen und Gott überwunden worden. Trotz dieser Erlösungstat bleibt die Möglichkeit der Sünde in dieser Welt bestehen. Gott schenkt durch die Mittlerschaft der Kirche in der Spendung des Sakramentes der Buße dem Sünder jederzeit seine Vergebung und versöhnt ihn mit sich. Die versöhnende Handlung Jesu Christi geschieht also in der Gemeinschaft der Kirche. Sehr herzlich grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Eine große Freude ist es mir, unter Euch eine Gruppe von Universitätsprofessoren der Theologischen Fakultät Regensburg in Begleitung Seiner Eminenz Joseph Kardinal Rat-zinger willkommen zu heißen. Des weiteren grüße ich die CDU-Bundestagsab-geordneten aus Thüringen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bischöflichen Generalvikariates in Münster sowie die vielen Schülerinnen und Schüler. Gern erteile ich Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen. 129 AUDIENZEN UND ANGELUS Lebendige Beziehung von Glaube und Vernunft Angelus in Castel Gandolfo am 26. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das Nachdenken über die Enzyklika Fides et ratio möchte ich weiterführen und mich heute mit der Rolle befassen, welche die Vernunft innerhalb des Glaubensweges einnimmt. Die Vernunft ist dabei in verschiedener Hinsicht miteinbezogen. Sie ist bereits gegenwärtig bei reifender Zustimmung zum Glauben. Wenn nämlich diese auch auf der „Autorität des offenbarenden Gottes“ (I. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konst. Dei Filius, Kap. 3; DH 3008) beruht, so entwickelt sie sich doch auf tiefgehend vernunftgemäße Weise durch die Wahrnehmung der „Zeichen“, die Gott von sich in der Heilsgeschichte gesetzt hat (vgl. Fides et ratio, Nr. 12). Es handelt sich hierbei natürlich nicht um „Beweise“ im Sinn der experimentellen Wissenschaft. Die Zeichen Gottes fügen sich tatsächlich „in den Horizont der interpersonalen Kommunikation“ ein (ebdNr. 13). Nach deren Logik fordern sie nicht nur zum Nachdenken auf, sondern zu einem tiefgründigen existentiellen Einbezogen sein. Unter dieser Bedingung, und begleitet vom inneren Beistand der Gnade, werden sie zu leuchtenden Hinweisen, einer Art „Signale des Geistes“, die auf die Präsenz Gottes hinweisen und den Menschen dazu anhalten, sich ihm mit vollem Vertrauen hinzugeben. 2. Die Aufgabe der Vernunft geht dann über diese „grandlegende“ Ebene hinaus weiter. Der reife Glaube zieht den Verstand hinzu und setzt ihn - um einen Ausdruck des hl. Anselm zu gebrauchen - bei der „Suche nach dem, was er liebt“ (vgl. ebd., Nr. 42), ein. Der Glaube wird so über sein Vemunftgemäß-Sein hinaus „vernunftgemäß sprechend“. Darin besteht die Aufgabe, welche die Theologie zu leisten berufen ist: die Vorgaben der Offenbarung zusammenzutragen und eine systematische Reflexion darüber anzustellen. Dabei geht es sowohl darum, deren unterschiedliche Dimensionen zu vertiefen als auch die Harmonie unter den verschiedenen Aspekten der Wahrheit zu erfassen sowie schließlich auf die immer neuen Herausforderungen, die von Kultur und Geschichte gestellt werden, zu antworten. Zwischen dem Verstand und dem Glauben kommt es somit zu einer lebendigen Beziehung. Ja, man kann sagen, „sie wohnen einander inne“ {ebd., Nr. 17): Ist es einerseits notwendig, zu glauben, wenn man etwas von dem Mysterium, das uns übersteigt, erfassen will - „credo ut intelligam“ so ist es anderseits nötig, dass man versteht - „intelligo ut credam“ -, damit der Glaube vernünftig und zunehmend reif sei. 3. Wir wollen heute der heiligsten Jungfrau in besonderer Weise die Theologen anvertrauen, denen die so wichtige Aufgabe der Forschung und Lehre entsprechend den Erfordernissen eines reifen Glaubens aufgetragen ist. Maria, „Thron der Weisheit“, möge ihnen helfen, ihren „Dienst“ mit dem erforderlichen verstandes- 130 A UDIENZEN UND ANGELUS mäßigen und geistlichen Einsatz in absolutem Gehorsam gegenüber dem Heiligen Geist zu leben. Anschließend grüßte der Papst die Besucher in verschiedenen Sprachen; auf Deutsch sagte er: Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an euch, liebe Schwestern und Brüder deutscher Sprache. Die Begegnung mit den Pilgerstätten in Rom möge euren Glauben vermehren und eure Hoffnung stärken, damit eure Liebe Gott und den Menschen gegenüber immer größer werde. Gerne erteile ich euch allen den Apostolischen Segen. Gebet für die Erbebenopfer in Taiwan In diesen Tagen sind meine Gedanken ständig bei der geliebten Bevölkerung von Taiwan. Sie ist dabei, sich von dem jüngsten Erdbeben und dessen tragischen Folgen zu erholen. Mit tiefer Betroffenheit empfehle ich die Opfer Gott, dem Allmächtigen, an und erbitte seinen Trost und seine Kraft für alle Hinterbliebenen. Zugleich bin ich zuversichtlich, dass die internationale Gemeinschaft mit erneuter Solidarität und rascher Hilfe beim wichtigen Werk der Unterstützung und des Wiederaufbaus antworten wird. Das Geschenk des Ablasses Generalaudienz am 29. September l.In engem Zusammenhang mit dem Sakrament der Buße stellt sich unserem Nachdenken ein Thema, das mit der Feier des Jubiläums besonders verbunden ist; Ich beziehe mich auf das Geschenk des Ablasses, welches im Jubeljahr in besonders reicher Fülle angeboten wird, wie es in der Bulle Incarnationis mysterium und den angefügten Anweisungen der Apostolischen Pönitentiarie vorgesehen wird. Es handelt sich um ein brisantes Thema, über das es an geschichtlichen Missverständnissen nicht gefehlt hat, die sich negativ auf die Gemeinschaft der Christen selbst auswirkten. Im gegenwärtigen ökumenischen Umfeld verspürt die Kirche die Notwendigkeit, dass diese alte Praxis, begriffen als bedeutungsvoller Ausdruck des Erbarmens Gottes, recht verstanden und angenommen werde. Die Erfahrung bestätigt in der Tat, dass der Ablass oft mit einer oberflächlichen Haltung angegangen wird. Das führt schließlich dazu, das Geschenk Gottes zunichte zu machen und die vom Lehramt der Kirche angebotenen Wahrheiten und Werte zu verdunkeln. 2. Der Ausgangspunkt, um den Ablass zu verstehen, ist die Überfülle des Erbarmens Gottes, die am Kreuz Christi offenkundig wurde. Der gekreuzigte Jesus ist der große „Ablass“, den der Vater der Menschheit gewährt hat mit der Vergebung 131 A UDIENZEN UND ANGELUS der Sünden und der Möglichkeit eines Lebens als Kinder Gottes (vgl. Joh 1,12-13) im Heiligen Geist (vgl. Gal 4,6; Röm 5,5; 8,15-16). Allerdings kann in der Logik des Bundes, die den Kern der ganzen Heilsökonomie bildet, dieses Geschenk ohne die Annahme und Antwort unsererseits nicht empfangen werden. Im Licht dieses Grundsatzes ist es nicht schwer zu verstehen, wie die Versöhnung mit Gott, die zwar auf einem ungeschuldeten und überreichen Angebot des Erbarmens beruht, dennoch zugleich einen anstrengenden Prozess erforderlich macht, in den der Mensch mit seinem persönlichen Einsatz und die Kirche mit ihrem sakramentalen Auftrag einbezogen sind. Für die Vergebung von nach der Taufe begangenen Sünden hat dieser Weg seinen Mittelpunkt im Sakrament der Buße, reift aber auch nach dessen Vollzug weiter. Der Mensch muss in der Tat schrittweise von den negativen Folgen „geheilt“ werden, die die Sünde in ihm zurückgelassen hat (und welche die theologische Tradition „Strafe“ und „Schuld“ der Sünde nennt). 3. Nach der sakramentalen Vergebung noch von Strafen zu sprechen mag aufs erste gesehen wenig folgerichtig erscheinen. Das Alte Testament zeigt uns aber, dass es normal ist, nach der Vergebung Sühnestrafen zu erleiden. So sagt Gott von sich selbst, er sei ein „barmherziger und gnädiger Gott“, er nehme „Schuld, Frevel und Sünde weg“, setzt jedoch hinzu, dass er,glicht ungestraft“ lasse {Ex 34,6-7). Im zweiten Buch Samuel bewirkt das demütige Bekenntnis des Königs David nach dessen schwerer Sünde die Vergebung Gottes für ihn (vgl. 2 Sam 12,13), nicht aber die Aufhebung der angekündigten Strafe (vgl. ebd., 12,11; 16,21). Die Vaterliebe Gottes schließt Züchtigung nicht aus, auch wenn diese stets in barmherziger Gerechtigkeit zu verstehen ist. Sie stellt die verletzte Ordnung zum Wert des Menschenwohls selbst wieder her (vgl. Hebr 12,4—11). In diesem Zusammenhang meint zeitliche Strafe die Leidensbefindlichkeit desjenigen der, obschon mit Gott versöhnt, noch jene „Schuld“ der Sünde an sich trägt, die ihn nicht völlig offen für die Gnade sein lässt Und eben im Blick auf die vollkommene Genesung ist der Sünder gerufen, einen Weg der Reinigung zur Fülle der Liebe aufzunehmen. Bei diesem Weg kommt uns die Barmherzigkeit Gottes mit besonderen Hilfen entgegen. Die zeitliche Strafe selbst erhält die Funktion einer „Medizin“, in dem Maß als der Mensch sich durch sie zu gründlicher Bekehrung ansprechen lässt. Das ist auch die Bedeutung der im Bußsakrament geforderten „Genugtuung“. 4. Der Sinn des Ablasses ist vor diesem Hintergrund völliger Erneuerung des Menschen aufgrund der Gnade Christi, des Erlösers, durch den Dienst der Kirche zu verstehen. Der Ablass hat seinen geschichtlichen Ursprung im Bewusstsein der frühen Kirche, dass sie dem Erbarmen Gottes durch die Milderung der für die sakramentale Vergebung auferlegten kanonischen Bußen Ausdruck geben konnte. 132 A UDIENZEN UND ANGEL US Die Milderung war allerdings immer durch entsprechende persönliche und gemeinschaftliche Verpflichtungen aufgewogen, welche als Ersatz die „medizinische“ Wirkung der Strafe übernehmen konnten. Wir können nun begreifen, warum man unter Ablass versteht: „Erlaß einer zeitlichen Strafe vor Gott für Sünden, die hinsichtlich der Schuld schon getilgt sind. Ihn erlangt der Christgläubige, der recht bereitet ist, unter genau bestimmten Bedingungen durch die Hilfe der Kirche, die als Dienerin der Erlösung den Schatz der Genugtuungen Christi und der Heiligen autoritativ austeilt und zuwendet“ {Enchi-ridion indulgentiarum, Normae de indulgentiis, Libreria Editrice Vaticana 1999, S. 21; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1471). Es gibt also einen „Schatz der Kirche“, der durch Ablässe „ausgeteilt“ wird. Das , Austeilen“ darf dabei nicht als eine Art automatische Übertragung, als ob es um eine „Sache“ ginge, verstanden werden. Vielmehr ist es der Ausdruck des vollen Vertrauens der Kirche, vom Vater erhört zu werden, wenn sie - in Anbetracht der Verdienste Christi und, auf sein Geschenk hin, auch derjenigen der Gottesmutter und der Heiligen - ihn bittet, den schmerzlichen Aspekt der Strafe zu lindem oder zu tilgen und deren „heilkräftige“ Bedeutung über andere Wege der Gnade zu entfalten. Im unergründlichen Geheimnis der göttlichen Weisheit kann dieses Geschenk der Fürsprache auch den verstorbenen Gläubigen zum Wohl gelangen, die dessen Früchte in der ihrer Befindlichkeit eigenen Weise empfangen. 5. Man sieht somit, dass der Ablass, weit davon entfernt, eine Art „Lösegeld“ vom Bemühen um Umkehr zu sein, vielmehr Hilfe zu einem bereitwilligeren, großherzigeren und radikaleren Einsatz darstellt. Letzteres ist sogar erforderlich, insofern als die geistliche Vorbedingung zum Erlangen des vollkommenen Ablasses im Ausschluss .jeglicher Hinwendung zu irgendwelcher, selbst lässlichen Sünde“ (vgl. Enchiridion indulgentiarum, S. 25) besteht. Es wäre also ein Irrtum, zu denken, dass man dieses Geschenk durch einfaches Erfüllen gewisser äußerlicher Vorschriften gewinnen könnte. Wenn auch das verlangt wird, so als Ausdruck und Unterstützung für den Weg der Umkehr. Und besonders ist damit gemeint: ein äußeres Zeichen des Glaubens an die überreiche Fülle des göttlichen Erbarmens und an das wunderbare Ereignis der von Christus erwirkten Gemeinschaft, der die Kirche als sein Leib und seine Braut untrennbar mit sich vereinigt hat. Der Ablass ein göttliches Geschenk Liebe Schwestern und Brüder! Ein Thema, das gerade in den Ländern der Reformation delikat ist, möchte ich heute behandeln: den Ablass, eine alte kirchliche Praxis. Es ist mein tiefer Wunsch, dass der Ablass auch unter ökumenischer Rücksicht recht verstanden und wohlwollend aufgenommen wird. 133 AUDIENZEN UND ANGELUS Ausgangspunkt ist Gottes reiche Barmherzigkeit. Jesus Christus selbst ist gleichsam der große „Sündennachlass“, den der Vater der Menschheit gewährt hat. Dieses göttliche Geschenk wartet darauf, dass der Mensch es dankbar annimmt. Auch der Mensch ist gefragt! Zwar geschieht die Versöhnung mit Gott „gratis“, als Gnadengabe des Himmels. Doch gleichzeitig darf der Mensch seinen Beitrag leisten: Sein persönlicher Einsatz und das sakramentale Handeln der Kirche werden gleichermaßen eingefordert. So wird klar, was Ablass bedeutet: Auf der einen Seite wird der Mensch im Sakrament der Buße von seinen Sünden freigesprochen. Der Genesungsprozess ist eingeleitet. Auf der anderen Seite bleiben aber Wunden zurück, die sich erst nach und nach schließen und langsam heilen. Die Ablässe bezeichnen Schritte auf diesem Weg der vollständigen Heilung. Sie sind eine Art Medizin je nach dem Maß, in dem sich der Mensch auf eine tiefe und ehrliche Umkehr einlässt. Auch eine Pilgerfahrt nach Rom kann ein Schritt sein, um dem Leben eine neue Richtung zu geben. So grüße ich die vielen Brüder und Schwestern aus den Ländern deutscher Sprache. Besonders heiße ich die Teilnehmer an der zwanzigsten Pilgerfahrt „Rom im Rollstuhl“ Willkommen. Außerdem freue ich mich, dass so viele Schüler- und Jugendgruppen zu dieser Begegnung gekommen sind. Euch, Euren Lieben zu Hause sowie allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Aufruf zum Gebet für Ost-Timor Aus Ost-Timor kommen in diesen Tagen weiterhin tragische Nachrichten von Gemetzeln an wehrlosen Bürgern, an Christen, Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen, die ihr Leben im Dienst an der Allgemeinheit aufzehrten. Insbesondere habe ich mit tiefem Schmerz erfahren, dass am Samstagnachmittag in der Nähe von Baucau zahlreiche Personen ermordet wurden, darunter auch zwei Missionsschwestem, Canossianerinnen. Ich lade euch ein, ihrer im Gebet zu gedenken zusammen mit allen Opfern der timoresischen Tragödie. Lasst uns beten für die an Leib und Seele Leidenden, für die Flüchtlinge und Vertriebenen sowie auch für alle, die zu deren Hilfe und zur Befriedung des Gebiets im Einsatz sind. Bitten wir den Herrn, dass das Beispiel dieser Zeugen einer Liebe bis hin zur völligen Hingabe ihres Lebens beitragen möge, dass in Ost-Timor eine hoffnungsvolle Zukunft entsteht. Ebenfalls möchte ich meine Anerkennung ausdrücken für die Initiative der in der Konferenz Christlicher Rundfunkanstalten Europas zusammengeschlossenen Radiosender, die heute miteinander durch besondere Sendungen und Appelle ihre Solidarität mit der Kirche und dem Volk von Ost-Timor bekunden. 134 A UDIENZEN UND ANGELUS Im Geist der neuen Seligen für die Synode beten Angelus am 3. Oktober 1. Zum Schluss dieser festlichen Liturgie grüße ich euch alle mit Zuneigung, liebe Pilger, die ihr aus verschiedenen Teilen Italiens und Europas gekommen seid, um den neuen Seligen die Ehre zu erweisen. Besonders grüße ich euch Pilger aus der Bologneser Tiefebene, euch aus der Diözese Brescia, euch aus dem Latium und den Abruzzen und euch aus Sardinien. Darüber hinaus dehne ich meinen Gruß auf die Teilnehmer des ersten nationalen Kongresses der Göttlichen Barmherzigkeit aus, der in diesen Tagen in Rom stattgefunden hat. Danke für eure Anwesenheit und für euer Gebet. Zusammen mit euch möchte ich nun einen ehrerbietigen Gedanken und ein inniges Gebet zu Maria, der Königin aller Heiligen, erheben. In ihrer „Schule“ haben die sechs neuen Seligen gelernt, Christus nachzufolgen in der täglichen Erneuerung ihres bedingungslosen „Ja“ zum Liebesplan Gottes. Der himmlischen Mutter der Kirche und diesen treuen Zeugen Christi wollen wir besonders die Arbeiten der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa anvertrauen, die vor zwei Tagen eröffnet wurde. Begleitet, liebe Brüder und Schwestern, die Synodenväter mit eurem Gebet, insbesondere dem Rosenkranzgebet, welches die Kirche in diesem Monat Oktober empfiehlt. Der Papst sprach nach Italienisch nun auf Französisch weiter: 2. Die Pilger, die zur Seligsprechung von Pater Edward Poppe gekommen sind, besonders seine belgischen Landsleute, grüße ich. Der neue Selige hatte eine große Verehrung zur Jungfrau Maria. Euch ermutige ich, Pater Poppe als Vorbild in eurem christlichen Leben zu nehmen. Die Priester lade ich ein, sein Leben und seine Botschaft neu zu entdecken, um Werkzeuge zu sein, durch die Gott junge Menschen beruft, ihm im Priestertum oder dem geweihten Leben zu dienen. Lasst uns den Herrn inständig bitten, dass er Arbeiter für seine Ernte sende! Vertrauen wir diese Anliegen der Fürsprache Unserer Lieben Frau an! Der Liebende erkennt Gott, denn Gott ist die Liebe Generalaudienz am 6. Oktober 1. Die Umkehr, über die wir in den vorangegangenen Katechesen nachgedacht haben, ist auf die Umsetzung des Gebotes der Liebe ausgerichtet. Es ist in diesem Gott, dem Vater, gewidmeten Jahr besonders angebracht, die theologische Tugend der Liebe hervorzuheben gemäß der Weisung des Apostolischen Schreibens Tertio millennio adveniente (vgl. Nr. 50). 135 A UDIENZEN UND ANGELUS Der Apostel Johannes ermahnt: „Liebe Brüder, wir wollen einander lieben: denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,7-8). Während uns diese erhabenen Worte das Wesen Gottes als Geheimnis unendlicher Liebe offenbaren, bilden sie zugleich auch die Grundlage, worauf die christliche Ethik sich stützt, die gänzlich im Gebot der Liebe zusammengefasst werden kann. Der Mensch ist berufen, Gott mit ganzem Einsatz zu lieben und die Beziehung zu seinen Mitmenschen in einer an der Liebe Gottes ausgerichteten Liebeshaltung zu leben. Umkehr bedeutet Umkehr auf die Liebe hin. Schon im Alten Testament können wir die tiefe Dynamik dieses Gebots erkennen in der Beziehung des Bundes, den Gott mit Israel eingeht: Auf der einen Seite ist da die Liebesinitiative Gottes, auf der anderen die Liebesantwort, die er erwartet. So etwa wird die göttliche Initiative im Buch Deuteronomium dargestellt: „Nicht weil ihr zahlreicher als die anderen Völker wäret, hat euch der Herr ins Herz geschlossen und auserwählt; ihr seid das kleinste unter allen Völkern. Weil der Herr euch liebt ...“ (Dtn 7,7-8). Dieser ganz ungeschuldeten, bevorzugenden Liebe entspricht das Grundgebot, welches die ganze Religiosität Israels prägt: „Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ (ebd. 6,5). 2. Der liebende Gott ist kein ferner Gott, sondern einer, der in die Geschichte eingreift. Wenn er dem Mose seinen Namen offenbart, dann tut er es, um seinen liebenden Beistand im Heilsereignis des Auszugs aus Ägypten zu verbürgen: einen Beistand, der für immer währt (vgl. Ex 3,15). Durch die Worte der Propheten ruft er seinem Volk dieses Tun in Liebe immer wieder in Erinnerung. Wir lesen z. B. bei Jeremia: „So spricht der Herr: Gnade fand in der Wüste das Volk, das vom Schwert verschont blieb; Israel zieht zum Ort seiner Ruhe. Aus der Feme ist ihm der Herr erschienen: Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir so lange die Treue bewahrt“ (Jer 31,2-3). Es ist eine Liebe, die Ausdrucksformen innigster Zärtlichkeit annimmt (vgl. Hos°l,8 f.; Jer 31,20) und die normalerweise vom Bild des Vaters Gebrauch macht, sich jedoch bisweilen der Metapher der Hochzeit bedient: „Ich traue dich mir an auf ewig; ich traue dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen“ (Hos 2,21; vgl. V. 18-25). Auch nachdem er bei seinem Volk wiederholte Untreue gegenüber dem Bund festgestellt hat, ist dieser Gott noch weiter bereit, seine Liebe anzubieten: Er will im Menschen ein neues Herz erschaffen, das ihn fähig macht, das Gesetz, das ihm gegeben wird, ohne Vorbehalte anzunehmen, wie wir beim Propheten Jeremia lesen: „Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz“ (Jer 31,33). Gleichermaßen liest man bei Ezechiel: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Bmst und gebe euch ein Herz von Fleisch“ (Ez 36,26). 136 AUDIENZEN UNDANGELUS 3. Das Neue Testament präsentiert uns diese Dynamik der Liebe, zusammengefasst in Jesus, dem vom Vater geliebten Sohn (vgl. Joh 3,35; 5,20; 10,17), durch den der Vater sich offenbart. Die Menschen haben an dieser Liebe teil, indem sie den Sohn erkennen, d. h. seine Lehre und sein Erlösungswerk annehmen. Der Zugang zur Liebe des Vaters ist nur möglich, wenn man es dem Sohn gleichtut in der Befolgung der Gebote des Vaters: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe“ (Joh 15,9-10). Auf diese Weise erhält man auch Anteil an der Erkenntnis, die der Sohn vom Vater besitzt: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Joh 15,15). 4. Die Liebe lässt uns vollends eintreten in das kindliche Leben Jesu; sie macht uns im Sohn zu Kindern: „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es. Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat“ (1 Joh 3,1). Die Liebe wandelt das Leben um und erleuchtet auch unsere Gotteserkenntnis, bis wir jene vollkommene Erkenntnis erreichen, von der der hl. Paulus spricht: „Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin“ (7 Kor 13,12). Die Beziehung zwischen Erkenntnis und Liebe muss unterstrichen werden. Die innere Umkehr, die das Christentum anbietet, ist echte Gotteserfahrung in dem von Jesus beim Letzten Abendmahl im hohenpriesterlichen Gebet angegebenen Sinn: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ {Joh 17,3). Gewiss hat die Gotteserkenntnis auch eine Dimension vemunftmäßiger Natur (vgl. Rom 1,19-20). Doch die lebendige Erfahrung des Vaters und des Sohnes ereignet sich in der Liebe, d. h. letzten Endes im Heiligen Geist, denn „die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ {Röm 5,5). Der Paraklet ist es, dank dem wir die Erfahrung der Vaterliebe Gottes machen. Und die tröstlichste Wirkung seiner Anwesenheit in uns ist eben die Gewissheit, dass diese immerwährende und unermessliche Liebe, mit der Gott uns als erster geliebt hat, uns nie verlassen wird: „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? ... ich bin gewiß: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ {Röm 8,35.38-39). Das neue Herz, das liebt und erkennt, schlägt in Einklang mit Gott, der mit immerwährender Liebe liebt. 137 A UDIENZEN UND ANGELUS Aufruf des Papstes zum Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea Tröstliche Nachrichten kommen aus Ost-Afrika. Die vielfachen, lobenswerten Bemühungen der Internationalen Gemeinschaft, vor allem der Organisation der Afrikanischen Staaten, für eine Verhandlungslösung des Konfliktes, der Eritrea und Äthiopien entzweit, lassen erste Zustimmungen verzeichnen. Wir wollen beten, dass die Hindernisse überwunden und das noch vorhandene Misstrauen beseitigt werden möge, damit so den vielen „Ländern des Leidens“ das ermutigende Zeugnis dafür geboten werden kann, dass der Friede immer möglich ist. Wer Gott kennt, kennt die Liebe Liebe Schwestern und Brüder! Die echte Umkehr, worüber wir die letzten Male meditiert haben, ist auf die Praxis der Liebe hin orientiert. Darum ist es angebracht, in diesem Jahr, das Gott, dem Vater, gewidmet ist, über die theologale Tugend der Liebe zu sprechen. Grundlage dafür ist das Apostolische Schreiben Tertio millennio adveniente. Darin lesen wir: „Die Liebe mit ihrem doppelten Gesicht als Liebe zu Gott und zu den Schwestern und Brüdern ist die Synthese des sittlichen Lebens des Glaubenden. Sie hat in Gott ihren Ursprung und ihre Vollendung“ (ebd., Nr. 50). Das hat praktische Konsequenzen: Auf die Krise der Zivilisation antworten wir Christen mit der Kultur der Liebe. Sie ist darauf bedacht, die universalen Werte wie Frieden, Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit zu fördern. Diese finden ihre volle Verwirklichung in Christus. Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders heiße ich willkommen: die Pilger, die anlässlich der Priesterweihe im Collegium „Germanicum et Hungari-cum“ nach Rom gekommen sind, sowie die Limburger Domsingknaben, den Kirchenchor St. Leo von Rödersheim, die Marianische Männerkongregation aus Alt-ötting, weiterhin die Dominikaner aus Leipzig, die Gruppe des Seminars für Kirchliche Berufe aus Wien und die zahlreichen anwesenden Jugendlichen und Ministranten. Euch, Euren Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 138 A UDIENZEN UND ANGELUS Betrachtendes und heilbringendes Gebet - der Rosenkranz Angelus am 10. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der liturgische Gedenktag Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz, den wir am vergangenen Donnerstag gefeiert haben, bietet mir die Gelegenheit, auf diese besondere Form des Mariengebets, den Rosenkranz, zurückzukommen. Dem Beispiel meiner verehrten Vorgänger folgend, habe ich es nicht unterlassen, zu verschiedenen Gelegenheiten die Wichtigkeit des Rosenkranzgebets hervorzuheben. In ihm verbinden sich in wunderbarer Weise Einfachheit und Tiefe, individuelle und gemeinschaftliche Dimension. Der Rosenkranz ist an und für sich ein kontemplatives Gebet - und er besitzt eine große Fürbitte-Kraft: Denn wer ihn betet, vereint sich mit Maria in der Betrachtung der Geheimnisse Christi und wird dazu gebracht, die diesen Geheimnissen eigene Gnade in den vielfältigen Situationen des Lebens und der Geschichte anzurufen, 2. In diesem Monat Oktober, dem Rosenkranzgebet, wollen wir häufig Gebrauch machen von diesem Mariengebet, das einst tägliches Gebet der christlichen Familien war. Es gibt so viele Anliegen, die wir der Muttergottes anzuvertrauen haben. Insbesondere möchte ich euch auffordem, den Rosenkranz zu beten für die Versammlung der Bischofssynode für Europa, die derzeit im Vatikan tagt. Ich bemühe mich, immer daran teilzunehmen, und sehe, mit wie viel pastoraler Sorge die Synodenväter über die großen Herausforderungen auf dem Europäischen Kontinent diskutieren. Dabei tritt deutlich die Notwendigkeit einer neuen und mutigen Evangelisierung, einer umfassenden missionarischen Aktion hervor, welche den geänderten Gegebenheiten in einem zunehmend multiethnischen und multikulturellen Europa Rechnung trägt. In der Vergangenheit hat das Rosenkranzgebet geholfen, den Glauben des Gottesvolkes in seiner Unversehrtheit zu bewahren; möge eine eifrige Praxis dieses Gebets der Kirche beim Übergang ins dritte Jahrtausend helfen, damit sie weiter prophetisches „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen Gentium, Nr. 1) sei. 3. Für dieses Anliegen und für alle Nöte der Kirche und der Welt lade ich einen jeden, besonders die Kinder, die Familien und die betagten Menschen, ein, während des ganzen Monats Oktober ihr einmütiges Bittgebet zu Maria zu erheben. Lasst uns die heilige Jungfrau bitten, dass sie der Kirche helfe, immer mehr und immer besser die Brücke zu sein, die den Menschen mit Gott und die Menschen untereinander verbindet. Wir wollen beten, dass die friedliche Begegnung und der respektvolle Dialog zwischen den Völkern, den Kulturen und den Religionen gefördert werde Maria, Jungfrau des heiligen Rosenkranzes, bitte für uns! 139 A UDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst unter anderem: Heute wird der „Tag der geistigen Gesundheit“ begangen, zu dem die Weltgesundheitsorganisation aufgerufen hat. Bei ihrem vielfachen Einsatz zugunsten der Kranken hält die Kirche stets die an psychischen Störungen leidenden Menschen in ihrem Blick. Ich versichere ein besonderes Gebetsgedenken diesen unseren Brüdern und Schwestern und ihren Familien, und ich ermutige alle, die - auf welcher Ebene immer - in diesem nicht leichten Gebiet des Krankendienstes tätig sind. Ferner ist in Italien heute Mediensonntag, und das Thema lautet „Massenmedien: eine freundliche Präsenz an der Seite derer, die auf der Suche nach dem Vater sind“. Möge dieser Anlass die Aufmerksamkeit aller auf die sozialen Kommunikationsmittel richten, damit diese dank des Beitrages eines jeden dem tiefen Bedürfnis des Menschen, den Ursprung und das Ziel seiner Pilgerschaft auf Erden zu kennen, immer mehr Beachtung schenken. Die theologale Tugend der Liebe: die Liebe zu Gott Generalaudienz am 13. Oktober 1. Im alten Israel war das Grundgebot der Liebe zu Gott in den Worten des täglichen Gebets eingeschlossen: „Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen. Du sollst sie deinen Söhnen wiederholen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst“ (Dtn 6,4-7). Grundlage einer solchen Forderung, Gott ganz zu lieben, ist die Liebe, mit der Gott selbst den Menschen liebt. Er erwartet eine wirkliche Liebesantwort von dem Volk, das er mit bevorzugender Liebe liebt. Er ist ein eifersüchtiger Gott (vgl. Ex 20,5), der den Götzendienst nicht ertragen kann, zu dem sein Volk fortwährend versucht ist. Daher das Gebot: „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“ (Ex 20,3). Allmählich versteht Israel, dass es über diese Beziehung tiefer Achtung und ausschließlicher Anbetung hinaus dem Herrn in einer kindlichen, ja bräutlichen Haltung begegnen soll. In diesem Sinn ist das Hohelied zu lesen und zu verstehen, wenn es die Schönheit der menschlichen Liebe zum bräutlichen Dialog zwischen Gott und seinem Volk umgestaltet. Das Buch Deuteronomium nennt zwei Wesenszüge dieser Liebe. Der erste ist, dass der Mensch zu ihr niemals fähig wäre, wenn Gott ihm die Kraft dazu nicht durch die „Beschneidung des Herzens“ (vgl. Dtn 30,6) gäbe, die jede Anhänglichkeit an die Sünde aus dem Herzen entfernt. Der zweite Wesenszug ist, dass diese Liebe, weit davon entfernt, sich auf ein bloßes Gefühl zu beschränken, sich darin konkretisiert, dass man „auf Gottes Wegen geht und auf seine Gebote, Gesetze und 140 A UDIENZEN UND ANGEL US Rechtsvorschriften achtet“ (vgl. Dtn 30,16). Das ist die Bedingung für „das Leben und das Glück“, während die Hinwendung des Herzens zu anderen Göttern in „den Tod und das Unglück“ führt (Dtn 30,15). 2. Das Gebot des Deuteronomiums kehrt unverändert in der Lehre Jesu wieder, der es „das wichtigste und erste Gebot“ nennt und eng daran das der Nächstenliebe anbindet (vgl. Mt 22,34-40). Jesus stellt das Gebot in den schon im Alten Testament gebrauchten Ausdrücken vor und zeigt damit, dass die Offenbarung bezüglich dieses Punktes ihre Fülle bereits erreicht hat. Zugleich erhält dieses Gebot gerade in der Person Jesu seinen vollen Sinn. In der Tat verwirklicht sich in ihm das höchste Maß der Liebe des Menschen zu Gott. Von nun an bedeutet Gott mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft zu lieben, den Gott zu lieben, der sich in Christus offenbart hat, und ihn zu lieben in Teilhabe an der Liebe Christi selbst, die in uns ausgegossen ist „durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). 3. Die Liebe bildet das Wesen des von Christus gelehrten „neuen Gebots“. Sie ist in der Tat die Grundlage aller Gebote, deren Befolgung erneut bekräftigt wird und nun sogar sichtbarer Beweis der Liebe zu Gott ist: „Denn die Liebe zu Gott besteht darin, daß wir seine Gebote halten“ (1 Joh 5,3). Diese Liebe, die zugleich Liebe zu Jesus ist, stellt die Bedingung dar, um vom Vater geliebt zu werden: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren“ (Joh 14,21). Die Liebe zu Gott, möglich gemacht durch die Gabe des Geistes, gründet also auf der Mittlerschaft Jesu, wie er selbst es im hohenpriesterlichen Gebet bekräftigt: „Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin“ (Joh 17,26). Diese Mittlerschaft konkretisiert sich vor allem im Geschenk der Hingabe seines Lebens, ein Geschenk, das einerseits Zeugnis für die größte Liebe ist, zum anderen die Befolgung dessen, was Jesus gebietet, erfordert: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage“ (Joh 15,13-14). Christliche Liebe schöpft aus dieser Quelle der Liebe: Jesus, der Gottessohn, hingegeben für uns. Die Fähigkeit, zu lieben, wie Gott liebt, ist jedem Christen geboten als Frucht des österlichen Geheimnisses von Tod und Auferstehung. 4. Die Kirche bringt diese erhabene Wirklichkeit zum Ausdruck, wenn sie lehrt, dass die Liebe eine „theologale Tugend“ ist, d. h. eine Tugend, welche direkt auf Gott bezogen ist und die Menschengeschöpfe in den Kreislauf der trinitarischen Liebe eintreten lässt. In der Tat liebt Gott, der Vater, uns so, wie er Christus liebt, indem er in uns sein Bild sieht. Dieses wird sozusagen in uns vom Geist gemalt, der gleich einem „Ikonenmaler“ es in der Zeit verwirklicht. Stets ist es der Heilige Geist, der im Inneren unserer Person auch die Grundlinien der christlichen Antwort zeichnet. Die Dynamik der Liebe zu Gott entspringt somit 141 A UDIENZEN UND ANGEL US einer Art „Wesenseigenheit“, bewirkt vom Heiligen Geist, der uns „vergöttlicht“ nach dem Sprachgebrauch der östlichen Tradition. In der Macht des Heiligen Geistes beseelt die Liebe das moralische Handeln des Christen, orientiert und stärkt alle anderen Tugenden, welche in uns die Struktur des neuen Menschen aufbauen. Wie der Katechismus der Katholischen Kirche sagt: „Die Übung aller Tugenden wird von der Liebe beseelt und angeregt. Diese ist ,das Band der Vollkommenheit4 {Kol 3,14); sie ist die Form der Tugenden; sie gliedert und ordnet diese untereinander; sie ist Ursprung und Ziel des christlichen Tugendlebens. Die christliche Liebe sichert und läutert unsere menschliche Lie-beskraft. Sie erhebt sie zu übernatürlicher Vollkommenheit, zur göttlichen Liebe“ (Nr. 1827). Als Christen sind wir immer zur Liebe Berufene. Liebe - Kern der Gebote Christi Liebe Schwestern und Brüder! Heute möchte ich über die Liebe als theologale Tugend nachdenken. Schon im Alten Testament wird sich Israel der Liebe Gottes bewusst, die er sein Volk immer wieder erfahren lässt. Die Antwort der Gläubigen kann nichts anderes sein als die Antwort auf diese Liebe: Israel lebt mit seinem Schöpfer in einem Verhältnis der Kindschaft und sieht sich auch als auserwählte Braut. Der Kern der Gebote Jesu Christi ist die Liebe. In seiner Person haben sich die Gebote Gottes erfüllt. Er ist vollkommenes Modell der Gottesliebe. Als Geschenk des Heiligen Geistes gründet sie bis heute auf der Vermittlung Jesu Christi, der sich aus Liebe dem Opfertod hingegeben hat. Aus dieser Quelle schöpft auch die christliche Nächstenliebe. Die Fähigkeit zu lieben, wie Gott liebt, wird jedem Gläubigen angeboten. Sie ist die Frucht der Feier des Ostergeheimnisses. Die theologale Tugend der Liebe eröffnet den Weg zu Gott und fugt uns ein in den Kreis der Liebe des dreifältigen Gottes: Gott liebt uns, wie er Jesus Christus liebt, indem er in uns sein Abbild sieht. Der Heilige Geist ist dabei wie ein „Ikonenmaler“. Er macht unser Inneres zu „Christi Abbild“. Sehr herzlich grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Eine große Freude ist es mir, unter Euch die Diözesanwallfahrt des Erzbistums Salzburg zusammen mit Erzbischof Georg Eder willkommen zu heißen. Außerdem grüße ich eine Pilgergruppe aus dem Bistum Fulda unter Leitung von Weihbischof Ludwig Schick. Zudem grüße ich die Pilger aus Deutschland, die anlässlich der Priesterweihe im „Collegium Germanicum et Hungaricum“ nach Rom gekommen sind, sowie die Leserinnen und Leser der Steyler Missionszeitschrift „Stadt Gottes“. Gern erteile ich Euch und Euren Lieben daheim den Apostolischen Segen. 142 A UDIENZEN UND ANGEL US Mission - Auftrag und Sendung in Heimat und Welt Angelus am 17. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am kommenden Sonntag wird der Weltmissionssonntag gefeiert; er steht unter dem Thema: Der Vater - Quelle des apostolischen Einsatzes der Kirche. Im Herzen Gottes, Abgrund unendlicher Liebe, nimmt die Sendung Christi ihren Ausgang; diese Sendung hat er den Aposteln übertragen, als er ihnen am Abend des Ostertages erschien: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Wie der Vater den Sohn gesandt hat, so sendet der Sohn die Kirche bis an die äußersten Grenzen der Erde hinaus. Es ist ein und dieselbe Sendung, eine einzige Heilsbotschaft, die von Gott ausgeht und für jeden Menschen bestimmt ist, damit er, von der Sünde erlöst, ein Kind Gottes werde. 2. Die Kirche verkündet der Welt unablässig die Vaterschaft Gottes in Worten und durch das Zeugnis ihrer Kinder. Die Evangelisierung wird in der Tat bekräftigt und glaubhaft gemacht durch die Heiligkeit der Christen und der kirchlichen Gemeinschaften, die sich bemühen, als wahre Kinder Gottes zu leben in der Verwirklichung des zweifachen Liebesgebots. Mein Gedanke geht zu den zahllosen Missionaren - Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen sowie Laien - die an allen Enden der Erde Zeugen Christi unter nicht wenigen Schwierigkeiten sind und manchmal die Treue zu ihrer Sendung mit ihrem Blut bezahlen. Niemals soll es diesen unseren Brüdern und Schwestern an der geistlichen sowie materiellen Unterstützung unserer Gemeinschaften fehlen. 3. Der Weltmissionssonntag lädt alle Christen ein, Missionare im eigenen Lebensumfeld zu sein. Vielfältig sind in der Tat die Aufgaben der Kirche, doch eine ist ihre Sendung. In diesem Geist suche auch ich das apostolische Amt zu versehen, welches die göttliche Vorsehung mir am 16. Oktober 1978 anvertraut hat. Während ich von Herzen allen danke, die mir zu diesem Anlass innige Glückwünsche entboten und mir ihr Gedenken im Herrn zugesichert haben, bitte ich alle, mich weiterhin mit ihrem Gebet zu begleiten, damit ich diesen Dienst für die Kirche von Rom und die gesamte Christenheit getreu fortsetzen kann. Maria vertraue ich erneut meine ganze Person und Sendung sowie die gesamte Kirche an, deren zärtliche und fürsorgende Mutter sie ist. In diesem Sinne wollen wir uns nun im Gebet des „Engel des Herrn“ an sie wenden. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst unter anderem — auf Französisch: Heute wird der Welttag der Bekämpfung der Armut, von P. Wresinski eingeführt und von den Vereinten Nationen anerkannt, gefeiert. In diesem letzten Vorbereitungsjahr für das Große Jubiläum, das dem barmherzigen Vater und der Liebe ge- 143 A UDIENZEN UND ANGELUS widmet ist, bringe ich allen Menschen, die in Situationen äußerster Armut leben, meine geistige Nähe zum Ausdruck. Gott hört den Schrei der Armen. Ihr, die ihr leidet und hofft, Christus ist mit euch, denn er kämpft an der Seite derer, die in ihrer Würde verhöhnt sind. Die Kirche ist mit euch bei euren täglichen Mühen, eure Familien aufzubauen und eure Kinder darin großzuziehen. Auch rufe ich die Verantwortlichen der Nationen, alle Jünger Christi und die Menschen guten Willens zu immer stärkerem Einsatz auf, um Abhilfe zu schaffen gegen die äußerste Armut. Sie unterstützen die Anstrengungen derer, die gegen die Armut, in der sie sich befinden, kämpfen, und derer, die ihnen helfen. Ebenso arbeiten sie an der Bildung einer Kultur der Solidarität und einer Gesellschaft, wo für jeden Platz ist unter Beachtung der Grundsätze von Gerechtigkeit und Frieden, von Brüderlichkeit und Liebe. — auf Italienisch: Heute wird in der Diözese Rom ein besonderer Tag der Sensibilisiemng und des Gebets zur Vorbereitung auf das Weltjugendtreffen, das vom 15. bis 20. August 2000 stattfinden wird, begangen. Ich lade die Römer ein, Vorbereitungen zu treffen für eine gastliche Aufnahme - womöglich in der eigenen Wohnung - der vielen Jugendlichen, die aus allen Teilen der Welt in unserer Stadt Zusammenkommen werden. Die Jugendlichen bitte ich, den Weg auf dieses große kirchliche Ereignis zu mit Begeisterung weiterzugehen: Es wird ihr Jubiläum schlechthin sein. Maria, „Salus populi romani“, wollen wir den guten Erfolg dieser wichtigen Veranstaltung anvertrauen. Mit Zuneigung empfange ich die „Albanischen Kinder, Botschafter des Friedens“ mit den Missionaren und Erziehern und segne gerne die „Friedensglocke“, die aus aufgesammelten Geschosshülsen aus der albanischen Region Zadrima gegossen ist und am ersten Tag des Jahres 2000 auf dem Hauptplatz von Tirana aufgestellt werden soll. Die theologale Tugend der Liebe: die Liebe zum Nächsten Generalaudienz am 20. Oktober 1. „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bmder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bmder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht. Und dieses Gebot haben wir von ihm: Wer Gott liebt, soll auch seinen Bmder lieben“ (7 Joh 4,20-21). Die theologale Tugend der Liebe, von der wir in der letzten Katechese gesprochen haben, drückt sich in den zwei Richtungen aus: zu Gott und zum Nächsten. In dem einen wie im anderen Aspekt ist sie Fmcht der Dynamik des Lebens der Dreifaltigkeit in uns. 144 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Liebe hat in der Tat ihren Ursprung im Vater, wird im Pascha des gekreuzigten und auferstandenen Sohnes vollends offenbar und wird durch den Heiligen Geist in uns ausgegossen. In der Liebe macht uns Gott seiner eigenen Liebe teilhaftig. Wenn man wirklich mit der Liebe Gottes liebt, liebt man auch den Bruder, so wie er ihn liebt. Darin besteht die große Neuigkeit des Christentums: Man kann Gott nicht lieben, wenn man nicht die Brüder liebt und mit ihnen eine innige, dauerhafte Liebesgemeinschaft aufbaut. 2. Die Lehre der Heiligen Schrift ist in dieser Hinsicht unmissverständlich. Die Liebe zu den eigenen Stammesgenossen wird schon den Israeliten zum Gebot gemacht: „An den Kindern deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Lev 19,18). Wenn dieses Gebot in einem ersten Augenblick allein auf die Israeliten beschränkt zu sein scheint, so wird es doch allmählich in immer weiterem Sinn verstanden und schließt auch die Fremden ein, die sich bei ihnen aufhalten, eingedenk dessen, dass Israel selbst Fremder in Ägypten gewesen ist (vgl. Lev 19,34; Dtn 10,19). Im Neuen Testament wird diese Liebe in einem deutlich universalen Sinn zum Gebot: Sie geht von einem Verständnis des Nächsten aus, das keine Grenzen kennt (vgl. Lk 10,29-37) und auch auf die Feinde ausgedehnt ist (vgl. Mt 5,43-47). Wichtig ist es, daraufhinzuweisen, dass die Liebe zum Nächsten als Nachahmung und Ausdehnung der barmherzigen Güte des himmlischen Vaters gesehen wird, der für die Bedürfnisse aller sorgt und keine Unterschiede zwischen den Menschen macht (vgl. Mt 5,45). Die Liebe zum Nächsten bleibt jedoch mit der Liebe zu Gott verbunden: Das zweifache Liebesgebot bildet in der Tat die Synthese und den Höhepunkt des Gesetzes und der Propheten (vgl. Mt 22,40). Nur wer beide Gebote in die Praxis umsetzt, ist nicht fern vom Reich Gottes, wie Jesus selbst in seiner Antwort an den Schriftgelehrten, der ihn danach gefragt hatte, unterstreicht (vgl. Mk 12,28-34). 3. Diesem Weg folgend, der die Liebe zum Nächsten mit der zu Gott verbindet und beide mit dem Leben Gottes in uns, ist es leicht zu verstehen, wieso die Liebe im Neuen Testament als eine „Frucht“ des Geistes dargestellt wird, ja als die erste der Gaben, die der hl. Paulus im Brief an die Galater aufzählt: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ {Gal 5,22-23). In der theologischen Tradition hat man unterschieden zwischen den theologalen „Tugenden“, den „Gaben“ und den „Früchten“ des Heiligen Geistes, wobei diese zugleich in Wechselbeziehung zueinander treten (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 1830-1832). Während die „Tugenden“ bleibende Eigenschaften sind, die dem Geschöpf im Hinblick auf die übernatürlichen Werke, die es vollbringen soll, verliehen werden, und die „Gaben“ die sittlichen wie die theologalen Tugenden vervollkommnen, sind die „Früchte“ des Geistes tugendhafte Handlungen, die die Person mit Leichtigkeit, gewohnheitsmäßig und gerne vollbringt (vgl. Thomas von Aquin, Summa theologiae, 1-11, q. 70 a. 1, 145 AUDIENZEN UND ANGELUS ad 2; Die deutsche Thomas-Ausgabe, Bd. 11: Grundlagen der menschlichen Handlung I-II, Salzburg/Leipzig 1940, S. 49-70). Diese Unterschiede stehen dem, was Paulus sagt, nicht entgegen, wenn er in der Einzahl von der „Frucht“ des Geistes spricht. Der Apostel will nämlich zeigen, dass die Frucht par excellence die göttliche Liebe selbst ist, welche jeden tugendhaften Akt beseelt. Wie das Licht der Sonne sich in einer endlosen Farbenpalette ausdrückt, so zeigt sich die Liebe in vielfachen Früchten des Geistes. 4. In diesem Sinn wird im Brief an die Kolosser gesagt: „Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht“ {Kol 3,14). Das Hohelied der Liebe, das im ersten Brief an die Korinther enthalten ist (vgl. 1 Kor 13), preist diesen Vorrang der Liebe vor allen anderen Gaben (vgl. V. 1-3), ja selbst vor Glaube und Hoffnung (vgl. V. 13). Von ihr sagt der Apostel Paulus: „Die Liebe hört niemals auf1 (V. 8). Die Liebe zum Nächsten hat christologischen Gehalt, denn sie muss dem Geschenk gleich werden, zu dem Christus sein Leben gemacht hat: „Daran haben wir die, Liebe erkannt, daß Er sein Leben für uns hingegeben hat. So müssen auch wir für die Brüder das Leben hingeben“ (1 Joh3,l6). Eine nach dem Maß der Liebe Christi bemessene Liebe darf sich „das neue Gebot“ nennen, woran man die wahren Jünger erkennen kann: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,34—35). Die christologische Bedeutung der Nächstenliebe wird bei der Wiederkunft Christi aufstrahlen. Denn genau dann wird man feststellen, dass das Maß der Beurteilung der Anhängerschaft Christi gerade die tägliche, sichtbare Übung der Liebe an den bedürftigsten Brüdern ist: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben...“ (vgl. Mt 25,31-46). Nur wer sich vom Nächsten und seinen Nöten betroffen machen lässt, zeigt konkret seine Liebe zu Jesus. Verschlossenheit und Gleichgültigkeit gegenüber dem „anderen“ ist Verschlossenheit gegenüber dem Heiligen Geist, Vergessenheit auf Christus und Ablehnung der universalen Liebe des Vaters. Gottes- und Nächstenliebe Liebe Schwestern und Brüder! Das ist die große Neuheit des Christentums? Diese Frage wird immer wieder gestellt. Ich habe dafür eine kurze Antwort: Gottes- und Nächstenliebe gehören eng zusammen. Man kann Gott nicht lieben, wenn man die Brüder und Schwestern nicht liebt Was im Alten Testament schon anklang, das verkündet und lebt Jesus Christus im Neuen Bund auf die ganze Menschheit hin. Die beiden Liebesgebote bilden sowohl die Zusammenfassung als auch den Gipfel des Gesetzes und der Propheten. 146 A UDIENZEN UND ANGELUS Im „neuen Gebot“ liegt die Neuheit, die Jesus Christus uns gebracht hat. Er hat nicht nur von der Liebe geredet, er hat sie gelebt bis zur Hingabe seiner selbst. Seit der Gottmensch auf dieser Erde gelebt hat, steht unser alltäglicher Einsatz als Christen unter der Verheißung: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Das „neue Gebot“ der Liebe möge der Maßstab für alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sein, die zu dieser Audienz gekommen sind. Besonders grüße ich die Gruppe der Diözesanwallfahrt Bozen-Brixen, außerdem die Franziskanerinnen von Salzkotten, die an einer geistlichen Erneuerung teilnehmen. Auch heiße ich die Gruppe der Bank für Sozialwirtschaft sowie den Dreikönigsverein willkommen. Nicht vergessen möchte ich schließlich die Schulleiter und Religionslehrer aus dem Bistum Hildesheim sowie die Schüler- und Jugendgruppen, besonders den Kinderchor Dinklage. Gern erteile ich Euch, Euren Lieben daheim und den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen den Apostolischen Segen. Opferbereiten Dienst für das Evangelium leisten Angelus am 24. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit einer festlichen Eucharistiefeier ist gestern in der Vatikanbasilika die Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa zu Ende gegangen. Aus den Synodenarbeiten ist oft der Appell an die Gläubigen lautgeworden, mutige Missionare des Evangeliums auf unserem Kontinent zu sein. Europa dürstet nach Hoffnung; und gerade deshalb braucht es Christus. Wie schon das Synodenthema sagt, ist in der Tat Er die Quelle der Hoffnung für jeden Menschen. 2. Die Einladung, Missionare zu sein, erhält am heutigen Tag universale Dimension: Heute wird nämlich der Weltmissionssonntag gefeiert, der letzte vor dem Jahr 2000. Angesichts der geistlichen Bedürfnisse dieser unserer Zeit sind alle Christen gerufen, sich tatkräftig für das Reich Gottes einzusetzen und es mit der Begeisterung zu tun, die Pauline Jaricot, der Gründerin des Werkes der Glaubensverbreitung, von Kindheit an eigen war. In diesem Jahr ist der 200. Jahrestag ihrer Geburt. Ihr leuchtendes Beispiel ermutigt die Kirche, die Botschaft Christi mit immer größerem Einsatz in der Welt zu verbreiten. In dieser Hinsicht wird die Durchführung einer besonderen Heilig-Jahr-Feier der Weltmission zusammen mit dem Internationalen Missionarisch-Missiologischen Kongress am 22. Oktober 2000 von großem Interesse sein; beide werden von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker organisiert. Es wird eine von der Vorsehung bestimmte Gelegenheit sein, Gott für das bisher Vollbrachte zu danken 147 AUDIENZEN UND ANGELUS und die Begeisterung und Motivation des ganzen Christenvolkes für das Werk der Neuevangelisierung zu erneuern. 3. Mit der ganzen Kirche richte ich heute einen herzlichen Gruß und Dank an die Missionare und Missionarinnen „ad gentes“, die das ihnen anvertraute Werk vollbringen, ohne sich von Schwierigkeiten entmutigen zu lassen; sie tun es bisweilen um den Preis des Lebens selbst. Es möge ihnen niemals an unserer geistlichen sowie materiellen Unterstützung fehlen. Lasst uns, liebe Brüder und Schwestern, für diese hochherzigen Menschen beten, die sich im Dienst des Evangeliums aufzehren. Die heiligste Maria, Leitstern der Evangelisierung, möge die Missionare und Missionarinnen begleiten und den Einsatz all derer fruchtbar machen, die, in welcher Weise auch immer, in der weltweiten Sendung der Kirche mitarbeiten. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst u. a. auf Deutsch: Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an euch, liebe Schwestern und Brüder deutscher Sprache. Insbesondere heiße ich die Familiären des Deutschen Ordens Österreich, die Katholische Österreichische Hochschulverbindung sowie die Katholische Österreichische Studentenverbindung herzlich willkommen. Der Herr möge euch im Glauben bestärken und auf eurem Lebensweg begleiten. Gerne erteile ich euch den Apostolischen Segen. Papst ermutigt Friedensmärsche in Kolumbien Heute werden in allen Städten Kolumbiens Friedensmärsche durchgeführt. Auch die in Rom anwesenden Kolumbianer haben sich dieser Initiative angeschlossen und sind heute morgen zum Zeichen der Solidarität hierhergekommen, um am gemeinsamen Gebet teilzunehmen. Alle lade ich ein, mit ihnen zu beten, um von Gott das Geschenk des Friedens zu erflehen; zugleich segne und ermutige ich die Anstrengungen, die bereits in dieser Richtung hin unternommen werden. Die vorrangige Liebe zu den Armen Generalaudienz am 27. Oktober 1. Das II. Vatikanische Konzil unterstreicht eine spezifische Dimension der Liebe, die uns dazu bringt, uns nach dem Beispiel Christi vor allem den Allerärmsten zuzuwenden: „Christus wurde vom Vater gesandt, ,den Armen frohe Botschaft zu bringen, zu heilen, die bedrückten Herzens sind1 (.Lk4,18), ,zu suchen und zu retten, was verloren war1 (Lk 19,10). In ähnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit angefochten sind, ja in den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein 148 AUDIENZEN UND ANGELUS Armer und Leidender war. Sie müht sich, deren Not zu erleichtern, und sucht Christus in ihnen zu dienen“ (Lumen Gentium, Nr. 8). Wir wollen heute die Lehre der Heiligen Schrift über die Gründe der vorrangigen Liebe zu den Armen vertiefen. 2. Gleich zu Anfang sei bemerkt, dass vom Alten zum Neuen Testament hin ein Fortschritt in der Bewertung der Armen und ihrer Lage stattfmdet. Im Alten Testament kommt oft die allgemein menschliche Überzeugung zum Ausdruck, wonach Reichtum besser ist als Armut und der gerechte Lohn ist für einen redlichen und gottesfürchtigen Menschen: „Wohl dem Mann, der den Herrn fürchtet und ehrt und sich herzlich freut an seinen Geboten ... Wohlstand und Reichtum füllen sein Haus“ (Ps 112,1.3). Armut wird als Strafe aufgefaßt, die den trifft, der den weis-heitlichen Rat zurückweist (vgl. Spr 13,18). Aus einer anderen Sicht jedoch werden die Armen zum Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit, und zwar insofern sie Opfer eines abartigen Unrechts sind. Berühmt sind die Schimpfreden der Propheten gegen die Ausbeutung der Armen. Der Prophet Arnos (vgl. Am 2,6-16) stellt die Unterdrückung der Armen unter die Anklagepunkte gegen Israel: „.. weil sie den Unschuldigen für Geld verkaufen und den Armen für ein Paar Sandalen, weil sie die Kleinen in den Staub treten und das Recht der Schwachen beugen“ (ebd., V. 6-7). Die Verbindung von Armut und Unrecht wird auch bei Jesaja hervorgehoben: „Weh denen, die unheilvolle Gesetze erlassen und unerträgliche Vorschriften machen, um die Schwachen vom Gericht femzuhalten und den Armen meines Volkes ihr Recht zu rauben“ (Jes 10,1-2). -Dieser Zusammenhang erklärt auch die Vielzahl von Vorschriften zum Schutz der Armen und derer, die sozial am schwächsten sind: „Ihr sollt keine Witwe oder Waise ausnützen. Wenn du sie ausnützt und sie zu mir schreit, werde ich auf ihren Klageschrei hören“ (Ex 22,21-22; vgl. Spr 22,22-23; Sir 4,1-10). Die Armen verteidigen heißt Gott ehren, den Vater der Armen. Daher ist die Großzügigkeit ihnen gegenüber gerechtfertigt und wird empfohlen (vgl. Dm 15,1-11; 24,10-15; Spr 14,21; 17,5). Im Lauf der fortschreitenden Vertiefung des Themas der Armut nimmt diese einen religiösen Wert an. Gott spricht von „seinen“ Armen (vgl. Jes 49,13), die nach und nach mit dem „Rest von Israel“ identifiziert werden, ein demütiges und armes Volk nach den Worten des Propheten Zefanja (vgl. Zef3,\2). Auch vom künftigen Messias heißt es, dass er ein Herz für die Armen und Unterdrückten hat, wie es bei Jesaja in dem bekannten Text über den Reis gesagt wird, der aus dem Baumstumpf Jesajas hervorwächst: „Er richtet die Hilflosen gerecht und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist“ (Jes 11,4). 3. Und so wird im Neuen Testament den Armen die frohe Botschaft von der Befreiung verkündet, wie Jesus selbst betont, wenn er die Prophezeiung aus dem Buch Jesaja auf sich bezieht: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das 149 AUDIENZEN UNDANGELUS Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Lk 4,18; vgl. Jes 61,1-2). Man muss die innere Haltung des Armen annehmen, um am „Himmelreich“ teilzuhaben (vgl. Mt 5,3; Lk 6,20). Im Gleichnis vom Festmahl werden die Armen zusammen mit den Krüppeln, den Blinden und den Lahmen, also den am meisten leidenden und ausgegrenzten sozialen Gmppen, zu Tisch geladen (vgl. Lk 14,21). Der hl. Jakobus sagt, Gott hat „die Armen in der Welt aus erwählt, um sie durch den Glauben reich und zu Erben des Königreichs zu machen, das er denen verheißen hat, die ihn lieben“ {Jak 2,5). 4. Die „evangelische“ Armut schließt immer eine große Liebe zu den Ärmsten dieser Welt ein. In diesem dritten Vorbereitungsjahr auf das Große Jubiläum sollen wir Gott neu als fürsorgenden Vater entdecken, der sich über das menschliche Leiden beugt, um die Betroffenen davon zu erlösen. Auch unsere Liebe muss zum Miteinander-Teilen und zur menschlichen Förderung, verstanden als Gesamtwachstum jeder Person, werden. Die Radikalität des Evangeliums hat viele Jünger Jesu entlang der Geschichte auf die Suche nach der Armut getrieben bis zu dem Punkt, die eigenen Güter zu verkaufen und den Erlös den Armen zu geben. Die Armut wird hier zu einer Tugend, die nicht nur das Los des Armen erleichtert, sondern darüber hinaus zu einem geistlichen Weg wird, dank dessen er sich wahren Reichtum verschaffen kann, einen Schatz im Himmel, der nicht abnimmt (vgl. Lk 12,32-34). Materielle Armut ist niemals ein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um Christus nachzufolgen, über den Paulus den Korinthern schreibt: „Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9). 5. Ich kann es hier nicht unterlassen, ein weiteres Mal daraufhinzuweisen, dass die Armen die Herausfordemng von heute darstellen, vor allem für die wohlhabenden Völker unseres Planeten, auf dem Millionen Menschen in unmenschlichen Bedingungen leben und buchstäblich an Hunger sterben. Diesen Brüdern Gott als Vater zu verkünden ist nicht möglich ohne die Verpflichtung, im Namen Christi am Aufbau einer gerechteren Gesellschaft mitzuarbeiten. Schon immer, und in besonderer Weise mit ihrer Soziallehre von Rerum novarum bis Centesimus annus, hat die Kirche sich bemüht, das Thema der Allerärmsten in Angriff zu nehmen. Das Große Jubiläum des Jahres 2000 soll als eine weitere Gelegenheit deutlicher Umkehr der Herzen gelebt werden, damit der Geist neue Zeugen in diesem Sinne erwecke. Die Christen sollen zusammen mit allen Menschen guten Willens durch angemessene wirtschaftliche und politische Programme beitragen zu jenen so sehr nötigen Strukturveränderungen, um die Menschheit von der Geißel der Armut zu befreien (vgl. Centesimus annus, Nr. 57). 150 A UDIENZEN UND ANGELUS Liebe für die Armen Liebe Schwestern und Brüder! Die Armen finden sowohl im Alten als auch im Neuen Testament besondere Beachtung. Die Propheten haben immer wieder gegen die Ausnützung der Armen gesprochen. Von der Befreiung der Armen redet auch Jesus, wenn er den Propheten Jesaja zitiert: „Der Geist des Herrn ruht auf mir: denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden des Augenlicht: damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ {Lk 4,18; vgl. Jes 61,1-2). Die Armen werden von Jesus selig gepriesen, „denn ihnen gehört das Himmelreichs (vgl. Mt 5,3; Lk 6,20). Die Armut, die dem Evangelium entspricht, ermöglicht es dem Menschen, sich ganz der Nächstenliebe hinzugeben. Die Frohe Botschaft hat im Laufe der Kirchengeschichte viele dazu angespomt, ihr Eigentum mit den Armen zu teilen und selbst arm zu werden. Die christliche Lehre über die Armut ist heute umso aktueller, da wenigen wohlhabenden Völkern die arme Mehrheit der Menschheit gegenübersteht. Sich ihrer anzunehmen, entspricht nicht nur dem Willen Jesu. Es dient auch dem Aufbau einer gerechten Gesellschaft. Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders heiße ich willkommen: die Superintendenten aus der Region Lüneburg, Gruppen von Theologiestudenten aus Würzburg und Salzburg sowie die zahlreichen Schüler und Schülerinnen verschiedener Schulen. Euch, Euren Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Einen Meilenstein auf dem Weg zur Einheit gesetzt Angelus am 31. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. In Augsburg in Deutschland findet heute, und zu eben dieser Stunde, ein Ereignis von großer Bedeutung statt. Die Vertreter der katholischen Kirche und des Lutherischen Weltbundes unterzeichnen eine „Gemeinsame Erklärung“ über eines der Hauptargumente, die Katholiken und Lutheraner in Gegensatz zueinander gebracht haben: die Lehre über die Rechtfertigung durch den Glauben. Es handelt sich um einen Meilenstein auf dem nicht leichten Weg zur Wiederherstellung der vollen Einheit zwischen den Christen, und es ist ganz bezeichnend, dass er gerade in der Stadt gesetzt wird, in der im Jahre 1530 durch die „Confessio Augustana“ eine entscheidende Seite der lutherischen Reform geschrieben wurde. 151 AUDIENZEN UND ANGELUS Dieses Dokument bildet eine sichere Basis für die Fortsetzung der theologischen ökumenischen Forschung und auch, um den noch darin verbleibenden Schwierigkeiten mit mehr begründeter Hoffnung auf eine zukünftige Lösung zu begegnen. Es ist ebenso ein wertvoller Beitrag zur Reinigung der geschichtlichen Erinnerung und zum gemeinsamen Zeugnis. 2. Ich möchte dem Herrn danken für dieses Zwischenziel auf dem schwierigen Weg, der aber auch so reich war an Freude, an Übereinstimmung und an Gemeinschaft zwischen den Christen. Es gibt bedeutsam Antwort auf den Willen Christi, der vor seinem Leiden den Vater darum bat, dass seine Jünger eins seien (vgl. Joh 17,11). Ein Grund zur Dankbarkeit ist auch die Tatsache, dass es gerade an der Schwelle des Jahres Zweitausend zu diesem tröstlichen Zeichen kommt, so dass die Christen zum Großen Jubiläum „wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht in Erscheinung treten können, der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends viel näher zu sein“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 34). Dankbar gedenke ich aller, die dafür gebetet und gearbeitet haben, dass diese gemeinsame Erklärung möglich wurde. Zugleich hebe ich mit Freude hervor, dass an der kürzlich beendeten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa auch Bruderdelegierte der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften teilgenommen haben. Diese Versammlung zählte den ökumenischen Weg zu den Hoffnungszeichen für einen Kontinent, der den größten Teil der Uneinigkeiten unter den Christen hervorgerufen und noch sehr unter deren Folgen zu leiden hat. 3. Ich lade alle ein zu erneutem betenden und tätigen Vertrauen auf den Heiligen Geist, „der uns von den Gespenstern der Vergangenheit und den schmerzlichen Erinnerungen der Trennung abzubringen vermag. Er kann uns Klarheit, Kraft und Mut verleihen, um die nötigen Schritte zu unternehmen, so daß unser Engagement immer glaubwürdiger wird“ (Ut unum sint, Nr. 102). Die Christen kennen das Wort des Engels an Maria am Tag der Verkündigung: „Für Gott ist nichts unmöglich“ (Lk 1,37). Ihre Hoffnung auf die volle Einheit stützt sich auf die Macht Gottes. Vertrauen wir den ökumenischen Weg der mütterlichen Fürsprache der heiligen Jungfrau an. Sie ist das erhabene Vorbild der Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt. Sie, die vor nunmehr zweitausend Jahren das menschgewordene Wort zur Welt gebracht hat, möge alle Glaubenden zu Ihm führen, dem „wahren Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (vgl. Joh 1,9). 152 A UDIENZEN UND ANGEL US Eucharistie als Unterpfand ewigen Lebens für die Verstorbenen Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir feiern heute des Fest Allerheiligen. An diesem festlichen Gedenktag richtet die Kirche, die auf Erden pilgert, ihren Blick himmelwärts auf die unermessliche Schar von Männern und Frauen, die Gott zur Teilhabe an seiner Heiligkeit erhoben hat. Sie kommen, wie das Buch der Offenbarung des Johannes lehrt, „aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen“ (Offb 7,9). In ihrem irdischen Leben war es ihnen darum zu tun, immer seinen Willen zu erfüllen, ihn aus ganzem Herzen zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst. Damm hatten sie auch Prüfungen und Verfolgungen zu leiden, und jetzt ist ihr Lohn im Himmel groß und ewig (vgl. Mt 5,11). Meine Lieben, das ist unsere Zukunft! Das ist die wahrste und allgemeine Berufung der Menschheit: die große Familie der Kinder Gottes zu bilden und sich Mühe zu geben, deren wesentliche Züge schon auf Erden vorauszunehmen. Zu diesem Ziel zieht uns das leuchtende Beispiel so vieler Brüder und Schwestern hin, die die Kirche im Lauf der Jahrhunderte als Selige und Heilige anerkannt und allen als Vorbilder und Führer vorgestellt hat. Heute bitten wir sie um ihre gemeinsame Fürsprache, damit sich jeder Mensch für die Liebe Gottes, der Quelle des Lebens und der Heiligkeit, öffne. 2. Am morgigen Tag wird diese Bitte zum inständigen und einhelligen Gebet zum Vater des Erbarmens für alle verstorbenen Gläubigen. In jedem Teil der Welt wird man für sie das eucharistische Opfer darbringen, das Unterpfand ewigen Lebens für die Lebenden und die Verstorbenen, nach dem Worte Christi selbst: „Ich bin das Brot des Lebens ... Wer dieses Brot ißt, wird leben in Ewigkeit“ (Joh 48,58). In diesen Tagen machen die, denen es möglich ist, einen Friedhofsbesuch, um an den Gräbern ihrer Lieben zu beten. Auch ich werde heute Nachmittag in die Vatikanischen Grotten hinuntergehen, um an den Gräbern meiner Vorgänger im Gebet zu verweilen. Im Geist mache ich mich dann auf zum Friedhof von Krakau, wo meine lieben Verstorbenen ruhen, und zu den anderen Friedhöfen der Welt, um vor allem an den in Vergessenheit geratenen Gräbern zu beten. Die Liturgie lehrt ja, im Namen der Solidarität, die die Glieder der Kirche miteinander verbindet, für alle zu beten: Das ist ein Band, das stärker ist als der Tod. Möge niemandem unsere Gebetshilfe fehlen! 3. In diesem geistlichen Klima spüren wir mehr denn je die lebendige und tröstende Anwesenheit Marias. Heute rufen wir sie als Königin aller Heiligen an und betrachten sie inmitten der himmlischen Versammlung der seligen Geister. Morgen werden wir ihr, der Mutter der Barmherzigkeit, die Seelen der verstorbenen Gläubigen anvertrauen. 153 A UDIENZEN UND ANGELUS Für das Volk Gottes ist sie Zeichen des Trostes und sicherer Hoffnung. In ihr erkennen wir das lebendige Bild des Wortes Christi: „Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen“ (Mt 5,8). Ihre Fürsprache erlange uns, diese Seligpreisung des Evangeliums uns zu eigen zu machen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Am heutigen Hochfest möchte ich euch auch auffordem, auf die Fürsprache aller Heiligen das kostbare Geschenk des Friedens für ein Land zu erbitten, das uns so teuer ist: für Tschetschenien. Möge unser besorgtes Gebet für diese so geprüften Bevölkerungsgruppen die Gnade der Eintracht erlangen, während wir unserem Wunsch Ausdruck geben, dass die dort bestehenden Spannungen friedliche, das Recht aller Bürger respektierende Lösungen finden. Einsatz für die internationale Schuldensenkung der armen Länder Generalaudienz am 3. November 1. „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben.“ (Mt 25,34-35). Dieses Wort aus dem Evangelium hilft uns, unser Nachdenken über die Nächstenliebe in konkretes Handeln umzusetzen. Es spornt uns an, nach den Hinweisen von Tertio millennio adveniente (vgl. Nr. 51) einige Wege des Einsatzes ins Auge zu fassen, die dem Geist des Großen Jubiläums, das wir uns zu feiern anschicken, besonders angemessen sind. Zu diesem Zweck ist ein Verweis auf das biblische Jubeljahr angebracht. Im Buch Levitikus, Kapitel 25 beschrieben, greift es die Funktion des Sabbatjahres auf, bringt diese jedoch in vollkommenerer Weise zum Ausdruck (vgl. V. 2-7.18-22). Im Sabbatjahr soll man mit dem Bearbeiten des Landes aussetzen. Auch das Jubeljahr, das jeweils nach einem Zeitraum von 49 Jahren stattfindet, ist durch Aussetzung der Bestellung des Bodens gekennzeichnet (vgl. V. 8-12), bringt aber zwei Vorschriften zugunsten der Israeliten mit sich. Die erste handelt von der Rückführung des Land- und Hausbesitzes (vgl. V. 13-17.23-34); die zweite betrifft die Freilassung israelitischer Sklaven, die sich infolge Verschuldung an ihre Landsleute verkauft haben (vgl. V. 39-55) 2. Das christliche Jubiläum, wie es seit Papst Bonifaz VIII. im Jahr 1300 zu feiern begonnen wurde, hat seine eigene besondere Gestalt; es fehlt jedoch nicht an Inhalten, die auf das biblische Jubeljahr zurückgehen. 154 AUDIENZEN UND ANGELUS Was den Grundbesitz betrifft, beruht die Vorschrift des biblischen Jubeljahres auf dem Prinzip, wonach „das Land Gott gehört“ und daher der gesamten Gemeinschaft; zum Nutzen gegeben ist. Wenn also ein Israelit sein Land veräußert hatte, so gestattete ihm das Jubeljahr, wieder in seinen Besitz zu gelangen. „Das Land darf nicht endgültig verkauft werden; denn das Land gehört mir, und ihr seid nur Fremde und Halbbürger bei mir. Für jeden Grundbesitz sollt ihr ein Rückkaufrecht auf das Land gewähren“ (Lev 25,23-24). Das christliche Jubiläum beruft sich mit immer stärkerem Bewusstsein auf die sozialen Werte des biblischen Jubeljahrs. Es will sie im heutigen Kontext interpretieren und neu vorlegen im Nachdenken über die Forderungen des Gemeinwohls und die allgemeine Bestimmung der Güter der Erde. Gerade in dieser Hinsicht habe ich im Schreiben Tertio millennio adveniente vorgeschlagen, dass das Jubiläum als „eine passende Zeit“ gelebt werde, „um unter anderem an eine Überprüfung, wenn nicht überhaupt an einen erheblichen Erlaß der internationalen Schulden zu denken, die auf dem Geschick vieler Nationen lasten“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 51). 3. Paul VI. betonte in der Enzyklika Populorum progressio zu diesem für viele wirtschaftlich schwache Länder typischen Problem, dass ein Gespräch zwischen Gebern und Empfängern unerlässlich sei, das es ermöglichte, „Beiträge festzusetzen, nicht nur nach der Großzügigkeit und dem Vermögen der einen, sondern auch nach den wirklichen Bedürfnissen und Verwendungsmöglichkeiten der anderen. Die Entwicklungsländer liefen dann nicht mehr Gefahr, von Schulden erdrückt zu werden, deren Abzahlung weitgehend ihren Gewinn verschlingt“ (Populorum Progressio, Nr. 54). In der Enzyklika Sollicitudo rei socialis habe ich feststellen müssen, dass bedauerlicherweise eine veränderte Lage sowohl in den verschuldeten Ländern als auch auf dem internationalen Finanzmarkt dazu geführt hat, dass die Finanzierung selbst zu einem „Mechanismus“ geworden ist, „der das Gegenteil bewirkt“; und dies „sei es, weil die Schuldnerländer, um dem Schuldendienst nachzukommen, sich verpflichtet sehen, Kapitalien auszuführen, die notwendig wären, um ihren Lebensstandard zu heben oder wenigstens zu halten, sei es, weil sie aus demselben Grund keine neuen Kredite erhalten können, die sie dringend brauchten“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 19). 4. Das Problem ist komplex und nicht leicht zu lösen. Es muss allerdings klar sein, dass es sich um kein rein wirtschaftliches Problem handelt, sondern ethische Grundprinzipien mitbetrifft und Raum im internationalen Recht finden muss, um in Angriff genommen und auf mittlere und lange Sicht hin einer geeigneten Lösung zugeführt zu werden. Es ist eine „Ethik des Überlebens“ anzuwenden, welche die Beziehungen zwischen Gläubigem und Schuldnern so regelt, dass der sich in Schwierigkeiten befindende Schuldner nicht von einer unerträglichen Last erdrückt wird. Es geht dämm, widerrechtliche Spekulationen zu vermeiden, zu konzertierten Lösungen zu finden, wodurch die Darlehensgeber vermehrte Sicherheit bekommen und die Empfänger sich verpflichtet wissen zu wirksamen, umfassenden 155 A UDIENZEN UND ANGEL US Reformen, was den politischen, bürokratischen, finanziellen und sozialen Aspekt ihrer Länder betrifft (vgl. Päpstliche Kommission „Iustitia et Pax“, Im Dienste der menschlichen Gemeinschaft. Ein ethischer Ansatz zur Überwindung der internationalen Schuldenkrise, II.). Heute, im Kontext einer „globalisierten“ Wirtschaft, gestaltet sich das Problem der internationalen Verschuldung noch schwieriger; doch erfordert dieselbe „Globalisierung“, dass man sich auf den Weg der Solidarität begibt, wenn man nicht einer allgemeinen Katastrophe entgegengehen will. 5. Gerade im Rahmen dieser Überlegungen nehmen wir die so gut wie universale Forderung auf, die wir von den jüngsten Bischofssynoden, vielen Bischofskonferenzen oder einzelnen Mitbrüdem im Bischofsamt sowie vielen Vertretern der Ordensleute, Priester und Laien vernommen haben, einen dringlichen Appell auszusprechen, internationale Schulden teilweise oder auch ganz zu erlassen. Insbesondere würde die Einforderung von Zahlungen mit überhöhten Zinsen ganze Völker in Hunger und Elend stürzen. Diese Perspektive der Solidarität, die ich in der Enzyklika Centesimus annus (vgl. Nr. 35) aufzeigte, ist noch dringlicher geworden in der Weltlage der letzten Jahre. Das Jubiläum kann eine willkommene Gelegenheit für Gesten guten Willens darstellen: Die reichsten Länder mögen Zeichen des Vertrauens hinsichtlich der Wirtschaftssanierung der ärmsten Nationen setzen; den Marktmanagem sei bewusst, dass es im turbulenten Globalisierungsprozess nicht möglich ist, sich allein zu retten. Die Geste guten Willens, Schulden zu erlassen oder wenigstens zu vermindern, sei Zeichen für eine neue Art, den Reichtum in Funktion des Gemeinwohls zu sehen. Erneuter Appell des Papstes für Burundi Nachrichten von ethnischen Spannungen kommen in diesen Tagen aus Burundi, wo eine schon von langen Jahren politischer und wirtschaftlicher Instabilität erschöpfte Bevölkerung weiteres Erschweren ihrer Lebensbedingungen erfahrt. Noch einmal möchte ich mit Nachdruck auf die dringende Notwendigkeit hinwei-sen, die Rückkehr der Familien in ihr Land, den freien und sicheren Zugang humanitärer Organisationen zu allen Gebieten und das gerechte Verteilen von Hilfsgü-tem zu erleichtern. Nicht mit gewaltsamem Vertreiben von Bevölkerungsteilen und genauso wenig mit Unterdrückung und bewaffnetem Kampf schafft man die Zukunft eines Landes! Wer so handelt, kann nicht auf spätere Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft hoffen. Ihrerseits wird die katholische Kirche, die in diesem Land so stark präsent ist, es nicht unterlassen, ihren wertvollen Beitrag zur Gewissensbildung und zur Befriedung der Gemüter im Blick auf eine bessere Zukunft zu leisten. 156 A UDIENZEN UND ANGELUS Das Große Jubiläum ein Jahr der Solidarität Liebe Schwestern und Brüder! Wer die biblische Wurzel des Heiligen Jahres freilegt, macht eine interessante Entdeckung: Denn bereits das Alte Testament nennt das Jubeljahr heilig und lädt dazu ein, für alle Bewohner des Landes die Freiheit auszurufen. Dieser soziale Gedanke bekommt an der Schwelle zum dritten Jahrtausend eine besondere Note. Wir müssen endlich ernst machen damit, dass die Güter dieser Erde für alle bestimmt sind. Viele arme Länder drückt eine schwere Schuldenlast. Gerade die Globalisierung ruft nach einer Lösung oder wenigstens Linderung dieses Problems. Um nicht in einer allgemeinen Katastrophe zu enden, mache ich mich zum Sprecher eines Anliegens, das auch Synoden, Bischofskonferenzen und Vertretungen von Priestern, Ordensleuten und Laien formuliert haben: Wählen wir den Weg der Solidarität! Dabei geht es nicht nur ums Geld, sondern um Moral. So plädiere ich für eine „Ethik des Überlebens“. Das Große Jubiläum möge ein Jahr der Solidarität werden. Die reicheren Länder sollen Zeichen des Vertrauens setzen, damit sich die ärmeren Länder von ihrer Misere befreien können. Schulden ganz oder teilweise zu erlassen, das ist mehr als eine Geste des guten Willens. Es ist ein Zeichen für eine neue Weise, den Reichtum im Blick auf das Allgemeinwohl zu sehen. Wer solche Zeichen setzt, tut den Willen Gottes, des Schöpfers des Himmels und der Erde. In Vorfreude auf das Große Jubiläum grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Einen besonderen Gruß entbiete ich den Marien-schwestem von der Unbefleckten Empfängnis, die gerade zum Generalkapitel versammelt sind. Außerdem heiße ich die neugeweihten Ständigen Diakone mit ihren Angehörigen aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart willkommen. Euch allen, Euren Lieben daheim sowie jenen, die über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Kurzansprache an die versammelten Gläubigen Am 10. November fand die Generalaudienz nicht statt, und der Papst hielt vom Fenster seines Arbeitszimmers aus folgende kurze Ansprache an die auf dem Petersplatz versammelten Gläubigen: Liebe Brüder und Schwestern! Mit Zuneigung grüße ich euch. Gestern Abend bin ich von meiner Apostolischen Pilgerreise nach Indien und nach Georgien zurückgekehrt. In Neu Delhi traf ich zahlreiche Bischöfe und Gläubige Asiens; in Tbilisi besuchte ich die katholische Gemeinschaft und ihren Apostolischen Administrator. Mit allen habe ich gebetet und die jeweiligen Erwartungen und Hoffnungen geteilt. Auch euch, liebe Brüder und Schwestern, bitte ich, mit mir Gott darum zu bitten, dass er den bei dieser Apostolischen Reise gestreuten Samen fruchtbar mache. Wir vertrauen dieses Gebet der heiligsten Maria, Leitstern der Evangelisierung, an. 157 AUDIENZEN UND ANGELUS Über diese interessante Reise werde ich am nächsten Mittwoch im Lauf der Generalaudienz sprechen, doch jetzt schon möchte ich den Präsidenten und den Regierungsbehörden von Indien und von Georgien meine Dankbarkeit ausdrücken. Besonderen Dank entbiete ich dem Patriarchen-Katholikos Ilja II., für die Herzlichkeit, die er mir entgegengebracht hat. Ich danke euch für eure Anwesenheit und segne euch von Herzen. Ich sehe hier Kroaten; da sind Polen. Alle grüße ich herzlich. Der Papst fuhr in deutscher Sprache fort: Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an Euch, liebe Schwestern und Brüder deutscher Sprache, die Ihr nach Rom gekommen seid. Gerne erteile ich Euch meinen Apostolischen Segen. Gott danken für die Früchte der Erde Angelus am 14. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute wird in Italien der Emtedanktag gefeiert, der uns einlädt, Gott für die Früchte der Erde zu danken. Am Ende eines landwirtschaftlichen Jahres und Beginn eines neuen bitten wir um Gottes Segen für Feld und Land, dass der Herr allen, die sich der Feldarbeit widmen, Stütze sein wolle. Während ich denen aufrichtigen Dank ausspreche, die sich mit Leidenschaft der Landarbeit hingeben, die für das Überleben der gesamten Menschheit unerlässlich ist, lade ich die Regierenden und die öffentliche Meinung ein, den Bedürfnissen und Erwartungen der Landbevölkerung mit solidarischem Einsatz entgegenzublicken. Möge dieser Tag, der in Italien seit fast fünfzig Jahren gefeiert wird, eine erneute Aufmerksamkeit gegenüber der Landbevölkerung fordern. Dieser Gedenktag sei eine Gelegenheit, die Schöpfung besser zu schätzen, die Gott den Menschen anvertraut hat, dass sie sie pflegen und hüten als ein kostbares Geschenk. 2. Der Danksagung an den Herrn für die Früchte der Erde möchte ich die für meine jüngste Pilgerreise nach Indien und Georgien anschließen, über die ich am kommenden Mittwoch bei der Generalaudienz zu sprechen Gelegenheit haben werde. Diese große geistliche Erfahrung bildet eine weitere Etappe auf dem Weg der Neu-Evangelisierung dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 entgegen. Weiter danke ich Gott für die ökumenische Feier, die gestern zum Gedenken an die hl. Birgitta in der Vatikanbasilika stattgefünden hat. Während dieses Gottesdienstes widerhallte in meinem Geist fortwährend das Gebet Christi im Abendmahlssaal: „Ut unum sint - Dass alle eins seien.“ Wir wollen weitergehen auf dem Weg, den Christus uns gezeigt hat, in der Hoffnung, baldmöglichst zur vollen Einheit aller Gläubigen zu gelangen. Maria, Mutter der Kirche, unterstütze uns in diesem Bemühen. 158 A UDIENZEN UND ANGELUS 3. Nicht unterlassen kann ich es ferner, einige Unglücke und Katastrophen der letzten Tage zu erwähnen: In Foggia ist ein mehrstöckiges Wohnhaus eingestürzt und hat unter seinen Trümmern zahlreiche Familien begraben; im Kosovo ist ein Flugzeug des „Weltemährungsprogrammes“ mit verdienstvollen Helfern in freiwilligem Einsatz an Bord abgestürzt; in der Türkei ist es zu einem weiteren heftigen Erdbeben gekommen nach dem vom vergangenen Monat August; vor ein paar Wochen ist ein Flugzeug der ägyptischen Luftfahrtsgesellschaft in den Atlantischen Ozean abgestürzt. Ich lade euch ein, für die vielen Opfer zu beten, und spreche allen meine Nähe und Solidarität aus, die sich in Leid befinden wegen dieser ungeheuren Tragödien. Zugleich ermutige ich zum Einsatz für Hilfe, Beistand und Solidarität, der sich sofort in großherziger Weise ausdrückte und lebhafte Anerkennung verdient. Der Opfer des Straßenverkehrs gedacht Heute wird in vielen Ländern der .Gedenktag für die Verkehrsopfer1 begangen. Aus diesem Anlass möchte ich alle, die auf der Straße das Leben verloren haben, eines besonderen Gebets versichern. Auch nehme ich die Gelegenheit wahr, um die Wichtigkeit einer intensiven und wirksamen Verkehrserziehung zu unterstreichen sowie allen die Pflicht, stets mit Vorsicht und Verantwortungsbewusstsein zu fahren, ins Gedächtnis zu rufen. Die Apostolische Reise nach Indien und Georgien Generalaudienz am 17. November 1. Heute möchte ich mich mit dem Besuch befassen, den ich in den vergangenen Tagen Indien und Georgien abgestattet, habe. Auf diese Reise zurückzukommen gibt mir die Gelegenheit, vor allem dem Vater im Himmel zu danken, „für den und durch den das All ist“ (Hebr 2,10). Mit seiner Hilfe habe ich auch diese Aufgabe meines Dienstes am Evangelium und an der Sache der Einheit der Christen erfüllen können. Die erste Station dieser meiner geistlichen Pilgerreise war die Stadt Neu-Delhi, in Indien, zur Unterzeichnung und Veröffentlichung des nachsynodalen Apostolischen Schreibens Ecclesia in Asia. Darin haben wir die Ergebnisse der Arbeiten und Vorschläge der 1998 in Rom durchgeführten Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien zusammengefasst. Indien ist Wiege alter Kulturen, Religionen und geistlicher Traditionen, die in einem seit Jahrhunderten von einem beachtlichen Grad gegenseitiger Toleranz gekennzeichneten gesellschaftlichen Rahmen auch heute das Leben von Millionen Menschen prägen. Das Christentum, das einen beträchtlichen Anteil an dieser Geschichte friedlicher Beziehungen hat, ist nach der Überlieferung der Christen Südindiens schon seit der Verkündigung durch den Apostel Thomas dort präsent. 159 A UDIENZEN UND ANGEL US Heute ist dieser Geist gegenseitiger Achtung in verschiedener Hinsicht in Bedrängnis. Es war daher wichtig, den aufrichtigen Wunsch der Kirche nach einem fruchtbaren Dialog unter den Anhängern aller Religionen, der zu neuen Beziehungen des Verständnisses und der Solidarität im Dienst der ganzen Menschheitsfa-milie fuhrt, wieder neu zu bekräftigen. 2. Das Synodendokument Ecclesia in Äsia hilft uns zu verstehen, dass dieser interreligiöse Dialog und der Auftrag der Kirche, das Evangelium bis an die Grenzen der Erde zu verbreiten, einander nicht ausschließen, sondern ergänzen. Einerseits hat die Verkündigung des Evangeliums vom Heil in Jesus Christus stets in tiefer Achtung vor dem Gewissen der Zuhörenden zu geschehen sowie in Achtung vor allem, was an Gutem und Heiligen in der Kultur und religiösen Tradition, der sie angehören, vorhanden ist (vgl. Nostra aetate, Nr. 2). Andererseits sind Gewissensfreiheit und freie Ausübung der Religion in der Gesellschaft grundlegende Menschenrechte, die ihre Wurzeln haben im Wert und der Würde, die jeder Person zukommen, wie es in vielen internationalen Dokumenten und Abkommen, einschließlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, anerkannt wird. Mit großer Freude denke ich an, die heilige Messe, die ich am Sonntag, 7. November, im Jawaharlal-Nehru-Stadion zusammen mit zahlreichen Bischöfen Indiens und vieler anderer Länder Asiens konzelebrierte. Nochmals danke ich Erzbischof Alan de Lastic und der Erzdiözese Delhi für die Organisation der feierlichen Liturgie, die sich durch lebendige und andächtige Teilnahme auszeichnete und von sorgfältig ausgewählten Gesängen sowie farbenreichen Tänzen örtlicher Tradition begleitet war. Thema der Messe war: Jesus Christus, wahres Licht der Welt, menschgeworden auf asiatischem Boden. Bei dieser Eucharistiefeier vertrat die katholische Gemeinschaft Indiens in gewisser Weise alle Katholiken Asiens, denen ich das nachsynodale Apostolische Schreiben Ecclesia in Asia anvertraut habe als Wegweiser für ihr geistliches Wachstum an der Schwelle des neuen Jahrtausends. Ich bin sicher, dass sie mit der Gnade Gottes fest und treu bleiben können! 3. Die zweite Station meiner Reise war Georgien, um die Besuche, die Präsident Schewardnadse sowie seine Heiligkeit Ilia II., Katholikos-Patriarch von ganz Georgien, zuvor in Rom gemacht hatten, zu erwidern. Es war mein brennender Wunsch, dem Zeugnis, das die Kirche Georgiens durch Jahrhunderte hindurch abgelegt hat, Ehre zu erweisen und neue Begegnungspunkte unter den Christen herzustellen, damit sie bei Beginn des dritten christlichen Jahrtausends sich miteinander einsetzen können, um mit einem Herzen und einer Seele der Welt das Evangelium zu verkünden. Georgien macht zur Zeit eine sehr wichtige Phase durch. Während es sich in der Tat vorbereitet, im Rahmen wiedergefundener Unabhängigkeit seine 3000jährige Geschichte zu feiern, sieht es sich vor große wirtschaftliche und soziale Herausforderungen gestellt. Doch ist es fest entschlossen, sie mutig in Angriff zu nehmen, um verlässliches Mitglied eines vereinten Europas zu werden. 160 AUDIENZEN UND ANGELUS Das christliche Georgien zählt eine tausendjährige, ruhmvolle Geschichte, welche im vierten Jahrhundert beginnt, als das Zeugnis einer Frau, der hl. Nino, König Mi-rian und die ganze Nation zu Christus bekehrte. Von da an hat eine blühende klösterliche Tradition diesem Land bleibende Denkmäler der Kultur, Zivilisation und religiösen Architektur geschenkt wie die Kathedrale in Mtskheta, die ich zusammen mit dem Katholikos-Patriarchen besuchen konnte nach der herzlichen Begegnung, die ich persönlich mit ihm hatte. 4. Und nun, nach siebzig Jahren sowjetisch-kommunistischer Unterdrückung, in denen viele Märtyrer, Orthodoxe wie Katholiken, heldenhaft ihren Glauben bezeugten, festigt die kleine, aber eifrige katholische Gemeinschaft des Kaukasus zunehmend ihr Leben und ihre Strukturen. Die Freude, der ich unter den Priestern, Ordensleuten und Laien begegnete, die unerwartet zahlreich zur heiligen Messe im Stadion von Tbilisi zusammengekommen waren, bildet ein Zeichen der Hoffhung für die Zukunft der Kirche in dieser ganzen Region. Die Begegnung mit ihr in der Kirche Sankt Peter und Paul in Tbilisi, der einzigen katholischen Kirche, die zur Zeit des Totalitarismus geöffnet geblieben war, ist ein besonders freudiger Anlass gewesen. Ich bitte darum, dass die Katholiken Georgiens stets in der Lage seien, ihren besonderen Beitrag zum Aufbau ihres Vaterlandes zu leisten. Ein inniger Augenblick der Reflexion war die Begegnung mit Männern und Frauen aus der Welt der Kultur, der Wissenschaft und der Kunst, die unter dem Vorsitz von Präsident Schewardnadse und im Beisein auch des Katholikos-Patriarchen dem Nachdenken über die besondere Berufung Georgiens als Wegkreuz zwischen Ost und West gewidmet war. Wie ich bei dieser Begegnung betonte, ragt das zu Ende gehende Jahrhundert, das von vielen Schatten gekennzeichnet, jedoch auch voller Licht ist, empor als Zeugnis der unbezwingbaren Kraft des menschlichen Geistes, der über alles, was die unverzichtbare Sehnsucht des Menschen nach Freiheit und Wahrheit zu unterdrücken sucht, den Sieg davonzutragen vermag. 5. Den zivilen Behörden und allen, die sich in beiden Ländern für einen erfolgreichen und friedvollen Verlauf dieses Besuchs eingesetzt haben, sei Dank gesagt. Mit bewegtem und dankbarem Herzen denke ich an die Bischöfe, die Priester, die Ordensleute und die Laien Indiens und Georgiens und bewahre von allen ein unvergessliches Andenken. Maria, der Mutter der Kirche, vertraue ich die an, denen ich begegnen durfte; ich empfehle ihr die Kirche in Asien und im Kaukasus an „in vollem Vertrauen auf ihr Ohr, das stets hört, auf ihr Herz, das stets aufnimmt, auf ihr Gebet, das nie versagt“ (vgl. Ecclesia in Asia, Nr. 51). Erinnerung an die letzte Pastoraireise Liebe Schwestern und Brüder! Heute möchte ich auf meine beiden Reisen zurückschauen, die mich nach Indien und Georgien geführt haben. Ich danke dem Herrn, dass er es mir ermöglicht hat, 161 A UDIENZEN UND ANGELUS an wichtigen Treffen teilzunehmen. Es war ein interreligiöses und ein ökumenisches Ereignis. Wie ihr wisst habe ich die Apostolische Exhortation Ecclesia in Asia in Neu-Delhi in Kraft gesetzt. Dieses Dokument ist eine Frucht der Arbeiten der Asiensynode, die letztes Jahr getagt hat. Die Christen in Indien sind heute eine kleine Schar. Doch ihre Wurzeln reichen bis in die Zeiten des Apostels Thomas zurück. Dort, wo viele Religionen sich begegnen und es auch zu Reibungen kommt, ist dieses neue Dokument sehr wichtig. Es kann zu einem neuen Verständnis helfen, das Evangelium unter diesen Bedingungen zu verkünden. Bevor ich nach Rom zurückkehrte, habe ich in einem Land Station gemacht, dem bereits in den ersten Jahrhunderten der christliche Glaube eingepflanzt wurde. So freue ich mich, dass der Besuch in Georgien ein wertvoller Beitrag im ökumenischen Dialog werden konnte. Ich danke allen, die diese beiden Besuche ermöglicht haben. Möge der Herr die Christen in diesen Ländern dabei unterstützen, ihrem Glauben gemäß leben zu können. Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders heiße ich willkommen: die Gruppe des Priesterseminars „Redemptoris Mater“ des Erzbistums Berlin unter Leitung von Kardinal Georg Sterzinsky sowie die Feuerwehrleute aus dem Landkreis Regensburg. Euch, Euren Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Viele Wege führen zu dem einen Vater Angelus am Christkönigssonntag, 21. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das Hochfest Unseres Herrn Jesus Christus, König des Alls, wurde heute morgen durch die Freude der Kanonisiemng von zwölf neuen Heiligen bereichert: zehn Ordensmänner, einer davon in Argentinien geboren, die in den Dreißigeijahren in Spanien das Martyrium erlitten haben; Benedetto Menni, ein Priester der Barmherzigen Brüder vom hl. Johannes von Gott, der aus Italien stammte, jedoch ebenfalls in Spanien gewirkt hat, wo er die Krankenschwestern vom Hl. Herzen Jesu gründete; Tommaso da Cori, ein Priester des Franziskanerordens. Herzlich grüße ich die zu einem so freudigen Anlass gekommenen Pilger, zugleich lade ich alle ein, den Herrn für die großen Werke zu loben, die er in diesen Zeugen des Evangeliums vollbracht hat. Am heutigen Gedenktag Unserer Lieben Frau in Jerusalem möchte ich besonders dazu auffordem, die innige Verehrung der neuen Heiligen für die Mutter des Erlösers zu betrachten. 2. Die Darstellung der seligen Jungfrau Maria ist ein der Tradition des Ostens besonders liebes Fest; seit dem 14. Jh. wird es auch im Westen gefeiert. Maria er- 162 A UDIENZEN UND ANGELUS scheint uns am heutigen Tag als der Tempel, in den Gott sein Heil gelegt hat, und als die Magd, die sich ganz dem Herrn weiht. An diesem Tag des Jahres gedenkt die kirchliche Gemeinschaft der ganzen Welt der Klausurschwestem, welche ein vollkommen kontemplatives Leben gewählt haben und von dem leben, was die Vorsehung ihnen durch die Großherzigkeit der Gläubigen bereitstellt. Allen sei die Verpflichtung ans Herz gelegt, es diesen Ordensfrauen nicht an der geistlichen sowie materiellen Unterstützung fehlen zu lassen; ihnen gilt indes mein herzlicher Gruß und Dank. Und besonders will ich sie einladen, die Klausur zu lieben und in ihr - wie es im jüngsten Lehrschreiben der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und die Gesellschaften apostolischen Lebens Verbi Sponsa heißt - „ein asketisches Mittel von ungeheurem Wert“ zu sehen, „das besonders geeignet ist für ein ganz auf die Kontemplation ausgerichtetes Leben“ (vgl. Nr. 5). Die Klausur ist in der Tat „Zeichen, Schutz und Form eines vollkommen kontemplativen Lebens, gelebt in der Ganzheit der Hingabe“ (vgl. Nr. 10). 3. In Italien ist heute außerdem Migrantensonntag. Die Migration ist ein bedeutendes Phänomen, das nicht wenige Herausforderungen stellt, zugleich aber viele Möglichkeiten zum Guten bietet. Die auf diesem Gebiet Tätigen ermutige ich, die menschlichen und geistlichen Potentiale der Migration nutzbar zu machen, wie es das für diesen Tag vorgeschlagene Thema „Auf verschiedenen Wegen zum einzigen Vater“ gut deutlich macht. Wir wollen die verschiedenen Gebetsanliegen, die uns der heutige Sonntag bietet, der heiligsten Maria, Königin der Heiligen und Mutter der Hoffnung, nun im Angelusgebet anvertrauen. Verpflichtung zur Förderung der Frau Generalaudienz am 24. November 1. Unter den Herausforderungen dieser historischen Stunde, über die der Anlass des Großen Jubiläums uns nachzudenken anregt, habe ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente auf jene hingewiesen, die in Verbindung mit der Achtung der Rechte der Frau stehen (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 51). Heute will ich auf einige Aspekte der schwierigen Rolle der Frau eingehen; ein Thema, zu dem ich übrigens auch schon bei anderen Gelegenheiten Stellung genommen habe. Die Heilige Schrift stellt die Förderung der Frau in ein besonderes Licht. Sie fuhrt uns nämlich mit den beiden Schöpfungsberichten in den Plan Gottes für Mann und Frau ein. Im ersten wird gesagt: „Gott schuf ... den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Diese Aussage bildet den Ausgangspunkt der christlichen Anthropologie. Sie sieht die Würde des 163 A UDIENZEN UND ANGELUS Menschen als Person in seinem „als Abbild“ Gottes Geschaffen-Sein begründet. Zugleich sagt der Text deutlich, weder Mann noch Frau für sich allein seien Abbild des Schöpfers, sondern Mann und Frau in ihrer Gegenseitigkeit. Beide stellen in gleichem Maß das Meisterwerk Gottes dar. Im zweiten Schöpfungsbericht hebt die Schrift durch die Symbolik der Erschaffung der Frau aus der Rippe des Mannes hervor, dass die Menschheit in der Tat unvollkommen ist, solange nicht auch die Frau geschaffen ist (vgl. Gen 2,18-24). Sie erhält einen Namen, der im Hebräischen schon durch wörtlichen Gleichklang den Bezug zum Mann ausdrückt (is/issah). „Miteinander erschaffen, sind der Mann und die Frau von Gott auch füreinander gewollt“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 371). Die Darstellung der Frau als „eine Hilfe ... die ihm entspricht“ {Gen 2,18), ist nicht in dem Sinn zu verstehen, die Frau habe dem Mann zu dienen - „Hilfe“ ist nicht gleichbedeutend mit „Dienerin“; zu Gott sagt der Psalmist: „Meine Hilfe ... bist du“ {Ps 70,6; vgl. 115,9.10.11; 118,7; 146,5). Der Ausdruck will vielmehr besagen, dass die Frau in der Lage ist, mit dem Mann zusammenzuwirken, weil sie in vollkommener Partnerschaft zueinander stehen. Die Frau ist eine andere Gestalt des „Ich“ im gemeinsamen Menschsein. Es konstituiert sich in völliger Gleichheit der Würde von Mann und Frau. 2. Erfreulich ist die Tatsache, dass die Vertiefung des „Frauseins“ in der Kultur der Gegenwart dazu beigetragen hat, die Frage nach dem Menschen im Hinblick auf das „Füreinander-Dasein“ in interpersonaler Gemeinschaft zu überdenken. Die Person in ihrer Dimension der Hingabebereitschaft zu erkennen, wird heute immer mehr zu einer grundlegenden Errungenschaft, die leider oft nicht in die Praxis umgesetzt wird. Unter den vielen Angriffen auf die Menschenwürde ist daher die verbreitete Verletzung der Würde der Frau entschieden zu verurteilen, die sich im Ausbeuten ihrer Person oder ihres Körpers äußert. Jedem Handeln, das die Frau in ihrer Freiheit und in ihrem Frausein verletzt, ist energisch entgegenzutreten: dem sogenannten „Sextourismus“, dem Handel mit jungen Mädchen, der Massensterilisierung und allgemein jeder Form von Gewalt gegen das andere Geschlecht. Ein ganz anderes Verhalten erfordert das Sittengesetz, das die Würde der Frau als Person, erschaffen als Abbild eines Gottes der Gemeinschaft, verkündet! Es ist heute mehr denn je notwendig, wieder auf die biblische Anthropologie von Beziehung zurückzukommen. Sie hilft, die Identität des Menschen in seiner Beziehung zu anderen, und besonders zwischen Mann und Frau, richtig zu erkennen. Im Menschen, als beziehungsfahiges Wesen verstanden, findet sich eine Spur des Geheimnisses Gottes, offenbart in Christus als Wesenseinheit in der Gemeinschaft dreier göttlicher Personen. Im Licht dieses Geheimnisses wird die Aussage von Gaudium et spes gut verständlich, wonach der Mensch, „auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist, [die] sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden kann“ (Gaudium et spes, Nr. 24). Die Verschiedenheit von Mann und Frau erinnert an die Forderung nach interpersonaler Gemeinschaft, und die Besinnung auf Würde und Berufung der Frau stärkt das Gemeinschaftsverständnis des Menschen (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 7). 164 A UDIENZEN UND ANGEL US 3. Gerade diese gemeinschaftsorientierte Haltung, auf die das Frausein stark hinweist, macht es möglich, die Vaterschaft Gottes zu überdenken und jene formalen Vorstellungen patriarchalischen Gehabes zu vermeiden, die nicht ohne Grund in einigen Strömungen der zeitgenössischen Literatur deutlich beanstandet werden. Es geht dämm, das Antlitz des Vaters innerhalb des Geheimnisses Gottes als Dreifaltigkeit, also vollkommene Einheit in der Verschiedenheit, zu erkennen. Die Gestalt des Vaters wiederum ist neu zu bedenken in ihrer Beziehung zum Sohn, der von Ewigkeit her auf ihn in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes ausgerichtet ist (vgl. Joh 1,1). Auch muss betont werden, dass der Sohn Gottes in der Fülle der Zeit Mensch wurde, geboren von der Jungfrau Maria (vgl. Gal 4,4). Das wirft ein Licht auch auf das Frauliche: Maria wird nämlich als das von Gott gewollte Vorbild der Frau vorgestellt. In Ihr und durch Sie ist das geschehen, was in der ganzen Menschheitsgeschichte das Größte ist. Die Vaterschaft von Gott Vater ist nicht nur auf Gott Sohn im ewigen Geheimnis bezogen, sondern auch auf seine Menschwerdung im Schoß einer Frau. Wenn Gott-Vater, der den Sohn von Ewigkeit her „zeugt“, eine Frau, Maria, auserwählt, um ihn in der Welt „zu zeugen“, und sie auf diese Weise zur „Theotökos“, Gottesmutter, macht, so ist das nicht ohne Bedeutung für das Verständnis der Würde der Frau im Plan Gottes. 4. Die Verkündigung der Vaterschaft Gottes im Evangelium ist daher weit davon entfernt, die Würde und Aufgabe der Frau zu schmälern. Es bietet vielmehr Gewähr für das, was das „Frauliche“ menschlich symbolisiert, nämlich den Menschen annehmen, für ihn sorgen, ihm das Leben geben. Denn das alles ist in der Tat auf transzendente Weise verwurzelt im Geheimnis des ewigen göttlichen „Zeugens“. Die Vaterschaft Gottes ist sicher vollkommen geistlich. Und doch ist sie Ausdruck jener ewigen, der Dreifaltigkeit eigenen Gegenseitigkeit und Relationalität, die Ursprung jeder Vater- und Mutterschaft ist und den gemeinsamen Reichtum des Mann- und Frauseins begründet. Das Nachdenken über die Rolle und Aufgabe der Frau passt also gut in dieses dem Vater gewidmete Jahr. Es spornt uns zu einem noch entschlosseneren Einsatz an, damit der Frau in Kirche und Gesellschaft der ganze Raum zuerkannt wird, der ihr gebührt. Rolle und Sendung der Frau Liebe Schwestern und Brüder! In unserer Themenreihe zur Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 möchte ich heute über die Achtung der Rechte der Frau zu Euch sprechen. Bereits in den beiden Schöpfungsberichten der Heiligen Schrift wird festgestellt, dass der Mann und die Frau in ihrer gegenseitigen Ergänzung als Bild und Gleichnis Gottes anschaffen worden sind. Auf dieser Feststellung mht die christliche Sicht des Menschen. Mann und Frau ergänzen sich gegenseitig, sie haben beide die gleiche Würde. 165 A UDIENZEN UND ANGELUS Wir müssen also Mann und Frau immer in Beziehung zueinander betrachten: Ob Mann oder Frau, wir sind auf ein „Du“ hin ausgerichtet. Diese Wahrheit muss aber noch mehr und in vielerlei Hinsicht umgesetzt werden. Es gibt zu viele Angriffe auf die Würde des Menschen. Besonders gilt dies für die Würde der Frau. Das Nachdenken über Rolle und Sendung der Frau muss unseren Einsatz dafür stärken, dass der Frau ihre eigene Stellung in Kirche und Gesellschaft zuerkannt wird. Sehr herzlich grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Eine große Freude ist es mir, unter Euch eine Gruppe von Priestern aus dem Erzbistum Köln willkommen zu heißen, die ihr 40jähriges Weihejubiläum feiern. Gott begleite mit seiner väterlichen Führung weiterhin Euer seelsorgliches Wirken: Gern erteile ich den hier Anwesenden und allen, die mit uns über Radio Vatikan oder das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen. Vorbereiten auf das Kommen des Herrn Angelus am Ersten Adventssonntag, 28. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit dem heutigen Ersten Adventssonntag beginnt das neue Kirchenjahr und genauer die Vorbereitungszeit auf das Fest der Geburt des Herrn. Die ganze Kirche auf Pilgerschaft in der Welt macht sich geistlich auf den Weg, dem erwarteten Messias entgegen. Gott ist „Der da kommt“: Er ist zu uns gekommen in der Person Jesu Christi; er kommt weiter in den Sakramenten der Kirche und in jedem Menschen, der um unsere Hilfe bittet; er wird kommen in Herrlichkeit am Ende der Jahrhunderte. Daher ist der Advent gekennzeichnet von wachender und tätiger, von Liebe und Hoffnung getragener Erwartung. Diese kommt im Lob und Bittgebet zum Ausdruck und erweist sich in konkreten Werken brüderlicher Liebe. 2. Was heute beginnt, ist ein außergewöhnlicher Advent: Es ist der Advent zum Großen Jubiläum, mit dem wir das 2000jährige Gedenken des Kommens des Erlösers in die Niedrigkeit unserer Menschennatur feiern werden. „Den Blick fest auf das Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes gerichtet, schickt sich die Kirche an, die Schwelle des dritten Jahrtausends zu überschreiten“ (Incarnationis mysterium, Nr. 1). Es geht hier um einen Blick des Glaubens, frei von jeder Anwandlung von Jahrtausendfeiem. Diese Sichtweise hat die Schritte des Volkes Gottes in diesen letzten Jahrzehnten in der geistlichen Atmosphäre eines einzigen großen „Advents“ gelenkt, wie ich schon zu Anfang meines Pontifikats gesagt habe (vgl. Redemptor hominis, Nr. 1). Sich auf Weihnachten vorzubereiten bedeutet in diesem Jahr, sich bereitzumachen, um einzutreten durch die Heilige Pforte, Symbol des Übergangs zum neuen und ewigen Leben. Jesus Christus ist gekommen, dieses Leben jedem Menschen zu 166 AUDIENZEN UND ANGELUS erschließen. Das hebt die Dimension der Buße hervor, wie sie in der Zeit des Advents bereits gegenwärtig ist und kraftvoll betont wird durch die Gestalt Johannes des Täufers, der lehrt, dass es die Wege des Herrn durch dem Wandel der Gesinnung und des Lebens zu bereiten gilt (vgl. Mt 3,1-3). 3. Der Advent ist eine marianische Zeit in herausragendem Sinn, denn Maria ist die, welche den menschgewordenen Gottessohn in vorbildlicher Weise erwartet und aufgenommen hat. Die heilige Jungfrau möge uns helfen, die Türen des Herzens für Christus, den Erlöser des Menschen und der Geschichte, zu öffnen; sie möge uns lehren, demütig zu sein, denn auf den Demütigen senkt sich der Blick Gottes herab; sie möge uns den Wert des Gebets, des inneren Schweigens, des Hörens auf das Wort Gottes immer mehr verstehen lassen; sie möge uns zu einer inneren, auf richtigen Suche nach dem Willen Gottes bewegen, auch wenn dieser unsere Pläne in Frage stellt; sie möge uns ermutigen, dass wir den Herrn erwarten, indem wir unsere Zeit und unsere Kräfte mit denen, die in Not sind, teilen. Mutter Gottes, Jungfrau der Erwartung, mach, dass der „Gott, der kommt“, uns bereit antreffe, die Überfülle seines Erbarmens anzunehmen. Nach dem Angelus sagte der Papst u. a.: - auf Ukrainisch: Einen besonderen Gruß richte ich an die Gruppe von ukrainischen Gläubigen, die in Italien leben und arbeiten. Meine Lieben, ich danke euch für eure Anwesenheit auf dem Petersplatz zum Mariengebet. Haltet fest an den Werten des christlichen Glaubens, in denen ihr Hilfe finden könnt, um die Schwierigkeiten zu überwinden, welche die Entfernung von der Heimat mit sich bringt. Euch und euren Lieben erteile ich mit Zuneigung meinen Segen. - auf Italienisch: Besonders grüße ich die jungen Redakteure, Techniker und freiwilligen Mitarbeiter des Programmes „Jubilaeum“ von Radio Vatikan. Meine Lieben, von heute an bis zum Ende des Jubiläums werdet ihr in fünf verschiedenen Sprachen den Pilgern einen wertvollen Dienst leisten. Von Herzen segne ich euch und wünsche euch frohe Arbeit.... Gebet für Sri Lanka Nun lade ich euch ein, für unsere katholischen Brüder in Sri Lanka zu beten, wo das Heiligtum Unserer Lieben Frau von Madhu heftig bombardiert wurde. Dadurch kamen zahlreiche Zivilisten, die dort Zuflucht gesucht hatten, ums Leben. Im Geiste bin ich den Bischöfen, Priestern und Gläubigen nahe, die um ihre Toten trauern und den Verletzten Hilfe bringen. Sie beklagen den Vorfall, dass ein nicht nur von Katholiken verehrtes Heiligtum profaniert und zu einer Stätte des Todes gemacht wurde. 167 A UDIENZEN UND ANGEL US Der heiligsten Jungfrau vertraue ich das ganze geliebte Volk von Sri Lanka an und bitte Gott, dass er den kämpfenden Parteien die Gnade gewähre, den Mut aufzubringen, entschlossen den Weg des Friedens einzuschlagen, der sicher nicht mit der Waffe in der Hand gefunden werden kann! Verpflichtung zur Förderung der Familie Generalaudienz am 1. Dezember 1. Für eine angemessene Vorbereitung auf das Große Jubiläum darf es in der christlichen Gemeinschaft nicht fehlen an einem ernsthaften Bemühen zur Neuentdeckung des Wertes der Familie und der Ehe (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 51). Das ist umso dringlicher, als dieser Wert heute von einem großen Teil der Kultur und der Gesellschaft in Frage gestellt wird. Abgelehnt werden nicht nur bestimmte Modelle familiären Lebens, die sich unter dem Druck der gesellschaftlichen Veränderungen und neuen Arbeitsbedingungen wandeln. Das Verständnis von der Familie selbst als einer auf der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau begründeten Gemeinschaft ist das Ziel von Angriffen im Namen einer relativistischen Ethik, die in weiten Bereichen der öffentlichen Meinung und selbst der zivilen Gesetzgebung um sich greift. Die Krise der Familie ist wiederum Ursache für die Krise der Gesellschaft. Nicht wenige pathologische Phänomene - von Einsamkeit zu Gewalt und zu Drogen -erklären sich auch daraus, dass die Familien ihre Identität und Funktion verloren haben. Wo die Familie ausfällt, verliert die Gesellschaft ihren Zusammenhalt mit verheerenden Folgen für die Menschen, was sich vor allem auf die schwächsten Gruppen auswirkt: Kinder und Jugendliche, Behinderte, Kranke, Betagte ... 2. Man muss daher ein Nachdenken fordern, das nicht nur den Gläubigen, sondern allen Menschen guten Willens hilft, den Wert von Ehe und Familie neu zu entdecken. Im Katechismus der Katholischen Kirche lesen wir: „Die Familie ist die Urzelle des gesellschaftlichen Lebens. Sie ist die natürliche Gemeinschaft, in der Mann und Frau zur Hingabe der Liebe und zur Weitergabe des Lebens berufen sind. Die Autorität, die Beständigkeit und das Gemeinschaftsleben innerhalb der Familie bilden die Grundlage von Freiheit, Sicherheit und Brüderlichkeit innerhalb der Gesellschaft“ (Nr. 2207). Zur Wiederentdeckung der Familie kann auch die Vernunft gelangen, wenn sie auf das ins Herz des Menschen geschriebene Sittengesetz hört. Als „von der Liebe begründete und beseelte“ (vgl. Familiaris consortio, Nr. 18) Gemeinschaft erhält die Familie ihre Kraft aus dem endgültigen Liebesbund, mit dem ein Mann und eine Frau sich gegenseitig schenken und zugleich Mitwirkende Gottes bei der Weitergabe des Lebens werden. 168 A UDIENZEN UND ANGELUS Auf der Grundlage dieser ursprünglichen Liebesgemeinschaft müssen auch die Beziehungen, die zu und unter den anderen Mitgliedern der Familie entstehen, an der Liebe ausgerichtet und von Zuneigung und gegenseitiger Unterstützung gekennzeichnet sein. Weit davon entfernt, die Familie in sich selbst zu verschließen, öffnet wahre Liebe diese hingegen für die ganze Gesellschaft. Denn die kleine Hausfamilie und die große Familie aller Menschen stehen nicht im Gegensatz, sondern in innerer und ebenbürtiger Beziehung zueinander. Grundlage für all dies ist das Geheimnis Gottes, auf das gerade die Familie in besonderer Weise bezogen ist. So schrieb ich in der Tat vor einigen Jahren im Brief an die Familien: „Im Licht des Neuen Testamentes ist es möglich, das Urmodell der Familie in Gott selber, im trinitarischen Geheimnis seines Lebens, wieder zu erkennen. Das göttliche ,Wir‘ bildet das ewige Vorbild des menschlichen ,Wir‘; vor allem jenes ,Wir‘ das von ... [Mann und Frau, geschaffen nach dem Abbild und der Ähnlichkeit Gottes,] ... gebildet ist“ (Nr. 6). 3. Die Vaterschaft Gottes ist die transzendente Quelle jeder anderen menschlichen Vaterschaft und Mutterschaft. Wir wollen sie mit Liebe betrachten und uns in die Pflicht genommen fühlen, den Reichtum der Gemeinschaft, der Schöpfung und des Lebens wieder zu entdecken, welche Ehe und Familie kennzeichnen. Dort entfalten sich interpersonale Beziehungen. In diesen Beziehungen ist jedem, wenn auch ohne starre Schemen, eine ganz besondere Aufgabe zugewiesen. Ich will mich hier nicht auf jene sozialen und funktionalen Rollen beziehen, die Ausdruck besonderer historischer und kultureller Gegebenheiten sind. Vielmehr denke ich an die Wichtigkeit, die in der gegenseitigen ehelichen Beziehung und im gemeinsamen Einsatz als Eltern der Person von Mann und Frau zukommt. Sie sind nämlich berufen, ihre natürlichen Charaktereigenschaften innerhalb einer tiefen, bereichernden und von Achtung getragenen Gemeinschaft zu verwirklichen. „Dieser ,Einheit der zwei1 wurde von Gott nicht nur das Werk der Fortpflanzung und das Leben der Familie anvertraut, sondern der eigentliche Aufbau der Geschichte“ (Brief an die Frauen, Nr. 8). 4. Dann muss das Kind als höchster Ausdruck der Gemeinschaft von Mann und Frau empfunden werden, d. h. der gegenseitigen Annahme und Schenkung. Diese verwirklichen sich, über sich hinausgehend, in einem „Dritten“, nämlich dem Kind. Das Kind ist der Segen Gottes. Es macht die Ehegatten zu Vater und Mutter (vgl. Familiaris consortio, Nr. 21). Beide „gehen aus sich hinaus“ und finden ihren Ausdruck in einer Person, die zwar Fracht ihrer Liebe ist, aber über sie selbst hinausreicht. Der Familie ist in besonderer Weise das Ideal zugeschrieben, das im Ho-henpriesterlichen Gebet zum Ausdruck kommt. Jesus bittet darum, dass sein Eins-Sein mit dem Vater auch die Jünger mit einschließe (vgl. Joh 17,11) sowie die, welche auf ihr Wort hin glauben (vgl. Joh 17,20-21). Die christliche Familie, die 169 A UDIENZEN UND ANGEL US „Hauskirche“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11), ist berufen, dieses Ideal der vollkommenen Gemeinschaft in besonderer Weise zu verwirklichen. 5. Nun, da wir auf das Ende dieses Jahres zugehen, das dem Nachdenken über Gott Vater gewidmet war, entdecken wir also die Familie neu im Licht der göttlichen Vaterschaft. Aus der Betrachtung Gottes, des Vaters, können wir vor allem eine dringende Notwendigkeit herleiten, die besonders auf die Herausforderungen dieses historischen Zeitpunktes antwortet. Auf Gott, den Vater, zu blicken bedeutet, die Familie als Ort der Annahme und der Förderung des Lebens zu verstehen, als Wirkurigsstätte von Brüderlichkeit. Dort wächst mit dem Beistand des Geistes Christi „eine neue Brüderlichkeit und Solidarität [zwischen den Menschen, ein echter] Abglanz des der Heiligsten Dreifaltigkeit eigenen Geheimnisses von gegenseitiger Hingabe und Annahme“ (Evangelium vitae, Nr. 76). Aus der Erfahrung von erneuerten christlichen Familien wird die Kirche selbst lernen können, unter allen Mitgliedern der Gemeinschaft vermehrt eine Dimension von Familie zu schaffen und einen menschlicheren und brüderlicheren Stil von Beziehungen zu pflegen und zu fördern (vgl. Familiaris consortio, Nr. 64). Förderang der Familie Liebe Schwestern und Brüder! Es steht außer Zweifel, dass man die Gesellschaft heute in vielerlei Hinsicht krank schreiben muss. Die äußere Diagnose hat tiefere Gründe. Die eigentlichen „Patienten“ sind Ehe und Familie. Die Familie als Gemeinschaft, die auf der Ehe zwischen Mann und Frau aufbaut, ist in Krise. Eine Ethik, die diese Grundzelle des gesellschaftlichen Lebens relativiert, verbreitet sich immer mehr - sowohl in der öffentlichen Meinung als auch in der Gesetzgebung. Wer Ehe und Familie retten und heilen will, tut gut daran, auf die göttliche Offenbarung zu schauen. Gerade der Blick auf Gott, den Vater, kann hilfreich sein. Denn Gott-Vater ist die Quelle der menschlichen Vater- und Mutterschaft. Gott, der Schöpfer des Lebens, macht aus Eheleuten, die sich einander schenken, Vater und Mutter. Wo dieses Wechselspiel von Sich-Schenken und Einander-Annehmen gelingt, da wird aus der Ehe eine christliche Familie, eine „Werkstatt der Geschwisterlich-keit“, eine „Hauskirche“, in der echte Gemeinschaft eingeübt und gelebt wird. Wenn die Kirche es schafft, die Familien im christlichen Geist zu erneuern, dann wird sie auch imstande sein, in ihr selbst und für die Menschheit ein Klima zu fördern, das menschlicher und familiärer ist. Ganz herzlich grüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Besonders heiße ich die Vorstandschaft des Vereins „Music City International“ willkommen, die religiöse Musik für soziale Zwecke verbreitet. Euch, Euren 170 A UDIENZEN UND ANGEL US Lieben daheim und allen, die über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Umkehr und Vorbereitung auf das Kommen des Erlösers Angelus am Zweiten Adventssonntag, 5. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. An diesem Zweiten Adventssonntag vernehmen wir im Evangelium die Stimme Johannes des Täufers, des Propheten, den Gott als Wegbereiter des Messias gesandt hat. Er tritt in der Wüste Juda auf und ruft mit den Worten einer alten Weissagung Jesajas: „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!“ Seine Botschaft dringt durch die Jahrhunderte bis zu uns und birgt eine außerordentliche Aktualität. Zunächst: „Bereitet dem Herrn den Weg!“ Dem Erlöser den Weg bereiten bedeutet in diesem Jahr, sich bereit machen, die Heilige Pforte zu durchschreiten, d. h. die überreiche Gnade zu empfangen, die Christus in die Welt gebracht hat und die das Jubiläumsjahr für alle bereithalten wird. In den letzten drei Jahren haben wir einen intensiven Weg zurückgelegt: „Durch Christus - im Heiligen Geist zum Vater.“ Die vier Wochen des Advents bilden jetzt sozusagen die „Eingangs-Vorhalle“ des Großen Jubiläums. Wir wollen unseren Geist bereitmachen durch Gebet, damit das bevorstehende Weihnachtsfest uns bereitfinde für die Begegnung mit dem Retter, der da kommt! 2. „Ebnet ihm die Straßen“. Um unserem Erlöser zu begegnen, haben wir „Umkehr“ nötig, das bedeutet, ihm mit frohem Glauben entgegenzugehen und jene Denkens- und Lebensweisen abzulegen, die uns daran hindern, ihm ganz nachzufolgen. Vor der Guten Nachricht von einem Gott, der sich aus Liebe zu uns seiner selbst entäußert und unsere Menschennatur annimmt, können wir nicht umhin, unser Herz zur Umkehr zu öffnen. Wir können uns nicht in Hochmut und Heuchelei verschließen und so für uns die Möglichkeit von vomeherein ausschließen, wahren Frieden zu finden. Das Bild der Heiligen Pforte, auf das wir nun von Nahem blicken, erinnert uns daran, dass Gott überströmend ist von inniger, barmherziger Liebe. Wie der Vater im Gleichnis ist er bereit, mit offenen Armen die Kinder aufzunehmen, die den Mut haben, zu ihm zurückzukehren (vgl. Lk 15,20). Diese Forderung der Umkehr gründet auf der Gewissheit, dass die Treue Gottes niemals schwindet trotz all dem, was wir an Negativem in uns und um uns finden. Und deshalb ist der Advent Zeit der Erwartung und der Hoffnung. Die Kirche übernimmt an diesem Sonntag die tröstliche Verheißung des Jesaja: ,Alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt“ (Ruf vor dem Evangelium; vgl. Jes 40,5). 171 A UDIENZEN UND ANGELUS 3. Liebe Brüder und Schwestern, in drei Tagen werden wir in der Unbefleckten Empfängnis die erste und gelungenste Verwirklichung dieses Versprechens betrachten. In Maria, „voll der Gnade“, verwirklicht sich, was Gott in jedem Menschen vollbringen will. Die Mutter des Erlösers ist von Schuld bewahrt und mit göttlicher Gnade erfüllt worden. Ihre geistliche Schönheit lädt uns ein zu Vertrauen und Hoffnung; die ganz-schöne und ganz heilige Jungfrau ermutigt uns, dem Herrn den Weg zu bereiten und ihm die Straßen zu ebnen, um eines Tages mit ihr das Heil Gottes zu schauen. Mit Maria die heilende Kraft der Liebe Christi erfahren Angelus am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, 8. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir feiern heute das Hochfest der Unbefleckten Empfängnis der Seligen Jungfrau Maria, das dem christlichen Volk besonders lieb ist. In der Mutter Jesu, Erstlingsgabe der erlösten Menschheit, hat Gott Großes vollbracht, denn er hat sie mit Gnade erfüllt und von jedem Makel der Sünde bewahrt. In Nazaret wird Maria von dem Engel „du Begnadete, genannt: In diesen Worten ist ihr besonderes Schicksal, doch auch im allgemeineren Sinn das jedes Menschen enthalten. Die „Fülle der Gnade“, für Maria der Ausgangspunkt, ist für alle Menschen das Ziel: Wir sind in der Tat, wie der Apostel Paulus sagt, erschaffen, „damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,4). Deshalb hat er uns vor unserem Erdendasein „gesegnet“ und seinen Sohn in die Welt gesandt, um uns von der Sünde zu befreien. In diesem Heilswirken ist Maria das Krönungswerk, das „ganzschöne“, ganz-heiligen Geschöpf. 2. Jedem Menschen, in welcher Lage er auch immer sei, bringt die Immaculata in Erinnerung, dass Gott ihn persönlich liebt, dass er sein Wohl will und ihn ständig begleitet mit einem Plan der Gnade und Barmherzigkeit, der seinen Höhepunkt erreicht hat im Erlösungsopfer Christi. Die Geschichte Marias verweist auf Jesus Christus, den einzigen Mittler des Heils, und hilft, das Dasein als einen Plan der Liebe zu sehen, bei dem es in Verantwortung mitzuwirken gilt. Maria ist Vorbild nicht nur für den Ruf, sondern auch für die Antwort. Tatsächlich hat sie zu Beginn ihres Lebens und in jedem nachfolgenden Augenblick ,ja“ zu Gott gesagt. Sie hat seinen Willen ganz befolgt, auch dann, wenn dieser ihr dunkel und schwer anzunehmen schien. 3. Besondere Bedeutung erhält das Fest der Unbefleckten Empfängnis Marias dieses Jahr in der unmittelbaren Nähe des Großen Jubiläums. Maria erhellt die Schritte unseres Pilgerweges zur Heiligen Pforte und zeigt jedem Menschen die 172 A UDIENZEN UND ANGELUS „Pforte“, die Christus ist, durch die sie als erste hindurchgegangen ist und alle zum Eintreten einlädt, um „heilig und untadelig zu sein in der Liebe“. Was wir heute an Maria betrachten und feiern, nämlich ihr „von Gnade erfüllt“ und frei von der Sünde Sein, ist die reife Frucht des Jubiläums. Das Bild der Immaculata, die, in der Tradition dargestellt wird, wie sie den Kopf der Schlange Satan zertritt, erscheint daher mehr denn je aussagekräftig in dieser Adventszeit, die sozusagen die „Eingangs-Vorhalle“ des Großen Jubiläums bildet. Meine Lieben, richten wir unseren Blick auf Maria, Zeichen sicherer Hoffiiung! Die ohne Erbsünde empfangene Jungfrau helfe jedem, umzukehren zu Jesus, um die heilende Kraft seiner Liebe zu erfahren. Das ist der Wunsch, den ich heute an alle Gläubigen richte, indem ich sie zugleich einlade, mit Einsatz in das bereits nahe Heilige Jahr einzutreten. Nach dem Angelus sagte der Papst: Einen herzlichen Gruß allen Pilgern, besonders den Mitgliedern der Päpstlichen Akademie der Immaculata, angeführt von Andrzej Maria Kardinal Deskur. Meine Lieben, die Muttergottes lasse in eurem Leben stets das Licht Christi, des Herrn, erstrahlen. In den nächsten Tagen findet in Italien die Initiative mit dem Namen „Telethon“ zur Bekämpfung der Muskeldystrophie und anderer erblicher Erkrankungen statt. Es handelt sich um ein Werk der Solidarität, dem ich einen positiven Ausgang wünsche; zugleich versichere ich den von diesen Krankheiten betroffenen Personen und Familien mein Gebetsgedenken. Allen wünsche ich ein frohes Fest der Immaculata, während ich mich mit den Römern für heute nachmittag auf dem Spanischen Platz verabrede. Die Welt für das Kommen des Erlösers bereit machen Angelus am Dritten Adventssonntag, 12. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute fordert die Liturgie uns zur Freude auf, denn „der Herr ist nahe“ (Phil 4,5). Schon bald feiern wir das Fest seiner Geburt, und das Große Jubiläum ist nahe, das die Feier des Geheimnisses der Menschwerdung gewissermaßen auf das ganze Jahr ausdehnt - 2000 Jahre seit dem Kommen des Gottessohnes in der Niedrigkeit unserer Menschennatur. Christus selbst erklärt mit den prophetischen Worten Jesajas die Gründe zu dieser Freude, wenn er verkündet: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe“ (Lk 4,18; vgl. Jes 61,1). An der Schwelle zum neuen Jahrtausend macht die Kirche sich diese Hoffiiungs-botschaft zu eigen und ruft „ein Gnadenjahr des Herrn“ (Jes 61,2) aus. Alle lädt sie 173 A UDIENZEN UND ANGELUS ein, im Überfluss aus der Quelle der Gnade selbst zu schöpfen: Jesus Christus, Gottmensch, Erlöser des Menschen und Mittelpunkt der Geschichte. 2. Ein volkstümlicher Ausdruck der freudigen Erwartung von Weihnachten ist die Vorbereitung der Krippen in den Familien. In den christlichen Wohnungen wählt man in diesen Tagen eine geeignete Nische, um dort die Statuen aufzustellen, wobei zwischen Maria und Josef noch Platz gelassen wird für das Jesuskind. Mit dem Gedanken an alle christlichen Familien, die ihre Krippen vorbereiten, segne ich euch gerne, liebe römische Jungen und Mädchen, die ihr, koordiniert vom Centro Oratori Romani, zahlreich gekommen seid und eure ,3ambinelli“ (Figuren des Christkindes) mitgebracht habt. Möge das schon nahe Weihnachtsfest, Beginn des Großen Jubiläums, euch und alle Gläubigen in jedem Teil der Welt dazu anspornen, eine würdige Wohnstatt bereitzumachen, um Christus aufzunehmen. Gerade in dem Anliegen, dass jedes Quartier über einladendere Kultstätten verfügen möge, wird heute in der Diözese Rom der Gebetstag mit Spendensammlung für den Bau neuer Kirchen in den Randbezirken der Stadt begangen. Indem ich allen danke, die in diesen Jahren bei dieser Initiative mitgearbeitet haben, spreche ich den Wunsch aus, dass in den Gebieten, wo noch keine vorhanden ist, bald eine Kirche mit den dazugehörigen Pfarreistrukturen entstehen möge als wirklicher Bezugspunkt für das Geistes- und Gemeinschaftsleben vieler Menschen und Familien. 3. Auf unserem Weg in die Heilige Nacht möge uns Maria begleiten: sie, die das Geheimnis der Freude hütet. Ihr unbeflecktes Herz ist von freudiger Erwartung des Kommens Gottes und der Erfüllung seiner Versprechen erfüllt. In der Krippenszene zieht das Bildnis der Jungfrau in besonderer Weise unsere Aufmerksamkeit an. In ihr sehen wir die Mütter, die sich anschicken, ein Kind zur Welt zu bringen. In ihr erkennen wir alle Frauen wieder, die das große Geheimnis des Lebens mit Liebe und Sorge umgeben. Es helfe uns die Mutter des Herrn, dass wir uns vorbereiten auf die Begegnung mit Weihnachten, indem wir unser Herz bereit machen, Jesus aufzunehmen. Nach dem Angelusgebet grüßte der Papst die Anwesenden in verschiedenen Sprachen und sagte u. a.: Einen herzlichen Gruß möchte ich an die Vertreter der (staatlichen italienischen Rundfünkanstalt) RAI und der (römischen) Universität „La Sapienza“ richten, die damit beschäftigt sind, im Vorfeld der Weihnachtsfeiertage einen Kongress über Hunger und Kinder zu organisieren, der für kommenden Mittwoch in Rom auf dem Programm steht. Mein Wunsch ist es, dass diese lobenswerte Initiative, die in Zusammenarbeit mit der FAO, dem Welt-Emährungsprogramm und den Vereinten Nationen durchgeführt wird, beitragen möge zur Information und Sensibilisierung der öffentlichen Meinung hinsichtlich des schwerwiegenden Problems des Hungers, das einen so großen Teil der Menschheit betrifft, und besonders die Welt der Kindheit. 174 A UDIENZEN UND ANGELUS Papst begrüßt Initiativen zur Abschaffung der Todesstrafe Heute abend wird am Kolosseum eine Kundgebung stattfinden, die sich in den Rahmen der weltweiten Kampagne zur Abschaffung der Todesstrafe stellt. Das Große Jubiläum ist eine vorzügliche Gelegenheit, um in der Welt immer reifere Formen des Respekts für das Leben und die Würde jeder Person zu fordern. Ich erneuere daher mein neu Appell an alle Verantwortlichen, dass man zu einem internationalen Konsens über die Abschaffung der Todesstrafe kommt, da „die Fälle einer absoluten Notwendigkeit der Beseitigung des Schuldigen heute in der Tat schon sehr selten oder praktisch überhaupt nicht mehr gegeben, (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2267) sind. Verpflichtung zum Aufbau einer Zivilisation der Liebe Generalaudienz am 15. Dezember 1. „Die Christen können, eingedenk des Wortes des Herrn: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt (Joh 13,35), nichts sehnlicher wünschen, als den Menschen unserer Zeit immer großherziger und wirksamer zu dienen“ (Gaudium et spes, Nr. 93). Dieser Auftrag, den das II. Vatikanische Konzil uns im Schluss der pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute übergeben hat, antwortet auf die faszinierende Herausforderung, eine vom Gesetz der Liebe getragene Welt aufzubauen, eine „Zivilisation der Liebe ..., die sich auf die universalen Werte des Friedens, der Solidarität, der Gerechtigkeit und der Freiheit gründet, die in Christus ihre volle Verwirklichung finden“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 52). Die Grundlage dieser Zivilisation bildet die Anerkennung der universalen Souveränität Gottes, des Vaters, als unerschöpfliche Quelle der Liebe. Gerade hinsichtlich der Annahme dieses Grundwertes ist eine ehrliche Überprüfung zum Jahrtausendende anzustellen anlässlich des Großen Jubiläums des Jahres 2000, um dann wieder schnelleren Schritts weiterzugehen, hinein in die Zukunft, die uns erwartet. Wir haben den Niedergang von Ideologien erlebt, die vielen unserer Brüder und Schwestern ihre geistlichen Bezugspunkte genommen haben. Die unheilvollen Folgen eines Säkularismus aber, der religiöse Gleichgültigkeit mit sich bringt, halten sich beharrlich vor allem in den am meisten entwickelten Regionen. Eine wirkungsvolle Antwort auf diese Situation kann sicher nicht im Rückzug auf eine unbestimmte Religiosität liegen, die in hinfälligen angepassten Anforderungen und im Streben nach einer psycho-kosmischen Ausgeglichenheit motiviert ist, wie es bei vielen neuen religiösen Erscheinungsformen, die eine Religiosität ohne Bezug auf einen transzendenten und personalen Gott verkünden, zu beobachten ist. Man muss hingegen sorgfältig die Ursachen des verlorenen Sinnes für Gott untersuchen und mutig die Verkündigung des Antlitzes des Vaters, offenbart durch Jesus 175 AUDIENZEN UNDANGELUS Christus im Licht des Geistes, wieder anbieten. Diese Offenbarung mindert nicht, sondern unterstreicht die Würde der menschlichen Person als Abbild Gottes, der die Liebe ist. 2. Der Verlust des Sinnes für Gott ist in den letzten Jahrzehnten einhergegangen mit der Ausbreitung einer nihilistischen Kultur, die den Sinn des menschlichen Daseins verarmen lässt und auf ethischem Gebiet selbst die Grundwerte der Familie und der Achtung vor dem Leben relativiert. All dies geht häufig nicht in auffallender Weise vor sich, sondern mit der subtilen Methodik der Gleichgültigkeit, welche alle Verhaltensweisen als normal durchgehen lässt, so dass sich kein moralisches Problem mehr ergibt. Paradoxerweise wird gefordert, dass der Staat viele Verhaltensweisen, die das menschliche Leben bedrohen, besonders dort, wo es am schwächsten und schutzlosesten ist, als „Rechte“ anerkennt. Nicht zu reden von den ungeheuren Schwierigkeiten, Mitmenschen anzunehmen, weil sie anders, unbequem, fremd, krank, behindert sind. Gerade die immer stärkere Ablehnung des anderen aufgrund seines Anders-Seins ruft unser Gewissen als Gläubige auf den Plan. In der Enzyklika Evangelium vitae sagte ich, „daß wir einer viel weiter reichenden Wirklichkeit gegenüberstehen, die man als wahre und ausgesprochene Struktur der Sünde betrachten kann, gekennzeichnet von der Durchsetzung einer Anti-Solidaritätskultur, die sich in vielen Fällen als wahre Kultur des Todes herausstellt“ (Evangelium vitae, Nr. 12). 3. Gegenüber dieser Todeskultur drückt sich unsere Verantwortung als Christen im Einsatz für die „Neu-Evangelisierung“ aus, zu deren wichtigsten Früchten die Zivilisation der Liebe zu zählen ist. „Das Evangelium und somit die Evangelisierung identifizieren sich natürlich nicht mit der Kultur und sind unabhängig gegenüber allen Kulturen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 20). Dennoch besitzen sie eine erneuernde Kraft, die sich positiv auf die Kulturen auswirken kann. Die christliche Botschaft nimmt den Kulturen nicht die Lebenskraft und baut nicht deren besondere Merkmale ab. Sie wirkt im Gegenteil von innen her und bringt die ursprünglichen Fähigkeiten zur Geltung, die ihr Genius hervorzubringen vermag. Die Wirkung des Evangeliums auf die Kulturen reinigt und hebt das Menschliche und bringt die Schönheit des Lebens, die Harmonie des friedlichen Zusammenlebens, die Genialität, die jedes Volk in die Gemeinschaft der Menschheit einbringt, zum Leuchten. Diese Wirkung hat ihre Kraft in der Liebe, die nicht aufdrängt, sondern anbietet in Berufung auf die freie Zustimmung in einer Atmosphäre der Achtung und gegenseitigen Annahme. 4. Die Botschaft der Liebe, die dem Evangelium eigen ist, setzt menschliche Anliegen und Werte frei wie die Solidarität, die Sehnsucht nach Freiheit und Gleichheit, die Achtung vor dem Pluralismus der Ausdrucksformen. Angelpunkt der Zivilisation der Liebe ist die Anerkennung des Wertes der menschlichen Person, und konkret aller Menschen. Der große Beitrag des Christentums ist gerade auf diesem Gebiet zu erkennen. In der Tat ging gerade aus der Reflexion über das Geheimnis des dreifältigen Gottes und über die Person des menschgewordenen Wortes all- 176 A UDIENZEN UND ANGELUS mählich die anthropologische Lehre von der menschlichen Person als beziehungsorientiertes Wesen hervor. Diese kostbare Errungenschaft ließ die Auffassung von einer Gesellschaft reifen, die ihren Ausgangspunkt und das zu erreichende Ziel in der Person sieht. Die Soziallehre der Kirche, vom Geist des Jubiläums zur Neubesinnung angeregt, hat ihren Beitrag erbracht, die Gesetze des gesellschaftlichen Zusammenlebens auf den Rechten der Person zu begründen. Die christliche Sichtweise des Menschen als Abbild Gottes beinhaltet in der Tat, dass die Rechte der Person sich von ihrem Wesen her an der Achtung der Gesellschaft orientieren, die sie nicht schafft, sondern lediglich anerkennt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 26). 5. Die Kirche ist sich bewusst, dass diese Lehre toter Buchstabe bleibt, wenn das Leben der Gesellschaft nicht beseelt ist vom Hauch echter religiöser Erfahrung, und besonders vom christlichen Zeugnis, ständig genährt vom erschaffenden und heilenden Wirken des Heiligen Geistes. Sie weiß in der Tat, dass die Krise der Gesellschaft und des Menschen unserer Zeit zum großen Teil begründet ist im Schwinden der besonderen geistlichen Dimension des Menschen. Das Christentum bietet seinen Beitrag zum Aufbau einer Gesellschaft nach der Größenordnung des Menschen. Es tut dies gerade dadurch, dass es der Gesellschaft eine Seele zuspricht und die Erfordernisse des Gesetzes Gottes verkündet. In ihm muss jede Organisation und Gesetzgebung der Gesellschaft verankert sein, wenn sie die Förderung des Menschen, die Befreiung von jeder Art von Sklaverei sowie echten Fortschritt garantieren will. Dieser Beitrag der Kirche geht vor allem aus dem von den Christen, und besonders den Laien, im täglichen Leben gegebenen Zeugnis hervor. Denn der heutige Mensch vernimmt die Botschaft der Liebe lieber von Zeugen als von Lehrmeistern, und von letzteren dann, wenn sie als wahre Zeugen auftreten (vgl. Evangelii nunti-andi, Nr. 41). Das ist die Herausforderung, die es aufzunehmen gilt, damit sich neue Gestaltungsbereiche für die Zukunft des Christentums und der Menschheit selbst auftun. Aufbau einer Kultur der Liebe Liebe Schwestern und Brüder! In unserer Themenreihe zur Vorbereitung auf das Große Jubiläum möchte ich heute über die Mitwirkung der Christen am Aufbau einer Kultur der Liebe sprechen. Das Fundament einer solchen Kultur liegt in der Anerkennung der universalen Souveränität Gottes, der die unerschöpfliche Quelle der Liebe ist. Die Abwendung von Gott führt zur Verarmung des Menschen. Auch der Gesellschaft fehlt es an Sinn und Orientierung. Diese hat fatale Folgen: Vom Staat werden „Rechte“ eingefordert, die sich im Grunde gegen den Menschen und insbesondere gegen den Schwächsten richten. Der Same für die,Kultur des Todes“ ist damit gelegt. 177 A UDIENZEN UND ANGELUS Dieser „Kultur des Todes“ müssen die Christen eine „Kultur der Liebe“ entgegensetzen. Das Evangelium nimmt die jeweilige Kultur an, reinigt sie und bringt sie zur Blüte. Die Neuevangelisierung geschieht in Freiheit und gegenseitigem Respekt. Angelpunkt der „Kultur der Liebe“ ist die Entdeckung der Würde des Menschen. Denn jeder einzelne ist als Ebenbild Gottes geschaffen. Die Rechte der Person werden also nicht von der Gesellschaft aufgestellt, sondern von ihr nur anerkannt, da sie von Gott stammen. Die Kirche steht unter dem Auftrag, diese Lehre im Alltag immer mehr ins Bewusstsein zu rufen. Mit dem Wunsch, dass auch Ihr die Liebe Gottes glaubwürdig bezeugt, grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Gern erteile ich den hier Anwesenden und allen die mit uns über Radio Vatikan oder das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen. Weihnachten durch Versöhnen vorbereiten Angelus am Vierten Adventssonntag, 19. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit dem heutigen Sonntag begeben wir uns in die letzte Woche des Advents: Am kommenden Samstag ist Weihnachten, und vor der feierlichen Mittemachtsmesse wird die Heilige Pforte geöffnet werden, die uns eintreten lässt in das Große Jubiläum des Jahres 2000 nach der Geburt Christi. Die Lichter auf den Straßen erinnern an einen mehr äußerlichen Aspekt des Festes, der zwar an sich nicht anstößig ist, aber die Gefahr des Ablenkens vom wahren Geist des Weihnachtsfestes mit sich bringt. Denn wenn Weihnachten mit gutem Recht zum Fest der Geschenke geworden ist, so deshalb, weil es das Geschenk schlechthin feiert, das Gott der Menschheit in der Person Jesu gemacht hat. Es ist allerdings notwendig, dass diese Tradition in Einklang mit dem Sinn des Ereignisses in einfachem und schlichtem Stil gefeiert wird. Besonders in diesem Jahr lädt die Kirche dazu ein, sich mit freudigem geistlichen Einsatz auf dieses Hochfest vorzubereiten: durch das Gebet, durch eine gründliche Gewissenserforschung, die im Sakrament der Wiederversöhnung mündet, durch Gesten konkreter Liebe zum Nächsten, und vor allem zu den notleidenden Mitmenschen. 2. Das Evangelium des heutigen Sonntags stellt uns die Jungfrau Maria vor in dem Augenblick, wo sie die Ankündigung der Geburt des Messias aufnimmt. Ihre Haltung ist für jeden Christen und für jeden Menschen guten Willens das Vorbild, wie man sich auf Weihnachten und das Große Jubiläum vorbereiten soll. Es ist die Haltung des Glaubens; sie besteht im Hören auf das Wort Gottes, um es mit voller Bereitschaft des Verstandes und des Herzens zu bejahen. 178 A UDIENZEN UND ANGELUS Die Mutter Christi lehrt uns, die Zeit Gottes zu erkennen, den günstigen Augenblick, in dem Er in unser Leben tritt und eine bereite und hochherzige Antwort will. Das Geheimnis der Heiligen Nacht, das sich historisch vor zweitausend Jahren ereignet hat, vollzieht sich als geistliches Geschehen im „Heute“ der Liturgie. Das Wort, das im Schoß Marias Wohnung genommen hat, klopft an das Herz jedes Menschen - am kommenden Weihnachtsfest mit besonderer Eindringlichkeit. 3. Durch das Öffnen der Heiligen Pforte drückt die Kirche symbolisch aus, dass Gott den Weg des Heiles vor allen aufgetan hat. Jedem kommt es zu, wie Maria mit einem persönlichen, aufrichtigen „Ja“ zu antworten und seinerseits den eigenen Lebensraum für die Liebe Gottes zu öffnen. Zu Weihnachten „[kommt] das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet,... in die Welt“ (Joh 1,9); und das Heilige Jahr 2000 hat das Ziel, dieses Licht jedem Menschen und jeder Situation zukommen zu lassen. Das Vorbild und die Fürbitte der heiligsten Maria mögen uns helfen, den Erlöser aufzunehmen, um in Fülle das wahre Geschenk seiner Geburt zu empfangen. Betroffenheit über Naturkatastrophe in Venezuela Mit schmerzlicher Betroffenheit verfolge ich die Nachrichten, die aus Venezuela eintreffen. Dort steigt die Zahl der Toten, Vermissten und Flüchtlinge weiter an, verursacht durch die reißenden Fluten, die ebenfalls riesige materielle Schäden angerichtet haben. Von neuem bekräftige ich meine Nähe zum geliebten venezolanischen Volk. Zugleich rufe ich alle, Institutionen und Menschen guten Willens auf, großherzig dazu beizutragen, das unermessliche Leid zu lindem und die tragischen Folgen dieser so großen Naturkatastrophe zu beseitigen. Möge Unsere Liebe Frau von Coromoto Fürbitte halten für dieses Volk, das sie als Mutter und Herrin verehrt. Eine Weihnachtskatechese Generalaudienz am 22. Dezember 1. Die gewohnte Mittwochsaudienz findet heute in der liturgischen und geistlichen Stimmung des Advents statt, noch verstärkt durch das Herannahen der weihnachtlichen Festtage. Die Weihnachtsnovene, die wir in diesen Tagen begehen, ist ein liturgischer Weg. Sie begleitet unseren Einsatz zur Vorbereitung auf die Feier des großen „Ereignisses“, das vor zwanzig Jahrhunderten geschehen ist: Sie lädt uns ein, nachzudenken über die tiefen Aspekte des Geheimnisses der Menschwerdung und sie in unser Leben aufzunehmen. Mit dem Weihnachtsfest dieses Jahres 1999 beginnen wir, einen außerordentlichen Anlass zu feiern. Denn in der nun schon nahen Heiligen Nacht nimmt das Große Jubiläum des Jahres 2000 seinen Anfang, auf das die Kirche sich seit langer Zeit mit Glauben vor- 179 A UDIENZEN UND ANGEL US bereitet; und das gibt unserer Erwartung weitere Kraft. Im letzten Abschnitt dieser Zeit des Advents rückt die Liturgie die Erwartung der ganzen Schöpfung in den Vordergrund. Es ist, als ob diese nach zweitausend Jahren mit neuer Freude das Kommen dessen verspürte, der ihre ursprüngliche Harmonie, die aufgrund der Sünde gestört ist, in noch vollkommenerer Weise wiederherstellt. 2. Liebe Brüder und Schwestern! Stellen wir uns schon jetzt darauf ein, mit inniger Teilnahme das Heilsereignis von Weihnachten zu leben und das Jubeljahr mit tiefer Freude zu beginnen. In der Armut der Krippe betrachten wir das große „Ereignis“ der Inkarnation: Gott wird Mensch, um einem jeden von uns zu begegnen. Lassen wir unser Leben während der ganzen Gnadenzeit des Jubiläums von diesem großen Geheimnis verwandeln. Wir wollen die ergreifende und begeisternde Erfahrung der Hirten neu erleben; die bereiten Herzens die von den Engeln gebrachte Botschaft aufnahmen und sich unverzüglich auf den Weg machten, den Erlöser anzubeten; sie wurden so die ersten Zeugen seiner Gegenwart in der Welt. 3. Die Jungfrau Maria, die als erste für den verheißenen Messias eine würdige Wohnstatt bereitet hat und ihn auch heute der Welt darbietet, lehre uns, die Tore unseres Herzens zu öffnen, ja weit aufzureißen für die weihnachtliche Botschaft des Lichtes und des Friedens. Mit diesen Empfindungen und im Zusammenhang geistlicher Freude über die kurz bevorstehende Eröffnung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 möchte ich jedem von euch meine liebevollen Glückwünsche aussprechen. Mein aufrichtiges Mitfühlen gilt allen, die von Leiden niedergedrückt sind, all denen, welche die schweren Folgen des Krieges ertragen müssen, und denjenigen, die sich in besonderen Schwierigkeiten befinden. Allen wünsche ich, in den kommenden Festtagen den Trost erfahren zu können, der von der Gegenwart des Herrn kommt, bezeugt durch bedeutsame Gesten der Liebe und Solidarität. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Wir stehen jetzt kurz vor der Eröffnung der Heiligen Pforte. Dies ist auch ein Anlass, die Türen unserer Herzen für Gott und die Menschen weit aufzumachen. In diese Worte lege ich meinen Wunsch für ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest. Euch, Euren Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich gern den Apostolischen Segen. 180 A UD1ENZEN UND ANGELUS Weihnachten - das Fest der Schöpfung Liebe Schwestern und Brüder! An Weihnachten dieses Jahres erleben wir ein herausragendes Ereignis. In der Heiligen Nacht, die uns bevorsteht, beginnt das Große Jubiläum des Jahres 2000, worauf sich die Kirche seit Jahren vorbereitet. In den letzten Tagen der Adventszeit feiert die Liturgie die Erfüllung dessen, worauf die ganze Schöpfung wartet. So erhoffen wir in unseren Herzen mit großer Freude die Ankunft des Herrn. Er hat die einstige Harmonie der Schöpfung wiederhergestellt. Dies geschah in einzigartiger und unüberbietbarer Weise. Weihnachten ist also das Fest der ganzen Schöpfung. Vor allem aber ist es das Fest eines jeden Menschen. Denn der Kommende ist der Erlöser des Menschen, Re-demptor hominis. Diese Tage laden uns zur Güte, zur Versöhnung und zum Frieden des Herzens ein. Im Tiefsten gründen diese Werte in der Begegnung mit dem lebendigen Gott, der uns gerade an Weihnachten nahe kommen will. Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Wir stehen jetzt kurz vor der Eröffnung der Heiligen Pforte. Dies ist auch ein Anlass, die Türen unserer Herzen für Gott und die Menschen weit aufzumachen. In diese Worte lege ich meinen Wunsch für ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest. Euch, Euren Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich gern den Apostolischen Segen. Wirkungsvoller Schutz für die Rechte der Familie, des Lebens und der Kinder Angelus am 26. Dezember 1. Am heutigen Sonntag feiern wir das Fest der Heiligen Familie von Nazaret, und es ist sehr bezeichnend, dass es in diesem Jahr auf den Tag nach Weihnachten und den Tag nach der Eröffnung des Großen Jubiläums fallt. Daher möchte ich einen besonderen Wunsch an die Familien richten: Frohe Weihnachten und ein gutes Jubiläumsjahr für euch alle, für die Familien in Rom und in der ganzen Welt! Das 2000jährige Jubiläum der Geburt Christi ist in besonderer Weise euer Jubiläum, weil es daran erinnert, wie Gott durch die Familie in die Menschheitsgeschichte eingehen wollte. 2. Das heutige Fest gibt mir zu Beginn des Heiligen Jahres 2000 die günstige Gelegenheit, einen Appell zugunsten der Rechte der Familie, des Lebens und der Kinder zu erneuern, Rechte, die auch von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte anerkannt sind. Um die Menschenrechte zu fördern ist es wirklich notwendig, die Rechte der Familie zu schützen; weil es allein von ihr ausgeht, dass 181 AUDIENZEN UND ANGELUS man eine allgemeine Antwort auf die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft geben kann. Die Familie ist eine Gemeinschaft der Liebe und des Lebens, die sich verwirklicht, wenn ein Mann und eine Frau sich einander gegenseitig in der Ehe schenken und bereit sind, die Künder als Geschenk anzunehmen. Das Grundrecht auf Leben für den Menschen beginnt mit der Empfängnis, und darum gehört es zum Wesen des Naturrechts und zu den Traditionen der großen Religionen wie zum Geist des dritten Artikels der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die Verbindung zwischen Mutter und Kind und die unersetzliche Rolle des Vaters erfordern die Aufnahme des Kindes in einer Familie, die ihm soweit als möglich die Anwesenheit beider Eltemteile garantiert. Der besondere Beitrag, den sie der Familie leisten und damit der Gesellschaft, ist der höchsten Anerkennung würdig. 3. Heute bedarf die Familie eines besonderen Schutzes seitens der öffentlichen Machthaber, die oft dem Druck von Interessengruppen ausgesetzt sind, welche das, was in Wirklichkeit das Ergebnis einer individualistischen und subjektivistischen Mentalität ist, als Recht gelten lassen wollen. „Die Zukunft der Menschheit geht über die Familie“ (Familiaris consortio, Nr. 86), und die große Familie der Nationen baut sich aus ihrer sehr kleinen, aber fundamentalen Keimzelle auf. Gott erleuchte die Gesetzgeber, die Regierenden und jeden Menschen guten Willens, den wirkungsvollen Schutz für die Rechte der Familie, des Lebens und der Kinder zu fordern. Dabei unterstütze uns die Heilige Familie von Nazaret, die Heim und Hilfe bot für das Aufwachsen des Erlösers der Welt. Nach dem Angelus sagte der Papst: In diesen Tagen, in denen die weihnachtliche Stimmung die Menschen auffordert, besser und brüderlicher zu werden, müssen wir für die Völker beten, die in großer Bedrängnis leben. Besonders fühlen wir uns den Bewohnern von Tschetschenien nahe wie wir auch die zahlreichen Völker Afrikas nicht vergessen können, von denen ich besonders die Bewohner der Elfenbeinküste erwähnen möchte, die zur Zeit einen schwierigen Zeitraum ihrer Geschichte durchstehen. Allen, die sich redlich um den Weg der Eintracht und des Friedens bemühen, sage ich: Habt den Mut zum aufrichtigen und zielstrebigen Dialog, damit die Brüderlichkeit, die als Geschenk der ganzen Menschheit anzubieten der menschgewordene Jesus gekommen ist, schließlich eine Realität für alle werden kann. Mein Gruß gilt der ersten Gruppe der Freiwilligen für das Jubiläum, die mit großer Hochherzigkeit ihre Mitarbeit am Dienst für die Pilger anbieten. Liebe Freunde, euer wertvolles Wirken und das Wirken derer, die eurem Beispiel nachfolgen, wird dazu beitragen - dessen bin ich mir sicher — das aufnahmebereite Bild der Kirche zu zeigen. Schöne Feiertage und ein gutes Jubiläumsjahr! 182 AUDIENZEN UND ANGELUS Eine Katechese über die Familie Generalaudienz am 29. Dezember 1. Am letzten Sonntag hat die Liturgie die Heilige Familie von Nazaret vor unseren Blick gestellt, das Vorbild für jede Familie, die sich vom überraschenden Handeln Gottes leiten lässt. In der westlichen Welt wird Weihnachten als das Fest der Familie betrachtet. Das Beisammensein und der Austausch der Geschenke unterstreichen den starken Wunsch nach gegenseitiger Gemeinschaft und rücken die höchsten Werte der Institution Familie ans Licht. Die Familie entdeckt sich als Liebesgemeinschaft von Menschen, gegründet auf Wahrheit und Liebe, auf unauflöslicher Treue der Ehegatten und Annahme des Lebens. Im Licht von Weihnachten verspürt die Familie ihre Berufung, eine Gemeinschaft der Pläne, der Solidarität, der Vergebung, des Glaubens zu sein, worin kein Individuum seine Identität verliert, sondern durch den Beitrag seiner besonderen Gaben zum Wachstum aller beiträgt. So ist es in der Heiligen Familie geschehen, die der Glaube als Anfang und Vorbild der von Christus erleuchteten Familien vorstellt. 2. Wir wollen beten, dass das soeben begonnene Große Jubiläum wirklich ein Anlass der Gnade und der Erlösung für alle Familien der Welt sei. Das Licht der Menschwerdung des Wortes helfe ihnen, ihre eigentliche Berufung besser zu verstehen und zu verwirklichen, den Plan, den der Gott des Lebens mit ihnen hat, damit sie lebendiges Bild seiner Liebe werden. Das Jubiläum wird so die Gelegenheit zu einer Zeit der Umkehr und gegenseitigen Vergebung innerhalb jeder Familie bieten. Es wird eine günstige Zeitspanne sein, um die affektiven Beziehungen in jeder Familie zu festigen und zerrissene Familien wieder zusammenzuführen. Jede christliche Familie möge sich immer mehr ihrer hohen Sendung in Kirche und Welt bewusst werden! Es bedarf heute einer besonderen Sorge für alle Familien, besonders die ärmsten und am wenigsten glücklichen. Es bedarf der Ermutigung und der Annahme des werdenden Lebens; denn jedes Kind, das auf die Welt kommt, ist Geschenk und Hoffnung für alle. 3. In dieser unserer Zeit, in der „die Familie - wie andere Institutionen und vielleicht noch mehr als diese - in die umfassenden, tiefgreifenden und raschen Wandlungen von Gesellschaft und Kultur hineingezogen [wurde]“, ist es wichtig, dass von seiten der Gläubigen kraftvoll wieder betont wird, dass „Ehe und Familie zu den kostbarsten Gütern der Menschheit zählen“. Daher wird die Kirche nicht müde, „ihren Dienst allen Menschen an[zubieten], die sich über das Schicksal von Ehe und Familie Gedanken machen“ (Familiaris consortio, Nr. 1). Das Große Jubiläum des Jahres 2000 sei für alle Familien eine Gelegenheit, mutig die Türen für Christus, den einzigen Erlöser des Menschen, zu öffnen. Denn Christus ist die Neuheit, die jede Erwartung des Menschen übersteigt, das letzte Kriterium für die Beurteilung der zeitlichen Wirklichkeit und jedes Vorhabens, das 183 A UDIENZEN UND ANGEL US sich zum Ziel setzt, das Leben des Menschen immer menschlicher zu machen (vgl. Incarnationis mysterium, Nr. 1). Mit diesem Bewusstsein treten wir geistig in das Haus von Nazaret ein und bitten die Heilige Familie um Schutz und Segen für alle Familien der Welt, damit sie „Schule reich entfalteter Humanität“ (Gaudium et spes, Nr. 52) seien. In deutscher Sprache sagte der Papst: Von Herzen grüße ich alle Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders heiße ich die Deutsch-Ordens-Gruppe der Kommende „An der Donau“ willkommen. Mit besten Wünschen für ein gnadenreiches Heiliges Jahr erteile ich euch, euren Lieben zu Hause und allen, die mit uns über Radio und Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen. Graßworte an die Pilger, die am 29. Dezember in der Petersbasilika zur Generalaudienz empfangen wurden Mit Zuneigung grüße ich euch alle, die ihr hier in der Vatikanbasilika versammelt seid, und wünsche euch, den Frieden und die Freude zu erfahren, dass Christus in der Weihnacht gekommen ist, um sie uns zu schenken. In der Heiligen Nacht haben wir das Große Jubiläum des Jahres 2000 eröffnet, das uns einlädt, die Liebe Gottes zu uns zu betrachten. Von einzigartiger Aktualität in dieser Jubiläumszeit bleibt die Aufforderung, die der Apostel Paulus an die Christen von Thessaloniki richtet: „Freut euch zu jeder Zeit! Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das will Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört“ (1 Thess 5,16-18). Ja, das Jubiläum ist eine Zeit der Freude und soll im Gebet und Dank zum Herrn für das Geschenk der Menschwerdung gelebt werden. Es ist eine Zeit, in der wir aufgerufen sind, mit unserem Leben in intensiverer und tieferer Weise die Dreifaltigkeit [zu verherrlichen], von der alles kommt und der sich alles zuwendet in Welt und Geschichte“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 55). Diese Gefühle mögen euch das ganze Heilige Jahr hindurch begleiten, meine Lieben. Seid Verkündiger der Gegenwart Gottes in der Welt. Von ganzem Herzen segne ich euch alle. Nach diesen Worten auf Italienisch grüßte der Papst die Anwesenden in weiteren Sprachen, u. a. auf Deutsch: Einen herzlichen Gruß entbiete ich allen Pilgern und Besuchern aus den Ländern deutscher Sprache. Ihr habt die besondere Gelegenheit, den Beginn des Großen Jubiläums und den Wechsel ins neue Jahrtausend in Rom zu erleben. Mögen es für euch läge der Gnade werden, in denen ihr erfahren dürft, dass Christus, die Tür, allen und immer offen steht. 184 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen REISEN 1. Pastoraireise nach Mexiko und Saint Louis/USA (22. bis 28. Januar) Der Glaube ist wesentlicher Bestandteil mexikanischer Identität Begrüßungsansprache in Mexiko-City am 22. Januar Herr Präsident! Meine Herren Kardinäle und Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern in Mexiko! 1. Wie vor zwanzig Jahren komme ich auch heute nach Mexiko, und es ist für mich auch diesmal wieder eine große Freude, hier in diesem gesegneten Land zu weilen, wo unsere Liebe Frau von Guadalupe als geliebte Mutter verehrt wird. Wie schon damals und bei den beiden folgenden Besuchen komme ich als Apostel Jesu Christi und Nachfolger des hl. Petrus, um meine Brüder im Glauben zu stärken und allen Männern und Frauen das Evangelium zu verkünden. Bei dieser Gelegenheit wird diese Hauptstadt herausragender und außerordentlicher Begegnungsort eines historischen Treffens sein: Denn zusammen mit den Bischöfen des ganzen amerikanischen Kontinentes werde ich morgen in der Basilika von Guadalupe die Früchte der Synode vorstellen, die wir vor über einem Jahr in Rom abgehalten haben. Die Bischöfe Amerikas zeigten damals die grundlegenden Züge der zukünftigen Seelsorge auf. Diese soll, vom gemeinsamen Glauben ausgehend, voll und ganz dem Heilsplan Gottes und der Menschenwürde im Rahmen gerechter Gesellschaften entsprechen, die versöhnt und offen sind für den technischen Fortschritt, der im Einklang mit dem notwendigen moralischen Fortschritt steht. Das ist die Hoffnung der Bischöfe, die ihren katholischen Glauben auf Spanisch, Englisch, Portugiesisch, Französisch oder in einer der vielen Sprachen der einheimischen Kulturen bekennen, welche die Wurzeln dieses Kontinents der Hoffnung repräsentieren. Heute nachmittag werde ich die Freude haben, in der Nuntiatur das Apostolische Schreiben zu unterzeichnen, in dem ich nochmals die Ideen und Vorschläge des amerikanischen Episkopates aufgegriffen habe. Durch die Neuevangelisierung möchte die Kirche ihre Identität besser verdeutlichen: nämlich Christus und seinem Wort so nahe wie möglich zu sein, sich als eigenständig und frei von weltlichen Einflüssen zu erweisen, noch besser den Menschen vom Evangelium her zu dienen, ein Ferment der Einheit und nicht der Trennung unter den Menschen zu sein, die sich neuen, weiteren und noch nicht klar abgegrenzten Horizonten öffnen. 187 REISEN 2. Es ist mir nun eine Freude, den Präsidenten der Vereinigten Mexikanischen Staaten, Dr. Emesto Zedillo Ponce de Leon, zu begrüßen und ihm für seine an mich gerichteten freundlichen Worte des Willkommens zu danken. In Ihrer Person, Herr Präsident, grüße ich stellvertretend das ganze edle und geliebte mexikanische Volk, das durch Arbeit, Gebet und Vorangehen auf der Suche nach einer besseren Zukunft ist, sei es in den weiten Ebenen von Sonora oder Chihuahua, sei es in den Tropenwäldem von Veracruz oder Chiapas, sei es in den arbeitsamen Industriezentren von Nuevo Leon oder Coahuila, sei es am Fuße der großen Vulkane, die in den stillen Tälern von Puebla und Mexico emporragen. Auch grüße ich die Millionen von Mexikanern, die außerhalb der Grenzen ihres Vaterlandes leben und arbeiten. Da dies eine Reise ist, die in gewisser Weise den ganzen Kontinent betrifft, grüße ich auch alle diejenigen, die - auf welche Weise auch immer — an diesen Feierlichkeiten teilnehmen. Ganz herzlich grüße ich meine Brüder im Bischofsamt, allen voran Kardinal Norberto Rivera Carrera, den Primas von Mexiko, weiter den Vorsitzenden und die Mitglieder der Mexikanischen Bischofskonferenz sowie alle übrigen Bischöfe, die aus anderen Ländern angereist sind, um an den Veranstaltungen dieses Pastoralbesuches teilzunehmen, wodurch sie nicht zuletzt auch die engen Bande der Gemeinschaft und Liebe zwischen allen Teilkirchen des amerikanischen Kontinents von Alaska bis Feuerland erneuern und festigen wollen. Selbstverständlich gilt mein herzlicher Gruß auch allen Priestern, Diakonen, Ordensleuten, Katechisten und Gläubigen, die ich alle dem Herrn anvertraue. Gebe es Gott, dass dieser heute beginnende Besuch alle bei ihrem großzügigen Einsatz ermutige, Christus mit erneuertem Eifer vor dem nahenden neuen Jahrtausend zu verkünden. 3. Das mexikanische Volk hat mich seit der ersten großherzigen und hoffnungser-fullten Aufnahme vor zwanzig Jahren immer wieder auf meinen vielen Wegen begleitet. Ich traf mit Mexikanern bei den Generalaudienzen zusammen, die jeden Mittwoch auf dem Petersplatz stattfinden, oder bei den großen Ereignissen, welche die Kirche in Rom und an anderen Orten Amerikas und der Welt gefeiert hat. Immer noch höre ich die Begrüßungsrufe, mit denen sie mich stets empfangen haben: „Mexiko ist immer treu und immer gegenwärtig!“ Nun komme ich in ein Land, wo der katholische Glaube als Fundament zur Vermengung diente, welche die althergebrachte und gegensätzliche Völkervielfalt in eine brüderliche und einheitliche Schicksalsgemeinschaft umformte. Es ist daher nicht möglich, Mexiko zu begreifen, ohne dabei den aus Spanien gekommenen Glauben mit einzubeziehen, den die ersten zwölf Franziskaner in dieses Land gebracht und den später die Dominikaner, Jesuiten, Augustiner und andere Verkünder des heilbringenden Wortes Christi gefestigt haben. Diese Missionare verkündeten hier nicht nur das Evangelium, was dazu geführt hat, dass der katholische Glaube zum integrierenden, wesentlichen Bestandteil der Seele der Nation wurde; sie hinterließen auch tiefe kulturelle Spuren und wunderbare Beispiele der Kirnst, die heute mit Recht der Stolz sowie ein Ausdruck der Zivilisation aller Mexikaner sind. 188 REISEN Nun komme ich in ein Land, dessen Geschichte verlaufen ist wie Flüsse, die mitunter im Verborgenen fließen, aber stets reichlich Wasser fuhren. Und so stellt sich die Geschichte dieses Landes als eine Geschichte von drei Realitäten dar, die sich einmal begegnen und andererseits ihre sich gegenseitig ergänzenden Unterschiede offen legen, ohne sie jedoch ganz zu vermischen: die antike und reiche Sensibilität der Indianervölker, die Juan de Zumärraga und Vasco de Quiroga verehrten, welche von vielen heute noch Väter genannt werden; das Christentum, das tief in der mexikanischen Seele verwurzelt ist; und schließlich die moderne Rationalität europäischer Prägung, welche die Unabhängigkeit und Freiheit hochhalten möchte. Es ist mir durchaus bewusst, dass es viele weitsichtige Menschen gibt, die sich bemühen, diese Denk- und Kulturströmungen durch den Dialog, die soziokulturelle Entwicklung und den Willen, eine bessere Zukunft zu schaffen, noch weiter zu vereinigen. Zu euch komme ich nun, ihr Mexikaner aller Klassen und sozialen Schichten, und zu euch, Brüder des amerikanischen Kontinents, um euch im Namen Christi zu grüßen: Gott wurde Mensch, damit sich alle Menschen ihrer Berufung zur göttlichen Kindschaft in Christus bewusst werden. Zusammen mit meinen Brüdern im Bischofsamt aus Mexiko und ganz Amerika komme ich nun, um mich vor dem Schutzmantel des sei. Juan Diego zu verneigen. Ich werde die Muttergottes von Guadalupe am Ende eines fruchtbaren, aber auch leidgeprüften Jahrtausends bitten, das nächste möge ein Jahrtausend sein, in dem sich in Mexiko, in Amerika und auf der ganzen Welt sichere Wege der Brüderlichkeit und des Friedens eröffnen. Brüderlichkeit und Frieden können in Jesus Christus sichere Fundamente und geräumige Wege des Fortschritts finden. Mit dem Frieden Christi wünsche ich den Mexikanern Erfolg bei dem Streben nach Eintracht zwischen allen, damit sie eine große Nation bilden, die sie untereinander verbrüdert. 4. Hier vor der Schwarzen Madonna von Tepeyac, der Königin von Mexiko und der Herrscherin von Amerika, verneige ich mich und vertraue ihrem mütterlichen Schutz das Geschick dieses Landes und des ganzen Kontinentes an. Möge das neue Jahrhundert und das neue Jahrtausend ein allgemeines neues Erwachen mit sich bringen, das unter dem Schutz Christi, unserem Leben und unserer Hoffnung, stehe, der uns immer Wege der Brüderlichkeit und des gesunden menschlichen Zusammenlebens anbietet. Möge die Muttergottes von Guadalupe Mexiko und Amerika helfen, einträchtig auf diesen sicheren und lichtvollen Pfaden zu wandeln. 189 REISEN Auf diesem Kontinent keine Angriffe auf das Leben mehr zulassen! Predigt bei der Eucharistiefeier in der Basilika U. L. Frau von Guadalupe in Mexiko am 23. Januar Liebe Brüder im Bischofs- und im Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern im Herrn! 1. „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau (Gal 4,4). Was bedeutet die Fülle der Zeit? Aus der Sicht der Menschheitsgeschichte ist die Fülle der Zeit ein konkretes Datum. Es ist die Nacht, in welcher der Sohn Gottes in Betlehem auf die Welt kam. So hatten es die Propheten vorhergesagt, wie wir in der ersten Lesung hörten: „Darum wird euch der Herr von sich aus ein Zeichen geben: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben“ (Jes 7,14). Diese Worte wurden viele Jahrhunderte zuvor ausgesprochen und gingen in jener Nacht in Erfüllung, als der durch den Heiligen Geist im Schoße Marias empfangene Sohn Gottes zu Welt kam. Der Geburt Christi ging die Verkündigung durch den Engel Gabriel voraus. Daraufhin ging Maria ihre Verwandte Elisabet besuchen, um ihr behilflich zu sein. Daran erinnert uns das Evangelium nach Lukas, wenn es uns den ungewöhnlichen und prophetischen Gruß Elisabets und die wunderbare Antwort Marias vor Augen stellt: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,46—47). Dies sind die Ereignisse, auf die sich die heutige Liturgie bezieht. 2. Die Lesung aus dem Brief an die Galater enthüllt uns ihrerseits die göttliche Dimesion dieser Fülle der Zeit. Die Worte des hl. Paulus fassen die gesamte Theologie der Geburt Christi zusammen, wodurch sich auch gleichzeitig der Sinn jener Zeitenfülle erklärt. Es handelt sich dabei um etwas ganz Außerordentliches: Gott ist in die Geschichte der Menschheit eingetreten; er, der in sich selbst das unergründliche Mysterium des Lebens ist; er, der Vater ist und sich von Ewigkeit her im Sohn widerspiegelt, welcher mit dem Vater eines Wesens ist und durch welchen alles erschaffen wurde (vgl. Joh 1,1—3); Gott, der Einheit des Vaters und des Sohnes ist im Strömen ewiger Liebe, das heißt im Heiligen Geist. Trotz unserer armseligen Ausdrucksmöglichkeiten in bezug auf das unaussprechliche Mysterium der Dreifaltigkeit kann man sagen, dass der den zeitlichen Bedingungen unterworfene Mensch dazu berufen wurde, an diesem göttlichen Leben teilzuhaben. Der Sohn Gottes wurde aus Maria, der Jungfrau, geboren, um uns die göttliche Sohnschaft zu gewähren. Der Vater hat unseren Herzen den Geist seines Sohnes eingegossen; darum dürfen wir sagen: „Abba, Vater“ (vgl. Gal 4,4). Das also ist die Fülle der Zeit, in der alles Streben der Geschichte und der Menschheit 190 REISEN gipfelt: die Offenbarung des Mysteriums Gottes, den Menschen angeboten durch das Geschenk der göttlichen Adoption. 3. Die Fülle der Zeit, auf die sich der Apostel beruft, ist auf die Geschichte der Menschheit bezogen. In gewisser Weise ist Gott durch seine Menschwerdung in unsere Zeit eingetreten und hat unsere Geschichte in Heilsgeschichte verwandelt. Eine Geschichte, die alles Geschehen in der Welt und der Menschheit, angefangen von der Schöpfung bis zu ihrem Ende, umfasst und in ihrer Entfaltung wichtige Augenblicke und Daten aufweist. Eines dieser Daten ist das bevorstehende Jahr 2000 nach der Geburt Jesu, das Jahr des Großen Jubiläums. Die Kirche hat sich unter anderem durch die einem jeden Kontinent gewidmeten, außerordentlichen Synoden darauf vorbereitet. So auch durch die Synode Ende 1997 im Vatikan. 4. Heute danken wir Gott in dieser Basilika von Guadalupe, dem Mittelpunkt marianischer Frömmigkeit in Amerika, für die dem Kontinent Amerika gewidmete Sonderversammlung der Bischofssynode. Sie war Ausdruck echter kirchlicher Gemeinschaft und kollegialer Verbundenheit unter den Hirten von Nord-, Zentral und Südamerika, zusammen mit dem Bischof von Rom erlebt als brüderliche Erfahrung der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn und als Weg zur Umkehr, zur Gemeinschaft und zur Solidarität in Amerika. Nun bin ich ein Jahr nach dieser synodalen Sonderversammlung und aus Anlass der Hundertjahrfeier des in Rom abgehaltenen Plenarkonzils für Lateinamerika hierher gekommen, um der „Virgen mestiza“, Unserer Lieben Frau von Tepeyac, Stern der Neuen Welt, das Apostolische Schreiben Ecclesia in America, das die Beiträge und pastoralen Vorschläge der Synode enthält, zu Füßen zu legen und der Mutter und Königin dieses Kontinentes die Zukunft seiner Evangelisierung anzuvertrauen. 5. All jenen möchte ich meinen Dank aussprechen, die es durch ihre Arbeit und ihr Gebet möglich gemacht haben, dass diese Synode die Vitalität des katholischen Glaubens in Amerika aufgezeigt hat. Auch danke ich dieser Primatial-Erzdiözese von Mexiko und ihrem Erzbischof, Norbert Kardinal Rivera Carrera, für die freundliche Aufnahme und großzügige Bereitschaft. Herzlich grüße ich die große Zahl von Kardinälen und Bischöfen, die aus allen Teilen des Kontinents gekommen sind, sowie die zahlreichen Priester und Seminaristen, die das Herz des Papstes mit Freude und Hoffnung erfüllen. Auch gilt mein Gruß all jenen, die draußen vor der Basilika dieser Feier folgen, und allen Männern und Frauen der verschiedenen Kulturen, Völkergruppen und Nationen, die zur reichen und vielgestaltigen Wirklichkeit Amerikas gehören. Auf Portugiesisch sagte der Papst: 6. „Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Diese Worte Elisabets an Maria, die Christus in ihrem Schoß trag, lassen sich auch auf die Kirche dieses Kontinentes anwenden. Selig bist du, Kirche von Amerika, Kirche dieses Kontinentes, die du durch die Annahme der Frohbotschaft 191 REISEN des Evangeliums so viele Völker zum Glauben geboren hast! Selig bist du wegen deines Glaubens, selig wegen deiner Hoffnung, selig wegen deiner Liebe, denn die Verheißung des Herrn wird sich erfüllen! Die heroischen Missionsbemühungen und die bewundernswerte Evangelisierungstätigkeit dieser fünf Jahrhunderte sind nicht vergeblich gewesen. Heute dürfen wir sagen, dass aufgrund dessen die Kirche in Amerika eine Kirche der Hoffnung ist. Man betrachte nur die Lebendigkeit ihrer so zahlreichen Jugendlichen, die außerordentliche Bedeutung, die man der Familie beimisst, das Aufblühen der Priester- und Ordensberufungen und vor allem die tiefe Religiosität der verschiedenen Völkergruppen. Vergessen wir nicht, dass im nächsten, kurz bevorstehenden Jahrtausend Amerika der Kontinent mit den meisten Katholiken sein wird. Auf Französisch sagte der Papst weiter: 7. Indessen haben die Synodenväter unterstrichen, dass, wenn die Kirche in Amerika sehr wohl Grund zur Freude hat, sie auch mit ernsten Schwierigkeiten und wichtigen Herausforderungen konfrontiert ist. Sollten wir uns dadurch etwa entmutigen lassen? Keinesfalls, denn: „Jesus Christus ist der Herr!“ {Phil 2,11). Er hat die Welt bezwungen und seinen Heiligen Geist ausgesandt, um alles neu zu machen. Wäre es zuviel, zu hoffen, dass sich nach dieser Synode - der ersten amerikanischen Synode in der Geschichte auf diesem überwiegend christlichen Kontinent eine mehr durch das Evangelium geprägte und zum Teilen bereite Lebensweise entwickelt? Es gibt viele Bereiche, in denen die christlichen Gemeinschaften Nord-, Zentral- und Südamerikas ihre brüderlichen Bande kundtun, in wirklicher Solidarität leben und bei gemeinsamen Pastoralprojekten Zusammenarbeiten können, wobei eine jede Gemeinschaft von ihrem spirituellen und materiellen Reichtum das beisteuert, worüber sie verfügt. Auf Englisch sagte der Papst 8. Der Apostel Paulus lehrt uns, dass in der Fülle der Zeit Gott seinen Sohn sandte, geboren von einer Frau, um uns von der Sünde zu erlösen und uns zu seinen Söhnen und Töchtern zu machen. So sind wir also nicht mehr Knechte, sondern Gottes Kinder und Erben (vgl. Gal 4,4—7). Deshalb muss die Kirche das Evangelium vom Leben verkünden und sich mit prophetischer Kraft gegen die Kultur des Todes aussprechen. Möge der Kontinent der Hoffnung auch der Kontinent des Lebens sein! So ist unser Aufruf: Leben in Würde für alle! Für alle, die im Mutterschoß empfangen wurden: für Straßenkinder, für einheimische Völkergruppen und Affo-Amerikaner, für Immigranten und Flüchtlinge, für die jungen Menschen, denen die Aussichten für die Zukunft versperrt sind, für die alten Menschen und für alle, die auf irgend eine Weise Armut oder Ausstoßung erleiden. Liebe Brüder und Schwestern! Es ist Zeit, von diesem Kontinent ein für alle Male jeden Angriff auf das Leben zu verbannen. Keine Gewalt mehr, kein Terrorismus und kein Drogenhandel mehr! Keine Folter oder andere Arten von Missbrauch mehr! Dem unnötigen Rückgriff auf die Todesstrafe muss ein Ende gesetzt wer- 192 REISEN den! Keine Ausbeutung der Schwachen mehr, keine Rassendiskriminierung und keine Ghettos der Armen mehr! Nie mehr! Dies sind unerträgliche Übel, die zum Himmel schreien und die Christen zu einer anderen Lebensweise und mehr sozialem Engagement in Übereinstimmung mit ihrem Glauben auffufen. Durch das Evangelium müssen wir das Gewissen der Menschen wachrütteln, um ihnen ihre hohe Berufung, Kinder Gottes zu sein, vor Augen zu führen. Das wird sie inspirieren, ein besseres Amerika zu errichten. Es ist ein dringendes Gebot der Stunde, einen neuen Frühling der Heiligkeit auf dem Kontinent herbei-zufuhren, so werden Handeln und Betrachtung Hand in Hand gehen. Auf Spanisch sagte der Papst: Die Zukunft dieses Kontinentes möchte ich Maria, der heiligen Mutter Christi und Mutter der Kirche, anvertrauen und darbieten. Darum ist es mir eine Freude, nun zu verkünden, dass ich angeordnet habe, den 12. Dezember in ganz Amerika zu Ehren der Jungfrau von Guadalupe im liturgischen Rang eines Festes zu begehen. O unsere Mutter, du kennst die Wege, welche die ersten Verkünder des Evangeliums in der Neuen Welt von den Inseln Guanahani und La Espanola bis zu den Wäldern des Amazonas und den Gipfeln der Anden gegangen sind. Sie gelangten bis zum Feuerland im Süden und bis zu den großen Seen und dem Gebirge im Norden. Begleite die Kirche, die unter den Völkern Amerikas wirkt, damit sie immerzu das Evangelium verkünde und ihren missionarischen Geist erneuere. Stehe all jenen bei, die ihr Leben der Botschaft Jesu und der Ausbreitung seines Reiches weihen. O unsere liebe Frau von Tepeyac, Mutter von Guadalupe, dir stellen wir diese unzählbare Menge von Gläubigen anheim, die in Amerika zu Gott beten. Dich tragen sie im Herzen, sei auch in ihren Häusern, ihren Pfarreien und den Diözesen des ganzen Kontinentes, und stärke sie. Gib, dass die christlichen Familien auf beispielhafte Weise ihre Kinder im Glauben der Kirche und in der Liebe des Evangeliums erziehen, auf dass sie eine Pflanzschule für apostolische Berufungen seien. Lenke heute deinen Blick auf die Jugendlichen, und ermutige sie, mit Jesus Christus zu gehen. O Herrin und Mutter Amerikas, stärke den Glauben unserer Brüder und Schwestern im Laienstand, auf dass sie in allen Bereichen des sozialen, beruflichen, kulturellen und politischen Lebens im Einklang mit der Wahrheit und dem neuen Gesetz handeln, das Jesus der Menschheit gebracht hat. Sei all jenen gnädig, die an Hunger, Einsamkeit, Ausgrenzung oder Unwissenheit leiden. Gib, dass wir in ihnen deine vielgeliebten Kinder erkennen, und treibe uns an zur Nächstenliebe, um ihnen in ihrer Not zu helfen. Heilige Jungfrau von Guadalupe, Friedenskönigin, rette die Nationen und Völker dieses Kontinentes! 193 REISEN Gib, dass alle, die Regierungen und die Bürger, lernen, in echter Freiheit zu leben, und dass sie nach den Erfordernissen der Gerechtigkeit und der Achtung der Menschenrechte handeln, damit der Friede sich endgültig festige. Dir, unsere liebe Frau von Guadalupe, Mutter Jesu und unsere Mutter, alle Liebe, Ehre, Herrlichkeit und das ständige Lob deiner Söhne und Töchter von Amerika! Gemeinsame ethische Basis für soziales und politisches Handeln erarbeiten Ansprache beim Treffen mit dem Präsidenten der Republik und den Mitgliedern des Diplomatischen Korps in Mexiko-City am 23. Januar Herr Präsident der Republik, sehr geehrte Herren Botschafter und Leiter der diplomatischen Vertretungen, verehrte Damen und Herren! 1. Für die freundlichen Worte, die der Herr Präsident, Emesto Cedillo Ponce de Leon, an mich gerichtet und womit er mich vor der Leitung der in Mexiko akkreditierten diplomatischen Vertretungen eingeführt hat, möchte ich herzlich danken. Die ehrenvolle Geste, sie dem Papst in dieser seiner offiziellen Residenz „Los Pinosa“ vorzustellen, weiß ich hoch zu schätzen. Im Rahmen dieses Pastoralbesuches ist es mir eine Freude, mit Ihnen zusammenzukommen, die Sie die Verantwortung für die Beziehungen Ihrer jeweiligen Staaten mit Mexiko tragen und sie durch den Dialog und die Kooperation stärken. Dadurch bestätigen Sie gleichzeitig die Bedeutung dieser Nation in der Welt. Außerdem repräsentieren Sie die internationale Gemeinschaft, mit welcher der Hl. Stuhl von alters her solide Beziehungen unterhält, besiegelt durch eine uralte, jeden Tag neu gefärbte Tradition. 2. Wir leben in einer Welt, die sich komplex und zugleich einheitlich darstellt. Die verschiedenen Gemeinschaften, aus der unsere Welt besteht, rücken immer näher zusammen, die finanziellen und wirtschaftlichen Systeme werden immer weiter ausgebaut und funktionieren immer schneller, und davon hängt die integrale Entwicklung der Menschheit ab. Diese wachsende Verflechtung fuhrt zu neuen Etappen des Fortschritts, aber sie birgt auch die Gefahr in sich, ernsthaft die persönliche und gemeinschaftliche Freiheit einzuengen, die ein Bestandteil des demokratischen Lebens ist. Daher muss man ein soziales System unterstützen, das allen Völkern gestattet, an der Förderung eines integralen Fortschritts aktiv teilzunehmen, ansonsten könnten sich nicht wenige dieser Völker daran behindert sehen, diesen Fortschritt zu erreichen. Der heutige, mit nichts in der Vergangenheit vergleichbare Fortschritt muss allen Menschen ihre Würde sichern und ihnen ein tieferes Bewusstsein von der Größe ihrer eigenen Bestimmung anbieten. Aber gleichzeitig setzt er den Menschen, 194 REISEN sowohl den mächtigsten als auch den sozial und politisch schwächsten, der Gefahr aus, zur Nummer oder zu einem bloßen wirtschaftlichen Faktor zu werden (vgl. Centesimus annus, Nr. 49). In diesem Fall könnte der Mensch nach und nach das Bewusstsein für die transzendenten Werte verlieren. Dieses bald klare, bald indirekte Bewusstsein unterscheidet den Menschen von allen anderen Lebewesen der Natur. 3. Die Kirche bleibt der Mission ihres Gründers treu und verkündet unermüdlich, dass die menschliche Person das Zentrum aller ziviler und sozialer Ordnung sowie jedweden technischen und wirtschaftlichen Entwicklungssystems sein muss. Die menschliche Geschichte darf sich nicht gegen den Menschen stellen. Das würde bedeuten, sich gegen Gott zu stellen, dessen lebendiges Abbild der Mensch ist, auch dann, wenn es durch Irrtum oder Rechtsbeugung verformt ist. Dies ist die Überzeugung, welche die Kirche den Vereinten Nationen vorzulegen sucht oder beim Dialog der Freundschaft, den sie mit Ihnen, den Mitgliedern des Diplomatischen Korps, und jenen Behörden in den verschiedenen Erdteilen unterhält, die eine die Völker repräsentierende Funktion einnehmen. Aus diesen Prinzipien leiten sich wichtige moralische und zivile Werte ab, welche die Bischöfe Amerikas bei der Synode in Rom 1997 hervorgehoben haben. 4. Unter diesen Werten stechen besonders der Mentalitätswandel und die wirksame Solidarität unter den verschiedenen Klassen als wesentliche Bestandteile des modernen Gesellschaftslebens auf nationaler und internationaler Ebene hervor. Das internationale Leben erfordert einige gemeinsame moralische Werte als Grundlage sowie einige gemeinsame Regeln der Zusammenarbeit. Zweifellos bieten die Erklärung der Menschenrechte, deren fünfzigsten Jahrestag wir letztes Jahr gefeiert haben, sowie andere Dokumente von universaler Gültigkeit wichtige Elemente bei der Suche nach dieser moralischen Grundlage, die allen Ländern oder zumindest einer großen Anzahl von Ländern gemein ist. Wenn wir das Panorama der Welt betrachten, sehen wir, dass es Situationen gibt, die ohne weiteres anfechtbar sind. Die Macht der Industrieländer wird immer drückender gegenüber den Entwicklungsländern. Innerhalb der internationalen Beziehungen legt man mitunter das Gewicht auf die Wirtschaft, was zu Lasten der menschlichen Werte geht. Werden diese geschwächt, so wirkt sich das auch im Hinblick auf Freiheit und Demokratie aus. Andererseits lässt uns die Aufrüstung sehen, dass zwar in vielen Fällen die Waffen der Verteidigung, allzu oft aber auch der Offensive dienen und im Namen von Ideologien angewandt werden, die der Menschenwürde nicht immer die nötige Achtung entgegenbringen. Das Phänomen der Korruption durchflicht in einigen Ländern bedauemswerterweise große Flächen des sozialen Netzes, ohne dass jene, die unter den Folgen zu leiden haben, immer die Möglichkeit hätten, diesbezüglich nach Gerechtigkeit und Verantwortung zu verlangen. Auch durchdringt der Individualismus das internationale Leben in einer Weise, dass die mächtigen Staaten jeden Tag mächtiger und die schwachen Staaten jeden Tag abhängiger werden. 195 REISEN 5. Angesichts dieses Panoramas sind für die einzelnen wie für die verschiedenen menschlichen Gruppen ein Mentalitätswandel und eine wirksame Solidarität unweigerlich geboten - und zwar nicht nur als Theorie. Auf all das hat der lateinamerikanische Episkopat gemeinsam mit dem Papst seit Jahrzehnten aufmerksam gemacht. All das haben die Bischöfe des amerikanischen Kontinents auf der Synode gefordert. Diesbezüglich verdienen die zahlreichen Hilfsinitiativen Erwähnung, die man bei der Bevölkerung Zentralamerikas, die vom Hurrikan Mitch heimgesucht wurde, gestartet hat und an denen sich auch Mexiko zusammen mit anderen Ländern auf beachtliche Weise beteiligt hatte. Dadurch haben die Länder gezeigt, dass sie in brüderlichen und solidarischen Beziehungen zueinander stehen. Amerika ist ein Kontinent, der sowohl große Völkergruppen von technischem Fortschritt und andere relativ kleine Völkergruppen von sehr unterschiedlichem Entwicklungsniveau umfasst. Auch innerhalb des gleichen Landes bestehen soziale und menschliche Verhältnisse von ganz unterschiedlichem Niveau, was zum Beispiel in Mexiko der Fall ist. Ihnen muss man stets mit großer Achtung und Gerechtigkeit gegenübertreten und sich unermüdlich des Dialogs und des Übereinkommens als Hilfen bedienen. Amerika stellt eine humane und geographische Einheit dar, die vom Nordpol bis zum Südpol reicht. Wenn auch seine Wurzeln auf uralte Kulturen zurückgehen, wie die der Maya, der Olmeken, der Azteken oder der Inka, so ist er doch durch den Kontakt mit dem Alten Kontinent und mit dem Christentum seit mehr als fünf Jahrhunderten zu einer Schicksalsgemeinschaft geworden, die in der Welt einzigartig ist. Amerika ist schon in sich ein besonders geeigneter Lebensraum zur Förderung gemeinsamer Werte, die es vermögen, einen wirksamen Mentalitätswandel besonders bei denen zu vollziehen, die auf nationalem und internationalem Niveau Verantwortung tragen. 6. Dieser Kontinent könnte der „Kontinent der Hoffnung“ sein, wenn den menschlichen Gemeinschaften, aus denen er sich zusammensetzt, sowie ihren leitenden Schichten eine gemeinsame ethische Basis zu Grunde läge. Die Katholische Kirche und die anderen großen Konfessionen, die in Amerika vertreten sind, können zu dieser Ethik gemeinsame Elemente beitragen, die das Gewissen davor bewahren, sich von Ideen eingeschränkt zu sehen, die lediglich aus einem durch die Umstände bedingten Konsens entstanden sind. Amerika und die gesamte Menschheit brauchen wesentliche Grundlagen, auf die sich alle Bürger und die verantwortlichen Politiker berufen können. „Du sollst nicht töten“, „Du sollst kein falsches Zeugnis geben“, „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut“, „Du sollst die fundamentale Würde der menschlichen Person achten“ in ihrer physischen und moralischen Dimension. Dies sind unantastbare Prinzipien, die im Dekalog unverbrüchlich besiegelt sind. Diesen Dekalog haben Juden, Christen und Muslime gemeinsam, und er steht auch den Normen anderer großer Religionen nahe. Es sind Prinzipien, die jeden einzelnen sowie die verschiedenen Gesellschaften verpflichten. 196 REISEN Diese und andere ähnliche Prinzipien müssen ein Bollwerk gegen jeden Angriff auf das menschliche Leben vom Anfang bis zum natürlichen Ende sein; gegen die Expansionskriege und den Gebrauch von Waffen als Vemichtungsinstrumenten; gegen die Korruption, die zerstörend in große Teile der Gesellschaft eindringt, mitunter in übernationalem Ausmaß; gegen das widerrechtliche Eindringen in die Privatsphäre durch Machthaber, die erzwungene Sterilisationen oder das Recht auf Leben begrenzende Gesetze gutheißen; gegen trügerische Werbekampagnen, die die Wahrheit entstellen und den Lebensstil ganzer Völker bestimmen; gegen die Monopole, die versuchen, gesunde Initiativen zu unterbinden und das Wachstum ganzer Gesellschaften einzuschränken; gegen die Expansion des Drogengebrauchs, welche die Kraft der Jugend dahinrafft und nicht selten sogar zum Tode fuhrt. 7. Vieles ist in diesem Sinn bereits geschehen. Zahlreich sind die internationalen Konventionen, die das Ziel haben, einigen dieser Missbräuche Grenzen zu setzen. Ganze Nationen tun sich zusammen, um Wirtschaftsräume zu schaffen, wo das politische, ökonomische und soziale Leben nach rechter Maßgabe eine Orientierung erfahrt und besser durch gerechtere Prinzipien geschützt wird, die mit den Rechten eines jeden Bürgers, eines jeden Volkes und einer jeden Kultur im Einklang stehen. Es gibt jedoch noch viel zu tun. Wir stehen am Ende eines Jahrhunderts und eines Jahrtausends, die trotz ihrer großen wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften sichtbare Narben hinterlassen, die manchmal auf tragische Weise daran erinnern, wie wenig Beachtung man den erwähnten moralischen Prinzipien geschenkt hat. Um sie nicht noch weiter missachtet zu sehen, ist es notwendig, dass sich im neuen Jahrhundert und im neuen Jahrtausend ihre ethische, moralisch verpflichtende Kraft festigt. 8. Wenn ich Sie an diesen Erwägungen teilnehmen lasse, so hat mich kein anderes Interesse dazu veranlasst als das: die Menschenwürde zu verteidigen, und keine andere Autorität als die des göttlichen Wortes. Es ist nicht mein eigenes Wort, sondern das Wort Gottes, der Mensch geworden ist, damit der Mensch Kind Gottes werde. Alle weiteren Interessenbereiche stehen mir fern, und ich biete Ihnen heute diese Oberlegungen an in der Hoffnung, dass sie Ihnen bei Ihren diplomatischen Bemühungen und auch im persönlichen Leben behilflich sein können, die Sie ja alle zur Schaffung einer Welt beitragen wollen, die humaner und gerechter ist als jene, die uns das ausgehende Jahrhundert und Jahrtausend darbieten. Möge doch in absehbarer Zukunft die Achtung vor dem Leben, der Wahrheit und der Würde eines jeden Menschen vorherrschen! Dies ist die dringende Aufgabe, die auf uns wartet. Möge Gott Ihrer aller Wirken segnen! Er segne Mexiko und all die Länder, die Sie in dieser privilegierten Stadt repräsentieren, wo Amerika und die Welt zum Dialog Zusammentreffen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 197 REISEN Im Leiden kann der Mensch die Nähe Gottes schmerzlich und heilsam erfahren Botschaft an die Kranken anlässlich seines Besuchs im Hospital „A. Lopez Mateos“ vom 24. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wie auf anderen Pastoraireisen in viele Länder der Welt, so wollte ich bei diesem vierten Besuch in Mexiko mit den Kranken Zusammentreffen, die in diesem Zentrum betreut werden, das den Namen „Lic. Adolfo Lopez Mateos“ trägt, - und durch sie mit allen Kranken dieses Landes einige Augenblicke in Gebet und Hoffnung verbringen. Euch allen will ich meine Zuneigung versichern. Gleichzeitig schließe ich mich auch Eurem Gebet und dem Gebet Eurer Lieben an. Auf die Fürsprache U. Lb. Frau von Guadalupe bitte ich Gott um Gesundheit für Leib und Seele, um die volle Vereinigung Eurer Leiden mit den Leiden Christi und um Hilfe bei der Suche nach auf den Glauben gestützten Gründen, um den Sinn des menschlichen Leidens besser zu verstehen. Jedem von Euch Leidenden wie auch den Ärzten und anderen in Sanitätsberufen Stehenden, die den Kranken ihren selbstlosen Dienst leisten, fühle ich mich sehr nahe. Es ist mein Wunsch, dass meine Stimme über diese Mauern hinaus allen Kranken und im Gesundheitsdienst Tätigen die Stimme Christi nahe bringe, um in der Krankheit ein Wort des Trostes zu bieten und ein Wort der Ermutigung in der Sendung des Krankendienstes. Besonders möchte ich in Erinnerung rufen, welchen Wert das Leiden im Rahmen des Heilswerkes des Erlösers hat. An Eurer Seite zu sein, Euch mit Liebe und Kompetenz zu dienen, ist nicht nur ein humanitäres und soziales Werk, sondern vor allem ein wesentlich im Evangelium begründetes Handeln. Denn Christus selbst lädt uns ein, es dem barmherzigen Samariter gleichzutun, der auf seinem Weg dem leidenden Nächsten begegnete, aber nicht an ihm vorbeiging. Im Gegenteil, er „hatte Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl auf seine Wunden und verband sie ... und sorgte für ihn“ (Lk 10,32-34). An vielen Stellen des Evangeliums wird beschrieben, wie Jesus mit Menschen zusammentrifft, die von verschiedenen Krankheiten heimgesucht werden. So berichtet uns Matthäus: „Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden. Und sein Ruf verbreitete sich in ganz Syrien. Man brachte Kranke mit den verschiedensten Gebrechen und Leiden zu ihm, Besessene, Mondsüchtige und Gelähmte, und er heilte sie alle“ {Mt 4,23-24). Auch der hl. Petras tat es Christus gleich und half einem Gelähmten, dem er an der Schönen Pforte des Tempels begegnete, dass er wieder gehen konnte (vgl. Apg 3,2-5); als bekannt wurde, was dort geschehen war, „trag man selbst die Kranken auf die Straßen hinaus und legte sie auf Betten und Bahren, damit, wenn Petrus vorüber kam, wenigstens sein Schatten auf einen von ihnen fiel“ (Apg 5,15-16). Seit ihren Anfängen ist die vom Heiligen Geist geleitete Kirche dem Beispiel Jesu auf diese Weise gefolgt; sie be- 198 REISEN trachtet es daher als ihre Pflicht und als Privileg, den Leidenden zur Seite zu stehen und den Kranken gegenüber eine besondere Zuneigung zu hegen. Und so sagte ich auch in dem Apostolischen Schreiben Salvifici doloris: „Die Kirche, die aus dem Geheimnis der Erlösung im Kreuz Christi geboren wird, muss die Begegnung mit dem Menschen vor allem auf dem Weg seines Leidens suchen. Bei dieser Begegnung wird der Mensch ,der Weg der Kirche1 und dieser Weg gehört zu ihren bedeutendsten Wegen“ (Nr. 3). 2. Der Mensch ist zur Freude und zum glückseligen Leben berufen, doch er erfährt täglich vielerlei Formen von Leiden, wobei die Krankheit der häufigste und üblichste Ausdruck des menschlichen Leidens ist. Angesichts dieser Tatsache kommt einem die spontane Frage: Warum leiden wir? Wozu leiden wir - liegt ein Sinn darin, dass die Menschen leiden? Kann die Erfahrung physischen und seelischen Schmerzes positiv sein? Zweifelsohne hat sich jeder von uns schon mehr als einmal diese Fragen gestellt, sei es im Augenblick des Leidens selbst, sei es bei der Genesung, sei es vor einem chirurgischen Eingriff oder aber, wenn wir einen geliebten Menschen leiden sehen. Für einen Christen sind dies keine Fragen ohne Antwort. Das Leiden ist ein Mysterium, welches der Vernunft oft unzugänglich bleibt. Es gehört zum Mysterium der menschlichen Person, welches allein in Jesus Christus Klärung erfahrt, denn Er erschließt dem Menschen seine Identität. Nur von Ihm her können wir den Sinn alles Menschlichen ergründen. Im Apostolischen Schreiben Salvifici doloris habe ich gesagt: „... das Leiden kann nicht mit Hilfe einer Gnade von außen, sondern nur von innen her verwandelt und verändert werden. ... Dieser innere Prozess vollzieht sich jedoch nicht immer auf die gleiche Weise. ... Christus antwortet nicht direkt, und er antwortet nicht in abstrakter Weise auf diese Frage des Menschen nach dem Sinn des Leidens. Der Mensch hört seine rettende Antwort erst, wenn er selbst mehr und mehr an den Leiden Christi teilnimmt. Die Antwort, die er durch diese Teilhabe auf dem Weg der inneren Begegnung mit dem Meister erhält, ist... eine Berufung. ... Folge mir! Komm! Nimm mit deinem Leiden teil an dem Werk der Erlösung der Welt, die durch mein Leiden vollbracht wird! Durch mein Kreuz!“ (Nr. 26). Daher können wir Christen angesichts des Rätsels des Leidens entschieden sagen: „Herr, dein Wille geschehen, und können mit Jesus wiederholen: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39). 3. Die Größe und Würde des Menschen bestehen darin, Kinder Gottes zu sein und dazu berufen, in inniger Gemeinschaft mit Christus zu leben. Diese Teilnahme an seinem Leben bringt aber auch die Teilnahme an seinem Leiden mit sich. Der Unschuldigste aller Menschen - der menschgewordene Gott - war der große Leidende; er hat die Last unserer Schuld und Sünden auf sich geladen. Als er seinen Jüngern ankündigt, dass der Menschensohn viel leiden muss, dass er gekreuzigt und am dritten Tage auferstehen wird, macht er zugleich deutlich, dass jemand, der sein Jünger sein will, sich selbst zu verleugnen und täglich sein Kreuz auf sich zu 199 REISEN nehmen hat, um ihm so nachzufolgen (vgl. Lk 9,22 ff.). Es besteht also ein inniger Zusammenhang zwischen dem Kreuz Jesu - Symbol äußersten Leidens und Preis unserer wahren Freiheit - und unseren Schmerzen und Leiden, Bedrängnissen, Nöten und Qualen, die auf unserer Seele lasten oder sich in unserem Körper nie-derschlagen können. Leiden wird umgewandelt und sublimiert, wenn man sich der Nähe und Solidarität Gottes in diesen Augenblicken bewusst ist. Diese Gewissheit ist es auch, die den inneren Frieden und die Freude im Geist bringt, die dem Menschen gehören, der hochherzig leidet und seinen Schmerz als „lebendiges und heiliges Opfer darbringt, „das Gott gefallt“ (Rom 12,1). Wer in diesem Sinne leidet, ist auch für die anderen keine Last, er trägt vielmehr mit seinem Leiden zum Heil von allen bei. Aus dieser Perspektive erhalten Schmerz, Krankheit und die dunklen Augenblicke des menschlichen Daseins eine tiefe, ja hoffnungserfullte Dimension. Angesichts des Mysteriums des Leidens sind wir niemals allein, sondern Christus ist stets mit uns. Er gibt dem ganzen Leben einen Sinn: in Leiden und Freuden, in Prüfungen und Not. Mit Christus hat alles Sinn, selbst Leiden und Tod. Ohne ihn kann nichts vollkommen erklärt werden, nicht einmal die berechtigten Freuden, die Gott mit den verschiedenen Augenblicken des menschlichen Lebens verbunden hat. 4. Die Befindlichkeit der Kranken in der Welt und in der Kirche ist in keiner Weise passiv. Diesbezüglich möchte ich an die Worte erinnern, welche die Synodenväter zum Abschluss der 7. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode (1987) verkündeten: „Wir verlassen uns auf Euch, um der Welt zu zeigen, was die Liebe ist. Wir werden unser Möglichstes tun, damit Ihr den Platz einnehmen könnt, der Euch in der Kirche und in der Gesellschaft zusteht“ (Per Concilii semitas ad Populum Dei Nuntius, 12). In meinem Apostolischen Schreiben Christifideles laici sagte ich: „Der Ruf des Herrn trifft alle und jeden einzelnen. Auch die Kranken sind als Arbeiter in seinen Weinberg gesandt. Die Last, die den Körper schwächt und die innere Ruhe nimmt, hindert sie nicht daran, im Weinberg zu arbeiten. Sie fordert sie auf, ihre menschliche und christliche Berufung zu leben und auf neue, noch wertvollere Weise am Wachstum des Reiches teilzunehmen. ... In ähnlicher Weise können viele Kranke (trotz, großer Bedrängnis) zu Trägem der Freude, die der Heilige Geist gibt“ (7 Thess 1,6), und zu Zeugen der Auferstehung Christi werden“ (Christifideles laici, Nr. 53). In diesem Sinne ist es angebracht, sich vor Augen zu halten, dass die, welche Leid zu tragen haben, nicht nur bemfen sind, ihre Leiden mit der Passion Christi zu vereinigen, sondern auch dazu, aktiv an der Verkündigung des Evangeliums teilzunehmen, indem sie durch ihre eigene Glaubenserfahrung die Kraft des neuen Lebens und die Freude bezeugen, die aus der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn entspringt (vgl. 2 Kor 4,10-11; 1 Petr 4,13; Rom 5,18 ff). Mit diesen Gedanken wollte ich bei jedem einzelnen von Euch jenes Empfinden wecken, wodurch er die augenblicklichen Prüfungen in einem übernatürlichen Sinn leben und ertragen kann und in ihnen die Gelegenheit wahrzunehmen weiß, Gott 200 REISEN inmitten von Finsternis und Fragen zu entdecken und den weiten Horizont zu erahnen, der sich vom Himmel her über unseren täglichen Kreuzen abzeichnet. 5. Mein Gruß gilt allen Kranken hier in Mexiko, von denen viele diesen Besuch über Radio oder Fernsehen mitverfolgen. Auch grüße ich ihre Familienangehörigen, Freunde und alle, die ihnen in dieser Stunde der Prüfung zur Seite stehen. Ich grüße die Ärzte und das Sanitätspersonal: die, welche durch den Beitrag ihrer Wissenschaft und ihrer Zuwendung Krankheit und Leiden zu heilen oder zumindest zu lindem suchen. Weiter grüße ich die Behörden, die sich um die Förderung der Krankenhäuser und weiteren Pflegeeinrichtungen der einzelnen Bundesstaaten und des ganzen Landes kümmern. Ein besonderer Gruß gilt den Ordensleuten, die ihr Charisma im Krankendienst leben, sowie den Priestern und pastoralen Mitarbeitern, die den Kranken helfen, im Glauben Trost und Hoffnung zu erfahren. Nicht unterlassen kann ich es, für die Gebete und Opfer zu danken, die viele von Euch für meine Person und meinen Dienst als Hirt der Weltkirche darbringen. Indem ich diese Botschaft Msgr. Jose Lizares Estrada, Weihbischof von Monterrey und Präsident der Bischofskommission für die Pastoral im Krankendienst, überreiche, erneuere ich meinen Gruß an Euch und die Versicherung meiner Liebe im Herrn. Auf die Fürsprache U. Lb. Frau von Guadalupe, die zum sei. Juan Diego sagte: „Bin nicht ich deine Gesundheit?“ und sich so als die erwies, die wir Christen unter dem Namen „Salus infirmorum“ anrufen, erteile ich allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Mexiko-City, 24. Januar 1999 Joannes Paulus PP. II Wertschätzung des Lehens hat in Mexiko Tradition Predigt bei der Eucharistiefeier im Autodrom „Hermanos Rodriguez“ von Mexiko-City am 24. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Seid ganz eines Sinnes und einer Meinung“ (7 Kor 1,10). An diesem Morgen animieren uns die Worte des Apostels Paulus, auf eindringliche Weise diese Begegnung im Glauben zu erleben, wie es diese Eucharistiefeier ist, am „durch die Auferstehung des Heim geehrten heiligen Sonntag, dem ersten aller Tage“ (Dies Domini, Nr. 19). Es erfüllt mich mit großer Freude, dieser Messfeier vorstehen zu können. In Gottes Plan ist der Sonntag der Tag, an dem sich die christliche Gemeinde um den Tisch des Gotteswortes und der Eucharistie versammelt. Bei dieser wichtigen Zusammenkunft sind wir vom Herrn berufen, die Gabe des Glaubens zu erneuern und zu vertiefen. Ja, Brüder und Schwestern, der Sonntag ist der Tag des Glaubens 201 REISEN und der Hoffnung, der Tag der Freude und der freudigen Antwort auf Christus, den Heiland, er ist der Tag der Heiligkeit! In dieser brüderlichen Versammlung erleben und feiern wir die Gegenwart des Meisters, der verheißen hat: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). 2. Für die freundlichen Worte, die Kardinal Norberto Rivera Carrera, der Primas von Mexiko, an mich gerichtet hat, möchte ich mich herzlich bedanken. Er hat mir dabei die Realität dieser geliebten kirchlichen Gemeinschaft vorgestellt. Ganz herzlich begrüße ich auch Kardinal Emesto Corripio Ahumada, den Alterzbischof von Mexiko-City, sowie die übrigen Kardinäle und Bischöfe Mexikos und aus anderen Teilen des amerikanischen Kontinents und aus Rom. Der Papst möchte sie bei der Ausübung ihres Amtes ermutigen und ruft sie dazu auf, keine Mühen zu scheuen und nicht zaghaft zu sein, wenn es um die Verkündigung des Evangeliums Christi geht. Auch begrüße ich die Priester und Ordensleute und spreche ihnen meine Hochachtung aus. Sie möchte ich ermutigen, sich durch ihre unverzichtbare Hingabe an Gott zu heiligen, durch ihren Dienst an der Kirche und an der Neuevangelisierung, indem sie stets den Richtlinien ihrer Oberhirten folgen. Darin äußert sich die große Kraftanstrengung, Christus den Menschen besser zu verkünden, besonders jenen Menschen, die weit entfernt sind. Hier denke ich auch besonders an die vielen Nonnen, die in Klausur leben und für die Kirche, den Papst, die Bischöfe und Priester, die Missionare und alle Gläubigen beten. Ein besonderer Gruß gilt den zahlreichen einheimischen Volksgruppen, die aus den verschiedenen Regionen Mexikos zu dieser Messfeier zusammengekommen sind. Der Papst fühlt sich euch allen sehr nahe und bewundert eure kulturellen Werte. Auch ermutigt er euch, hoffnungsvoll die schwierigen Situationen zu überwinden, die ihr gerade durchmacht. Ich lade euch auch dazu ein, alle Anstrengungen für eure eigene Entwicklung und euren Fortschritt zu unternehmen. Baut mit Verantwortungsbewusstsein eure Zukunft und die eurer Kinder auf! Daher bitte ich alle Gläubigen dieses Landes, sich bei der Hilfe und Fördemng der Bedürftigsten unter euch einzusetzen. Es ist erforderlich, dass alle und jeder einzelne in diesem Land wenigstens die für ein würdiges Leben notwendigsten Dinge haben. Alle Glieder der mexikanischen Gesellschaft sind gleich an Würde, denn sie sind Kinder Gottes, und daher gebührt ihnen jegliche Achtung. Sie haben das Recht, sich voll und ganz in Gerechtigkeit und Frieden selbst zu verwirklichen. Das Wort des Papstes ist aber auch an die Kranken gerichtet, die heute nicht hier bei uns sein konnten. Auch ihnen fühle ich mich sehr nahe, und ich möchte ihnen Trost zusprechen und den Frieden Christi überbringen. Auch bitte ich sie, dass sie auf dem Wege ihrer Genesung ihre Krankheit für die Kirche aufopfem in dem Bewusstsein des Heilswertes und der Evangelisierungskraft, die dem menschlichen Leid, wenn es mit der Passion unseres Herrn Jesus verbunden ist, innewohnt. In besonderer Weise spreche ich auch den zivilen Behörden meinen Dank für die Anwesenheit bei dieser Feier aus. Der Papst ermutigt sie, weiterhin mit Feingefühl 202 REISEN für das Wohl aller zu arbeiten, erfüllt von einem tiefen Gerechtigkeitssinn gemäß der Verantwortung, die ihnen übertragen worden ist. 3. In der ersten Lesung sagt der Prophet, indem er sich auf die messianischen Erwartungen Israels bezieht: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht“ (Jes 9,1). Dieses Licht ist Christus, das vor fast fünfhundert Jahren von den ersten aus Spanien kommenden Franziskanermissionaren hierher gebracht wurde. Heute sind wir Zeugen eines tief verwurzelten Glaubens und der überreichen Früchte, die das Opfer und die Selbstentsagung so vieler Missionare erbracht haben. Das II. Vatikanische Konzil sagt: „Christus ist das Licht der Völker“ {Lumen Gentium, Nr. 1). Möge dieses Licht die mexikanische Gesellschaft, ihre Familien, Schulen und Universitäten, ihre Dörfer und Städte erhellen. Mögen die Werte des Evangeliums die Regierenden inspirieren, ihren Mitbürgern zu dienen, wobei sie immer die Bedürftigsten vor Augen haben sollten. Der Glaube an Christus ist ein wesentlicher Bestandteil der mexikanischen Nation, denn er ist unauslöschlich in ihrer Geschichte eingeschrieben. Lasst nicht zu, dass dieses Licht des Glaubens erlischt! Mexiko braucht dieses Licht weiterhin, um eine gerechtere und brüderlichere Gesellschaft zu errichten, die sich denen gegenüber, die nichts haben und eine bessere Zukunft erwarten, solidarisch erweist. Die heutige Welt vergisst gelegentlich die transzendenten Werte der menschlichen Person: ihre Würde und Freiheit, ihr unverletzliches Recht auf Leben und das unschätzbare Geschenk der Familie innerhalb eines Klimas der Solidarität und des sozialen Zusammenlebens. Die zwischenmenschlichen Beziehungen gründen nicht immer auf den Prinzipien der Liebe und gegenseitigen Hilfe. Im Gegenteil, andere Kriterien sind meist dominierend, so dass dabei die harmonische Entwicklung und der ganzheitliche Fortschritt der einzelnen Person und der Völker in Gefahr geraten. Deshalb müssen die Christen wie die „Seele“ dieser Welt sein, das heißt, sie müssen sie mit Geist erfüllen, ihr Leben eingießen und bei der Errichtung einer neuen Gesellschaft Zusammenarbeiten, welche durch die Liebe und die Wahrheit geleitet wird.' Ihr, liebe Söhne und Töchter, wusstet selbst in den schwierigsten Momenten der Geschichte den Meister zu erkennen, der „Worte des ewigen Lebens“ hat (■Joh 6,68). Sorgt dafür, dass das Wort Christi auch jene erreicht, die es bisher noch nicht kennen! Habt den Mut, das Evangelium in den Straßen und auf den Plätzen, in den Tälern und auf den Bergen dieses Landes zu bezeugen! Fördert die Evangelisierung gemäß den Richtlinien der Kirche! 4. Im Antwortpsalm haben wir gesungen: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil“ (Ps 27,1). Wen sollen wir fürchten, wenn Er mit uns ist. Seid also mutig, und sucht den Herrn, so werdet ihr in ihm auch den Frieden finden. Die Christen sind dazu berufen, „das Licht der Welt“ {Mt 5,14) zu sein, und die gesamte Gesellschaft mit dem Zeugnis ihrer Werke zu erleuchten. Schlägt man fest entschlossen den Weg des Glaubens ein, so lässt man die Verführungen, die die Kirche, den mystischen Leib Christi, zerreißen, hinter sich, und 203 REISEN man schenkt jenen keine Aufmerksamkeit mehr, die der Wahrheit den Rücken zukehren und Trennung und Hass predigen (vgl. 2 Petr 2,1-2). Söhne und Töchter von Mexiko und ganz Amerika, sucht die Wahrheit des Lebens nicht in falschen und augenscheinlich neuen Ideologien! „Jesus ist die wahre Neuheit, die jede Erwartung der Menschheit übersteigt. Er wird es ... für immer bleiben“ (Incarnationis mysterium, Nr. 1). 5. In diesem Autodrom, das sich heute in ein großes Gotteshaus gewandelt hat, hallen die Worte kraftvoll wider, mit denen Jesus seine Predigttätigkeit begonnen hatte: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt 4,17). Seit ihren Anfängen hat die Kirche immer treu diese Botschaft der Umkehr weitergegeben, auf dass wir alle ein reineres Leben im Geist des Evangeliums fuhren können. Der Ruf zur Umkehr wird in diesem Moment der Vorbereitung auf das Große Jubiläum noch dringlicher. Dann werden wir nämlich des Mysteriums der Fleischwerdung des Sohnes Gottes vor zweitausend Jahren gedenken. Am Beginn dieses liturgischen Jahres sagte ich durch die Bulle Incarnationis mysterium, „Die Jubiläumszeit führt uns in jene kraftvolle Sprache ein, welche die göttliche Pädagogik des Heiles anwendet, um den Menschen zur Umkehr und Buße anzuhalten“ (Nr. 2). Daher ruft der Papst euch auf, eure Herzen zu Christus zu bekehren. Es ist notwendig, dass die ganze Kirche das neue Jahrtausend so beginnt, dass sie ihren Kindern hilft, sich von der Sünde und vom Übel zu reinigen, dass sie ihre Horizonte der Heiligkeit und Treue erweitert, um an der Gnade Christi teilzuhaben, der uns dazu berufen hat, Kinder des Lichtes zu sein und an der ewigen Herrlichkeit teilzuhaben (vgl. Kol 1,13). 6. „Folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischem machen“ (Mt 4,19). Diese Worte Jesu, die wir vernommen haben, wiederholen sich im Laufe der Geschichte in allen Winkeln der Erde. Wie der Meister, so richte auch ich dieselbe Einladung an alle, besonders an die Jugendlichen, Christus nachzufolgen. Liebe Jugendliche! Jesus berief eines Tages den Simon Petrus und den Andreas. Sie waren Fischer und verließen ihre Netze, um ihm nachzufolgen. Ganz sicher beruft Christus auch einige unter euch, ihm nachzufolgen und euch ganz dem Anliegen des Evangeliums hinzugeben. Habt keine Angst, diese Einladung vom Herrn anzunehmen! Lasst nicht zu, dass eure Netze euch daran hindern, Jesus auf seinem Weg zu folgen! Seid großzügig, und hört nicht auf, dem Meister zu antworten, der euch ruft. Folgt ihm, um wie die Apostel zu sein, nämlich Menschenfischer. Ebenso ermutige ich die Familienmütter und -väter, dass sie die ersten sein mögen, die den Samen für die Berufung in ihren Kindern keimen lassen, indem sie ihnen im eigenen Zuhause durch ihre Mühen und Opfer, ihre Hingabe und Verantwortung Beispiel der Liebe Christi sind. Liebe Eltern, bildet eure Kinder gemäß den Prinzipien des Evangeliums heran, damit sie im dritten Jahrtausend die Verkünder des Evangeliums sein können. Die Kirche braucht mehr Verkünder des Evangeliums. Ganz Amerika, wozu auch ihr gehört, trägt eine große Verantwortung im Hinblick auf die Zukunft. 204 REISEN Mexiko hat sehr lange durch viele Zeugen Christi die selbstlose und großzügige Evangelisierungstätigkeit erfahren. Denken wir nur an solch herausragende Persönlichkeiten wie Juan de Zumarraga und Vasco de Quiroga. Andere haben bis in den Tod hinein Zeugnis abgelegt, wie zum Beispiel die seliggesprochenen Märtyrerkinder von Tlaxcala, Cristöbal, Antonio und Juan, oder der sei. Miguel Pro und viele andere Priester, Ordensangehörige und Märtyrer aus dem Laienstand. Schließlich gab es auch Bekenner wie den sei. Bischof Rafael Guizar. 7. Am Schluss möchte ich meine Gedanken nach Tepeyac zu Unserer Lieben Frau von Guadalupe wenden. Sie ist der Stern der ersten und der neuen Evangelisierung Amerikas. Ihr vertraue ich die Kirche an, die sich in Mexiko und auf dem ganzen amerikanischen Kontinent auf der Pilgerschaft befindet, und ich bitte sie inständig, dass sie ihre Kinder im Glauben und der Hoffnung auf dem Weg ins Dritte Jahrtausend begleiten möge. Unter Ihren mütterlichen Schutz stelle ich die Jugendlichen dieses Landes sowie das Leben und die Unschuld der Kinder, besonders jener, die in Gefahr sind, nicht einmal geboren zu werden. Ihrem liebenden Schutz stelle ich die Sache des Lebens anheim: Kein Mexikaner möge es wagen, das wertvolle und geheiligte Geschenk des Lebens im Mutterschoß zu verletzen! Ihrer Fürsprache empfehle ich die Armen mit all ihren Bedürfnissen und Sehnsüchten. Vor ihr, der Jungfrau mit dem Antlitz einer Mestizin, lege ich die Sehnsüchte und Hoffnungen der einheimischen Volksgruppen mit ihrer eigenen Kultur nieder, die darauf hoffen, ihre berechtigten Bestrebungen und den ihnen zustehenden Fortschritt zu erreichen. Auch empfehle ich ihr die Afroamerikaner. In ihre Hände befehle ich schließlich die Arbeiter, Unternehmer sowie alle, die durch ihre Aktivitäten für den Fortschritt der heutigen Gesellschaft Zusammenarbeiten. Allerheiligste Jungfrau, lass uns, wie der sei. Juan Diego, auf dem Lebensweg, den wir eingeschlagen haben, dein Bild mit uns tragen, und lass uns die Frohe Botschaft von Christus allen Menschen verkünden. Diese Predigt verdient, hervorgehoben zu werden. Der Papst hat gepredigt und mit ihm die ganze Gemeinschaft mit ihren Gebeten. Hier, zu meiner linken Seite, ist eine Gruppe von Kindern, die in dieser Versammlung mit besonderer Kraft gepredigt hat. Mein Dank gilt allen. Ein erneutes Ja zu unserem Erlöser Jesus Christus/ Angelus in Mexiko-City am 24. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. In der soeben gefeierten heiligen Messe durfte ich mit euch allen, vereint in derselben Hoffnung auf seine Verheißungen, denselben Glauben und dieselbe Liebe zu Jesus Christus bekennen. Von ganzem Herzen danke ich euch, dass ihr in so 205 REISEN großer Zahl hierher gekommen seid, und ich lade euch erneut ein, euren christlichen Auftrag als Glieder der Kirche am Vorabend des Dritten Jahrtausends beharrlich zu leben. 2. Das postsynodale Schreiben Ecclesia in America, das gestern vorgestellt wurde, lädt euren geliebten Kontinent ein, erneut „Ja“ zu Jesus Christus zu sagen und seinen Auftrag, die Frohbotschaft allen Völkern zu verkünden, mit missionarischer Großzügigkeit anzunehmen und ihm Folge zu leisten (vgl. Mk 13,10). Die Früchte der Evangelisierung der vor einiger Zeit abgehaltenen Amerikasynode, den apostolischen Eifer eurer Ortskirchen sowie diesen Pastoralbesuch hier in Mexiko möchte ich wiederum unter den Schutz Marias stellen. 3. Morgen findet die Gebetswoche für die Einheit der Christen ihren Abschluss, deren diesjähriges Thema lautet: „Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein“ (Ofjb 21,36). Das ständige Ziel der Kirche ist es, die Einheit aller, die an Christus glauben, zu erreichen, und so bittet sie den Vater während der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 inständig, dass der Wunsch Christi, dass alle eins sein mögen (vgl. Joh 17,11), verwirklicht werde. Die volle Einheit zwischen den Christen, der wir zuversichtlich entgegengehen, ist ein Geschenk des Heiligen Geistes, um welches wir beharrlich bitten müssen. Mit Schmerz habe ich die Nachricht von dem barbarischen Mord an Sr. Maria Aloysius von den Missionarinnen der Nächstenliebe in Sierra Leone sowie die besorgniserregenden Informationen über große Gewaltakte gegen Werke der Kirche in der Republik Kongo Brazzaville erhalten. Kein Motiv kann so eine unmenschliche Erbitterung gegen Personen und Einrichtungen rechtfertigen, die seit Jahren das Wohl aller fördern. Bitten wir den Herrn, dass er allen die Empfindungen eingebe, die des nach dem Bild Gottes geschaffenen Menschen würdig sind. 4. Die Liebe zur Muttergottes, die für die amerikanische Religiosität so charakteristisch ist, hilft uns, das eigene Leben nach dem Geist und den Werten des Evangeliums auszurichten, um vor der Welt Zeugnis abzulegen. Unsere Liebe Frau von Guadalupe, die so eng mit dem Entstehen der Kirche in Amerika verbunden ist, war der leuchtende Stern, der die Ankunft von Christus, dem Erlöser, den Kindern dieser Völker erhellte und den ersten Verkündern des Evangeliums beistand. Sie, die in ihrem Schoße die „Frohbotschaft Gottes“ trug (Evangelii nuntiandi, Nr. 7), bitte ich, sie möge euch helfen, Zeugen Christi für eure Mitmenschen zu sein. Möge die allerseligste Jungfrau Maria Fürsprache für uns einlegen und uns, die wir die Aufgabe haben, unsere Mitmenschen zu ermutigen, unter ihren mütterlichen Schutz stellen. 206 REISEN Lebendiges Volk zwischen Tradition und Fortschritt Ansprache bei der Begegnung mit vier Generationen im Aztekenstadion in Mexiko-City am 25. Januar Teil I Liebe Brüder und Schwestern! 1. In Kürze gehen ein Jahrhundert und ein Jahrtausend zu Ende, die für die Kirchengeschichte sowie für die Menschheitsgeschichte transzendentale Bedeutung hatten. In dieser bedeutenden Stunde seid ihr dazu berufen, euch erneut der Tatsache bewusst zu werden, dass ihr Erben einer reichen humanen und religiösen Tradition seid. Es ist eure Aufgabe, den neuen Generationen dieses Erbe an Werten zu vermitteln, um so ihre Lebenskraft und ihre Hoffnung zu nähren, indem ihr ihnen den christlichen Glauben mitteilt, der ihre Vergangenheit geprägt hat und ihre Zukunft bestimmen muss. Vor nunmehr tausend Jahren, im Jahre 999 unserer Zeitrechnung, machte Quetzal-coatl, der König und Prophet der Tolteken, den Aufruhr derer zunichte, die einen gewalttätigen Gott anbeteten und sich als seine Repräsentanten verstanden, denn er widersetzte sich der Anwendung von Gewalt als Mittel zur Lösung zwischenmenschlicher Konflikte. Beim Herannahen seines Todes nahm er ein Kreuz in die Hände, welches für ihn und seine Jünger das Symbol des Zusammenspiels aller Ideen auf der Suche nach Harmonie bedeutete. Er hat sein Volk erhabene Dinge gelehrt: „Das Gute wird das Böse immer überwiegen.“ „Der Mensch ist die Mitte aller Schöpfung.“ „Die Waffen werden niemals das Wort begleiten, nur das Wort wird die Wolken des Unwetters vertreiben, um uns mit dem göttlichen Licht zu erfüllen“ (vgl. Raul Horta, EI Humanismo en el Nuevo Mundo, Kap. 11). Diese und andere Lehren Quetzalcoatls können wir als eine „Vorbereitung auf das Evangelium“ betrachten (vgl. Lumen Gentium, Nr. 16), welches viele eurer Vorfahren fünfhundert Jahre später empfangen durften. 2. Dieses Jahrtausend hat das Zusammentreffen zweier Welten erlebt und einen nie gekannten Weg in der Geschichte der Menschheit vorgezeichnet. Für euch ist es das Jahrtausend der Begegnung mit Christus, das Jahrtausend der Erscheinungen Unserer Lieben Frau von Guadalupe und von Tepeyac, das Jahrtausend der ersten Evangelisierung und der darauffolgenden Entstehung der Kirche in Amerika. Die letzten fünfhundert Jahre haben in der Identität und im Schicksal des Kontinents deutliche Spuren hinterlassen. Seit fünfhundert Jahren haben die autochtone Bevölkerung und die aus Europa eingewanderten Völker eine gemeinsame Geschichte, denen sich nach und nach die aus Asien und Afrika stammenden Volksgruppen anschlossen. Das charakteristische Phänomen des dunkelhäutigen Mischtyps zeigt klar, dass alle Rassen gleich an Würde und Recht auf eine eigene Kultur sind. In diesem komplexen und umfangreichen Entwicklungsprozess war Christus ununterbrochen gegenwärtig und hat die amerikanischen Völker auf ihrem Weg 207 REISEN begleitet. Er hat ihnen seine eigene Mutter, die Jungfrau Maria, als ihre Mutter zur Seite gestellt, die ihr ja so sehr liebt. 3. Das Motto, mit dem Mexiko zum vierten Mal den Papst empfangen hat, lautet: „Ein neues Jahrtausend beginnt. Wir bekräftigen erneut den Glauben.“ Das heißt, der neuen, herannahenden Epoche muss es gelingen, den Glauben an Jesus Christus in Amerika zu festigen. Dieser Glaube, täglich von vielen Gläubigen gelebt, wird die notwendigen Wege weisen und inspirieren, um die Mängel im sozialen Fortschritt der Gemeinschaften, besonders der Bauern und einheimischen Volksgruppen, zu überwinden, um die Korruption auszurotten, die so viele Institutionen und Bürger hemmt, um den Drogenhandel zu verbannen, der auf dem Mangel an Werten, auf dem Drang, leicht zu Geld zu kommen, und auf der jugendlichen Unerfahrenheit basiert, um der Anwendung von Gewalt ein Ende zu setzen, die in den verschiedenen sozialen Schichten verbreitet ist. Nur der Glaube an Christus setzt den Anfang einer dem Egoismus und dem Tod entgegengesetzten Kultur. Ihr Eltern und Großeltern, die ihr hier anwesend seid, eure Aufgabe ist es, den neuen Generationen die fundierten Grundlagen des Glaubens, eine christliche Lebenspraxis und gesunde Moralvorstellungen zu vermitteln, wobei ihr in der Lehre des letzten Konzils eine große Hilfe finden werdet. 4. Das II. Vatikanische Konzil war als eine auf dem Evangelium basierende Antwort auf die jüngste Weltentwicklung und den Neubeginn eines christlichen Frühlings (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 18) von der göttlichen Vorsehung für das Zwanzigste Jahrhundert gefügt. Dieses Jahrhundert hat zwei Weltkriege, die Schrecken der Konzentrationslager, Verfolgungen und Ermordungen miterlebt, aber es war auch Zeuge hoffnungsvoller Fortschritte für die Zukunft - wie die Entstehung der Vereinten Nationen und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Daher ist es für mich eine Freude, feststellen zu können, dass die Orientierung, die das Konzil gegeben hat, einen nützlichen Beitrag zum Wohl aller darstellt. Zu nennen ist an dieser Stelle u. a. der tiefe Sinn für Gemeinschaft und Brüderlichkeit unter den amerikanischen Bischöfen in enger Gemeinschaft mit dem Papst, die auf der Synode, die ich gestern feierlich beendet habe, zum Ausdruck gebracht wurde. Weiter wären zu nennen die wachsende Teilnahme der Laien beim Aufbau der Kirche, die Entstehung von Bewegungen zur Förderung der Heiligkeit des Lebens und des Apostolates der Mitglieder, die Zunahme der Priester- und Ordensberufungen, die vielerorts festgestellt werden kann, unter anderem auch in Mexiko. Es sind hier vier Generationen anwesend, und ich frage sie: Ist es wahr, dass die Welt, in der wir leben, gleichzeitig groß und brüchig ist, dass sie großartig, aber mitunter auch desorientiert ist? Leben wir in mancherlei Hinsicht zwar in einer fortschrittlichen Welt, die jedoch in vielerlei Hinsicht rückständig geblieben ist? Und dennoch braucht diese Welt - unsere Welt - Christus, den Herrn der Geschichte, der das Mysterium des Menschen erleuchtet und der den Menschen durch 208 REISEN sein Evangelium leitet auf der Suche nach Lösungen für die Hauptprobleme unserer Zelt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 10). Weil einige Mächtige Christus den Rücken zugekehrt haben, muss dieses ausgehende Jahrhundert machtlos dem Hungertod von Millionen von Menschen Zusehen, auch wenn paradoxerweise die landwirtschaftliche und industrielle Produktion ein Wachstum verzeichnet. Dieses Jahrhundert hat es aufgegeben, die moralischen Werte zu fordern, die fortschreitend durch Phänomene wie Drogen, Korruption, ungezügelter Konsumismus und ein weitverbreiteter Hedonismus zerstört wurden. Dieses Jahrhundert sieht machtlos dem wachsenden Zwiespalt zwischen den armen, verschuldeten und den starken, wohlhabenden Ländern zu, es ignoriert weiterhin die ihm innewohnende Perversion und die schrecklichen Folgen der „Kultur des Todes“. Es fordert zwar den Umweltschutz, ignoriert jedoch, dass die tiefen Wurzeln eines jeden Anschlags auf die Natur in der moralischen Desorientierung und der Minderachtung des Menschen den Menschen gegenüber liegen. 5. Amerika, Land Christi und Mariens! Du hast eine wichtige Rolle beim Aufbau der neuen Welt, welche das II. Vatikanische Konzil fordern wollte! Du musst dich dafür einsetzen, dass die Wahrheit viele Formen der Lüge überwältigt, das Gute über das Böse siegt, die Gerechtigkeit über die Ungerechtigkeit, die Aufrichtigkeit über die Korruption. Nimm ohne Vorbehalt die Auffassung des Konzils vom Menschen an, der von Gott geschaffen und von Jesus Christus erlöst ist. So wirst du zur vollen Wahrheit der moralischen Werte gelangen, die dem vergänglichen Glanz zeitgebundener misslicher und subjektiver Sicher heilen entgegenstehen. Wir alle bilden die Kirche - die Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien wir fühlen uns verpflichtet, die Heilsbotschaft Christi zu verkünden. Wir folgen seinem Beispiel und wollen daher niemandem seine Botschaft aufzwingen, sondern sie in völliger Freiheit anbieten, eingedenk, dass nur er Worte ewigen Lebens hat, und im Vertrauen auf die Kraft und das Wirken des Heiligen Geistes im tiefsten Innern des menschlichen Herzens. Möget ihr Katholiken aller Generationen des Zwanzigsten Jahrhunderts die große Hoffnung der Kirche weitertragen und überall da bezeugen, wo Gott euch gleichsam als Saat des Glaubens, der Hoffnung und der grenzenlosen Liebe für alle Menschen gestellt hat. Teil II 6. Nächstes Jahr feiern wir den zweitausendsten Jahrestag, seit „das Wort ... Fleisch geworden [ist) und ... unter uns gewohnt [hat]“ (Joh 1,14). Der menschgewordene Sohn Gottes hat alle gelehrt, wahre Männer und Frauen zu sein, denn er hatte Mitleid mit der Menge, die er wie Schafe ohne Hirten vorfand, und so gab er sein Leben für unsere Erlösung. Seine Gegenwart und sein Wirken werden auf dieser Erde durch die Kirche, seinen mystischen Leib, fortgesetzt. Daher ist jeder Christ dazu berufen, Christus zu verkünden, zu bezeugen und ihn überall in den verschiedenen Kulturen und Epochen der Geschichte zu vergegenwärtigen. 209 REISEN 7. Die Evangelisierung ist die oberste Pflicht, Sendung und eigentliche Berufung der Kirche (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 14). Sie entsteht aus dem Glauben an den Logos, welcher das wahre Licht ist, das jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt gekommen ist (vgl. Joh 1,9). Allen, die sich heute mit dem Papst direkt oder über Radio und Bildschirm hier versammelt haben, sage ich: Fühlt euch dafür verantwortlich, dieses Licht, das ihr empfangen habt, zu verbreiten! In Kürze werden ein Jahrhundert und ein Jahrtausend zu Ende gehen, in denen man trotz aller Konflikte den Wert der menschlichen Person über alle sozialen politischen und wirtschaftlichen Strukturen gestellt hat. Auch diesbezüglich birgt die Neuevangelisierung die Antwort der Kirche auf diese wichtige Veränderung der historischen Perspektive. Jeder von euch muss durch seine ihm eigene Lebensweise und als Christ in ganz Amerika und in der Welt bezeugen, dass Christus der wahre Förderer der Menschenwürde und der menschlichen Freiheit ist. 8. Wir als Jünger Christi wollen, dass im kommenden Jahrhundert Einheit und nicht Trennung, Brüderlichkeit und nicht Feindseligkeiten, Friede und nicht Krieg vorherrsche. Das ist auch ein wesentliches Ziel der Neuevangelisierung. Ihr sollt als Kinder der Kirche euch dafür einsetzen, dass die kommende Weltgesellschaft weder geistig verarmt sei noch die Irrtümer des ausgehenden Jahrhunderts übernehme. Daher ist es notwendig, Ja zu Gott Zusagen und sich mit ihm einzusetzen bei der Errichtung einer neuen Gesellschaft, in der die Familie ein Lebensraum der Großherzigkeit und der Liebe ist, in der ein ernsthafter Dialog zwischen Vernunft und Glauben besteht, in der die Freiheit ein durch Solidarität und Anteilnahme geprägtes Zusammenleben fördert. In der Tat kann jemand, der das Evangelium zum Leiter und zur Norm des Leben übernimmt, nicht in einer passiven Haltung verharren, sondern er muss das Licht Christi auch mit persönlichem Opfer teilen und verbreiten. 9. Die Neuevangelisierung wird der Samen der Hoffnung für das neue Jahrtausend sein, wenn ihr, Katholiken von heute, die Mühe aufwendet, das wertvolle Erbe der menschlichen und christlichen Werte, das eurem Leben einen Sinn verliehen hat, auch an die kommenden Generationen weiterzugeben. Ihr alle, Männer und Frauen, habt im Laufe eures Lebens viele wertvolle Lebenserfahrungen gesammelt und seid nun dazu berufen, dafür zu sorgen, dass auch die neuen Generationen während ihrer intellektuellen und kulturellen Ausbildung eine solide christliche Erziehung erhalten, um so zu vermeiden, dass der auf sie eindringende Fortschritt sie von der Erfahrung des Transzendenten ausklammert. Seid also stets unermüdliche Förderer des Dialogs und der Eintracht angesichts der Vorherrschaft der Macht über das Recht und angesichts der Gleichgültigkeit gegenüber Hungersnot und Krankheit, die große Massen der Bevölkerung heimsuchen. 10. Ihr Jugendlichen, die ihr voller Hoffnung in die Zukunft blickt, seid eurerseits dazu berufen, die Gestalter der Geschichte und der Neuevangelisierung in der Gegenwart wie auch in der Zukunft zu sein. Ein Beweis dafür, dass ihr nicht umsonst 210 REISEN dieses christliche und menschliche Vermächtnis anvertraut bekommen habt, wird das Streben nach Heiligkeit sein, und zwar sowohl innerhalb der Familien; die viele von euch in einigen Jahren gründen werden, als auch durch die Hingabe an Gott im Priestertum oder geweihten Leben, wenn ihr dazu berufen seid. Das II. Vatikanische Konzil hat uns daran erinnert, dass alle Getauften und nicht nur einige Privilegierte dazu berufen sind, durch ihr Dasein das Leben Christi gegenwärtig werden zu lassen, eines Sinnes mit ihm zu sein und ganz auf den Willen des Vaters zu vertrauen, indem sie sich ohne Vorbehalt, erleuchtet vom Heiligen Geist, in großzügiger Weise und erfüllt von unermüdlicher Liebe für die Brüder und Schwestern, besonders für jene, denen das Glück am meisten versagt blieb, seinem Heilsplan hingeben. Das Ideal, das ihnen Christus vorlebt und das er sie lehrt, ist gewiss sehr hoch, aber es ist auch das einzige, welches das Leben voll und ganz mit Sinn erfüllt. Traut daher nicht den falschen Propheten, die andere, mitunter bequemere, aber stets trügerische Ziele vorweisen. Gebt euch nicht mit weniger zufrieden! 11. Die Christen des Einundzwanzigsten Jahrhunderts besitzen aber auch in den kirchlichen Gemeinschaften der ersten Jahrhunderte eine unversiegbare Quelle der Inspiration. Alle, die mit Jesus zusammengelebt oder direkt das Zeugnis der Apostel vernommen haben, fühlten, dass ihr Leben verwandelt und von neuem Licht erfüllt war. Aber sie mussten ihr Leben in einer gleichgültigen, ja bisweilen feindseligen Welt leben. Die Tatsache, die Welt mit der Wahrheit des Evangeliums zu durchdringen, mit vielen Überzeugungen und Gewohnheiten zu brechen, welche die Menschenwürde verleugneten, bedeutete große Opfer, solide Beharrlichkeit und große Kreativität. Nur durch den unerschütterlichen Glauben an Christus, der stets durch das Gebet, das Hören des Wortes und die häufige Teilnahme an der Eucharistie genährt wurde, konnten die ersten christlichen Generationen jene Schwierigkeiten überwinden und schafften es, die Geschichte der Menschheit mit der Neuigkeit des Evangeliums zu befruchten, wofür sie oft ihr eigenes Blut vergossen haben. In der neuen aufkommenden Ära der Informatik und der mächtigen Kommunikationsmittel, einer Ära, die immer mehr einer Globalisierung entgegenstrebt, in welcher der Austausch wirtschaftlicher und sozialer Beziehungen immer flüssiger wird, steht ihr, liebe Jugendliche, jener Herausforderung gegenüber, Verstand und Herz der Menschheit für die Neuigkeit von Christus und die Dankbarkeit Gott gegenüber zu öffnen. Nur auf diese Weise entfernen wir uns von dem Risiko einer Welt und einer Geschichte ohne Seele, die von ihren technischen Errungenschaften zwar eingenommen ist, aber der Hoffnung und der tieferen Sinngebung entbehrt. 12. Ihr Jugendlichen von Mexiko und Amerika müsst dafür sorgen, dass die Welt, die euch eines Tages anvertraut wird, auf Gott hin ausgerichtet sein wird und dass die politischen oder wissenschaftlichen, die finanziellen oder kulturellen Institutionen im wahren Dienst am Menschen stehen, ohne zwischen Rassen und sozialen Klassen zu unterscheiden. Die Gesellschaft von morgen muss durch euch und durch die Fröhlichkeit, die von eurem wirklich gelebten christlichen Glauben aus- 211 REISEN geht, wissen, dass des Menschen Herz nur in Gott Frieden und volle Glückseligkeit findet. Als gute Christen müsst ihr auch vorbildliche Bürger sein, fähig, gemeinsam mit den Menschen guten Willens für die Veränderung von Völkern und Regionen zu arbeiten mit der Kraft der Wahrheit Jesu und der Hoffnung, die vor den Schwierigkeiten nicht nachlässt. Versucht den Rat des hl. Paulus in die Tat umzusetzen: „Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute“ (Rom 12,21). 13. Zur Erinnerung und als Unterpfand lasse ich euch die Abschiedsworte Jesu zurück, welche die Zukunft erleuchten und unsere Hoffnung stärken: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Im Namen des Herrn, geht nun also, und verkündet mit Entschiedenheit das Evangelium in eurer Umgebung, damit diese menschlicher, brüderlicher und solidarischer werde, damit sie der Natur, die uns anvertraut wurde, mehr Respekt entgegenbringe. Überbringt allen Völkern des Kontinentes den Glauben und die Lebensideale, nicht durch nutzlose Konfrontationen, sondern durch das Zeugnis des eigenen Lebens. Macht deutlich, dass Christus Worte ewigen Lebens hat, fähig, die Menschen von gestern, von heute und von morgen zu retten. Offenbart euren Brüdern und Schwestern das göttliche und menschliche Antlitz Jesu Christi, der das Alpha und das Omega, Anfang und Ende, der Erste und der Letzte der ganzen Schöpfung und der ganzen Geschichte ist, auch der Geschichte, die ihr mit eurem Leben gerade schreibt. Offensein für die Zukunft in der Berufung für Amerika und für die Welt Grußworte beim Abschied in Mexiko am 26. Januar Herr Präsident, meine Herren Kardinäle, Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern in Mexiko! 1. Die intensiven und bewegenden Tage mit dem Gottesvolk, das sich hier in Mexiko auf Pilgerschaft befindet, haben in mir tiefe Eindrücke zurückgelassen. Unvergesslich wird mir die Erinnerung an so viele Gesichter bleiben, die ich während dieser Tage gesehen habe. Allen danke ich aufrichtig für die herzliche Gastfreundschaft, die ein echter Ausdruck der mexikanischen Seele ist. Vor allem aber danke ich für das Erlebnis der intensiven Augenblicke des Gebets und der Besinnung bei den Messfeiem in der Basilika von Guadalupe und auf der Autorennbahn „Hermanos Rodriguez“ sowie für den Besuch im Krankenhaus „Licenciado Adolo 212 REISEN Lopez Mateosa“ und die denkwürdige Begegnung mit vier Generationen im Aztekenstadion. 2. Für alle, die bei der Verwirklichung dieses Pastoralbesuchs mitgearbeitet haben, bitte ich Gott um seinen Segen und Lohn. Ihnen, Herr Präsident, gilt mein Dank tur Ihre freundlichen Worte bei meiner Ankunft, für den Empfang in der Residenz des Präsidenten, für alle Aufmerksamkeiten meiner Person gegenüber und für die von den Behörden geleistete Zusammenarbeit. Mein Dank geht ferner an Notberto Kardinal Rivera Carrera, Erzbischof-Primas von Mexiko, und an die anderen mexikanischen so wie aus dem ganzen Kontinent hierher gekommenen Kardinäle und Bischöfe, die mitgeholfen haben, diesen Besuch zu einem tiefgreifenden Erlebnis werden zu lassen. Dankerfüllt richte ich mein Gebet zum Himmel um reichen Segen für dieses Volk, das bei so vielen Gelegenheiten seine Treue zu Gott, der Kirche und dem Nachfolger Petri erwiesen hat. So erhebe ich nun hier meine Stimme zum Himmel: Gott segne dich, Mexiko, für die Beispiele der Menschlichkeit und des Glaubens deiner Menschen, für deine Anstrengungen zum Schutz der Familie und des Lebens! Gott segne dich, Mexiko, für die Treue und Liebe deiner Kinder zur Kirche. Die Männer und Frauen, die das reiche Mosaik deiner verschiedenen, fruchtbaren Kulturen bilden, finden in Christus die Kraft, um alte und neue Gegnerschaften zu überwinden und sich als Kinder desselben Vaters zu fühlen. Gott segne dich, Mexiko, zu dir gehören so viele indianische Völker, deren Fortschritt und Achtung du fordern willst. Sie bewahren reiche menschliche und religiöse Werte und wollen gemeinsam eine bessere Zukunft aufbauen. Gott segne dich, Mexiko, das du dich mühst, für immer die Kämpfe zu bannen, die deine Kinder entzweiten. Dies geschieht durch fruchtbaren, konstruktiven Dialog -einen Dialog, der niemanden ausschliefst, sondern vielmehr alle deine Bewohner vereint: die ihrem Glauben an Christus treu Gebliebenen und die, die sich von Christus entfernt haben. Nur ein brüderlicher Dialog, an dem alle beteiligt sind, wird die Vorhaben künftiger Reformen zum Tragen bringen, das ersehnte Ziel der Bürger guten Willens, die allen religiösen Überzeugungen und den verschiedenen Bereichen der Politik und der Kultur angehören. Gott segne dich, Mexiko, das du weiterhin deine Kinder in die Fremde schickst auf der Suche nach Brot und Arbeit. Auch sie haben zur Ausbreitung des katholischen Glaubens in ihrer neuen Umgebung beigetragen und zum Aufbau eines Amerikas, das — wie die Bischöfe an der Synode zeigten - solidarisch und brüderlich sein will. Gott segne dich, Mexiko, für die Religionsfreiheit, die du denen zuerkennst, die Ihn innerhalb deiner Grenzen verehren. Diese Freiheit, Garantie der Stabilität, gibt den anderen Freiheiten und Grundrechten ihren vollen Sinn. Gott segne dich, Mexiko, für die Kirche, die auf deinem Boden anwesend ist. Die Bischöfe zusammen mit den Priestern, Ordensleuten und Laien stehen im Einsatz 213 REISEN für die Neuevangelisierung; Christus und seinem Evangelium treu, verkünden sie in diesem Land seit fast fünf Jahrhunderten das Reich Gottes. 3. Mexiko ist ein großes Land, dessen Wurzeln auf eine an seinem christlichen Glauben reiche Vergangenheit zurückgehen, offen für die Zukunft in seiner deutlichen Berufung für Amerika und für die ganze Welt. Als ich die Straßen des Bundesdistrikts durchschritt und dabei die Staaten, welche die Gesamtheit der Nation bilden, im Herzen hatte, konnte ich erneut das Pulsen dieses edlen Volkes verspüren, das mich bei meiner ersten Apostolischen Reise aus Rom zu Beginn meines Petrusamtes so herzlich empfangen hatte, ln dieser Gastfreundschaft sehe ich den Widerschein einer Realität, die im Leben Mexikos immer mehr Fuß fasst: Ich meine ein neues Klima in achtungsvollen, soliden und konstruktiven Beziehungen zwischen dem Staat und der Kirche, die Vergangenheit überwindend, die mit ihren Licht und Schattenseiten bereits der Geschichte angehört. Dieses neue Klima wird die Zusammenarbeit zugunsten des mexikanischen Volkes immer mehr fordern. 4. Am Ende dieses Pastoralbesuches möchte ich abermals mein vollstes Vertrauen in die Zukunft dieses Volkes zum Ausdruck bringen. Eine Zukunft, in der ein immer mehr vom Evangelium durchdrungenes und immer christlicheres Mexiko ein tonangebendes Land in Amerika und der Welt sein wird; ein Land, wo die Demokratie, von Tag zu Tag tiefer verwurzelt und solider, transparenter und wirksamer, ebenso wie das friedliche und frohe Zusammenleben seiner Menschen immer Wirklichkeit sein wird unter dem liebevollen Blick seiner Königin und Mutter, U. Lb. Frau von Guadalupe. Ihr gilt mein letzter Blick und mein letzter Gruß, bevor ich zum vierten Mal dieses gesegnete mexikanische Land verlasse. Ihr vertraue ich alle und jedes ihrer mexikanischen Kinder an, deren Erinnerung ich im Herzen mit mir trage. U. Lb. Frau von Guadalupe, wache über Mexiko, wache über den ganzen geliebten amerikanischen Kontinent! Das Leben wählen - Absage an jede Form von Gewalt Grußwort bei der Ankunft in Saint Louis am 26. Januar Herr Präsident, liebe Bürger von Saint Louis, liebe Bürger der Vereinigten Staaten! 1. Es ist für mich eine große Freude, in die Vereinigten Staaten zurückzukehren und wiederum eure herzliche Gastfreundschaft zu erfahren. Wie ihr wisst, war ich in Mexiko, um den Abschluss der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika zu feiern. Zweck dieser wichtigen Versammlung war es, die Kirche auf ihren Eintritt in das dritte Jahrtausend vorzubereiten und einen 214 REISEN neuen Sinn für Solidarität unter den Völkern des Kontinents zu fördern. Es freut mich, dass ich diese Botschaft jetzt nach „Mid-America“, an die Ufer des Mississippi bringen kann in die geschichtsträchtige Stadt Saint Louis, das Tor zum Westen. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, dass Sie so freundlich waren, mich bei meiner Ankunft zu empfangen. Mein Gruß gilt dem Gouverneur und der Regierung des Staates Missouri, dem Bürgermeister von Saint Louis und den weiteren Verantwortlichen der Stadt und der umliegenden Gebiete. Viele Menschen haben bei der Vorbereitung dieses Besuchs großherzig mitgearbeitet, ihnen allen sei Dank gesagt. 2. Als Hirt der Universalkirche freut es mich besonders, die katholische Gemeinschaft der Erzdiözese Saint Louis mit ihrem reichen geistlichen Erbe und ihren dynamischen Traditionen im Dienst an den Notleidenden begrüßen zu können. Ein besonderes Wort der Anerkennung richte ich an Erzbischof Justin Rigali, der mir seit meiner Wahl zum Papst vor zwanzig Jahren nahe steht. Ich freue mich auf die Treffen mit den Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Laien dieser Ortskirche, die einen so starken Einfluss auf die Geschichte des „Midwest“ gehabt hat. Mit tiefem Dank grüße ich die Kardinale und Bischöfe. Ihre Anwesenheit gibt mir die Gelegenheit, der ganzen Provinz Saint Louis, dieser Kirchenregion und allen Diözesen dieses Landes meine guten Wünsche auszusprechen. Obwohl ich dieses Mal nur Saint Louis besuchen kann, fühle ich mich allen Katholiken der Vereinigten Staaten nahe. Die Christen anderer Konfessionen, die israelitische Gemeinschaft in Amerika und unsere muslimischen Brüder und Schwestern versichere ich meiner Freundschaft und Wertschätzung. Ich spreche ferner den Anhängern aller Religionen und jedem Menschen guten Willens meine aufrichtige Hochachtung aus. 3. In der Geschichtsschreibung ist der Name von Saint Louis auf immer und ewig mit dem ersten Atlantik-Überflug verbunden und mit der gewaltigen menschlichen Anstrengung und Wagnisbereitschaft, die sich mit dem Namen „Spirit of Saint Louisa (Geist von Saint Louis) verbanden. (Es war der Name des Flugzeugs, mit dem Charles Lindbergh am 20./21.5.1927 im Alleinflug als erster den Atlantischen Ozean von New York nach Paris überquerte.) Ihr trefft Vorbereitungen für den 200. Jahrestag des „Louisiana Purchase“ (der Kauf dieses Gebietes durch die Amerikaner um 15 Millionen Dollar von den Franzosen), den Präsident Thomas Jefferson 1804 zustande brachte. Dieser Gedenktag fordert die ganze Gemeinschaft zu religiöser und ziviler Erneuerung heraus. Er ist auch ein Anlass, den „Geist von Saint Louis“ zu bestätigen und die ursprünglichen Wahrheiten und Werte der amerikanischen Erfahrung zu bekräftigen. In der Geschichte jedes Landes gibt es Augenblicke der Prüfung, sozusagen ein Test für die ganze Nation. Auch Amerika war dagegen nicht immun. Ein solcher Augenblick der Prüfung ist eng mit der Stadt Saint Louis verbunden. Hier fand der berühmte Prozess gegen Dred Scott statt; dabei erklärte der Oberste Gerichtshof 215 REISEN der Vereinigten Staaten eine ganze Gruppe von Menschen - nämlich die afrikanischer Abstammung — zu Ausgeschlossenen aus der nationalen Gemeinschaft und vom Schutz der Verfassung. Nach unsäglichen Leiden und dank gewaltiger Anstrengungen ist diese Situation heute zumindest teilweise rückgängig gemacht. Heute sieht sich Amerika wieder mit einem solchen Augenblick der Prüfung konfrontiert. Diesmal besteht der Konflikt zwischen einer Kultur, die das Geschenk des Lebens bejaht, liebt und feiert, und einer Kultur, die ganze Gruppen von Menschen - Ungeborene, Kranke im Endstadium, Behinderte und andere als „unnütz“ Betrachtete - vom Schutz des Gesetzes ausgeschlossen erklären will. Wegen des Ernstes der damit zusammenhängenden Fragen und wegen des großen Einflusses Amerikas auf die Welt in ihrer Gesamtheit wird das Ergebnis dieser neuen Prüfungszeit tiefe Folgen für das Jahrhundert haben, dessen Schwelle wir demnächst überschreiten. Ich bete inständig dafür, dass durch Gottes Gnade, die am Werk ist im Leben der Amerikaner aller Rassen, ethnischen Gruppen, finanziellen Verhältnisse und Glaubensüberzeugungen, Amerika der Kultur des Todes Widerstand zu leisten vermag und sich entschließt, unerschütterlich auf der Seite des Lebens zu stehen. Das Leben wählen bedeutet - wie ich in meiner diesjährigen Botschaft zum Weltfriedenstag schrieb - eine Absage an jede Form von Gewalt: die der Armut und des Hungers, von denen so viele Menschen betroffen sind; die der bewaffneten Konflikte, die Spaltungen und Spannungen nicht überwinden, sondern nur noch verschärfen; die von besonders verabscheuungswürdigen Waffen wie Anti-Perso-nen-Minen; die des Drogenhandels; die des Rassismus; und die unbedachter Schädigung der Umwelt (vgl. Nr. 4). Nur eine höhere sittliche Einstellung kann zu einer Entscheidung zugunsten des Lebens motivieren. Die Werte, die dieser Einstellung zugrunde liegen, werden weitgehend davon abhängen, ob die Nation auch in Zukunft die Familie als Grundeinheit der Gesellschaft ehren und achten wird: die Familie, Lehrmeisterin der Liebe, des Dienens, des Verstehens und der Vergebung; die Familie, den Bedürfnissen der anderen großherzig aufgeschlossen; die Familie, die große Quelle menschlichen Glücks. 4. Herr Präsident, liebe Fremde! Gerne ergreife ich diese neuerliche Gelegenheit, um dem amerikanischen Volk für die zahllosen Werke menschlicher Güte und Solidarität zu danken, die von Anfang an ein wichtiger Teil der Geschichte dieses Landes gewesen sind. Ich weiß auch, dass ihr meine Bitte hören und eure Herzen weit öffnen werdet für die wachsende Not und dringenden Bedürfnisse unserer weniger begünstigten Brüder und Schwestern überall auf der Welt. Ja, auch der Geist des Mitleids, der Fürsorge und des großherzigen Teilens soll zum „Geist von Saint Louisa“ gehören. Mehr noch, er soll der erneuerte Geist dieser „einen Nation unter Gott mit Freiheit und Gerechtigkeit für alle“ sein. Gott segne euch alle! Gott segne Amerika! 216 REISEN Freiheit - Beziehungen zwischen Gott und untereinander verantwortlich leben Ansprache an die Jugendlichen im Kiel Center in Saint Louis am 26. Januar Liebe Jugendlichen von Saint Louis, liebe Jugendlichen der Vereinigten Staaten! Gelobt sei Jesus Christus! 1. Eure herzliche und enthusiastische Aufnahme macht mich sehr glücklich. Sie sagt mir, dass der Papst heute Abend euch gehört. Ich komme gerade aus Mexiko City, wo wir den Abschluss der Bischofssynode für Amerika begangen haben. Dort hatte ich die Freude, mit vielen tausend Jugendlichen zusammen zu sein. Nun setzt sich meine Freude hier bei euch fort; gestern also die jungen Leute von Mexiko, heute die Jugendlichen von Saint Louis, aus dem Staat Missouri und aus den ganzen Vereinigten Staaten. 2. Wir haben uns heute Abend hier versammelt, um Jesus zuzuhören, der durch sein Wort und in der Kraft des Heiligen Geistes zu uns spricht. Wir haben eben gehört, wie der Apostel Paulus zu Timotheus, seinem jungen „Kollegen“ in der Evangelisierung, sagt: „Übe dich in der Frömmigkeit“ (7 Tim 4,7). Diese Worte sind für jeden Christen wichtig, für jeden Menschen, der wirklich danach strebt dem Herrn nachzufolgen und seine Worte in die Tat umzusetzen. Sie sind besonders wichtig für euch, die Jugendlichen der Kirche. Deshalb müsst ihr euch fragen: Worin übe ich mich, um ein wahrhaft christliches Leben zu leben? Ihr alle wisst, was „Training“ ist und was es bedeutet. Wir befinden uns hier im Kiel Center, wo viele Leute lange und hart trainieren, um an Wettkämpfen in verschiedenen Sportarten teilnehmen zu können. Heute ist dieses eindrucksvolle Stadion zu einer anderen Art von Trainingsgelände geworden - nicht für Hockey oder Fußball oder Baseball oder Basketball, sondern für das Training, das euch helfen wird, euren Glauben an Jesus mit größerer Entschlossenheit zu leben. Das ist die „Übung in der Frömmigkeit“, die der hl. Paulus meint - die Übung, die es euch ermöglicht, euch dem Herrn und der Arbeit, zu der er euch aufruft, vorbehaltlos zu widmen! 3. Man hat mir erzählt, dass die letzte Baseballsaison in Saint Louis sehr spannend gewesen ist, weil zwei bedeutende Spieler (Mark McGwire und Sammy Sosa) versucht haben, den home-run Rekord zu brechen. Ihr könnt denselben großen Enthusiasmus empfinden, wenn ihr für ein anderes Ziel trainiert: das Ziel der Nachfolge Christi, das Ziel, der Welt seine Botschaft zu bringen. Jeder von euch gehört Christus, und Christus gehört euch. Bei der Taufe seid ihr mit dem Kreuzzeichen für Christus in Anspruch genommen worden; ihr habt den katholischen Glauben erhalten als einen Schatz, den es mit anderen zu teilen gilt. 217 REISEN In der Firmung seid ihr mit den Gaben des Heiligen Geistes besiegelt und für eure christliche Sendung und Berufung gestärkt worden. In der Eucharistie erhaltet ihr die Nahrung, die euch für die täglichen geistigen Herausforderungen Kraft gibt. Ich freue mich besonders darüber, dass so viele von euch heute Gelegenheit hatten, das Sakrament der Buße, das Sakrament der Versöhnung, zu empfangen. In diesem Sakrament erfahrt ihr die fürsorgliche Gnade und Liebe des Erlösers auf ganz persönliche Weise, wenn ihr nämlich von der Sünde und ihrem hässlichen Begleiter, der Scham, befreit werdet. Eure Lasten werden von euch genommen, und ihr erlebt die Freude neuen Lebens in Christus. Eure Zugehörigkeit zur Kirche kann keinen besseren Ausdruck, keine bessere Unterstützung finden als die allwöchentliche Teilnahme an der Sonntagsmesse in euren Gemeinden. Christus schenkt uns sein Fleisch und Blut, um uns in ihm zu einem Leib und einem Geist zu machen und um uns in eine engere Gemeinschaft mit ihm und allen Gliedern seines Leibes, der Kirche, zu bringen. Macht die sonntägliche Feier in euren Pfarreien zu einer wahren Begegnung mit Christus in der Gemeinschaft seiner Jünger: Das ist ein wesentlicher Teil eurer „Übung in Frömmigkeit“ zum Herrn! 4. Liebe junge Freunde! In der Lesung, die wir gerade gehört haben, mahnt der Apostel Paulus Timotheus: „Niemand soll dich wegen deiner Jugend geringschätzen“ (I Tim 4,12). Er sagt das, weil Jugend ein wunderbares Geschenk Gottes ist und eine Zeit besonderer Energie, besonderer Gelegenheiten und besonderer Verantwortlichkeiten. Christus und die Kirche brauchen eure speziellen Talente. Nutzt die Gaben, die der Herr euch gegeben hat, richtig! Dies ist die Zeit eures „Trainings“, eurer körperlichen, intellektuellen, emotionalen und geistigen Entwicklung. Das bedeutet aber nicht, dass ihr eure Begegnung mit Christus und eure Beteiligung in der Sendung der Kirche auf einen späteren Zeitpunkt verschieben könnt. Auch wenn ihr noch jung seid: Jetzt ist die Zeit zum Handeln! Jesus kennt keine „Geringschätzung eurer Jugend“. Er schiebt euch nicht beiseite bis zu einem späteren Zeitpunkt, wenn ihr älter seid und euer Training abgeschlossen ist. Euer Training ist nie zu Ende, denn Christen müssen immer weiter trainieren. Ihr seid für das bereit, - was Christus jetzt von euch will. Er will, dass ihr - und zwar ihr alle - Licht für die Welt seid, so wie nur junge Leute Licht sein können. Es ist Zeit, euer Licht leuchten zu lassen! Auf allen meinen Reisen erzähle ich der Welt von eurer jugendlichen Energie, euren Gaben und eurer Bereitschaft zum Lieben und Dienen. Und überall, wo ich hinreise, fordere ich die jungen Menschen freundschaftlich heraus, im Licht und in der Wahrheit Jesu Christi zu leben. Ich fordere euch nachdrücklich auf, sein Wort in euer Herz eindringen zu lassen und ihm dann aus der Tiefe eures Herzens zu antworten: „Hier bin ich Herr, ich komme, um deinen Willen zu tun“ (vgl. Hebr 10,7). „Ihr seid das Licht der Welt... So soll euer Licht vor den Menschen leuchten“ (Mt 5,14.16). 218 REISEN Liebe Jugendlichen! 1. Fragt euch: Glaube ich an diese Worte Jesu im Evangelium? Jesus nennt euch „das Licht der Welt“. Er fordert euch auf, euer Licht vor den anderen Menschen leuchten zu lassen. Ich weiß, dass ihr in eurem Herzen sagen möchtet: „Hier bin ich, Herr. Ich komme, um deinen Willen zu tun“ (Antwortpsalm; vgl. Hebr 10,7). Aber nur wenn ihr eins seid mit Jesus, könnt ihr teilhaben an seinem Licht und Licht für die Welt sein. Seid ihr dazu bereit? Leider leben heute zu viele Menschen abseits vom Licht - in einer Welt voller Illusionen, einer Welt flüchtiger Schatten und unerfüllter Versprechen. Wenn ihr auf Jesus schaut, wenn ihr die Wahrheit lebt, die Jesus ist, dann habt ihr in euch das Licht, das die Wahrheiten und Werte offenbart, auf die ihr euer eigenes Glück und dabei auch eine Welt der Gerechtigkeit, des Friedens und der Solidarität aufbauen könnt. Erinnert euch an die Worte Jesu: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis um hergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Da Jesus das Licht ist, werden auch wir zu Licht, wenn wir ihn verkünden. Dies ist der Kernpunkt der christlichen Sendung, zu der jeder von euch durch Taufe und, Firmung berufen wurde. Ihr seid aufgerufen, das Licht Christi hell in der Welt leuchten zu lassen. 2. Hattet ihr manchmal Angst vor der Dunkelheit, als ihr noch klein wart? Heute seid ihr keine Kinder mehr, die sich vor der Dunkelheit fürchten. Ihr seid Teenager und junge Erwachsene. Aber ihr habt schon gemerkt, dass es in der Welt noch eine andere Art von Dunkelheit gibt: das Dunkel von Zweifel und Unsicherheit. Vielleicht spürt ihr die Dunkelheit der Einsamkeit und Isolierung. Eure Ängste ergeben sich vielleicht aus Fragen über eure Zukunft oder aus dem Bedauern über Entscheidungen der Vergangenheit. Zuweilen scheint die Welt selbst von Dunkelheit erfüllt zu sein: die Dunkelheit der Kinder, die Hunger haben und sogar daran sterben; die Dunkelheit der Obdachlosen, denen es an Arbeit und angemessener ärztlicher Versorgung mangelt; die Finsternis der Gewalt - Gewalt gegen die ungeborenen Kinder, Gewalt in Familien, die Gewalt von Straßengangs, die Gewalt sexuellen Missbrauchs und die Gewalt von Drogen, die Körper, Geist und Herz zerstören. Irgend etwas muss völlig verkehrt sein, wenn viele Jugendliche so weit entmutigt sind, dass sie sich ihr Leben nehmen. Und in manchen Teilen dieses Landes wurden schon Gesetze erlassen, wonach Ärzte dem Leben von Menschen, denen zu helfen sie sich doch feierlich verpflichtet haben, ein Ende setzen können. Das Gottesgeschenk des Lebens stößt auf Ablehnung. Der Tod wird dem Leben vorgezogen, und das zieht die Finsternis der Verzweiflung nach sich. 3. Ihr aber glaubt an das Licht (vgl. Joh 12,36)! Hört nicht auf jene, die euch Zureden, zu lügen, der Verantwortung auszuweichen und den ersten Platz für euch zu beanspruchen. Hört nicht auf jene, die euch sagen, dass Keuschheit „out“ ist. In 219 REISEN eurem Herzen wisst ihr, dass wahre Liebe ein Geschenk Gottes ist und seinen Plan zur Vereinigung von Mann und Frau in der Ehe achtet. Lasst euch nicht von falschen Werten und trügerischen Parolen einnehmen, vor allem wenn es um eure Freiheit geht. Wahre Freiheit ist ein wunderbares Gottesgeschenk, und sie war immer ein kostbarer Teil der Geschichte eures Landes. Wenn die Freiheit aber von der Wahrheit getrennt wird, dann verlieren die einzelnen Menschen ihre sittliche Orientierung, und das Gewebe der Gesellschaft selbst beginnt sich aufzulösen. Freiheit ist nicht die Fähigkeit, alles zu tun, was wir wollen und wann wir es wollen. Freiheit ist vielmehr die Fähigkeit, die Wahrheit unserer Beziehung zu Gott und zueinander verantwortlich zu leben. Denkt an die Worte Jesu: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ (vgl. Joh 8,32). Lasst euch von niemandem in die Irre führen oder daran hindern, das zu sehen, worauf es wirklich ankommt. Wendet euch Jesus zu, hört auf ihn, und entdeckt die wahre Bedeutung und Richtung eures Lebens. 4. Ihr seid Kinder des Lichts (vgl. Joh 12,36)! Ihr gehört Christus, und er hat euch beim Namen gerufen. Eure erste Pflicht besteht darin, so viel wie möglich über ihn zu erfahren - in euren Gemeinden, im Religionsunterricht an euren Oberschulen und Kollegs, in euren Jugendgruppen und Newman-Zentren. Nur durch das Gebet jedoch könnt ihr ihn wirklich und persönlich kennen lernen. Ihr müsst zu ihm sprechen und ihm zuhören. Heute leben wir in einem Zeitalter der Realzeit-Kommunikation. Aber ist euch auch bewusst was das Gebet für eine einzigartige Form der Kommunikation ist? Das Gebet macht eine Begegnung mit Gott im tiefsten Grund unseres Seins möglich. Es verbindet uns direkt mit Gott, mit dem lebendigen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, in einem ständigen Austausch der Liebe. Durch das Gebet lernt ihr, Licht der Welt zu werden, denn im Gebet werdet ihr eins mit der Quelle unseres wahren Lichts, Jesus selbst. 5. Jeder von euch hat in seinem Leben eine spezielle Sendung, und jeder von euch ist berufen, Jünger Christi zu sein. Viele von euch werden Gott in der Berufung des christlichen Ehelebens dienen; manche als engagierte „Singles“; weder andere als Priester und Ordensleute. Ihr alle aber müsst das Licht der Welt sein. An jene von euch, die den Eindruck haben, dass Christus sie zu seiner Nachfolge im Priesteramt oder im geweihten Leben einlädt, richte ich den persönlichen Appell: Öffnet ihm großzügig eure Herzen, verschiebt eure Antwort nicht auf später. Der Herr wird euch helfen, seinen Willen zu erkennen; er wird euch helfen, eurer Berufung mutig zu folgen. 6. Meine jungen Freunde! In den nächsten Tagen, Wochen und Jahren - so lange ihr euch an diesen Abend erinnert -, denkt daran, dass der Papst in die Vereinigten Staaten und nach Saint Louis gekommen ist, um die Jugendlichen Amerikas zu Christus zu rufen, um euch zu seiner Nachfolge einzuladen. Er kam mit der Herausforderung, dass ihr das Licht der Welt sein sollt! „Und das Licht leuchtet in der 220 REISEN Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst“ (Joh 1,5). Jesus, der Sünde und Tod überwunden hat, erinnert euch: „Ich bin bei euch alle Tage“ (Mt 28,20). Er sagt: „Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!“ (Mk 6,50). Am Horizont dieser Stadt zeichnet sich der „Gateway Arch“ ab, der oft das Sonnenlicht in seinen verschiedenen Farben und Nuancen einfängt. Ähnlich müsst ihr das Licht Christi durch euer Leben des Gebets und des freudigen Dienstes für andere auf tausend verschiedene Arten widerspiegeln! Mit der Hilfe Marias, der Mutter Jesu, werden die jungen Amerikaner das ganz hervorragend tun! Denkt daran: Christus ruft euch; die Kirche braucht euch; der Papst glaubt an euch und erwartet große Dinge von euch! Gelobt sei Jesus Christus! Bevor er sich von den jungen Leuten verabschiedete, sagte der Papst noch: So, jetzt bin ich bereit, noch einmal Hockey zu spielen! Aber ob ich dazu fähig bin, das ist die Frage. Vielleicht bin ich es nach diesem Treffen wieder ein bisschen mehr! Seid geduldig und tapfer auch in der Krankheit! Botschaft an die Kinder im „Cardinal Glennon Children’s Hospital“ am 26. Januar An die Kinder im „Cardinal Clennon Children’s Hospital“ Ich freue mich, liebe Kinder, dass ich bei meinem Besuch in Saint Louis einige von euch im Kiel Center persönlich begrüßen und einzeln umarmen kann. Ich habe euch alle sehr lieb und in meinem Herzen, wenn ich auch heute nicht alle besuchen konnte. Die im „Cardinal Glennon Children’s Hospital“ betreuten Jungen und Mädchen und alle kranken Kinder über all auf der Welt sollen wissen, dass der Papst für jeden von ihnen betet. Ihr wisst, wie sehr Jesus die Kinder liebte und wie gerne er mit ihnen zusammen war. Auch ihr seid für ihn etwas ganz Besonderes. Einige unter euch und euren Freunden haben viel gelitten, und ihr spürt die Last dessen, was ihr durchgemacht habt. Ich möchte euch ermutigen: Habt Geduld, und bleibt an der Seite Jesu, der aus Liebe zu euch und mir gelitten hat und am Kreuz gestorben ist. Um euch sind viele Leute, die euch sehr lieb haben, damnter die „Franciscan Sisters of Mary“ - seit vielen Jahren leiten sie treu dieses Krankenhaus. Dann sind da diejenigen, die euch pflegen, und die, welche dafür sorgen, das „Cardinal Glennon Children’s Hospital“ zu unterhalten. Und natürlich auch eure Familien und Freunde, die euch sehr lieben und wollen, dass ihr stark und tapfer seid. Von ganzem Herzen segne ich sie alle. Heute denke ich auch an die vielen anderen Kranken in der Erzdiözese Saint Louis und anderswo. Ich sende meine Grüße an alle Kranken, Leidenden und älteren Menschen, und ich versichere ihnen, dass sie in meinem täglichen Gebet einen 221 REISEN eigenen Platz haben. Sie haben eine besonders fruchtbare Rolle in der geistigen Mitte der Kirche. Alle Kranken lade ich ein, auf Jesus zu vertrauen, der gesagt hat: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25). In Vereinigung mit ihm sind selbst unsere Prüfungen und Leiden wertvoll für die Erlösung der Welt. Seine Mutter Maria begleite euch und erfülle eure Herzen mit Freude. Mit meinem Apostolischen Segen. Die Todesstrafe ist sowohl grausam, als unnötig Predigt bei der Eucharistiefeier im „Trans World Dome“ von Saint Louis am 27. Januar „Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben“ (1 Joh 4,9). Liebe Brüder und Schwestern! 1. In der Menschwerdung offenbart sich Gott voll und ganz im Sohn, der in die Welt kam (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 9). Unser Glaube ist nicht einfach das Ergebnis unseres Gottsuchens. In Jesus Christus ist Gott es, der persönlich kommt, um zu uns zu sprechen und uns den Weg zu sich zu zeigen. Die Menschwerdung offenbart auch die Wahrheit über den Menschen. In Jesus Christus hat der Vater das endgültige Wort über unser wahres Los und den Sinn der menschlichen Geschichte gesprochen (vgl. ebd., Nr. 5). „Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (i Joh 4,10). Der Apostel spricht von der Liebe, die den Sohn veranlasste, Mensch zu werden und unter uns zu wohnen. Durch Jesus Christus wissen wir, wie sehr der Vater uns liebt. In Jesus Christus kann jeder von uns durch die Gabe des Heiligen Geistes Anteil haben an der Liebe, die das Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit ist. Der hl. Johannes fährt fort: „Wer bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott, und er bleibt in Gott“ (1 Joh 4,15). Durch den Glauben an den menschgewordenen Sohn Gottes bleiben wir mitten im Herzen Gottes: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm“ (7 Joh 4,16). Diese Worte erschließen uns das Geheimnis des Heiligsten Herzens Jesu: Die Liebe und das Erbarmen Jesu sind die Tür, durch die die ewige Liebe des Vaters in die Welt ausgegossen wird. Bei der Feier dieser Messe zu Ehren des Heiligsten Herzens lasst uns unsere eigenen Herzen weit öffnen für Gottes erlösende Gnade! 2. In der Lesung aus dem Evangelium, die wir eben gehört haben, weist der hl. Lukas auf die Gestalt des Guten Hirten hin, um von dieser göttlichen Liebe zu sprechen. Der Gute Hirte ist in den Evangelien ein Bild, das Jesus teuer ist. Den Pharisäern, die beanstandeten, dass er Sünder willkommen hieß und mit ihnen aß, antwortete er mit der Frage: Wer von euch, der hundert Schafe hat und eines davon 222 REISEN verliert, würde nicht die neunundneunzig in der Steppe zurücklassen und dem verlorenen nachgehen, bis er es findet? „Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war“ (Lk 15,5-6). Dieses Gleichnis wirft ein helles Licht auf die Freude Christi und unseres himmlischen Vaters über jeden reumütigen Sünder. Gottes Liebe ist eine Liebe, die uns suchend nachgeht. Es ist eine Liebe, die rettet. Diese Liebe finden wir im Herzen Jesu. 3. Haben wir erst einmal die Liebe, die im Herzen Jesu ist, erkannt, dann wissen wir, dass jeder Mensch, jede Familie, jedes Volk auf der Erde ihr Vertrauen auf dieses Herz setzen kann. Wir haben Mose sagen hören: „Du bist ein Volk, das dem Herrn, deinem Gott, heilig ist ... der Herr hat euch ins Herz geschlossen und ausgewählt ... weil der Herr euch liebt“ (Dtn 7,6-8). Seit den Zeiten des Alten Testamentes besteht der Kern der Heilsgeschichte in Gottes unerschöpflicher Liebe und Auserwählung und unserer Antwort auf diese Liebe. Unser Glaube ist unsere Antwort auf Gottes Liebe und Auserwählung. Dreihundert Jahre sind vergangen, seitdem am 8. Dezember 1698 zum ersten Mal das hl. Messopfer auf dem Gelände gefeiert wurde, auf dem sich nun die Stadt Saint Louis entwickelt hat Es war das Fest der Unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter, und P. Montigny, P. Davion und P. St. Cosme bauten einen steinernen Altar am Ufer des Mississippi und brachten das Messopfer dar. Diese drei Jahrhunderte waren eine Geschichte der in diesen Teil der Vereinigten Staaten ausgegossenen Liebe Gottes und eine Geschichte hochherziger Antwort auf diese Liebe. In dieser Erzdiözese hat das Gebot der Liebe imgezählte Tätigkeiten hervorgerufen, für die wir heute unserem himmlischen Vater danken. Saint Louis war das Tor zum Westen, aber es war auch der Torweg für ein bedeutendes christliches Zeugnis und den Dienst im Namen des Evangeliums. Getreu dem Auftrag Christi zur Verkündigung der Frohen Botschaft übte der erste Hirte dieser Ortskirche, Bischof Joseph Rosati - er kam aus Sora, nahe bei Rom - von Anfang an eine hervorragende Missionstätigkeit aus. Heute können wir in der Tat sechsundvierzig Diözesen in dem Gebiet aufzählen, in dem Bischof Rosati seinen Dienst versah. Mit großer Zuneigung begrüße ich euren jetzigen Hirten, den lieben Erzbischof Rigali, meinen wertvollen Mitarbeiter in Rom. Viele Ordenskongregationen von Männern und Frauen haben in dieser Gegend mit beispielhafter Hingabe für das Evangelium gearbeitet, eine Generation nach der anderen. Hier sind auch die amerikanischen Wurzeln der Evangelisierungstätigkeit der Legion Marias und anderer Vereinigungen des Laienapostolats zu finden. Die Arbeit der Gesellschaft für die Glaubensverbreitung, die durch die großzügige Unterstützung der Gläubigen dieser Erzdiözese ermöglicht wird, ist ein echter Beitrag zur Antwort der Kirche auf das Gebot Christi, das Evangelium zu verkünden. Von Saint Louis aus sandte Kardinal Ritter im Jahre 1956 die ersten „Fidei Do-num“-Priester nach Lateinamerika und gab damit dem Austausch der Gaben, der 223 REISEN immer einen Teil der Communio zwischen den Kirchen bilden sollte, konkret Ausdruck. Diese Solidarität innerhalb der Kirche war das zentrale Thema der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika im letzten Jahr, und sie ist der zentrale Gedanke des Apostolischen Schreibens Ecclesia in America — „Die Kirche in Amerika“ -, das ich soeben im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Guadalupe in Mexico City unterzeichnet und herausgegeben habe. 4. Durch Gottes Gnade gehörten karitative Tätigkeiten aller Art zum lebendigen Pulsschlag des hiesigen katholischen Lebens. Die Gesellschaft des hl. Vinzenz v. Paul hatte von Anfang an einen bevorzugten Platz in der Erzdiözese. Katholische karitative Einrichtungen haben seit Jahren im Namen Jesu Christi außergewöhnliche Arbeit geleistet. Hervorragende katholische Gesundheitsdienste haben das menschliche Antlitz des liebenden, mitleidsvollen Christus sichtbar gemacht. Katholische Schulen haben sich für Generationen von Kindern als unschätzbar im Wert erwiesen, wenn sie die jungen Menschen Gott kennen, lieben und ihm dienen lehrten und sie dazu vorbereiteten, verantwortungsbewusst ihren Platz in der Gesellschaft zu übernehmen. Eltern, Lehrer, Seelsorger, Verwalter und ganze Pfarrge-meinden haben, ungeheure Opfer gebracht, um den wesentlichen Charakter katholischer Erziehung als einen echten Dienst der Kirche und einen dem Evangelium gemäßen Dienst an der Jugend aufrecht zu halten. Die Ziele des Strategischen Pastoralplans der Erzdiözese - Evangelisierung, Bekehrung, Verwaltung, katholische Erziehung, Dienst an Menschen in Not - haben hier eine lange Tradition. Heute sind die amerikanischen Katholiken ernstlich dazu aufgerufen, dieses großartige Erbe an Heiligkeit und Dienst zu kennen, zu schätzen und zu pflegen. Aus diesem Erbe müsst ihr Inspiration und Kraft ziehen für die Neuevangelisierung, die beim Nahen des dritten christlichen Jahrtausends so dringend notwendig ist. In der Heiligkeit und dem Dienst von Philippine Duchesne, die Saint Louis als seine eigene Heilige verehrt, und in der Heiligkeit und dem Dienst zahlloser treuer Priester, Ordensleute und Laien ist seit den frühesten Tagen der Kirche in diesem Gebiet das katholische Leben in seinem reichen, vielfältigen Glanz in Erscheinung getreten. Nicht weniger wird von euch heute erwartet. 5. Mit der Entfaltung der Neuevangelisierung muss besondere Betonung auf die Familie und die Erneuerung der christlichen Ehe gelegt werden. Die Eltern müssen wissen, dass sie in ihrer Hauptaufgabe - einander Liebe zu schenken, zusammen mit Gott Mit-Schöpfer menschlichen Lebens zu sein und die Liebe Gottes an ihre Kinder weiterzugeben - von der Kirche und von der Gesellschaft vollkommen unterstützt werden. Die Neuevangelisierung muss zu einer größeren Wertschätzung der Familie als der ursprünglichen und lebensnotwendigsten Grundlage der Gesellschaft und der ersten Schule für soziale Tugend und Solidarität führen (vgl. Fami-liaris consortio, Nr. 42). Wie es um die Familie bestellt ist, so ist es um die Nation bestellt! Ebenso muss die Neuevangelisierung zur Erkenntnis der Wahrheit führen, dass „das Evangelium von der Liebe Gottes zum Menschen, das Evangelium von der 224 REISEN Würde der Person und das Evangelium vom Leben ein einziges, unteilbares Evangelium“ (.Evangelium vitae, Nr. 2) sind. Wie können wir als Glaubende übersehen, dass Abtreibung, Euthanasie und Beihilfe zum Selbstmord eine furchtbare Zurückweisung des von Gott geschenkten Lebens und der von Gott geschenkten Liebe sind? Und wie können wir als Glaubende nicht die Pflicht empfinden, Kranken und Leidenden die Wärme unserer Liebe und Unterstützung zuzuwenden, die ihnen zur steten Annahme des Lebens hilft? Die Neuevangelisierung verlangt Nachfolger Christi, die vorbehaltlos für das Leben, „pro-life“, sind, die das Evangelium des Lebens verkündigen, feiern und ihm in jeder Situation dienen. Ein Zeichen der Hoffnung ist die zunehmende Erkenntnis, dass die Würde des menschlichen Lebens niemals genommen werden darf, selbst im Fall von jemandem, der sehr Schlimmes getan hat. Die moderne Gesellschaft hat die Mittel, sich selbst zu schützen, ohne Verbrechern die Chance zur Besserung zu verweigern (vgl. Evangelium vitae, Nr. 27). Ich rufe erneut dazu auf, wie ich es kürzlich an Weihnachten getan habe, zu einer Übereinstimmung bezüglich der Abschaffung der Todesstrafe zu kommen, die sowohl grausam als auch unnötig ist. Beim Nahen des neuen Jahrtausends sieht sich die Gemeinschaft von Saint Louis, östlich und westlich des Mississippi, noch immer einer anderen Herausforderung gegenübergestellt, und nicht nur Saint Louis allein, sondern das ganze Land, und zwar der Herausforderung, jeder Form von Rassismus ein Ende zu machen. Er ist eine Plage, die eure Bischöfe eines der hartnäckigsten und in höchstem Grad zerstörenden Übel der Nation genannt haben. 6. Liebe Brüder und Schwestern, das Evangelium der Liebe Gottes, das wir heute feiern, findet seinen höchsten Ausdruck in der Eucharistie. In der Messe und in der eucharistischen Anbetung begegnen wir der barmherzigen Liebe Gottes, die durch das Herz Jesu zu uns kommt. Im Namen Jesu, des Guten Hirten, möchte ich einen Aufruf erlassen - einen Aufruf an Katholiken überall in den Vereinigten Staaten und wohin immer meine Stimme oder meine Worte gelangen mögen vor allem an jene, die aus dem einen oder anderen Grund aus der Praxis ihres Glaubens ausgeschieden sind. Am Vorabend des Großen Jubiläums des zweitausendsten Jahres seit der Menschwerdung ist Christus auf der Suche nach euch und lädt euch ein zur Rückkehr in die Glaubensgemeinschaft. Ist das für euch nicht der Augenblick, die Freude der Rückkehr ins Vaterhaus zu erfahren? In manchen Fällen mag es noch Hindernisse zur Teilnahme an der Eucharistie geben; in manchen Fällen mögen noch Wunden in der Erinnerung geheilt werden müssen; in allen Fällen gibt es die Zusicherung von Gottes Liebe und Barmherzigkeit. Das Große Jubiläum des Jahres 2000 wird mit der Öffnung der Heiligen Pforte im Petersdom in Rom beginnen: Das ist ein ausdrucksvolles Symbol der Kirche -offen für jeden, der sich der Liebe und Barmherzigkeit des Herzens Christi bedürftig fühlt. Im Evangelium sagt Jesus: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden“ (Joh 10,9). 225 REISEN Unser christliches Leben kann als eine große Pilgerfahrt zum Haus des Vaters betrachtet werden. Sie geht durch die Tür, die Jesus Christus ist. Reue und Bekehrung sind der Schlüssel zu dieser Tür. Die Kraft, durch diese Tür zu gehen, kommt von unserem Glauben, unserer Hoffnung und unserer Liebe. Für viele Katholiken muss ein wichtiger Teil der Reise darin bestehen, die Freude der Zugehörigkeit zur Kirche wieder zu entdecken, die Kirche zu schätzen und zu lieben, da der Herr sie uns als Mutter und Lehrerin gegeben hat. Im Heiligen Geist lebend, freut sich die Kirche auf die Jahrtausendfeier als eine Zeit weitreichender geistiger Erneuerung. Der Geist wird wirklich einen neuen Glaubensfrühling hervorbringen, wenn die christlichen Herzen neu mit der Haltung der Demut, der Großmut und der Offenheit für seine läuternde Gnade erfüllt sind. Überall in diesem Land werden Heiligkeit und christlicher Dienst in Pfarren und Gemeinschaften aufblühen, wenn ihr die Liebe, die Gott zu euch hat, erkennt und gläubig annehmt (vgl. 1 Joh 4,16). Maria, Mutter der Barmherzigkeit, lehre die Menschen von Saint Louis und den Vereinigten Staaten, ,ja“ zu sagen zu deinem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus! Mutter der Kirche, sei auf dem Weg zum Großen Jubiläum des dritten Jahrtausends der Stern, der unsere Schritte sicher zum Herrn führt! Jungfrau von Nazaret, vor zweitausend Jahren brachtest du das fleischgewordene Wort zur Welt: führe die Männer und Frauen des neuen Jahrtausends zu dem Einen, der das wahre Licht der Welt ist! Amen. Vor der Erteilung des Päpstlichen Segens sagte der Papst: Friede, der Friede Jesu Christi sei mit euch! An meine Mitbrüder, die Kardinäle und Bischöfe, die so zahlreich heute hier sind, die Hirten der Kirche von Amerika. Besonderer Dank gilt den Priestern, die täglich die Hirtensorge um die Kinder Gottes für uns tragen. Dank euch allen für diese wunderschöne Liturgiefeier. Ich bewundere sehr eure begeisterte Teilnahme und euren Gebetsgeist. Noch einmal richte ich meinen Dank an euren Hirten, Erzbischof Rigali, und an jeden, der bei der Vorbereitung dieses Geschehens mitgearbeitet hat. Auf Polnisch fügte er hinzu: Ein besonderes Wort der Zuneigung geht zu den Kranken, an die Menschen im Gefängnis und an alle, die an Leib und Seele leiden. Meine Dankbarkeit und meine Wertschätzung gelten auch den Brüdern und Schwestern, die sich im Geist ökumenischen Betens uns angeschlossen haben. 226 REISEN Schutz des Lebens und der Gerechtigkeit sind Garanten des Friedens Ansprache bei der Vesper in der Kathedrale von Saint Louis am 27. Januar „Die Völker sollen dir danken, o Gott, danken sollen dir die Völker alle“ (Ps 67,4). Liebe Freunde! 1. Wir befinden uns hier in dieser eindrucksvollen Kathedralbasilika, um Gott zu preisen und um unser Gebet wie Weihrauch zu ihm aufsteigen zu lassen. Wenn wir das Lob Gottes singen, dann ist das ein Gedenken und Anerkennen der Herrschaft Gottes über die Schöpfung und über unser Leben. Unser Gebet erinnert uns heute Abend daran, dass unsere wahre Muttersprache das Gotteslob ist, die Sprache des Himmels, unseres wahren Zuhauses. Wir haben uns zu einem Zeitpunkt versammelt, der schon als Vorabend eines neuen Jahrtausends bezeichnet werden kann - in jeder Hinsicht ein entscheidender Wendepunkt für die Welt. Wenn wir zurückblicken auf das Jahrhundert, das wir bald hinter uns lassen, sehen wir, dass menschlicher Stolz und die Macht der Sünde es vielen Menschen schwergemacht haben, ihre Muttersprache zu sprechen. Um Gott lobsingen zu können, müssen wir die Sprache der Demut und des Vertrauens, die Sprache der sittlichen Integrität und des aufrichtigen Engagements für alles, was in den Augen des Herrn wahrhaft gut ist, neu lernen. 2. Wir haben gerade eine ergreifende Lesung gehört: Darin stellt der Prophet Jesaja uns ein geschlagenes und entmutigtes Volk vor Augen, das aus der Verbannung zurückkehrt. Auch wir machen zuweilen unsere Erfahrungen mit dem trockenen Ödland: Unsere Hände sind erschlafft, unsere Knie wanken, unsere Herzen sind verängstigt. Wie oft erstirbt das Lob Gottes auf unseren Lippen, und statt dessen erhebt sich ein Klagelied! Die Botschaft des Propheten ist ein Aufruf zum Vertrauen, ein Aufruf zum Mut, ein Aufruf zur Hoffnung auf die Rettung durch den Herrn. Wie zwingend ist auch heute seine Ermahnung an uns alle: „Habt Mut, fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer Gott! ... Er selbst wird kommen und euch erretten!“ (Jes 35,4) 3. Erzbischof Rigali, unser zuvorkommender Gastgeber, hat die Vertreter vieler verschiedener religiöser Gemeinschaften und Bereiche des Zivillebens zu diesem Abendgebet eingeladen. Ich begrüße den Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika und die anderen hier anwesenden Persönlichkeiten und Verantwortlichen der bürgerlichen Gesellschaft. Ich grüße meine Brüder und Schwestern im katholischen Glauben: die Laien, die ihre Taufwürde immer intensiver leben wollen und sich deshalb dafür einsetzen, dass das Evangelium seine Wirkung auf die verschiedenen Umstände des alltäglichen Gesellschaftslebens zeigen kann. Mit großer Zuneigung begrüße ich meine Brüder, die Priester, die alle engagierten und einsatzfreudigen Priester von Saint Louis und anderer Diözesen vertreten. Ich 227 REISEN hoffe, dass ihr euch jeden Tag eurer Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus, dessen Priesteramt ihr teilt, im Gebet und in der Eucharistie erfreut. Herzlich begrüße ich die Diakone der Kirche und spreche ihnen für ihren liturgischen, seelsorgerischen und karitativen Auftrag meine Ermutigung aus. Ein besonderes Wort des Dankes gilt euren Ehefrauen und Familien für ihre Unterstützung in eurem Amt. Die vielen Ordensleute, die heute Abend hier sind, vertreten Tausende von Frauen und Männern, die von Anfang an in dieser Erzdiözese hart gearbeitet haben. Ihr folgt Christus, indem ihr seine vollkommene Selbsthingabe an den Vater und die Sache seines Reiches nachahmt. An jede und jeden von euch richte ich meinen Dank und den Ausdruck meiner Wertschätzung. Gerne wende ich mich mit einem besonderen Wort der Ermunterung an die Seminaristen. Ihr werdet die Priester des neuen Jahrtausends sein, die mit Christus bei der Neuevangelisierung Zusammenarbeiten und der Kirche helfen, unter dem Wirken des Heiligen Geistes den Bedürfnissen des nächsten Jahrhunderts gerecht zu werden. Jeden Tag bete ich, der Herr möge euch zu „Hirten nach seinem Herzen“ machen (vgl. Jer 3,15). 4. Besonders freue ich mich darüber, dass bedeutende Mitglieder anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften sich diesem Abendgebet der katholischen Gemeinschaft von St. Louis angeschlossen haben. Lasst uns auch in Zukunft hoff-nungs- und vertrauensvoll Zusammenarbeiten, um den Wunsch des Herrn zu verwirklichen: „Alle sollen eins sein ... damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). Meine Freundschaft und Wertschätzung gilt auch den Anhängern aller anderen religiösen Traditionen. Ich denke dabei besonders an meine langjährige Verbundenheit mit Mitgliedern der israelitischen Glaubensgemeinschaft und an die Treffen in vielen Teilen der Welt mit meinen muslimischen Brüdern und Schwestern. Heute hat uns die göttliche Vorsehung alle hier zusammengeführt, damit wir beten können: „O Gott, danken sollen dir die Völker alle!“ Dieses Gebet soll unser gemeinsames Engagement für noch größeres Verständnis und Zusammenarbeit zu erkennen geben. 5. Den Verwaltungseinrichtungen des ganzen Metropolitanbereichs und allen, die für die Stadt Saint Louis arbeiten und sich für ihr menschliches, kulturelles und soziales Wohlergehen einsetzen, möchte ich ebenfalls ein Wort der Anerkennung aussprechen. Eure entschlossene Aufnahme der vielen Herausforderungen, die sich an die Stadt stellen, wird einem neuen „Geist von Saint Louis“ zur Entstehung verhelfen, der seinerseits der Sache der Stadt, und damit auch der Sache der Bevölkerung und ihrer Bedürfnisse, dienlich ist. Besondere Aufmerksamkeit muss dabei der Ausbildung junger Menschen für eine positive Beteiligung innerhalb der Gemeinschaft gewidmet werden. In diesem Zusammenhang teile ich die Hoffnung der Erzdiözese, dass das „Cardinal Ritter College Prep“, von den gemeinschaftlichen Kräften aller Bereiche unterstützt, auch in Zukunft zahlreichen Jugendlichen die Möglichkeit einer qualifizierten Ausbildung und eines wahren menschlichen Fortschritts geben kann. 228 REISEN Im Namen der Kirche spreche ich allen meine Dankbarkeit aus - darunter auch der Geschäftswelt - für ihre ständige Unterstützung vieler lobenswerter Hilfs-, Sozial und Erziehungsdienste, die von der Kirche organisiert werden. 6. „O Gott, danken sollen dir die Völker alle!“ (Ps 67). Am Ende dieses Jahrhunderts - das sowohl von einem nie dagewesenen Fortschritt als auch von menschlichem Leid tragischen Ausmaßes geprägt war - bringen grundlegende Veränderungen in der Weltpolitik für Amerika eine noch größere Verantwortung mit sich, Vorbild für eine wahrhaft freie, demokratische, gerechte und humane Gesellschaft zu sein. Der Lobgesang aus dem Buch der Offenbarung des Johannes, den wir soeben rezitiert haben, enthält eine Lehre für jedes mächtige Land. Es bezieht sich auf das Lied, das Moses sang, nachdem er das Volk (Israel) durch das Rote Meer geführt und es so vor dem Zorn des Pharao gerettet hatte. Die ganze Heilsgeschichte muss in der Perspektive dieses Exodus gelesen werden: Gott offenbart sich in seinen Taten, um die Demütigen der Erde zu verteidigen und die Unterdrückten zu befreien. Auf die gleiche Weise gibt uns Maria, die Mutter des Erlösers, im Magnifikat den Schlüssel zum Verständnis des Eingreifens Gottes in die Menschheitsgeschichte, wenn sie sagt: „Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; ... und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1,51—52). Aus der Heilsgeschichte lernen wir, dass Macht mit Verantwortung gleichzusetzen ist: Sie ist Dienst, nicht Privileg. Die Ausübung der Macht ist moralisch zu rechtfertigen, wenn sie für das Wohl aller genutzt wird und für die Bedürfnisse der Armen und Schutzlosen aufgeschlossen ist. Und noch eine weitere Lehre steckt darin: Gott hat uns ein Sittengesetz gegeben, das uns leiten und uns vor einem Rückfall in die Sklaverei der Sünde und Falschheit schützen soll. Wir sind nicht allein mit unserer Verantwortung für das große Geschenk der Freiheit. Die Zehn Gebote sind die Charta der wahren Freiheit, sowohl für die Einzelpersonen als auch für die Gesellschaft als Ganzes. Amerika hat zuerst seine Unabhängigkeit verkündet, auf der Grundlage offensichtlicher moralischer Wahrheiten. Amerika wird so lange ein Leuchtturm der Freiheit für die Welt bleiben, wie es an diesen moralischen Wahrheiten festhält, die den Mittelpunkt seiner historischen Erfahrung darstellen. Deshalb sage ich zu Amerika: Wenn ihr Frieden wollt, dann bemüht euch um Gerechtigkeit. Wenn ihr Gerechtigkeit wollt, dann verteidigt das Leben. Wenn ihr das Leben wollt dann haltet fest an der Wahrheit - an der vor Gott offenbarten Wahrheit. So wird der Lobpreis Gottes, die Sprache des Himmels, für immer auf den Lippen seines Volkes sein: „Der Herr ist Gott der Mächtige ... Kommt, lasst uns niederknie und anbeten.“ Amen. 229 REISEN In christlicher Tradition verwurzelt vertrauensvoll in eine neue Zukunft Ansprache bei der Ankunft in Bukarest am 7. Mai Herr Präsident, sehr geehrte Vertreter der Regierung, Herr Patriarch Teoctist, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude komme ich heute nach Rumänien, in ein Land, das ich sehr liebe und schon seit langer Zeit besuchen wollte. Tief bewegt habe ich seine Erde geküßt; dankbar vor allem dem allmächtigen Gott, der mir in seinem weisen Wohlwollen diesen Wunsch erfüllt hat. Der Ausdruck meiner Dankbarkeit geht dann an Sie, Herr Präsident, für Ihre wiederholten Einladungen und für die höflichen Worte, mit denen Sie die Empfindungen Ihrer Mitarbeiter und des ganzen rumänischen Volkes ausgesprochen haben. Über Ihren herzlichen Willkommensgruß habe ich mich sehr gefreut, und ich werde ihn in Erinnerung behalten. Dankbar denke ich an den Besuch zurück, den Sie mir 1993 - damals noch als Rektor der Universität Bukarest und Vorsitzender der Rektorenkonferenz von Rumänien - gemacht haben. In Ihnen, dem höchsten Vertreter dieser edlen Nation, sehe ich die ganze Bürgerschaft vertreten. Ich empfinde das lebhafte Bedürfnis, einen herzlichen Gruß der Brüderlichkeit und des Friedens an sie zu richten, angefangen bei der Bevölkerung der Hauptstadt bis zu den Bewohnern der entlegensten Dörfer. 2. Ganz besonders möchte ich Ihnen danken, Ihrer Seligkeit Teoctist, Patriarch der Rumänisch-Orthodoxen Kirche, für die brüderlichen Grüße, die Sie an mich gerichtet haben und für Ihre liebenswürdige Einladung zum Besuch der Rumänisch-Orthodoxen Kirche, die in diesem Lande überwiegt. Zum ersten Mal gibt mir die göttliche Vorsehung die Gelegenheit zu einer apostolischen Reise in ein Land mit orthodoxer Mehrheit. Das wäre ohne das bereitwillige und brüderliche Entgegenkommen der Heiligen Synode der ehrwürdigen Rumänisch-Orthodoxen Kirche und ohne Ihre eigene Zustimmung, Herr Patriarch, sicher nicht möglich gewesen. Morgen und am Sonntag werden wir noch zwei besondere und lang erwartete Treffen haben. In diesem historischen Moment kann ich nicht umhin, an Ihren Besuch bei mir vor zehn Jahren zu erinnern, als Sie die feste Absicht ausdrückten, freiheitlich jene freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Kirchen zu knüpfen, die für das Volk Gottes nutzbringend erschienen. Ich bin zuversichtlich, daß mein Besuch zur Heilung der Wunden, die dem Verhältnis zwischen unseren Kirchen in den vergangenen fünfzig Jahren zugefügt wurden, und zur Eröffnung einer Zeit vertrauensvoller und gegenseitiger Zusammenarbeit beiträgt. 232 REISEN 3. Von ganzem Herzen begrüße ich schließlich Sie, Msgr. Lucian Muresan, verehrter Erzbischof von Fagaras und Alba Julia und Vorsitzender der Bischofskonferenz von Rumänien, und alle Brüder im Bischofsamt des byzantinisch-rumänischen und des lateinischen Ritus, mit einem besonderen Gedenken an den Bischof von Bukarest, Msgr. Joan Robu. Erneut spreche ich euch meinen Dank aus für die freundliche Beharrlichkeit, mit der ihr mich zum Besuch bei euch aufgefordert habt. Ich bin wirklich froh, daß dieser Traum heute in Erfüllung gegangen ist, und möchte dafür zusammen mit euch dem Herrn danken. Endlich bin ich hier bei euch als Pilger des Glaubens und der Hoffnung. Euch alle, liebe Brüder und Schwestern, Katholiken aller Gemeinschaften und Diözesen, Priester, Ordensleute und Laien, nehme ich in meine herzliche und ergriffene Umarmung hinein. Ich begrüße euch mit den Worten des Apostels Paulus: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (7 Kor 1,3). Mit diesem meinem Besuch möchte die Beziehungen zwischen Rumänien und dem Hl. Stuhl bestätigen, die für die Geschichte des Christentums in dieser Region so wichtig gewesen sind. Wie wir wissen, wurde der Glaube nach der Überlieferung vom Bruder des Petrus, dem Apostel Andreas, in diese Gegend gebracht. Andreas besiegelte seine unermüdliche Missionstätigkeit mit dem Martyrium in Patras. Weitere bedeutende Zeugen des Evangeliums, darunter Sabas der Gote, Niketas von Remesiana, der aus Aquileia stammte, und Laurentius von Novae setzten sein Werk fort, und während der Verfolgungen der ersten Jahrhunderte erlitten ganze Scharen von Christen den Märtyrertod: Es waren die dakoromanischen Märtyrer, wie z. B. Zotikos, Attalos, Kamasis und Philippos, deren Opfer zu einer tiefen Verwurzelung des christlichen Glaubens in eurem Land beitrug. Der Samen des Evangeliums fiel auf fruchtbaren Boden und brachte im Laufe der zwei vergangenen Jahrtausende zahlreiche Früchte der Heiligkeit und des Martyriums hervor. Ich denke dabei an Johannes Cassianus und Dionysius Exiguus, die an der Weitergabe der spirituellen, theologischen und kanonischen Reichtümer des griechischen Ostens an den lateinischen Westen beteiligt waren, an den heiligen König Stefan, „ein wahrer Athlet des christlichen Glaubens“, wie ihn Papst Sixtus IV. bezeichnete, und an viele andere treue Diener des Evangeliums, darunter auch an den Fürst und Märtyrer Konstantin Brankovan und in jüngerer Zeit an die zahlreichen Märtyrer und Bekenner des Glaubens im zwanzigsten Jahrhundert Strukturen des Rechtsstaates sinnvoll nutzen. 4. Liebe Brüder und Schwestern von Rumänien! Euer Vaterland hat in diesem Jahrhundert, das sich seinem Ende zuneigt, die Schrecken harter totalitärer Regierungssysteme erfahren und in seinem Leid das Schicksal vieler anderer Länder Europas geteilt. Das kommunistische Regime beseitigte die mit Rom unierte Kirche des byzantinisch-rumänischen Ritus und verfolgte Bischöfe und Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien; nicht wenige von ihnen bezahlten die Treue zu Christus mit ihrem Blut. Manche überlebten die Folter und sind heute bei uns. Ich denke in diesem Zusammenhang mit Ergriffenheit an den verdienten und verehrten 233 REISEN Kardinal Alexandra Todea, emeritierten Erzbischof von Fagaras und Alba Julia, der 16 Jahre in Haft und 27 Jahre im Zwangsaufenthalt verbrachte. Indem ich ihm, der auch in der mit christlicher Geduld aus der Hand Gottes angenommenen Krankheit seinen treuen Dienst für die Kirche weiterführt, die Ehre erweise, möchte ich auch jenen Mitgliedern der Rumänisch-Orthodoxen Kirche und anderer Kirchen und religiösen Gemeinschaften, die eine ähnliche Verfolgung und schwere Beschränkungen erlitten, die ihnen gebührende Anerkennung zollen. Der Tod hat diese unsere Glaubensbrüder im heldenhaften Zeugnis des Martyriums vereint: Sie hinterlassen uns eine unvergessliche Lektion der Liebe zu Christus und seiner Kirche. 5. Gott Dank ist nach dem harten Winter der kommunistischen Herrschaft der Frühling der Hoffnung angebrochen. Mit den geschichtsträchtigen Ereignissen im Jahr 1989 hat auch Rumänien einen Prozess der Wiederherstellung des Rechtsstaates mit Achtung der Freiheiten - darunter auch die Religionsfreiheit - in Gang gesetzt. Natürlich ist dieser Prozess nicht ohne Hindernisse. Es gilt, ihn Tag für Tag fortzusetzen, dabei die Legalität zu wahren und die demokratischen Institutionen zu festigen. Ich hoffe, daß bei diesen Bemühungen zur gesellschaftlichen Erneuerung in eurem Land die politische und finanzielle Unterstützung der Europäischen Union, der Rumänien aufgrund seiner Geschichte und Kultur angehört, nicht fehlen wird. Um die Wunden einer herben und leidvollen nahen Vergangenheit heilen zu können, bedarf es Geduld und Weisheit, Untemehmergeist und Ehrlichkeit. Diese mühevolle, jedoch begeisternde Aufgabe ist an alle gerichtet; es ist vor allem eine Herausforderung an euch, liebe Jugendliche, denn ihr seid die Zukunft dieses großherzigen Volkes. Fürchtet euch nicht davor, euren Teil an Verantwortung mutig zu übernehmen, und schaut vertrauensvoll in die Zukunft. Die katholische Kirche ist ihrerseits zur Mitwirkung bereit und möchte sich mit allen verfügbaren Mitteln einsetzen, um ihren Beitrag zur Heranbildung von Bürgern zu leisten, die ein Gefühl für die wahren Anforderungen des Gemeinwohls haben. Rumänien, Brücke zwischen Ost und West, Kreuzungspunkt zwischen Mittel- und Osteuropa, Rumänien, das in der Tradition mit dem schönen Titel „Garten Mariens“ bezeichnet wird: Ich komme zu dir im Namen Jesu Christi, des Sohnes Gottes und der seligen Jungfrau. Stelle auch auf der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend deine Zukunft auf den starken Fels seines Evangeliums. Mit der Hilfe Christi wirst du eine neue Zeit voller Mut und Enthusiasmus erleben. Du wirst eine blühende Nation, ein fruchtbarer Boden des Guten, ein solidarisches Volk und Erbauer des Friedens sein. Gott beschütze und segne dich allezeit! 234 REISEN Der Glaube gehört zu eurer Geschichte Graßworte an die Rumänen vor der Patriarchal-Kathedrale von Bukarest am 7. Mai 1. „Der Gott des Friedens sei mit euch allen!“ (Röm 15,33). Liebe Brüder und Schwestern, ich möchte euch mit den Worten des Apostels Paulus an die Römer begrüßen, um euch meine Zuneigung und meine tiefempfundene Freude darüber zu bekunden, zum ersten Mal und zusammen mit Seiner Seligkeit Patriarch Teoctist bei euch in Rumänien zu sein. Ich danke euch für euren festlichen und herzlichen Empfang, der aus dem Glauben an Den kommt, der immer dort anwesend ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind: Jesus Christus, unser Herr (vgl. Mt 18,20). 2. Christus begleitet seit jeher die Geschicke der rumänischen Nation. Wie sollte man sich in der Tat nicht daran erinnern, daß die Evangelisierung und die Bildung der ersten Christengemeinden mit der Entstehung eures alten und edlen Volkes zusammenfielen? Wie sollte man nicht dankbar feststellen, daß das Evangelium sein Leben und seine Sitten von Anfang an tief durchdrungen hat und so zur Quelle der Zivilisation und zum verbindenden Prinzip für die verschiedenen Seelen seiner Kultur wurde? Durch den christlichen Glauben wurde dieses mit dem Andenken Trajans und der römischen Welt verbundene Land, das schon in seinem Namen an das römische Reich erinnert und doch auch das Gepräge der byzantinischen Kultur an sich trägt, im Lauf der Jahrhunderte zu einer Brücke zwischen der lateinischen Welt und der Orthodoxie wie auch zwischen der hellenischen Zivilisation und den slawischen Völkern. Die Geschichte eures Glaubens ist in den Malereien bezeichnend gegenwärtig, die an so vielen Fassaden eurer Kirchen vorhanden sind, die trotz Stürmen und Unwettern weiterhin von der Liebe Gottes zu den Menschen künden. Auch die Rumänen haben in den tragischen Ereignissen ihrer Geschichte vergangener und jüngerer Zeit mutig das Geschenk des christlichen Glaubens bewahrt und gewalttätigen Verfolgungen sowie tückischen Angeboten eines Lebens ohne Gott widerstanden. Dem Herrn danke ich für die vielen leuchtenden Zeugnisse, die auf rumänischem Boden gewachsen sind, und spreche den Wunsch aus, daß der Glaube an Christus immer tiefer in euren Herzen verwurzelt und in eurem Leben leuchten möge, damit er den kommenden Generationen unversehrt weitergegeben werde. 3. Liebe Rumänen, der Herr begleite den Weg eures Volkes auf das dritte christliche Jahrtausend zu! Er wecke glückliche Vorhaben und Hoffnungen in euren Herzen und gebe euch die Kraft, die Zivilisation der Liebe aufzubauen, gegründet auf Gerechtigkeit, Solidarität, Einsatz für das Gemeinwohl und ein wirklich brüderliches Zusammenleben. Insbesondere wünsche ich, daß ein wachsendes Einvernehmen unter allen, die sich des christlichen Namens rühmen — Orthodoxe, Katholiken verschiedener Riten und 235 REISEN Protestanten unterschiedlicher Bekenntnisse - Ferment der Einheit und Eintracht in eurem Vaterland und auf dem ganzen europäischen Kontinent sei. Der Friede Christi sei allezeit mit euch. Amen! Partnerschaftliches Verhalten trägt zum Gelingen sozialen Lebens bei Ansprache während des Besuches beim Präsidenten von Rumänien am 7. Mai Herr Präsident,, sehr geehrte Präsidenten des Senats und der Abgeordnetenkammer, sehr geehrte Mitglieder der Regierung und des öffentlichen Dienstes, sehr geehrte Damen und Herren des Diplomatischen Korps, sehr geehrte Vertreter der verschiedenen Religionsgemeinschaften! 1. Es ist mir eine Freude, Herr Präsident, daß ich Ihrer Einladung nachkommen konnte, Rumänien zu besuchen, und nun zum ersten Mal dieses Land betrete. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufnahme und für die freundlichen Worte, die Sie soeben an mich gerichtet haben, sowohl in Ihrem eigenen Namen als auch im Namen der höchsten Vertreter dieser Nation. Ich begrüße die Mitglieder des öffentlichen Dienstes und die Vertreter des rumänischen Volkes sowie die Mitglieder der Religionsgemeinschaften und des Diplomatischen Korps; weiters richte ich meine herzlichen Grüße an die Verantwortlichen des öffentlichen Lebens, an die Personen, die bei der Vorbereitung meines Besuchs mitgewirkt haben, und an alle Rumänen. 2. Ich komme in Ihr Land als Pilger des Friedens, der Brüderlichkeit und des Einvernehmens unter den Nationen, zwischen den Völkern und zwischen den Jüngern Christi. Im Laufe der verschiedenen Abschnitte meiner Reise werde ich mit den unterschiedlichen Kirchengemeinschaften und mit dem rumänischen Volk Zusammentreffen. Sehr herzlich danke ich Seiner Seligkeit Teoctist, dem Patriarchen vom Rumänien, für seinen Willkommensgruß am heutigen Vormittag. Unsere Begegnung und die Stunden des Gebets, die wir miteinander verbringen werden, sind ein beredtes Zeugnis von Brüderlichkeit im Geiste des Evangeliums. Nach dem letzten Konzil und in der Perspektive des großen Jubeljahrs sind dies Ereignisse, die den Weg der Einheit zwischen den Christen auf bedeutsame Weise prägen. Mein Wunsch ist, daß Hirten und Gläubige ihrerseits konkrete Zeichen des Dialogs und der gegenseitigen Annahme setzen, um damit auszudrücken, daß die Bruderliebe in Christus kein leeres Wort, sondern ein Bestandteil des christlichen Lebens und der Kirche ist. 3. Außerdem möchte ich die katholischen Bischöfe Rumäniens und alle Mitglieder ihrer lateinischen, griechisch-katholischen und armenischen Gemeinschaften grü- 236 REISEN ßen. Ich versichere sie meiner väterlichen und brüderlichen Zuneigung. Noch einmal spreche ich ihnen meine Bewunderung aus für die Arbeit, die sie treu und mutig in Zeiten der Prüfung geleistet haben, und ich freue mich über ihre seelsorgerische Tätigkeit in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri als Zeichen der Einheit des Leibes Christi und ihres Engagements innerhalb der rumänischen Gesellschaft. 4. Es ist mir auch eine Freude, den Mitgliedern des Diplomatischen Korps zu begegnen. Ihre Anwesenheit bezeugt die Aufmerksamkeit der Nachbarstaaten, Europas und der ganzen Welt gegenüber Rumänien, seiner innerstaatlichen Entwicklung und seinen auswärtigen Beziehungen. Ich hoffe, daß die internationale Gemeinschaft ihre Hilfe zugunsten der Nationen ausbaut, die sich vom kommunistischen Joch befreit haben und nun ihr wirtschaftliches und soziales Leben neu organisieren müssen. Diese Länder werden so zu Schöpfern des Friedens und Wohlstands für ihre Einwohner und zu noch verantwortlicheren Partnern im internationalen Leben. 5. Die Teilnahme von Vertretern der verschiedenen Religionsgemeinschaften veranlaßt mich dazu, die wesentliche Rolle der Kirchen herauszustellen. Sie sollen Urheber des Friedens, der Solidarität und der Brüderlichkeit sein, damit sie nicht als Gegenspieler aufitreten, sondern als Mitarbeiter im Blick auf das Gemeinwohl. Dabei soll all das ausgeschaltet werden, was jene Gegensätze, Leidenschaften und Ideologien verschärfen könnte, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte versucht haben, die Oberhand über die Menschen, die örtlichen Gemeinden und die Grundsätze der Freiheit und Wahrheit zu gewinnen. Unter Achtung der Autonomie der weltlichen Einrichtungen fordert sie ihr geistlicher Auftrag auf, Wächter in der Welt zu sein, um an die Werte zu erinnern, auf denen das Sozialleben gründet, und um die Verstöße gegenüber der jedem Menschen geschuldeten Achtung, gegen seine Würde und seine grundsätzlichen Freiheiten - insbesondere Religions- und Gewissensfreiheit - in menschlicher und spiritueller Hinsicht festzustellen. 6. Rumänien erlebt gegenwärtig eine Übergangsphase, die für seine Zukunft, für seine engere Einbeziehung in den Aufbau Europas und für seine Beteiligung am internationalen Leben von wesentlicher Bedeutung ist. Meine Gedanken gehen zu den Menschen, die Prüfungen durchmachen, insbesondere jenen, die ernsthaft von der Wirtschaftskrise betroffen sind, und jenen, die sich in Situationen der Armut oder Krankheit befinden, aber auch zu den Familien, die sich schwertun, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Ich lade alle Rumänen ein, ihre Solidarität zu zeigen und auf diese Weise einen konkreten Beweis dafür zu leisten, daß das Leben auf ein und demselben Territorium starke Bande der Brüderlichkeit schafft. Niemand soll sich abseits gestellt fühlen, und niemand darf die Langatmigkeit bei den Veränderungen als Vorwand nehmen, um den Mut zu verlieren oder sich vom gemeinsamen Vorgehen zu distanzieren. Jeder ist für seine Brüder und für die Zukunft des Landes verantwortlich. 237 REISEN 7. Vierzig Jahre atheistischer Kommunismus haben ihre Spuren und Narben im Fleisch und in der Erinnerung eures Volkes hinterlassen und eine Atmosphäre des Mißtrauens geschaffen. All das kann nicht verschwinden ohne ein echtes Bemühen zur Umkehr seitens der Bürger sowohl in ihrem persönlichen Leben als auch in den Beziehungen zur Gesamtheit der nationalen Gemeinschaft. Jeder muß seinen Brüdern die Hände reichen, damit Fortschritt und Entwicklung allen zugute kommen -besonders jenen, die die unseligen Auswirkungen der verschiedenen Krisen der Vergangenheit erdulden mußten. Euer Volk ist reich an ungeahnten Ressourcen, an Selbstvertrauen und Solidarität. Aufgrund dieser Werte ist es dazu berufen, eine Kunst des Zusammenlebens zu entwickeln, die ein Mehr an Seele und Menschlichkeit ist. Solidarität und Vertrauen erfordern von allen Verantwortlichen des sozialen Lebens Absprache und Achtung der unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche sowie fortdauerndes Engagement und ein aufrichtiges Verhalten all derer, die mit den Angelegenheiten der Gesellschaft betraut sind. Auf dieser Grundlage kann dann wirklich eine Schicksalsgemeinschaft entstehen. Ich ermutige die Einwohner Rumäniens, sich um den Aufbau einer Gesellschaft, die allen dient, zu bemühen und sich von der Botschaft Christi erreichen zu lassen, so wie es ihre Vorfahren seit den apostolischen Zeiten getan und damit gezeigt haben, wie wichtig die Stellung der christlichen, spirituellen, sittlichen und menschlichen Werte im Leben der Nation ist. 8. Die auf die Ereignisse von 1989 erfolgten Umwälzungen haben die Unterschiede zwischen den Bürgern verschärft. Die Schwierigkeiten im Übergang zur Demokratie ziehen manchmal Entmutigung nach sich. Der Weg des demokratischen Lebens führt zuallererst durch eine staatsbürgerliche Erziehung aller Einwohner, damit sie innerhalb der örtlichen Gemeinden und auf allen Stufen der Gesellschaft aktiv und verantwortlich am öffentlichen Leben teilnehmen können. Zum Bürgersinn erzogen, wird sich das Volk bewußt, daß die Entwicklungen nicht allein struktureller Art sein dürfen, sondern daß sie auch die Mentalitäten betreffen. Insbesondere ist es angezeigt, dass die Jugendlichen das Vertrauen in ihr Land wiederfinden und nicht versucht sind, auszuwandem. Aber es ist andererseits auch wichtig, daß ein Staat, der um harmonisches Miteinander und um Frieden bemüht ist, sich ohne Ausnahme um alle Menschen kümmert, die im Staatsgebiet leben. In der Tat hat ein Staat die Pflicht, alles zu tun, um die nationale Einheit zu festigen, die auf die Gleichheit aller Einwohner - imabhängig von ihrer Herkunft und Religion - gründet, und um den Sinn für Aufnahme von Fremden zu entwickeln. Tatsache ist, daß die territorialen Veränderungen, die zur Vereinigung von Bevölkerungsgruppen unterschiedlicher ethnischer und religiöser Zugehörigkeit geführt haben, vor allem in Transilvanien ein kompliziertes soziales und religiöses Gefüge gebildet haben. Mit Geduld und besonders mit dem festen Willen zum Erfolg in der Fähigkeit des Zusammenlebens können Gegensätze und Ängste - dank des nationalen und religiösen friedlichen Miteinanders - überwunden werden. „Man muß von einer Position des Gegeneinander und des Konflikts auf eine Ebene gelangen, auf der man sich gegenseitig als Partner anerkennt“ (Ut unum sint, Nr. 29). 238 REISEN Zwar kann man die Geschichte nicht vergessen, aber durch das Festhalten an der Achtung der Rechte aller Minderheiten und am Dialog und mit der Bereitschaft zur Vergebung und Versöhnung können die Bürger sich heute als Partner, ja sogar als Brüder verstehen. 9. Schließlich möchte ich die Aufnahme erwähnen, die Rumänen meinen Landsleuten und der polnischen Regierung während des Zweiten Weltkriegs so großzügig gewährte. Außerdem möchte ich die Welle der Großzügigkeit würdigen, die so viele Menschen anlässlich der Ereignisse im Jahr 1989 an den Tag gelegt haben. Das sind Zeichen, unter vielen anderen, die auch heute noch zu mutigem und beharrlichem Verhalten anregen können im Blick auf den Aufbau einer Gesellschaft, in der gut leben ist. 10. Ich bin Ihnen, Herr Präsident, zu Dank verpflichtet für Ihre Einladung, einige Stunden lang die Geschichte Ihres Landes zu teilen, um auf diese Weise auch die katholischen Gemeinschaften treffen zu können und in meinen Kontakten mit der Rumänisch-Orthodoxen Kirche einen wichtigen Schritt auf dem Weg der Einheit der Christen zu tun. Auf Sie selbst, auf Ihre Familie, auf alle Anwesenden und auf die gesamte Bevölkerung Rumäniens rufe ich den Segen Gottes in Fülle herab. Herzlichen Dank! Brüderlicher Dialog in Liebe und Wahrheit im Geist der Einheit Ansprache bei der Begegnung mit der Rumänischen Bischofskonferenz in Bukarest am 7. Mai Liebe rumänische Mitbrüder im Bischofsamt! „Te Deum laudamus, Te Dominum confitemur, Te aetemum Patrem omnis terra veneratur“ (Dich, Gott, loben wir; dich, Herr, preisen wir; Dir, dem ewigen Vater, huldigt das Erdenrund.) l.Mit den Worten dieses alten Hymnus, vielleicht vom hl. Ambrosius verfasst, aber auch dem hl. Niketas zugeschrieben, einem Apostel dieses Landes, als es noch das römische Dakien war, möchte ich unser Treffen zu Beginn meiner Pa-storalreise in Rumänien eröffnen. Gemeinsam mit euch möchte ich dem Vater des Erbarmens und dem Gott allen Trostes (2 Kor 1,3) danken, der dieser edlen Nation nach Jahren des Leidens ermöglicht hat, in Freiheit das Lob Gottes zu singen. Ihn bitte ich, diesen Besuch mit reichen Früchten für die katholische Kirche eures Landes, für die Gesamtheit der Kirchen und christlichen Gemeinschaften, für das ganze rumänische Volk zu segnen. 239 REISEN Euch allen danke ich für den herzlichen Empfang. Auch möchte ich dem Präsidenten dieser Konferenz, Msgr. Ludan Muresan, für die eben an mich gerichteten Worte danken, mit denen er eure enge Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri betont hat. Einen besonderen Gruß richte ich an den emeritierten Erzbischof von Fagaras und Alba Julia, Alexandra Kardinal Todea, mit dem ich hoffentlich Zusammentreffen werde. Ich möchte ihm meine Anerkennung für sein großes Zeugnis christlicher Treue und steter Einheit mit dem Stuhl Petri in den Jahren der Verfolgung aussprechen. Durch euch grüße ich auch die Priester, Ordensleute und Diakone, deren Begeisterung und Hingabe für das Reich Gottes mir wohl bekannt sind. 2. ln diesem letzten Vorbereitungsjahr des Großen Jubiläums betrachtet die gesamte Kirche die Person Gottvaters. Diese wertvolle Gelegenheit hilft uns allen, das von Jesus offenbarte väterliche Antlitz Gottes neu zu entdecken. Er nannte Gott mit dem vertrauten Namen „Abba“ (vgl. Mk 14,36) und offenbarte jene innige und wesensgleiche Beziehung, die ihn mit dem himmlischen Vater in der unergründlichen Tiefe des trinitarischen Mysteriums verbindet. Gleichzeitig hat er uns durch seinen Opfertod und die Gabe seines Geistes an seiner Sohnschaft teilhaben lassen, damit wir unsererseits Gott mit dem liebevollen Namen „Abba“, Vater, an-rafen können (vgl. Röm 8,15; Gal 4,6). Als Apostel Christi seid ihr berufen, diese Botschaft der Gnade weiterzugeben. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16): möge diese freudige Botschaft in euren Worten zum Ausdruck kommen, auf eurem Antlitz leuchten, durch eure Werke bezeugt werden. Möge für jeden von euch das gelten, was für den hl. Nike-tas gesagt wurde, als er zur Verkündigung des Evangeliums nach Dakien zurückkehrte: „O nimis terra et populi beati, / quos modo a nobis remeans adibis, / quos tuo accedens pede visitabit / Christus et ore“ (hl. Paulinus von Nola, Carmina XVII, 13-16). (Glückselige Erde und Völker, zu denen Du eben von uns kommend hingehst, indem Du deine Schritte zu ihnen lenkst, sucht Christus sie auf.) 3. Seid für eure Gläubigen das Abbild Christi, insbesondere als Urheber der Gemeinschaft. ln diesem Jahr des Vaters müssen wir den Wunsch Christi nach Einheit um so deutlicher spüren: „Heftiger Vater ... damit sie eins sind wie wir“ (Joh 17,11). Der Bischof ist der Garant der Gemeinschaft, und seine Rolle als Vater muss der Gemeinde helfen, als Familie zu wachsen, und gewissermaßen die göttliche Vaterschaft widerspiegeln (vgl. hl. Ignatius von Antiochien, An die Trallianer, HI,I). Es ist Aufgabe der Bischöfe, sich zahlreicher Formen und Anforderungen der Gemeinschaft anzunehmen. Von grundlegender Bedeutung ist die Gemeinschaft mit anderen Bischöfen, vor allem mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri. Diese „Communio“ muss in konkreterer Form mit den bischöflichen Mitbrüdem des eigenen Landes gelebt werden, damit sie zur Quelle gegenseitiger Bereicherung wird. Das gilt insbesondere dann, wenn, wie im Fall Rumäniens, die Tradition 240 REISEN der Kirche in unterschiedlichen Riten zum Ausdruck kommt, von denen jeder einzelne auf eigene Art und Weise zu Geschichte, Kultur und Heiligkeit beiträgt. In eurer Konferenz sind die Bischöfe der lateinischen und griechisch-katholischen Kirche wirkungsvoll vertreten, und einer von euch ist auch Ordinarius der armenischen Kirche. Sie bietet euch Gelegenheit zu brüderlicher Begegnung und gegenseitiger Unterstützung wie auch zur Koordinierung von Aktivitäten, die gemeinsame Fragen betreffen, wie beispielsweise die Evangelisierung und die Förderung der Menschen. Die in diesen Jahren gesammelten Erfahrungen haben gezeigt, daß diese Einrichtung ihren Vorteil hat. Als Beispiel der Einheit für eure ganze Gesellschaft verdeutlicht sie, dass legitime Verschiedenheit keineswegs ein Faktor der Spaltung sein muss, sondern, bereichert durch die Gaben jedes einzelnen, durchaus zu tieferer Einheit beitragen kann. 4. Man muss sich gegenseitig kennen und schätzen und einer des anderen Last tragen (vgl. Gal 6,2). Wir müssen das Volk Gottes, insbesondere die zukünftigen Priester, zu diesen Empfindungen der Anteilnahme hinfuhren. Diesem Zweck dient vor allem die gemeinsame Ausbildung der Seminaristen, damit sie wirklichkeitsbezogen lernen, den anderen zu achten und anzunehmen in der täglich erneuerten Hochachtung des ihnen anvertrauten gleichen wertvollen Glaubensgutes. Mögen sie tatsächlich Mittelpunkt eurer Aufmerksamkeit sein. Sowohl die Beziehungen der Gläubigen untereinander als auch zu den Priestern und zum Bischof müssen von Gemeinsamkeit gekennzeichnet sein, die in jeder Weise gefordert werden muß durch gegenseitiges Zuhören und die Förderung von beteiligten Gremien. Für dieses Zeugnis der Einheit und die Vitalität der kirchlichen Sendung selbst ist der Einsatz der Priester, dieser unentbehrlichen Mitarbeiter des „Ordo“ der Bischöfe, von entscheidender Bedeutung. Einerseits ist es die Pflicht der Priester, den Bischof als ihren Vater anzuerkennen und ihm ehrfürchtig zu gehorchen, andererseits - so betont das Konzil - „soll der Bischof wiederum seine priesterlichen Mitarbeiter als Söhne und Freunde ansehen“ (Lumen Gentium, Nr. 28). Meine Lieben, steht euren Priestern zur Seite. Unterstützt sie in Zeiten der Prüfung. Sorgt für ihre Weiterbildung und fordert gemeinsam mit ihnen den Bereich des Gebets, der Reflexion und der pastoralen Erneuerung. 5. Die gleiche Aufmerksamkeit muß natürlich auch den Ordensleuten gelten. Unter Berücksichtigung ihrer Charismen und der besonderen Eigenschaften jedes Instituts ist es Aufgabe der Bischöfe, ihre verschiedenen Ausdrucksformen für das Wohl der gesamten Kirche in Einklang zu bringen. Ferner müssen wir dem Herrn für die zahlreichen Berufungen danken, die er unter den Männern und Frauen Rumäniens weckt. Doch muss den zum Priesteramt und Ordensleben Berufenen eine sorgfältige, umfassende Ausbildung sowohl in theologischer als auch pastoraler und spiritueller Hinsicht zuteil werden. Das sollte möglichst in eurem eigenen Land geschehen, was die gründliche Ausbildung der Professoren, Erzieher und insbesondere der geistlichen Väter erforderlich macht. 241 REISEN Sicherlich ist vieles bereits getan worden, aber angesichts der komplexen und wachsenden Anforderungen unserer Zeit muss diese Richtung weiter verfolgt werden. 6. Ganz besondere Aufmerksamkeit erfordert die Förderung der Laien, ein dringendes Anliegen der gesamten Kirche; vor allem aber der Länder mit kommunistischer Vergangenheit. Wir müssen ihnen helfen, sich ihrer speziellen Berufung bewusst zu werden, denn es ist Sache der Laien, „in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen“ (Lumen Gentium, Nr. 31). Natürlich stehen den Laien auch innerhalb der christlichen Gemeinde viele Dienstbereiche offen, aber es ist ihre ganz spezielle Aufgabe, das Evangelium in jenen Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebens zu verkünden, in denen der Klerus normalerweise nicht tätig ist. Für diese wichtige Aufgabe brauchen sie die Unterstützung der gesamten Gemeinde. Auch die von den Bischöfen anerkannten Laienvereinigungen erfüllen ihre wichtige Aufgabe in einem Klima gegenseitiger Achtung und Zusammenarbeit mit den Hirten. 7. Nach den Ereignissen von 1989 konnte sich auch in eurem Land das demokratische System durchsetzen, dessen Aufbau jedoch Zeit, Geduld und Beständigkeit erfordert. Ihrerseits ist es der katholischen Kirche gelungen, sich neu zu organisieren und ihre pastorale Arbeit nun wieder uneingeschränkt auszuüben. Trotz zahlreicher Schwierigkeiten sollten wir zuversichtlich sein und uns mit der Hilfe des Herrn voll Begeisterung dem Werk der Neuevangelisierung widmen. Eine wesentliche Herausforderung ist die Sorge um eine angemessene Darstellung des Glaubens für die jungen Generationen. Statistisch gesehen, ist Rumänien ein relativ , junges“ Land. Leider stoßen junge Menschen heute auf neue Schwierigkeiten, die ihren Erziehungsweg behindern und bedrohen. Unbedingt sollte die Kirche die Aufgabe der Eltern, der ersten Erzieher ihrer Kinder, unterstützen und dann natürlich vor allem in der Katechese und dem Religionsunterricht ihren eigenen speziellen Beitrag leisten. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte die katholische Kirche zahlreiche Schulen mit einem gut entwickelten System zu ihrer Erhaltung. Durch die Beschlagnahme der Vermögen konnte dieses wichtige kirchliche Werk nicht weiter bestehen. Die Wiederherstellung der früheren Situation dürfte wohl kaum möglich sein, aber gerechterweise müßte man den Schulen die beschlagnahmten Güter zurückerstatten, um der Kirche auch im Bildungsbereich die Möglichkeit zu geben, ihre Sendung zu erfüllen. Zweifellos wäre das ein großer Vorteil für die gesamte Gesellschaft. 8. Die Rückerstattung der Güter ist eine oft auftauchende Frage, insbesondere für die katholische Kirche des byzantinisch-rumänischen Ritus, die noch immer zahlreiche Kultstätten entbehren muss, die ihr vor ihrer Unterdrückung zur Verfügung standen. Gerechtigkeit erfordert, daß das, was entwendet worden ist, nach Möglichkeit zurückgegeben werden muss. Aber bekanntlich fordern die Leiter der Kirche nicht gleichzeitig die Rückgabe aller beschlagnahmten Güter, sondern 242 REISEN möchten diejenigen, die überwiegend für liturgische Funktionen notwendig sind: Kathedralen, Dekanatskirchen usw. In diesem Zusammenhang habe ich mit großem Interesse die diesen Fragen gewidmete Arbeit der gemischten Kommission der rumänisch-orthodoxen Kirche und der griechisch-katholischen Kirche verfolgt. Trotz der Schwierigkeiten hatte diese Kommission zweifellos eine positive Funktion. Es ist mein aufrichtiger Wunsch, dass beide Seiten bereit seien, die Frage im Rahmen eines offenen und achtungsvollen Dialogs weiter zu erörtern, und ich hoffe, mit diesem Besuch einen weiteren Beitrag auf dem Weg des brüderlichen Dialogs der Wahrheit und der Liebe leisten zu können. Dieser Dialog ist auch in den breiteren Horizont ökumenischer Initiativen eingeschrieben, zu denen die ganze Kirche aufgerufen ist. Im Hinblick auf das angestrebte Ziel der Einheit aller Jünger Christi müssen wir uns mit Offenheit und Ausdauer sowohl für den theologischen als auch den arbeitsmäßigen Dialog mit den anderen Kirchen und christlichen Gemeinschaften einsetzen. In diesem Zusammenhang sollten wir uns an die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils erinnern, die hervorhebt, dass die Bekehrung des Herzens, die Heiligkeit des Lebens und das Gebet als Seele der ökumenischen Bewegung anzusehen sind (vgl. Unitatis redin-tegratio, Nr. 8). Ich hoffe, dass wir anlässlich des Jubeljahres auch in Rumänien zusammen mit unseren orthodoxen Brüdern und den anderen christlichen Gemeinschaften ökumenische Initiativen organisieren können, um gemeinsam vom Herrn zu erflehen, dass „die Einheit zwischen allen Christen der verschiedenen Konfessionen bis hin zur Erlangung der vollen Gemeinschaft wachsen möge“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 10). 9. Neben den innerkirchlichen und ökumenischen Aspekten müssen die Bemühungen der katholischen Kirche in Rumänien auch eindeutigen Erwartungen auf sozialer Ebene entsprechen. Zahlreiche Probleme erfordern das christliche Zeugnis. Hier möchte ich auf die besondere Aufmerksamkeit hinweisen, die der Familie, der Grundzelle der Gesellschaft gewidmet werden sollte. Ihr muss jene Orientierung und Unterstützung geboten werden, die sie braucht, um ihren Weg und ihre erzieherische Rolle auf wahre sittliche und spirituelle Werte zu gründen. Ganz besonders wichtig ist die Achtung für das Leben jeder Person, vom Augenblick der Zeugung bis zum natürlichen Tod. Auch der Ärmsten und Ausgestoßenen sollte sich die Kirche auf konkrete und großzügige Art und Weise annehmen. Es handelt sich hier um eine ungeheure Aufgabe, deren Verwirklichung die Koordinierung der kirchlichen Bemühungen mit den Initiativen staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen wie auch aller Menschen guten Willens erforderlich macht. 10. Meine Lieben, der Wiederaufbau der rumänischen Gesellschaft wird um so dauerhafter sein, je tiefer er in euren besten Traditionen verwurzelt ist. Vor allem muss die Glaubenskraft; derer wiederentdeckt werden, die bereit waren, ihr Leben zu opfern, um Gott oder die Kirche nicht zu verleugnen. 243 REISEN In jeder Kirche und religiösen Gemeinschaft eures Landes hat es, auch im 20. Jahrhundert, Märtyrer gegeben, denen ich heute meine Ehrerbietung erweisen möchte. Ihrerseits ist auch die katholische Kirche aufgerufen, ihrer Märtyrer zu gedenken, um ihrem Zeugnis der Treue und Hingabe an den Herrn zu folgen. Wir wollen uns zum Beispiel an den verstorbenen Bischof von Cluj-Gherla, Iluiu Kardinal Hossu (1885-1970), erinnern. Mein Vorgänger Paul VI. veröffentlichte, dass Msgr. Hossu einer der Kardinäle „in pectore“ des Konsistoriums vom 20. April 1969 war, und bezeichnet ihn als „hervorragenden Diener der Kirche, von hohem Verdienst aufgrund seiner Treue und der anhaltenden Qualen und Entbehrungen, die er ihrethalben erdulden mußte; seinerseits Symbol und Verkörperung der Treue zahlreicher Bischöfe, Priester, Ordensleute und Gläubigen der Kirche des byzantinischen Ritus“ (AAS LXV, 165). Auch die katholische Kirche des lateinischen Ritus war der Verfolgung ausgesetzt, wie der unerschrockene Diener Gottes Msgr. Aaron Matton (1896-1980), Bischof von Alba Julia, bezeugt, der zunächst inhaftiert wurde und später unter Hausarrest stand. Tief bewegt erinnere ich mich auch an den heroischen Bischof von Iasi Msgr. Antonio Durcovici (1888-1951), der im Gefängnis verstorben ist. Das sind nur einige von zahlreichen herausragenden Jüngern Christi, Opfern eines Regimes, das aufgrund seiner atheistischen Haltung Gott ablehnte und auch den dem Bild Gottes entsprechenden Menschen verachtete. 11. Nim, liebe Mitbrüder, hat ein neues Kapitel eurer Geschichte begonnen, ein Geschenk, aber gleichzeitig auch eine Aufgabe. Führt die euch anvertrauten Gemeinden mit kraftvoller Entschlossenheit, um eurem ganzen Volk eine dem Plan Gottes mehr und mehr entsprechende Zukunft zu sichern. Möget ihr auf Ihn vertrauen, der, seine Apostel in die Welt sendend, versprochen hat: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Der mütterlichen Obhut der hl. Jungfrau vertraue ich die mühevolle Aufgabe eurer Kirche an. Möge Sie, euer „Morgenstern“ in der Finsternis der Unterdrückung, nun der „Stern der Neuevangelisierung“ sein und der ganzen rumänischen Gesellschaft den Weg ihres Sohnes Jesus Christus weisen, jenen „Weg“, der zum Haus des Vaters führt. Euch, euren Priestern, Ordensleuten, Diakonen und allen Gläubigen dieses geliebten rumänischen Landes erteile ich von ganzem Herzen meinen Segen. 244 REISEN Die Waffen oblegen — den Dialog aufnehmen Gemeinsame Erklärung von Papst Johannes Paul II. und Patriarch Teoctist, Bukarest am 8. Mai Wir sind zusammengekommen in der Brüderlichkeit und der Liebe, die ihre Quelle haben im auferstandenen Christus, der für die ganze Menschheit „Weg, Wahrheit und Leben“ (vgl. Joh 14,6) ist. Unser tiefempfundenes Gedenken geht zu unseren von so vielen Prüfungen und Leiden bedrückten Brüdern und Schwestern der Bundesrepublik Jugoslawien. Als Väter und Diener unserer Gemeinschaften, mit all denen verbunden, deren Sendung es ist, der Welt von heute Den zu verkünden, der uns „zu einem Leben in Frieden“ (IKor 7,15) berufen hat, besonders verbunden mit den Hirten unserer Kirchen auf dem Balkan, wollen wir: - unsere menschliche und geistliche Solidarität all denen zum Ausdmck bringen, die, aus ihren Häusern und ihrem Land vertrieben und von ihren Lieben getrennt, die grausame Realität der Vertreibung erfahren; ebenso den Opfern mörderischer Bombardierungen und allen in der Bevölkerung, die daran gehindert sind, in Ruhe und Frieden zu leben; - im Namen Gottes an alle appellieren, die auf die eine oder andere Weise für die gegenwärtige Tragödie verantwortlich sind, dass sie den Mut haben, den Dialog wieder aufzunehmen und die geeigneten Bedingungen zu finden, einen gerechten und dauerhaften Frieden reifen zu lassen, der den Vertriebenen die Rückkehr nach Hause ermöglicht, die Leiden all derer abkürzt, die in der Bundesrepublik Jugoslawien leben - Serben, Albaner und Menschen anderer Nationalität -, und die Basis schafft für ein neues Zusammenleben unter den Völkern der Föderation; - die internationale Gemeinschaft und ihre Institutionen ermutigen, von allen Mitteln des Rechtes Gebrauch zu machen, um den am Konflikt beteiligten Parteien zu helfen, ihre Meinungsverschiedenheiten nach den geltenden Abmachungen zu lösen,vor allem jener, die sich auf die Achtung der fundamentalen Menschenrechte und die Zusammenarbeit zwischen souveränen Staaten beziehen; - alle, insbesondere die christlich ausgerichteten humanitären Organisationen unterstützen, die sich dafür einsetzen, die augenblicklichen Leiden zu lindem. Wir bitten inständig dämm, ihrem Wirken, mit dem sie - ohne Unterschied von Nationalität, Sprache oder Religion - allen Betroffenen helfen wollen, kein Hindernis in den Weg zu legen. - Schließlich appellieren wir an die Christen aller Konfessionen, sich konkret einzusetzen und sich zu verbinden in einmütigem und unablässigem Gebet für den Frieden und für das Einvernehmen unter den Völkern. Wir vertrauen diese Anliegen der Heiligsten Jungfrau an, auf dass sie bei ihrem Sohn, der „unser Friede“ (Eph 2,14) ist, Fürsprache einlege. Im Namen Gottes, des Vaters aller Menschen, bitten wir die am Konflikt beteiligten Parteien inständig, endgültig die Waffen niederzulegen. Wir fordern die sich 245 REISEN Jene Union trug das Echo von Jahrhunderten der Geschichte und Kultur des rumänischen Volkes mit sich. Zu dieser Geschichte und Kultur leistete auch gerade jene Union einen Beitrag von großer Bedeutung. Das zeigt die Schule, die in jenem Blaj entstand, das selbst Eminescu nicht von ungefähr als „kleines Rom“ bezeichnete. Ihr setzt euch ein, liebe Brüder und Schwestern der griechisch katholischen Kirche, für die Treue zu eurer Geschichte und Tradition. Gestalten wie Teofilo Szeremi und Anghel Atanasio Popa, die ihre kulturelle Identität tapfer gegen jeden verteidigt haben, der sie anzugreifen suchte, zeigen, wie Katholischsein und nationale Kultur nicht nur miteinander leben, sondern sich auch gegenseitig befruchten können, wenn sie sich dazu noch für eine Universalität öffnen, welche die Horizonte erweitert und Verschlossenheit und Rückzug in sich selbst verhindern hilft. Zu Füßen der prächtigen Ikonostase eurer Kathedrale haben schließlich die irdischen Reste des verehrten Bischofs Inochentie Micu Klein ihren Ruheort gefunden. Auch er war ein Mensch, der seinen katholischen Glauben, fest verbunden mit seiner rumänischen Identität, liebte und hochherzig und mutig verteidigte. Ein Beweis für diese fruchtbare Synthese ist die Tatsache, daß in eurer Kirche die schöne rumänische Sprache in die Liturgie Eingang fand und dass die griechisch-katholischen Rumänen viel für die intellektuelle Erneuerung und das Wiedererstarken der nationalen Identität getan haben. 4. Dieses Erbe fand auch reichlich Nahrung in den Schätzen der Liturgie und der byzantinischen Tradition, die ihr mit den Geschwistern der orthodoxen Kirche gemeinsam habt. Ihr seid berufen, dieses Erbe wieder lebendig werden zu lassen und, wo notwendig, es wieder instand zu setzen. Inspiriert euch dabei an dem Empfinden derer, welche die Union mit Rom gewollt haben, und an dem, was die katholische Kirche sich von euch erwartet. Die Treue zu eurer Tradition, so reich in ihrer Zusammensetzung, muß heute, da euch neue Freiheitsräume gegeben sind, ständig erneuert werden, damit eure Kirche in der Rückkehr zu ihren Wurzeln und in der Offenheit für den Ruf des Geistes immer mehr sie selbst sein und gerade auf Grund dieser vielseitigen Identität zum Wachsen der Universalkirche beitragen kann. Es erwartet euch eine begeisternde Aufgabe, nämlich: die Hoffnung neu beleben in den Herzen der Gläubigen eurer Kirche, die wieder ersteht. Schenkt den Laien Raum und Aufmerksamkeit, besonders den Jugendlichen, die ja die Zukunft der Kirche sind. Lehrt sie, Christus im liturgischen Gebet zu begegnen, das nach den Zwängen des Untergrunddaseins wieder in Schönheit und Feierlichkeit hergestellt ist; ihm zu begegnen in der eifrigen Betrachtung der Heiligen Schrift, in Anlehnung an die Väter, Theologen und Mystiker. Erzieht die Jugendlichen auf schwierige Ziele hin, wie es Nachkommen von Märtyrern ziemt. Lehrt sie, die leichtfertigen Täuschungen des Konsumdenkens zurückzuweisen; in ihrem Land zu bleiben, um gemeinsam eine glückliche, friedliche Zukunft aufzubauen; sich für Europa und die Welt zu öffnen; den Armen zu dienen, die das Bild Christi sind; sich als Christen auf ihre Berufsaufgabe vorzubereiten, um in die bürgerliche Gesellschaft Redlichkeit und Solidarität einzubringen; 248 REISEN der Politik nicht mißtrauisch gegenüberzustehen, sondern sich daran zu beteiligen in jenem Geist des Dienstes, den sie besonders nötig hat. Arbeitet für eine Qualifizierung der theologischen Unterweisung, in dem Bewusstsein, dass die zukünftigen Priester die Führungskräfte sind, welche die Gemeinden ins neue Jahrtausend leiten. Macht gemeinsame Anstrengungen, bildet die Dozenten und die Erzieher aus und verwurzelt sie in eurer besonderen Identität und zugleich im universalen Atem der Kirche. Tragt Sorge für das Ordensleben und wirkt für das Wiedererstehen des Mönchtums, das so eng mit dem Wesen der Ostkirchen verbunden ist. 5. „Vor allem aber liebt einander“ (Kol 3,14), sagt der hl. Paulus. Noch ehe euch das wirklich unschätzbare Geschenk der Freiheit und selbst das Leben genommen wurde, habt ihr darunter gelitten, dass ihr euch nicht geliebt fühltet, dass ihr zum Untergrunddasein gezwungen wart, mit schmerzlicher Isolierung vom nationalen und internationalen Leben. Vor allem wurde den Beziehungen zu den Brüdern und Schwestern der orthodoxen Kirche eine schmerzende Wunde beigebracht, obgleich ihr mit vielen von ihnen die Leiden wegen des Zeugnisses für Christus in der Zeit der Verfolgung geteilt habt. Wenn auch die Gemeinschaft zwischen Orthodoxen und Katholiken noch nicht vollständig ist, so glaube ich doch, „daß sie darin schon vollkommen ist, was wir alle als den Gipfel des Gnadenlebens betrachten, den Märtyrertod, die intensivste Gemeinschaft, die es mit Christus geben kann, der sein Blut vergießt und durch dieses Opfer jene, die einst in der Feme waren, in die Nähe kommen läßt (vgl. Eph 2,13)“ (Ut unum sint, Nr. 84). Diese Tage sind für die Christen Tage der Vergebung und der Versöhnung. Ohne dieses Zeugnis wird die Welt nicht glauben: Wie können wir glaubhaft von Gott sprechen, der die Liebe ist, wenn es keinen Waffenstillstand für das Gegeneinanderstehen gibt? Heilt die Wunden der Vergangenheit durch die Liebe. Das gemeinsame Leiden soll keine Trennung vemrsachen, sondern das Wunder der Versöhnung wecken. Ist das nicht das Wunder, das die Welt sich von den Gläubigen erwartet? Auch ihr, liebe Brüder und Schwestern, seid berufen, nach den Weisungen des II. Vatikanischen Konzils und des kirchlichen Lehramts euren wertvollen Beitrag zum ökumenischen Dialog in der Wahrheit und in der Liebe zu leisten. 6. Ich komme eben vom katholischen Friedhof dieser Stadt. An den Gräbern der wenigen bekannten Märtyrer und der vielen, deren sterblichen Resten nicht einmal die Ehre eines christlichen Begräbnisses zuteil wurde, habe ich für euch alle gebetet. Und ich habe eure Märtyrer und die Bekenner des Glaubens angemfen, dass sie für euch beim Vater im Himmel Fürsprache einlegen. Insbesondere habe ich die Bischöfe angemfen, daß sie vom Himmel aus weiterhin eure Hirten sein mögen: Vasile Aftenie, und Joan Balan, Valeriu Traian Frentiu, Joan Suciu, Tit Liviu Chi-nezu, Alexandru Rusu. Am Anfang eures Martyrologiums steht geistigerweise die Konzelebration dieser Bischöfe, deren Blut sich vermischt hat mit dem des eucha-ristischen Opfers, das sie täglich gefeiert hatten. Ich habe auch Kardinal Juliu Hossu angemfen, der es vorzog, bis zum Tod bei den Seinen zu bleiben, und der 249 REISEN darauf verzichtete, nach Rom überzusiedeln, um vom Papst das Kardinalsbirett zu empfangen, weil das bedeutet hätte, sein geliebtes Land zurückzulassen. Auf eurem Weg zu Christus, der Quelle wahrer Freiheit, begleiten sie euch, zusammen mit Maria, der heiligen Gottesmutter. Ihr vertraue ich euch an mit den Worten des Liedes, das ihr in der Verfolgung vertrauensvoll an sie gerichtet habt: „Laß uns nicht, Mutter, erschöpft auf dem Weg zurück; wir sind ja die Kinder deiner Tränen.“ Zeugnisse des christlichen Glaubens - Wesensmerkmale rumänischer Kultur Ansprache bei der Begegnung mit Seiner Seligkeit Patriarch Teoctist und den anderen Mitgliedern des Hl. Synods am 8. Mai Eure Seligkeit, verehrte Metropoliten und Bischöfe des Hl. Synods der orthodoxen Kirche von Rumänien! 1. Bei meiner Vorbereitung auf diese lang erwartete Begegnung hatte ich oft eine Szene aus dem Evangelium vor Augen: die des Apostels Andreas, eures ersten Glaubensboten, der sich voller Enthusiasmus zu seinem Bruder Petrus begibt, um ihm diese aufsehenerregende Nachricht zu verkünden: „Wir haben den Messias gefunden. Messias heißt übersetzt: der Gesalbte (Christus)“ (Joh 1,41). Diese Entdeckung veränderte das Leben der beiden Brüder: Sie verließen ihre Netze und wurden „Menschenfischer“ (vgl. Mt 4,19) Nachdem sie vom Pfmgstgeist innerlich verwandelt worden waren, machten sie sich auf in die Straßen der Welt, um allen Menschen die Heilsbotschaft zu bringen. Mit ihnen führten auch andere Jünger ihr begonnenes Wirken für das Evangelium fort: Sie forderten die Nationen zur Rettung auf und tauften sie „auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes {Mt 28,19). Eure Seligkeit, verehrte Brüder im Bischofsamt! Wir sind die Söhne jener Evangelisierung. Auch wir haben diese Nachricht erhalten, auch wir wurden in Christus losgekauft. Wenn wir uns heute treffen, so ist es dank einer gütigen Fügung der Heiligsten Dreifaltigkeit, die uns - als Nachfolger dieser Apostel - an der Schwelle zum großen Jubeljahr gewähren wollte, deren Begegnung zu gedenken. Die Kirche ist gewachsen und hat sich auf der ganzen Welt verbreitet; das Evangelium hat die Kulturen befruchtet. Auch hier in Rumänien haben die Schätze der Heiligkeit und christlichen Treue, die zuweilen um den Preis des Lebens erkauft wurden, diesen geistigen Tempel, d. h. die Kirche, noch wertvoller gemacht. An diesem Tag wollen wir dafür gemeinsam Gott danken. 2. Die innere Bewegung, die Ihr Besuch, Eure Seligkeit, in der Stadt der Apostelfürsten Petrus und Paulus auslöste, ist in meiner Erinnerung noch sehr lebendig. 250 REISEN Ich bewahre ein inniges Gedenken an diese Begegnung, die in einer für Ihre Kirche schwierigen Zeit stattfand. Jetzt bin ich es, der als Pilger der Nächstenliebe dieses Land aufsucht. Es ist getränkt mit dem Blut alter und neuer Märtyrer, die „ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht“ haben {Offb 7,14). Ich komme, einem Volk zu begegnen, das das Evangelium aufgenommen, seine Annahme gefördert und gegen wiederholte Angriffe verteidigt hat und es jetzt als wesentlichen Bestandteil seines kulturellen Erbes betrachtet. Es handelt sich um eine behutsam entwickelte Kultur, gegründet auf das Erbe des antiken Rom, in einer Tradition der Heiligkeit, die aus den Zellen unzähliger Mönche und Nonnen hervorgegangen ist Sie weihten ihr Leben dem Lob Gottes und erhoben - wie Moses - ihre Arme zum Gebet, um den friedlichen Kampf des Glaubens zum Segen für die Völker dieser Erde zu gewinnen. Die Botschaft des Evangeliums erreichte so die Intellektuellen: Viele von ihnen haben mit ihrem Talent dazu beigetragen, deren Aufnahme durch neue Generationen von Rumänen, die sich um den Aufbau ihrer Zukunft bemühen, zu fordern. Eure Seligkeit, ich bin als Pilger hierher gekommen, um auszudrücken, wie nahe Ihnen die ganze katholische Kirche in ihrer Zuneigung ist und wie sehr sie an den Bemühungen der Bischöfe, Priester und Gläubigen der rumänisch-orthodoxen Kirche Anteil nimmt - nun da ein Jahrtausend zu Ende geht und das nächste sich schon am Horizont abzeichnet. Ich bin euch nahe und unterstütze euch mit Hochachtung und Bewunderung in dem Programm zur kirchlichen Erneuerung, das der Hl. Synod in verschiedenen wesentlichen Bereichen - wie theologische und kate-chetische Unterweisung - unternommen hat, um die christliche Seele, die eins ist mit eurer Geschichte, erneut zum Blühen zu bringen. Sie sollen wissen, Eure Seligkeit, dass bei diesem gottgesegneten Werk der Erneuerung die Katholiken sowohl im Gebet als auch in ihrer Bereitschaft zu jeder Art erfolgversprechender Zusammenarbeit an der Seite ihrer orthodoxen Brüder stehen. Das „eine“ Evangelium will von allen gemeinsam verkündet werden - in Liebe und gegenseitiger Wertschätzung. Wie viele Gebiete tun sich vor uns auf für eine Aufgabe, die uns alle verpflichtet in gegenseitiger Achtung und in dem gemeinsamen Wunsch, der Menschheit, für die der Sohn Gottes sein Leben hingegeben hat, dienlich zu sein! Das gemeinsame Zeugnis ist ein wirksames Mittel zur Evangelisierung. Spaltung hingegen zeigt den Sieg der Finsternis über das Licht an. 3. Eure Seligkeit, wir haben beide im Verlauf unserer persönlichen Geschichte die Ketten gesehen und die Unterdrückung durch eine Ideologie erlebt, die den Glauben an Christus, den Herrn, aus der Seele unserer Völker tilgen wollte. Aber die Tore der Hölle konnten nicht Oberhand gewinnen über die Kirche, die Braut des Lammes. Er, Christus, das geopferte und glorreiche Lamm, hat uns in unserer Not beigestanden und ermöglicht uns nun, den Gesang der wiedergefundenen Freiheit anzustimmen. Er, den einer eurer zeitgenössischen Theologen als „Erneuerer des Menschen“ bezeichnet hat, heilt den kranken Menschen und richtet ihn nach der langjährigen Unterwerfung unter dem schweren Joch der Sklaverei wieder auf. Nach so vielen Jahren der Gewalt und Unterdrückung der Freiheit kann die Kirche 251 REISEN den Balsam der Gnade auf die Wunden der Menschen gießen und sie im Namen Christi mit den Worten des Petrus an den Gelähmten heilen: „Silber und Gold besitze ich nicht. Doch was ich habe, das gebe ich dir: lm Namen Christi, des Nazo-räers, geh umher!“ (Apg 3,6). Die Kirche wird nicht müde, die Männer und Frauen unserer Zeit zu ermahnen und aufzufordem, sie sollen aufstehen, den Weg zum Vater wiederfinden und sich mit Gott versöhnen lassen. Das ist die erste Barmherzigkeit, welche die Menschheit von uns erwartet: die Verkündigung des Evangeliums und die Wiedergeburt in den Sakramenten, fortgesetzt im Dienst an den Brüdern. Eure Seligkeit, ich bin gekommen, das in Ihre Kirche eingeprägte Antlitz Christi zu betrachten; ich bin gekommen, dieses leidende Antlitz zu verehren, das für Sie das Unterpfand einer neuen Hoffnung ist. Im Bewusstsein, „den Messias gefunden zu haben“, bemüht sich Ihre Kirche darum, ihre Kinder und alle Menschen, die mit ehrlichem Herzen Gott suchen, zu ihm zu führen; sie tut dies durch die Feier der Göttlichen Liturgie und durch die tägliche Seelsorge. Dieses Engagement deckt sich mit Ihrer Tradition, die so reich ist an Gestalten, denen es gelang, ein inneres Leben in Christus mit einem großherzigen Dienst an den Bedürftigen und ein leidenschaftliches Engagement im Studium mit einer unermüdlichen pastoralen Fürsorge zu verbinden. Ich möchte hier nur an den hl. Mönch und Bischof Kallinikos von Tschemik erinnern, der dem Herzen der Gläubigen von Bukarest so nahe steht. 4. Eure Seligkeit, liebe Brüder im Bischofsamt! Unsere Begegnung findet an dem Tag statt, an dem die byzantinische Liturgie den Festtag des hl. Apostels und Evangelisten Johannes des Theologen feiert. Wer könnte uns besser als er, der vom Meister so sehr geliebt wurde, die lebendige Erfahrung der Liebe vermitteln? Das ist es, was in seinen Briefen als Synthese seines Lebens erscheint, das Wort, das ihm auch im Alter - wenn alles Überflüssige verschwunden ist - bleibt, um seine persönliche Erfahrung zu kennzeichnen: „Gott ist die Liebe“ (7 Joh 4,8). Das hatte er verstanden, als er seinen Kopf an das Herz Jesu gelegt und als er seine Augen zu seiner durchbohrten Seite, aus der das Wasser der Taufe und das Blut der Eucharistie flössen, erhob. Diese Erfahrung der Liebe Gottes fordert uns nicht einfach zum Lieben auf; ich möchte fast sagen, sie zwingt uns sanft zur Liebe als einzige und wahre Synthese des christlichen Glaubens. „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, läßt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand“ (7 Kor 13,4-7). Dies sind die Worte, die der Apostel Paulus an eine von Konflikten und Spannungen zerrissene Gemeinde richtete. Diese Worte haben zu jeder Zeit Gültigkeit Wir wissen wohl, daß diese Worte heute an uns alle gerichtet sind. Sie sollen nicht dazu dienen, dem anderen seine Fehler vorzuhalten, sondern vielmehr unsere eigenen einzugestehen: die Fehler eines jeden von uns. Wir haben Entzweiungen, Beschuldigungen, innerliches Zögern und gegenseitige Ablehnung 252 REISEN erlebt. Und dennoch sind die einen wie die anderen Zeugen dafür, dass - trotz dieser Spaltungen - zur Zeit der großen Prüfung, als unsere Kirchen bis in ihr Fundament erschüttert schienen, auch hier, in diesem Land Rumänien, die Märtyrer und Bekenner eines Herzens und einer Seele den Namen Gottes verherrlichten. In der Betrachtung des wunderbaren Werkes des Geistes, für menschliche Logik unverständlich, findet unsere Schwachheit ihre Kraft und unser Herz Mut und Vertrauen inmitten der Schwierigkeiten der heutigen Zeit. 5. Es freut mich, daß es hier in Rumänien konkret möglich war, einen brüderlichen Dialog ins Leben zu rufen über die Probleme, die uns noch trennen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die griechisch-katholische Kirche Rumäniens gewaltsam unterdrückt, ihre Rechte wurden geschmäht und verletzt. Ihre Kinder haben viel gelitten, manche bis hin zum äußersten Blutzeugnis. Das Ende der Verfolgungen hat ihnen die Freiheit wiedergegeben, aber das Problem der kirchlichen Strukturen wartet immer noch auf eine endgültige Lösung. Möge der Dialog der Weg zur Heilung noch offener Wunden und zur Lösung noch bestehender Schwierigkeiten sein! Der Sieg der Liebe wird ein Vorbild nicht nur für die Kirchen, sondern für die ganze Gesellschaft sein. Ich bete zu Gott, dem Vater allen Erbarmens und Quell des Friedens, damit die erhaltene und gegebene Liebe das Zeichen sei, durch das die Christen als ihrem Herrn treu erkannt werden. Die orthodoxen Kirchen und die katholische Kirche haben einen langen Weg der Versöhnung zurückgelegt: Ich möchte Gott meine bewegte und tiefe Dankbarkeit für alles, was geleistet wurde, zum Ausdruck bringen, und ich möchte Sie, verehrte Brüder in Christus, für Ihre großherzigen Bemühungen auf diesem Weg danken. Ist jetzt etwa nicht die Zeit gekommen, um die theologische Forschung entschlossen wiederaufzunehmen, unterstützt vom Gebet und von der Sympathie aller - orthodoxen und katholischen - Gläubigen? Gott weiß, daß unsere Welt, unser europäischer Kontinent, den wir eigentlich von Bruderkriegen befreit sehen möchten, ein Zeugnis brüderlicher Liebe brauchen, das über Haß und Auseinandersetzungen die Überhand gewinnt und die Herzen zur Versöhnung bereit macht! Wo sind unsere Kirchen, wenn der Dialog verstummt und die Waffen ihre Sprache des Todes ertönen lassen? Wie können wir unsere Gläubigen zur Logik der Seligpreisungen erziehen, die sich so sehr von der Denkweise der Mächtigen dieser Welt unterscheidet? Eure Seligkeit, liebe Brüder im Bischofsamt! Geben wir der Kirche eine sichtbare Einheit zurück, sonst verliert die Welt ein Zeugnis, das nur die Jünger des gestorbenen und durch die Liebe auferweckten Gottessohnes liefern können, um die Welt dazu zu bringen, sich dem Glauben zu öffnen (vgl. Joh 17,21). Was aber kann die Menschen von heute zum Glauben an Ihn bewegen, wenn wir weiterhin das nahtlose Gewand der Kirche zerreißen, wenn es uns nicht gelingt, durch unseren Einsatz für die Überwindung der Hindernisse, die sich dem vollen Offenbarwerden der Einheit entgegen stellen, von Gott das Wunder der Einheit zu erhalten? Wer wird uns dieses fehlende Zeugnis verzeihen? Ich habe mit all meiner Kraft nach der Einheit gesucht, und ich werde mich auch weiterhin bis zuletzt darum bemühen, 253 REISEN daß die Einheit zu den ersten Anliegen der Kirchen und derer gehört, die diese durch das apostolische Amt leiten. 6. Euer Land ist mit Klöstern überreich ausgestattet, wie z. B. St. Nikodemus von Tismana, in den Bergen und in Wäldern verborgen, dem Mittelpunkt unablässigen Gebets und der Anrufung des hl. Namens Jesu. Durch Paisij Welitschkowskij und seine Jünger wurde Moldawien zum Zentrum einer Erneuerung des Mönchtums, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts auch auf die Nachbarländer ausstrahlte. Das klösterliche Leben, das auch in Zeiten der Verfolgung nie aufgehört hat, brachte und bringt noch heute Persönlichkeiten von bedeutendem spirituellem Format hervor, um die sich in den letzten Jahren eine vielversprechende Blüte von Berufungen entwickelt hat. Die Klöster, die mit Fresken geschmückten Kirchen, die Ikonen, die liturgischen Ornate, die Manuskripte sind nicht nur Juwelen eurer Kultur, sondern auch bewegende Zeugnisse des christlichen Glaubens, und zwar eines gelebten christlichen Glaubens. Dieses künstlerische Erbe, hervorgegangen aus dem Gebet der Ordensbrüder und -Schwestern, der Handwerker und Bauern, die von der Schönheit der byzantinischen Liturgie inspiriert wurden, ist ein besonders bedeutsamer Beitrag zum Dialog zwischen Orient und Okzident und zur Wiedergeburt der Brüderlichkeit, die der Heilige Geist an der Schwelle zum neuen Jahrtausend in uns weckt. Ihr Land Rumänien - zwischen „latinitas“ und Byzanz — kann zum Boden der Begegnung und Gemeinschaft werden. Dieses Land wird durchquert von der majestätischen Donau, die durch die Regionen des Ostens und des Westens fließt: Möge Rumänien - wie dieser Fluß - sich fähig erweisen, Beziehungen der Eintracht und Gemeinschaft zwischen unterschiedlichen Völkern zu knüpfen und auf diese Weise zur Festigung der Zivilisation der Liebe sowohl in Europa als auch in der Welt beitragen! 7. Eure Seligkeit, liebe Väter des HI. Synods! Wenige Tage trennen uns vom Beginn des dritten Jahrtausends der christlichen Zeitrechnung. Die Menschen halten ihren Blick, erwartungsvoll auf uns gerichtet. Sie öffnen die Ohren, um von uns -aus unserem Leben mehr noch als aus unseren Worten - die altüberlieferte Verkündigung zu, hören: „Wir haben den Messias gefunden.“ Sie wollen sehen, ob auch wir in der Lage sind, die Netze unseres Stolzes und unserer Ängste zu verlassen, um „ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen“. Wir werden diese Schwelle überschreiten mit unseren Märtyrern und mit all jenen, die ihr Leben für den Glauben hingegeben haben: Orthodoxe, Katholiken, Anglikaner, Protestanten. Seit jeher ist das Blut der Märtyrer eine Saat, die neue Christen hervorbringt. Um dies aber zu erreichen, müssen wir an uns selbst sterben und den alten Menschen in die Wasser der Wiedergeburt versenken, um als neue Geschöpfe aufzuerstehen. Wir dürfen den Anruf Christi und die Erwartungen der Welt nicht enttäuschen. Auch dürfen wir es nicht versäumen, unsere Stimmen zu vereinen, damit das ewige Wort Christi für die neuen Generationen noch deutlicher erklingt. 254 REISEN Ich danke Ihnen dafür, dass Sie als erste orthodoxe Kirche den Papst von Rom in Ihr Land eingeladen haben; danke, dass Sie mir die Freude dieser brüderlichen Begegnung gegeben haben;danke für das Geschenk dieser Pilgerfahrt, die es mir ermöglicht hat, durch die Begegnung mit dem Glauben frommer Brüder meinen Glauben in Christus zu stärken. „Kommt, gehen wir gemeinsam im Licht des Herrn!“ Ihm sei die Herrlichkeit in ewigkeit. Amen! Bewusstsein für die gemeinsame Berufung zur Einheit schärfen Predigt bei der Eucharistiefeier auf dem Izvor-Platz in Bukarest am 9. Mai 1. „Wie ehrfurchtgebietend sind deine Taten!“ Der Antwortspalm der heutigen Liturgie ist ein Lobgesang zur Verherrlichung des Herrn lur die Werke, die er vollbracht hat, Lobpreis und Danksagung vor allem für die Schöpfung, das Meisterwerk göttlicher Güte, und für die Wunder, die der Herr für sein Volk gewirkt hat, indem er es aus der ägyptischen Knechtschaft befreite und durch das Rote Meer führte. Und was sagen wir zu dem noch außergewöhnlicheren Werk der Inkarnation des Wortes, das den ursprünglichen Plan zur Erlösung der Menschheit verwirklicht hat? Der Ratschluß des himmlischen Vaters geht mit dem Tod und der Auferstehung Jesu in Erfüllung und betrifft die Menschen aller Rassen und Zeiten. Christus, so schreibt der hl. Petrus in der zweiten Lesung, „ist der Sünden wegen ... gestorben, er, der Gerechte, für die Ungerechten ... dem Fleisch nach wurde er getötet, dem Geist näch lebendig gemacht“ (1 Petr 3,18). Der gekreuzigte Christus ist auferstanden! Jeder Gläubige ist berufen, diese große österliche Botschaft mutig zu verkünden und zu bezeugen. Bevor er diese Welt verließ, kündigte der Erlöser den Jüngern das Kommen des Parakleten an: „Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird“ (Joh 14,16-17). Er ist es, der seitdem die Kirche beseelt und sie zum Zeichen und Werkzeug der Erlösung aller Menschen macht. Er wirkt in den Herzen der Christen und macht ihnen das Geschenk und jenen Auftrag bewußt, den der auferstandene Herr ihnen anvertraut hat. Der Geist drängte die Apostel, alle damals bekannten Straßen der Welt zu bereisen und das Wort Gottes zu verkünden. Auf diese Art und Weise kam die Evangeliumsbotschaft nach Rumänien und konnte sich auch hier ausbreiten durch das heroische Zeugnis der Glaubensbekenner und Märtyrer von gestern und heute. 255 REISEN Die Geschichte der Kirche hier in Rumänien zurückverfolgend, können wir wirklich mit tiefer Dankbarkeit im Herzen sagen: „Wie ehrfurchtgebietend sind die Taten des Herrn!“ 2. „Wie ehrfurchtgebietend sind die Taten des Herrn! Dieser Besuch erinnert mich unwillkürlich an die Worte des Psalmisten, denn hier habe ich Gelegenheit, mit eigenen Augen jene Wunder zu sehen, die Gott im Laufe derJahrhunderte und vor allem in letzter Zeit unter euch gewirkt hat. Noch vor wenigen Jahren wäre ein Besuch des Bischofs von Rom bei den Glaubensbrüdem und -schwestem hier in Rumänien undenkbar gewesen. Heute, nach einem langen Winter der Not und Verfolgung, begegnen wir uns schließlich im Zeichen des Friedens zum gemeinsamen Lobpreis Gottes. Liebe Brüder und Schwestem, ich grüße euch alle mit großer Zuneigung. In Ehrerbietung und Herzlichkeit grüße ich Seine Seligkeit, der, in einer anerkennenswerten Geste der Liebe, gemeinsam mit uns in dieser Eucharistifeier gebetet hat. Seine Anwesenheit und Brüderlichkeit haben mich zutiefst bewegt. Ihm möchte ich meine Anerkennung aussprechen, während ich unserem Herrn Jesus Christus für alles danksage. Mit neuer Freude grüße ich euch, liebe, verehrte Brüder im Bischofsamt, insbesondere den Hirten dieser Erzdiözese, Msgr. Joan Robu, dem ich von Herzen für seine zu Beginn der Messe an mich gerichteten Worte danke, und den Metropoliten von Fagaras und Alba Julia, Msgr. Lucian Muresan, Präsident der Bischofskonferenz. Im Geiste umarme ich alle und jeden einzelnen der meinem Herzen in gleicher Weise nahestehenden Katholiken des lateinischen und des byzantinisch-rumänischen Ritus. Ich grüße die Priester, die Ordensleute und die im apostolischen Dienst tätigen Laien, die Jugend und die Familien, die Kranken und all jene, die von körperlichem und geistigem Leid geprüft sind. Von dieser Hauptstadt aus möchte ich ganz Rumänien, all seine Menschen umarmen: allen, nah und fern, versichere ich meine Zuneigung und mein Gebet. Es ist mir eine große geistliche Freude, auf rumänischem Boden zu sein und gemeinsam mit euch Gott für seine wundervollen Werke zu danken, an die wir uns, wie die Osterliturgie auffordert, mit Freude und Dankbarkeit erinnern sollen. 3. Während dieses Jahrhundert seinem Ende zugeht und sich das anbrechende dritte Jahrtausend bereits abzeichnet, richtet sich unser Blick auf die vergangenen Jahre, um in ihnen jene Zeichen des göttlichen Erbarmens zu erkennen, die stets die Schritte deijenigen begleiten, die auf Gott vertrauen. Denken wir an das II. Vatikanische Konzil, das eine neue Epoche in der Geschichte der Kirche einleitete und ihr neue Impulse gab. Die Konstitution Lumen Gentium stärkte das Bewusstsein der Kirche als Volk Gottes auf dem Weg zur Erfüllung des Reiches. Wir nehmen das Geheimnis der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche wahr und erkennen den Wert ihrer Sendung insbesondere hier, auf rumänischem Boden, wo Christen östlicher und westlicher Tradition nebeneinander leben. In ihrem Streben nach Einheit und aufrichtig bemüht, der Aufforderung Christi zu folgen, suchen sie den Dialog, Verständnis füreinander 256 REISEN und gegenseitige Unterstützung. Dieser durch das Gebet beseelte und von Anerkennung und gegenseitiger Achtung inspirierte Wunsch nach brüderlicher Zusammenarbeit sollte stets mehr und mehr begünstigt und gefordert werden, denn nur der Friede haut auf, während Uneinigkeit zerstört. Im Namen dieser großen ökumenischen Inspiration richte ich mich an alle Christgläubigen in Rumänien. Einzig und allein der Wunsch nach wahrer Einheit und der Wille, jenes Petrasamt zu erfüllen, das mir der Herr unter Glaubensbrüdem und -schwestem anvertraute, haben mich in eure Mitte gebracht. Ich danke Gott, der mir ermöglicht, diese Sendung zu erfüllen. Ich hoffe und bete, daß die volle brüderliche Gemeinschaft aller Christgläubigen im Westen und im Osten so bald wie möglich verwirklicht werden kann. Für diese von der Liebe beseelte Einheit betete der göttliche Meister beim letzten Abendmahl, am Vorabend seines Leidens und Todes. 4. Diese Einheit der Christen ist vor allem das Werk des Heiligen Geistes, um das wir unablässig bitten müssen. Das Pfingstgeschehen erfüllte die bis zu diesem Augenblick unbeholfenen und ängstlichen Apostel mit Mut und apostolischem Eifer. Ohne Furcht verkündeten sie den gekreuzigten und auferstandenen Christus; sie scheuten sich nicht, mit den Worten und dem Leben ihre Treue zum Evangelium zu bezeugen, auch wenn das Verfolgung und sogar Tod bedeutete. Viele bezahlten diese Treue mit dem Martyrium. So konnte sich die Kirche unter der Führung des Geistes in allen Teilen der Welt ausbreiten. Zuweilen kam es zu Verständnislosigkeit und leider auch zu schmerzlichen Spaltungen innerhalb des einen und einzigen mystischen Leibes Christi. Stärker als jede Spaltung war jedoch das Bewußtsein von dem, was alle Gläubigen verbindet, und die gemeinsame Berufung zur Einheit. Am Ende des zweiten Jahrtausends läßt sich eine gewisse Annäherung der getrennten Wege erkennen, und wir erleben die Intensivierung der nach der vollen Einheit der Gläubigen strebenden ökumenischen Bewegung. Auch in eurem Land Rumänien, einem Land, dessen Kultur, Sprache und Geschichte Spuren der lateinischen und der orientalischen Tradition aufweist, sind die Zeichen dieser unermüdlichen Bemühungen um Einheit deutlich erkennbar. Es ist mein innigster Wunsch, daß das Gebet Jesu beim letzten Abendmahl; „Vater, alle sollen eins sein“ (vgl. Joh 17,21) stets auf euren Lippen sei und unaufhörlich in unseren Herzen pulsiere. 5. „Wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren“ {Joh 14,21). Diese am Vorabend seines Leidens den Jüngern anvertrauten Worte Jesu klingen für uns heute wie eine dringende Aufforderung, diesen Weg der Treue und der Liebe fortzusetzen. Christus lieben! Das höchste Ziel unseres Lebens: ihn in den konkreten Situationen des Lebens lieben, damit der Welt die Liebe des Vaters offenbar werde; ihn mit aller Kraft lieben, damit sich sein Heilsplan erfülle und sich in ihm die volle Gemeinschaft der Gläubigen verwirkliche. Möge dieser brennende Wunsch nie in unseren Herzen erlöschen! 257 REISEN Liebe rumänische Katholiken, ich weiß sehr wohl, wie sehr ihr in den harten Jahren des kommunistischen Regimes gelitten habt; ich weiß auch, mit wieviel Mut ihr Christus und seinem Evangelium die Treue gewahrt habt. Nun, an der Schwelle des dritten Jahrtausends, dürft ihr keine Angst haben: öffnet weit eure Herzen für Christus, den Erlöser! Er liebt euch und steht an eurer Seite; er ruft euch auf zu neuem evangelischen Einsatz. Der Glaube ist ein Geschenk Gottes und ein unermeßlich wertvolles Gut, das wir bewahren und verbreiten müssen. Seid stets bereit, zum Schutz und zur Förderung gemeinsamer Werte mit allen verschiedenen ethnisch-sozialen und religiösen Gruppen eures Landes aktiv zusammenzuarbeiten. Möge jede eurer Entscheidungen stets von Hoffnung und Liebe beseelt sein. Maria, die Mutter des Erlösers, begleite und schütze euch, damit ihr neue Seiten der Heiligkeit und des hochherzigen christlichen Zeugnisses in der Geschichte Rumäniens schreiben könnt. Amen! Grüße des Papstes in verschiedenen Sprachen während der heiligen Messe auf Ungarisch: Liebe Gläubige ungarischer Sprache! Mit großer Zuneigung grüße ich euch. Ich danke euch für die Treue dem Nachfolger Petri gegenüber. Bewahrt den Glauben und euer kulturelles Erbe ... auf Deutsch: Liebe Gläubige deutscher Sprache! Ich grüße euche sehr herzlich und freue mich, euch hier begegnen zu dürfen. Trotz verschiedener Sprachen und Kulturen blicken wir gemeinsam auf den Einen Herrn. Bewahrt euer kulturelles Erbe! Baut euer Leben auf dem Grundstein Jesus Christus! Bleibt fest in eurer Treue gegenüber dem Nachfolger Petri! Euer Glaube sei getragen vom Ökumenischen Geist im Zusammenleben in diesem Land, das ihr schätzt und liebt. Von Herzen erteile ich euch allen den Apostolischen Segen. Gelobt sei Jesus Christus! auf Polnisch: Herzlich grüße ich meine Landsleute, die in diesem Land leben. Seid treue Nachfolger Christi im persönlichen und familiären Leben. Der Herr segne euch! auf Rumänisch: Meine lieben Brüder und Schwestern! Meine Pilgerreise in euer Land geht nun dem Ende zu. Das Herz erfüllt von Dank für die innigen Augenblicke, die wir erlebt haben, rufe ich durch die Fürsprache des sei. Jeremias von der Walachei auf euch alle die Gnade des Herrn herab und segne euch mit großer Zuneigung. 258 REISEN Ohne Angst und Verdacht den gemeinsamen Weg gehen/ Regina Caeli in Bukarest am 9. Mai 1. „Gepriesen sei der Name des Herrn, jetzt und allezeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit!“ Mit den Worten des Schlußhymnus der Göttlichen Liturgie will ich dem Herrn aus tiefem Herzen Dank sagen für den Augenblick froher Brüderlichkeit und innigen Gebets, den wir eben miteinander erlebt haben. Gepriesen sei der Name des Herrn für das rumänische Volk. Seit den Anfängen seiner Evangelisierung hat es nie aufgehört, das Lob des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu singen. Auch in den dunkelsten Zeiten seiner Geschichte vertraute es weiter auf Gott gemäß den Worten des Psalmisten: „Bei Tag schenke der Herr seine Huld; ich singe ihm nachts und flehe zum Gott meines Lebens“ (Ps 42,9). Ich denke an die Schätze von Spiritualität und Heiligkeit, welche die profane Geschichte Rumäniens bereichert haben. Mit Ehrfurcht gedenke ich des Zeugnisses, das während der Verfolgungen so viele Christen, bekannte und unbekannte, abgelegt haben. Sie blieben im Glauben fest und verbreiteten manchmal um den Preis des eigenen Lebens weiter das Evangelium. Ihre Treue ist ein Zeichen der Hoffnung für alle Jünger des Herrn. Denn die wirkliche, wenn auch unvollkommene Gemeinschaft unter den Christen verschiedener Konfessionen bestätigt sich im Martyrium für Christus und kommt in der Gemeinschaft der Heiligen zur Vollendung. 2. Unter den zahlreichen, auf rumänischem Boden gewachsenen Zeugen Christi möchte ich an den Mönch von Rohia, Nicolae Steinhardt, erinnern: herausragende Gestalt eines Gläubigen und Mannes der Kultur, der den unermeßlichen Reichtum des den christlichen Kirchen gemeinsamen Schatzes in besonderer Weise erfaßt hatte. Insbesondere danke ich dem Herrn für den Glauben und die Hoffnung, von denen auf rumänischem Boden die Mitglieder der orthodoxen und der katholischen Kirche im Lauf dieses unseres schwierigen Jahrhunderts Zeugnis abgelegt haben. Durch sie wurden Verfolgungen und Leid zu wertvollen Gelegenheiten der Heiligung und Evangelisierung dieser Region. Aus der orthodoxen und der katholischen Kirche Rumäniens erhebe sich ein einziger Lobgesang auf den Namen des Herrn! Er möge eine Symphonie von Stimmen bilden, die die herzliche Brüderlichkeit in den gegenseitigen Beziehungen kundtun und die volle Einheit aller Glaubenden erbitten. Die orthodoxe und die katholische Kirche Rumäniens, auf apostolischer Sukzession gegründet, haben dasselbe in den Heiligen Schriften gehütete Wort des Herrn und dieselben Sakramente. Insbesondere bewahren sie dasselbe Priestertum und feiern das einzige Opfer Christi, durch welches Er seine Kirche baut und wachsen läßt. 259 REISEN 3. Gepriesen sei der Name des Herrn für alles, was im Befolgen des Gebotes Christi vollbracht wird. Ich denke hier an den internationalen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche in ihrer Gesamtheit sowie an denjenigen zwischen der griechisch-katholischen Kirche und der rumänischen orthodoxen Kirche. Ebenso denke ich an die achtungsvolle pastorale Zusammenarbeit zwischen orthodoxen und katholischen Gläubigen, die auf verschiedenen Ebenen weiter wächst und auch unter der Jugend verheißungsvolle Früchte hervorbringt, sowie an die Bemühungen um eine interkonfessionelle Übersetzung der Bibel. Mögen die gegenseitigen Beziehungen stets frei sein von jeder Form von Angst und Verdacht. Sie mögen erkennen lassen, daß es Ziel allen pastoralen Wirkens ist, jedem zu helfen, in der Treue zum einzigen Herrn zu wachsen. In wenigen Monaten werden wir der 2000 Jahre seit der Geburt Jesu Christi feierlich gedenken. Es handelt sich um ein außergewöhnliches und bedeutsames Jubiläum für die Christen und für die ganze Menschheit, unter der das Christentum in diesen beiden Jahrtausenden eine so große Bedeutung gehabt hat. Zu Recht werden daher die Mitglieder der katholischen Kirche zusammen mit den Christen der verschiedenen Konfessionen diesen Anlaß mit Gott dankbarem Herzen für das Geschenk der Erlösung feiern. Das Große Jubiläum des Jahres 2000 spornt die Christen an, in die Zukunft zu blicken mit sehr wachem Bewusstsein für die Herausforderungen, die das herankommende neue Jahrtausend bringt. Unter diesen nimmt das Streben nach der Einheit aller Christgläubigen einen vordersten Platz ein. Mein Wunsch ist, dass wir, wenn noch nicht ganz geeint, so doch der vollen Gemeinschaft viel näher ins dritte christliche Jahrtausend eintreten. 4. Gepriesen sei der Name des Herrn schließlich für die Liebenswürdigkeit und Höflichkeit mit der ihr mich in diesen Tagen aufgenommen habt. Aufrichtige, tiefempfundene Dankbarkeit möchte ich an erster Stelle Seiner Seligkeit Patriarch Teoctist, dem Hl. Synod, dem Klerus und den Gläubigen der orthodoxen Kirche Rumäniens zum Ausdruck bringen, die mich mit offenen Armen und offenem Herzen empfangen haben! Der Herr segne diese altehrwürdige und ruhmreiche Kirche bei der Erfüllung ihres pastoralen Auftrages und leite alle Gläubigen an, der Welt ein neues und freudiges Zeugnis der vollen Gemeinschaft untereinander und mutiger Treue zum Evangelium zu bieten. Einen liebevollen und väterlichen Gruß richte ich an die Gläubigen der katholischen Kirche. Gott hat mir die Freude gewährt, euch zu sehen und mit euch zu beten. Wie Paulus zu den Ältesten von Milet, so sage ich zu euch: „Ich vertraue euch Gott und dem Wort seiner Gnade an“ (vgl. Apg 20,32). Über alle Bürger des geliebten Landes Rumänien rufe ich den Schutz Marias, der glorreichen Mutter Gottes herab. Ihre Kinder, die im Lauf der Geschichte gelernt haben, auf ihre mächtige Fürsprache zu vertrauen, mögen in ihr stets sichere Führung finden können, um auf eine Zukunft des Wohlstands und Friedens zuzugehen und zum Aufbau eines gerechteren und brüderlicheren Vaterlandes beizutragen. Amen! 260 REISEN Werdet zur Stätte der Begegnung für Ost und West! Grußworte beim Abschied am Flughafen Bäneasa am 9. Mai 1. Da ich nun dieses geliebte Land Rumänien wieder verlasse, richte ich vor allem an Sie, Herr Präsident, meinen Gruß und meinen Dank für die Aufnahme, die Sie mir bereitet haben. Durch Sie übermittle ich diese Empfindungen auch dem ganzen lieben rumänischen Volk, das, wie ich in diesen Tagen spürte, mich mit Herzlichkeit und Begeisterung umgeben hat. Ein besonderer Gruß gilt Seiner Seligkeit, dem Patriarchen Teoctist, den Metropoliten, den Bischöfen und dem ganzen Volk der ehrwürdigen orthodoxen Kirche Rumäniens. Brüderlich umarme ich die katholischen Bischöfe und Gemeinden des byzantinischen und des lateinischen Ritus, die alle meinem Herzen gegenwärtig sind. Ferner richtet sich mein Gruß an die anderen christlichen Konfessionen und an die Mitglieder der anderen im Lande anwesenden Religionen. 2. Es waren Tage tiefinnerer Bewegung, die ich intensiv erlebt habe und die meinem Herzen unauslöschlich eingeschrieben bleiben. Wie ein Geschenk aus der Hand Gottes haben wir die Ereignisse angenommen, an denen wir zusammen teilgenommen haben. Wir vertrauen darauf, daß sie Früchte der Gnade sowohl für die Christen als auch für das ganze Volk Rumäniens bringen werden. Eurem Land ist gleichsam an der Wurzel eine einzigartige ökumenische Berufung eingeschrieben. Auf Grund der geographischen Lage und auf Grund seiner langen Geschichte, auf Grund der Kultur und der Tradition ist Rumänien gewissermaßen ein Haus, worin Morgenland und Abendland in natürlichem Dialog einander begegnen. Auch die Kirche atmet hier besonders deutlich mit ihren beiden Lungen. Das haben wir in diesen Tagen erleben können. Die einen neben den anderen, wie Petrus, Andreas und die anderen Apostel, versammelt im Gebet mit der Muttergottes im ersten Abendmahlssaal, haben wir ein neues geistliches Pfingsten erlebt. Das Wehen des Heiligen Geistes ist kräftig über dieses Land gegangen und hat uns angetrieben, stärker in der Gemeinschaft und kühner in der Verkündigung des Evangeliums zu sein. Die neue Sprache, die uns geschenkt wurde, die Sprache der brüderlichen Gemeinschaft, haben wir angewandt und haben ihre Güte und ihre Schönheit, ihre Kraft und ihre Wirkung verkostet. 3. Wenn sich nun bald die Tür des dritten Jahrtausends auftut, wird von uns gefordert, über unsere gewohnten Grenzen hinauszugehen, um in den Ländern des alten Kontinents und bis an die äußersten Grenzen der Welt das Pfingstwehen mit größerer Kraft spüren zu lassen. Leider scheint der bedrohliche Waffenlärm vorherrschend zu sein gegenüber der gewinnenden Stimme der Liebe, und die entfesselte Gewalt ist dabei, von neuem die Wunden aufzureißen, die man mit Mühe und Geduld zu heilen suchte. 261 REISEN Aufs neue spreche ich den Wunsch aus, man möge endlich dazu kommen, die Waffen niederzulegen, um einander wieder zu begegnen und erneut und wirksamer gemeinsame Friedensgespräche zu beginnen! In dieser Hinsicht kommt den Christen, welcher Konfession sie auch angehören mögen, eine wichtige Rolle zu. Sie sind heute berufen, mit größerem Mut ihre Brüderlichkeit zu leben und zu bezeigen, damit die Völker ermutigt, ja gedrängt werden können, das wiederzufinden und zu festigen, was sie verbindet. Das geistliche Ereignis, das wir mit dem Segen des hl. Demetrius und der heiligen Märtyrer der letzten Jahrzehnte erlebt haben, ist eine Erfahrung, die wir bewahren und weitergeben müssen, in der Hoffnung, daß das neue Jahrtausend, das sich vor uns öffnet, eine Zeit erneuerter Gemeinschaft zwischen den christlichen Kirchen und der Entdeckung der Geschwisterlichkeit zwischen den Völkern sei. Das ist der Traum, den ich mitnehme, während ich dieses mir liebe Land verlasse. 4. Diesen Traum möchte ich euch allen anvertrauen. Insbesondere möchte ich ihn an die Jugendlichen übergeben. Ja, an euch, liebe Jugendliche von Rumänien! Gern hätte ich euch persönlich treffen wollen; leider war es nicht möglich. Heute abend mache ich mir die Worte zu eigen, mit denen Petrus, als der Pfingsttag zu Ende ging, denen, die ihm zuhörten, das Eintreffen der Verheißung Gottes ankündigte: „Ich werde meinen Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und eure Töchter werden Propheten sein, eure jungen Männer werden Visionen haben, und eure Alten werden Träume haben“ (Apg 2,17). In diesen Tagen vertraut der Heilige Geist euch, ihr Jugendlichen, den „Traum“ Gottes an, nämlich: daß alle Menschen zu seiner Familie gehören mögen, daß alle Christen eins seien. Geht mit diesem Traum ins neue Jahrtausend! Ihr, die ihr euch vom Druck der kommunistischen Diktatur befreit habt, laßt euch nicht von den trügerischen und gefährlichen Träumen des Konsumdenkens täuschen. Auch sie töten die Zukunft. Jesus lässt euch ein neues Rumänien erträumen, ein Land, in welchem sich der Orient und der Okzident brüderlich begegnen können. Dieses Rumänien ist euren Händen anvertraut. - Baut es mit Kühnheit zusammen auf. Der Herr vertraut es euch an. Und ihr vertraut euch Ihm in dem Wissen an: „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut“ (Ps 126[127],1). Der Herr segne Rumänien, er segne sein Volk, er segne Europa! 262 REISEN 3. Pastoralbesuch in Ancona (30. Mai) Im Gebet für den Frieden nicht nachlassen Angelus in Ancona am Dreifaltigkeitssonntag, 30. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am Ende dieser beeindruckenden Eucharistiefeier wenden wir uns der allerheiligsten Maria zu, die in der Erzdiözese Ancona-Osimo in zahlreichen Kirchen, Kapellen und Sanktuarien verehrt wird: Gerne erwähne ich hier die Marienheiligtümer der Seligen Jungfrau und Schmerzensmutter von Campocavallo in Osimo, der Muttergottes von Tomazzano in Filottrano, U. Lb. Frau vom Heiligen Herzen Jesu in Osimo, der Seligen Jungfrau vom Rosenkranz in Falconara. Ja, in eurer Kathedrale Sankt Cyriacus, deren 1000-jähriges Bestehen wir feiern, gibt es die Kapelle, welche der „Muttergottes, Königin aller Heiligen“, der Hauptpatronin eurer Stadt, geweiht ist. Von diesem Stadion aus begebe ich mich geistig auf Wallfahrt dorthin und trete vor die kunstvolle Ädikula, die das in der Frömmigkeit der Anconetaner so beliebte Gnadenbild der Muttergottes umrahmt. Es handelt sich um ein einfaches, aber ziemlich ausdrucksstarkes Gemälde, das der Überlieferung nach von einem venezianischen Matrosen als Exvoto für die Rettung bei einem Schiffbruch den Kanonikern der Kathedrale von Ancona überlassen wurde. Maria will ich die Gemeinschaft eurer Erzdiözese und alle Bewohner der Stadt anvertrauen. Möge sie euch in den Fluten des Lebens stets beschützen und bewahren. 2. Aus dieser Stadt, die nach ihrer Tradition mit dem Osten verbunden ist, muss ich den Blick jenseits des Adriatischen Meeres richten, das für viele Flüchtlinge einen schwierigen Weg der Hoffnung darstellt. Im Kosovo und in der Bundesrepublik Jugoslawien gehen die Unterdrückung und Gewalt leider erbarmungslos weiter mit zahllosen Menschenopfern und riesigen Schäden für die Umwelt. Ich erneuere heute meine eindringliche Einladung zum Frieden. Eine Einladung, die zum Gebet wird, dass Maria uns ein so grundlegendes und unersetzbares Geschenk erlangen möge. Während dieses Monats Mai habt auch ihr, auf meine Aufforderung antwortend, täglich den heiligen Rosenkranz gebetet, den „Friedens-Rosenkranz“ in Gemeinschaft mit den Gläubigen in der ganzen Welt. Angesichts des Andauems von Gewalt möge unser zuversichtliches Bittgebet für die Bevölkerung des Kosovo und Jugoslawiens nicht nachlassen, die seit zu langer Zeit schon Opfer einer Situation ist, die gerade im Nachfeld der 50-Jahrfeier der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte eine schwere Niederlage für die 263 REISEN Menschheit bedeutet. Wir wollen in unser Gedenken auch andere Völker mit hineinnehmen, die vor allem auf dem afrikanischen Kontinent einen unannehmbaren Tribut an Menschenleben, Hunger, Elend und Demütigungen wegen sich hinziehender, von der öffentlichen Meinung oft unbeachteter Bürgerkriegskonflikte zahlen. 3. Wenn wir heute besonders der Heiligsten Dreifaltigkeit gedenken, eines Ozeans der Liebe und des Friedens, bitten wir, dass die Menschheit Mut zur Versöhnung finden möge. Über die vielfachen Formen des Stolzes und der Lüge mögen Dialog, Solidarität und Liebe den Sieg davontragen. Gott wolle das Gewissen der Verantwortlichen erleuchten, dass sie den Schutz der Grundrechte der menschlichen Person über alles andere stellen. Denn jedes Mal, wenn Hass und Gewalt triumphieren, erleidet der Mensch eine Niederlage. Der Herr stehe mit seinem Trost und seiner Hilfe den Tausenden von Kindern, Frauen, alten Leuten und Kranken bei, die unschuldige Opfer des Krieges sind. Maria, die Königin des Friedens, die Königin aller Heiligen, bitte für uns, und erlange der Welt den Frieden! Wirken einer lebendigen Kirche im Dienst des Evangeliums Predigt während der Eucharistiefeier im Conero-Stadion in Ancona am 30. Mai 1. „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Ehre sei dem einen Gott, der war und der ist und der kommen wird“ {Ruf vor dem Evangelium; vgl. Qffbh 8). Wir bringen Gott Lobpreis dar, weil seine Vorsehung heute zwei Ereignisse Zusammentreffen lässt deren Inhalt verschieden ist, die aber in ihrer Bedeutung einander sehr nahe kommen: das Hochfest der Heiligsten Dreifaltigkeit und die Tausendjahrfeier eurer Kathedralkirche. Das prächtige Bauwerk, das hoch oben von der Anhöhe her die Stadt überblickt, ist in der Tat ein Symbol des Gottesvolkes, das hier auf dem Boden von Ancona -nach einem eindrucksvollen Wort Cyprians - vereint ist „durch die Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (De Orat Dom., 23: PL 4,536). Wenn wir die Tausendjahrfeier der Kathedrale begehen, feiern wir also auch die Wundertaten der Gnade und der Liebe, die in diesen zehn Jahrhunderten der Geschichte die Heiligste Dreifaltigkeit den christlichen Generationen, die in dieser Gegend an das Evangelium geglaubt haben und bemüht waren, danach zu leben, hat zukommen lassen. In diesem Bewusstsein ruft unsere in diesem festlich geschmückten Stadion zusammengekommene liturgische Versammlung mit Freude aus: „Gepriesen sei Gott der Vater und der einziggeborene Sohn Gottes und der Heilige Geist: denn groß ist seine Liebe zu uns.“ 264 REISEN 2. Ja, groß ist wahrhaftig die Liebe Gottes zu jedem von uns! Groß ist die Liebe Gottes zu jedem von euch, liebe Brüder und Schwestern von Ancona. Und eure schöne, dem hl. Cyrianus geweihte Kathedrale, ist ein greifbares Zeichen dafür. In ihrer Lage hoch über der Stadt ist sie, von außen betrachtet, ein schönes Symbol für die Anwesenheit des dreifältigen Gottes, der von oben her das Leben der Menschen lenkt und beschützt. Die Kathedrale bildet zugleich einen kräftigen Aufruf, nach oben zu schauen, sich aus dem Alltäglichen und aus allem, was das irdische Leben belastet, zu erheben, um die Augen stets in gespannter Erwartung auf den Himmel, auf die geistlichen Werte zu richten. Die Kathedrale ist gewissermaßen der Punkt, an dem zwei Bewegungen Zusammentreffen: die herabsteigende der den Menschen offenbarten Liebe Gottes, und die aufsteigende der Sehnsucht des Menschen nach der Gemeinschaft mit Gott, der die Quelle der Freude und des Friedens ist 3. „Gepriesen bist du im Tempel deiner heiligen Herrlichkeit. Gerühmt und verherrlicht in Ewigkeit.“ Mit diesem Vers des Antwortpsalms grüße ich in Freude euch alle, liebe Brüder und Schwestern, und danke frohen Herzens der göttlichen Vorsehung für die tausend Jahre eurer herrlichen Kathedrale. Wir gedenken eines Jahrtausends, das reich ist an Geschichte, an religiösen und kulturellen Traditionen, an arbeitsamem, mit dem Leben der Stadt und der Region verflochtenem christlichen Leben. Herzlich grüße ich euch alle, die ihr hier anwesend seid, angefangen mit eurem Hirten, dem lieben Erzbischof Franco Festorazzi. Ich danke ihm für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen zu Beginn der Feier an mich gerichtet hat. Mit ihm grüße ich die Bischöfe aus den Marken, Erzbischof von Zara und die anderen anwesenden Bischöfe. Einen ehrerbietigen Gruß richte ich an den Vizepräsidenten des Ministerrats, der in Stellvertretung der italienischen Regierung hierher gekommen ist, den Bürgermeister von Ancona, den Präfekten, den Präsidenten der Region und alle zivilen und militärischen Obrigkeiten, die dieses festliche Ereignis mit ihrer Anwesenheit ehren wollten. Herzlich grüße ich sodann die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen sowie die im Apostolat engagierten Laien. Ein besonderer Gruß gilt auch den Pilgern, die von anderen Orten gekommen sind, um mit uns diesen historischen Anlass festlich zu begehen, vor allem die Gruppe von Gläubigen aus Kroatien und Bosnien. Euch alle, ihr lieben Gläubigen der Erzdiözese Ancona-Osimo, umarme ich im Geist, und ich danke euch für den ausgezeichneten Empfang, den ihr mir bereitet habt. Er ist bezeichnend für das Feingefühl und die warme Herzlichkeit, die der Tradition der Marken eigen sind. 4. Wir haben eben die Worte des Apostels Paulus gehört: „Brüder! Strebt nach der Vollkommenheit, ermutigt euch gegenseitig, laßt euch ermahnen, seid eines Sinnes, und lebt in Frieden! Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein“ (vgl. 2 Kor 13,11). Die gleichen Worte richte ich voll Zuneigung und Herzlichkeit an euch, liebe Brüder und Schwestern. 265 REISEN Vor allem an euch, liebe Jugendliche! Mit dem hl. Paulus sage ich euch: „Strebt nach der Vollkommenheit“! Eine so anspruchsvolle Aufforderang setzt bei den Empfängern Begeisterangsfahigkeit voraus. Und ist diese nicht ein typischer Zug eures jugendlichen Alters? So sage ich also zu euch: Versteht es, groß zu denken! Habt Mut zum Wagnis! Mit Gottes Hilfe „strebt nach der Vollkommenheit“ Gott hat über jeden von euch einen Plan der Heiligkeit. Heute ist das „Kreuz der Jugendlichen“ hier bei euch. Es hat seit dem Heiligen Jahr 1984 die wichtigsten kirchlichen Jugendtreffen begleitet. Das Kreuz fordert euch auf, mutig jenen Glauben zu bezeugen, den ihr von Stephanus, Cyriacus und Leopardus, den Patronen eurer Gemeinschaften, ererbt habt. Seid bereit, den Weg der Neuevangelisierung fortzusetzen und mit dem siegreichen Kreuz Christi ins dritte Jahrtausend zu gehen. 5. „Seid eines Sinnes.“ Liebe Familien, und besonders ihr, junge Eheleute, nehmt diese Aufforderung zur Einheit der Herzen und zur vollen Gemeinschaft in Gott an. Groß ist die Berufung, die ihr von ihm empfangen habt! Er beruft euch, Familien zu sein, die für das Leben und die Liebe offen und fähig sind, Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft weiterzugeben angesichts einer Gesellschaft, die manchmal zeigt, dass ihr das abhanden gekommen ist. „Freut euch“, wiederholt euch heute der Apostel Paulus. Für den Christen beruht der tiefe Grand für die innere Freude im Worte Gottes und in seiner Liebe, die nie vergeht. Durch dieses Bewusstsein gestärkt, setzt die Kirche ihren Pilgerweg fort und ruft allen zu: „Der Gott der Liebe und des Friedens wird mit euch sein“. 6. Mein Blick geht nun weiter über eure ganze Stadt. Mit dem Ausblick auf das Adriatische Meer bildet sie von jeher sozusagen einen „Brückenkopf zum Osten“. Die Geschichte von Ancona ist durchtränkt mit apostolischem Wagemut und Missionsgeist. Man braucht nur an den ersten heiligen Märtyrer Stephanus zu denken, dem die erste Kathedrale geweiht wurde, und an Primian, der griechischer Herkunft und erster Bischof der Stadt war. Und dann ist da der hl. Cyriacus, dessen wir bei den Jahrtausendfeiem dieser ihm geweihten Kathedrale in besonderer Weise gedenken: Er kam von Jerusalem. Libe-rius war Armenier, und auch die Märtyrer von Osimo - Florentius, Sisinius und Diokletius - stammten aus dem Osten. Es ist wahrhaftig ein weiter Horizont, der sich dem Ausblick von eurer Stadt aus darbietet! Als Durchgangsort für Händler und Pilger kannte eure Stadt jahrhundertelang das ruhige, gute Zusammenleben von griechischen und armenischen Gemeinden, die hier eigene Kultstätten errichtet und Beziehungen gegenseitiger Achtung und Zusammenarbeit mit der katholischen Gemeinschaft angeknüpft haben. Wir danken Gott, dass die Kirche von Ancona im Lauf der Jahrhunderte ein kosmopolitisches Gepräge angenommen und einen glühenden missionarischen Eifer entfaltet hat, wie es vielsagend bezeugt ist durch die Tätigkeit des Bischofs Antonio Maria Sacconi in China und des Bischofs Giacomo Riccardini im Mittleren Osten. 266 REISEN Dieses geistige Erbe trägt ununterbrochen weiter seine Früchte. Ein Beweis dafür ist unter anderem die missionarische Zusammenarbeit der Diözese mit der Kirchengemeinde von Anatuja in Argentinien. Ganz sicher wird sich eure Kirche auch neuen vielversprechenden Perspektiven öffnen und der ganzen christlichen Bevölkerung von Ancona einen erneuerten apostolischen Aufschwung im Dienst des Evangeliums einprägen. Und das wird eines der bedeutendsten Ergebnisse der Feiern zum Jubiläum eurer Kathedrale sein. 7. „Lebt in Frieden!“, mahnt der hl. Paulus. Die Kathedrale, meine Lieben, ist ein Symbol für die Einheit der Kirche. Auch hier in Ancona, wie ebenso im nahem Osimo, ist sie eine Stätte des Gotteslobes der ganzen Stadt gewesen, der Sitz der wiedergefundenen Harmonie zwischen Momenten des Gottesdienstes und des städtischen Lebens, Anhaltspunkt für die Befriedung des inneren Menschen. Angeregt durch das geschichtliche Gedenken, wollt ihr die Aktualität der Geschichte leben. Und wie eure Väter das herrliche Gotteshaus aus Stein zu bauen verstanden, auf dass es Zeichen und Aufruf zur „communio“ im Leben sei, so liegt es an euch, die Bedeutung des sakralen Baues dadurch sichtbar und glaubwürdig zu machen, dass ihr in der kirchlichen und der zivilen Gemeinschaft in Frieden lebt. Eingedenk der Vergangenheit, aufmerksam für die Gegenwart, aber auch auf die Zukunft ausgerichtet, wisst ihr Christen der Diözese Ancona-Osimo, dass der geistig-geistliche Fortschritt eurer kirchlichen Gemeinden und die Förderung des Allgemeinwohls der zivilen Gemeinden einen mühsamen Einsatz erfordern, eine immer lebendigere territoriale Einbeziehung. Der bisher zurückgelegte Weg und der Glaube, der euch beseelt, mögen euch Mut und Schwung geben, euer Wirken fortzusetzen. 8. „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13,13): Das ist der Gruß und Wunsch, den der Apostel Paulus an die Christen von Korinth richtete. Diesen selben Wunsch, der den Gedanken in die Dreifaltigkeit atmet, möchte heute der Nachfolger des Petrus an eure die Jahrtausendfeier der Kathedrale begehende Gemeinde richten. Christen von Ancona, seid, euren Ahnen nacheifemd, eine lebendige Kirche im Dienst des Evangeliums! Eine gastfreundliche und großzügige Kirche, die es versteht, mit ihrem beharrlichen Zeugnis die Liebe Gottes zu jedem Menschen, besonders zu den Leidenden und Bedürftigen, Gegenwart werden zu lassen. Ich weiß, dass ihr euch bereits dafür einsetzt. Das bezeugt unter anderem die Initiative, die die Kirche von Ancona zur Erinnerung an die Tausendjahrfeier in Angriff nehmen wollte: die Umstrukturierung des Gebäudekomplexes der Anunziata, der für die Solidaritätsdienste und die Jugendpastoral bestimmt wird. Der Papst spricht euch dafür seine Anerkennung aus und ermutigt euch dazu. 267 REISEN Maria, die ihr in eurer Kathedrale mit der schönen Bezeichnung „Königin aller Heiligen“ verehrt, wache von der Bergeshöhe aus über jeden von euch und über die Leute auf dem Meer. Und du, Königin der Heiligen, Königin des Friedens, erhöre unser Gebet: mach uns zu glaubwürdigen Zeugen für Jesus, deinen Sohn, und zu unermüdlichen Arbeitern für den Frieden. Amen. Einheit mit dem Bischof in der Gemeinschaft des Geistes Ansprache an den Klerus, die Ordensleute und die Vertreter der in der Diözesanpastoral engagierten Laien in Ancona am 30. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. In tiefer Zuneigung grüße ich euch in dieser schönen Kathedrale des hl. Cyriakus, Symbol und Mittelpunkt eurer Erzdiözese. Die Feier zum tausendjährigen Bestehen verdeutlicht die geheimnisvolle und heilsame Gegenwart Gottes in der Geschichte dieser Stadt und all das Gute, das diejenigen getan haben, die durch das aufmerksame und hochherzige Hören des Gotteswortes den Weg der Gnade geebnet haben. Ich denke an die in diesem Gotteshaus geweihten Priester und Diakone, die gottgeweihten Jungfrauen und die zahlreichen engagierten Christgläubigen, die hier die Kraft gesucht haben wirksame Steine des spirituellen Bauwerks der Kirche und von der Vorsehung bestimmte Instrumente der Heilsgeschichte zu werden. Dieses Treffen ist gewissermaßen die Fortsetzung der heute morgen zelebrierten hl. Eucharistiefeier, zu der sich die gesamte diözesane Gemeinschaft um den Nachfolger Petri und ihren Erzbischof versammelt hatte. Hier ist nun ihre tragende Struktur anwesend: Priester, Diakone, Ordensleute, Pastoralarbeiter und die Vertreter kirchlicher Laienbewegungen. Gegenstand der Begegnung heute morgen war die „durchsäuerte Masse“, die bereit war gutes Brot zu werden; nun stehen diejenigen im Mittelpunkt, die durch die Verwaltung der Sakramente und den Dienst am Wort Gottes die Dynamik des neuen Lebens im Geist des Evangeliums in die Geschichte dieser Bevölkerung einführen. Ich danke euch für eure Anwesenheit, für all das Gute, das ihr leistet, wenn ihr mit konstanter Hingabe und in treuer Liebe dem Ruf des Herrn folgt, der euch aussendet, seine Kirche, den mystischen Acker, zu bepflanzen und fruchtbar zu machen. Herzlichst grüße ich euren lieben Hirten, Msgr. Franco Festorazzi, denn vor allem ihm sind die Mühen und Freuden der Evangeliumsverkündigung in dieser alten und edlen Erzdiözese von Ancona-Osimo anvertraut. Ferner danke ich ihm für die herzlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. 2. Der Anblick eurer Kathedrale, deren dominierende Position und eindrucksvolle architektonische Struktur sie zum ausdrucksvollen Zeichen der Gegenwart Gottes machen, erinnert mich an die Worte des Psalmisten, der angesichts des Tempels von Jerusalem ausrief: „Ich freute mich, als man mir sagte: ,Zum Haus des Herrn 268 REISEN wollen wir pilgem“‘(Ps 122.1). Der Anblick des „schönen hl. Cyriakus“, wie es in einem eurer Volkslieder heißt, veranlasst uns zu einer ehrfürchtigen Anschauung des Schöpfergottes, jenes absoluten Meisters, der das Universum in all seiner Schönheit und Harmonie geschaffen hat (vgl. Gen 1,31). Er überträgt dem nach seinem Bild und Gleichnis geschaffenen Menschen die Aufgabe, sein Werk fortzusetzen, insbesondere ruft er die Künstler auf, in Verbindung mit dem Geheimnis der Schöpfung Propheten des Schönen zu sein. Die fruchtbare Beziehung zwischen Kunst, Evangelium und Kirche machte das Schöne zu einem einzigartigen Weg der Begegnung mit Gott, wie die anlässlich der Tausendjahrfeier eröffhete bedeutende Ausstellung „Steinerne Bücher“ verdeutlicht. Solch feierliche Anlässe sind ein Loblied auf den Herrn, der, indem er die Künstler, die diesen Tempel erbaut und ausgeschmückt haben, „für einen Augenblick jenen Abgrund an Licht“ schauen lässt, der in ihm seine Urquelle hat und ihnen „Zugang zur tiefsten Wirklichkeit des Menschen und der Welt“ und einen möglichen Heilsweg öffnet (vgl. Brief an die Künstler, Nr. 6). 3. Eure Kathedrale ist das Zeugnis einer tausendjährigen Glaubensgeschichte. Dieser jahrhundertealte, steinerne Tempel ist gleichzeitig auch die Mutterkirche, die die gesamte Gemeinschaft - „lebendige Steine für den Aufbau eines geistigen Hauses“ (vgl. 1 Petr 2,5) - aufnimmt und „auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut (ist); der Schlußstein ist Christus Jesus selbst“ (Eph 2,20). Die Bibelstellen, die, von der sichtbaren Realität des Tempels ausgehend, auf das Mysterium der Kirche verweisen, erinnern euch, die in ihr versammelte diözesane Gemeinschaft, an die Aufgabe, das zu verwirklichen, was das steinerne Bauwerk verkörpert. Die Tausendjahrfeiern rufen euch somit auf, mehr und mehr eine lebendige Kirche zu sein, die, dem Wind, den Stürmen und der gefährlichen Einflussnahme des Geistes der Welt trotzend, jeden Tag die in Jesus Christus offenbarte Liebe Gottes für die Menschen zum Ausdruck bringt. Als Haus Gottes auf dem Berg verpflichtet euch diese Kathedrale, eine beispielhafte Gemeinschaft zu sein, ein Anhaltspunkt für alle und auch ein Vorbild für die Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen in der bürgerlichen Gesellschaft. Liebe Brüder und Schwestern, welch einzigartige Mission vertraut euch der Vater an! Auf den Spuren der Märtyrer und Heiligen, die so bedeutsam sind für eure Geschichte, seid ihr berufen, euch für den geistigen Aufbau eurer Kirche mit der gleichen Liebe und Leidenschaft jener Baumeister einzusetzen, die zur Verwirklichung dieser herrlichen Kathedrale beigetragen haben. Eure Aufgabe ist größer noch als die ihre, denn es geht dämm, auf der Schwelle des neuen christlichen Jahrtausends das Antlitz der Kirche Gottes in Ancona-Osimo noch strahlender zu gestalten. 4. In dieser Zeit voller Glauben und Hoffnung möchte ich euch auf einige Möglichkeiten zur Verwirklichung dieser begeisternden Aufgabe aufmerksam machen, die zwar nicht ohne Schwierigkeiten, aber durch die Treue desjenigen unterstützt ist, der seinen Aposteln unablässig bestätigt: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28,20). 269 REISEN Vor allem rufe ich euch auf, die Einheit mit eurem Bischof stets zu vertiefen. Die Gemeinschaft des Geistes, des Herzens und der Taten ist das größte Geschenk des Herrn an seine Kirche, die Substanz des Lebens der christlichen Gemeinde und Ziel ihrer Mission. Sie verlangt von den Christen immerfort eine von Liebe, Annahme, Hochherzigkeit und Freude geprägte Antwort, die die wahre Identität der Jünger des Herrn (vgl. Joh 13,35) darstellt. In der Teilkirche sind die Bischöfe, „als Stellvertreter und Gesandte Christi“ (Lumen Gentium, Nr. 27) das sichtbare Prinzip und Fundament (ebd., Nr. 23) der Einheit, dem jeder Gläubige folgen muß wie dem Herrn. Der hl. Ignatius von Antiochien begründet diese Charakteristik der wahren Kirche Christi mit erleuchtenden Worten: „Daher ziemt es sich für euch, dem Willen des Bischofs entsprechend zu wandeln, wie ihr es auch tut. Denn euer ehrwürdiges Presbyterium, seines Gottes wert, ist so mit dem Bischof verbunden, wie die Saiten mit der Zither. Deshalb erklingt Jesu Christi Lied in eurer Eintracht und einmütigen Liebe. Aber auch ihr Laien müßt einen Chor bilden, damit ihr in Eintracht zusammenstimmt, in Einigkeit die Melodie Christi auffasst und mit einer Stimme durch Jesus Christus dem Vater lobsingt, so daß er euch höre und aus euren guten Werken erkennen wird, daß ihr Glieder seines Sohnes seid“ (Ignatius v. Ant.: Brief an die Epheser, 4; 1,2). Es ist mein aufrichtiger Wunsch, dass euer Bemühen um kollegiale Gemeinschaft in der Gemeinde Anconas stets neue Eintracht hervorrufen wird, fähig, den Herrn zu preisen und die Seelen zu Christus zu führen. 5. Ferner ermuntere ich euch, voll Freude der besonderen Berufung nachzukommen, die Gott jedem von euch geschenkt hat. Durch eure zahlreichen Dienstämter und Charismen seid ihr das Zeichen der unendlichen Liebe Gottes, „der seine vielfältigen Gaben gemäß seinem Reichtum und den Erfordernissen der Dienste zum Nutzen der Kirche austeilt (vgl. IKor 12,1-11)“ (Lumen Gentium, Nr. 7). In der Verschiedenheit der Glieder und der Aufgaben beruft der Herr jeden einzelnen von euch zur Auferbauung des Leibes Christi. „Ich ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging“ und der besonderen Berufung, die der Herr Jesus an euch gerichtet hat (vgl. Eph 4,1.11). Dieser Aufruf des Apostels Paulus verpflichtet alle mit Hochherzigkeit, Kreativität und Verantwortungsbewusstsein der erhaltenen Berufung zu entsprechen, um wirksame Elemente der Gemeinschaft zu werden und als freudige Zeugen des Glaubens den Ungläubigen nah und fern mit stets neuem Eifer das Evangelium zu verkünden. In dieser Hinsicht ist eine ernsthafte Ausbildungsarbeit unumgänglich, um die notwendigen Voraussetzungen zur Evangelisierung der heutigen Gesellschaft und Kultur zu schaffen, die der Evangeliumsverkündung oft in distanzierter und gleichgültiger Haltung gegenüberstehen. Unlängst habt ihr das neunzigjährige Bestehen des „Seminario Regionale Marchi-giano“ (das regionale Seminar der Marken) gefeiert, in dem sich zahlreiche Hirten eurer Kirche auf das Priesteramt vorbereitet haben. Dem Herrn für die beharrliche und weise Arbeit früherer und gegenwärtiger Ausbilder dankend, fordere ich euch 270 REISEN auf, alles zu tun, um dieser verdienstvollen Einrichtung eure konstante materielle und spirituelle Unterstützung zu sichern. Gleichzeitig ermuntere ich die Seminaristen, mit Großzügigkeit dem Ruf des Herrn und den Erwartungen des Gottesvolkes zu entsprechen und sich durch eine intensive spirituelle, theologische, kulturelle und menschliche Ausbildung auf die große Aufgabe vorzubereiten, die sie erwartet. 6. Die Zusammenarbeit zwischen den Pfarreien ist ein weiterer Weg zur Förderung und zum Aufbau der Einheit der diözesanen Gemeinschaft. Die Pfarrei ist „wie eine Zelle“ und ist die Grundstruktur des Bistums, die in jeder Form unterstützt werden muss, worauf auch die in den letzten Jahren ausgearbeiteten Pastoralpläne hinweisen. Sie „bietet ein augenscheinliches Beispiel für das gemeinschaftliche Apostolat; was immer sie in ihrem Raum an menschlichen Unterschiedlichkeiten vorfindet, schließt sie zusammen und fügt es dem Ganzen der Kirche ein“ (.Apostolicam actuositatem, Nr. 10) und muss als wertvolles Instrument zur Verwirklichung der Einheit der Teilkirche betrachtet werden. Die großzügige und intensive Zusammenarbeit der Pfarreien untereinander dient nicht nur zur Förderung der kirchlichen Gemeinschaft, sondern ist auch ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung des Pfarrgemeindelebens als solches. Indem sie sich den Problemen in einem weiteren Bereich öffnet, erkennt die Pfarrgemeinde den Reichtum der Gaben des Herrn, fordert die missionarische Dimension und bezieht die Gläubigen im Sinne der Orts- und Weltkirche ein. Liebe Pastoralarbeiter, bemüht euch nach Kräften sowohl im pfarrlichen wie auch zwischenpfarrlichen Bereich um die Realisierung aller möglichen Formen der Zusammenarbeit, die der besseren Verbreitung und Bezeugung des Evangeliums dienen. 7. Liebe Priester, Ordensleute und engagierte Laien! Zum Abschluss meines Besuches in eurer Gemeinde wünsche ich eurer Erzdiözese und jedem einzelnen von euch, dass die Tausendjahrfeier dieser Kathedrale auf der Schwelle des großen Jubeljahres ein besonderer Augenblick der Gnade sein und euer Bistum auf ein neues Jahrtausend des Glaubens und der Hoffnung vorbereiten möge. Möge Maria, Mutter der Kirche und Königin aller Heiligen, eure Liebe zur Kirche vertiefen und euch zum Sauerteig des Evangeliums machen, der die Menschen durchdringt. Mit diesen Wünschen und die hll. Cyriakus und Leopardo, die Schutzpatronen eures Erzbistums, anrufend, erteile ich von ganzem Herzen eurem Hirten, jedem von euch und der geliebten Kirche von Ancona-Osimo meinen besonderen Apostolischen Segen. 271 REISEN Krankenhaus - ein Mittelpunkt der Barmherzigkeit mit strömender Lebenskraft Graßworte an die Patienten des Krankenhauses von Ancona am 30. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es freut mich sehr einen herzlichen Graß an euch richten zu können. In erster Linie an euch, liebe Kranke! Jeden Tag widme ich in meinem Gebet einen besonderen Gedanken an die Kranken, und ich weiss, dass viele von euch das Gleiche für den Papst und die Kirche tun. Das mit Glauben und Liebe erlebte Leid wird zum Anlass einer tiefen spirituellen Vereinigung und dies ist ein Reichtum für alle. Außerdem grüße ich herzlich die Ärzte und das Pflegepersonal, sowie all jene Ordensleute und Laien, die jeden Tag ihren Dienst in diesem Krankenhaus mit großer Hingabe leisten. Ich bin anlässlich der 1000-Jahr-Feier der Kathedrale St. Cyriakus nach Ancona gekommen. Der steinerne Tempel gab mir die Gelegenheit, die Kirche zu besuchen, einer aus Männern und Frauen besteht, die Gemeinschaft lebendiger Steine. Und zu diesen lebendigen Steinen zählt auch ihr, die ihr der Prüfung der Krankheit mit Glauben und Liebe entgegentretet und dadurch zum Aufbau des geistigen Tempels, nämlich der Kirche Gottes, beitragt. 2. Liebe Kranke! Ich fühle mich im Geiste jedem von euch nahe, denn ihr nehmt im Herzen und in der Sendung der Kirche einen ganz besonderen Platz ein. Ihr erlebt gerade eine Zeit der Prüfung, die manchmal für die schwachen Kräfte des Menschen schwer zu ertragen ist. Besonders in diesen Augenblicken ruft Christus euch zur Verbindung mit ihm auf um an seinem Leiden teilzunehmen und die Macht seiner Auferstehung zu erkennen. Schon der Apostel Paulus hat uns das gesagt (vgl. Phil 3,10) und er fügt hinzu: „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt“ {Phil 4,13). Ja, Jesus ist unsere Kraft! Vor allem dann, wenn das Kreuz zu schwer wird und wir - wie auch er damals - Furcht und Angst empfinden (vgl. Mk 14,33). Erinnern wir uns also an seine Worte an die Jünger: „Wacht und betet“ {Mk 14,38). Indem wir mit ihm wachen und beten, dringen wir in das Geheimnis seines Osterfestes ein: Er gibt uns seinen Kelch zu trinken, der ein Kelch des Leidens, vor allem aber ein Kelch der Liebe ist. Die Liebe Gottes ist in der Lage, Böses in Gutes, Finsternis in Licht und Tod in Leben zu verwandeln. 3. Meine Lieben! Wenn wir uns vom Glauben erleuchten lassen, kann das Krankenhaus, das ein Ort des Leidens ist, zu einem Tempel der Barmherzigkeit für alle werden: für die Patienten, für diejenigen, die dort arbeiten oder die Kranken besuchen, und für die ganze Gemeinschaft der Christen. Ein Krankenhaus kann zu einer Zentrale der Barmherzigkeit werden, die Lebenskraft ausströmt; diese Lebenskraft ist das Ergebnis der gemeinsamen Verpflichtung, dem Leben zu dienen und das Böse mit dem Guten zu bekämpfen. 272 REISEN Wie sollten wir auch in diesem Moment nicht an jene Menschen denken, die der Gewalt des Krieges ausgeliefert sind und medizinischer Pflege bedürften? Nicht einmal die Krankenhäuser bleiben von den Auswirkungen des Krieges verschont! Dies ist das größte Übel: Hass und Gewalt des Menschen gegenüber seinem eigenem Bruder, Todeshass gegenüber dem Bruder; dies ist die erste Krankheit des Geistes, die wir bekämpfen müssen! Die einzige Therapie gegen dieses Übel ist Umkehr, Vergebung und Versöhnung. Von diesem Krankenhaus aus, in dem ihr -manchmal für viele Tage - ans Bett gefesselt leben müsst, könnt ihr allen Brüdern und Schwestern nahe sein, die in verschiedenen Gegenden der Welt, wo das Recht auf Leben und auf Gesundheit jeden Tag verletzt wird, leiden. Euer Krankheitszustand kann zu einer Brücke menschlicher und christlicher Solidarität werden: Das Kreuz Christi ist ein Quell des Friedens. 4. Wer kann uns bei dieser sicher nicht leichten Aufgabe helfen? Wer, wenn nicht die Frau, die zu Füßen des Kreuzes steht, die Mutter Jesu und unsere Mutter? Ihr, die wir als „Gesundheit der Kranken“ anrufen, vertraue ich jeden von euch an, damit ihr bald wieder gesund werdet und in der Zwischenzeit eure Prüfung mit der Seelenruhe annehmt, die das bedeutende Zeugnis der Kranken ist. Was mich betrifft, so werde ich die Erinnerung an euch in meinem Herzen bewahren; ich versichere euch meiner Gebete und danke euch erneut für die geistige Unterstützung, die ihr mir gebt. Jetzt erteile ich euch allen, euren Familien und denjenigen, die täglich in diesem Krankenhaus ihren Dienst tun, von Herzen den Apostolischen Segen. 273 REISEN 4. Pastoraireise nach Polen (5. bis 17. Juni) Ein neues Polen in Freiheit und Solidarität Ansprache bei der Ankunft in Danzig [Gdansk] am 5. Juni Herr Präsident der Republik Polen, Herr Kardinalprimas, Herr Erzbischof und Metropolit von Danzig! 1. Der göttlichen Vorsehung danke ich dafür, dass ich als Pilger nun zum siebten Mal meinen Landsleuten begegnen kann und die Freude habe, meine geliebte Heimat zu besuchen. Im Herzen umarme ich alle und jeden einzelnen: das ganze Land Polen und alle seine Einwohner. Empfangt meinen Liebes- und Friedensgruß, den Gruß eines Landsmannes, dem es Herzensanliegen ist, zu euch zu kommen und den Segen Gottes, der „die Liebe“ ist (vgl. 1 Joh 4,8), zu bringen. Ich grüße den Präsidenten und danke ihm für die freundlichen Worte, die er im Namen der staatlichen Autoritäten der Republik Polen an mich gerichtet hat. Ich begrüße die Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe. Dem Kardinalprimas danke ich aufrichtig für seinen Willkommensgruß. Ich grüße die ganze Kirche in Polen: die Priester, die männlichen und weiblichen Ordensgenossenschaften, alle Ordensleute, die Studenten der Priesterseminare und alle Gläubigen, besonders die Leidenden, die Kranken, die Einsamen und die Jugendlichen. Man muss sie nach diesem Geschrei grüßen. Ich bitte euch um euer Gebet, damit mein Dienst im Vaterland die erwarteten geistlichen Früchte bringt. 2. Meine Pilgerreise in die Heimat, die heute beginnt, ist sozusagen eine Verlängerung der vorhergegangenen des Jahres 1997. Ich beginne sie an der Küste des Baltikums, in Danzig, wo viele bedeutende Werke und wichtige Ereignisse in der Geschichte unserer Nation ihre Erfüllung fanden. Hier beendete der hl. Adalbert im Jahre 997 seine apostolische Sendung. Vor zwei Jahren war es mir gegeben, das Jubiläum zum 1000. Gedenkjahr seines Märtyrertodes feierlich zu eröffnen. Diese Jahrtausendfeier, begonnen in Prag, fortgesetzt in Gnesen, wird heute an den Gestaden des Baltikums in Danzig gefeiert. Er ist der Schutzpatron der Diözese Danzig, und daher habe ich meine ersten Schritte in diese Stadt gerichtet. Das Zeugnis des Martyriums Adalberts wurde zu einem Keim, der Heiligkeit erzeugt. Seit tausend Jahren dient die Kirche treu diesem Geheimnis der Gnade im Land der Piasten, und sie möchte auch in Zukunft diesen Dienst wirksam fortsetzen - in Nachahmung ihres einzigen Herrn und Meisters. Daher neigt sie stets zur Erneuerung, damit auf ihrem Antlitz allezeit das Abbild Christi, „als eines unübertrefflichen Zeugen geduldiger Liebe und demütiger Sanftmut“ (Tertio millennio 275 REISEN adveniente, Nr. 35) des Vaters selbst, zu erkennen ist. Eine solche Erneuerung hatte sich das II. Vatikanische Konzil vorgenommen, das unter dem Impuls des Heiligen Geistes der Kirche die Wege aufzeigte, die sie zum Ende des zweiten Jahrtausends gehen sollte, um das ewige Geheimnis eines liebenden Gottes in die heutige Welt zu bringen. Die zweite synodale Vollversammlung der polnischen Kirche, die am 8. Juni 1991 in Warschau eröffnet wurde und die wir während dieser Pilgerfahrt beschließen, hat die Aufgabe, diese Lehre des Konzils immer zu aktualisieren, damit die einmal begonnene innerliche Erneuerung des Gottesvolkes auf polnischem Boden sich fortsetzen und fruchtbringend erfüllen kann, um auf diese Weise zu einem neuen Frühling des Geistes beizutragen, der den Zeiten, auf die wir zugehen, angemessen ist. Die Kirche richtet ihren Blick in die Zukunft, bestätigt zugleich aber auch ihre Identität, die sich durch die Zusammenarbeit aller mit dem Heiligen Geist im Laufe zweier Jahrtausende herausgebildet hat. Diese Identität nimmt im Leben der heiligen Zeugen des Mysteriums von der Liebe des Geistes Gottes einen besonderen Ausdruck an. Die Seligsprechungen, die während dieser Wallfahrt in Warschau und Thom stattfmden werden, und die Heiligsprechung in Stary Sacz sollen die Größe und Schönheit der Heiligkeit des Lebens und die Kraft des Wirkens Gottes im Menschen zeigen. Gelobt sei Gott, der die Liebe ist, für alle Früchte dieser Heiligkeit und für alle Gaben des Geistes in diesem Jahrtausend, das sich seinem Ende zuneigt. Für diese Pilgerreise gibt es noch einen weiteren, sehr wichtigen Grund. Dieses Jahr begehen wir den 1000. Jahrestag seit der Errichtung des unabhängigen polnischen Metropolitensitzes Gnesen durch Papst Sylvester II.; er besteht aus vier Diözesen: Gnesen, Kolberg, Breslau und Krakau. In gewissem Sinne war dies das erste Ergebnis des Märtyrertodes des hl. Adalbert in Polen. Die Nation, die erst kurz zuvor getauft worden war, begann ihren Weg durch die Geschichte zusammen mit den Hirten und Bischöfen der neugegründeten Diözesen. Für die Kirche in Polen und für das ganze Land war dies ein großes Ereignis, dessen Andenken wir in Krakau feiern werden. 3. Besonders freue ich mich, dass diese Wallfahrt in mein Vaterland in Danzig beginnt, in einer Stadt, die für immer in die Geschichte Polens, Europas, ja vielleicht sogar der ganzen Welt eingegangen ist. Hier war nämlich die Stimme der Gewissen, die die Achtung der Würde des Menschen, vor allem des Arbeiters, forderte, besonders deutlich zu hören. Diese Stimme verlangte Freiheit, Gerechtigkeit, und Solidarität unter den Menschen. Der Aufschrei der aus dem Schlaf gerüttelten Gewissen erklang mit solcher Kraft, dass dadurch die Bresche für die ersehnte Freiheit geschlagen wurde. Für uns ist und bleibt sie eine große Aufgabe und eine Herausforderung für das Heute und für die Zukunft. In dieser Stadt Danzig entstand ein neues Polen, dessen wir uns heute in so großem Maße erfreuen und auf das wir so stolz sind. Ich stelle mit Genugtuung fest, dass unser Land auf dem Weg der wirtschaftlichen Entwicklung große Fortschritte gemacht hat. Dank der Bemühungen aller seiner Bürger kann Polen hoffnungsvoll in die Zukunft schauen. Es ist ein 276 REISEN Land, das sich in den letzten Jahren die besondere Anerkennung und die Achtung der anderen Nationen der Welt verdient hat. Für all das sei Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, gedankt. Ich bete unablässig dafür, dass die materielle Entwicklung des Landes Hand in Hand mit seiner geistigen Entfaltung geht. 4. Ich komme zu euch kurz vor Beginn des Großen Jubeljahrs 2000. Ich komme als Pilger zu den Söhnen und Töchtern meiner Heimat mit Worten des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Am Ende dieses Jahrtausends und zugleich an der Schwelle zur zukünftigen Zeit möchte ich mit meinen Landsleuten über das große Geheimnis Gottes, der die , Jiebe ist“, nachdenken. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde gebt, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Mit euch verneige ich mich vor diesem unerfaßlichen Geheimnis der göttlichen Liebe und Barmherzigkeit. Es ist mein sehnlicher Wunsch, dass während dieser Pilgerreise und durch mein Hirtenamt die göttliche Botschaft der Liebe alle, jede Familie, jedes Haus, alle meine Landsleute erreicht - sowohl in Polen als auch außerhalb seiner Grenzen, wo immer sie auch sein mögen. „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen“ (vgl. 2 Kor 13,13), und begleite uns an allen Tagen dieser Wallfahrt im Vaterland. Gelobt sei Jesus Christus! Berufung zur Liebe - Freiheit zum Versagen Predigt während der Eucharistiefeier in Danzig [Gdansk] am 5. Juni 1. „Im Vertrauen darauf weiß ich, daß ich bleiben und bei euch allen ausharren werde, um euch im Glauben zu fördern und zu erfreuen, damit ihr euch in Christus Jesus um so mehr meiner rühmen könnt, wenn ich wieder zu euch komme“ (Phil 1,25-26), sagt der Apostel Paulus in der heutigen Liturgie. Es ist der Philipperbrief, aber diese Worte klingen hier, auf den Spuren des hl. Adalbert, ganz wunderbar, als spräche nicht Paulus zu den Philippem, sondern Adalbert zu uns Polen. Das Echo dieser Stimme ist in dieser Gegend, wo der Schutzpatron der Danziger Kirche den Märtyrertod erlitt, unablässig zu hören. „Denn für ihn war Christus das Leben und Sterben Gewinn“ (vgl. Phil 1,21). Er kam 997 nach Danzig, wo er das Evangelium verkündete und die heilige Taufe spendete. Christus wurde vom hl. Adalbert durch sein einsatzfreudiges Leben und seinen heldenhaften Tod verherrlicht. Im Laufe meiner vorigen Pilgerreise nach Gnesen sagte ich beim Grab des hl. Adalbert, dass er „als treuer und hochherziger Knecht Christus nachfolgte und sein Zeugnis mit dem eigenen Leben bezahlte. Darum hat der Vater ihn geehrt. Das Volk Gottes hat ihn auf Erden als Heiligen verehrt, weil es davon überzeugt war, dass ein Blutzeuge Christi im Himmel von der Herrlichkeit des Vaters umgeben ist ... Sein Blutzeugnis bildet... die Grundlage der Kirche Polens und des Staates im 277 REISEN Land der Piasten“ (Predigt am 3. Juni, 2; O.R. dt. 1997, Nr. 24, S. 9-10). Zwei Jahre nach seinem Tod sprach die Kirche ihn heilig, und heute - während ich dieses heilige Opfer feiere - gedenke ich seiner zum 1000. Jahrestag seiner Kanonisa-tion. 2. Mein Dank gilt Gott dafür, dass ich noch ein mal zu euch kommen konnte und dass wir nun dieses Jubiläum gemeinsam feiern. Der Tag, den der Herr uns in seiner Güte geschenkt hat, ist bedeutend. Ich freue mich über diese nochmalige Gelegenheit zum Besuch der geschichtsträchtigen und schönen Stadt Danzig. Ich begrüße seine Einwohner und die ganze Erzdiözese sowie die Bewohner von Zoppot, Gdingen und anderer Städte und Dörfer. Ich grüße den Erzbischof Tadeusz, den Hirten dieser Kirche, den Weihbischof, die Priester, die Ordensleute und alle Teilnehmer an dieser heiligen Eucharistie. In Ehrfurcht gedenke ich der verstorbenen Bischöfe, Msgr. Edmund Nowicki und Msgr. Lech Kaczmarek, die ihr Hirtenamt in dieser Kirche von Danzig in schwierigen Zeiten ausübten. Vor meinem geistigen Auge steht meine Begegnung vor zwölf Jahren mit dieser Stadt und ihren Einwohnern, vor allem mit den Kranken in der Marienbasilika und mit der Welt der Arbeit in Zaspa bei Danzig und auch mit den Jugendlichen in Westerplatte oder mit den Seeleuten in Gdingen. All dies trage ich im Innersten meines Herzens und in meiner Erinnerung. Aus einer geschichtlichen Perspektive betrachtet, bemerken wir, wie anders jene Zeit doch war! Damals stand das Land anderen Herausforderungen und Erfahrungen gegenüber. Ich sprach damals zu euch, aber andererseits auch in eurem Namen. Heute ist es anders. Ich erinnere mich an jene Augenblicke mit Ergriffenheit, denn ich bin mir der großen Dinge bewusst, die sich seitdem in unserem Vaterland ereignet haben. „Das Neue ist gekommen“, es ist in dieses Land gekommen, und Adalbert hat daran wesentlichen Anteil. Sein Blut, das er vergossen hat, bringt immer wieder neue geistige Frucht. Er ist das Weizenkom des Evangeliums, das auf die Erde gefallen und gestorben ist und auf diese Weise eine vielfache Ernte eingebracht hat in allen Nationen, wo seine Mission ihn hinführte. Das gilt für Böhmen, für Ungarn, für das Polen der Piasten und auch für Pommern, für Danzig, für die Völker, die hier lebten. Nach den tausend Jahren, die uns von seinem Tod am Baltikum trennen, ist uns noch eindringlicher bewusst, dass gerade das Blut dieses Märtyrers, das vor zehn Jahrhunderten in diesen Landen vergossen wurde, wesentlich zur Evangelisierung, zum Glauben und zu einem neuen Leben beitrug. Wie groß ist heute unser Bedürfnis, dem Beispiel seines Lebens zu folgen, das er ganz Gott und der Verbreitung des Evangeliums gewidmet hatte! Sein Zeugnis des Dienens und des apostolischen Einsatzes ist tief im Glauben und in der Liebe zu Christus verwurzelt. Mit dem Psalmisten können wir über den hl. Adalbert sagen: „Seine Seele dürstete nach Gott. Nach ihm schmachtete sein Leib wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser“ (vgl. Ps 63,2). Danke, hl. Adalbert, für das Vorbild der Heiligkeit, denn mit deinem Leben hast du uns die Bedeutung der Worte „denn für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn“ (vgl. Phil 1,21) näher gebracht. Wir danken dir für das Jahrtausend des Glaubens und des christlichen Lebens in Polen und in ganz Mitteleuropa. 278 REISEN 3. „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ {Mt 5,48) - sagt Christus im heutigen Evangelium. Auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend erklingen diese von Matthäus niedergeschriebenen Worte mit neuer Kraft. Sie fassen die Lehre der acht Seligpreisungen zusammen und bringen gleichzeitig die gesamte Fülle der Berufung des Menschen zum Ausdruck. Vollkommen sein nach dem Maß Gottes! Groß in der Liebe sein, wie Gott es ist, denn er ist die Liebe, und „er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte {Mt 5,45). Hier berühren wir das Mysterium des nach dem Abbild Gottes geschaffenen Menschen, der dadurch fähig ist, zu lieben und das Geschenk der Liebe entgegenzunehmen. Diese ursprüngliche Berufung des Menschen wurde vom Schöpfer in die Menschennatur eingeprägt, und sie bewirkt, dass jeder Mensch nach Liebe sucht -auch wenn er sich dabei manchmal für das Böse der Sünde entscheidet, das sich ihm mit dem Anschein des Guten vorstellt. Er sucht die Liebe, denn er weiß im Inneren seines Herzens, dass nur die Liebe ihn glücklich machen kann. Oft sucht der Mensch allerdings dieses Glück eher blindlings tastend. Er sucht es in Vergnügungen, in materiellen Gütern und in dem, was irdisch und vergänglich ist. „Dann gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse“ {Gen 3,5) - hörte Adam im Paradies. So sprach zu ihm der Feind Gottes - Satan, dem Adam Vertrauen schenkte. Wie leidvoll erwies sich aber für den Menschen dieser Weg der Suche nach dem Glück ohne Gott! Sofort darauf erfuhr er die Finsternis der Sünde und das Drama des Todes. Denn immer wenn sich der Mensch von Gott entfernt, empfindet er eine große Enttäuschung, die von Angst begleitet ist. Das ist so, weil der Mensch wegen seiner Abwendung von Gott allein bleibt und eine schmerzvolle Einsamkeit zu spüren beginnt: Er fühlt sich verloren. Aus dieser Angst geht wiederum die Suche nach dem Schöpfer hervor, denn nichts kann den im Menschen verwurzelten Hunger nach Gott stillen. Liebe Brüder und Schwestern! Lasst „euch in keinem Fall von euren Gegnern ein-schüchtem“ {Phil 1,28) - so ruft uns der hl. Paulus in der ersten Lesung in Erinnerung. Lasst euch nicht von denen einschüchtem, die den Weg zum Glück in der Sünde anzeigen. „Ihr, habt den gleichen Kampf zu bestehen, den ihr früher an mir gesehen habt“ {Phil 1,30) - sagt der Apostel der Nationen weiter: Es ist der Kampf gegen unsere persönlichen Sünden, vor allem die Sünden gegen die Liebe: Sie können im Sozialleben besorgniserregende Ausmaße annehmen. Der Mensch kann nie auf Kosten eines anderen oder indem er die Freiheit anderer zerstört, die Würde der Personen mit Füßen tritt und egoistisch lebt, glücklich sein. Unser Glück ist der Bruder, der uns gegeben und von Gott anvertraut ist, und durch ihn ist dieses Glück Gott selbst - Gott durch den Menschen. „Jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott, denn Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,7-8). Das sage ich hier in der Gegend der Stadt Danzig, die Zeugin dramatischer Kämpfe für die Freiheit und die christliche Identität der Polen gewesen ist. Erinnern wir uns an den September 1939: die heroische Verteidigung von Westerplatte und der Polnischen Post in Danzig. Erinnern wir uns an die Priester, die im 279 REISEN nahegelegenen Konzentrationslager Stutthof gemartert wurden und die die Kirche im Laufe dieser Pilgerreise zur Ehre der Altäre erheben wird, oder auch an die Wälder von Piasnica bei Wejherowo, wo tausende Menschen erschossen wurden. All das ist Teil der Geschichte der Einwohner dieser Region und gehört zur Gesamtheit der tragischen Ereignisse jener Kriegszeit. „Tausende wurden gefangengenommen, wurden gefoltert und hingerichtet ... Bewunderungswürdig und für immer bedenkenswert ist dieser Einsatz ohnegleichen der ganzen Gesellschaft und besonders der jungen Generation der Polen zur Verteidigung des Vaterlandes und seiner grundlegenden Werte“ {Botschaft an die Polnische Bischofskonferenz zum 50. Jahrestag des Ausbruchs des II. Weltkriegs, 2; DAS 1989, S. 1027). Im Gebet sind wir diesen Menschen nahe und rufen uns ihre Leiden, ihr Opfer und besonders ihren Tod ins Gedächtnis. Auch darf man die jüngere Geschichte nicht vergessen, darunter an erster Stelle den tragischen Dezember 1970, als die Arbeiter in Danzig und Gelingen auf die Straßen gingen, und, dann der August 1980, so voller Hoffnung, und schließlich die dramatische Periode des Kriegszustands. Gibt es einen passenderen Ort, um darüber zu sprechen, als hier in Danzig? In dieser Stadt nämlich entstand vor neunzehn fahren die Gewerkschaft „Solidamosc“. Dieses Ereignis zeigte eine Wende in der Geschichte unserer Nation, aber auch in der Geschichte Europas an. Solidamosc öffnete die Tore der Freiheit für die Länder, die vom totalitären Regime versklavt worden waren, es hat die Berliner Mauer niedergerissen und zur Einheit Europas, das seit dem Zweiten Weltkrieg in zwei Blöcke geteilt war, beigetragen. Das dürfen wir nie aus unserem Gedächtnis löschen. Diese Sensation gehört zu unserem nationalen Erbe. Damals hörte ich euch in Danzig sagen: „Es gibt keine Freiheit ohne Solidarität.“ Heute sollte man eher sagen: „Es gibt keine Solidarität ohne Liebe.“ Ja mehr noch: Es gibt kein Glück, keine Zukunft des Menschen und der Nation ohne Liebe, ohne die Liebe, die vergibt und trotzdem nicht vergisst, die Mitgefühl für das Unglück der anderen hat, die nicht den eigenen Nutzen sucht, sondern das Wohl der anderen will; die Liebe, die den anderen dient, sich selbst vergisst und zum großzügigen Schenken bereit ist. Wir sind also aufgerufen, eine auf Gottes- und Nächstenliebe gegründete Zukunft zu errichten, um die „Zivilisation der Liebe“ aufzubauen. Die Welt und Polen brauchen heute großherzige Menschen, die bescheiden und liebevoll dienen, die segnen und nicht verfluchen, die die Erde mit dem Segen erobern. Es ist unmöglich, die Zukunft aulzubauen, ohne sich auf die Quelle der Liebe zu beziehen, die Gott ist, der „die Welt so sehr geliebt [hat], daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ {Joh 3,16). Jesus Christus ist deijenige, der dem Menschen die Liebe offenbart und ihm zugleich seine höchste Berufung erschließt. Im heutigen Evangelium zeigt er mit den Worten der Bergpredigt, wie diese Berufung realisiert werden muss: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist.“ 4. Kehren wir zu den Worten der heutigen Liturgie zurück. Der Apostel Paulus schreibt: „Vor allem: lebt als Gemeinde so, wie es dem Evangelium Christi ent- 280 REISEN spricht. Ob ich komme und euch sehe oder ob ich fern bin, ich möchte hören, daß ihr in dem einen Geist feststeht [und] einmütig für den Glauben an das Evangelium kämpft“ (Phil 1,27). Das sagt Paulus den Philippem, und so spricht Adalbert zu uns. Nach zehn Jahrhunderten scheinen diese Worte von noch größerer Aussagekraft erfüllt. Aus einer so großen zeitlichen Entfernung kommt dieser heilige Bischof, der Apostel unseres Landes, zu uns, er kommt zurück, um zu prüfen und in einem gewissen Sinne zu untersuchen ob wir treu am Evangelium festhalten. Unsere liturgische Gegenwart an seinen Wirkungsstätten muss die Antwort sein. Wir wollen ihm versichern: Ja, wir halten daran fest und wollen das auch in Zukunft tun. Er bereitete unsere Vorfahren mit großer Weitsicht auf ihren Eintritt ins zweite Jahrtausend vor. Wir antworten heute hier auf diese Worte und bereiten uns so gemeinsam auf unseren Eintritt ins dritte Jahrtausend vor. Wir möchten mit Gott darin eintreten, und zwar als ein Volk, das der Liebe Vertrauen geschenkt und die Wahrheit geliebt hat, als ein Volk, das in einem Geist der Wahrheit leben möchte, weil nur die Wahrheit uns frei und glücklich machen kann. Singen wir das „Te Deum“ und verherrlichen wir damit Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist, den Schöpfer und Erlösergott, für das, was er in diesem Land durch seinen Diener, den Bischof Adalbert, gewirkt hat. Zugleich möchten wir bitten: „Salvum fac populum tuum, Domine, et benedic haereditati tuae.“ [Mach dein Volk gesund und segne dein Erbe.] Vieles hat sich in Polen verändert und verändert sich noch. Die Jahrhunderte gehen vorüber, und Polen entwickelt sich in einem wechselhaften Schicksal - wie eine große Eiche der Geschichte, die gesunde Wurzeln hat. Danken wir der göttlichen Vorsehung, weil sie den tausendjährigen Verlauf dieser Entwicklung mit der Gegenwart des hl. Adalbert und mit seinem Märtyrertod an der Ostsee gesegnet hat. Es ist ein bedeutendes Erbe, mit dem wir uns auf den Weg in die Zukunft machen. Mögen die Früchte der Erlösung - durch den hl. Adalbert und alle um die Muttergottes gescharten Schutzpatrone Polens - weiter bestehen und sich unter den künftigen Generationen festigen. Die Menschen des dritten Jahrtausends sollen die Sendung, die einst - vor tausend Jahren vom hl. Adalbert weitergegeben wurde - übernehmen und ihrerseits den neuen Generationen weitergeben. Seht, die Saat, die hier auf guten Boden fiel, hat hundertfache Frucht gebracht. Amen. 281 REISEN Das Wort Christi aufmerksam hören und befolgen Predigt während der Eucharistiefeier in Pelplin am 6. Juni 1. „Selig sind ... die, die das Wort Gottes hören und es befolgen“ {Lk 11,28). Diese Seligpreisung Christi begleitet heute unseren Weg im polnischen Land. Ich verkünde sie mit Freude hier in Pelplin und grüße alle Gläubigen dieser Kirche mit ihrem Bischof Jan Bemard, dem ich für seinen Willkommensgruß danke. Ich begrüße auch den Weihbischof Piotr, alle hier versammelten polnischen Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe mit dem Kardinal-Primas an der Spitze, die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und euch alle, liebe Brüder und Schwestern! „Selig sind ... die, die das Wort Gottes hören und es befolgen.“ Diese Seligpreisung sei mit euch allen! 2. Im Laufe von über tausend Jahren haben in diesem Land viele Menschen gelebt, die das Wort Gottes hörten. Sie empfingen es aus dem Mund derer, die es verkündeten. Zuerst empfingen sie es aus dem Mund des bedeutenden Missionars dieser Gegend, des hl. Adalbert. Sie waren Zeugen seines Martyriums. Auch die folgenden Generationen wuchsen auf dieser Saat durch die Unterweisung weiterer Missionare - Bischöfe, Priester und Ordensleute die Reihen der Apostel des Wortes Gottes. Die einen bestätigten die Botschaft des Evangeliums mit dem Märtyrertod, die anderen durch ihre Aufopferung in der apostolischen Mühe im Geist der bene-diktinischen Regel „ora et labora“ - bete und arbeite. Durch ihr Lebenszeugnis bestätigt, bekam das verkündete Wort eine besondere Wirkkraft. Die Tradition des Hörens des Gotteswortes ist in dieser Region sehr alt, und sehr alt ist auch die Tradition des Zeugnisses für das Wort, das in Christus Fleisch angenommen hat. Sie kann durch viele Jahrhunderte zurückverfolgt werden. Diese Tradition macht sich auch in unserem Jahrhundert bemerkbar. Ein beredtes und tragisches Symbol dieser Kontinuität war der sogenannte „Pelpliner Herbst“, dessen 60. Gedenktag in dieses Jahr jährt. Damals bezeugten 24 mutige Priester, Professoren des Priesterseminars und Mitarbeiter der bischöflichen Kurie ihre Treue zum Dienst am Evangelium mit dem Opfer ihres Leidens und Sterbens. Während der Besatzungszeit wurden der Gegend von Pelplin 303 Hirten entrissen, die in jener dramatischen Epoche des Krieges und der Okkupation die Botschaft der Hoffnung heldenhaft und zum Preis ihres eigenen Lebens vermittelten. Wenn wir heute an diese Priester und Märtyrer erinnern, dann deshalb, weil unsere Generation das Wort Gottes aus ihrem Mund hörte und kraft ihres Zeugnisses seine Macht erkannte. Wir dürfen diese historische Aussaat des Wortes und Zeugnisses nicht vergessen -vor allem jetzt, wo wir uns dem Ende des zweiten Jahrtausends nähern. Diese jahrhundertealte Tradition darf im dritten Jahrtausend nicht unterbrochen werden. Ja, in Anbetracht der neuen Herausforderungen, die sich dem heutigen Menschen und den Gesellschaften als ganze stellen, müssen wir in uns stets das Bewusstsein dafür 282 REISEN wach halten, was das Wort Gottes ist, welche Bedeutung es im Leben des Christen, der Kirche und der ganzen Menschheit hat und welche Macht es besitzt. 3. Was sagt uns Christus in diesem Zusammenhang durch den heutigen Abschnitt, des Evangeliums? Zum Abschluss der Bergpredigt sagte er: „Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut“ (Mt 7,24-25). Das Gegenteil zu dem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute, ist der Mann, der auf Sand baute. Sein Bauwerk erwies sich als wenig widerstandsfähig. Als Prüfungen und Schwierigkeiten über es hereinbrachen, stürzte es ein. Das ist es, was Christus uns lehrt. Ein auf Fels gebautes Haus. Das Bauwerk des Lebens. Wie sollen wir es bauen, damit es nicht unter dem Druck der Ereignisse dieser Welt einstürzt? Wie sollen wir dieses Haus bauen, damit es sich aus einem „irdischen Zelt“ in eine „Wohnung von Gott, ein nicht von Menschenhand errichtetes ewiges Haus im Himmel“ verwandelt (vgl. 2 Kor 5,1)? Heute hören wir die Antworten auf diese wesentlichen Fragestellungen des Glaubens: Fundament des christlichen Bauwerks ist das Hören und die Erfüllung des Wortes Christi. Wenn wir „Wort Christi“ sagen, denken wir dabei nicht nur an seine Lehren, Gleichnisse und Versprechen, sondern auch an seine Werke, Zeichen und Wunder. Und vor allem an seinen Tod, seine Auferstehung und die Herabkunft des Heiligen Geistes. Ja mehr noch: Wir denken dabei an den Gottessohn selbst, an das ewige Wort des Vaters im Geheimnis der Menschwerdung. „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14). Mit diesem Wort - dem lebendigen, auferstandenen Christus - kam der hl. Adalbert nach Polen. Jahrhundertelang kamen auch andere Boten Christi hierher und legten für ihn Zeugnis ab. Für ihn haben die Zeugen unserer Zeit, sowohl Kleriker als auch Laien, ihr Leben hingegeben. Ihr Dienst und ihr Opfer wurden für die nachfolgenden Generationen das Zeichen dafür, dass ein auf Christus gegründetes Bauwerk durch nichts zerstört werden kann. Sie wanderten durch die Jahrhunderte und wiederholten die Wortes des hl. Paulus: „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? ... Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat“ (Röm 8,35.37). 4. „Selig sind ... die, die das Wort Gottes hören und es befolgen.“ Wenn wir auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend fragen, wie die kommende Zeit sein wird, können wir nicht zugleich der Frage nach dem Fundament dieses Bauwerks, das die künftigen Generationen weiterbauen werden, ausweichen. Unsere Generation muss ein umsichtiger Bauherr der Zukunft sein. Ein umsichtiger Bauherr ist derjenige, der die Worte Christi hört und sie in die Tat umsetzt. 283 REISEN Seit dem Pfingsttag bewahrt die Kirche diese Worte Christi als ihren allergrößten Schatz. Auf den Seiten des Evangeliums niedergeschrieben, blieben sie bis in unsere Zeit erhalten. Heute lastet auf uns die Verantwortung sie den kommenden Generationen weiterzugeben - und zwar nicht als „tote Worte“, sondern als lebendige Quelle der Kenntnis der Wahrheit über Gott und über den Menschen - eine Quelle echter Weisheit. In diesem Zusammenhang wirkt die an alle Gläubigen gerichtete Ermahnung des Konzils besonders aktuell, „durch häufige Lesung der Heiligen Schrift sich die ,alles übertreffende Erkenntnis Jesu Christi' (Phil 3,8) anzueignen. ,Die Schrift nicht kennen heißt Christus nicht kennen' [Hieronymus]“ (Dei Verbum, Nr. 25). Wenn ich also während der Liturgie das Evangeliar in meine Hände nehme und es segnend über die Gemeinde und die ganze Kirche erhebe, so tue ich dies in der Hoffnung, dass es auch in Zukunft das Buch des Lebens für jeden Gläubigen, jede Familie und ganze Gesellschaften sein wird. Mit der gleichen Hoffnung bitte ich euch heute: Beginnt das neue Jahrtausend mit dem Buch der Evangelien! Es darf in keinem polnischen Haushalt fehlen! Lest es und denkt darüber nach! Lasst Christus sprechen! „Würdet ihr doch heute auf seine Stimme hören: , Verhärtet euer Herz nicht...'“ (Ps 95,8). 5. Zwanzig Jahrhunderte lang hat sich die Kirche über die Seiten des Evangeliums gebeugt, um das, was Gott darin offenbaren wollte, so präzise wie möglich zu deuten. Sie hat die tiefsten Inhalte der Worte und Ereignisse erfasst, die Wahrheiten ausformuliert und sie als sicher und heilsbringend bestätigt. Die Heiligen haben diese Wahrheiten in die Tat umgesetzt und ihre eigene Erfahrung der Begegnung mit dem Wort Christi mit anderen geteilt. Auf diese Weise entwickelte sich, im Zeugnis der Apostel selbst begründet, die kirchliche Überlieferung. Wenn wir heute das Evangelium, befragen, können wir es nicht von diesem jahrhundertealten Erbe und von dieser Tradition lösen. Ich spreche davon, weil die Versuchung besteht, die Heilige Schrift losgelöst von der tausendjährigen Tradition des kirchlichen Glaubens zu interpretieren und dabei Deutungsansätze anzuwenden, die der zeitgenössischen Literatur oder der Publizistik eigen sind. Das birgt die Gefahr der Simplifizierung, der Verfälschung der offenbarten Wahrheit und sogar ihrer Anpassung an die Anforderungen einer Individuellen, a priori akzeptierten Ideologie oder Lebensphilosophie. Schon der Apostel Petrus stellte sich solchen Versuchen entgegen, als er schrieb: „Bedenkt dabei vor allem dies: Keine Weissagung der Schrift darf eigenmächtig ausgelegt werden“ (2 Petr 1,20). „Die Aufgabe aber, das ... Wort Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird“ (Dei Verbum, Nr. 10). Es freut mich, dass die polnische Kirche die Gläubigen in der Kenntnis der Inhalte der Offenbarung wirksam unterstützt. Ich weiß, welch wichtigen Stellenwert die Hirten dem Wortgottesdienst während der hl. Messe und der Katechese geben. Ich danke Gott, weil in den Gemeinden und innerhalb der kirchlichen Gemeinschaften und Bewegungen ständig neue Bibelkreise und Diskussionsrunden entstehen und sich entwickeln. Es ist allerdings nötig, dass diejenigen, welche die Verantwortung 284 REISEN für eine maßgebliche Darlegung der offenbarten Wahrheit übernehmen, nicht auf ihre eigene, oft fehlbare Eingebung vertrauen, sondern auf ein solides Wissen und auf einen unbeugsamen Glauben. Wie sollten wir an diesem Punkt nicht unsere Dankbarkeit aussprechen für all die Hirten, die hingebungsvoll und bescheiden den Dienst der Verkündigung des Gotteswortes leisten? Wie wollten wir nicht die gesamte, unzählige Schar der Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und Laienkatecheten nennen, die sich mit großem Eifer - und oft trotz vieler Schwierigkeiten - diesem prophetischen Auftrag der Kirche widmen? Wie sollten wir nicht den Exegeten und Theologen danken, die mit einem bewundernswerten Interesse die Quellen der Offenbarung untersuchen und die Hirten auf diese Weise kompetent unterstützen? Liebe Brüder und Schwestern! Der gute Gott vergelte eure apostolische Mühe mit seinem Segen! „Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt“ (Jes 52,7). 6. Selig sind auch all jene, die diesen Dienst offenherzig in Anspruch nehmen. „Die das Wort Gottes hören und es befolgen“, sind wirklich selig, denn sie erfahren jene besondere Gnade, kraft derer die Saat Gottes nicht in die Domen fällt, sondern auf guten Boden und dort Fmcht bringt. Es ist eben dieses Wirken des Heiligen Geistes, des Trösters, der zuvorkommt und hilft, das die Herzen bewegt und Gott zuwendet, das die Augen des Verstandes öffnet und „es jedem leicht machen muß, der Wahrheit zuzustimmen und zu glauben“ {Dei Verbum, Nr. 5). Sie sind selig, denn sie erkennen und erfüllen den Willen des Vaters und finden darin jederzeit die solide Grundlage für den Aufbau des eigenen Lebens. Den Menschen, die bald die Schwelle des dritten Jahrtausends überschreiten, möchten wir sagen: Baut das Haus auf den Fels! Baut das Haus eures persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens auf Fels! Dieser Fels ist Christus — der in seiner Kirche lebende Christus. Christus, der in diesem Land seit tausend Jahren gegenwärtig ist Er kam zu euch durch den Dienst des hl. Adalbert Er wuchs auf dem Fundament des Martyriums dieses Heiligen, und er besteht weiter. Die Kirche ist Christus, der in uns allen lebt. Christus ist der Weinstock, und wir sind die Reben. Er ist das Fundament, und wir sind die lebendigen Steine. 7. Herr, bleib doch bei uns!“ (vgl. Lk 24,29), sagten die Jünger, die dem auferstandenen Christus auf dem Weg nach Emmaus begegneten, und „es brannte ihnen das Herz in der Bmst, als er unterwegs mit ihnen redete und ihnen den Sinn der Schrift erschloß“ (vgl. Lk 24,32). Heute wollen wir ihre Worte wiederholen: „Bleibe bei uns, Herr!“ Wir haben dich auf dem langen Weg unserer Geschichte getroffen. Es begegneten dir unsere Vorfahren von Generation zu Generation. Du bestärktest sie mit deinem Wort, durch das Leben und den Dienst der Kirche. Herr, bleibe bei denen, die nach uns kommen werden! - Wir möchten, dass du bei ihnen bist, wie du bei uns gewesen bist Das wünschen wir, und dämm bitten wir dich. 285 REISEN Bleibe bei uns, wenn es Abend wird! Bleibe bei uns, während die Zeit unserer Geschichte bald das Ende des zweiten Jahrtausends erreicht. Bleibe bei uns und hilf uns, immer den Weg zu gehen, der zum Haus des Vaters fuhrt. Bleibe bei uns in deinem Wort - in dem Wort, das zum Sakrament wird: die Eucharistie deiner Gegenwart. Wir wollen dein Wort hören und es erfüllen. Wir möchten in der Seligpreisung leben. Wir möchten zu den Seligen gehören, „die das Wort Gottes hören und es befolgen“. Maria — Zeugin Gottes und unser Vorbild heute Angelus in Pelpin am 6. Juni „Selig sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und es befolgen“ (Lk 11,28). Jesus kannte seine Mutter gut! Er wusste, dass sie das Wort Gottes „mit gutem und aufrichtigem Herzen“ {Lk 8,15) hörte. Er wusste, dass sie es treu „in ihrem Herzen bewahrte“ (vgl. Lk 2,19.51) und über seine Bedeutung nachdachte (vgl. Lk 1,29). Sie, die Mutter des Gottessohnes, hat ihr Leben vollends mit der Treue zum Wort Gottes vereint. Sie hörte auf Gott ohne Unterlass, dachte über die Worte und Ereignisse nach und nahm diese Offenbarung so mit ihrem ganzen Sein im „Glaubensgehorsam“ auf. Die erste und vollkommenste Frucht dieser Hingabe an das Wort Gottes war ihre jungfräuliche Mutterschaft. Im Glauben hat sie das ewige Wort empfangen, das durch das Wirken des Heiligen Geistes in ihr Fleisch geworden ist für das Heil der Menschen. Gehorsam gegenüber dem Willen des Vaters, war sie für den Gottessohn nicht nur Mutter und Beschützerin, sondern auch treue Mitarbeiterin am Erlösungswerk. Die Fracht ihres Lebens kam unter dem Kreuz zur Reife, wo sich auf die menschlich sehr tragische Weise die Wahrheit Gottes, der die Liebe ist, offenbarte. Im Geist dieser göttlichen Liebe nahm sie uns, dem Ruf des Sohnes folgend, im Apostel Johannes als ihre Kinder an. Und als sie nach der Auferstehung und der Himmelfahrt Christi mit den Aposteln im Gebet verharrte (vgl. Apg 1,14) und zusammen mit ihnen die Herabkunft des Heiligen Geistes erlebte, wurde sie zur Mutter der entstehenden Kirche. Diese mystische Mutterschaft hat sich vollends offenbart im Geheimnis der Aufnahme in den Himmel. Seither richten wir den Blick unablässig auf ihr Vorbild und beten, dass sie -Wegweiserin des Glaubens - uns lehre, jedes Wort, das Gott an uns richtet, zu hören und zu befolgen. Selig sind in der Tat die, die das Wort Gottes hören und es befolgen (vgl. Lk 11,28). 286 REISEN Möge der Segen, der auf Maria herabgekommen ist, uns zuteil werden! Damit wir, wenn wir wie Maria das Wort Gottes hören und es befolgen, Zeugen Gottes seien, der die Liebe ist! Das Heiligste Herz Jesu - die Quelle des Lebens und der Heiligkeit Predigt in der Herz-Jesu-Andacht auf dem Flughafen von Elbing [Elblag] am 6. Juni 1. „Lob sei dem Herzen Jesu, durch das uns Heil geworden.“ Der göttlichen Vorsehung danke ich, dass ich mit euch, die ihr hier versammelt seid, dem Heiligsten Herzen Jesu, in dem sich die Vaterliebe Gottes auf vollkommenste Weise offenbart hat, Lob und Ehre erweisen kann. Ich freue mich, weil in Polen der fromme Brauch des täglichen Betens oder Singens der Litanei zum Heiligsten Herzen Jesu im Juni so lebendig ist und fortdauert. Ich begrüße alle, die sich zu diesem Gottesdienst am Sonntagnachmittag eingefunden haben. Ganz besonders grüße ich den Hirten dieser Diözese, Bischof Andrzej, den Weihbischof, den ganzen polnischen Episkopat mit dem Kardinalprimas, der den heutigen Gottesdienst geleitet hat. Ich grüße die Priester, die Ordensleute und das ganze Volk Gottes des Bistums Elbing [Elblag]. An die russischen Pilger aus dem Distrikt Königsberg [Kaliningrad], die mit ihrem Erzbischof Tadeusz angereist sind, richte ich einen herzlichen Willkommensgruß. Ferner begrüße ich die Gläubigen der griechisch-katholischen Kirche. Ich grüße die ganze junge Kirche von Elbing, die besonders eng mit der Gestalt des hl. Adalbert verbunden ist. Der Überlieferung nach hat er in Swiety Gaj, nicht weit von hier, sein Leben für Christus hingegeben. Im Verlauf der Geschichte hat der Tod dieses Märtyrers in eurem Land reiche Früchte der Heiligkeit hervorgebracht. An diesem Ort möchte ich auch der sei. Dorothea von Montau [Matowy], Ehefrau und Mutter von neun Kindern, gedenken, sowie der Dienerin Gottes Regina Protmann, Gründerin der Kathari-nenschwestem. So Gott will, wird die Kirche sie während dieser Wallfahrt in Warschau durch meinen Dienst zur Ehre der Altäre erheben. Auch ein Sohn dieser Region wird in das Buch der Seligen eingeschrieben werden: der Priester Wladislaw Demski, der sein Leben im Konzentrationslager Sachsenhausen hingab, als er das von den Schächern frevelhaft geschmähte Kreuz öffentlich verteidigte. Ihr habt dieses wundervolle geistige Erbe übernommen und sollt es jetzt bewahren und entwickeln und die Zukunft dieses Landes und der Kirche von Elbing auf der soliden Grundlage des Glaubens und des religiösen Lebens aufbauen. 2. „Herz Jesu, Quelle des Lebens und der Heiligkeit, erbarme dich unser.“ So rufen wir es in der Litanei an. Alles, was Gott uns von sich selbst und seiner Liebe mitteilen wollte, hat er in das Herz Jesu gelegt und durch dieses Herz ausgedrückt. Wir stehen vor einem unergründlichen Geheimnis. Durch das Herz Jesu 287 REISEN lesen wir den ewigen Plan Gottes für das Heil der Welt: Es ist ein Plan der Liebe. Die Litanei, die wir so wunderschön gesungen haben, enthält diese ganze Wahrheit. Wir sind heute hierher gekommen, um die Liebe des Herrn Jesus und seine Güte, die Erbarmen mit jedem Menschen hat, zu betrachten; um sein in Liebe zum Vater entflammtes Herz - in der Fülle des Heiligen Geistes - zu betrachten. Christus, der uns liebt, zeigt uns sein Herz als Quelle des Lebens und der Heiligkeit, als Quell unserer Erlösung. Um diese Anrufung noch tiefer zu verstehen, müssen wir vielleicht zur Begegnung Jesu mit der Samariterin zurückgehen, in der kleinen Stadt Sychar beim Brunnen, der sich seit der Zeit des Erzvaters Jakob dort befand. Sie war gekommen, um dort Wasser zu schöpfen. Da sagte Jesus zu ihr: „Gib mir zu trinken!“, darauf wandte sie sich an ihn: „Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten?“ Der Evangelist erklärt, dass die Juden damals nicht mit den Samaritern verkehrten. Jesus gab ihr zur Antwort: „Wenn du wüßtest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben ... Das Wasser, das ich ihm gebe, wird in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (vgl. Joh 4,1-14). Es sind geheimnisvolle Worte. Jesus ist die Quelle; von ihm nimmt das göttliche Leben im Menschen seinen Ausgang. Man muss sich ihm nur nähern und in ihm bleiben, um dieses Leben zu haben. Was aber ist dieses Leben, wenn nicht der Beginn der Heiligkeit des Menschen? Jener Heiligkeit, die in Gott ist und die der Mensch mit Hilfe der Gnade erreichen kann? Alle möchten wir aus dem göttlichen Herzen trinken, das die Quelle des Lebens und der Heiligkeit ist. 3. „Wohl denen, die das Recht bewahren und zu jeder Zeit tun, was gerecht ist“ (Ps 106,3). Brüder und Schwestern, die Meditation über die Liebe Gottes, die sich im Herzen seines Sohnes offenbart hat, fordert vom Menschen eine konsequente Antwort. Wir sind nicht nur dazu berufen, das Geheimnis der Liebe Christi zu betrachten, sondern auch daran teilzunehmen. - Christus sagt: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten“ (Joh 14,15). Auf diese Weise richtet er an uns einen großen Aufruf und stellt uns gleichzeitig eine Bedingung: Wenn du mich lieben willst, dann halte meine Gebote, achte das heilige Gesetz Gottes, gehe die Wege, die Gott dir gezeigt hat und die auch ich dir mit dem Vorbild meines Lebens gezeigt habe. Gott will, dass wir die Gebote halten, das heißt, das Gesetz Gottes, das dem Volk Israel durch Mose auf dem Berg Sinai gegeben wurde. Es wurde allen Menschen gegeben. Wir kennen diese Gebote. Viele von euch wiederholen sie jeden Tag im Gebet; das ist ein sehr schöner frommer Brauch. Wiederholen wir sie so, wie sie im Buch Exodus stehen, um unsere Erinnerung zu bestärken und zu erneuern. „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat; aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen. Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! 288 REISEN Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt. Du sollst nicht morden. Du sollst nicht die Ehe brechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen. Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen“ (vgl. Ex 20,2-17). Dies ist die Grundlage der Moral, die der Schöpfer dem Menschen gegeben hat: der Dekalog, die zehn Gebote, die Gott mit großer Bestimmtheit auf dem Sinai aussprach und die Christus während der Bergpredigt im Zusammenhang mit den acht Seligpreisungen bestätigte. Der Schöpfer, der zugleich oberster Gesetzgeber ist, hat die gesamte Ordnung der Wahrheit ins Herz des Menschen eingeschrieben. Diese Ordnung bedingt das Gute und die moralische Ordnung und ist die Grundlage der Würde des nach dem Abbild Gottes geschaffenen Menschen. Die Gebote winden für das Wohl des Menschen, für sein persönliches, familiäres und gesellschaftliches Wohl gegeben. Für den Menschen sind sie tatsächlich der Weg. Die materielle Ordnung allein reicht nicht aus. Sie muss von der übernatürlichen vervollständigt und bereichert werden. Dadurch gewinnt das Leben einen neuen Sinn, und der Mensch ändert sich zum Guten hin. Das Leben braucht nämlich göttliche, übernatürliche Kräfte und Werte; nur dann erreicht es seinen vollen Glanz. Christus bestätigte dieses Gesetz des Alten Bundes. In der Bergpredigt sprach er deutlich zu seinen Hörem: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen“ (Mt 5,17). Christus ist gekommen, das Gesetz zu erfüllen - in erster Linie, um es in seinem Inhalt und seiner Bedeutung zu ergänzen und um auf diese Weise dessen ganzen Sinn und seine ganze Tiefe darzustellen: Das Gesetz ist vollkommen, wenn es durchdrungen ist von Gottes- und Nächstenliebe. Die Liebe ist das, was über die sittliche Vollkommenheit des Menschen und über seine Ähnlichkeit mit Gott entscheidet. „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird auch von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren“ (Joh 14,21). Die heutige Liturgie, die dem Heiligsten Herzen Jesu gewidmet ist, erinnert uns an diese Liebe Gottes, nach der sich der Mensch so sehr sehnt. Sie macht deutlich, dass die Einhaltung der Gebote Gottes im täglichen Leben eine konkrete Antwort auf diese Liebe ist. Gott wollte, dass die Gebote im Gedächtnis nicht verblassen, sondern für immer in das Gewissen der Menschen eingeprägt bleiben, damit der Mensch, der sie kennt und sich an sie hält, „das ewige Leben hat“. 4. „Wohl denen, die tun, was gerecht ist.“ So spricht der Psalmist von den Menschen, die den Weg der Gebote gehen und sie bis ans Ende einhalten (vgl. Ps 119,32-33). Die Befolgung des göttlichen Gesetzes ist in der Tat die Grundlage zur Erlangung der Gabe des ewigen Lebens, das heißt des Glücks ohne Ende. Auf die Frage des jungen Reichen: „Meister, was muß ich 289 REISEN Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“, antwortet Jesus: „Wenn du ... das Leben erlangen willst, halte die Gebote!“ (Mt 19,16-17). Dieser Aufruf Christi ist in der heutigen Wirklichkeit besonders aktuell, denn viele leben heutzutage so, als gäbe es Gott nicht. Die Versuchung, die Welt und das eigene Leben ohne Gott oder gegen ihn, ohne seine Gebote und ohne das Evangelium, einzurichten, besteht tatsächlich, und sie bedroht auch uns. Das Leben und die Welt werden sich letztlich gegen den Menschen wenden, wenn sie ohne Gott aufgebaut sind. In diesem, dem zu Ende gehenden 20. Jahrhundert, haben wir zahlreiche Beweise dafür erlebt. Die göttlichen Gebote missachten und den von Gott gezeichneten Weg verlassen bedeutet, der Sklaverei der Sünde zu verfallen; und „der Lohn der Sünde ist der Tod“ (Röm 6,23). Wir stehen vor der Realität der Sünde: Sie ist eine Beleidigung Gottes, ist Ungehorsam gegenüber Gott, seinem Gesetz und der sittlichen Norm, die Gott dem Menschen gab, indem er sie in sein Herz legte und durch die Offenbarung bestätigte und vervollständigte. Die Sünde widersetzt sich der Liebe Gottes zu uns und wendet unsere Herzen von ihm ab. Die Sünde ist „die bis zur Verachtung gesteigerte Selbstliebe“, wie der hl. Augustinus sagt (vgl. De Civitate Dei, 14,28; in: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 16, Kempten/München 1914, S. 357 f.). Die Sünde ist in all ihren mannigfaltigen Dimensionen ein großes Übel - angefangen beim Sündenfall, über alle persönlichen Sünden jedes Menschen und die Sünden der Gesellschaft, bis zu den Sünden, die auf der Geschichte der ganzen Menschheit lasten. Wir sollen uns ständig dieses großen Übels bewusst sein und stets ein feines Gespür und eine klare Erkenntnis für den in der Sünde enthaltenen Keim des Todes erwerben. Damit ist das gemeint, was wir normalerweise als Sinn für die Sünde bezeichnen. Er hat seien Ursprung im sittlichen Gewissen des Menschen, und er ist mit der Erkenntnis Gottes und mit dem Sinn für die Verbundenheit mit dem Schöpfer, Herr und Vater, verknüpft. Je tiefer das durch das sakramentale Leben des Menschen und durch aufrichtiges Gebet gestärkte Bewusstsein der Verbindung mit Gott ist, desto ausgeprägter ist der Sinn für die Sünde. Die Wirklichkeit Gottes enthüllt und erhellt das Geheimnis des Menschen. Lasst uns alles tun, um unser Gewissen dafür empfindsam zu machen, und es vor Entartung oder Unempfindlichkeit zu bewahren. Schauen wir nun, welche großen Aufgaben Gott uns stellt. Wir müssen in uns einen wahren Menschen nach dem Abbild und Gleichnis Gottes formen: einen Menschen, der das Gesetz Gottes liebt und danach leben will. Der Psalmist ruft: „Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld, tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen! Wasch meine Schuld von mir ab, und mach mich rein von meiner Sünde!“ (Ps 51,3^1). Ist das für uns etwa nicht ein ergreifendes Beispiel eines Mannes der sich reuig vor Gott stellt? Er wünscht die „metanoia“ seines Herzens, um zu einem neuen anderen, von der Kraft Gottes verwandelten Geschöpf zu werden. 290 REISEN Vor unserem geistigen Auge steht der hl. Adalbert. Wir spüren hier seine Gegenwart, denn in dieser Gegend hat er sein Leben für Christus hingegeben. Seit tausend Jahren sagt er uns durch das Zeugnis des Martyriums, dass man Heiligkeit durch Opfer erreicht, dass es hier absolut keinen Kompromiss geben kann, dass man bis zum Ende treu bleiben und den Mut haben muss, das Abbild Gottes in der eigenen Seele bis zum äußersten zu verteidigen. Adalberts Märtyrertod ermahnt die Menschen, dass sie - dem Bösen und der Sünde gestorben - in ihrem Innern einen neuen Menschen entstehen lassen, einen Menschen Gottes, der die Gebote des Herrn hält. 5. Liebe Brüder und Schwestern! Betrachten wir das Heiligste Herz Jesu, das die Quelle des Lebens ist, weil durch es der Sieg über den Tod errangen wurde. Es ist auch die Quelle der Heiligkeit, weil darin die Sünde überwunden wird, die der Feind der Heiligkeit, der Feind der geistlichen Entfaltung des Menschen ist. Im Herzen des Herrn Jesus nimmt die Heiligkeit eines jeden von uns ihren Anfang. Lasst uns von diesem Herzen die Liebe zu Gott und das Verständnis des Geheimnisses der Sünde - „mysterium iniquitatis“ - lernen. Lasst uns unsere eigenen Sünden und die unserer Nächsten durch Akte der Sühne vor dem Heiligen Herzen wiedergutmachen. Lasst uns für die Ablehnung der Güte und Liebe Gottes Abbitte leisten. Lasst uns jeden Tag zu dieser Quelle kommen, aus der lebendiges Wasser quillt. Wir wollen mit der Samariterin bitten: „Gib uns dieses Wasser“, weil es das ewige Leben schenkt. Herz Jesu, du Feuerherd der Liebe, Herz Jesu, du Quelle des Lebens und der Heiligkeit, Herz Jesu, du Sühne für unsere Sünden, erbarme dich unser. Amen.“ Maria als Vorbild der Größe und Vollkommenheit des Glaubens Ansprache bei der Einweihung des Marienheiligtums in Lichen am 7. Juni 1. „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ {Lk 1,45). Ich komme heute als Pilger zum Heiligtum von Lichen und grüße Maria mit den Worten Elisabets: „Selig ist die, die geglaubt hat.“ Aus dem Text des Evangelisten Lukas erfahren wir, dass sich das Haus Elisabets mit Freude erfüllte. Vom himmlischen Licht erleuchtet, begreift Elisabet die Größe Marias, die „voll der Gnade“ und daher „mehr als alle anderen Frauen gesegnet“ ist (vgl. Lk 1,42), weil sie Jesus, den Heiland der Welt, in ihrem Schoß trägt Hier, an diesem von Maria so sehr geliebten Ort, spüren wir eine besondere Nähe zum Geschehen der Heimsuchung, denn jedes Heiligtum ist in gewisser Weise das Haus Elisabets, wohin die Mutter des Gottessohnes zu Besuch kommt, um ihrem geliebten Volk nahe zu sein. 291 REISEN 2. Brüder und Schwestern! Ich danke der göttlichen Vorsehung, dass auch dieser Wallfahrtsort an der Strecke meiner Pilgerreise in die Heimat liegt Ich danke euch dafür, dass ich euch in dieser frühlingshaften Umgebung begegnen kann, um das neue Heiligtum zu Ehren der Muttergottes einzuweihen. Mit Bewunderung schaue ich auf diesen großen Bau, der in seiner architektonischen Pracht ein Ausdruck des Glaubens und der Liebe zu Maria und zu ihrem Sohn ist. Gott sei für diese Kirche gedankt! Unsere Dankbarkeit gebührt auch den Hütern dieses Wallfahrtsorts - den Marianerpatres, die sich seit Jahren darum kümmern und den Pilgern treu dienen. Dieses Gotteshaus entstand daher auch auf ihre Veranlassung. Ich danke den Bauleuten und allen, die mit ihren Spenden dieses bedeutende Werk unterstützt haben und unterstützen. Herzlich begrüße ich Bischof Bronislaw Dembowski, den Hirten des Bistums Leslau, in dessen Territorium sich dieses Heiligtum befindet. Ich grüße auch den Weihbischof und den emeritierten Bischof. Mein Gruß gilt den Generaloberen und den Marianerpatres, und ich danke ihnen für ihre Gastfreundschaft; ebenso grüße ich den gesamten Klerus und die Gläubigen, die sich aus verschiedenen Teilen Polens hier eingefunden haben. 3. Richten wir unseren Blick auf die, „die geglaubt hat“. Maria hat geglaubt, dass sich das, was der Herr ihr hatte sagen lassen, erfüllen würde. Sie hat dem Wort Gottes geglaubt, dass sie, eine Jungfrau, ein Kind - nämlich den Sohn Gottes -, empfangen und zur Welt bringen würde. Der Glaubensakt Marias erinnert an den Glauben Abrahams, der an den Anfängen des Alten Bundes an Gott glaubte. Dies ist die Größe und Vollkommenheit des Glaubens Maria, und Elisabet bringt diesbezüglich ihre Bewunderung zum Ausdruck. Sie bezeichnet Maria als „mehr als alle andere Frauen gesegnet“ und weist so daraufhin, dass sie durch den Glauben gesegnet wurde. „Selig ist die, die geglaubt hat!“ Der erstaunte Ausruf Elisabets ist für uns eine Ermahnung, damit wir all das zu würdigen wissen, was die Gegenwart Marias in das Leben jedes Gläubigen einbringt. 4. Wir haben uns heute im Wallfahrtsort Lichen zu Füßen unserer Mater Dolorosa zu diesem Morgengebet versammelt. Bitten wir sie alle um ihre Fürsprache bei ihrem Sohn, um folgendes für uns zu erflehen: einen lebendigen Glauben, der aus einem Senfkorn zum Baum des göttlichen Lebens wird; einen Glauben, der sich jeden Tag vom Gebet nährt, sich durch die heiligen Sakramente stärkt und aus dem Reichtum des Evangeliums Christ schöpft; einen starken Glauben, der weder Schwierigkeit noch Leid oder Misserfolg fürchtet, weil er auf der Überzeugung gründet, dass „für Gott nichts unmöglich ist“ (vgl. Lk 1,37); einen reifen, vorbehaltosen Glauben, einen Glauben, der mit der heiligen Kirche beim wahrhaften Aufbau des mystischen Leibes Christ zusammenarbeitet. Wir danken dir, Maria, weil du uns unablässig und unfehlbar zu Christus führst; 292 REISEN Mutter des Gottessohnes, wache über uns, wache über unsere unerschütterliche Treue zu Gott, zum Kreuz, zum Evangelium und zur heiligen Kirche, wie du es seit den Anfängen unserer christlichen Geschichte getan hast. Schütze diese Nation, die seit tausend Jahren auf den Wegen des Evangeliums geht. Lass uns bis zuletzt im Glauben leben, wachsen und bleiben. Sei gegrüßt, Tochter Gottes, des Vaters, sei gegrüßt, Mutter des Gottessohnes, sei gegrüßt, Braut des Heiligen Geistes, Tempel der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Amen. Das Martyrium - größte und höchste Prüfung für den Menschen Predigt während der Eucharistiefeier in Bromberg [Bydgoszcz] am 7. Juni 1. „Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich {Mt 5,10). Wir haben gerade die Worte Christi aus der Bergpredigt gehört. Auf wen beziehen sie sich? Sie beziehen sich in erster Linie auf Christus selbst. Er ist arm, er ist sanftmütig; er ist ein Friedensstifter, er ist barmherzig, und er ist auch einer, der um der Gerechtigkeit willen verfolgt wird. Diese Seligpreisung stellt uns ganz besonders die Ereignisse am Karfreitag vor Augen: Christus, zum Tode verurteilt wie ein Verbrecher und dann ans Kreuz geschlagen. Auf dem Kalvarienberg schien es so, als habe Gott ihn verlassen und als sei er dem Hohn der Menschen preisgegeben. Das von Christus verkündete Evangelium wurde damals einer erschreckenden Prüfung unterzogen: „Er ist doch der König von Israel! Er soll vom Kreuz herabsteigen, dann werden wir an ihn glauben“ {Mt 27,42); so schrien diejenigen, die Zeugen jenes Ereignisses waren. Christus steigt nicht vom Kreuz herab, weil er seinem Evangelium treu ist. Er erleidet die Ungerechtigkeit der Menschen, denn nur so kann er die Rechtfertigung des Menschen erreichen. Er will, dass die Worte der Bergpredigt zuallererst an ihm überprüft werden: „Selig seid ihr, wenn ihr [von den Menschen] um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt“ {Mt 5,11—12). Christus ist der große Prophet. In ihm erfüllen sich die Prophezeiungen, weil sie alle auf ihn hindeuteten. In ihm eröffnet sich gleichzeitig die endgültige Prophezeiung. Er ist deq'enige, der um der Gerechtigkeit willen die Verfolgung erleidet; dabei ist er sich voll bewusst, dass gerade diese Verfolgung die Tore des ewigen Lebens vor der Menschheit aufschließt. Von nun an muss das Himmelreich denen gehören, die an ihn glauben. 293 REISEN Christi und des Evangeliums bleibt, auch weiterhin das Hundertfache hervor. Bleiben auch wir treu, und geben wir unsere Verbindung zu ihnen nicht auf. Lasst uns Gott danken, weil sie als Sieger aus ihren Mühen hervorgingen: „Wie Gold im Schmelzofen hat er sie erprobt und sie angenommen als ein vollgültiges Opfer“ (Weish 3,6). Für uns sind sie ein Beispiel, dem wir folgen sollen. Aus ihrem Blut müssen wir Kraft schöpfen für das Opfer unseres Lebens, das wir Gott jeden Tag darbringen sollen. Sie sind unser Vorbild, damit wir - wie sie - mutig unser Zeugnis der Treue zum Kreuz Christi ablegen. 4. „Selig seid ihr, wenn ihr von den Menschen um meinetwillen beschimpft und verfolgt... werdet“ {Mt 5,11). Christus verspricht denen, die ihm nachfolgen, kein einfaches Leben. Vielmehr verkündet er, dass sie, wenn sie das Evangelium leben, zum Zeichen des Widerspruchs werden müssen. Wenn er selbst die Verfolgung erlitt, dann werden auch die Jünger dieses Schicksal teilen: „Nehmt euch aber vor den Menschen in acht! Denn sie werden euch vor die Gerichte bringen und in ihren Synagogen auspeitschen“ {Mt 10,17). „Liebe Brüder und Schwestern! Jeder Christ, der durch die Gnade der heiligen Taufe mit Christus vereint wurde, ist ein Glied der Kirche geworden und „gehört nicht mehr sich selbst“ (vgl. 1 Kor 6,19), sondern dem, der für uns gestorben und auferstanden ist. Von diesem Augenblick an tritt er in eine besondere gemeinschaftliche Beziehung zu Christus und seiner Kirche. Deshalb hat er die Pflicht, den von Gott durch die Kirche erhaltenen Glauben vor den Menschen zu bekennen. Als Christen sind wir daher aufgerufen, für Christus Zeugnis zu geben. Manchmal erfordert dies vom Menschen große Opfer, die er jeden Tag - und zuweilen sogar sein ganzes Leben lang - bringen muss. Diese beharrliche Ausdauer an der Seite Christi und seiner Kirche, diese Bereitschaft, das Leid „um der Gerechtigkeit willen“ auf sich zu nehmen, sind oft heldenhafte Taten, und sie können sogar die Form eines wahren Martyriums annehmen, das sich jeden Tag und jeden Augenblick im Dasein des Menschen vollzieht, Tropfen um Tropfen, bis zum abschließenden „es ist vollbracht“. Ein Glaubender leidet um der Gerechtigkeit willen, wenn er im Tausch für seine Treue zu Gott Demütigung und Schmähung erfährt, wenn er im eigenen Umfeld verhöhnt und sogar bei den Menschen, die ihm am liebsten sind, auf Unverständnis stößt. Wenn er sich dem Widerstand aussetzt, riskiert er Unbeliebtheit und andere Unannehmlichkeiten. Trotzdem ist er immer zu jedem Opfer bereit, denn „man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29). Neben dem öffentlichen Martyrium, das sich äußerlich, vor den Augen vieler vollzieht, gibt es auch oft das im Innern des Menschen verborgene Martyrium; das Martyrium des Leibes und das Martyrium des Geistes. Das Martyrium unserer Berufung und unserer Sendung. Das Martyrium des Kampfs gegen das eigene Ich und der Überwindung des eigenen Ich. In der Verkündigungsbulle zum Großen Jubeljahr 2000 schrieb ich unter anderem: „Der Gläubige, der seine christliche Berufung, für die das Martyrium eine schon in der Offenbarung angekündigte Möglichkeit ist, ernsthaft erwo- 296 REISEN gen hat, kann diese Perspektive nicht aus seinem Lebenshorizont ausschließen“ (Nr. 13). Das Martyrium ist für den Menschen immer eine große und radikale Prüfung: die höchste Prüfung des Menschseins, die Prüfung der Würde des Menschen vor Gott selbst. Ja, es ist eine große Prüfung für den Menschen, die sich vor den Augen Gottes selbst vollzieht, aber auch vor den Augen einer Welt, die Gott vergessen hat. Aus dieser Prüfung geht der Mensch dann siegreich hervor, wenn er sich von der Kraft der Gnade unterstützen lässt und zum beredten Zeugen dieser Gnade wird. Steht nicht auch eine Mutter, die sich selbst opfert, um das Leben ihres Kindes zu retten, vor einer solchen Prüfung? Wie zahlreich waren und sind doch diese heldenhaften Mütter in unserer Gesellschaft! Wir danken ihnen für ihr Vorbild der Liebe, die auch vor dem äußersten Opfer nicht zurückweicht. Und steht nicht auch ein Glaubender, der das Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit verteidigt, vor einer solchen Prüfung? Ich denke hier an alle jene Brüder und Schwestern, die während der Verfolgungen gegen die Kirche ihre Treue zu Gott unter Beweis stellten. Es genügt in dieser Beziehung, an die jüngere Geschichte Polens und an die Schwierigkeiten und Verfolgungen zu erinnern, denen die polnische Kirche und die Gottgläubigen unterworfen wurden. Es war eine schwere Bewährungsprobe für die Gewissen dieser Menschen, ein echtes Martyrium des Glaubens, der vor den Menschen bekannt werden wollte. Es war eine Zeit oft sehr leidvoller Prüfung. Daher betrachte ich es als eine besondere Verpflichtung unserer Generation in der Kirche, die Zeugnisse über all jene zu sammeln, die ihr Leben Tür Christus hingegeben haben. Unser Jahrhundert hat sein besonderes Martyrologium, das noch nicht zu Ende geschrieben ist. Man muss dieses Marty-rologium erforschen und bestätigen, und man muss es auch schreiben, so wie die Kirche der ersten Jahrhunderte ihre Martyrologien verfasst hat. Das Zeugnis der Märtyrer jener ersten Jahrhunderte ist heute unsere Stärke, und ich bitte alle Episkopate, dieser Sache die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen. Unser 20. Jahrhundert hat in vielen Ländern, in vielen Gegenden der Erde sein eigenes, großes Martyrologium. Wenn wir also nun in das dritte Jahrtausend eintreten, müssen wir unsere Pflicht gegenüber jenen tun, die in unserem Jahrhundert ein so wichtiges Zeugnis für Christus abgelegt haben. Bei zahlreichen Personen fanden folgende Worte aus dem Buch der Weisheit ihre volle Erfüllung: „Wie Gold im Schmelzofen hat er sie erprobt und sie angenommen als ein vollgültiges Opfer“ (Weish 3,6). Heute wollen wir ihnen die Ehre erweisen, weil sie sich dieser Prüfung furchtlos stellten und weil sie uns den Weg zum dritten Jahrtausend gezeigt haben. Sie sind für uns ein wichtiger Bezugspunkt. Sie zeigen mit ihrem Leben: Die Welt braucht diese Art von „Narren Gottes“ - wie Christus, Adalbert, Stanislaus, Maximilian Maria Kolbe und viele andere. Sie braucht Menschen, die Mut zum Lieben haben und vor keinem Opfer zurückschrecken in der Hoffnung, dass es eines Tages reiche Frucht bringen wird. 5. „Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein“ {Mt 5,12). 297 REISEN Das ist das Evangelium der acht Seligpreisungen. All diese Menschen - nah und fern, aus anderen Ländern oder unsere Landsleute, aus vergangenen Jahrhunderten oder unserer Zeit die alle um der Gerechtigkeit willen verfolgt wurden, haben sich Christus angeschlossen. Während wir die Eucharistie feiern, die das Kreuzesopfer auf dem Kalvarienberg vergegenwärtigt, möchten wir darin all jene einschließen, die - wie er - um der Gerechtigkeit willen verfolgt wurden. Ihnen gehört das Himmelreich. Sie haben ihren Lohn schon von Gott erhalten. In unser Gebet nehmen wir auch die Menschen auf, die heute noch einer solchen Prüfung unterworfen sind. Christus sagt ihnen: „Freut euch und jubelt“, denn ihr habt Anteil nicht nur an meinen Leiden, sondern auch an meiner Herrlichkeit und Auferstehung. Ja, wahrhaftig: Ihr alle, die ihr um der Gerechtigkeit willen zu leiden bereit seid, „freut euch und jubelt“, denn euer Lohn im Himmel wird groß sein! Amen. Der Menschheit Hoffnung aus der Wahrheit anbieten Ansprache bei der Begegnung mit den Rektoren der polnischen Hochschulen in der Aula Magna der Kopemikus-Universität in Thom [Torun] am 7. Juni Hochverehrte Damen und Herrn, Rektoren, Dekane und Professoren sowie Vertreter der Wissenschaft in Polen! 1. Zu meiner großen Freude habe ich während dieser Pilgerreise in meiner Heimat erneut Gelegenheit, mit Ihnen, den Wissenschaftlern und Vertretern der akademischen Einrichtungen aus ganz Polen, zusammenzutreffen. Es ist eine vielsagende Tatsache, dass diese Begegnungen mit der Welt der Wissenschaft nunmehr auf allen Kontinenten zu einem festen Bestandteil der Papstreisen geworden sind. In der Tat sind es Augenblicke von besonderer Aussagekraft, die von der tiefen und vielseitigen Beziehung sprechen, die zwischen der Berufung der Wissenschaftler und dem Dienst der Kirche besteht, der seinem Wesen nach „Diakonie der Wahrheit“ ist. Der göttlichen Vorsehung für das heutige Treffen dankend, grüße ich herzlich alle hier Anwesenden, die Rektoren und Vertreter der akademischen Einrichtungen des ganzen Landes, und wende mich, durch Sie, mit Geist und Herz an die gesamte Welt der Wissenschaft in Polen. Einen ganz besonderen Gruß richte ich an den Rector magnificus der Universität von Thom, deren Gäste wir heute sind. Ich danke ihm für die Willkommensworte, die er im Namen aller Teilnehmer an mich gerichtet hat. Ferner grüße ich den hier anwesenden Präsidenten der Rektorenkonferenz der polnischen Universitäten. 2. Wir befinden uns hier in einem Universitätsgebäude, das, dem Datum seiner Gründung nach, eine relativ junge Einrichtung ist. Unlängst feierte sie ihr 50jähriges Bestehen. Wir wissen aber, dass die kulturelle und wissenschaftliche 298 REISEN Tradition dieser Stadt tief in der Vergangenheit wurzelt und mit der Person von Nikolaus Kopemikus verbunden ist. Zur Zeit ihrer Entstehung ist die Universität von Thom zutiefst von den dramatischen Ereignissen des Zweiten Weltkriegs gekennzeichnet. Bei dieser Gelegenheit sollte daran erinnert werden, dass die Gründer der Hochschule größtenteils Wissenschaftler der Stefan Batory-Universität in Wilna und der Jan-Kazimierz-Universität in Lemberg waren. Aus Wilna kam auch der erste Rektor nach Thom, der unermüdliche Organisator der Universität, Professor Ludwik Kolankowski. Ebenfalls aus Wilna stammte der Historiker Karol Gärski, ein Pionier der Studien über die religiöse Spiritualität in Polen, und viele andere. Aus Lemberg wiederum kamen der bekannte Philosoph, Professor Tadeusz Czezowski und der berühmte Literaturwissenschaftler, Professor Artur Humikie-wicz. Dem Kreis der Professoren schlossen sich auch Wissenschaftler aus dem zerstörten Warschau an, wie beispielsweise Konrad Gärski, ein Wissenschaftler von außerordentlichem literarischen Scharfsinn. Sie und zahlreiche andere widmeten sich mit großer Hingabe dem Aufbau dieser Hochschule. Es waren schwierige, aber gleichzeitig auch hoffnungsvolle Zeiten. „Hoffnung entspringt der Wahrheit“, schrieb Cyprian Norwid. Die äußerst problematischen Umstände der Nachkriegszeit waren eine Prüfung für die Personen, eine Prüfung ihrer Treue zur Wahrheit. Heute hat die Universität von Thom ihren eigenständigen Charakter und leistet einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung der Wissenschaft in Polen. 3. Unser Treffen findet im letzten Jahr dieses nun zu Ende gehenden Jahrhunderts statt. In dieser Übergangszeit richten wir unsere Gedanken teils auf die Vergangenheit und teils in die Zukunft. In der Vergangenheit suchen wir nach Lehren und Anhaltspunkten für die Zukunft, um auf diese Weise unsere Hoffnung besser konkretisieren und begründen zu können. Die Welt von heute braucht Hoffnung und sucht Hoffnung! Aber ist denn die dramatische Geschichte unseres Jahrhunderts -Kriege, verbrecherische, totalitäre Ideologien, Konzentrationslager und Gulag - für uns nicht eher ein Anlass zur Mutlosigkeit und Verzweiflung? Pascal schrieb einst, dass die Erkenntnis der eigenen Not den Menschen zur Verzweiflung treibt (vgl. Gedanken, 75). Um Hoffnung zu schöpfen, müssen wir nach oben schauen. Nur Christus - so betont Pascal - befreit uns von der Verzweiflung, denn in ihm erkennen wir nicht nur unsere Not, sondern auch unsere Größe (vgl. ebd., 690, 729, 730). Durch den Vater, der voll Erbarmen ist“ (Eph 2,4), offenbarte Christus der Menschheit die tiefste Wahrheit über Gott und den Menschen. „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8). Genau das ist der Leitgedanke meines gegenwärtigen Besuchs in der Heimat. In meiner Enzyklika über den Heiligen Geist schrieb ich: „In seinem inneren Leben ist Gott Liebe, wesenhafte Liebe, die den drei göttlichen Personen gemeinsam ist: Die personhafte Liebe aber ist der Heilige Geist als Geist des Vaters und des Sohnes. Daher „ergründet (er) die Tiefen Gottes“ als ungeschaffene Liebe, die sich verschenkt. Man kann sagen, dass im Heiligen Geist das innere Leben des dreieinigen Gottes ganz zur Gabe wird, zum Austausch gegenseitiger Liebe unter den göttlichen Personen, und dass Gott durch den Heiligen Geist als Geschenk exi- 299 REISEN stiert“ {Dominum et vivificantem, Nr. 10). Diese Liebe als Geschenk wird dem Menschen im Schöpfungs- und Erlösungswerk zuteil. Denn: - „Der Mensch kann nicht ohne Liebe leben. Er bleibt für sich selbst ein unbegreifliches Wesen; sein Leben ist ohne Sinn, wenn er nicht der Liebe begegnet, wenn er sie nicht erfährt und sich zu eigen macht, wenn er nicht lebendigen Anteil an ihr erhält“ (Redemp-tor hominis, Nr. 10). Gerade diese Wahrheit über die Liebe Gottes wird zur Quelle der Hoffnung in der Welt und zeigt uns den Weg unserer Verantwortlichkeit. Der Mensch ist zur Liebe fähig, denn Gott hat ihn zuerst geliebt. Der hl. Johannes lehrt uns: „Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat“ {1 Joh 4,19). Die Wahrheit über die Liebe Gottes erleuchtet auch unser Suchen nach Wahrheit, unsere Arbeit, die Entwicklung der Wissenschaft, unsere gesamte Kultur. Unsere Forschungsarbeit und unsere Tätigkeiten brauchen einen Leitgedanken, einen fundamentalen Wert, der ihnen Sinn gibt und der den Bemühungen der Wissenschaftler, den Reflexionen der Historiker, der Kreativität der Künstler und den sich mit unglaublicher Geschwindigkeit entwickelnden technischen Errungenschaften eine gemeinsame Orientierung verleiht. Ist eine andere Idee, ein anderer Wert oder ein anderes Licht fähig, den vielfältigen Verpflichtungen der Vertreter der wissenschaftlichen und kulturellen Welt Sinn zu geben, ohne gleichzeitig ihre kreative Freiheit einzuschränken? Diese Kraft ist die Liebe, die sich dem Menschen nicht von außen aufdrängt, sondern als sein innerstes Gut in der Tiefe seines Herzens heranwächst. Der Mensch muss nur bereit sein, sie entstehen zu lassen und seine Sensibilität, seine Reflexionen im Labor, im Seminar und Hörsaal wie auch an der Werkbank von ihr durchdringen zu lassen. 4. Wir treffen uns heute in Thom, in der „Kopemikus-Stadt“, in der nach ihm benannten Universität. Die Entdeckung des Kopemikus, ihre Bedeutung im Kontext der Wissenschaftsgeschichte, erinnert uns an die stets lebendige Gegenüberstellung von Vernunft und Glauben. In Kopemikus selbst bewirkte seine Entdeckung eine noch größere Bewunderung dessen, der Welt und Macht der menschlichen Vernunft geschaffen hat, vielen aber war sie Amlass zur Entgegenstellung von Vernunft und Glaube. Wo liegt die Wahrheit? Sind Vernunft und Glaube zwei Realitäten, die sich gegenseitig ausschließen? In dem Kontrast zwischen Vernunft und Glaube kommt eine der großen menschlichen Tragödien zum Ausdruck, die zahlreiche Ursachen hat. Bereits zur Zeit der Aufklärung führte ein übertriebener und einseitiger Rationalismus zur Radikalisierung im naturwissenschaftlichen und philosophischen Bereich. Die so entstandene Trennung zwischen Glaube und Vernunft fügte nicht nur der Religion, sondern auch der Kultur einen unvermeidlichen Schaden zu. Im Feuer heftiger Polemiken wurde oft die Tatsache missachtet, dass „der Glaube die Vernunft nicht furchtet, sondern sie sucht und auf sie vertraut. Wie die Gnade die Natur voraussetzt und vollendet, so setzt der Glaube die Vernunft voraus und vollendet sieg (vgl. Fides et ratio, Nr. 43). Glaube und Vernunft sind wie „die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt“ {ebd., Einführung). 300 REISEN Heute müssen wir uns um die Versöhnung zwischen Glaube und Vernunft bemühen. In der Enzyklika Fides et ratio schrieb ich: „Der Glaube, dem die Vernunft fehlt, hat Empfindung und Erfahrung betont und steht damit in Gefahr, kein universales Angebot mehr zu sein. Es ist illusorisch zu meinen, angesichts einer schwachen Vernunft besitze der Glaube größere Überzeugungskraft im Gegenteil, er gerät in die ernsthafte Gefahr, auf Mythos bzw. Aberglauben verkürzt zu werden. In demselben Maß wird sich eine Vernunft, die keinen reifen Glauben vor sich hat, niemals veranlasst sehen, den Blick auf die Neuheit und Radikalität des Seins zu richten. ... Der ,parresi (Freimütigkeit) des Glaubens muss die Kühnheit der Vernunft entsprechen“ (Fides et ratio, Nr. 48). Das ist im Grunde das Problem der inneren Einheit des Menschen, die stets von der Aufspaltung und Atomisierung seines Wissens bedroht ist, dem die einigende Grundlage fehlt. In diesem Bereich liegt heute die besondere Aufgabe der philosophischen Forschung. 5. Die Vertreter der Wissenschaft und Kultur tragen eine ganz besondere Verantwortung für die Wahrheit: das Verteidigen der Wahrheit, das Streben und Leben nach ihr. Wir kennen sehr wohl die Schwierigkeiten, die heute mit der Wahrheitssuche des Menschen verbunden sind: vor allem Skeptizismus, Agnostizismus, Relativismus und Nihilismus. Oft versucht man, den Menschen davon zu überzeugen, dass die Zeit der Gewissheit der Wahrheitserkenntnis endgültig vorbei ist und wir unweigerlich zu vollkommener Sinnlosigkeit, zu provisorischer Kenntnis, zu konstanter Unsicherheit und Relativität verurteilt sind. In einer solchen Situation scheint es dringend notwendig zu sein, das grundlegende Vertrauen in die menschliche Vernunft und ihre Fähigkeit zu erneuern, die Wahrheit - auch die absolute und endgültige - zu erkennen. Der Mensch ist durchaus fähig, eine einheitliche und organische Konzeption der Erkenntnis für sich zu entwickeln. Die Aufspaltung des Wissens zerstört die innere Einheit des Menschen, der nach der Fülle der Erkenntnis strebt, denn er ist ein Wesen, das seiner Natur gemäß nach der Wahrheit sucht (vgl. Fides et ratio, Nr. 28) - und nicht ohne sie leben kann. Die moderne Wissenschaft — insbesondere die heutige Philosophie — muss in ihren jeweiligen Bereichen dringend jene Dimension der Weisheit wiederfinden, die in der Suche nach dem definitiven und universalen Sinn der menschlichen Existenz besteht. Die Wahrheitssuche vollzieht sich nicht nur durch die individuelle Arbeit in der Bibliothek oder im Labor, sondern hat auch eine gemeinschaftliche Dimension. „Die Vollkommenheit des Menschen besteht nämlich nicht allein in der Aneignung der abstrakten Erkenntnis der Wahrheit, sondern auch in einer lebendigen Beziehung der Hingabe und Treue gegenüber dem anderen. In dieser Treue, die sich hinzugeben vermag, findet der Mensch volle Gewissheit und Sicherheit. Gleichzeitig ist die Erkenntnis durch Glauben, die sich auf das zwischenmenschliche Vertrauen stützt, jedoch nicht ohne Bezug zur Wahrheit: der „gläubige Mensch vertraut sich der Wahrheit an, die der andere ihm kundtut“ (Fides er ratio, Nr. 32). 301 REISEN Das ist zweifellos eine Erfahrung, die jedem von Ihnen am Herzen liegt. Man findet zur Wahrheit auch dank anderer, durch den Dialog mit anderen und für andere. Die Suche nach der Wahrheit und ihr Teilen mit anderen ist ein wesentlicher sozialer Dienst, zu dem vor allem die Vertreter der Wissenschaft aufgerufen sind. 6. Die Wissenschaft - auch die in Polen - steht heute großen Herausforderungen gegenüber. Die unglaubliche Entwicklung der Wissenschaft und der technische Fortschritt werfen grundlegende Fragen auf, die sich mit den Grenzen der Experimente befassen, mit dem Sinn und der Richtung der technischen Entwicklung, mit der Einschränkung des menschlichen Eingreifens in die Natur und die natürliche Umwelt. Dieser Fortschritt ist ebenso faszinierend wie beunruhigend. Mehr und mehr fürchtet der Mensch das Produkt seiner Vernunft und Freiheit. Er sieht sich gefährdet. Daher ist es heute von wesentlicher Bedeutung, an die grundlegende Wahrheit zu erinnern, dass die Welt ein Geschenk des liebenden Schöpfergottes ist und das menschliche Geschöpf zu einer weisen und verantwortungsvollen Beherrschung der Welt der Natur und nicht zu ihrer leichtsinnigen Zerstörung berufen ist. Ferner sollten wir uns daran erinnern, dass die Vernunft ein Geschenk Gottes (für den hl. Thomas ist die Vernunft das größte Geschenk Gottes), ein Zeichen der jedem Menschen eigenen Ähnlichkeit mit Gott ist. Daher müssen wir ständig vor Augen haben, dass wirklich freie wissenschaftliche Forschung nicht auf das Kriterium der Wahrheit und des Guten verzichten kann. Die Sorge der Wissenschaft für die moralische Haltung und das Verantwortungsbewusstsein der menschlichen Person ist heute zu einem fundamentalen Gebot geworden. Vor allem auf dieser Ebene wird sich das Los der heutigen Wissenschaft und gewissermaßen auch das der ganzen Menschheit entscheiden. Schließlich sollten wir uns auch an die Notwendigkeit erinnern, stets für jene Gabe dankbar zu sein, die jeden Menschen zum Geschenk für den anderen macht - denjenigen, durch den er, mit dem er und für den er an dem großen Abenteuer der Wahrheitssuche teilnimmt. 7. Mir sind die Schwierigkeiten voll bewusst mit denen die akademischen Einrichtungen in Polen, Dozenten ebenso wie Studenten, heute zu kämpfen haben. Wie unser ganzes Vaterland erlebt auch die Wissenschaft in Polen zur Zeit eine Phase tiefgreifender Wandlungen und Neuemngen. Doch ebenfalls bin ich mir der bedeutenden Erfolge bewusst, die die polnische Forschung dennoch erzielt und zu denen ich Ihnen mit Freude gratuliere. Verehrte Damen und Herrn, nochmals möchte ich Ihnen für das heutige Treffen danken und Sie meiner tiefen Anteilnahme an den Problemen der polnischen Wissenschaft versichern. Von ganzem Herzen grüße ich Sie und durch Sie die gesamte akademische Welt Polens, die Sie hier vertreten — Professoren und Studenten, administratives und technisches Personal -, und erteile mit Freude jedem meinen Apostolischen Segen. 302 REISEN Umkehr und Überwindung des Bösen sind Voraussetzungen für den Frieden Ansprache bei der Herz-Jesu-Andacht und Seligsprechung von Pater Stefan Wincenty Frelichowsky in Thom [Torun] am 7. Juni 1. „Herz Jesu, unser Friede und unsere Versöhnung, erbarme dich unser. “ Wir verneigen uns gläubig vor dem großen Geheimnis der Liebe des göttlichen Herzens und möchten ihm Herrlichkeit und Ehre erweisen. Sei gegrüßt, Jesus, gegrüßt seist du, göttliches Herz des Menschensohnes, der die Menschen so sehr geliebt hat. Ich danke Gott, der mir heute die Möglichkeit gibt, die junge Diözese Thom zu besuchen und zusammen mit euch das heiligste Herz des Heilands zu loben. Freudig danke ich der göttlichen Vorsehung für das Geschenk eines neuen Seligen, des Priesters und Märtyrers Stefan Wincenty Frelichowsky: Er war ein heldenhafter Zeuge der Liebe, zu der ein Hirte fähig ist. Ich begrüße alle Teilnehmer an dieser Herz-Jesu-Andacht herzlich. Besonders begrüße ich Bischof Andrzej, den Hirten des Bistums Thom, den Weihbischof Jan, den Klerus, die Ordensleute und das ganze Volk Gottes dieser Gegend. Ich grüße Thom, eine Stadt, die mir ans Herz gewachsen ist, und das schöne Pommern an der Weichsel. Es freut mich, dass ich in eure Stadt kommen konnte, die bekannt ist durch Nikolaus Kopemikus. Thom ist auch für seine Bemühungen zugunsten des Friedens durch die Jahrhunderte bekannt: Hier gelang es zweimal, die Friedensabkommen zu unterzeichnen, die in der Geschichtsschreibung die Bezeichnung „Thomer Friede“ bekamen. Ebenfalls in dieser Stadt fand das Treffen zwischen den Vertretern der Katholiken, Lutheraner und Calvinisten aus ganz Europa statt, das den Namen „ Colloquium Charitativum “, das heißt „Brüderliches Gespräch“, erhielt. Die Worte des Psalmisten bekommen hier eine besondere Aussagekraft: „Wegen meiner Brüder und Freunde will ich sagen: In dir sei Friede. Wegen des Hauses des Herrn, unseres Gottes, will ich dir Glück erflehen“ (Ps 122,8-9). 2. „Herz Jesu, unser Friede und unsere Versöhnung. “ Seht, das Herz des Erlösers — verständliches Zeichen seiner unbezwingbaren Liebe und unerschöpfliche Quelle eines wahren Friedens. In ihm „wohnt wirklich die ganze Fülle Gottes“ (Kol 2,9). Der Frieden, den Christus auf die Erde gebracht hat, kommt eben von dieser Fülle und dieser Liebe. Es ist das Geschenk eines liebenden Gottes, der den Menschen im Herzen des eingeborenen Sohnes geliebt hat. „Er ist unser Frieden“ (vgl. Phil 2,14) - ruft der hl. Paulus. Ja, Jesus ist der Frieden, er ist unsere Versöhnung. Er hat die Feindschaft vernichtet, die nach der Sünde des Menschen entstanden war, und durch seinen Tod am Kreuz alle Menschen mit dem Vater versöhnt. Auf Golgota wurde das Herz Christi von einer Lanze durchbohrt, als Zeichen vollkommener Selbsthingabe und jener selbstlosen und heilsbringen-den Liebe, mit der er uns „bis zur Vollendung“ liebte (vgl. Joh 13,1) und so das Fundament der Freundschaft Gottes mit den Menschen legte. 303 REISEN Deshalb unterscheidet sich der Friede Christi von dem, den die Welt sich vorstellt. Im Abendmahlssaal, vor seinem Tod, sagte Christus es den Aposteln ganz eindeutig: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch“ (Joh 14,27). Während die Menschen den Frieden in erster Linie in weltlicher und äußerlicher Hinsicht verstanden, sagt Christus, dass er sich aus der übernatürlichen Ordnung ergibt, dass er das Ergebnis der Vereinigung mit Gott in der Liebe ist. Die Kirche lebt unablässig vom Evangelium des Friedens. Sie verkündet ihn allen Völkern und Nationen. Unermüdlich verweist sie auf die Wege des Friedens und der Versöhnung. Sie schafft Frieden, indem sie die Mauern des Vorurteils und der Feindseligkeit zwischen den Menschen niederreißt. Das tut sie vor allem durch das Sakrament der Buße und der Versöhnung: Sie bringt die Gnade der göttlichen Barmherzigkeit und der Versöhnung und dringt so zu den eigentlichen Wurzeln der menschlichen Ängste vor, sie heilt die von der Sünde verletzten Gewissen, damit der Mensch innerlichen Trost empfindet und zum Friedensboten wird. Die Kirche teilt auch den Frieden, den sie selbst jeden Tag in der Eucharistie erfährt. Die Eucharistie ist der Höhepunkt unseres Friedens. Darin vollzieht sich das Opfer der Versöhnung mit Gott und den Brüdern und Schwestern, darin erklingt das Wort Gottes, das den Frieden verkündet, und darin erhebt sich unaufhörlich das Gebet: „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünden der Welt, erbarme dich unser.“ In der Eucharistie erhalten wir Christus selbst geschenkt: Er gibt sich hin und wird unser Frieden. Dann erleben wir in aller Deutlichkeit, dass die Welt diesen Frieden nicht geben kann, weil sie ihn nicht kennt (vgl. Joh 14,27). Heute loben wir den Frieden unseres Herrn Jesus Christus; den Frieden, den er all jenen gewährte, die ihm im Laufe seines Erdenlebens begegneten; den Frieden, mit dem er seine Jünger nach der Auferstehung freudig begrüßte. 3. ,f>elig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“ {Mt 5,9). So sagt Christus zu uns in der Bergpredigt. Aus der Tiefe seines liebenden Herzens äußert er den Wunsch, dass wir glücklich sein sollen. Christus weiß, dass das höchste Glück die Vereinigung mit Gott ist, die aus dem Menschen ein Kind Gottes macht. Unter den verschiedenen Wegen, die zur Fülle des Glücks fuhren, nennt er auch jenen, der durch die Bemühungen zugunsten des Friedens und durch das Teilen dieses Friedens mit anderen geht. Die friedliebenden Menschen sind des Namens als Kinder Gottes würdig. Jesus nennt solche Menschen „glücklich“. „Selig, die Frieden stiften.“ Die Würde dieser Bezeichnung steht zu Recht auch dem Priester Stefan Wincenty Frelichowsky zu, der heute zur Ehre der Altäre erhoben wird. Sein ganzes Leben war nämlich wie ein Spiegel mit dem Widerschein der Philosophie Christi, wonach nur der das wahre Glück erreicht, der mit Gott vereint zu einem Menschen des Friedens wird, der Frieden stiftet und den anderen Frieden bringt. Dieser Priester von Thom, der seinen seelsorglichen Dienst nur knappe acht Jahre ausübte, hat uns ein klares Zeugnis seines Hinschenkens für Gott und die Menschen hinterlassen. Von seinen allerersten Priesteijähren an lebte er 304 REISEN von Gott, und mit dem Reichtum seines priesterlichen Charismas ging er überall dorthin, wo die Gnade des Heils überbracht werden musste. Er erfuhr die Geheimnisse der Menschenseele und passte die Methoden seiner Pastoral den Bedürfnissen jedes Einzelnen an, dem er begegnete. Diese Fähigkeit hatte er in der Schule der Pfadfinder gelernt, wo er auch für die Bedürfnisse anderer eine besondere Feinfühligkeit entwickelt hatte. Diese entfaltete er ständig im Geiste der Parabel des Guten Hirten, der die verlorenen Schafe sucht und bereit ist, sein Leben für sie hinzugeben (vgl. Joh 10,1-21). Als Priester war er sich immer bewusst, Zeuge einer großen Sache zu sein; gleichzeitig aber diente er den Menschen in tiefer Demut. Dank seiner Güte, Sanftmut und Geduld konnte er viele Leute für Christus gewinnen - auch unter den tragischen Umständen des Krieges und der Besatzung. Im Drama des Krieges verschrieb er sich in einem gewissen Sinn einer Aufeinanderfolge von Kapiteln im Dienst für den Nächsten. Die sogenannte „Festung VII“, Stutthof, Grenzdorf, Oranienburg-Sachsenhausen und schließlich Dachau waren die verschiedenen Stationen seines Leidensweges, auf dem er sich selbst treu blieb und unerschrocken sein priesterliches Amt weiter ausübte. Damit ging er vor allem zu jenen, die es am nötigsten hatten und von denen sehr viele an Typhus starben, dem er zuletzt selbst zum Opfer fiel. Sein Priesterleben schenkte er Gott und den Menschen und brachte so den Kriegsopfern Frieden. Diesen Frieden teilte er großzügig mit den anderen, denn seine Seele schöpfte Kraft aus dem Frieden Christi. Und diese Kraft war so groß, dass sogar der Märtyrertod sie nicht auslöschen konnte. 4. Liebe Brüder und Schwestern! Ohne innerliche Emeuemng und ohne Anstrengungen zur Überwindung des Bösen und der Sünde im eigenen Herzen - und vor allem ohne Liebe - kann der Mensch keinen inneren Frieden finden. Der Frieden kann nur dann überleben, wenn er in den höchsten Werten wurzelt, wenn er auf sittlichen Normen fußt und offen ist für Gott. Er kann hingegen nicht bestehen, wenn er auf dem sumpfigen Boden der religiösen Gleichgültigkeit und eines nüchternen Pragmatismus aufgebaut wurde. Der innere Frieden entsteht im Herzen des Menschen und im Leben der Gesellschaft aus der sittlichen und ethischen Ordnung und aus der Befolgung der Gebote Gottes. Teilen wir diesen Frieden Gottes mit anderen, so wie es der selige Priester und Märtyrer Wincenty Frelichowsky tat. Auf diese Weise werden wir zu einem Keim des Friedens in der Welt, in der Gesellschaft, in unserem Lebens- und Arbeitsumfeld. Ich richte diesen Aufruf an alle ohne Ausnahme und besonders an euch, liebe Priester. Seid Zeugen der barmherzigen Liebe Gottes. Verkündet das Evangelium Christi mit Freude, und spendet die Vergebung Gottes im Sakrament der Versöhnung. Versucht, durch euren Dienst alle Menschen näher zu Christus, dem Friedensspender, zu bringen. Ich richte diese Worte auch an euch, liebe Eltern, die ihr die ersten Erzieher eurer Kinder seid. Ihr sollt für sie das Abbild der göttlichen Liebe und Vergebung sein und mit all euren Kräften versuchen, eine einträchtige und solidarische Familie aufzubauen. Familie, dir ist ein Auftrag größter Wichtigkeit übertragen worden: 305 REISEN Du musst beim Aufbau des Friedens mitarbeiten, denn der Frieden ist das Gut, das für die Entwicklung und Achtung des menschlichen Lebens unentbehrlich ist. Euch Erzieher, die ihr dazu berufen seid, der jungen Generation die wahren Werte des Lebens zu vermitteln, bitte ich: Lehrt die Kinder und Jugendlichen Toleranz, Verständnis und Achtung vor jedem Menschen; erzieht die jungen Generationen in einem Klima wahren Friedens. Das ist ihr Recht. Das ist eure Pflicht. Ihr Jugendlichen, die ihr so große Erwartungen im Herzen tragt, sollt lernen, in Eintracht und gegenseitigem Respekt zu leben, indem ihr euch untereinander helft und solidarisch zeigt. Stärkt die Sehnsucht nach dem Guten und den Wunsch nach Frieden in eurem Herzen (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag, 1.1.1997, Nr. 8). Die Gesellschaften und Nationen brauchen friedliebende Menschen, wahre Pflanzer der Eintracht und der gegenseitigen Achtung; Menschen, die ihre Herzen mit dem Frieden Christi erfüllen und ihn zu den andern tragen in die Häuser, Büros und Institutionen, an die Arbeitsplätze und in die ganze Welt. Die Geschichte und unsere Zeit beweisen, dass die Welt den Frieden nicht geben kann. Die Welt ist ohnmächtig. Deshalb muss man sie auf Jesus Christus hinweisen, der durch seinen Kreuzestod den Menschen den Frieden hinterlassen und uns dadurch seine Gegenwart durch alle Jahrhunderte zugesichert hat (vgl. Joh 14,7-31). Wie viel unschuldiges Blut ist im 20. Jahrhundert in Europa und auf der ganzen Welt vergossen worden, weil einige politische und gesellschaftliche Systeme sich von den Grundsätzen Christi, die einen gerechten Frieden gewährleisten, entfernt haben! Wie viel unschuldiges Blut wird immer noch vor unseren Augen vergossen! Die tragischen Ereignisse im Kosovo haben es gezeigt und zeigen es weiter auf sehr schmerzvolle Weise. Wir können bezeugen, wie sehr die Leute sich nach Frieden sehnen. Diese Worte spreche ich in einer Gegend, die im Laufe ihrer Geschichte die tragischen Auswirkungen des Mangels an Frieden verspürt hat und Opfer von grausamen und zerstörerischen Kriegen wurde. Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist immer lebendig, und die vollständige Heilung der von dieser Katastrophe der Geschichte verursachten Wunden wird lange Zeit in Anspruch nehmen. Möge der Friedensruf von diesem Ort aus alle Menschen auf der ganzen Welt erreichen. Ich möchte hier die Worte wiederholen, die ich dieses Jahr in der Osterbotschaft „ Urbi et Orbi“ sagte: „Der Frieden ist möglich, der Frieden ist Pflicht, der Frieden ist vorrangige Verantwortung aller! Möge das heraufziehende dritte Jahrtausend den Anbruch einer neuen Ära schauen, in der die Achtung für jeden Menschen und die brüderliche Solidarität unter den Völkern mit Gottes Hilfe die Kultur des Hasses, der Gewalt und des Todes überwinden“ (Nr. 6; O.R. dt. 1999, Nr. 16, S. 1). 5. Mit großer Dankbarkeit nehmen wir das Lebenszeugnis des sei. Wincenty Freli-chowsky - Held, unserer Zeit, Priester und Mann des Friedens - als Aufruf an unsere Generation an. Ich möchte das Geschenk dieser Seligsprechung besonders der Kirche von Thom anvertrauen, damit sie die Erinnerung der großen Werke Gottes, die sich im kurzen Dasein dieses Priesters erfüllt haben, bewahrt und verbreitet. Dieses Geschenk vertraue ich vor allem den Priestern dieser Diözese und ganz 306 REISEN Polens an. Schon zu Beginn seines priesterlichen Weges schrieb Frelichowsky: „Ich muss ein Priester nach dem Herzen Christi sein.“ Wenn diese Seligsprechung eine große Danksagung an Gott für sein Priesteramt ist, dann ist sie auch ein Lob Gottes für die Wunder seiner Gnade, die sich durch die Hände aller Priester vollziehen - auch durch eure Hände. Ich möchte mich nun an die große Familie der polnischen Pfadfinder wenden, denen der neue Selige tief verbunden war. Er werde euer Schutzpatron, Lehrmeister im Edelmut der Seele und Fürsprecher des Friedens und der Versöhnung. In wenigen Tagen ist der 100. Jahrestag der Weihe des gesamten Menschengeschlechts an das Heiligste Herz Jesu. Dies geschah in allen Diözesen auf Veranlassung von Papst Leo XIII., der zu diesem Zweck die Enzyklika Annum sacrum veröffentlichte. Darin schrieb er: „Das Heilige Herz ist Symbol und lebendiges Abbild der unendlichen Liebe Jesu Christi, der uns auffordert, sie unsererseits mit Liebe zu erwidern“ (vgl. Nr. 2). Eben haben wir gemeinsam den Weiheakt an das Heiligste Herz Jesu erneuert. Auf diese Weise haben wir die größte Huldigung und auch unseren Glauben an Christus, den Erlöser des Menschen, zum Ausdruck gebracht. Er ist „das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende“ (Ojjfb 21,6), ihm gehört diese Welt und ihr Schicksal. Während wir heute sein Heiligstes Herz verehren, beten wir inständig für den Frieden: zuerst für den Frieden in unseren Herzen, aber auch für den Frieden in unseren Familien, in unserem Land und auf der ganzen Welt. „Herz Jesu, unser Friede und unsere Versöhnung, erbarme dich unser! “ Ich muss heute in deinem Haus Gast sein! Predigt bei der hl. Messe auf dem Plac Sapera in Lyck [Elk] mit Teilnahme der litauischen Gläubigen am 8. Juni 1. „Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muß heute in deinem Haus zu Gast sein“ (Lk 19,5). Im Evangelium, das wir gerade gehört haben, beschreibt der hl. Lukas die Begegnung zwischen Jesus und einem Mann namens Zachäus, der oberster Zollpächter und sehr reich war. Da er klein von Gestalt war, stieg er auf einen Baum, um Christus zu sehen. Da hörte er die Stimme des Meisters: ,Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muß heute in deinem Haus zu Gast sein“. Jesus hatte die Geste des Zachäus bemerkt: Er verstand seinen Wunsch und kam seiner Einladung zuvor. Die Tatsache, dass Jesus bei einem Sünder zu Gast sein sollte, verwunderte manche Leute. Zachäus war glücklich über diesen Besuch „und nahm Jesus freudig bei sich auf‘ (Lk 19,6), das heisst er öffnete die Türen seinen Hauses und seinen Herzens großherzig für die Begegnung mit dem Erlöser. 2. Liebe Brüder und Schwestern! Von ganzem Herzen begrüße ich die Teilnehmer an dieser heiligen Messe. Besonders grüße ich Bischof Wojciech, den Hirten der Diözese Lyck, und Weihbischof Edward, sowie die zahlreich hier anwesenden 307 REISEN Priester, die geweihten Personen und das Volk Gottes. Ich grüße dieses schöne Land und seine Einwohner. Ich liebe es sehr, denn ich habe es oft besucht, auch auf der Suche nach Erholung. Damals hatte ich die Möglichkeit, die Vielfalt der Natur in diesem Winkel meiner Heimat zu bewundern und die Ruhe der Seen und Wälder zu genießen. Ihr selbst seid Erben der reichen Vergangenheit dieser Gegend, die im Laufe der Jahrhunderte von vielerlei Traditionen und Kulturen gebildet wurde. Das ist ersichtlich an der Anwesenheit um den Altar Gottes bei dieser Feier nicht nur der polnischen Bischöfe, sondern auch der Bischöfe anderer Länder. Ich danke ihnen dafiir, dass sie nach Lyck gekommen sind. Ich begrüße auch die Studenten der Priesterseminare und die Pilger, die aus den Nachbardiözesen, aber auch aus dem Ausland hierher gekommen sind, insbesondere aus Weißrussland, Russland und Litauen. Ich bitte euch, überbringt meinen Gruß allen unseren Brüdern und Schwestern, die heute nicht hier mit uns sein können. Von ganzem Herzen begrüße ich die im Gebiet der Diözese Lyck ansässige litauische Gemeinschaft, die an dieser Messe teilnimmt, und auch die aus Litauen angereisten Pilger. Ganz besonders begrüße ich den Präsidenten der Republik Litauen, Herrn Valdas Adamkus, und seine Begleiter. Ich grüße die Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen und Studenten der Priesterseminare. Durch euch möchte ich alle Einwohner Litauens grüßen. Oft gehe ich in Gedanken und im Herzen zu dem Besuch zurück, den ich im September 1993 in euer Land unternommen habe. Damals haben wir alle gemeinsam Gott und der Mutter der Barmherzigkeit im Heiligtum vom „Tor der Morgenröte“ Dank gesagt für die unerschütterliche Treue zum Evangelium in schwierigen Zeiten für eure Nation. Während der Eucharistie, die wir am Hügel der Kreuze feierten, dankte ich euch „für dieses gewaltige Zeugnis vor Gott und den Menschen ... vor eurer Geschichte und vor allen Völkern Europas und der Welt“. Damals sagte ich: „Dieser Hügel bleibe als Zeugnis am Ende des zweiten Jahrtausends nach Christus und gleichsam als Ankündigung des neuen, des dritten Jahrtausends der Erlösung und des Heils, das nirgends sonst zu finden ist, nur im Kreuz und in der Auferstehung unseres Erlösers .... Das ist die Botschaft, die ich allen hinterlasse von diesem mystischen Ort der litauischen Geschichte aus. Ich hinterlasse sie allen und wünsche euch, dass sie immer betrachtet und gelebt wird“ (Predigt am 7. September 1993, Schluß). Liebe litauische Brüder und Schwestern! Sechs Jahre später möchte ich euch diese Worte erneut wiederholen und euch daran erinnern. Heute empfehle ich eure Heimat der Madonna vom Tor der Morgenröte und dem hl. Kasimir, dem Schutzpatron Litauens. Bei seinem Grab in der Kathedrale von Vilnius habe ich damals inbrünstig für eure ganze Nation gebetet und Gott dafür gedankt, dass ich dorthin kommen und dort mein Hirtenamt ausüben konnte. Ich bitte auch um die Fürsprache der heiligen Königin Hedwig, deren liturgisches Gedenken die Kirche heute feiert, und des seligen Erzbischofs Jurgis Matulaitis, des unermüdlichen und furchtlosen Hirten der Kirche von Vilnius. Der Glauben sei immer die Kraft eurer Nation, und das Zeugnis der Liebe zu Christus bringe spirituelle Frucht. Erbaut die Zukunft eures Heimatlandes, euer Leben, eure litauische und christliche Identität 308 REISEN auf den Glauben - zum Wohle der Kirche, zum Wohle Europas und zum Wohle der Menschheit. 3. „Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben“ (Lk 19,8). Ich möchte nun die Lesung des Lukasevangeliums wiederaufnehmen: Christus, „das Licht der Welt“ (vgl. Joh 8,12), hat sein Licht in das Haus des Zachäus, und ganz speziell in sein Herz getragen. Dank der Nähe Jesu, seiner Worte und seiner Lehren beginnt der Verwandlungsprozess des Herzens dieses Menschen. Schon auf der Schwelle seines Hauses erklärt Zachäus: „Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück“ (Lk 19,8). Das Beispiel des Zachäus zeigt uns, wie Christus die Finsternis des menschlichen Gewissens erhellt. In seinem Licht erweitert sich der Horizont des Daseins: Man beginnt, sich der anderen Menschen und ihrer Bedürfnisse bewusst zu werden. Es keimt der Sinn der Beziehung zum anderen auf, das Bewusstsein der sozialen Dimension des Menschen und infolgedessen der Sinn für Gerechtigkeit. „Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor“ - lehrt uns Paulus (Eph 5,9). Die Hinwendung zum anderen Menschen, zum Nächsten, ist eines der wichtigsten Ergebnisse einer wahren Bekehrung. Der Mensch geht aus seinem egoistischen „Für-Sich-Selbst-Dasein“ hinaus und wendet sich den anderen zu; er empfindet das Bedürfnis, „für die anderen da zu sein“, für die Brüder da zu sein. Eine solche Ausdehnung des Herzens in der Begegnung mit Christus ist der Unterpfand des Heils, wie die Fortsetzung des Gesprächs mit Zachäus zeigt: „Da sagte Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden .... Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist“ (Lk 19,9-10). Auch heute hat die Beschreibung, die uns Lukas über das Ereignis in Jericho liefert, nicht an Bedeutung verloren. Sie trägt die Aufforderung Christi in sich, der für uns „Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung“ wurde (vgl. 1 Kor 1,30). Und so wie er damals vor Zachäus stand, so steht in diesem Moment Christus vor dem Menschen unseres Jahrhunderts. Jedem Einzelnen scheint er seinen Vorschlag zu unterbreiten: „... ich muß heute in deinem Haus zu Gast sein“ (Lk 19,5). Liebe Brüder und Schwestern, dieses „Heilte“ ist wichtig. Es ist wie eine Aufforderung. Im Leben gibt es Angelegenheiten, die so wichtig und dringend sind, dass sie nicht vertagt oder auf morgen verschoben werden dürfen. Man muss sich schon heute mit ihnen beschäftigen. Der Psalmist ruft: „Ach, würdet ihr doch heute auf seine Stimme hören:,Verhärtet euer Herz nicht1“ (Ps 95,8). „Der Armen Geschrei“ (Ijob 34,28) auf der ganzen Welt erhebt sich unaufhörlich von dieser Erde und erreicht Gott. Es ist das Geschrei von Kindern, Frauen, alten Menschen, Flüchtlingen, Opfern von Unrecht, Kriegsopfern, Arbeitslosen. Die Armen sind auch unter uns: die Obdachlosen, die Bettler, die Hungrigen, die Verachteten, die von ihren Angehörigen und der Gesellschaft Vergessenen, die Herabgesetzten und Gedemü-tigten, die Opfer verschiedener Laster. Viele versuchen sogar, ihr menschliches Elend zu verheimlichen, aber man muss sie zu erkennen wissen. Es gibt auch lei- 309 REISEN Das sind die Armen vor Gott: Obwohl sie selbst weder Gold noch Silber besitzen, haben sie dank Christus einen größere Macht als die, die einem Menschen durch alle Reichtümer der Welt gegeben werden könnte. Diese Menschen sind wirklich glücklich und selig, denn ihnen gehört das Himmelreich. Amen. Was kann uns scheiden von der Liebe Gottes? Predigt bei der hl. Messe auf der Freifläche Blonia Siedleckie in Siedlce mit Teilnahme der griechisch-katholischen Gläubigen am 10. Juni 1. Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?“ (Röm 8,35). Gerade haben wir die Worte gehört, die Paulus an die Christen von Rom richtete. Sie sind ein großer Dankeshymnus an Gott für seine Liebe und Güte. Diese Liebe hat in Jesus Christus ihren Höhepunkt und vollkommensten Ausdruck gefunden, denn Gott hat nicht einmal seinen eigenen Sohn verschont, sondern ihn für uns hingegeben, damit wir das ewige Leben haben (vgl. Röm 8,32). Durch die Taufe in Christus eingefugt, sind wir Gottes auserwählte und geliebte Kinder. Diese Gewissheit sollte uns eine Ermutigung sein, an der Treue zu Christus festzuhalten. Paulus versteht solche Treue als Verbindung zu Christus in der Liebe. Liebe Brüder und Schwestern! Mit welcher Beredsamkeit erklingen diese Worte des Apostels der Nationen hier in der Region Podlachien, aus der furchtlose Zeugen des Evangeliums Christi hervorgegangen sind. Das Volk dieses Gebiets hat jahrhundertelang zahllose Beweise seines Glaubens an Christus und seiner Verbundenheit mit der Kirche geliefert, besonders angesichts der vielfältigen Erfahrungen, der schrecklichen Verfolgungen und der harten Prüfungen der Geschichte. Ich begrüße alle Teilnehmer an dieser hl. Messe und das ganze Gottesvolk von Podlachien mit seinem Hirten, Bischof Jan Wiktor, den emeritierten Bischöfen Jan und Waclaw und dem Weihbischof Henryk. Ich freue mich über die Anwesenheit der Bischöfe aus Weißrussland, Kasachstan, Russland und der Ukraine. Ich begrüße auch die Bischöfe des byzantinisch-ukrainischen Ritus aus Polen und der Ukraine. Besonders grüße ich den Erzbischof und Metropoliten von Warschau-Przemysl, Ivan Martyniak, den Bischof von Breslau-Danzig und den Bischof von Leopolis, Lubomyr Huzar, zusammen mit den Pilgern, die mit ihm hierher gereist sind. Ich begrüße die Priester, die Ordensleute, die Studenten des Priesterseminars von Siedlce und die Vertreter der katholischen Bewegungen, der Gebetskreise und der apostolischen Verbände. Ich grüße die Pilger aus verschiedenen Teilen Polens, sowie die aus dem benachbarten Weißrussland, aus Litauen, aus der Ukraine und aus Russland. In diesem Augenblick werden die Erinnerungen an meine früheren Begegnungen mit der Kirche von Siedlce wieder lebendig - besonders damals im Jahr 1966 zum Gedenken an den 1000. Jahrestag der Taufe Polens, und zum 150. Jubiläum der Diözese, als ich die Eucharistie in Koden [des Adelsgeschlechts] der Sapieha zu 312 REISEN Füßen der Muttergottes und Königin von Podlachien feiern durfte. Heute freue ich mich, bei euch sein zu können, und ich danke der göttlichen Vorsehung, weil es mir gegeben ist, die Reliquien der Märtyrer Podlachiens zu ehren. In ihnen haben sich die Worte des hl. Paulus aus der heutigen Liturgie ganz besonders erfüllt: „Weder Tod noch Leben ... noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Röm 8,38-39). 2. „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir“ {Joh 17,11). Christus sprach diese Worte am Tag vor seinem Leiden und Tod. Sie sind gewissermaßen sein Testament. Seit zweitausend Jahren geht die Kirche durch die Geschichte mit diesem Testament, mit diesem Gebet für die Einheit. Trotzdem gibt es einige Abschnitte in der Geschichte, in denen dieses Gebet ganz besonders aktuell wird, und gegenwärtig leben wir in einem dieser Abschnitte. Wenn das erste Jahrtausend der Kirchengeschichte im Wesentlichen von Einheit geprägt war, traten seit dem Beginn des zweiten Jahrtausends Trennungen auf, zuerst im Osten und später auch im Westen. Seit fast zehn Jahrhunderten lebt die Christenheit in Uneinigkeit. Dies fand und findet seinen Ausdruck in der Kirche, die seit tausend Jahren ihren Auftrag auf polnischem Gebiet erfüllt. In der Zeit der ersten Republik waren die ausgedehnten polnisch-litauisch-ruthenischen Territorien ein großes Gebiet, wo die zwei Traditionen, die westliche wie die östliche, koexistieren konnten. Mit der Zeit wurden allerdings die Auswirkungen der Spaltung sichtbar, die bekanntlich gegen Mitte des 9. Jahrhunderts zwischen Rom und Byzanz aufgetreten war. Allmählich reifte aber auch das Bewusstsein um die Notwendigkeit zur Wiederherstellung der Einheit, insbesondere nach dem Konzil von Florenz im 15. Jahrhundert. Das Jahr 1596 wurde durch das historische Ereignis der sogenannten Union von Brest berühmt. Seit jener Zeit nahm in den Territorien der ersten Republik, darunter speziell in den Ostgebieten, die Zahl der Diözesen und Gemeinden der griechisch-katholischen Kirche zu. Obwohl sie in den Bereichen der Liturgie, der Lehre und der Sprache die orientalische Tradition aufrecht erhielten, blieben jene Christen mit dem Apostolischen Stuhl vereint. Das Bistum Siedlce, wo wir uns heute befinden, und ganz besonders der Ort Pratu-lin, war Schauplatz eines einzigartigen Zeugnisses dieses geschichtlichen Prozesses. Hier fanden nämlich die zur griechisch-katholischen Kirche gehörigen Bekenner Christi den Märtyrertod: der sei. Wincenty Lewoniuk und seine zwölf Gefährten. Vor drei Jahren sagte ich während ihrer Seligsprechung auf dem Petersplatz in Rom, dass sie „dem Herrn des Weinbergs das Zeugnis unerschütterlicher Treue gegeben haben. Sie haben ihn nicht enttäuscht, sondern, mit Christus verbunden bleibend wie die Reben mit dem Weinstock, haben sie die erhofften Früchte der Bekehrung und Heiligkeit gebracht. Sie haben ausgeharrt, auch um den Preis des höchsten, letzten Opfers. Als treue Diener des Herrn vertrauten sie auf seine Gnade und gaben Zeugnis für ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche in Treue zu 313 REISEN ihrer östlichen Tradition ... Mit dieser hochherzigen Geste verteidigten die Märtyrer von Pratulin nicht nur das Gotteshaus, vor dem sie niedergemetzelt wurden, sondern auch die von Christus dem Apostel Petrus anvertraute Kirche, als deren lebendige Steine sie sich fühlten“ (Predigt am 6. Oktober 1996, 3). Die Märtyrer von Pratulin verteidigten die Kirche, den Weinberg Gottes. Sie blieben ihm bis zuletzt treu und gaben dem Druck der damaligen Welt, die sie gerade deswegen gehasst hat, nicht nach. In ihrem Leben und ihrem Tod erfüllte sich die Bitte Christi im priesterlichen Gebet: „Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehaßt... Ich bitte nicht, daß du sie aus der Welt nimmst, sondern daß du sie vor dem Bösen bewahrst ... Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit. Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt. Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ {Joh 17,14-15.17-19). Sie legten Zeugnis ab für ihre Treue zu Christus in seiner heiligen Kirche. In der Welt, in der sie lebten, versuchten sie mutig, das um sich greifende Böse durch die Wahrheit und das Gute zu besiegen, und mit der Liebe wollten sie den wütenden Haß überwinden. Wie Christus, der sich - für sie und zu ihrer Heiligung - selbst opferte, so gaben auch sie ihr Leben hin aus Treue zur Wahrheit Christi und zur Verteidigung der Einheit der Kirche. Diese einfachen Leute, Familienväter, gingen im entscheidenden Augenblick lieber in den Tod als dem Druck nachzugeben, der im Widerspruch zu ihrem Gewissen stand. „Wie süß ist es, für den Glauben zu sterben“ - waren ihre letzten Worte. Wir danken ihnen für dieses Zeugnis, das zum Erbe der ganzen polnischen Kirche für das nahende dritte Jahrtausend werden sollte. Sie leisteten ihren bedeutenden Beitrag zum Aufbau der Einheit. Der Aufschrei Christi zum Vater: „Bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir“, haben sie bis zuletzt und durch die hochherzige Aufopferung ihres Lebens zur Erfüllung gebracht. Mit ihrem Tod haben sie ihr Festhalten an Christus in der katholischen Kirche östlicher Tradition bestätigt. Der gleiche Geist beseelte die zahlreichen Gläubigen des byzantinisch-ukrainischen Ritus, Bischöfe, Priester und Laien, die während der 45-jährigen Verfolgungen Christus die Treue hielten und ihre kirchliche Identität bewahrten. In diesem Zeugnis ist die Treue zu Christus verknüpft mit der Treue zur Kirche, und sie wird so zum Dienst für die Einheit. 3. „Wie du [Vater] mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt“ (vgl. Joh 17,18). Die Märtyrer von Pratulin legen vor der Welt für ihren Glauben Zeugnis ab; sie erinnern uns daran, dass Christus alle seine Jünger rief und sandte, damit sie durch die Jahrhunderte und bis zum Ende der Zeiten Verkünder des Kommens seines Reiches seien. Auf diese universale Berufung zum Zeugnis für Christus hat das II. Vatikanische Konzil im Dekret über das Laienapostolat ganz deutlich hingewiesen: „Der Herr selbst lädt... alle Laien noch einmal ein, sich von Tag zu Tag inniger mit ihm zu verbinden und sich in seiner heilbringenden Sendung zusammenzuschließen; dabei seien sie auf das, was sein ist, wie auf ihr eigenes bedacht“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 33). Diese Einladung seitens des Konzils ist jetzt, 314 REISEN wo das dritte Jahrtausend naht, ganz besonders aktuell. Christus richtet sie am Ende des 20. Jahrhunderts durch die Worte der Konzilsväter nicht nur an die Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, sondern an alle seine Jünger. Heute verweist er auf das Beispiel der dreizehn Männer von Pratulin und richtet seine Aufforderung speziell an uns. Heute - mehr denn je - bedürfen wir eines wahrhaften Glaubenszeugnisses, das durch das Leben der Jünger Christi als Laien sichtbar wird: Frauen und Männer, junge und alte Leute. Es ist ein entschlossenes Zeugnis der Treue zur Kirche und der Verantwortung für die Kirche erforderlich, die seit zwanzig Jahrhunderten jedem Volk und jeder Nation die unveränderliche Lehre des Evangeliums verkündet und ihnen dadurch das Heil bringt. Die Menschheit steht vor Schwierigkeiten verschiedener Art, vor Problemen und gewaltsamen Veränderungen; oft erlebt sie dramatische Umwälzungen und Spaltungen. In einer solchen Welt fühlen sich viele, besonders junge Menschen verloren, und sie werden davon verletzt. Manche werden Opfer von Sekten oder religiösen Verirrungen, oder auch von Manipulierungen der Wahrheit. Andere erliegen verschiedenen Formen von Sklaverei. Es verbreiten sich egoistische Einstellungen, Ungerechtigkeit und mangelnde Sensibilität gegenüber den Bedürfnissen der anderen. Die Kirche ist mit diesen und vielen anderen Herausfordemngen unserer Zeit konfrontiert. Sie will den Menschen wirksame Hilfe bringen und benötigt daher das Engagement der Laiengläubigen, die sich - unter der Leitung ihrer Hirten - aktiv an ihrer Heilssendung beteiligen müssen. Liebe Brüder und Schwestern! Durch die heilige Taufe seid ihr in Christus eingegliedert worden. Ihr bildet die Kirche, seinen mystischen Leib. Durch euch möchte Christus mit der Macht seines Geistes wirken. Durch euch will Er „den Armen eine gute Nachricht bringen, den Gefangenen die Entlassung verkünden und den Blinden das Augenlicht“. Durch euch will Er „die Zerschlagenen in Freiheit setzen und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufen“ (vgl. Lk 4,18-19). Als Laien, eurer Identität treu und in der Welt lebend, könnt ihr sie im Geist des Evangeliums aktiv und wirksam verwandeln. Ihr sollt das Salz sein, das dem Leben seinen christlichen Geschmack gibt. Ihr sollt das Licht sein, das in der Finsternis der Gleichgültigkeit und Selbstsüchtigkeit leuchtet. Im Brief an Diognet lesen wir: „Was im Leibe die Seele ist, das sind in der Welt die Christen. Wie die Seele über alle Glieder des Leibes, so sind die Christen über die Städte der Welt verbreitet“ (11,6). Die Neuevangelisierung stellt uns vor große Herausforderungen. Mein Vorgänger, Papst Paul VI., betonte im Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi: „Das eigentliche Feld ihrer [der Laien] evangelisierenden Tätigkeit ist die weite und schwierige Welt der Politik, des Sozialen und der Wirtschaft, aber auch der Kultur, der Wissenschaften und Künste, des internationalen Lebens und der Massenmedien, ebenso gewisse Wirklichkeiten, die der Evangelisierung offenstehen, wie Liebe, Familie, Kinder- und Jugenderziehung, Bemfsarbeit, Leiden usw.“ (Nr. 70). Mit großer Freude stelle ich fest, daß in Polen die Katholische Aktion sich gegenwärtig stark entwickelt; ähnliches gilt für andere Formen katholischer Orga- 315 REISEN nisationen, Verbände und Bewegungen, darunter auch Jugendbewegungen, allen voran die Katholische Aktion der Jugendlichen und die Bewegung „Licht -Leben“. Das ist ein neuer Hauch des Heiligen Geistes über unserem Heimatland. Gott sei dafür gedankt. Bleibt eurer christlichen Berufung treu. Bleibt Gott und dem in der Kirche lebendigen Christus treu. 4. Heute (ver)ehren wir die Reliquien der Märtyrer von Podlachien, und wir beten das Kreuz von Pratulin an, das ein stummer Zeuge ihrer heldenhaften Treue gewesen ist. Sie hielten dieses Kreuz in ihren Händen und trugen es in der Tiefe ihres Herzens als Zeichen der Liebe des Vaters und der Einheit der Kirche Christi. Das Kreuz gab ihnen die Kraft, für Christus und seine Kirche Zeugnis geben zu können. In ihnen bewahrheiteten sich die Worte des hl. Paulus aus der heutigen Liturgie: „Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?“ (Röm 8,31). Durch ihren Tod wurden sie auf ganz spezielle Weise in das große Erbe des Glaubens eingereiht, das sich vom hl. Adalbert, dem hl. Stanislaus und dem hl. Josaphat bis in unsere Tage erstreckt. Unermesslich ist die Zahl derer, die in Polen wegen dem Kreuz Christi leiden mußten und dafür die größten Opfer auf sich nahmen. Mehrmals mußte unsere Nation im Laufe ihrer Geschichte ihren Glauben verteidigen und wegen ihrer Treue zur Kirche Unterdrückung und Verfolgung erdulden. Zumal die lange Periode der Nachkriegszeit erwies sich als eine Epoche des erbitterten Kampfes des totalitären Systems gegen die Kirche. Damals vesuchte man, Religionserziehung an den Schulen zu verbieten; das öffentliche Glaubensbekenntnis wurde verhindert, genauso wie der Bau von Kirchen und Kapellen. Wie viele Opfer waren nötig und wie viel Mut mußte aufgebracht werden, um die christliche Identität zu wahren. Und doch konnte das Kreuz, dieses Zeichen des Glaubens und der Liebe, nicht aus dem persönlichen und sozialen Leben ausgemerzt werden, denn es war tief im Boden des Herzens und des Gewissens verwurzelt. Für Nation und Kirche wurde es zur Kraftquelle und zum Zeichen der Einheit unter den Menschen. Die Neuevangelisierung braucht echte Glaubenszeugen. Sie benötigt Personen, die ihre Wurzeln im Kreuz Christi haben und bereit sind, dafür Opfer zu bringen. Das wahre Zeugnis für die lebensgebende Macht des Kreuzes liefert nämlich derjenige, der in seinem Namen die Sünde, den Egoismus und alles Schlechte in ihm selbst überwindet und die Liebe Christi bis zuletzt nachahmen möchte. Das Kreuz muß - wie in der Vergangenheit - auch in der Zukunft immer in unserem Dasein gegenwärtig sein als ein klarer Wegweiser für den Pfad, dem wir folgen sollen, und als Licht, das unser ganzes Leben erleuchtet. Das Kreuz, das mit seinen Balken den Himmel mit der Erde und die Menschen untereinander verbindet, wachse auf unserer Erde und bilde einen großen Baum voller Früchte des Heils. Es bringe neue und mutige Verkünder des Evangeliums hervor, die die Kirche lieben und für sie verantwortliche, wahre Herolde des Glaubens sind, ein Geschlecht neuer Menschen. Sie sollen die Fackel des Glaubens entzünden und sie brennend über die Schwelle des dritten Jahrtausends tragen. Sei gelobt, Kreuz Christi, wir grüßen dich zu jeder Zeit, aus dir quellen Kraft und Stärke hervor, du bist unser Sieg! 316 REISEN Aufrichtiges Bemühen auf dem gemeinsamen Weg zur Einheit Homilie beim ökumenischen Gottesdienst in Drohiczyn am 10. Juni 1. „Ein neues Gebot gebe ich euch: liebt einander, wie ich euch geliebt habe“ (vgl. Joh 13,34). Eben haben wir die Worte Christi gehört, die uns der hl. Johannes in seinem Evangelium überliefert hat. Der Herr richtete sie an die Jünger in seiner Abschiedsrede bei der Fußwaschung, vor seinem Leidensweg und Kreuzestod. Es ist gewissermaßen sein letzter Aufruf an die Menschheit, mit dem er einen brennenden Wunsch zum Ausdruck bringt: „Liebt einander“! Mit diesen Worten Christi grüße ich alle Anwesenden bei der heutigen liturgischen Feier, die gleichzeitig ein ökumenisches Gebet für die Einheit der Christen ist. Herzlichst grüße ich Bischof Antoni, den Hirten der Diözese Drohiczyn, Bischof Jan Szarek, den Präsidenten des polnischen ökumenischen Rates, und die Vertreter der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die diesem Rat angehören. Ferner heiße ich die Brüder und Schwestern der polnischen und ausländischen orthodoxen Kirche willkommen; einen ganz besonderen Gruß richte ich an den Metropoliten für Warschau und ganz Polen, Erzbischof Sawa, wie auch an die anderen Bischöfe dieser Kirche. Herzlichst grüße ich auch alle polnischen und ausländischen Kardi-näle, Erzbischöfe und Bischöfe. Von ganzem Herzen wende ich mich an das gesamte Gottesvolk der geliebten Diözese Drohiczyn. Einen speziellen Gruß richte ich ferner an die Mitbrüder im Priesteramt, die Ordensleute und die Studenten des örtlichen Diözesanseminars. In tiefer Zuneigung wende ich mich an die hier anwesenden alten, kranken und behinderten Menschen, an die Jugendlichen und Kinder. Schließlich grüße ich auch die Pilger aus Weißrußland, aus Litauen und der Ukraine, deren Gegenwart mir ganz besondere Freude bereitet. Ich grüße diese von der Schönheit der Natur reich gesegnete Region Podlachien, geheiligt vor allem durch der Treue ihres Volkes, das im Laufe seiner Geschichte mehrmals schwere Prüfungen bestehen musste und mit enormen Schwierigkeiten jeder Art zu kämpfen hatte. Dennoch ist es der Kirche bis auf den heutigen Tag stets treu geblieben. Es freut mich, hier in der Ausübung meines pastoralen Dienstamtes unter euch sein zu können. Tief bewegt denke ich an meine zahlreichen Besuche in Drohiczyn zurück, insbesondere anlässlich der Jahrtausendfeierlichkeiten, als die Bischöfe aus ganz Polen gemeinsam mit dem Primas der Jahrtausendfeier Gott für das Geschenk der heiligen Taufe, für die Gnade des Glaubens, der Hoffnung und der Barmherzigkeit danksagten. Hier begleitete ich den Apostolischen Administrator der Diözese Pinsk, Msgr. Krzywicki, auf seiner letzten Reise. Einige Jahre darauf kam ich erneut nach Drohiczyn zur Beendigung der Pilgerschaft des Nachbildes der Madonna von Tschenstochau. Das sind die Erinnerungen, die heute wieder in mir lebendig werden, während ich als Papst hier in eurer Mitte weile. 317 REISEN 2. „Ein neues Gebot gebe ich euch: liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“ Diese Worte Christi strahlen eine enorme Kraft aus. Als er, erniedrigt und verlassen, unter grausamen Qualen am Kreuz starb, zeigte er der Welt die Bedeutung und Tiefgründigkeit dieser Prüfungen. Der Todeskampf Christi machte den Jüngern bewusst, zu welcher Aufgabe er sie berufen hatte, als er sie aufforderte: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“ In Erinnerung an dieses Ereignis schrieb der hl. Johannes in seinem Evangelium: „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Christus hat uns zuerst geliebt, trotz unserer Sündhaftigkeit und Schwäche. Durch sein Opfer machte er uns zu würdigen Empfängern seiner grenzenlosen und immerwährenden Liebe, die endgültig und vollkommen ist. Christus hat uns mit seinem kostbaren Blut erlöst. Diese Liebe hat er auch uns gelehrt und anvertraut: „Ein neues Gebot gebe ich euch“ (Joh 13,34). Das bedeutet, dass dieses Gebot stets aktuell ist. Wenn wir der Liebe Christi entsprechen wollen, müssen wir stets zu jederzeit - und überall -nach ihr handeln: sie muss ein neuer Weg, ein neues Samenkorn für die Menschen sein, die ihre Beziehungen zueinander erneuern. Diese Liebe macht uns zu Jüngern Christi, zu neuen Menschen, zu den Erben der göttlichen Verheißung. Durch sie werden wir alle zu Brüdern und Schwestern im Herrn. Sie macht uns zu dem neuen Volk Gottes, zur Kirche, in der alle Christus lieben und in ihm einander lieben sollten. Das ist die wahre Liebe, die im Kreuz Christi offenbart worden ist. Dieses Kreuz sollte uns allen als Beispiel dienen, nach ihm sollten wir unsere Wünsche und Bemühungen ausrichten, in ihm haben wir jenes größte Vorbild, dem wir nacheifem sollten. 3. „Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen“ (vgl. Jes 2,3). Die Vision des Propheten Jesaja in der ersten Lesung der heutigen Liturgie spricht von der Vielzahl der am Berg Zion versammelten Völker und Nationen, Zeugnis der Gegenwart Gottes. Die Prophezeiung verkündet ein universales Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, das auf die Kirche bezogen werden kann, wie Christus sie gewollt hat, eine auf dem unverzichtbaren Prinzip der Einheit gegründete Kirche. Auch wir sollten als Christen, die heute zu diesem gemeinsamen Gebet hier versammelt sind, wie Jesaja sagen: „Zeige uns deine Wege, auf deinen Pfaden wollen wir gehen“, damit wir gemeinsam, wie diejenigen, die sich zu Christus bekennen, auf diesen Wegen der Zukunft entgegengehen. Das nun unmittelbar bevorstehende Große Jubeljahr sollte uns auf ganz besondere Art und Weise anregen, in mühevoller Arbeit nach neuen Wegen im Leben der Kirche, der gemeinsamen Mutter aller Christen, zu suchen. In meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich jenen dringenden Wunsch zum Ausdruck gebracht, den ich heute erneut bekräftigen möchte: „Möge das Jubiläum die geeignete Gelegenheit für ein fruchtbares Zusammen wirken im gemeinsamen Tun all der vielen Dinge sein, die uns einen und die sehr viel mehr sind als diejenigen, die uns trennen“ (vgl. Nr. 16). Der Glaube sagt uns, dass die Einheit der Kirche nicht nur eine Hoff- 318 REISEN nung für die Zukunft ist: in einem gewissen Maß existiert diese Einheit bereits! Sie hat unter den Christen noch keine voll sichtbare Ausdrucksform erlangt. Ihre Förderung ist somit „ein Imperativ des vom Glauben erleuchteten und von der Liebe geleiteten christlichen Gewissens“, denn „an Christus glauben heißt, die Einheit wollen; die Einheit wollen heißt, die Kirche wollen; die Kirche wollen heißt, die Gnadengemeinschaft wollen, die dem Plan des Vaters von Ewigkeit her entspricht“ (JJt unum sint, Nm. 8.9). Wir sind somit zum Aufbau der Einheit berufen. Die zu Beginn des kirchlichen Lebens vorhandene Einheit darf nie ihren wesentlichen Wert verlieren. Dennoch müssen wir mit Bedauern feststellen, dass diese ursprüngliche Einheit im Lauf der Jahrhunderte, und vor allem im letzten Jahrtausend, ernsthaft geschwächt worden ist. 4. Der Weg der Kirche ist nicht unbeschwerlich. „Wir können ihn mit dem Leidensweg Christi vergleichen; aber er dauert nicht wenige Stunden, sondern Jahrhunderte“ - schrieb der orthodoxe Theologe Pavel Evdokimov. Dort, wo sich die Spaltungen zwischen den Jüngern Christi vertiefen, wird sein mystischer Leib verletzt. Es erscheinen nach und nach die „Schmerzensstationen“ auf dem Weg der Kirchengeschichte. Christus aber hat eine einzige Kirche gegründet, und nach seinem Willen soll sie das auch für immer bleiben. Auf der Schwelle eines neuen Geschichtsabschnitts müssen wir uns demnach alle ernsthaft nach der Verantwortung für die existierenden Spaltungen fragen, die begangenen Fehler eingestehen und sie uns gegenseitig vergeben, denn wir haben das neue Gebot der Liebe zueinander erhalten; dessen Quelle die Liebe Christi ist. Der hl. Paulus bestärkt uns in dieser Liebe mit den Worten: „Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder, und liebt einander, weil auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und als Opfer“ (Eph 5,1-2). Die Liebe sollte uns zu einer gemeinsamen Reflexion über die Vergangenheit anregen, um mit Ausdauer und Mut dem Weg der Einheit zu folgen. Die Liebe ist die einzige Kraft, die die Herzen dem Wort Jesu und der Gnade der Erlösung öffnet. Sie ist die einzige Kraft, die uns veranlasst, brüderlich all das zu teilen, was wir nach dem Willen Christi sind und haben. Sie drängt uns zu jenem Dialog, der uns Gelegenheit gibt, uns gegenseitig zuzuhören und kennenzulemen. Die Liebe öffnet uns für den Nächsten und wird so zur Grundlage jeder menschlichen Beziehung. Sie erlaubt uns, die Schranken unserer Schwächen und Vorurteile zu überwinden. Sie läutert die Erinnerung, zeigt uns neue Wege, öffnet die Aussicht auf wirkliche Versöhnung, jene grundlegende Voraussetzung für die gemeinsame Verkündigung des Evangeliums, die die Welt von heute dringend braucht. Auf der Schwelle des dritten Jahrtausends müssen wir uns um die weitere Intensivierung der vollkommenen und brüderlichen Versöhnung bemühen, um im kommenden Jahrtausend Hand in Hand vor einer Welt das Heil zu bezeugen, die dieses Zeichen der Einheit so sehr erwartet. Es ist durchaus angebracht, dass wir gerade in Drohiczyn, im Herzen von Podla-chien, wo sich seit Jahrhunderten die christlichen Religionen des Ostens und des 319 REISEN Westens begegnen, von Ökumenismus sprechen. Stets war diese Stadt offen für Anhänger der katholischen, der orthodoxen und der protestantischen Kirche. Dennoch heben viele Begebenheiten in der Geschichte dieser Stadt deutlicher als anderswo die Notwendigkeit des Dialogs hervor, der die Hoffnung der Christen auf Einheit zum Ausdruck bringt. In der Enzyklika Ut unum sint schrieb ich: „Der Dialog ist... ein natürliches Instrument, um die verschiedenen Standpunkte miteinander zu vergleichen und vor allem jene Gegensätze zu untersuchen, die für die volle Gemeinschaft der Christen untereinander ein Hindernis darstellen“ (vgl. Nr. 36). Kennzeichen dieses Dialogs sollte die Liebe zur Wahrheit sein, denn „die Wahrheitsliebe ist die tiefste Dimension einer glaubwürdigen Suche nach der vollen Gemeinschaft der Christen. Ohne diese Liebe wäre es unmöglich, sich den objektiven theologischen, kulturellen, psychologischen und sozialen Schwierigkeiten zu stellen, denen man bei der Untersuchung der Gegensätze begegnet. Zu dieser inneren, persönlichen Dimension muss untrennbar der Geist der Liebe und Demut hinzukommen. Liebe gegenüber dem Gesprächspartner, Demut gegenüber der Wahrheit, die man entdeckt und die Revisionen von Aussagen und Haltungen erforderlich machen könnte“ (ebd.). Möge die Liebe zur Überbrückung unserer Gegensätze dienen und uns ermutigen, nichts unversucht zu lassen. Möge die Liebe zueinander und für die Wahrheit die Antwort auf die vorhandenen Schwierigkeiten und die gelegentlich entstehenden Spannungen sein. Heute wende ich mich an die Brüder und Schwestern aller Kirchen: öffnen wir uns der versöhnenden Liebe Gottes. Öffnen wir unseren Geist, unsere Herzen, unsere Kirchen und Gemeinschaften. Der Gott unseres Glaubens, derjenige, den wir als Vater anrufen, ist „der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“ (Mk 12,26), der Gott Mose. Vor allem ist er der Gott und Vater unseres gemeinsamen Herrn Jesus Christus; in ihm wurde er „Gott, der mit uns ist“ (vgl. Mt 1,23; Röm 15,6). Lasst uns dem Vater im Himmel, dem Vater aller Christen, unsere aufrichtige Bereitschaft zur Versöhnung schenken und sie auf konkrete Art und Weise zum Ausdruck bringen. Gott, „der Liebe ist“, wollen wir mit unserer menschlichen Liebe antworten, die anderen mit Wohlwollen begegnet und sich aufrichtig um Zusammenarbeit bemüht, wo es möglich ist, und uns erlaubt, das zu schätzen, was gut ist und Zustimmung und Nacheiferung verdient. 5. „Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs“ (Jes 2,3). Das ist die Aufforderung, die der Prophet Jesaja den nach Einheit und Frieden dürstenden Völkern und Nationen in den Mund legt. Brüder und Schwestern, nichts kann besser und mit größerer Wirksamkeit diese Aufforderung wiedergeben als ein inständiges Gebet für Einheit und Brüderlichkeit, für die familiäre Gemeinschaft aller Christen. Die Liebe Christi drängt uns zu diesem Gebet. Christus selbst, lehrte uns, zum Vater zu beten: „dein Reich komme“ (vgl. Mt 6,10). Das Reich Gottes, das er in sich trag, als er in die Welt 320 REISEN kam und Mensch wurde, bleibt in der Kirche als eine bereits existierende Realität, aber auch als eine noch zu erfüllende Aufgabe. Nur durch das Gebet ist wahre „Metanoia“ möglich, die die Macht hat, alle Getauften in der Brüderlichkeit der Kinder Gottes zu vereinen. Das Gebet befreit uns von allem, was uns von Gott und den Menschen trennt. Es schützt uns gegen Kleinmut und öffnet das Herz des Menschen der göttlichen Gnade. Alle hier Anwesenden bestärke ich somit zu einem innigen Gebet für die Verwirklichung der vollen Gemeinschaft unserer Kirchen. Fortschritte auf dem Weg zur Einheit erfordern unseren Einsatz, unser gegenseitiges Wohlwollen, Offenheit und ein wirklich brüderliches Leben in Christus. Wir bitten den Herrn, uns diese Gnade zu schenken, jene Hindernisse zu beseitigen, die die Verwirklichung der vollen Einheit verzögern. Wir bitten ihn, uns alle zu guten Ausführem seines Planes zu machen, damit beim Anbruch des neuen Jahrtausends die Jünger Christi eine größere Einheit untereinander bilden. „Ein neues Gebot gebe ich euch“ (Joh 13,34). Das neue Gebot ,Alle sollen eins sein, damit die Welt glaubt“ (vgl. Joh 17,21). Lebensrecht und Lebensschutz beginnen in der Familie Botschaft an die Polnische Bischofskonferenz vom 11. Juni Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Im Geist tiefer Dankbarkeit für das Geschenk einer erneuten Pilgerschaft in der Heimat grüße ich euch, die Hirten der Kirche von Polen, von ganzem Herzen, den gesamten Episkopat, den Kardinalerzbischof als Präsidenten der Konferenz, die Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe. Erlaubt mir ein ganz besonderes Wort als Ausdruck meiner brüderlichen Liebe und Solidarität und des immerwährenden Bundes mit der Kirche in Polen. Die gegenwärtige Pilgerschaft, meine bisher längste, findet am Vorabend des Großen Jubiläums des Jahres 2000 statt, das Gottvater geweiht ist. Die Gnade des Glaubens und die Erleuchtung durch den Heiligen Geist, der die Kirche beseelt, lassen uns die volle Heilsdimension der mit dieser Pilgerreise verbundenen Ereignisse und großen Gedenktage erfassen. Als Söhne des einen „Vaters im Himmel“ (Mt 5,45) erleben wir in der gemeinsamen Feier erneut seine Liebe. Diese in Christus offenbarte Liebe ist der tiefste Gehalt des christlichen Lebens: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren „Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (Joh 17,3). Unter den geschichtlichen Ereignissen und Gedenktagen im Hinblick auf den göttlichen Heilsplan, der auch unsere heutige Zeit einschließt, begehen wir gemeinsam die Tausendjahrfeier der Heiligsprechung des hl. Adalbert, das tausendjährige Gründungsjubiläum der kirchlichen Strukturen in Polen, mit Gnesen als ersten Metropolitansitz und Erzdiözese und den von ihm abhängigen Diözesen Krakau, 321 REISEN Breslau und Kolobrzeg, und den zweihundertsten Gründungstag der Diözese Warschau. Ferner werden wir die II. Polnische Nationalsynode beenden. 2. Ich danke Gott für meinen zwanzigjährigen Dienst an der heiligen Kirche auf dem Stuhl Petri, nicht zuletzt weil ich in dieser Zeit Gelegenheit hatte, auf ganz besondere Art und Weise die Kirche meiner Heimat zu unterstützen. An diesem Wendepunkt der Geschichte sind wir aufgefordert, mit christlicher Hoffnung in die Zukunft, auf das nun unmittelbar bevorstehende dritte Jahrtausend, zu schauen. Der gegenwärtige Besuch gilt gewissermaßen als Krönung aller vorherigen Pilgerreisen in Polen, was auch sein Motto zum Ausdruck bringt: „Gott ist die Liebe.“ {1 Joh 4,8). Die Liebe ist nämlich „die Erfüllung des Gesetzes“ {Reim 13,10). „Die Liebe mit ihrem doppelten Gesicht als Liebe zu Gott und zu den Schwestern und Brüdern ist die Synthese des sittlichen Lebens des Glaubenden. Sie hat in Gott ihren Ursprung und ihre Vollendung“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 50). 3. Das Evangelium der acht in der Bergpredigt enthaltenen Seligpreisungen begleitet gewissermaßen diese Pilgerreise und richtet unsere Gedanken auf Christus. Sein Leben ist die Verwirklichung aller Seligpreisungen und zeigt eine für alle Zeiten gültige Sicht des Christentums. Die in diesem Geist geformten Jünger und Bekenner Christi werden für jede Generation lebendige Zeugen seiner erlösenden Gegenwart sein und andere Menschen zu Gott führen, der die Liebe ist. Als „allumfassendes Heilssakrament“ {Lumen Gentium, Nr. 48) sollte die Kirche für alle Zeiten ein Tag für Tag erkennbareres und eindeutigeres Zeichen des lebendigen Christus sein, der will, „daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Unerlässliche Bedingung dieses Vorhabens, nämlich die Verwirklichung der kirchlichen Heilssendung, ist die Liebe. Auf ihr wird die Kirche auferbaut, durch sie wächst sie und entwickelt sich; „so sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ {Joh 17,23). Das Wesentliche des Apostolats aller Glieder der Kirche ist die Verbreitung der Wahrheit über die Liebe Gottes. Alles muss getan werden, damit diese Wahrheit im Leben der Hirten und aller Gläubigen verkündet, angenommen und verwirklicht wird. Die Bergpredigt ist das Programm der gesamten Kirche. Die Gemeinschaft des Neuen Bundes wird Wirklichkeit, wenn sie auf dem in jedem menschlichen Herzen eingeschriebenen Gesetz der Liebe gründet (vgl. Jer 31,31-33; Hebr 10,16-17). Die Seligpreisungen des Evangeliums verkörpern gewissermaßen die Konkretisierung dieses Gesetzes und gewährleisten gleichzeitig jene wahre und dauerhafte Glückseligkeit, die der Reinheit und dem Frieden des Herzens entspringt, den Früchten der Versöhnung mit Gott und den Menschen. 4. Welch ausdrucksvolles Zeichen für die Erfüllung der Verheißung der Seligpreisungen sind doch die Scharen der Heiligen und Seligen, unter ihnen auch jene, die während dieser Pilgerreise heiliggesprochen werden: die sei. Kinga, deren Kanonisierung in Stary Sacz stattfinden wird, des sei. Wincenty Frelichowski, der vor wenigen Tagen in Thom heiliggesprochen worden ist; dann die Dienerin Gottes 322 REISEN Regina Protmann zusammen mit dem Diener Gottes Edmund von Bojanowski und den hundertundacht Märtyrern, die sich während der unmenschlichen Besatzungszeit durch ihr heroisches Glaubenszeugnis auszeichneten und die die Kirche nun in den kommenden Tagen hier in Warschau seligsprechen wird. Für die Kirche in Polen wie auch für die Vielzahl der Söhne und Töchter dieser Erde sind sie ein ermutigendes Beispiel, das uns daran erinnert, dass die Gnade der Heiligkeit sich unter allen Umständen und in jeder Situation des Lebens entfalten kann, auch in von Verfolgung, Unterdrückung und Ungerechtigkeiten geprägten Zeiten. Unter diesen Helden des Glaubens sind Bischöfe und Priester, die, dem Beispiel Christi, des guten Hirten, folgend, ohne Zögern „ihr Leben für die Schafe hingegeben haben“ (vgl. Joh 10,11). Liebe Brüder, schaut auf das leuchtende Beispiel ihres Lebens, damit die Liebe Gottes für den Menschen in euren wie in den Herzen all derer wachsen möge, denen ihr als Hirten dient. Eine unerlässliche Voraussetzung für erfolgreiche Seelsorge ist die persönliche Beziehung zu Christus, die in erster Linie im Gebet und in der von Opfergeist geprägten Liebe für die Kirche, unsere Mutter, zum Ausdruck kommt: „Denn der Eifer für dein Haus hat mich verzehrt; die Schmähungen derer, die dich schmähen, haben mich getroffen“ (Ps 69,10). 5. Die Quelle jeder Erneuerung ist das Wort Gottes, „das die Kraft hat, aufzubauen und das Erbe in der Gemeinschaft der Geheiligten zu verleihen“ (Apg 20,32). Stets aktuell ist die Ermahnung des II. Vatikanischen Konzils: „Jede kirchliche Verkündigung muss sich von der Heiligen Schrift nähren und sich an ihr orientieren. In den Heiligen Büchern kommt ja der Vater, der im Himmel ist, seinen Kindern in Liebe entgegen und nimmt mit ihnen das Gespräch auf“ (vgl. Dei Verbum, Nr. 21). Vor allem die Hirten müssen sich dem Licht und der Macht des Gotteswortes öffnen; damit - wie der hl. Augustinus mahnt - deijenige, dem der heilige Dienst am Wort anvertraut ist, nicht nach außen hin zum nutzlosen Prediger des Wortes Gottes wird, das er im Inneren nicht hört (vgl. Predigt 179,1: PL 38,966). „Lebendig und kraftvoll ist das Wort Gottes“ (vgl. Hebr 4,12). Möge es eure Spiritualität nähren und Ursprung eines fruchtbaren Apostolats werden in Übereinstimmung mit dem Grundsatz des hl. Thomas: „contemplata ahis hadere.“ Das Wort Gottes ist ein unersetzbares Instrument für das Heil der Menschen aller Zeiten; „und solche Gewalt und Kraft west im Worte Gottes, daß es für die Kirche Halt und Leben, für die Kinder der Kirche Glaubensstärke, Seelenspeise und reiner, unversieglicher Quell des geistlichen Lebens ist“ (Dei Verbum, Nr. 21). 6. Die erste pastorale Verpflichtung eines jeden von euch ist die Sorge für die unwandelbare Vermittlung des Glaubensgutes. Zu diesem Zweck verfugt die Weltkirche heute über ein wertvolles Hilfsmittel: den Katechismus der Katholischen Kirche. Er ist ein vielsagendes Zeichen der lehrmäßigen Einheit in der Kirche. In der Apostolischen Konstitution Fidei depositum schrieb ich: „Dieser Katechismus ist nicht dazu bestimmt, die von den kirchlichen Autoritäten, den Diözesanbischö-fen und den Bischofskonferenzen vorschriftgemäß approbierten örtlichen Katechis- 323 REISEN men zu ersetzen, besonders wenn sie die Approbation des apostolischen Stuhls erhalten haben. Er ist dazu bestimmt, zur Abfassung neuer örtlicher Katechismen zu ermuntern und die zu unterstützen, die den verschiedenen Situationen und Kulturen Rechnung tragen, aber zugleich sorgfältig die Einheit des Glaubens und die Treue zur katholischen Lehre wahren“ (vgl. Nr. 4). Die Verwirklichung dieses Postulats durch die Hirten der Kirche Polens ist gegenwärtig eine der dringendsten Notwendigkeiten. Eine systematische und umfassende Katechese, die auch die Erwachsenenkatechese einschließt, ist unerlässlich für die Vertiefung und Festigung des Glaubens in den Herzen der Menschen, eines Glaubens, der bewusst gelebt wird und Einfluss nimmt auf ihr Leben und Verhalten. 7. Die II. Nationalsynode war ein bedeutendes Ereignis für die Kirche Polens. Die Synodendokumente berücksichtigen alle wesentlichen Sektoren des kirchlichen Lebens in ihrem Bereich: die universale Berufung zur Heiligkeit, das Werk der Neuevangelisierung, Liturgie und Riten, Stellung und Aufgaben der katholischen Laien im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben, die Präsenz der Inspiration durch das Evangelium in der Kultur, die Erneuerung und Festigung der Familie, die Ausbildung und Formung für das Priesteramt und Ordensleben. Die wichtigste und zweifellos schwerste Aufgabe wartet nun auf die Gemeinden der Ortskirchen, denen ihr vorsteht. Gemeint ist die Erfüllung und Verwirklichung all jener Punkte, die im Synodenprogramm in Form von durchführbaren Dekreten erscheinen. Ich wünsche von ganzem Herzen und bete, dass diese Synode Quelle der Eingebung und der Erneuerung des christlichen Lebens im Geist des Evangeliums werde. 8. Im Hinblick auf den Eintritt in die Europäische Gemeinschaft ist der kreative Beitrag der Gläubigen für die heutige Kultur eine wichtige Frage. Nochmals wiederhole ich jene Worte, die ich an die polnischen Bischöfe anlässlich ihres letzten Ad-limina-Besuchs Anfang 1998 gerichtet habe: „Europa braucht ein zutiefst gläubiges Polen, das auf christliche Art und Weise kulturell schöpferisch und sich jener Rolle bewusst ist, die ihm die Vorsehung anvertraut hat. Das, was Polen für Europa tun kann, entspricht gewissermaßen der Aufgabe, eine auf Treue im Geist des Evangeliums gründende geistige Gemeinschaft in der Heimat aufzubauen. Unsere Nation kann Europa viel anbieten, vor allem seine christliche Tradition und die reiche religiöse Erfahrung der Gegenwart“ (vgl. Ansprache, Ad-Iimina-Besuch, 14. Februar 1998). Auf der Schwelle des dritten Jahrtausends steht die Kirche Polens vor neuen historischen Herausforderungen. Polen tritt als freies, souveränes Land in das 21. Jahrhundert ein. Diese Freiheit, wenn sie nicht missbraucht werden soll, erfordert Menschen, die sich nicht nur ihrer Rechte, sondern auch ihrer Pflichten bewusst sind: hochherzige Menschen, erfüllt von Liebe für ihr Heimatland und Dienstbereitschaft, die sich in solidarischer Haltung für das Wohl aller einsetzen und jeden Freiheitsraum in der persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Dimension gestalten. 324 REISEN Wie ich bereits mehrmals betont habe, erfordert Freiheit auch eine stete Bezugnahme zur Wahrheit des Evangeliums und zu den festen und erprobten sittlichen Normen, die die Unterscheidung zwischen Gutem und Bösem erlauben. Das ist vor allem heute wichtig, in dieser Zeit der Umgestaltung Polens. Es freut mich, dass sich die Laien stets intensiver im kirchlichen und gesellschaftlichen Leben engagieren, was zahlreiche katholische Vereinigungen und Organisationen, insbesondere die Katholische Aktion und die Teilnahme der Gläubigen am öffentlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben, zum Ausdruck bringen. Mögen die Hirten die Christgläubigen unterstützen, „damit sie im Geist der Einheit und durch aufrichtiges und selbstloses Dienen, in Zusammenarbeit mit allen auf sozial politischer Ebene die christliche Tradition und Kultur fordern können“ (vgl. Ansprache, Ad-limina-Besuch, 16. Januar 1998). Eine große Hilfe auf diesem Gebiet sollte die Soziallehre der Kirche sein, die verbreitet werden muss, damit „die Werte und Inhalte des Evangeliums die Kategorien des Geistes, Beurteilungskriterien und die Regeln des menschlichen Handelns durchdringen“ {Ansprache, Ad-limina-Besuch, 14. Februar 1998). 9. Möget ihr im Geist des Apostolischen Schreibens Pastor es dabo vobis auf ganz besondere Art und Weise den Brüdern im Priesteramt wie auch den Seminaristen zugetan sein, damit sie, von Eifer und Liebe erfüllt, dem göttlichen Herzen entsprechende Priester werden. Durch sie will Christus, der Hohepriester, in seinem Volk gegenwärtig sein, „wie der, der bedient“ (Lk 22,27) und „der sein Leben für die Schafe hingibt“ (vgl. Joh 10,15). Das erfleht der hl. Adalbert, Bischof und Märtyrer, zum tausendjährigen Andenken an seine Heiligsprechung. Durch sein Hirteriamt und Märtyrerblut konnte sich die Kirche vor fast tausend Jahren auf polnischem Boden - mit ihrem ersten Bischofssitz im Gnesen der Piasten entwickeln. Bei dieser Gelegenheit möchte ich eure Aufmerksamkeit auf die wichtige Frage der Sorge für die Berufungen zum Priester- und Ordensleben lenken. Ein wesentliches Anliegen ist die Entwicklung der Berufüngspastoral, und vor allem müssen wir intensiv beten und zum Gebet auf-fordem, damit nie jene Personen fehlen, die bereitwillig der Stimme Christi folgen. Mit gleicher Kraft rufen heilige Hirten jene Zeugen des Glaubens an, die, wie An-toni Julian Nowowiejski, Erzbischof Jeon Wetmanski, Bischof Goral, der nunmehr sei. Wincenty Frelichowski und zahlreiche Priester, Ordensleute und Laien in Warschau seliggesprochen werden. Das Zeugnis ihrer heroischen Treue ist ein wertvolles moralisches Geschenk und eine große Verpflichtung für diejenigen, die nach ihnen den pastoralen Dienst übernommen haben. Das Große Jubeljahr 2000 richtet unseren Geist und unser Herz vor allem auf die Jugend, die im neuen Jahrtausend das Gesicht der Kirche und der Heimat prägen wird. Das Vertrauen, das wir den jungen Menschen entgegenbringen, wird nicht enttäuscht werden, denn sie zeigen eine ganz besondere Offenheit für die Authentizität des Evangeliums. Diese Erfahrung habe ich bereits mehrmals während meiner apostolischen Reisen machen können. Von Herzen danke ich all denen, die ihre Zeit und ihre Fähigkeiten zur Verfügung stellen, um den jungen Generationen den 325 REISEN großen Reichtum der Kultur, Tradition und Religiosität Polens zu vermitteln, die sich bemühen, die Jugend auf die echte Liebe, die Ehe, auf verantwortungsvolle Elternschaft vorzubereiten. Damit die Jugendlichen den auf sie gesetzten Hoffnungen entsprechen können, müssen wir sie lehren, aus dem direkten Kontakt mit Gott, aus der Liturgie und den heiligen Sakramenten, aus der Heiligen Schrift, aus dem Leben und Apostolat der Kirche Kraft zu schöpfen. Vor allem heute braucht die Jugend Hoffnung. Jede Gelegenheit muss für die harmonische Zusammenarbeit der Familie, der Kirche, der Schule, der lokalen und staatlichen Behörden genutzt werden, um jene Gefahren von der Jugend femzuhalten, die mit der heutigen konsumorientierten Zivilisation verbunden sind. Möge eure ganz besondere Sorge der kleinsten, aber gleichzeitig wichtigsten „Gemeinschaft des Lebens und der Liebe“ (Gaudium etpes, Nr. 48) der Familie gelten. Ohne gesunde, starke Familien zerbricht die Gesellschaft und die Nation. Jedoch sind heute Stabilität und Einheit der Familie ernsthaft gefährdet. Wir müssen uns dieser Gefahr entgegenstellen und, zusammen mit allen Menschen guten Willens, ein die Festigung der Familie forderndes Klima schaffen. Es freut mich, dass auch in Polen Bewegungen zur Unterstützung der Familie entstehen, die für einen neuen christlichen Lebensstil eintreten und beweisen, dass dort, wo wahre Liebe und ein Klima des Glaubens herrschen, auch Platz für ein neues Leben ist. Euch sind meine Sorge und meine Bemühungen zur Verteidigung des Lebens und der Familie wohlbekannt. Wo ich auch bin, verkünde ich im Namen Christi unablässig das fundamentale Recht jedes Menschen, das Recht auf Leben. Setzt auch ihr euch weiterhin nach Kräften zum Schutz der Würde und der moralischen Gesundheit der Familie ein, damit sie in Gott stark werde. Die Familie muss sich der Nähe und Achtung der Kirche, ihrer Unterstützung bewusst sein, wenn sie sich um die Erhaltung ihrer Identität, Stabilität und Heiligkeit bemüht. Das ist meine ganz besondere Aufforderung an euch als Hirten. 10. Liebe Brüder! All das, was ich so eben erwähnt habe, erfordert enormen Einsatz und die spirituelle Bereitschaft der gesamten kirchlichen Gemeinschaft, insbesondere ihrer Hirten. Nochmals rufe ich euch dringend auf: seid nach dem Beispiel Christi „wie Diener“, seid „gute Hirten, die ihre Schafe kennen und deren Schafe auch sie kennen, wahre Väter, die sich durch den Geist der Liebe und der Sorge für alle auszeichnen“ (Christus Dominus, Nr. 16). Ich hoffe, dass sich die Kirche Polens durch euren hochherzigen und selbstlosen Dienst der „kleinen Brüder“ (vgl. Mt 10,42) annehmen wird, der Armen und Kranken, jener, denen Unrecht widerfahren ist, der Leidtragenden, derer, die ohne Hoffnung sind. Möge sie allen mit jenen unermesslichen Heilsgaben dienen, die sie für das Wohl jedes Menschen von Christus erhalten hat. Der Bischof, wie das Thema der kommenden ordentlichen Versammlung der Bischofssynode darlegt, muss dem Evangelium Christi dienen, um der Welt Hoffnung zu geben. Jesus Christus hat euch in diesem historischen Augenblick, in der Übergangszeit zwischen zwei Jahrtausenden, zu Hirten des Gottesvolkes gemacht. Nur durch seine Hilfe und sein Licht kann eure apostolische Arbeit für das Wohl der Seelen Früchte 326 REISEN tragen. „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5), ohne ihn sind die Bemühungen der Menschen nutzlos. Möge der Herr euch und der ganzen Kirche von Polen reiche Früchte zuteil werden lassen. Der heiligen Jungfrau Maria, Mutter des fleischgewordenen Wortes, des einen Erlösers der Welt, vertraue ich eure gemeinsame Evangelisierungsarbeit an und segne euch von ganzem Herzen. Lob und Herrlichkeit, Weisheit und Dank, Ehre und Macht und Stärke unserem Gott in alle Ewigkeit (Offb 7,12). Warschau, 11. Juni 1999 Joannes Paulus PP. II Neuevangelisierung und Herz-Jesu- Verehrung Botschaft zum 100. Jahrestag der Weihe der Menschheit an das Heiligste Herz Jesu am 11. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der 100. Jahrestag der Weihe des Menschengeschlechts an das Heiligste Herz Jesu, die mein Vorgänger Leo XIII. mit der Enzyklika Annum Sacrum (25. Mai 1899: Leonis XIII P.M. Acta, XIX [1899], 71-80) für die ganze Kirche beschloss und die am 11. Juni 1899 erfolgte, veranlasst uns in erster Linie zur Dankbarkeit gegenüber dem, der „uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut; der uns zu Königen und zu Priestern vor Gott, seinem Vater, gemacht hat“ (vgl. Offb 1,5). Dieser freudige Anlass erweist sich heute als besonders günstig, um über die Bedeutung und den Wert jener wichtigen kirchlichen Handlung nachzudenken. Mit der Enzyklika Annum Sacrum bestätigte Papst Leo XIII. die Weisungen seiner Vorgänger, damit die Verehrung und Spiritualität des Heiligsten Herzens nachdrücklich in Schutz genommen und in helleres Licht gerückt werde. Durch die Weihe wollte er darüber hinaus „hervorragende Früchte der Heiligkeit an erster Stelle zugunsten der Christenheit, aber auch der ganzen menschlichen Gesellschaft“ — erzielen (vgl. ebd., S. 71). Mit seiner Forderung, nicht nur die Gläubigen, sondern alle Menschen zu weihen, gab er der Weihe, die damals schon seit zwei Jahrhunderten von Einzelpersonen, Gruppen, Bistümern oder Ländern praktiziert wurde, eine neue Orientierung und einen neuen Sinn. Die Weihe des Menschengeschlechts an das Herz Jesu wurde von Leo XIII. deshalb als „Vollendung und Krönung aller Ehren ..., die dem Heiligsten Herzen Jesu erwiesen werden“, bezeichnet {ebd., S. 72). Diese Weihe, so erklärt die Enzyklika, verdanken wir Christus, dem Erlöser der Menschheit, für das, was er in sich selbst 327 REISEN ist, und für das, was er für alle Menschen getan hat. Da der Gläubige im Heiligsten Herzen dem Symbol und lebendigen Abbild der unendlichen Liebe begegnet, die schon allein uns zur gegenseitigen Liebe anspomt, kann er nicht umhin, das Bedürfnis nach einer persönlichen Beteiligung am Heilswerk zu verspüren. Deshalb ist jedes Mitglied der Kirche eingeladen, in der Weihe ein Sich-Schenken und Sich-Verpflichten gegenüber Jesus Christus, dem König der verlorenen Söhne, zu sehen; dieser König ruft alle zum Hafen der Weisheit und zur Einheit des Glaubens. Er ist der König aller, die darauf warten, „ in das Licht Gottes und seines Reiches“ eingeführt zu werden (vgl. Weiheformel). Die so verstandene Weihe kann sogar der missionarischen Tätigkeit der Kirche an die Seite gestellt werden, denn sie entspricht dem Wunsch des Herzens Jesu, seine vollkommene Hingabe an das Reich Gottes durch die Glieder seines Leibes auf der Welt zu verbreiten und die Kirche im Opfer für den Vater und in seinem Für-die-anderen-Dasein immer mehr zu vereinen. Die Gültigkeit des Geschehens vom 11. Juni 1899 hat in den Schreiben meiner Vorgänger ihre maßgebliche Bestätigung gefunden; sie lieferten lehramtliche Erläuterungen zur Herz-Jesu-Verehrung und verfügten die periodische Erneuerung des Weiheakts. Unter ihnen erinnere ich besonders gerne an folgende: den heiligen Nachfolger Leos XIII., Papst Pius X., der 1906 eine Erneuerung der Weihe in jedem Jahr bestimmte; Papst Pius XI. ehrwürdigen Angedenkens, der in seinen Enzykliken Quas primas - im Zusammenhang mit dem Hl. Jahr 1925 - und Mise-rentissimus Redemptor darauf Bezug nahm; an seinen Nachfolger, den Diener Gottes Pius XII., der sich in den Enzykliken Summi Pontificatus und Haurietis aquas mit diesem Thema befasste. Der Diener Gottes Paul VI. schließlich behandelte es im Licht des II. Vatikanischen Konzils im Apostolischen Schreiben Investigabiles divitias und im Schreiben Diserti interpretes, das er am 25. Mai 1965 an die Generaloberen der Kongregationen richtete, die nach dem Herzen Jesu benannt sind. Auch ich habe mehrmals meine Brüder im Bischofsamt, Priester, Ordensleute und Gläubige aufgefordert, die ursprünglichen Formen der Herz-Jesu-Verehrung in ihrem Leben zu pflegen. In diesem Jahr, das Gottvater gewidmet ist, möchte ich an das erinnern, was ich in der Enzyklika Dives in misericordia schrieb: „Die Kirche bekennt und verehrt das Erbarmen Gottes, so will es scheinen, auf besondere Weise, indem sie sich an Christi Herz wendet. Tatsächlich erlaubt uns gerade die Hinwendung zu Christus im Geheimnis seines Herzens, bei diesem Thema der Offenbarung, der erbarmenden Liebe des Vaters, zu verweilen, das den innersten Kem der messianischen Sendung des menschgewordenen Gottessohnes ausmacht: ein zentraler Punkt und gleichzeitig der dem Menschen am leichtesten zugängliche“ (Nr. 13). Anlässlich des Fests des Heiligsten Herzens im Juni habe ich die Gläubigen oft ermahnt, an der Praxis dieser Verehrung festzuhalten: „Es handelt sich um eine Botschaft, die in unseren Tagen außerordentlich aktuell ist“, denn „gerade aus dem Herzen des Sohnes Gottes, der am Kreuz gestorben ist, entsprang die immerwährende Quelle des Lebens, die jedem Menschen Hoffnung gibt. Aus 328 REISEN dem Herzen des gekreuzigten Christus geht die neue, von der Sünde erlöste Menschheit hervor. Der Mensch des Jahres 2000 braucht das Herz Christi, um Gott zu erkennen und sich selbst zu erkennen; er bedarf seiner, um die Zivilisation der Liebe aufzubauen“ (Ansprache bei der Generalaudienz am 8. Juni 1994; O.R., dt., 1994, Nr. 24, S. 2). Die Weihe des Menschengeschlechts im Jahr 1899 stellt einen außerordentlichen Schritt auf dem Weg der Kirche dar, und es ist auch heute wertvoll, sie jedes Jahr am Fest des Heiligsten Herzens zu erneuern. Das gilt auch für den Akt der Erneuerung, den wir am Chrisikönigsfest vollziehen. Die Worte Leos XHI. klingen auch heute zeitgemäß: „Wir müssen uns also an den wenden, der Weg, Wahrheit und Leben ist. Wir sind fehlgegangen: Nun müssen wir auf den Weg zurückkommen: Die Gewissen haben sich verfinstert: Die Finsternis muß durch das Licht der Wahrheit zerstreut werden. Der Tod hat die Oberhand gewonnen: Wir müssen dem Leben zum Sieg verhelfen“ (vgl. Annum Sacrum, a.a.O., S. 78). Ist dies etwa nicht das Programm des H. Vatikanischen Konzils und meines eigenen Pontifikats? 2. Während wir uns auf die Feier des Großen Jubeljahrs 2000 vorbereiten, hilft uns dieser 100. Jahrestag, unsere Menschlichkeit mit Hoffnung zu betrachten und ein vom Licht Christi - „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) - erleuchtetes drittes Jahrtausend zu erkennen. Der Glauben stellt fest, dass „die Störungen des Gleichgewichts, an denen die moderne Welt leidet, mit jener tiefer liegenden Störung des Gleichgewichts Zusammenhängen, die im Herzen des Menschen ihren Ursprung hat“ (Gaudium et spes, Nr. 10). Der Glauben entdeckt aber auch glücklicherweise, dass sich „im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft aufklärt“ (ebd., Nr. 22). „Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt. Mit Menschenhänden hat er gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen hat er gehandelt, mit einem menschlichen Herzen geliebt“ (ebd.). Gott wollte, dass der Getaufte, „dem österlichen Geheimnis verbunden und dem Tod Christi gleichgestaltet, durch Hoffnung gestärkt, der Auferstehung entgegen“ geht, aber das gilt auch „für alle Menschen guten Willens, in deren Herzen die Gnade unsichtbar wirkt“ (ebd.). , Alle Menschen - so erinnert das II. Vatikanische Konzil weiterhin - werden zu dieser Einheit mit Christus gerufen, der das Licht der Welt ist: Von ihm kommen wir, durch ihn leben wir, zu ihm streben wir hin“ (Lumen Gentium, Nr. 3). In der Dogmatischen Konstitution über die Kirche wird ganz vorbildlich ausgeführt: „Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau und einem heiligen Priestertum geweiht, damit sie in allen Werken eines christlichen Menschen geistige Opfer darbringen und die Machttaten dessen verkünden, der sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht bemfen hat (vgl. 1 Petr 2,4-10). So sollen alle Jünger Christi ausharren im Gebet und gemeinsam Gott loben (vgl. Apg 2,42—47) und sich als lebendige, heilige, Gott wohlgefällige Opfergabe darbringen (vgl. Röm 12,1); überall auf Erden sollen sie für Christus Zeugnis geben und allen, die es fordern, Rechenschaft 329 REISEN ablegen von der Hoffnung auf das ewige Leben, die in ihnen ist (vgl. 1 Petr 3,15)“ (Lumen Gentium, Nr. 10). Angesichts des Auftrags zur Neuevangelisierung sieht sich der Christ, der mit Blick auf das Herz Christi, Herr der Zeit und der Geschichte, sich ihm weiht und dadurch zugleich seine Brüder weiht, als Träger von Christi Licht. Von seiner Dienstbereitschaft beseelt, trägt er dazu bei, allen Menschen die Aussicht ihrer Erhebung zur eigenen, persönlichen und gemeinschaftlichen Erfüllung zu eröffnen. „Beim Herzen Christi lernt das Herz des Menschen den wahren und einzigartigen Sinn seines Lebens und seiner Bestimmung erkennen, den Wert eines wahrhaft christlichen Lebens begreifen, sich vor gewissen Entartungen des menschlichen Herzens schützen und die Liebe eines Kindes zu Gott mit der Liebe zum Nächsten vereinen“ (Botschaft an die Gesellschaft Jesu, 5. Oktober 1986, DAS[l986], S. 1621). Ich möchte all jenen meine Unterstützung und Ermutigung aussprechen, die — in welcher Position auch immer - die Herz-Jesu-Verehrung in der Kirche weiter pflegen, vertiefen und fördern; sie tun dies in einer Sprach- und Ausdrucksform, die unserer Zeit angemessen ist, damit diese Verehrung den künftigen Generationen in dem Geist, der sie immer beseelt hat, weitergegeben werden kann. Auch heute geht es darum, die Gläubigen dahin zu fuhren, ihren Blick in Anbetung auf das Geheimnis Christi, Gott und Mensch, zu richten, um zu Männern und Frauen verinnerlichten Lebens zu werden, zu Menschen also, die eine Berufung zum neuen Leben, zur Heiligkeit, zur Wiedergutmachung, die apostolische Zusammenarbeit zum Heil der Welt ist, empfinden und leben, Menschen, die sich auf die Neuevangelisierung vorbereiten, indem sie Christi Herz als Mittelpunkt der Kirche anerkennen: Die Welt muss unbedingt verstehen, dass das Christentum die Religion der Liebe ist. Das Herz des Erlösers lädt uns ein, zur Liebe des Vaters zurückzufinden, der die Quelle jeder echten Liebe ist: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (1 Joh 4,10). Die Liebe, die Jesus den Menschen schenkt, empfangt er unaufhörlich vom Vater, reich an Erbarmen und Mitleid (vgl. Eph 2,4; Jak 5,11). Ganz besonders offenbart sein Herz die Großzügigkeit Gottes gegenüber dem Sünder. In seiner Reaktion auf die Sünde vermindert Gott seine Liebe nicht, sondern weitet sie aus in einem Akt der Barmherzigkeit, der zur Initiative der Erlösung wird. Die Betrachtung des Herzens Jesu in der Eucharistie wird die Gläubigen dazu an-spomen, in diesem Herzen nach dem unerschöpflichen Geheimnis des Priestertums Christi und der Kirche zu suchen. In Gemeinschaft mit ihren Brüdern und Schwestern können sie so die spirituelle Sanftheit der Liebe an ihrer Quelle selbst kosten. Es wird jedem Menschen geholfen, die eigene Taufe neu zu entdecken, damit er sich ihrer apostolischen Dimension, die in der Verbreitung der Liebe und in der Evangelisierungssendung gelebt werden muss, besser bewusst wird. Jeder wird noch eifriger zum Herrn der Ernte beten (vgl. Mt 9,38), damit er der Kirche „Hirten nach seinem Herzen“ (vgl. Jer 3,15) gewähre, die Christus, den Guten 330 REISEN Hirten, lieben, ihr eigenes Herz nach dem Abbild seines Herzens gestalten und bereit sind, in die Straßen der Welt hinauszugehen, um allen Menschen zu verkünden, dass er der Weg und die Wahrheit und das Leben ist (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 82). Dazu wird sich eine tätige Mithilfe ergeben, damit auch viele Jugendliche von heute, die der Stimme des Heiligen Geistes folgsam sind, so ausgebildet werden, dass sie die großen Erwartungen der Kirche und der Menschheit im Innersten ihres Herzens erklingen lassen und der Einladung Christi folgen, um sich mit ihm, voller Enthusiasmus und Freude, „für das Leben der Welt“ {Joh 6,51) zu weihen. 3. Das Zusammentreffen dieser Hundertjahrfeier mit dem letzten Vorbereitungsjahr auf das Große Jubeljahr 2000, das die Aufgabe hat, „den Horizont des Gläubigen gemäß der Sichtweite Christi selbst zu erweitern: die Sichtweite des , Vaters im Himmel‘ (vgl. Mt 5,45)“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 49), ist eine willkommene Gelegenheit zur Vorstellung des Herzens Jesu, „Feuerofen der Liebe, ... Symbol und ausdrucksstarkes Bild jener ewigen Liebe, mit der Gott die Welt so sehr geliebt hat, ,dass er seinen einzigen Sohn hingab1 {Joh 3,16)“ (vgl. Paul VI., Investigabiles divitias, 5: AAS 57 [1965], 268). Der Vater „ist die Liebe“ (7 Joh 4,8.16), und der eingeborene Sohn Christus offenbart dessen Geheimnis, während er dem Menschen den Menschen vollkommen offenbart. In der Herz-Jesu-Verehrung hat das prophetische, vom Evangelisten Johannes zitierte Wort Form angenommen: „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben“ (Joh 19,37; Sach 12,10). Es ist ein kontemplativer Blick, der sich darum bemüht, in das Innere der Empfindungen Christi, wahrer Gott und wahrer Mensch, einzudringen. In dieser Verehrung bestätigt und vertieft der Glaubende die Aufnahme des Geheimnisses der Menschwerdung, die das Wort mit den Menschen solidarisch und zum Zeugnis dafür macht, dass Gott den Menschen sucht. Diese Suche entspringt dem Innersten Gottes, der den Menschen „von Ewigkeit her in dem Wort liebt und ihn in Christus zur Würde der Sohnschaft erhöhen will“ {Tertio millennio adveniente, Nr. 7). Gleichzeitig erforscht die Herz-Jesu-Verehrung das Geheimnis der Erlösung, um darin die Dimension der Liebe zu entdecken, die sein Heilsopfer beseelt hat. In Christi Herz ist das Wirken des Heiligen Geistes lebendig, dem Jesus die Inspiration seiner Sendung zuschreibt (vgl. Lk 4,18; Jes 61,1) und dessen Herabkunft er beim Letzten Abendmahl versprochen hatte. Dieser Geist hilft uns, das vielfältige Zeichen der durchbohrten Seite Christi zu begreifen, aus der die Kirche hervorgegangen ist (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 5). „Die Kirche - wie Paul VI. schreibt - ist aus dem offenen Herzen des Erlösers entstanden und erhält von diesem Herzen Nahrung, weil Christus ,die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie im Wasser und durch das Wort rein und heilig zu machen“ {Eph 5,25-26)“ (vgl. Diserti interpretes). Durch den Heiligen Geist verbreitet sich die Liebe, die das Herz Jesu erfüllt, im Herzen der Menschen (vgl. Rom 5,5) und bewegt sie zur Verehrung seines „unergründlichen Reichtums“ {Eph 3,8) und zur kindglei- 331 REISEN chen und vertrauensvollen Anrufung des Vaters (vgl. Röm 8,15-16) durch den Auferstandenen, „denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten“ (Hebr 7,25). 4. Die Verehrung des Herzens Christi, „der universale Sitz der Gemeinschaft mit Gott Vater, der Sitz des Heiligen Geistes“ (Ansprache bei der Generalaudienz am 8. Juni 1994, 1; O.R. dt., 1994, Nr. 24, S. 2), neigt zu einer Festigung unserer Bande mit der Heiligen Dreifaltigkeit. Deshalb bereitet die Hundertjahrfeier der Weihe des Menschengeschlechts an das Heiligste Herz die Gläubigen auf das Jubeljahr vor, sowohl im Hinblick auf das Ziel der „Verherrlichung der Dreifaltigkeit ..., von der alles kommt und der sich alles zuwendet in Welt und Geschichte“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 55), als auch bezüglich seiner Hinwendung auf die Eucharistie (vgl. ebd.), worin das Leben, das Christus in Fülle geben möchte (vgl. Joh 10,10), all jenen vermittelt wird, die von ihm essen, um von ihm zu leben (vgl. Joh 6,57). Die ganze Herz-Jesu-Verehrung ist in allen ihren Ausdmcksformen tief eucharistisch geprägt: Sie äußert sich in frommen Übungen, die die Gläubigen zu einem Leben im Einklang mit dem „gütigen und von Herzen demütigen“ (vgl. Mt 11,29) Christus anregen, und wird in der Anbetung vertieft. Sie wurzelt und findet ihren Höhepunkt in der Teilnahme an der hl. Messe, vor allem am Sonntag, wo die Herzen der Gläubigen, brüderlich in der Freude versammelt, das Wort Gottes hören, mit Christus das Opfer ihrer selbst und ihres ganzen Lebens darbringen lernen (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 48), sich vom österlichen Mahl des Leibes und Blutes des Erlösers nähren und sich bemühen, immer mehr zu Evange-lisierem und Zeugen der Solidarität und Hoffnung zu werden, indem sie die in Christi Herzen pulsierende Liebe vollkommen teilen. Wir danken Gott, unserem Vater, der uns seine Liebe im Herzen Christi offenbart und uns durch die Salbung des Heiligen Geistes geweiht hat (vgl. Lumen Gentium, Nr. 10), damit wir, mit Christus vereint, ihn überall anbeten, einen heiligmäßigen Lebenswandel führen und dadurch die Welt selbst (vgl. ebd., Nr. 34) und das neue Jahrtausend Gott weihen. Im Bewusstsein der großen Herausforderung, die vor uns steht, bitten wir um die Hilfe der seligen Jungfrau, Mutter Christi und Mutter der Kirche. Möge sie das Volk Gottes über die Schwelle des bald beginnenden Jahrtausends führen. Sie erleuchte es auf den Wegen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe! Insbesondere möge sie jedem Christen helfen, mit großherziger Konsequenz seine Weihe an Christus zu leben, die ihr Fundament im Sakrament der Taufe hat und die ihre angemessene Bestätigung in der persönlichen Weihe an das Heiligste Herz Jesu erfahrt, denn nur darin kann die Menschheit Vergebung und Heil finden. Warschau, 11. Juni 1999, Fest des Heiligsten Herzens Jesu Joannes Paulus PP. II 332 REISEN Für ein gemeinsames Europa des Geistes Ansprache vor dem polnischen Parlament in Warschau am 11. Juni Herr Präsident der Republik, Herr Präsident des Sejm, Frau Präsidentin des Senats, Herr Ministerpräsident, Vertreter der Justiz, Mitglieder des Diplomatischen Korps, Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften Polens, meine Damen und Herren Parlamentarier! 1. Gestatten Sie mir, Sie herzlichst zu grüßen und Ihnen für Ihre Einladung zu danken. Gleichzeitig wende ich mich auch an die gesamte polnische Nation, an all meine lieben Landsleute. Vor zwanzig Jahren, während meiner ersten Pilgerreise in der Heimat, rief ich gemeinsam mit der großen zum Gebet auf dem Siegesplatz versammelten Menge den Heiligen Geist an mit der inständigen Bitte: „Sende aus deinen Geist! Und erneuere das Angesicht der Erde“ {Predigt auf dem Siegesplatz in Warschau, 2.6.1979; O.R. dt., 1979, Nr. 23, S. 5). Als wir voll Vertrauen um diese Erneuerung flehten, wussten wir noch nicht, in welcher Form sich dieser Wandel in Polen vollziehen würde. Heute ist uns bewusst, wie tiefgreifend die Einwirkung der befreienden, heilenden und reinigenden göttlichen Macht war. Wir sollten der Vorsehung Gottes für all das dankbar sein, was wir durch die aufrichtige Bereitschaft unserer Herzen für die Einwirkung der Gnade des trostspendenden Geistes erreichen konnten. Dank sei dem Herrn der Geschichte für den derzeitigen Wandel in Polen, für das Zeugnis der Würde und spirituellen Standhaftigkeit all derer, die in jenen schweren Tagen die Sorge für die Rechte der Menschen und das Bewusstsein geteilt haben, dass das Leben in unserer Heimat verbessert, menschlicher gemacht werden konnte. Es vereinte sie die feste Überzeugung von der Würde jeder menschlichen Person, erschaffen nach Gottes Bild und Gleichnis und berufen, von Christus erlöst zu werden. Ihnen ist heute jener Reichtum mutiger und ehrgeiziger Initiativen anvertraut worden, die im Namen des höchsten Wohls der polnischen Republik ergriffen worden sind. Von Ihnen wird es abhängen, welche konkrete Form Freiheit und Demokratie in Polen annehmen werden. 2. Dieses Treffen ist von vielfacher symbolischer Bedeutung. Erstmals spricht der Papst vor dem versammelten polnischen Parlament in Anwesenheit der ausführenden und der richterlichen Gewalt und des Diplomatischen Korps. Unweigerlich denken wir in diesem Augenblick an die auf das 15. Jahrhundert zurückgehende lange Geschichte des polnischen Abgeordnetenhauses oder an die Verfassung vom 3. Mai 1791, das bedeutende Zeugnis legislativer Weisheit unserer Vorväter. Heute, an diesem Ort, sind wir uns der grundlegenden Rolle bewusst, die eine ge- 333 REISEN rechte Rechtsordnung in einem demokratischen Staat einnimmt, deren Fundament immer und überall der Mensch sein sollte, die volle Wahrheit über den Menschen, seine unveräußerlichen Rechte und die der gesamten Gemeinschaft, der Nation. Ich weiß, dass es nach langen Jahren ohne volle Staatshoheit und ohne ein wirklich öffentliches Leben nicht einfach ist, eine neue demokratische und institutioneile Ordnung aufzubauen. Daher möchte ich gleich eingangs meine Freude über dieses Treffen zum Ausdruck bringen, das hier, an jenem Ort stattfindet, an dem durch seine legislative Funktion die dauerhaften Grundlagen des demokratischen Staates und der souveränen Gesellschaft geschaffen werden. Ferner wünsche ich dem Parlament, dass stets der Mensch und sein wahres Wohl im Mittelpunkt der legislativen Arbeit stehen möge nach dem klassischen Grundsatz: „Hominum causa omne ius constitutum est.“ [Das Latein ist noch gut, wie in meiner Generation]. In meiner Botschaft zum diesjährigen Weltfriedenstag schrieb ich: „Wenn die Förderung der Personenwürde das Leitprinzip ist, das uns beseelt, und wenn die Suche des Gemeinwohls die Aufgabe ist, die Vorrang hat, dann werden feste und dauerhafte Grundlagen zum Aufbau des Friedens gelegt. Wenn dagegen die Menschenrechte vernachlässigt oder gar missachtet werden, wenn die Wahrung von Eigeninteressen gegenüber dem Gemeinwohl ungerechterweise überwiegt, dann werden unweigerlich die Keime für Instabilität, Rebellion und Gewalt gesät“ (Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 1. Januar 1999, O.R. dt., 1999, Nr. 1, S. 7). Auch in der Einleitung des Konkordats zwischen dem Apostolischen Stuhl und der Republik Polen wird das auf sehr klare Art und Weise zum Ausdruck gebracht: „Die Entwicklung einer freien und demokratischen Gesellschaft gründet auf der Achtung der Würde der menschlichen Person und ihrer Rechte.“ Die polnische Kirche, die während der gesamten Nachkriegszeit, unter dem totalitären System, oft für die Verteidigung der Rechte der Menschen und der Nation eingetreten ist, möchte sich auch jetzt, in dem heutigen demokratischen Kontext, für die Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens auf einer festen ethischen Grundlage und für die es regelnde Rechtsordnung einsetzen. Zu diesem Zweck dient vor allem die Erziehung für den verantwortungsvollen Umgang mit der Freiheit sowohl in ihrer individuellen als auch gesellschaftlichen Dimension, wie auch - falls notwendig - die Warnung vor Gefahren, die von Sichtweisen ausgehen, die das Wesen und die Berufung des Menschen und seine Würde einschränken. Das ist ein Bestandteil der auf dem Evangelium begründeten Sendung der Kirche, die auf diese Weise ihren speziellen Beitrag zur Verteidigung der Demokratie an ihre Quelle zurückbringt. 3. Der Ort, an dem wir uns befinden, regt uns an, über den verantwortungsvollen Gebrauch des Geschenks der wiedergewonnenen Freiheit im öffentlichen Leben und über die Notwendigkeit des Zusammenarbeiten für das Wohl aller eingehend nachzudenken. Möge uns bei einer Reflexion dieser Art die Erinnerung an die zahlreichen heroischen Zeugnisse der letzten beiden Jahrhunderte eine Hilfe sein, Zeugnisse des polnischen Strebens nach einem eigenen souveränen Staat, der für viele Generationen unserer Landsleute lediglich im Traum, in familiären Traditio- 334 REISEN nen, im Gebet existierte. Vor allem denke ich an die Aufteilungen und an den mit ihnen verbundenen Kampf, das verlorene, von der Landkarte Europas verschwundene Polen wieder herzustellen. Das Fehlen dieser fundamentalen, die gesellschaftliche Realität formenden politischen Struktur ist stets, insbesondere während des letzten Weltkriegs, so intensiv empfunden worden, dass, unter äußerster Gefahr für die biologische Existenz der Nation selbst, ein polnischer „Untergrundstaat“ entstand, der im übrigen besetzten Europa mit nichts vergleichbar war. [Bevor ich hierher kam, habe ich ein Denkmal für diesen klandestinen Staat und für das Heer der Nation eingeweiht. Das hat mich zutiefst bewegt]. Wir alle sind uns der Tatsache bewusst, dass das heutige Treffen im Parlament ohne die entschlossenen Protestaktionen der polnischen Arbeiter im Baltikum, in jenem denkwürdigen August von 1980, nicht möglich gewesen wäre, nicht ohne „Solidamosc“ und den gewaltlosen Kampf für die Rechte der Menschen und des ganzen Landes. „Solidamosc“ wählte auch den damals weltweit anerkannten -Grundsatz, demnach „Freiheit ohne Solidarität nicht möglich ist“: ohne Solidarität mit dem Nächsten, Solidarität, die die verschiedenen Hindernisse - klassenmäßiger, ideologischer, kultureller und selbst geographischer Art - überwindet, wie die Erinnerung unserer Nachbarn im Osten beweisen konnte. Die Ereignisse von 1989, die die großen politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Polen und Europa einleiteten, waren - trotz des Leids, der Opfer und Demütigungen während des Krieges und der folgenden Jahre - die Auswirkungen der Wahl gerade jener gewaltlosen Kampfweise für eine freie bürgerliche Gesellschaft und einen demokratischen Staat. [Es ist noch nicht lange her, dass wir während des Berlinbesuchs gemeinsam mit Kanzler Kohl vor dem Brandenburger Tor daran erinnert haben]. Wir können uns nicht erlauben, diese Ereignisse zu vergessen. Sie haben nicht nur die ersehnte Freiheit gebracht, sondern auch auf entscheidende Art und Weise zum Fall jener Mauern beigetragen, die ein halbes Jahrhundert lang die Gesellschaften und Nationen dieses Teils unseres Kontinents von der freien Welt getrennt hatten. Jene historischen Veränderungen sind als Beispiel und Lehre in die moderne Geschichte eingegangen: in seinem Streben nach den großen Zielen des Gemeinschaftslebens muss der Mensch „auf seinem Weg durch die Geschichte der Bahn der vornehmen Bestrebungen des menschlichen Geistes folgen“ (vgl. Ansprache vor den Vereinten Nationen, 5.10.1995). In erster Linie kann und muss er sich für eine von Liebe, Brüderlichkeit und Solidarität geprägte Haltung entscheiden, für die Achtung der menschlichen Würde und somit für jene Werte, die damals für den Sieg [ohne den höchstgefährlichen Nuklearkonflikt] ausschlaggebend waren. 4. Die Erinnerung an die moralische Botschaft, die uns „Solidamosc“ hinterlassen hat, und somit auch an unsere oft tragischen geschichtlichen Erfahrungen sollte heute die Qualität des Gemeinschaftslebens in Polen, den politischen Stil oder die Form jeder anderen öffentlichen Aktivität, insbesondere diejenige, die kraft der Wahl und somit als Ausdruck des Vertrauens der Gesellschaft ausgeübt wird, in stärkerem Maße beeinflussen. 335 REISEN Der Dienst an der Nation muss auf das Gemeinwohl ausgerichtet sein, das das Wohl des einzelnen Bürgers gewährleistet Das II. Vaticanum äußert sich hierzu mit großer Klarheit: „Die politische Gemeinschaft besteht also um dieses Gemeinwohls willen; in ihm hat sie ihre letztgültige Rechtfertigung und ihren Sinn, aus ihm leitet sie ihr ursprüngliches Eigenrecht ab. Das Gemeinwohl aber begreift in sich die Summe aller jener Bedingungen gesellschaftlichen Lebens, die den Einzelnen, den Familien und gesellschaftlichen Gruppen ihre eigene Vervollkommnung voller und ungehinderter zu erreichen gestatten“ (Gaudium et spes, Nr. 74). „Die gesellschaftliche Ordnung und ihre Entwicklung müssen sich dauernd am Wohl der Personen orientieren; denn die Ordnung der Dinge muß der Ordnung der Personen dienstbar werden und nicht umgekehrt. ... Die gesellschaftliche Ordnung muß sich ständig weiterentwickeln, muß in Wahrheit gegründet, in Gerechtigkeit aufgebaut und von Liebe beseelt werden und muß in Freiheit ein immer humaneres Gleichgewicht finden“ (ebd. Nr. 26). In der polnischen Tradition fehlen keineswegs jene Vorbilder, die ihr Leben gänzlich dem Gemeinwohl unserer Nation widmeten. Diese Beispiele des Mutes, der Demut, der Treue zu den Idealen und des Opfersinns weckten edelste Gefühle und Haltungen in vielen Landsleuten, die auf selbstlose und hingebungsvolle Art und Weise das Heimatland in Zeiten schwerster Prüfungen unterstützten. Selbstverständlich sollten alle Bürger die Sorge für das Gemeinwohl teilen, die sich auf jedem Gebiet des gesellschaftlichen Lebens zeigen sollte. In erster Linie ist die Sorge für das Gemeinwohl aber ein Erfordernis im politischen Bereich. Hier denke ich sowohl an jene, die sich gänzlich der Politik widmen, wie auch an den einzelnen Bürger. Die politische Tätigkeit - in der Gemeinschaft ebenso wie in den staatlichen Einrichtungen - sollte ein hochherziger Dienst am Menschen und an der Gesellschaft sein und keineswegs, unter Vernachlässigung des Gemeinwohls der gesamten Nation, zu persönlicher oder gemeinschaftlicher Bereicherung missbraucht werden. Unbedingt müssen hier die „Predigten für den Sejm“ des königlichen Predigers, des Priesters Piotr Skarga, und seine dringende Aufforderung an die Parlamentarier der ersten Republik erwähnt werden: „Seid hochherzig und nachsichtig. Richtet eure Liebe nicht lediglich auf euch und eure eigenen Interessen. Beschränkt sie nicht nur auf euer Heim und auf euren persönlichen Reichtum. Möge sie von euch auf das ganze Volk übergehen, wie der hoch aus den Bergen kommende Fluss, der sich in das Tal ergießt... Wer seiner Heimat dient, dient sich selbst; denn sie enthält alles, was gut für ihn ist“ (vgl. Zweite Predigt, Von der Liebe zum Vaterland). Die Kirche erwartet eine solche vom Geist des Dienstes und des Gemeinwohls erfüllte Haltung in erster Linie von den katholischen Laien. „Die Laien können nicht darauf verzichten, sich in die ,Politik1 einzuschalten, das heißt in die vielfältigen und verschiedenen Initiativen auf wirtschaftlicher, sozialer, gesetzgebender, verwaltungsmäßiger und kultureller Ebene, die der organischen und systematischen Fördemng des Allgemeinwohls dienen“ (Christifideles laici, Nr. 42). Ihre Aufgabe ist es, mit Hilfe aller die Wirklichkeit des menschlichen Lebens mit dem Geist des 336 REISEN Evangeliums zu durchtränken, um ihren speziellen Beitrag für die Förderung des Gemeinwohls zu leisten, eine auf ihrer christlichen Berufung beruhende Verpflichtung gegenüber ihrem Gewissen. 5. Die Herausforderungen, denen der demokratische Staat gegenübersteht, verlangen die solidarische Zusammenarbeit aller Menschen guten Willens, die, unabhängig von der politischen Einstellung oder Ideologie, den gemeinsamen Wunsch haben, sich für das Gemeinwohl des Heimatlandes einzusetzen. Zweifellos muss die dem Leben jeder politischen Gemeinschaft eigene Autonomie geachtet werden, gleichzeitig müssen wir uns aber bewusst sein, dass sie im Hinblick auf die ethischen Grundsätze keineswegs als unabhängig betrachtet werden kann. Auch pluralistische Staaten können im öffentlichen Leben nicht auf ethische Normen verzichten. „Nach dem Niedergang der Ideologien in vielen Ländern“ - schrieb ich in meiner Enzyklika Veritatis splendor -, „die die Politik mit einem totalitären Weltbild verbanden - unter ihnen vor allem der Marxismus -, zeichnet sich heute eine nicht weniger ernste Gefahr ab angesichts der Verneinung der Grundrechte der menschlichen Person und der Auflösung der im Herzen jedes Menschenwesens wohnenden religiösen Frage in politische Kategorien: Es ist die Gefahr der Verbindung zwischen Demokratie und ethischem Relativismus, die dem bürgerlichen Zusammenleben jeden sicheren sittlichen Bezugspunkt nimmt, ja mehr noch, es der Anerkennung von Wahrheit beraubt. Denn ,wenn es keine letzte Wahrheit gibt, die das politische Handeln leitet und ihm Orientierung gibt, dann können die Ideen und Überzeugungen leicht für Machtzwecke missbraucht werden. Eine Demokratie ohne Werte verwandelt sich, wie die Geschichte beweist, leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus1“ (Nr. 101). Wenn wir auch die Freude über den offenbar sichtlichen positiven Wandel in Polen teilen, müssen wir uns aber doch der Tatsache bewusst sein, dass in einer freien Gesellschaft auch Werte vorhanden sein müssen, die das höchste Wohl des ganzen Menschen gewährleisten. Jeder wirtschaftliche Wandel muss der Entwicklung einer humaneren und gerechteren Welt dienen. Die polnischen Politiker und alle im politischen Leben tätigen Personen möchte ich bestärken, nach besten Kräften für den Aufbau eines Staates zu arbeiten, dessen ganz besondere Sorge der Familie, dem menschlichen Leben, der Erziehung der jungen Generationen gilt, der das Recht auf Arbeit achtet, die wesentlichen Probleme der gesamten Nation erkennt und empfänglich ist für die Anforderungen des konkreten Menschen, insbesondere des armen und schwachen. 6. Die nun zehn Jahre zurückliegenden Ereignisse in Polen haben jene historische Gelegenheit geschaffen, um den europäischen Kontinent, der die ideologischen Schranken definitiv abgebaut hatte, auf den Weg der Einheit zurückzuführen. Mehrmals habe ich über dieses Thema gesprochen und die Metapher von den „zwei Lungen“ geprägt, mit denen ein Europa atmen soll, das in sich sowohl die orientalische wie die westliche Tradition vereint. Statt der erhofften geistigen Gemeinschaft treten neue Spaltungen und neue Konflikte auf. Eine solche Situation 337 REISEN fordert von den Politikern, den Vertretern der wissenschaftlichen und kulturellen Welt wie auch von allen Christen dringend notwendige, der Integration Europas dienende neue Initiativen. Im Laufe ihrer jahrhundertelangen Pilgerschaft hat die Kirche ihre Sendung tief mit unserem Kontinent verknüpft, tiefer als mit allen anderen. Das spirituelle Gesicht Europas ist durch das Werk bedeutender Missionare und das Zeugnis der Märtyrer geformt worden, in den mit großer Opferbereitschaft erbauten Tempeln, in Zentren des kontemplativen Lebens, durch die humanistische Botschaft der Universitäten. Die zur Sorge für das geistige Wachstum des Menschen als soziales Wesen berufene Kirche brachte eine Gesamtheit einzigartiger Werte. Stets war sie überzeugt, dass „eine echte Kulturpolitik den Menschen in seiner Gesamtheit im Blick haben muss, d. h. in all seinen persönlichen Dimensionen - ohne den ethischen und religiösen Aspekt zu vergessen“ (Botschaft an den Generaldirektor der UNESCO anläßlich der Weltkonferenz über Kulturpolitik in Mexiko, 24.7.1982; DAS [1982], S. 1233). Wie arm wäre doch die europäische Kultur ohne christliche Inspiration geblieben. Aus diesem Grund warnt die Kirche vor einer einseitigen, lediglich auf wirtschaftliche und politische Aspekte beschränkten europäischen Sichtweise wie auch vor einer kritiklosen Haltung gegenüber einem konsumorientierten Lebensstil. Wenn wir eine dauerhafte neue europäische Einheit anstreben, müssen wir von diesen spirituellen Werten ausgehen, die einst ihre Grundlage waren, und den Reichtum und die Verschiedenheit der Kulturen und Traditionen der einzelnen Nationen berücksichtigen. Das nämlich muss die Große Europäische Gemeinschaft des Geistes sein. Auch hier erneuere ich meine an den alten Kontinent gerichtete Botschaft: „Europa, öffne Christus deine Tore!“ 7. Anlässlich des heutigen Treffens möchte ich nochmals meine Anerkennung für die konsequenten und solidarischen Bemühungen zum Ausdmck bringen, die, seit der Wiedererlangung, der Staatshoheit, auf die Suche und Festigung einer gebührenden und sicheren Stellung Polens in dem nach Einigung strebenden Europa und in der Welt ausgerichtet sind. Polen ist voll berechtigt, am allgemeinen Fortschritts- und Entwicklungsprozess der Welt und vor allem Europas teilzunehmen. Von Anfang an hat der Apostolische Stuhl die Eingliederung Polens in die Europäische Gemeinschaft befürwortet. Die geschichtliche Erfahrung der polnischen Nation, ihr spiritueller und kultureller Reichtum, können auf wirksame Art und Weise zum Gemeinwohl der gesamten menschlichen Familie beitragen, insbesondere zur Gewährleistung des Friedens und der Sicherheit in Europa. 8. Der sechzigste Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs, dessen wir dieses Jahr gedenken, und der zehnte Jahrestag der oben erwähnten Ereignisse sollten alle Polen veranlassen, über die Freiheit als „Geschenk“ und gleichzeitig als „Aufgabe“ nachzudenken. Eine Freiheit, um deren Festigung wir uns immerfort bemühen und die wir auf verantwortungsvolle Art und Weise leben müssen. Mögen die 338 REISEN in unserer Geschichte so zahlreich vertretenen hochherzigen Zeugnisse der Liebe für das Heimatrand, der Selbstlosigkeit und des Heroismus eine Herausforderung zu gemeinsamem Streben nach den großen Zielen der Nation sein, denn „der beste Gebrauch der Freiheit ist die Liebe, die sich in der Hingabe und im Dienst verwirklicht“ (Redemptor hominis, Nr. 21). Allen Anwesenden und jedem meiner Landsleute wünsche ich, die Schwelle des dritten Jahrtausends in der Hoffnung, dem Vertrauen und mit dem Willen zu überschreiten, gemeinsam jene Zivilisation der Liebe aufzubauen, die auf den universalen Werten des Friedens, der Solidarität, der Gerechtigkeit und Freiheit gründet. Möge der Heilige Geist unermüdlich jenen bedeutenden Wandlungsprozess unterstützen, der das Antlitz der Erde, unserer gemeinsamen Erde, erneuern soll. Gebet am Denkmal für die Opfer des Holocaust am „Umschlagplatz“ in Warschau, 11. Juni Vater Abrahams, Vater der Propheten, Vater Jesu Christi, von dir ist alles umfangen, zu dir strebt alles hin, du bist das Ziel von allem. Erhöre unsere Gebete, die wir vor dich bringen für das jüdische Volk, das dir um seiner Vorfahren willen weiterhin teuer ist. Erwecke stets in ihm eine immer lebendigere Sehnsucht nach deiner Liebe und Wahrheit. Steh ihm bei in seinen Bemühungen um Frieden und Gerechtigkeit, damit dieses Volk die Allmacht deines Segens bezeugen kann. Steh ihm bei, damit es Achtung und Liebe von denen erfährt, die noch nicht das Ausmaß seiner Leiden verstehen, und von denen, die solidarisch, im Bewusstsein gegenseitiger Sorge, den Schmerz und die Wunden des jüdischen Volkes mitfühlen. Gedenke der nächsten Generation, der Jugendlichen und der Kinder, auf dass sie stets treu an dich glauben und an das, was das besondere Geheimnis ihrer Berufung ausmacht. Stärke alle Generationen, damit dank ihres Zeugnisses die Menschheit begreife, dass dein Heilsplan sich auf die ganze Menschheit erstreckt und dass du, Vater, Anfang und Ziel aller Völker bist. Amen. 339 REISEN Liebe - tragende Grundkraft des Lebens und des Wachsens Predigt zum Abschluss der II. Polnischen Nationalsynode in der Kathedrale von Warschau am 11. Juni 1. „Ich möchte aufs Feld gehen und die Ähren lesen“ (Rut 2,2). Die heutige Liturgie richtet unsere Gedanken auf das Bild der Getreideernte. Die erste Lesung spricht von Rut, der Moabiterin, die sich auf den Acker des Grundbesitzers Boas begibt, um hinter den Schnittern die Ähren zu lesen. Obwohl das Getreide in Israel wahrscheinlich auf andere Art und Weise geerntet wurde als in Polen, war sicherlich eine gewisse Ähnlichkeit vorhanden, die uns mit unserer eigenen Erfahrung verbindet. Mit dem Bild einer polnischen Ernte vor Augen denken wir an die II. Polnische Nationalsynode, die heute in der Kathedrale von Warschau zu Ende geht. Auch sie ist gewissermaßen, eine Ernte. Während der jahrelangen Synodenarbeit ist versucht worden, das zu ernten, was der Boden der Kirche in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts in Polen hervorgebracht hatte. Durch die Synodenarbeit habt ihr euch bemüht, all das zusammenzutragen. Vor allem habt ihr versucht, zu beobachten, zu definieren, zu beurteilen und Schlüsse zu ziehen. Heute bringt ihr all das Gott dar, wie die Schnitter, die nach der Ernte die Getreidegarben einbrin-gen und darauf vertrauen, dass das, was sie geerntet haben, von Nutzen sein wird -wie das Brot, das aus Weizen gemacht ist - in der Hoffnung, dass die kommenden Generationen sich von ihm ernähren können. 2. Von Anfang an betrachtete die polnische Kirche die Synoden als wirksames Instrument zur Reformierung und Erneuerung des christlichen Lebens und folgte somit einer seit der Zeit der Apostel gebräuchlichen Praxis der gemeinsamen Reflexion über wesentliche und schwierige Probleme. Nach der anfänglichen Entwicklung des synodalen Lebens im frühen Zeitalter gab das Konzil von Trient dieser Praxis neue Impulse. Die folgenden Synoden wurden durch ihre Dekrete für alle Generationen in unserer Heimat wertvolle Elemente zur Vertiefung des Glaubens und zur Orientierung auf dem am Evangelium inspirierten Weg des Volkes Gottes. Große Verdienste hatten in dieser Hinsicht die Erzbischöfe von Gnesen, Kamkowski, Maciejowski, Gembicki, W§zyk und Lubienski, die verschiedene Provinzsynoden einberiefen. Sie waren wahre Vertreter der konziliaren Reform, die die synodale Einrichtung als wirksamen Weg der Erneuerung betrachtete. In unserem Jahrhundert kam es nach der Unabhängigkeit Polens zu einer Intensivierung der Synodenarbeit. 1936 fanden eine Plenarsynode für alle fünf polnischen Metropolitansitze und zahlreiche Diözesansynoden statt. Ihr Zweck war die Wiederbelebung des religiösen Lebens der Gläubigen nach den langen Jahren der verlorenen Unabhängigkeit wie auch die Vereinheitlichung des Kirchenrechts. Die lobenswerte Initiative der Synodeneinberufung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt. Insbesondere nach dem II. Vatikanischen Konzil ging man dazu über, auch sogenannte Pastoralsynoden abzuhalten, die in ihren Entscheidungen an 340 REISEN die Lehren und Weisungen des Konzils anknüpften und in die die gesamte Kirchengemeinde einbezogen war. Dieser kurze geschichtliche Überblick zeigt uns, wie die verschiedenen Generationen durch diese Synoden stets nach neuen Wegen zur Verwirklichung ihres eigenen christlichen Lebens gesucht haben und gleichzeitig einen wertvollen Beitrag für die Entwicklung und Aktivität der Kirche leisteten. Vor acht Jahren bat ich zusammen mit dem gesamten polnischen Episkopat in der Warschauer Basilika vom Heiligsten Herzen Jesu um den Segen für die II. Polnische Nationalsynode. Damals sagte ich: „Eure Synode beginnt ihre Arbeiten nach dem II. Vatikanischen Konzil (das das Konzil unseres Jahrhunderts war) und gleichzeitig im Angesicht des Beginns des dritten Jahrtausends nach Christus. Schon allein diese Umstände sind entscheidend für den Charakter der Plenarsynode sowie für ihre Aufgaben. Es ist nämlich unmöglich, dass sich in ihr nicht das ganze mit dem II. Vaticanum verbundene konziliare ,Novum“ widerspiegelt Sie kann auch nicht umhin, alle diese ,Zeichen der Zeit“ hervorzuheben, die sich am Horizont unseres Jahrhunderts abzeichnen, da es sich seinem Ende nähert“ (8.6.1991). 3. Während der Synodenarbeiten, an denen über sechstausend Studiengruppen teilgenommen haben, sind die wesentlichen Konzilsthemen behandelt worden. Die verabschiedeten Dokumente zeigen die allgemeine Sorge für die Erneuerung des christlichen Lebens in der polnischen Kirche, dem Geist des II. Ökumenischen Vatikanischen Konzils entsprechend, und weisen die Richtung für die zukünftige Arbeit. In meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente betonte ich, dass die beste Vorbereitung auf das Jubeljahr 2000 eine möglichst getreue Anwendung der Lehre des II. Vaticanums auf das Leben jedes Einzelnen und der ganzen Kirche ist Gleichzeitig habe ich auf die Notwendigkeit einer Gewissensprüfung über das Thema der „Aufnahme des Konzils, dieses großartigen Geschenks des Geistes an die Kirche gegen Ende des zweiten Jahrtausends“ (20,36), hingewiesen. Es freut mich, dass die II. Polnische Nationalsynode sich diese Aufgabe gestellt hat und versucht, die Lehre des Konzils neu zu vertiefen und, ihrem Motto: „Mit der Konzilsbotschaft in das dritte Jahrtausend“ entsprechend, in größerer Treue seine Weisungen aufzunehmen. Als in der Zeitlichkeit verankerte göttlichmenschliche Realität muss sich die Kirche einer konstanten Erneuerung unterziehen, um ihrem Stifter stets ähnlicher zu werden. Diese Erneuerung ist vor allem das Werk des Heiligen Geistes, der „in der Kirche wohnt und sie durch die Kraft des Evangeliums allezeit verjüngen läßt und zur vollkommenen Vereinigung mit ihrem Bräutigam geleitet“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 4). In diesem Emeuerungsprozess der Kirche, der die Mitarbeit all seiner Glieder erfordert, war das II. Vatikanische Konzil von enormer Bedeutung. Während der Konzilsarbeiten widmete sich die Kirche einer eingehenden Reflexion über sich selbst und ihre Beziehungen zur heutigen Welt. Gleichzeitig bestimmte sie den Weg zur Erfüllung der von Christus erhaltenen Mission und Sendung. Nachdrück- 341 REISEN lieh betonte das Konzil die Mitverantwortung all ihrer Glieder - Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien - für das Wohl der Kirche. Die Verschiedenheit der dem Klerus und der Laienschaft vom Heiligen Geist übertragenen Charismen und Aufgaben muss dem Aufbau einer neuen kirchlichen Gemeinschaft auf den verschiedenen Ebenen im Pfarrgemeinde und Diözesanbereich, des nationalen und internationalen Lebens dienen. 4. Der Aufbau einer neuen Gesellschaft, deren Grundlage die Achtung der Menschenrechte, der Wahrheit und Freiheit ist, verlangt von allen Söhnen und Töchtern der Kirche, sich als Ausgangspunkt eines breiteren kirchlichen Verantwortungsbewusstseins zu sehen. Angesichts einer solchen Situation ist es gut, dass die Plenar-synode in der Wiederherstellung und Vertiefung dieses kirchlichen Bewusstseins sowohl unter den Laien als auch unter der Geistlichkeit ihre gmndlegende Aufgabe erkannt hat. Der jahrelange Kampf gegen den kommunistischen Totalitarismus hat die Religiosität vieler geschwächt und die Tendenz gefordert, die Kirche lediglich zu einer menschlichen Einrichtung zu machen und die Religion in den privaten Bereich zu verdrängen. Man hat versucht, die Kirche - als eine um Christus vereinte Gemeinschaft, die öffentlich ihren Glauben bekennt - zu schwächen. Wenn die Kirche aufgemfen ist, sich dank der Synodenarbeiten als Gemeinschaft der Gläubigen zu festigen, dann kann das in erster Linie durch die bewusste Teilnahme an ihrem Leben verwirklicht werden, entsprechend dem Charisma des jeweiligen Lebensstandes und dem Subsidiaritätsprinzip. Die Synode wird also ihre Aufgabe erfüllen können, wenn es ihr gelingt, in den Herzen aller - der Geistlichkeit wie auch der Laien - ein kirchliches Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft zu wecken, an der Realisierung der Heilssendung der Kirche mitzuwirken. Doch die Botschaft, die uns das II. Vaticanum hinterlassen hat, ist weitaus komplexer. Es geht nicht nur um die Wahrheit der Kirche als sichtbare Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, sondern auch um die Beziehung zu unserer Umgebung. Die Evangelisiemng erfordert heute einen apostolischen Dynamismus, der sich nicht vor den Problemen der Welt verschließt. Ich danke dem allmächtigen Gott für jede Eingebung, für jede Lehre, die, durch die Synode, den Geist und die Herzen ihrer Teilnehmer erreicht und ihnen erlaubt hat, als Zeugen des Evangeliums vor die Welt zu treten. Die polnische Synode ordnet sich ein in die der Vorbereitung des ganzen Volkes Gottes auf den Übergang in das Jahr 2000 dienende Serie von Synoden, die zur Zeit in der Kirche stattfinden. Dazu gehören ordentliche Synoden wie auch Sondersynoden, kontinentale, regionale, nationale oder diözesane Synoden. Die II. Polnische Nationalsynode und ihre Durchführung sind eine Antwort auf die große Herausforderung, der heute die Kirche Polens gegenübersteht. Diese Herausforderung ist die Notwendigkeit einer neuen Evangelisierung, das heißt die Verwirklichung des Heilswerkes Gottes, das für die Verbreitung des Evangeliums Christi neue Wege fordert. 342 REISEN 5. Mein Dank gilt allen, die zur Vorbereitung dieser Synode beigetragen und während ihres gesamten Verlaufs mitgewirkt haben. Ich danke dem Kardinalsprimas und Präsidenten der Synode, den Bischöfen, Priestern und Laien, die im Ständigen Ausschuss und im Synodensekretariat tätig waren. Mein ganz besonderer Dank gilt denjenigen, die sich in den Synodengruppen eingesetzt haben und durch das Gebet, Reflexionen und konkrete apostolische Initiativen diese Synode aufgebaut haben. Möge euch Gott für jene mühevolle und eifrige Arbeit belohnen, durch die ihr eure große Liebe für die Kirche und eure Sorge für ihre Zukunft gezeigt habt. 6. „Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät“ (Mt 4,26). Das heutige Evangelium spricht vom Wachstum des Reiches Gottes, das mit dem Samenkorn vergleichbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob der Mann „schläft und wieder aufsteht, ob es Nacht wird oder Tag, ob der Samen keimt und wächst, und der Mann weiß nicht, wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; denn die Zeit der Ernte ist da“ (vgl. Mk 4,27-29). Während wir diese Plenarsynode nun beenden, weist Christus auf das hin, was von Anfang an ihr Zweck war und auch in Zukunft sein muss. Sie diente zur Erweiterung des Reiches Gottes. Die Worte des Evangeliums beschreiben, wie dieses Reich in der Geschichte der Menschheit, der Nationen und Gesellschaften auf organische Art und Weise wächst. Aus einem kleinen Anfang, wie das Senfkorn, wird mit der Zeit ein großer Baum. Ich hoffe, dass es so auch für diese Zweite Plenarsynode wie für viele andere Initiativen der Kirche in unserem Land sein wird. Zweifellos entspricht es dem Willen Gottes, dass das Ende der Synode mit dem Fest des Heiligsten Herzens Jesu zusammenfällt, das auf Drängen der polnischen Bischöfe im 18. Jahrhundert vom Apostolischen Stuhl eingeführt wurde. Heute betrachtet und verehrt die ganze Kirche auf besondere Art und Weise die unermessliche Liebe Gottes, deren menschlicher Ausdruck das von der Lanze des Soldaten durchbohrte Herz des Erlösers ist. Heute feiern wir auch das einhundertste Jubiläum der Weihe der Menschheit an das Heiligste Herz Jesu, ein großes kirchliches Ereignis, das zur Entwicklung der Gottesverehrung beitrug und viele heilbringende Früchte der Heiligkeit und des apostolischen Eifers hervorbrachte. „Gott ist die Liebe“ (7 Joh 4,8), und das Christentum ist die Religion der Liebe. Während andere Systeme des Denkens und des Handelns eine auf Reichtum, Macht, Unterdrückung, Wissenschaft oder Vergnügen gegründete Welt des Menschen aufbauen wollen, spricht die Kirche von Liebe. Das allerheiligste Herz Jesu verdeutlicht diese unendliche und erbarmende Liebe, die der himmlische Vater durch seinen Sohn, Jesus Christus, in der Welt ausgegossen hat. Zweck der Neuevangelisierung ist es, die Menschen zu dieser Liebe hinzuführen. Allein die durch das Herz Christi offenbarte Liebe ist fähig, das Herz des Menschen zu wandeln und der ganzen Welt zu öffnen, um es menschlicher und göttlicher zu machen. 343 REISEN Vor hundert Jahren schrieb Papst Leo XIII., dass wir „all unsere Hoffnung auf das Herz Jesu setzen müssen. Das Heil der Menschheit müssen wir in ihm suchen und von ihm erwarten“ (vgl. Annum sacrum; 6). Auch ich bestärke euch, die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu zu erneuern und zu fördern. Führt den einzelnen Menschen, die Familien, die Pfarrgemeinden, die Gesellschaft zu dieser „Quelle des Lebens und der Heiligkeit“, damit sie durch ihn „den unergründlichen Reichtum Christi“ (Eph 3,8) erlangen. Nur jene, die „in der Liebe verwurzelt“ (Eph 3,17) sind, werden fähig sein, sich der „Kultur des Todes“ zu widersetzen und auf den Trümmern des Hasses, der Verachtung und Unterdrückung eine Zivilisation aufzubauen, deren Ursprung das Herz des Erlösers ist. Zum Abschluss meines Treffens mit euch an diesem der ganzen Kirche teuren Fest vertraue ich das gesamte Werk der II. Polnischen Nationalsynode, seine Verwirklichung und seine Früchte auf polnischem Boden dem Heiligen Herzen Jesu und dem Unbefleckten Herzen seiner Mutter an, die sich durch ihr „fiat“ bedingungslos dem Erlösungsopfer ihres Sohnes angeschlossen hat. Der Mensch sucht Gott Predigt bei der hl. Messe im Park Blonia Rybitwy in Sandomierz am 12. Juni 1. „... seine Mutter sagte zu ihm: Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht“ (Lk 2,48). Heute erinnert die Liturgie der Kirche an das Unbefleckte Herz der seligen Jungfrau Maria. Richten wir unseren Blick auf Maria, die den während der Wallfahrt nach Jerusalem verlorenen Jesus voller Unruhe und Angst sucht. Als gläubige Israeliten fuhren Maria und Josef jedes Jahr zum Osterfest nach Jerusalem. Und im Alter von zwölf Jahren ging Jesus zum ersten Mal mit ihnen. Während dieser Reise geschah das, was wir im fünften Geheimnis des freudenreichen Rosenkranzes betrachten: „Jesus, den du, o Jungfrau, im Tempel wiedergefunden hast“. Lukas beschreibt das in rührender Weise und auf der Grundlage der Nachrichten, die er -wie man annehmen darf — von der Mutter Jesu erhalten hatte: „Kind, wie konntest du uns das antun? Wir haben dich voll Angst gesucht“. Maria, die Jesus unter ihrem Herzen getragen hatte und nach Ägypten geflüchtet war, um ihn vor Herodes zu retten, gesteht ganz menschlich ihre große Sorge um den Sohn. Sie weiß, dass sie ihn auf seinem Weg begleiten muss. Sie weiß, dass sie durch ihre Liebe und ihr Opfer an seinem Erlösungswerk mitwirken wird. So dringen wir in das Geheimnis der großen Liebe Marias zu Jesus ein, jener Liebe, die mit ihrem Unbefleckten Herzen die unfassbare Liebe, das Wort des ewigen Vaters, umschließt. Die Kirche erinnert uns an dieses Mysterium gerade hier in Sandomierz, in dieser uralten Stadt, wo seit über tausend Jahren die Geschichte der Kirche und die des Vaterlands lebendig sind. Ich grüße die ganze Kirche von Sandomierz mit ihrem Hirten, Bischof Waclaw, zusammen mit den Weihbischöfen, den Priestern und den Ordensleuten. Ich begrüße euch alle, liebe Brüder und Schwestern, die ihr an die- 344 REISEN sem heiligen Opfer teilnehmt. Ich grüße den Militärordinarius des polnischen Heeres und mit ihm die Soldaten, Unteroffiziere, Offiziere und Generäle. Mein Gruß geht auch an die hier anwesenden Verteter des polnischen Episkopats und der staatlichen und lokalen Behörden. Mit Hochachtung grüße ich die altehrwürdige Stadt Sandomierz, die mir so sehr ans Herz gewachsen ist ... Im Herzen umarme ich die anderen Städte und Industriezentren, insbesondere Stalowa Wola, die Symbolstadt des großen Glaubens der Arbeiter, die mit bewundernswerter Hochherzigkeit und Mut ihr Gotteshaus errichteten - trotz aller Schwierigkeiten und Drohungen seitens der damaligen kommunistischen Machthaber. Ich hatte die Freude, diese Kirche zu segnen. Wie oft habe ich die Gegend von Sandomierz besucht! Häufig war es mir gegeben, der Geschichte eurer Stadt zu begegnen und hier die Geschichte unserer nationalen Kultur zu erlernen. In dieser Stadt ist nämlich eine wunderbare Kraft verborgen, deren Ursprünge in der christlichen Tradition wurzeln. Sandomierz ist eigentlich ein großes Buch des Glaubens unserer Vorfahren. Viele seiner Seiten wurden von Heiligen und Seligen geschrieben. Ich nenne dabei zuallererst den Schutzpatron der Stadt, den sei. Wincenty Kadlubek, der Propst der Kathedrale von Sandomierz und Bischof von Krakau war, bevor er einfacher Mönch des Zisterzienserordens wurde. Er war der erste unter den Polen, der im „Chronicon Polonorum“ die Geschichte der Nation schrieb. Im 13. Jahrhundert wurde dieser Boden vom Blut der seligen Märtyrer von Sandomierz befruchtet: Es waren Priester und Laien, die von den Tartaren wegen ihres Glaubens in großer Zahl getötet wurden; zusammen mit ihnen starben der selige Sadok und 48 Dominikanerpatres aus dem Kloster bei der romanischen Kirche vom hl. Jakob. In den Kirchen von Sandomierz wurde das Evangelium vom hl. Hyazinth, vom sei. Czeslaw und vom hl. Andreas Bobola verkündet. Die Dominikaner verbreiteten hier mit großem Eifer die Marienverehrung. Im Collegium „Gostomianum“ haben die Jesuiten die Jugend unterrichtet und erzogen. Neben der Heilig-Geist-Kirche unterhielten die Mitglieder der Kongregation vom Hl. Geist das Krankenhaus, das Armenhospiz und die Kinderhorte. Diese Stadt erinnert an Jan Dlugosz und die heilige Königin Hedwig, deren 600. Todestag wir dieses Jahr feiern. Auch in jüngerer Zeit hat diese Gegend Früchte der Heiligkeit gebracht. Der Stolz der Kirche von Sandomierz sind die Laien und Kleriker, die mit ihrem Leben für ihre Liebe zu Gott, zur Heimat und zum Menschen Zeugnis ablegten. Ich möchte besonders des Dieners Gottes Bischof Piotr Golebiowski gedenken, der die ihm anvertraute Herde mit Umsicht und Sanftmut hütete. Wie wir wissen, läuft gegenwärtig der Prozess zur Seligsprechung dieses guten Hirten aus der Diözese Sandomierz. Außerdem gedenke ich des Dieners Gottes, des Priesters Prof. Wincenty Granat, ein berühmter Theologe und Rektor der Katholischen Universität Lublin, den ich mehrfach und zu verschiedenen Anlässen getroffen habe. In Dankbarkeit erinnere ich auch an Franciszek Jop, Weihbischof dieser Diözese, der später zum Administrator und Bischof von Opole ernannt wurde. Das Erzbistum Krakau, des- 345 REISEN sen Administrator er während der schwierigen fünfziger Jahre war, verdankt ihm sehr viel. Msgr. Jop war auch unter den Bischöfen, die mich weihten. Zusammen mit euch allen, die ihr hier versammelt seid, lobe ich Gott heute in Sandomierz für dieses bedeutende spirituelle Erbe, das der Bevölkerung dieser Landschaft - zur Zeit der Teilungen, der deutschen Okkupation und der totalitären Beherrschung durch das kommunistische System - den Erhalt ihrer nationalen und christlichen Identität ermöglichte. Wir müssen mit größter Aufmerksamkeit auf diese Stimme der Vergangenheit hören, um den Glauben und die Liebe zu Kirche und Vaterland über die Schwelle des Jahres 2000 zu tragen und sie den kommenden Generationen weiterzugeben. Hier wird uns sehr leicht bewusst, dass die Zeit des Menschen, die Zeit der Gemeinschaften und die der Nationen von der Gegenwart Gottes und von seinem Heilswirken durchdrungen ist. 2. Auf der Route meiner Wallfahrt durch Polen begleitet mich das Evangelium der acht Seligpreisungen, die Christus während der Bergpredigt aussprach. Hier in Sandomierz wendet Christus sich an uns: „Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen“ (Mt 5,8). Diese Worte führen uns in die Tiefen der Wahrheit des Evangeliums über den Menschen ein. Es finden Jesus die Menschen, die ihn suchen, so wie Maria und Josef ihn gesucht haben. Dieses Ereignis beleuchtet die große Spannung im Leben jedes Menschen, die mit der Suche nach Gott zu identifizieren ist. Ja, der Mensch sucht Gott wirklich; er sucht ihn mit seinem Verstand, mit seinem Herzen und mit seinem ganzen Wesen. Der hl. Augustinus sagt: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Gott“ (vgl. Confessiones, 11,4). Diese Unruhe ist schöpferischer Art. Der Mensch sucht Gott, denn in Ihm, und nur in Ihm, kann er seine Erfüllung finden, die Erfüllung seines Strebens nach Wahrheit, Gutem und Schönheit. „Du würdest mich nicht suchen,wenn du mich nicht gefunden hättest“ schreibt Blaise Pascal (vgl. Pensees, sec. VII, 555). Das bedeutet, dass Gott sich selbst an dieser Suche beteiligt; er möchte, dass der Mensch ihn sucht, und schafft in ihm die nötigen Bedingungen, damit dieser ihn finden kann. Im Übrigen kommt Gott ja dem Menschen näher, er erzählt ihm von sich, er ermöglicht ihm das Kennenlemen. Die Heilige Schrift ist eine große Lehre über dieses Thema des Gott-Suchens und Gott-Findens. Sie bietet uns zahlreiche und wundervolle Gestalten von Menschen, die Gott suchen und finden. Gleichzeitig lehrt sie, wie der Mensch sich Gott nähern sollte, welche Bedingungen er erfüllen sollte, um diesem Gott zu begegnen, um ihn kennen zu lernen und sich mit Ihm zu verbinden. Eine dieser Bedingungen ist die Reinheit des Herzens. Um was handelt es sich? Hier berühren wir die wahre Essenz des Menschen, der aufgrund der von Christus gewirkten Erlösungsgnade die Harmonie des Herzens, die er wegen der Sünde im Paradies verloren hatte, wiedergewinnen konnte. Ein reines Herz haben bedeutet, ein neuer Mensch zu sein, also dem Leben in Gemeinschaft mit Gott und mit der ganzen Schöpfung durch die erlösende Liebe Christi zurückgegeben und zur Gemeinschaft, also zu seiner ursprünglichen Bestimmung, zurückgeführt. 346 REISEN Reinheit ist in erster Linie ein Geschenk Gottes. Wenn Christus sich dem Menschen in den Sakramenten der Kirche hinschenkt, bezieht er Wohnung in seinem Herzen und erleuchtet ihn mit dem „Glanz der Wahrheit“. Nur die Wahrheit, die Jesus Christus ist, vermag Licht in den Verstand zu bringen, das Herz zu läutern und die menschliche Freiheit zu formen. Ohne Verständnis und Annahme geht der Glauben aus. Der Mensch verliert den Sinn der Dinge und Ereignisse aus seinem Blickfeld, und sein Herz sucht dort nach Befriedigung, wo es sie nicht finden kann. Deshalb ist Reinheit des Herzens zuallererst Reinheit des Glaubens. In der Tat bereitet die Reinheit des Herzens den Menschen darauf vor, in den Dimensionen der ewigen Glückseligkeit Gott von Angesicht zu Angesicht zu schauen. So geschieht es, weil die Menschen mit reinem Herzen schon während ihres Erdenlebens fähig sind, in der Schöpfung alles, was von Gott ist, zu erkennen. Sie sind gewissermaßen in der Lage, den göttlichen Wert, die göttliche Dimension und die göttliche Schönheit der gesamten Schöpfung zu enthüllen. Die Seligpreisung in der Bergpredigt zeigt uns in gewisser Weise den ganzen Reichtum und die ganze Schönheit der Schöpfung und fordert uns auf, in allen Dingen das, was von Gott kommt und zu ihm hinführt, zu entdecken. Das bedeutet, dass der fleischliche und sinnliche Mensch nachgeben und dem spirituellen, vergeistigten Menschen Platz machen muss. Das ist ein tiefer Prozess, der mit innerer Anstrengung verbunden ist. Mit der Unterstützung der Gnade Gottes kann er wunderbare Früchte bringen. Der Mensch hat also als Aufgabe die Reinheit des Herzens zu erhalten. Er muss ständig darum bemüht sein, sich den Kräften des Bösen zu widersetzen, sowohl denen, die von außen auf ihn eindringen, als auch denen, die in seinem Inneren wirken und versuchen, ihn von Gott abzubringen. So wird im Herzen des Menschen ein unentwegter Kampf für Wahrheit und Glück ausgetragen. Um aus diesem Kampf als Sieger hervorzugehen, muss der Mensch sich an Christus wenden. Er kann nur gewinnen, wenn er von seiner Kraft, von der Kraft seines Kreuzes und seiner Auferstehung, gestärkt wird. „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz“ (Ps 51,12), ruft der Psalmist: Er ist sich seiner Schwäche bewusst, denn er weiß, dass menschliche Anstrengung allein nicht ausreicht, um vor Gott gerecht zu sein. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Diese Botschaft über die Reinheit des Herzens wird heute ganz aktuell. Die Zivilisation des Todes will die Reinheit des Herzens zerstören. Eine ihrer Methoden ist, den Wert jener Einstellung des Menschen, die wir als Tugend der Keuschheit bezeichnen, absichtlich in Frage zu stellen. Diese Erscheinung ist dann ganz besonders gefährlich, wenn Gegenstand eines solchen Angriffs die sensiblen Gewissen der Kinder und Jugendlichen sind. Eine Zivilisation, die sich so verhält und auf diese Weise ein korrektes Verhältnis von Mensch zu Mensch verletzt oder sogar zunichte macht, ist eine Zivilisation des Todes, denn ohne die wahre Liebe kann der Mensch nicht leben. Ich richte diese Worte an euch alle, die ihr an der heutigen Eucharistiefeier teilnehmt, besonders aber richte ich sie an die zahlreich hier versammelten Jugendlichen, Wehrdienstleistenden und Pfadfinder. Verkündet der Welt die Frohe Bot- 347 REISEN schafit über die Reinheit des Herzens, und vermittelt die Botschaft der Zivilisation der Liebe mit dem Beispiel eures Lebens. Ich weiß, wie aufgeschlossen ihr für Wahrheit und Schönheit seid. Unter anderem schlägt euch die Zivilisation des Todes heutzutage die sogenannte „freie Liebe“ vor. Bei dieser Art Entstellung der Liebe kommt man zur Entweihung eines der wichtigsten und heiligsten Werte, denn Libertinage ist weder Liebe noch Freiheit. „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefallt, was gut und vollkommen ist“ (Röm 12,2), ermahnt uns der hl. Paulus. Habt keine Angst davor, entgegen der landläufigen Meinungen und der Vorschläge/Verhaltensweisen, die dem Gesetz Gottes zuwiderlaufen, zu leben. Der Mut des Glaubens hat einen hohen Preis, aber ihr dürft (doch) die Liebe nicht verlieren! Erlaubt es niemandem, euch zu Sklaven zu machen! Lasst euch nicht verführen von Illusionen des Glücks, für die ihr einen zu hohen Preis bezahlen müsstet, den Preis oft unheilbarer Wunden oder sogar eines zerrütteten Lebens! Ich möchte euch das wiederholen, was ich schon einmal den Jugendlichen gesagt habe: „Nur ein reines Herz kann Gott rückhaltlos lieben! Nur ein reines Herz kann das große Liebesuntemehmen der Ehe voll und ganz verwirklichen! Nur ein reines Herz kann den Mitmenschen umfassend dienen! ... Lasst nicht zu, dass eure Zukunft zerstört und euch der Reichtum der Liebe entrissen werde! Verteidigt eure Treue und die eurer zukünftigen Familien, die ihr in der Liebe Christi gründen werdet!“ (Ansprache an die Jugendlichen in Asuncion am 18. Mai 1998, Nr. 5). Ich wende mich auch an unsere polnischen Familien, an euch Väter und Mütter. Die Familie muss eine entschlossene Haltung zum Schutz der Schwellen ihres Hauses einnehmen, zum Schutz der Würde jeder Person. Bewahrt eure Familien vor Pornographie, die heute unter verschiedenen Formen in das Gewissen des Menschen - vor allem der Jugendlichen und Kinder - einbricht. Verteidigt die Reinheit der Bräuche in euren Haushalten und in der Gesellschaft. Die Erziehung zur Reinheit ist eine der Hauptaufgaben der Evangelisierung, die in dieser Zeit vor uns stehen. Je reiner die Familie sein wird, umso gesünder wird die Nation sein. Und wir wollen eine Nation bleiben, die ihres Namens und ihrer christlichen Berufung würdig ist. „Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen“ (Mt 5,8). 4. Heften wir unseren Blick auf die Unbefleckte Jungfrau von Nazaret, Mutter der Schönen Liebe, die die Menschen aller Zeiten auf ihrer „Pilgerreise des Glaubens“ zum Haus des Vaters begleitet. An sie erinnert uns nicht nur das heutige liturgische Gedenken, sondern auch die wundervolle Kathedrale, die diese Stadt beherrscht. Sie trägt ihren Namen: Das ist ein beredtes Zusammentreffen dieses Ortes und dieser Stunde. Sogar die Mutter Jesu, der das Mysterium der Gottessohnschaft Christi auf vollkommenste Weise offenbart wurde, musste das Geheimnis des Kreuzes lange lernen: „Kind, wie konntest du uns das antun?“ - berichtet uns das heutige Evangelium - „Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht.“ Da sagte er zu ihnen: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, 348 REISEN was meinem Vater gehört? Doch sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte“ (Lk 2,48—50). Jesus sprach nämlich zu ihnen von seinem messianischen Werk. Der Mensch erfährt die gekreuzigte Liebe „durch den Schmerz in seinem Herzen“ noch bevor er sie versteht. Wenn er aber, wie Maria, alles, was Christus sagt, „in seinem Herzen bewahrt“ (vgl. Lk 2,51), wenn er dem göttlichen Aufruf treu ist, dann wird er zu Füßen des Kreuzes auch das Wichtigste verstehen, nämlich dass nur die Liebe wahr ist, die mit Gott, der die Liebe ist, verbunden ist. Schutz des Lebens und der Umwelt — Gradmesser eines humanen Fortschritts Homilie beim Wortgottesdienst vor der Marienkirche in Zamosc am 12. Juni 1. „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Bei unserer Pilgerreise durch Polen treffen wir erneut auf Maria. Es ist ein besonderes Geschenk der göttlichen Gnade, dass wir gerade in Zamosc, wo seit Generationen Maria im Kathedralheiligtum als die Mutter vom göttlichen Schutz verehrt wird, sozusagen eine zweite Etappe des Festes des Unbefleckten Herzens Mariens einlegen. In der heutigen Liturgie begegnen wir dem Thema der Heimsuchung Mariens. Ihr Weg von Nazaret in das gebirgige Galiläa nach der Verkündigung ist bekannt, als sie sich dorthin begab, um ihre Verwandte Elisabet zu besuchen. Maria geht, um Elisabet in den Tagen der Vorbereitung auf die Mutterschaft zu helfen, sie wandert über die Straßen ihres Landes und trägt dabei das größte Geheimnis in sich. Wir lesen im Evangelium, dass die Offenbarung dieses Geheimnisses sich auf ungewöhnliche Weise ereignete. „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“ (Lk 1,42): mit diesen Worten grüßt Elisabet Maria. „Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“ (Lk 1,43). Elisabet erkennt nun den göttlichen Plan und das, was in diesem Augenblick ihr und Mariens Geheimnis ist. Sie weiß, dass ihr Sohn, Johannes der Täufer, dem Herrn den Weg bereiten muss. Er soll der Bote des Messias werden, dessen, den die Jungfrau von Nazaret empfangen hat durch den Heiligen Geist. Die Begegnung zwischen den beiden Müttern, Elisabet und Maria, geht den Ereignissen voraus, die sich erfüllen müssen, und sie bereitet diese Ereignisse im gewissen Sinn vor. Selig bist du, die du dem Wort Gottes geglaubt hast, das dir die Geburt des Erlösers der Welt verkündet, sagt Elisabet. Maria antwortet mit den Worten des Magnificat: ,JWeine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,46). Wahrhaftig die großen Werke und Geheimnisse Gottes geschehen im Verborgenen, im Haus des Zacharias. Die ganze Kirche wird sich immer wieder auf sie beziehen und gemeinsam mit Elisabet wiederholen: „Selig ist die, die geglaubt hat“; und gemeinsam mit Maria wird sie das Magnificat singen. 349 REISEN Das, was sich im Lande Judäa ereignet hat, enthält ein unaussprechliches Geheimnis. Seht, Gott ist in die Welt gekommen; er ist Mensch geworden, durch den Heiligen Geist wurde er im Schoß der Jungfrau von Nazaret empfangen, um in Betle-hem in einem Stall geboren zu werden. Bevor dies aber geschehen konnte, trug Maria Jesus in ihrem Schoß, wie jede Mutter ihr Kind im Schoß trägt. Sie trägt nicht nur seine menschliche Natur in sich, sondern das ganze Geheimnis, nämlich das Geheimnis des Gottessohnes und Erlösers der Welt. Deshalb ist auch der Besuch Marias im Haus der Elisabet im gewissen Sinn zwar ein gewöhnliches Ereignis, gleichzeitig ist es aber auch etwas Einzigartiges, Außerordentliches und Unwiederholbares. Denn zusammen mit Maria kommt das ewige Wort, der Sohn Gottes. Er kommt, um mitten unter uns zu sein. Damals vor der Geburt war seine Anwesenheit an Nazaret gebunden, dann an Judäa, wo Elisabet wohnte, und schließlich an das kleine Städtchen Betlehem, wo er zur Welt kommen sollte. Auch heute sind alle seine Besuche an immer andere Stätten der Erde gebunden, nämlich dort, wo wir seine Liturgie feiern. 2. Heute lesen wir hier in Zamosc das Evangelium vom Besuch Marias bei Elisabet. Das Geheimnis des Kommens Marias und ihres Sohnes wird im gewissen Sinne auch zu unserem Geheimnis, und es ist mir ein große Freude, dass ich mit euch zusammen hier in der Gemeinschaft der Diözese Zamosc-Lubaczöw dieses Geheimnis feiern darf. Diese Diözese ist noch sehr jung, doch existiert hier eine reiche kulturelle und religiöse Tradition, die bis in das 16. Jahrhundert zurückreicht. Von Anfang an gab es hier lebendige Kontakte zum Apostolischen Stuhl. Eine ganz besondere Frucht dieser Kontakte ist die berühmte Akademie von Zamosc - die dritte nach Krakau und Wilno — , eine akademische Einrichtung des polnischen Staates, die mit Unterstützung von Papst Klemens VIII. gegründet wurde. Die angegliederte Kirche von Zamosc, die ich die Ehre hatte, zur Kathedrale zu erheben, ist zwar eine schweigende Zeugin, doch ihr jahrhundertealtes Vermächtnis ist dafür um so aussagereicher. Birgt sie doch in sich nicht nur die prächtigen Monumente der Architektur und der religiösen Kunst, sondern auch die Asche derer, die diese großartige Tradition begründet haben, und es ist mir eine Freude, beim Besuch dieser schönen Stadt und Region Zamosc heute auch zu diesem jahrhundertealten Schatz unseres Glaubens und unserer Kultur zurückkehren zu dürfen. Ganz herzlich begrüße ich alle Gläubigen, die hier versammelt sind und alle, die sich im Geiste mit uns versammelt haben. Auch möchte ich die Hirten dieser Gemeinschaft, Bischof Jan sowie Weihbischof Mariusz und alle Priester und Ordensleute begrüßen. Ebenfalls ergeht mein Gruß an die Regierungsvertreter von Land und Regionen. Besonders möchte ich meine Dankbarkeit jenen gegenüber zum Ausdruck bringen, die meine Pilgerreise durch ihr Gebet und die Aufopferung ihrer Leiden begleiten, und ich bete zu Gott, dass sie an der Gnade dieses Besuches teilhaben. 350 REISEN 3. Die göttliche Vorsehung hat das Bild der Heimsuchung Mariens in diesen außergewöhnlichen und wunderschönen Rahmen dieser Stadt und dieser Region gestellt. Dies lässt mich an den biblischen Schöpfungsbericht denken, der seine Erklärung und Ergänzung im Geheimnis der Menschwerdung erfahrt. Als Gott die Welt erschuf, schaute er auf sein Werk und sah, dass das, was er gemacht hatte, gut war. Es hätte auch nicht anders sein können, denn die Harmonie der Schöpfung spiegelt die innere Vollkommenheit des Schöpfers wider. Zuletzt erschuf Gott den Menschen, er schuf ihn nach seinem Abbild und übertrug ihm alle Pracht der Erde, damit er, indem er sich ihrer erfreut und frei und unter Gebrauch der Vernunft alle ihre Güter benutzt, aktiv an der Vervollkommnung des göttlichen Werkes mitar-beite. In der Schrift heißt es: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sein-gut“ {Gen 1,31). Doch nach dem ersten Sündenfall des Menschen teilte die Erde als des Menschen besonderes Eigentum im gewissen Sinne auch des Menschen Los. Die Sünde zerriss nicht nur das Band der Liebe zwischen Mensch und Gott und zerstörte nicht nur die Einheit unter den Menschen, sondern sie erschütterte auch die Harmonie der gesamten Schöpfung. Der Schatten des Todes legte sich nicht nur über das Menschengeschlecht, sondern auch über all das, was nach Gottes Willen für den Menschen da sein sollte. Wenn wir aber von der Teilhabe der Welt an den Auswirkungen der Sünde des Menschen sprechen, dann sind wir uns bewusst, dass auch diese Welt nicht von der Teilhabe an der göttlichen Verheißung der Erlösung ausgeschlossen bleiben konnte. Die Zeit der Erfüllung dieser Verheißung war für den Menschen und die ganze Schöpfung gekommen, als Maria durch die Kraft des Heiligen Geistes die Mutter des Gottessohnes wurde. Er ist der Erstgeborene der Schöpfung (vgl. Kol 1,15). Schon immer war alles, was geschaffen wurde, in Ihm. Wenn er in die Welt kommt, kommt er in sein Eigentum, wie der hl. Johannes sagt (vgl. Joh 1,11). Er kommt, um die Schöpfung wieder zu umarmen, um sein Werk der Erlösung der Welt zu beginnen und um der Schöpfung ihre ursprüngliche Heiligkeit und Würde zurückzugeben. Er kommt, damit wir durch eben diese Ankunft jene besondere Würde der geschaffenen Natur sehen. Während ich durch die polnischen Lande reise - vom Baltikum über Wielko-polska, Masovien, Warmien und Masurien, im Osten von Bialystok bis nach Zamosc - und die Schönheit dieser meiner Heimat betrachte, wird mir jene besondere Dimension der Heilsmission des Gottessohnes bewusst. Der blaue Himmel, die grünen Wälder und die silberglänzenden Seen und Flüsse scheinen hier mit außergewöhnlicher Kraft zu sprechen. Hier erklingt in besonderer und vertraut polnischer Weise das Zwitschern der Vögel. All das ist ein Zeugnis der Liebe des Schöpfers, der lebensspendenden Macht seines Geistes und des Erlöserwerkes seines Sohnes für den Menschen und die Welt. Alle Geschöpfe sprechen von ihrer Heiligkeit und von ihrer Würde, die sie wiedererlangt haben, als er, der „vor aller Kreatur gezeugt wurde“, Fleisch angenommen hat aus Maria, der Jungfrau. Wenn ich heute von solcher Heiligkeit und Würde spreche, tue ich dies im Geiste der Dankbarkeit Gott gegenüber, der für uns solch große Werke vollbracht hat. 351 REISEN Aber gleichzeitig tue ich dies auch in Sorge um die Bewahrung des Guten und Schönen, das uns der Schöpfer beschert hat, denn all das, was das Auge erfreut und den Geist erhebt, ist in Gefahr zerstört zu werden. Ich weiß, dass die polnischen Bischöfe bereits vor etwa zehn Jahren diese Besorgnis zum Ausdruck gebracht haben, als sie sich in einem Hirtenbrief an alle Menschen guten Willens wandten, der den Umweltschutz zum Thema hatte. Mit Recht schrieben sie damals, dass , jegliche Tätigkeit des Menschen als eines verantwortungsbewußten Wesens auch eine moralische Dimension hat. Die Zerstörung der Umwelt greift das Gut der Schöpfung an, das Gott, der Schöpfer, dem Menschen als für dessen Leben und dessen Entwicklung unerläßlich gegeben hat. Es ist eine Pflicht, im Geist der Dankbarkeit und Achtung guten Gebrauch von diesem Geschenk zu machen. Andererseits schafft das Bewußtsein, daß dieses Geschenk für alle Menschen bestimmt ist und ein allgemeines Gut darstellt, das nötige Pflichtbewußtsein den anderen gegenüber. Daher muß man anerkennen, daß jegliches Handeln, das das Recht Gottes auf sein Werk sowie das Recht des Menschen, Objekt der Großzügigkeit seitens des Schöpfers, nicht in Betracht zieht, im Gegensatz zum Liebesge-bot steht... Man muß sich also vergegenwärtigen, daß es eine schwere Sünde gegen die natürliche Umwelt gibt, die auf unserem Gewissen lastet und die dem Schöpfergott gegenüber zur ernsten Verantwortung wird“ (2.5.1989). Wenn wir von der Verantwortung Gott gegenüber sprechen, sind wir uns bewusst, dass es sich hier nicht nur um das handelt, was in der heutigen Ausdrucksweise gewöhnlich mit Ökologie bezeichnet wird. Es reicht nicht, einfach nur nach der Ursache für die Zerstörung der Welt in einer exzessiven Industrialisierung, in einem unkritischen Gebrauch der wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften in Industrie und Landwirtschaft oder in einer rastlosen Suche nach den Schätzen der Umwelt ohne Berücksichtigung der Auswirkungen solcher Aktionen für die Zukunft zu suchen. Obschon man nicht leugnen kam, dass solche Aktionen großen Schaden verursachen, so lässt sich doch leicht erkennen, dass ihre Quelle tiefer liegt, nämlich in der Einstellung des Menschen. Offensichtlich ist es der Mangel an Achtung gegenüber den Naturgesetzen und der verlorengegangene Sinn für die Werte des Lebens, was für die Schöpfung und den Menschen am gefährlichsten ist. Das von Gott der Natur eingeschriebene Gesetz, das man mittels der Vernunft erkennen kann, führt zur Achtung vor dem Plan des Schöpfers, eines Planes, der auf das Wohl des Menschen angelegt ist. Dieses Gesetz bewirkt eine gewisse innere Ordnung, die der Mensch vorfindet und bewahren sollte. Alles Handeln, das dieser Ordnung zuwider läuft, fallt auch unvermeidlich auf den Menschen zurück. Das geschieht, wem der Sim für den Wert des Lebens als solches und des menschlichen Lebens insbesondere verlorengeht. Wie kam man die Natur wirksam verteidigen, wem Initiativen gerechtfertigt werden, die das Herz der Schöpfung selbst, nämlich die Existenz des Menschen, treffen? Ist es möglich, sich der Zerstörung der Welt zu widersetzen, wem im Namen des Wohlstands und der Bequemlichkeit die Tötung der Ungeborenen und das Sterben älterer und kranker 352 REISEN Menschen unter Beihilfe zugelassen wird und wenn im Namen des Fortschritts unzulässige Eingriffe und Manipulationen schon zu Beginn des menschlichen Lebens begangen werden? Wenn das Wohl der Wissenschaft oder wirtschaftliche Interessen mehr wert sind als das Wohl der Person oder sogar als das Wohl ganzer Gesellschaften, dann sind die mutwilligen Zerstörungen in der Umwelt ein Zeichen wirklicher Verachtung des Menschen. Alle, denen das Wohl des Menschen in dieser Welt am Herzen liegt, sollten für folgenden Grundsatz ein konstantes Zeugnis ablegen: „Die Achtung vor dem Leben und, an erster Stelle, vor der Würde der menschlichen Person, ist die fundamentale inspirierende Norm eines gesunden wirtschaftlichen, industriellen und wissenschaftlichen Fortschritts“ (Botschaft zum XXIII. Weltfriedenstag, 1.1.1990, Nr. 7). 4. „Alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand. ... Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen, alles im Himmel und auf Erden [wollte er zu Christus führen,] der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“ (vgl. Kol 1,16— 17;19—20). Diese Worte des hl. Paulus scheinen den christlichen Weg der Verteidigung jenes Gutes vorzuzeichnen, welche die gesamte geschaffene Welt ist. Es ist der Weg der Versöhnung in Christus. Durch sein Kreuz, durch sein Blut und durch seine Auferstehung hat er der Schöpfung ihre ursprüngliche Ordnung wiedergegeben. Von da an war die ganze Welt - und in ihrem Mittelpunkt der Mensch - der Knechtschaft des Todes und der Verderbnis entrissen (vgl. Röm 8,21), in einem gewissen Sinn neu geschaffen (vgl. Offb 21,5), existierte sie nicht mehr für den Tod, sondern für das Leben, für das neue Leben in Christus. Aufgrund der Vereinigung mit Christus entdeckt der Mensch seinen eigenen Platz innerhalb der Welt. In Christus erfahrt er von neuem die ursprüngliche Harmonie, die zwischen dem Schöpfer, der Schöpfung und dem Menschen bestand, bevor er den Auswirkungen der Sünde unterworfen wurde. In ihm versteht er wieder die ursprüngliche Aufforderung, sich die Erde untertan zu machen als eine Weiterführung des göttlichen Schöpfungswerkes, und nicht als unkontrollierte Ausbeute. Beim Anblick der Schönheit dieser Erde ist es mir ein Anliegen, um deren Bewahrung auch für die kommenden Generationen zu bitten. Wenn ihr eure Heimat liebt, dann darf diese Bitte nicht ohne Konsequenzen bleiben! Daher wende ich mich ganz besonders an alle, denen die Verantwortung für dieses Land und seine Entwicklung übertragen wurde, und ich mfe sie auf, ihre Pflicht, das Land gegen die Zerstörung der Umwelt zu schützen, nicht zu vergessen! Sie mögen Programme zum Schutz der Umwelt erstellen und darüber wachen, dass diese auch wirksam in die Tat umgesetzt werden! Vor allem aber sollen sie eine Haltung der Achtung vor dem Allgemeingut und vor den Natur- und Lebensgesetzen schaffen, und sie sollten dabei von den Organisationen unterstützt werden, die sich die Verteidigung der Naturgüter zum Ziel gesetzt haben! In Familie und Schule darf nicht versäumt werden, die Kinder zur Achtung vor dem Leben, vor dem Guten und vor dem Schönen zu erziehen. Alle Menschen guten Willens sollten bei diesem großen Werk Zusammenarbeiten. Jeder Jünger Christi soll seinen eigenen Lebensstil über- 353 REISEN prüfen, damit das rechte Bestreben nach Wohlstand nicht die Stimme des Gewissens benebelt, welches abwägt, was richtig und was wirklich gut ist. 5. Wenn ich von der Achtung für die Erde spreche, darf ich jene auch nicht vergessen, die stärker an sie gebunden sind und ihren Wert und ihre Würde kennen. Dabei denke ich an die Bauern, die nicht nur hier in Zamosc, sondern in ganz Polen die harten Mühen der Feldarbeit auf sich nehmen und die unerlässlichen Lebensprodukte für die Bewohner von Stadt und Land anbauen. Keiner kann mehr als jene, welche die Erde bebauen, bezeugen, dass sie, wenn sie unfruchtbar ist, nichts hervorbringt, und dass sie, wenn sie liebevoll gepflegt wird, eine großzügige Ernährerin ist. In Dankbarkeit und Achtung neige ich das Haupt vor denen, die jahrhundertelang mit ihrer Hände Schweiß diese Erde fruchtbar gemacht und sie, wenn es notwendig war, bis zum Blutvergießen verteidigt haben. Mit derselben Anerkennung und Achtung wende ich mich auch an jene, die heute noch diese harte Arbeit der Landbebauung auf sich nehmen. Möge Gott das Werk eurer Hände segnen! Es ist mir bewusst, dass einem in einer Zeit sozialer und wirtschaftlicher Umwälzungen Probleme, die häufig auch das polnische Land heimsuchen, nicht erspart bleiben. Beim Reformprozess müssen daher die Probleme der Bauern als solche anerkannt und im Geiste der sozialen Gerechtigkeit einer Lösung zugeführt werden. Davon spreche ich gerade hier in Zamosc, wo diese Frage seit Jahrhunderten erörtert wird. Es genügt, an die Werke von Szymon Szymonowic oder an die Aktivität der vor zweihundert Jahren in Hrubieszöw gegründeten Landwirtschaftsgesellschaft zu erinnern. Auch hat Kardinal Wyszynski als hiesiger Ortsbischof und Primas von Polen oftmals an die Bedeutung der Landwirtschaft für die Nation und für den Staat und an die Notwendigkeit der Solidarität mit der Landbevölkerung seitens aller gesellschaftlichen Bereiche erinnert. Heute komme ich nicht umhin, mich in diese Tradition einzureihen. Dies tue ich, indem ich die Worte des Propheten wiederhole, die voller Hoffnung sind: „Denn wie die Erde die Saat wachsen läßt und der Garten die Pflanzen hervorbringt, so bringt Gott, der Herr, Gerechtigkeit hervor und Ruhm vor allen Völkern“ (Jes 61,11). 6. Wenden wir unseren Blick Maria zu und rufen wir sie mit den Worten Elisabets an: „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Selig bist du, Maria, Mutter des Erlösers. Dir vertrauen wir heute das Los von Zamosc und der ganzen polnischen Erde sowie all jener an, die darauf leben und arbeiten, um so die Aufforderung des Herrn zu verwirklichen, sich die Erde untertan zu machen. Führe uns mit deinem Glauben in dieser neuen Zeitepoche, die sich vor uns auftut. Sei mit uns, zusammen mit deinem Sohn, Jesus Christus, der für uns der Weg, die Wahrheit und das Leben sein will. 354 REISEN Liebe und Treue zu Gott in jeder Prüfung Predigt bei der Eucharistiefeier zur Seligsprechung von Regina Protmann und Edmund von Bojanowski sowie 108 Märtyrern des Zweiten Weltkriegs auf dem Pilsudski-Platz in Warschau am 13. Juni „Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden“ {Mt 5,7). Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit den Worten dieser Seligpreisung Christi mache ich auf meinem Pilgerweg Halt bei euch, gläubiges Volk von Warschau. Herzlich grüße ich alle, die hier versammelt sind: die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Laiengläubigen. Mein brüderlicher Gruß gilt den Bischöfen, besonders dem Kardinalprimas und seinen Mitarbeitern, den Weihbischöfen der Erzdiözese Warschau. Ich grüße den Herrn Präsidenten der Republik, den Herrn Ministerpräsidenten, die Frau Präsidentin des Senats und den Herrn Präsidenten des Sejm, die Vertreter der staatlichen und lokalen Behörden sowie die geladenen Gäste. Der göttlichen Vorsehung danke ich, dass es mir erneut gegeben ist, mich hier aufzuhalten, wo wir vor zwanzig Jahren bei der denkwürdigen Pfingstvigil in besonderer Weise das Geheimnis des Abendmahlssaals erlebt haben. Gemeinsam mit dem Primas des Millenniums [der Taufe Polens], Stefan Kardinal Wyszynski, mit den Bischöfen und dem in großer Zahl anwesenden Volk Gottes der Hauptstadt haben wir inständig um das Geschenk des Heiligen Geistes gebetet. In jenen schwierigen Zeiten riefen wir seine Kraft an, die sich in die Herzen der Menschen ergießen und Hoffnung in ihnen wecken kann. Es war ein Schrei, der dem Glauben entsprang, dass Gott wirkt und mit der Kraft des Heiligen Geistes alles erneuert und heiligt. Es war eine flehentliche Bitte um Emeuemng des Angesichts der Erde, der Erde hier an diesem Ort. Möge Dein Geist herabkommen und das Angesicht der Erde, dieser Erde, erneuern! Wie sollten wir nicht heute dem dreieinigen Gott danken für alles, was uns im Zeitraum dieser letzten zwanzig Jahre wie seine Antwort auf jenen Schrei erscheint! Ist nicht Antwort Gottes alles, was in dieser Zeit in Europa und der Welt geschehen ist, angefangen bei unserer Heimat? Vor unseren Augen ist es zur Änderung der politischen, der Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme gekommen, wodurch die Einzelpersonen und die Nationen den Glanz ihrer Würde neu gesehen haben. Die Wahrheit und die Gerechtigkeit gewinnen ihren Wert zurück und werden zur dringlichen Herausforderung für alle, die das Geschenk der Freiheit zu schätzen wissen. Dafür danken wir Gott, wenn wir mit Zuversicht in die Zukunft blicken. Vor allem erweisen wir ihm Ehre für das, was diese zwanzig Jahre im Leben der Kirche gebracht haben. Im Danksagen vereinen wir uns daher mit den Kirchen westlicher und östlicher Tradition unter den uns nahen Völkern, den aus den Katakomben hervorgekommenen Kirchen, die öffentlich ihre Sendung erfüllen. Ihre Lebendigkeit ist ein großartiges Zeugnis der Macht der Gnade Christi. Sie bewirkt, 355 REISEN dass schwache Menschen zu einem Heroismus befähigt werden, der nicht selten bis zum Martyrium reicht. Ist das nicht Frucht des Wirkens des Geistes Gottes? Haben wir nicht durch dieses Wehen des Geistes in der jüngsten Geschichte heute die unwiederholbare Gelegenheit, die Universalität der Kirche und unsere Verantwortung für das Zeugnis Christi und die Verkündigung seines Evangeliums „bis an die äußersten Grenzen der Erde“ zu erfahren? Im Licht des Heiligen Geistes deutet die Kirche in Polen die Zeichen der Zeit neu und übernimmt ihre Aufgaben, frei von äußeren Einschränkungen und Druck, wie sie diese noch bis vor kurzem erfuhr. Wie sollte man Gott heute nicht danken, dass die Kirche im Geist der Liebe und der gegenseitigen Achtung einen kreativen Dialog mit der Welt der Kultur und der Wissenschaft führen kann. Wie sollte man nicht Dank sagen für die Tatsache, dass die Gläubigen ohne Behinderungen die Sakramente empfangen und das Wort Gottes hören können, um dann öffentlich ihren Glauben zu bezeugen. Wie sollte man Gott nicht Ehre erweisen für die große Zahl von Kirchen, die in letzter Zeit in unserem Land gebaut wurden! Wie sollte man nicht Dank sagen, dass die Kinder und Jugendlichen Christus in der Schule in Frieden kennen lernen können, wo die Präsenz des Priesters, der Ordensschwester oder des Katecheten als eine wertvolle Hilfe bei der Erziehung der jungen Generation gesehen wird! Wie sollte man Gott nicht lobpreisen, weil er mit seinem Geist die Gemeinden und die kirchlichen Vereine und Bewegungen belebt und bewirkt, dass die Aufgabe der Evangelisierung von immer breiteren Kreisen von Laien übernommen wird! Als ich bei meiner ersten Pilgerreise in die Heimat an diesem Ort weilte, kam mir beharrlich das Gebet des Psalmisten in den Sinn: „Denk an mich, Herr, aus Liebe zu deinem Volk, such mich auf und bring mir Hilfe. Laß mich das Glück deiner Erwählten schauen, an der Freude deines Volkes mich freuen, damit ich gemeinsam mit deinem Erbe mich rühmen kann“ (Ps 106,4—5). Wenn wir heute den Blick auf diese letzten zwanzig Jahre unseres Jahrhunderts richten, kommt mir die Aufforderung desselben Psalmes in den Sinn: „Danket dem Herrn; denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig. Wer kann die großen Taten des Herrn erzählen, all seinen Ruhm verkünden? Gepriesen sei der Herr ... vom Anfang bis ans Ende der Zeiten“ ([Ps 106,1-2.48). 2. „Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden“ (Mt 5,7). Die Liturgie des heutigen Sonntags verleiht unserem Danksagen einen besonderen Charakter. Sie erlaubt es nämlich, alles, was in der Geschichte dieser Generation geschieht, in der Perspektive des ewigen Erbarmens Gottes zu sehen, welches sich in vollkommenster Weise im Heilswirken Christi offenbart hat. Jesus wurde „wegen unserer Verfehlungen ... hingegeben, wegen unserer Gerechtmachung wurde er auferweckt“ (Röm 4,25). Das Pascha-Mysterium des Todes und der Auferstehung des Gottessohnes hat der Menschheitsgeschichte einen neuen Verlauf gegeben. Wenn wir in ihr die schmerzlichen Zeichen der Tätigkeit des Bösen beobachten, haben wir die Gewissheit, dass es das Schicksal der Welt und des Menschen letztlich nicht beherrschen kann, es kann nicht siegen. Diese Gewissheit entspringt dem 356 REISEN Glauben an das Erbarmen des Vaters, der „die Welt so sehr geliebt [hat], daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat (Joh 3,16). Während der hl. Paulus uns den Glauben Abrahams vorhält, der „nicht im Unglauben an der Verheißung Gottes [zweifelte], sondern [stark wurde] im Glauben“ (Röm 4,20), ist es uns daher heute gegeben, die Quelle dieser Kraft zu entdecken, aufgrund derer selbst die härtesten Prüfungen nicht in der Lage waren, uns von der Liebe Gottes abzuwenden. Durch den Glauben an die göttliche Barmherzigkeit hat die Hoffnung in uns überdauert. Sie betraf nicht nur die gesellschaftliche Erneuerung und die Wiedererstattung der Menschenwürde in den Dimensionen dieser Welt Unsere Hoffnung geht sehr viel tiefer: Sie ist in der Tat auf die göttlichen Verheißungen gerichtet, welche die Zeitlichkeit bei weitem übersteigen. Ihr endgültiges Ziel ist die Teilhabe an den Früchten des Heilswerkes Christi. Sie kann uns als Gerechtigkeit angerechnet werden, wenn „wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, von den Toten auferweckt hat“ (Röm 4,24). Einzig die Hoffnung, die dem Glauben an die Auferstehung entspringt, kann uns dazu veranlassen, im täglichen Leben eine würdige Antwort auf die grenzenlose Liebe Gottes zu geben. Nur mit einer solchen Hoffnung können wir zu denen gehen, welche „die Kranken“ (Mt 9,12) sind, und Apostel der heilenden Liebe Gottes sein. Wenn ich vor zwanzig Jahren sagte, dass „Polen in unserer Zeit das Land eines besonders verantwortungsvollen Zeugnisses wurde“ (Predigt auf dem Siegesplatz in Warschau, 2.6.1979; O.R. dt, 1979, Nr. 23, S. 1), so ist dem heute hinzuzufugen, dass es ein Zeugnis tatkräftiger Barmherzigkeit, begründet auf dem Glauben an die Auferstehung sein muss. Allein ein Zeugnis dieser Art ist Zeichen der Hoffnung für den Menschen von heute, zumal für die junge Generation; und wenn es für Einige auch ein „Zeichen des Widerspruchs“ ist, so möge dieser Widerspruch uns niemals von der Treue zum gekreuzigten und auferstandenen Christus abbringen. 3. „Omnipotens aeteme Deus, qui per glorificationem Sanctorum novissima dilec-tionis tuae nobis argumenta largiris, concede propitius, ut, ad Unigenitum tuum fideliter imitandum, et ipsorum intercessione commendemur, et incitemur exemplo“, so betet die Kirche, wenn sie bei der Eucharistiefeier heiliger Männer und heiliger Frauen gedenkt: Allmächtiger, ewiger Gott, du offenbarst deine Herrlichkeit in den Heiligen und gibst uns in ihnen immer neue Zeichen deiner Liebe. Gib, dass ihr Beispiel und ihre Fürsprache uns helfen, deinem Sohn in Treue nachzufolgen“ (Commune-Texte für heilige Männer und heilige Frauen, Tagesgebet). Das ist heute auch unsere Bitte, da wir bewundernd auf das Zeugnis blicken, das wir von den soeben zur Ehre der Altäre erhobenen Seligen empfangen. Lebendiger Glaube, unerschütterliche Hoffnung und großherzige Liebe wurden ihnen als Gerechtigkeit angerechnet, weil sie tief im Pascha-Mysterium Christi verwurzelt waren. Zu Recht bitten wir also dämm, Christus nach ihrem Beispiel in Treue nachzufolgen. Die sei. Regina Protmann, Gründerin der Kongregation der Schwestern von der hl. Jungfrau und Märtyrin Katharina, die aus Braunsberg [Braniewo] stammte, 357 REISEN widmete sich mit ganzem Herzen dem Werk der Erneuerung der Kirche an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert. Ihr Wirken, das der Liebe zu Christus über alles andere entsprang, geschah nach dem Konzil von Trient. Sie beteiligte sich aktiv an der nachkonziliaren Reform der Kirche, indem sie mit großer Selbstlosigkeit ein demütiges Werk der Barmherzigkeit vollbrachte. Sie gründete eine Kongregation, die die Kontemplation der Geheimnisse Gottes mit der Sorge für Kranke in deren Häusern sowie mit der Erziehung der Kinder und der weiblichen Jugend verband. Besonderes Augenmerk widmete sie der Pastoral der Frauen. Selbstvergessen erfasste die sei. Regina mit Weitblick die Nöte des Volkes und der Kirche. Die Worte „wie Gott will“ wurden zum Motto ihres Lebens. Brennende Liebe trieb sie dazu, den Willen des himmlischen Vaters nach dem Beispiel des Gottessohnes zu erfüllen. Sie fürchtete nicht, das Kreuz des täglichen Dienstes auf sich zu nehmen, und gab damit Zeugnis für den auferstandenen Christus. Das Apostolat der Barmherzigkeit erfüllte auch das Leben des sei. Edmund von Bojanowski. Dieser Gutsbesitzer aus Großpolen, von Gott mit zahlreichen Talenten und einer besonderen Tiefe geistlichen Lebens ausgestattet, vollbrachte und forderte trotz seiner anfälligen Gesundheit ein umfassendes Werk zugunsten der Landbevölkerung mit Ausdauer, Umsicht und Weite des Herzens. Geleitet von einem Unterscheidungsvermögen voller Feingefühl für die Nöte, gab er Anstoß zu zahlreichen Werken im Bereich von Erziehung, Caritas, Kultur und Religion zur materiellen und moralischen Unterstützung der Landfamilie. Als Laie gründete er die in Polen wohlbekannte Kongregation der Mägde Mariens von der Unbefleckten Empfängnis. Leitprinzip bei jeder seiner Initiativen war der Wunsch, dass alle der Erlösung teilhaftig werden sollten. In die Erinnerung der Menschen ging er als „ein herzensguter Mensch“ ein, der es aus Liebe zu Gott und den Menschen verstand, die verschiedenen Bereiche wirksam zum Guten zu verbinden. In seiner reichhaltigen Tätigkeit ging er dem, was das II. Vatikanische Konzil zum Thema des Laienapostolats gesagt hat, um vieles voraus. Er gab ein herausragendes Beispiel hochherziger und umsichtiger Arbeit für den Menschen, das Vaterland und die Kirche. Das Werk des sei. Edmund von Bojanowski wird von den Schwestern Mägde Mariens weitergeführt, die ich von ganzem Herzen grüße und denen ich für den stillen und von Opfergeist zum Wohl des Menschen und der Kirche erfüllten Dienst danke. 4. „Muntre digneris me, Domine Jesu Christe ..., signo sanctissimae Crucis tuae: ac concedere digneris mihi ... ut, sicut hanc Crucem, Sanctorum tuorum reliquiis refertam, ante pectus meum teneo, sic semper mente retineam et memoriam passi-onis, et sanctorum victorias Martyrum“ [Stärke mich, Herr, durch das Zeichen deines hochheiligen Kreuzes: gewähre mir auch, dass ich, wie ich dieses Kreuz, das Reliquien deiner Heiligen birgt, auf meiner Brust trage, so immer auch das Gedenken des Leidens und die Siege deiner Blutzeugen im Geist vor mir habe.] Dieses Gebet spricht der Bischof beim Anlegen des Brustkreuzes. Heute mache ich diese Bitte zum Gebet der ganzen Kirche in Polen, die, seit tausend Jahren das Zeichen des Leidens Christi tragend, immer wieder neues Leben aus dem Samen des Blutes 358 REISEN der Märtyrer empfangt und vom Gedenken des Sieges lebt, den sie über diese Welt davongetragen haben. Gerade heute feiern wir den Sieg derer, die in unserem Jahrhundert für Christus das Leben, das irdische Leben, gegeben haben, um es in Ewigkeit in seiner Herrlichkeit zu besitzen. Es ist ein besonderer Sieg, denn er wird geteilt von Vertretern des Klerus und der Laien, jungen und alten Leuten, Menschen unterschiedlicher Schichten und Stände. Unter ihnen ist Erzbischof Antoni Julian Nowowiejski, Hirt der Diözese Plock, zu Tode gefoltert in Dzialdowo; da ist Bischof Wladyslaw Goral von Lublin, gefoltert mit besonderem Hass, nur weil er katholischer Bischof war. Da sind Diözesan- und Ordenspriester, die starben, weil sie ihren Dienst nicht aufgeben wollten, und die, welche im Dienst an ihren typhuskranken Mitgefangenen starben; da sind wegen Verteidigung von Juden zu Tode Gefolterte. In der Gruppe der Seligen gibt es Ordensbrüder und Schwestern, die im Dienst der Liebe und dem Aufopfem ihrer Qualen für den Nächsten ausgeharrt haben. Unter diesen seligen Märtyrern sind auch Laien. Da sind fünf Jugendliche, die im Oratorium der Salesianer ausgebildet wurden; da ist ein eifriger Aktivist der Katholischen Aktion; da sind ein Laienkatechet, der seines Dienstes wegen zu Tode gefoltert wurde, und eine heroische Frau, die freiwillig ihr Leben hingab im Tausch für das ihrer Schwiegertochter, die ein Kind erwartete. Diese seligen Märtyrer werden heute in die Geschichte der Heiligkeit des Volkes Gottes geschrieben, das seit mehr als tausend Jahren auf polnischer Erde pilgert. Wenn wir uns heute über die Seligsprechung der 108 Märtyrer, Kleriker und Laien, freuen, tun wir es vor allem, weit sie das Zeugnis des Sieges Christi sind, die Gabe, welche die Hoffnung wiederherstellt. Während wir diesen feierlichen Akt vollziehen, wird in uns gewissermaßen die Sicherheit neu bestärkt, dass wir unabhängig von den Umständen in allem den vollen Sieg davontragen können durch den, der uns geliebt hat (vgl. Röm 8,37). Die seligen Märtyrer rufen unseren Herzen zu: Glaubt, dass Gott die Liebe ist! Glaubt es in Gutem und Bösem! Erweckt in euch die Hoffnung! Sie bringe in euch die Frucht der Treue zu Gott in jeder Prüfung hervor! 5. Freue dich, Polen, über die neuen Seligen: Regina Protmann, Edmund von Bojanowski und die 108 Märtyrer. Gott hat es gefallen, „den überfließenden Reichtum seiner Gnade durch die Güte“ deiner Söhne und Töchter in Christus Jesus zu zeigen (vgl. Eph 2,7). Hier haben wir den „Reichtum seiner Gnade“, hier haben wir die Grundlage unserer unerschütterlichen Hoffnung auf die heilsmächtige Gegenwart Gottes auf den Wegen des Menschen im dritten Jahrtausend! Ihm sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen! 359 REISEN Vorbilder der Hingabe an den Dienst für Christus und die Kirche Angelus in Warschau am 13. Juni „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,46). Zusammen mit Maria, der Mutter Jesu, loben wir Gott und jubeln über ihn, „denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut“ (Lk 1,48) und sie erwählt, mitzuarbeiten am Werk unseres Heils. Durch sie hat Gott, der Vater, Großes getan im Heiligen Geist durch seinen Sohn Jesus Christus. Ihr großmütiges „fiat“ [es geschehe] hat in gewissem Sinn einen neuen Weg der Geschichte geöffnet, auf dem seit zweitausend Jahren der menschgewordene Gott treu zusammen mit dem Menschen geht. Maria, die Mutter Christi und Mutter der Kirche, weist ohne Unterlass auf diese Gegenwart Christi hin und hilft, sie immer wieder neu anzunehmen, im Herzen zu bedenken und sich ihrer zu freuen. Zusammen mit Maria sagen wir Gott Dank für die aus unserer Generation gewachsenen Zeugen seiner Gegenwart. Wir loben ihn, die wir glauben, dass aus ihm die Kraft kommt, die es schwachen Menschen möglich macht, trotz Prüfungen und harter Erfahrungen auszuharren in der Liebe. Möge das Beispiel der heute zur Ehre der Altäre erhobenen Märtyrer unser religiöses Leben, unsere Hoffnung und unser Vertrauen stärken; möge es denen zur Hilfe gereichen, die aufgrund des schwierigen Alltagslebens der Versuchung des Zweifels und der Entmutigung ausgesetzt sind. Mögen wir niemals aufhören, aus Christus, dem Sohn Marias, jene Kraft zu schöpfen, die das Menschenherz mit dem Mut des Glaubens, des Vertrauens auf die göttliche Vorsehung und der Liebe erfüllt, die stärker als der Tod ist! Wir loben Gott auch für den Glauben, die Hoffnung und die Liebe der beiden Bekenner, denen heute die Ehre der Altäre zuteil wurde: Regina Protmann und Edmund von Bojanowski. Ihre vollkommene Hingabe an den Dienst Christi, der Kirche und des Menschen, besonders des materieller und geistlicher Hilfe bedürftigen Menschen, wurde zum Weg des Zeugnisses von der Liebe des Vaters im Himmel, wurde für sie zum Weg der Heiligkeit Möge ihr Zeugnis das Empfinden für die Bedürfnisse anderer bei den Jüngern Christi von heute wieder stärken; möge es sie anregen zu selbstlosem Dienst im Geist der Liebe zu Gott und dem Nächsten. Möge es zum Wegweiser für alle werden, die sich nach Heiligkeit sehnen. Mutter des menschgewordenen Wortes, Mutter der Gnade, beschütze Warschau, seine Einwohner und unser ganzes Vaterland! Hüte die Gegenwart deines Sohnes in den Herzen aller Getauften, dass sie stets ihrer Würde als vom Blut Christi erlöster Menschen eingedenk seien, die gerufen sind, ihr Vertrauen auf Gott zu setzen und dem Menschen liebevoll zu dienen. Erbitte für dein Volk die Beharrlichkeit, deren es bedarf, um den Willen des himmlischen Vaters erfüllen und das verheißene Heil erlangen zu können. 360 REISEN Beständig möge sich unter deinem Schutz der in so reicher Weise über die polnische Erde ausgestreute Same der Heiligkeit, belebt durch die Gnade des Heiligen Geistes, entwickeln und reichliche Frucht in den kommenden Generationen bringen. Anerkennung für „Caritas intemationalis“ In diesen Tagen findet die Generalversammlung von „Caritas intemationalis“ statt. Diese wohlverdiente Institution leistet schon seit fünfzig Jahren den Bedürftigen der ganzen Welt Hilfe. Aus diesem Anlass habe ich eine besondere Botschaft an die Teilnehmer der Generalversammlung gesandt. An alle, die die Werke der Caritas mit ihrem Opfer und mit ihrer Arbeit unterstützen, will ich heute Worte der Anerkennung und des Segens richten. Luftfahrt-Seelsorge ist Ausdruck des Verantwortungsbewusstseins der Kirche Ansprache bei der Begegnung mit den Mitarbeitern der Fluggesellschaft LOT auf dem Flughafen Warschau Okecie am 13. Juni Gelobt sei Jesus Christus! Mit diesem christlichen Gruß möchte ich alle, die hier versammelt sind, willkommen heißen. Dem Kardinalprimas danke ich für sein Kommen und für die seelsorgliche Tätigkeit, die auf dem Flughafen verrichtet wird, der zum Territorium der Diözese Warschau gehört, und ich danke auch für das Begrüßungswort. Ich begrüße den Verkehrsminister und alle, die mich im Namen der Anwesenden begrüßt haben und ich danke ihnen für die Willkommensworte. Es ist mir eine Freude, während meiner Pilgerreise durch Polen mit den Angestellten der zivilen Luftfahrt Zusammenkommen zu dürfen. Diese Begegnung ist von außerordentlichem Charakter, denn ich habe nicht oft die Möglichkeit, mit Menschen einer bestimmten Berufsgruppe zusammenzukommen. Deshalb bietet die Feier des siebzigjährigen Bestehens der LOT [Polnische Luftfahrtgesellschaft] eine gute Gelegenheit zur Begegnung mit jenen Menschen, die auf verschiedenste Weise im Dienst der Flugreisenden stehen. Dieser Besuch ist im Übrigen auch von dem Wunsch eingegeben, wenigstens teilweise die Dankesschuld abzutragen, die ich mir bei der LOT und den anderen Luftfahrtgesellschaften in aller Welt als pil-gender Papst ständig zuziehe. Ich danke euch sehr für diese besondere Hilfeleistung bei meinem Dienst für die Kirche. In diesem Sinne grüße ich auch die Piloten und das Flugpersonal, deren Professionalität und Hingabe ich aufrichtige Hochachtung entgegenbringe. Ihr überquert die Kontinente und legt dabei Zeugnis von all dem ab, was unser Land, unsere Kultur und unsere Spiritualität an Gutem vorzuweisen haben. Dafür danke ich euch und bitte euch, weiterhin für einen guten Namen Polens in der Welt einzutreten. Von oben erscheint die Schönheit der Schöpfung, die Kleinheit, aber gleichzeitig auch 361 REISEN die Größe des Menschen und all das, was die unendliche Macht und Weisheit des Schöpfers zum Ausdruck bringt, in außerordentlicher Klarheit. Möge euch diese tägliche Erfahrung eine Quelle der Stärkung und der Erneuerung des Glaubens sein und immerzu euer Vertrauen auf die Liebe Gottes beleben! Diese Worte sind an die Piloten gerichtet. Gruß- und Dankesworte gelten auch dem Bodenpersonal, denn die Piloten starten am Boden und kehren auf den Boden zurück. Eure Arbeit hilft dem Menschen, der vor der Notwendigkeit steht, sich vom Erdboden zu erheben, und zwar nicht nur im physischen Sinn. Dabei macht man öfter die Erfahrung, dass man die Sicherheit verliert und sich innerlich etwas verloren fühlt. Deshalb ist euer Dienst im Zeichen der Güte so wichtig: ein freundliches Lächeln, ein gutes Wort, Verständnis und Herzlichkeit auch uns Passagieren gegenüber. Ich bitte euch, erfüllt euren Dienst im Gedanken an die Worte Christi: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Schließlich möchte ich mich auch besonders bei all denen bedanken, die sich um die Instandhaltung des Flughafens kümmern, nämlich den Technikern und dem Flugaufsichtspersonal. Auf euch lastet in hohem Maße die Verantwortung für die Sicherheit der Fluggäste. Ihr verrichtet eine Arbeit, die von den Menschen nicht wahrgenommen wird, aber vielleicht ist sie gerade aus diesem Grund so wertvoll in den Augen Gottes, der auch die verborgenen Mühen des Menschen sieht (vgl. Mt 6,6). Dieses Bewusstsein soll euch eine Stütze und Aufforderung zur eifrigen Erfüllung eurer täglichen Aufgabe sein. Es ist mir eine Freude, zu wissen, dass seit einigen Jahren an vier internationalen Flughäfen Polens Kapellen eingerichtet wurden, wo Angestellte und Reisende Augenblicke der Stille und des Gebetes finden können. All denen, die hierzu beigetragen haben, danke ich herzlich. Die Seelsorge innerhalb der zivilen Luftfahrt ist ein Ausdruck des Verantwortungsbewusstseins und der Treue der Kirche. „Da niemandem die Heilsbotschaft vorenthalten werden darf, streckt die Kirche [auf diese Weise] die Hand all jenen entgegen, die in Anbetracht ihrer Lebensumstände nicht von der normalen Seelsorge in zufriedenstellender Weise Gebrauch machen können oder gar völlig auf sie verzichten müssen“ (vgl. Schreiben des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, 1995, Nm. 4-5). In dieser Woche mache ich während meiner Pilgerreise in die Heimat vom Wohlwollen der Polnischen Luftfahrtgesellschaft LOT Gebrauch. Nehmt dafür meinen herzlichen Dank entgegen. Gleichzeitig spreche ich den Wunsch aus, die LOT, der Flughafen Warschau-Okecie und die anderen polnischen Flughäfen mögen sich immer mehr entwickeln und modernisiert werden, damit sie so zu einer Visitenkarte unserer Heimat werden. Vergesst jedoch bei eurem Einsatz für die technische Entwicklung auch den Menschen nicht. Ich wünsche euch, dass ihr im Geiste gegenseitigen Verständnisses und guter Zusammenarbeit dem großen Werk der Annäherung der Menschen untereinander zu dienen versteht. Die ganze Zeit dachte ich an das letzte Mal, als ich eine ähnliche Begegnung hatte, in einer ähnlichen Umgebung, und schließlich habe ich mich erinnert: Das war bei der Alitalia. Bei dem Hin- und Herfliegen des Papstes durch die Welt übertrifft euch leider die Alitalia. Aber ihr braucht sie wohl nicht zu beneiden. 362 REISEN Heiligung des Sonntags und Verehrung der Eucharistie Ansprache beim Wortgottesdienst vor der Kathedrale in Warschau-Praga am 13. Juni 1. „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ {Apg 2,42). Der Evangelist Lukas, der auch gleichzeitig der Verfasser der Apostelgeschichte ist, fuhrt uns durch seine eingängige Beschreibung, die wir soeben gehört haben, in das Leben der Urgemeinde in Jerusalem ein. Diese Gemeinde steht aufgrund der Herabkunft des Heiligen Geistes bereits auf sicheren Festen, es handelt sich also um eine nachpfingstliche Gemeinde. An einer anderen Stelle schreibt Lukas: „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele“ (.Apg 4,32). Die Apostelgeschichte zeigt auf, wie in der heiligen Stadt Jerusalem, durch das jüngst sich ereignete Ostergeschehen die Gemeinde geprägt war und so die Kirche geboren wurde. Diese junge Kirche „harrte in der Gemeinschaft aus“ und zwar von Anfang an. Das heißt sie bildete eine durch die Gnade des Heiligen Geistes gestärkte Gemeinschaft, und das ist auch heute so. Jesus Christus bildet durch sein Ostermysterium das Zentrum dieser Gemeinschaft. Er bewirkt, dass die Kirche lebt, wächst, und durch ihn wird sie als ein Leib „zusammengefugt und gefestigt in jedem einzelnen Gelenk“ (Eph 4,16). Liebe Brüder und Schwestern! Im Geiste dieser Einheit und im Namen Jesu Christi grüße ich euch alle herzlich. - Wenn ihr aber so laut seid, kann ich ja eine kleine Ruhepause für mich einlegen. — [Als der Sturm der Begeisterung sich gelegt hatte, fuhr der Papst fort:] Grüßen möchte ich auch die junge Diözese Warschau-Praga zusammen mit ihrem Hirten, Bischof Kazimierz. Weiter grüße ich den Altbischof und den Weihbischof dieser Diözese sowie alle Priester, Ordensleute und das ganze Volk der Kirche Gottes. Grüßen will ich auch alle jene, die über Radio und Fernsehen an diesem unserem Gebetstreffen teilnehmen. Beim hl. Florian [dem zusammen mit dem hl. Michael diese Kathedrale geweiht ist,] kann man unmöglich die Feuerwehrleute vergessen. Ich grüße sie und danke ihnen für ihren opfervollen Dienst. Ganz besonders aber ergeht mein Gruß an die Kranken und an jene, die durch ihre Leiden geistige Güter für die Kirche erwirken. Zuvor habe ich Rad-zymin besucht, einen Ort, der für die Geschichte unseres Landes von besonderer Bedeutung ist. Die Schlacht von Warschau ist immer noch in unserer Erinnerung lebendig. Sie hat hier in der Nähe im August 1920 stattgefunden. Noch heute kann ich einige Helden dieser historischen Schlacht treffen, bei der es um eure und unsere Freiheit, um unsere Freiheit und die Freiheit Europas ging. Das polnische Heer konnte damals einen großen Sieg verzeichnen. Dieser Sieg war so großartig, dass man ihn nicht einfach auf natürliche Weise erklären konnte. Daher wurde er „das Wunder an der Weichsel“ genannt. Diesem Sieg ging ein inständiges Gebet der ganzen Nation voraus. Damals versammelte sich der polnische Episkopat in Jasna Göra und weihte die ganze Nation dem Heilgsten Herzen Jesu und stellte sie 363 REISEN unter den Schutz Mariens, der Königin Polens. Heute gilt unser Gedenken all denen, die in Radzymin und an vielen anderen Orten dieser historischen Schlacht ihr Leben geopfert haben bei der Verteidigung des Vaterlandes und seiner Freiheit, die bedroht war. Unter anderem gedenken wir heute des heldenhaften Priesters Ignacy Skorupka, der unweit von hier, in der Nähe von Ossöw sein Leben verloren hat. Die Seelen aller Gefallenen empfehlen wir der göttlichen Barmherzigkeit. Jahrzehntelang herrschte die Verschwörung des Schweigen über das „Wunder an der Weichsel“. Doch die göttliche Vorsehung überträgt heute im gewissen Sinn der neuen Diözese Warschau-Praga die Aufgabe, die Erinnerung an dieses große Ereignis unserer Geschichte und der Geschichte ganz Europas hochzuhalten, das östlich von Warschau stattfand. Wenn wir schon von den Traditionen dieses Landes sprechen, möchte ich auch an den Diener Gottes, Don Ignacy Klopotowski, den Gründer der Kongregation der Loreto-Schwestem erinnern. In seinen letzten Lebensjahren war er Pfarrer der Kirche St. Florian, die heute die Kathedrale dieser Diözese ist. Liebevoll kümmerte er sich wie der barmherzige Samariter um die Armen und Obdachlosen. Aus diesem Grund ließ er die geistigen Söhne und Töchter des hl. Bruders Albert aus Krakau hierher kommen. Hier widmete er sich aber auch dem Apostolat des Wortes Gottes durch seine literarische Tätigkeit. In dieser Region wurde auch Cyprian Norwid, unser großer Dichter der Romantik geboren, der des öfteren in seinen Werken ergriffen von seiner Kindheit und seinen Jugendjahren spricht, die er hier verbracht hat. Dich grüße ich, mein geliebtes Masovien mit deiner reichen religiösen Tradition und deiner glorreichen Geschichte. Alle grüßend danke ich insbesondere dem Metropoliten von Warschau und von ganz Polen, Erzbischof Sawa, und den lieben Gästen aus den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften für ihre Anwesenheit. 2. „Es war vor dem Paschafest. Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ {Joh 13,1). Um den Plan zu verstehen, den Gott mit der Kirche hatte, müssen wir uns die Ereignisse unmittelbar vor Christi Leiden und Tod vergegenwärtigen und in den Abendmahlssaal nach Jerusalem zurückkehren. Das Johannesevangelium bringt uns direkt in den Abendmahlssaal des Gründonnerstags zurück: „Es war vor dem Paschafest. Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung.“ Dieses „bis zur Vollendung“ bezeugt wohl den endgültigen Charakter dieser Liebe. Im Verlauf der Darstellung im Evangelium erklärt uns Jesus selbst in allen Einzelheiten, worin diese Liebe besteht, als er nämlich vor den Aposteln niederkniet und beginnt, ihnen die Füße zu waschen. Mit dieser Geste deutet er an, dass er nicht in die Welt gekommen ist, „um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45). Jesus macht sich selbst zum Modell dieser Liebe: „Ich habe 364 REISEN euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ {Joh 13,15). Denen, die an ihn glauben, zeigt er diese Liebe, für die er selbst das Vorbild ist, und ihnen vertraut er diese Liebe an mit dem Wunsch, sie möge über die ganze Erde wachsen wie ein großer Baum. Aber dieses „bis zur Vollendung“ erschöpfte sich nicht in der demütigen Geste der Fußwaschung, sondern es erfüllte sich gänzlich erst in dem Geschehen, das darauf folgte: „Während des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es den Jüngern und sagte: Nehmt und eßt; das ist mein Leib. Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn den Jüngern mit den Worten: Trinkt alle daraus; das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (vgl. Mt 26,26-28). Das ist also die völlige Hingabe. Bevor der Gottessohn sein Leben am Kreuz für das Heil des Menschen hingab, tat er es in sakramentaler Weise. Er reicht den Jüngern seinen Leib und sein Blut, damit sie durch deren Genuss an den Früchten seines Erlösertodes teilhaben. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Christus hat seinen Aposteln dieses sakramentale Zeichen seiner Liebe hinterlassen. Er sagte zu ihnen: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (vgl. 1 Kor 11,24). Und dies taten die Apostel auch, als sie ihren Jüngern zusammen mit dem Evangelium die Eucharistie überlieferten. Seit dem letzten Abendmahl wird die Kirche durch die Eucharistie errichtet und geformt. Die Kirche feiert die Eucharistie, und die Eucharistie formt die Kirche. Und so war es überall: die neuen Generationen der Jünger Christi wurden allmählich zur Kirche. Auch in Polen war es und ist es heute noch so, während wir uns dem Übergang ins Dritte Jahrtausend nähern: denen, die nach uns kommen, werden wir das Evangelium und die Eucharistie übergeben. 3. „Sie hielten ... fest ... am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 2,42). Die christliche Urgemeinde, die uns Lukas in der Apostelgeschichte als ein Beispiel vorstellt, stärkte sich mit der Eucharistie. Die Feier der Eucharistie ist für die Kirche und ihre einzelnen Glieder von großer Bedeutung. Sie ist „Quelle und ... Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ {Lumen gentium, Nr. 11). Der hl. Augustinus nennt sie das „Band der Liebe“ {In Evanglium Johannis tractatus, 26,6,13). In der Apostelgeschichte lesen wir, dass dieses „Band der Liebe“ von Anfang an die Quelle für die Einheit der Gemeinde der Jünger Christi war. Und daraus ging die Sorge für die Bedürftigen hervor, so dass sie ihr Hab und Gut verkauften. Sie „gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte“ (vgl. Apg 2,45). Dies war auch die Quelle der Freude, der Einfalt des Herzens und des gegenseitigen Wohlwollens. Durch dieses eucharistische „Band der Liebe“ herrschte Einmütigkeit in der Gemeinde, so konnten sie den Tempel besuchen und eines Herzens Gott loben (vgl. Apg 2,46—47). All das war ein sichtbares Zeugnis für die Welt: „Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten“ {Apg 2,47). Die Einheit in der Liebe, die aus der Eucharistie hervorgeht, ist nicht nur Ausdruck menschlicher Solidarität, sondern sie ist auch Teilnahme an der göttlichen Liebe 365 REISEN selbst. Auf einer solchen Einheit wird die Kirche erbaut. Sie ist die Bedingung für die Wirksamkeit ihrer Heilsmission. „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ (Joh 13,15). Diese Worte enthalten eine große Herausforderung für die Kirche, und zwar müssen wir alle, Bischöfe, Priester, Ordensleute und Gläubige, diese Liebe bezeugen, sie sichtbar machen und sie täglich in die Tat Umsetzern Die Welt braucht heute ein solches Zeugnis der Liebe, der Einheit und des Ausharrens in der Gemeinschaft, damit die Menschen „unsere guten Werke sehen und den Vater im Himmel preisen“ (vgl. Mt 5,16), wie Christus gesagt hat. Dabei handelt es sich in erster Linie um die innere Einheit der Kirche nach dem Vorbild der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Die ganze Kirche“ - sagt der hl. Zyprian - „zeigt sich als das durch die Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes vereinte Volk.“ Jeder Gläubige bringt in dieser Gemeinschaft seinen eigenen Beitrag und seine eigenen Talente ein, je nach der Berufung und Rolle, die er zu erfüllen hat. Einheit und Vielfalt stellen einen großen Reichtum der Kirche dar und bewirken, dass sie sich auf konstante und dynamische Weise entfaltet. Mit einem großem Verantwortungsbewusstsein Christus gegenüber, der ununterbrochen in seiner Kirche zugegen ist, versuchen wir, diese Einheit zu verwirklichen zum Wohl der gesamten Gemeinschaft. Aus diesem Grunde misst die Kirche der Teilnahme an der Eucharistie — besonders am Tag des Herrn, dem Sonntag, an dem wir das Gedächtnis der Auferstehung Christi feiern - eine so große Bedeutung bei. In der polnischen Kirche war die Verehrung der Eucharistie und die starke Bindung der Gläubigen an die sonntägliche Teilnahme an der hl. Messe stets lebendig. An der Schwelle zum Dritten Jahrtausend bitte ich alle meine Landsleute: Haltet diese gute Tradition aufrecht. Beachtet das Gebot Gottes hinsichtlich der Heiligung des Herrentages. Dieser soll wirklich der erste aller Tage und das erste aller Feste sein. Bringt eure Liebe zu Christus und zu den Brüdern und Schwestern durch eure Teilnahme am sonntäglichen Mahl des Neuen Bundes, an der Eucharistie zum Ausdruck. Ganz besonders wende ich mich an die Eltern, damit sie diesen schönen christlichen Brauch der Teilnahme an der hl. Messe gemeinsam mit ihren Kindern aufrechterhalten und pflegen, so dass in den Herzen der Kinder und Jugendlichen der Sinn für eine solche Pflicht lebendig bleibt. Möge die Gnade des Herrn, die wir durch den Empfang des eucharistischen Brotes erlangen, die Familienbande stärken und zur Quelle apostolischer Dynamik der christlichen Familie werden. Auch wende ich mich an euch, liebe Brüder im Priesteramt, entzündet in den Menschenherzen die Ehrfurcht und Liebe zur Eucharistie. Zeigt, welch großes Gut dieses heiligste Sakrament für die ganze Kirche ist - Sakrament der Liebe und Einheit. Verharrt einmütig im Gebet in den Gemeinschaften eurer Diözesen und Orden. Harrt aus im Brechen des Brotes, schreitet fort im eucharistischen Leben und entfaltet euch geistig in der Atmosphäre der Eucharistie. Die Eucharistie „ist der wesentliche und zentrale Seinsgrund für das Sakrament des Priestertums. Deshalb ist der Priester in einzigartiger und herausragender Weise mit der Eucharistie 366 REISEN verbunden. Er ist gewissermaßen „aus ihr“ und „für sie“. Auch ist er in spezieller Weise für sie verantwortlich. Die Gläubigen erwarten sich vom Priester ein besonderes Zeugnis der Verehrung und der Liebe zur Eucharistie, damit auch sie ermutigt und angeregt werden“ (vgl. Johannes Paul II., Über das Geheimnis und die Verehrung der Heiligsten Eucharistie, 2). 4. Es ist überraschend, wie die Kirche, die sich in Zeit und Raum entfaltet, dank des Evangeliums und der Eucharistie immer sie selbst bleibt. Das kann man sogar behaupten, wenn man von außen her die Kirchengeschichte betrachtet. Jedoch erfahrt man es vor allem innerhalb der Kirche. Das erfahren alle jene, die die Eucharistie zelebrieren und die, die an ihr teilnehmen. Sie ist das Gedächtnis und die Erneuerung des Letzten Abendmahls, und das Letzte Abendmahl wiederum war die sakramentale Vergegenwärtigung des Leidens und Todes Christi am Kreuz, d. h. seines Opfers der Erlösung. Deinen Tod, Herr Jesus, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, und vereint in der Liebe, die von dir kommt, erwarten wir deine glorreiche Wiederkunft. Amen. Bildung und Kultur — Fundamente einer menschlichen Gesellschaft Predigt bei der hl. Messe vor der Kirche des Guten Hirten in Lowicz am 14. Juni 1. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Gal 1,3). Mit den Worten des Apostels Paulus grüße ich alle, die sich hier zu dieser Eucharistiefeier versammelt haben. Diese Worte übermittelt uns auch dieses uralte Gotteshaus von Leczyca. Im Land der Piasten war es Zeuge des kirchlichen Lebens, das sich auch in zahlreichen Synoden und Dokumenten kirchlicher Gesetzgebung äußerte. Sie bekunden die Weisheit der Bischöfe und Hirten des Gottesvolkes hier im Gebiet der Piasten. Ich bin der göttlichen Vorsehung dankbar für die Gnade der Begegnung. Hier an diesem Altar, mitten unter euch, möchte ich mit euch allen, die ihr gekommen seid, und mit allen, die sich jeden Tag in den Kirchen um ihre Priester versammeln, verbunden sein und von Glauben, Hoffnung und Liebe Zeugnis geben. In der Eucharistie hat Christus auf vollkommenste Weise die unendliche Liebe Gottes zum Menschen offenbart: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Vor dem Hintergrund dieses Gotteshauses grüße ich die junge Kirche von Lowicz zusammen mit ihrem Hirten, Bischof Alojzy, und Weihbischof Jözef. Ich grüße alle Gäste, die Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe und zugleich auch den Diöze-sanklerus, die Ordensleute und alle Gläubigen dieser Diözese, besonders aber begrüße ich die zahlreichen Kinder und Jugendlichen, die hier sind. Weiter begrüße ich die Pilger, die sich zu dieser Begegnung aus den benachbarten Erzdiözesen 367 REISEN Warschau und Lodsch und aus den Diözesen Plock und Wloclawek zusammen mit ihren Hirten eingefunden haben, sowie alle Pilger, die aus den verschiedenen Landesteilen Polens und aus dem Ausland hierher gekommen sind. Ich grüße dich, Lowicz, samt deiner reichen Geschichte. Hier in Lowicz residierten jahrhundertelang die Erzbischöfe von Gnesen und Primaten Polens. Viele von ihnen fanden in der Krypta der alten Stiftskirche, die heute Kathedrale ist, ihre letzte Ruhestätte. Ich grüße dich, du Land der sei. Maria Franciszka Siedliska, Gründerin der Kongregation der heiligen Familie von Nazaret; Land der seligen Boleslawa Lament, der Gründerin der Kongregation der Schwestern der heiligen Familie. Hier fand durch das Wirken von Don Stanislaw Konarski die Reform der Scolopi-Schulen statt. Aus der Geschichte wissen wir, welch große Bedeutung diese Reform in der Zeit der polnischen Aufklärung hatte und welch große Früchte Generationen von Polen in der Zeit der Landesteilungen dabei ernteten. Ich grüße dich, du Land, so überreich an christlicher Tradition und Glauben deines Volkes, welches trotz der Wirren der Geschichte stets und unverändert bei Christus und seiner Kirche ausharrte. 2. „Ich, der ich um des Herren willen im Gefängnis bin, ermahne euch, ein Leben zu fuhren, das des Rufes würdig ist, der an euch erging.“ So schrieb der hl. Paulus in seinem Brief an die Epheser (4,1). Dieselben Worte könnte auch Bischof Michal Kozal, der im Konzentrationslager von Dachau inhaftiert war, an uns, seine Landsleute, richten. Heute begehen wir das Gedächtnis dieses gläubigen Zeugen Christi. Die Gnade, die „Gott ihm gewährte, ist nicht ohne Wirkung geblieben“ (vgl. 1 Kor 15,10), sondern trägt auch heute noch Frucht. Der sei. Bischof Kozal ermahnt uns, dass wir uns entsprechend unserer menschlichen und christlichen Berufung würdig verhalten, als Söhne und Töchter dieser Erde, dieses Vaterlandes, dessen Sohn auch er war. Der hl. Paulus weist auf die Größe dieser Berufung hin. Wir sind Glieder des Leibes Christi, das heißt der Kirche, die Er gestiftet hat und deren Haupt er ist. In dieser Kirche verteilt der Heilige Geist kontinuierlich die Gaben, die zu den verschiedenen Diensten und Aufgaben notwendig sind, und diese Gaben stellen den großen Reichtum der Kirche dar und dienen dem Wohl aller. Wenn ich an diese Worte erinnere, denke ich besonders an euch, liebe Eltern. Gott hat euch eine ganz besondere Berufung geschenkt. Um das menschliche Leben auf der Erde zu erhalten, hat er die Gesellschaft „Familie“ gestiftet. Ihr seid die ersten Hüter und Beschützer des noch ungeborenen, aber schon empfangenen Lebens. Nehmt das Geschenk des Lebens als die größte Gnade Gottes und als seinen Segen für die Familie, für die Nation und für die Kirche an. Hier, von dieser Stelle aus, rufe ich allen Vätern und Müttern meines Vaterlandes und der ganzen Welt sowie allen Menschen ohne Ausnahme zu: Jeder im Schoß der Mutter empfangene Mensch hat das Recht auf Leben! „Das menschliche Leben ist als etwas Heiliges anzusehen. Niemand kann sich unter keinen Umständen das Recht anmaßen, einem unschuldigen menschlichen Geschöpf direkt den Tod zuzufügen. Gott erklärt sich 368 REISEN zum absoluten Herrn über das Leben des nach seinem Bild und Gleichnis gestalteten Menschen (vgl. Gen 1,26-28). Das menschliche Leben weist somit einen heiligmäßigen und unverletzlichen Charakter auf, in dem sich die Unantastbarkeit des Schöpfers selber widerspiegelt“ (vgl. Evangelium vitae, Nr. 53). Gott beschützt das Leben durch das strikte Verbot: „Du sollst nicht töten“ (Ex 20,13). Haltet diesem Gebot die Treue. Kardinal Stefan Wyszynski, der Primas dieses Jahrtausends, sagte: „Wir wollen eine Nation von Lebenden und nicht von Toten sein“. Die Familie ist auch zur Erziehung ihrer Kinder berufen. Der erste Ort, an dem der Erziehungsprozess beginnt, ist das Elternhaus. Jedes Kind hat das natürliche, unveräußerliche Recht auf eine eigene Familie, auf Eltern und Geschwister, in deren Kreis es erkennen kann, dass es eine liebesbedürftige Person ist, dass es aber auch im Stande ist, dieses selbe Gefühl an andere weiterzugeben. Euer Beispiel sei stets die hl. Familie von Nazaret, in der Christus bei seiner Mutter Maria und seinem Pflegevater Josef aufwuchs. Da es die Eltern sind, die ihren Kindern das Leben geben, steht ihnen auch das Recht zu, als erste und hauptsächliche Erzieher anerkannt zu werden. Auch haben sie die Pflicht, eine familiäre Atmosphäre zu schaffen, die von Liebe, Gottesfurcht und Achtung vor den Menschen geprägt ist. So fördern sie die persönliche und soziale Erziehung ihrer Kinder. Welch eine große Aufgabe hat doch eine Mutter! Dank der besonders tiefen Bindung, die sie zu ihrem Kind hat, kann sie es auch auf wirksame Weise Christus und der Kirche nahebringen, wobei sie jedoch immer der Hilfe ihres Ehegatten, dem Familienvater, bedarf. Liebe Eltern, ihr wisst wohl, dass es heutzutage nicht einfach ist, die notwendigen Bedingungen für eine christliche Erziehung der Kinder zu schaffen. Ihr müsst aber alles daransetzen, damit Gott in euren Familien zugegen ist und geehrt wird. Vergesst nicht das tägliche Gemeinschaftsgebet - besonders am Abend -, und vergesst auch nicht die Sonntagsheiligung durch die Teilnahme an der hl. Messe. Für eure Kinder seid ihr die ersten Meister des Gebetes und der christlichen Tugenden, und dabei kann euch auch niemand ersetzen. Haltet an den religiösen Bräuchen fest und pflegt die christliche Tradition. Bringt euren Kindern die Achtung vor jedem Menschen bei. Euer größter Wunsch soll sein, die junge Generation in Gemeinschaft mit Christus und der Kirche zu erziehen. Nur auf diese Weise werdet ihr eurer Berufung, Eltern zu sein, treu bleiben und den geistigen Bedürfnissen eurer Kinder nachkommen. 3. Bei dieser verantwortungsvollen Erziehungsaufgabe darf die Familie nicht allein gelassen werden. Sie bedarf der Hilfe, und diese erwartet sie sich auch von der Kirche und vom Staat. Es geht hierbei nicht darum, die Familie in ihren Pflichten zu ersetzen, sondern alle in dieser großen Aufgabe auf harmonische Weise zu vereinen. Und so wende ich mich an euch, liebe Brüder im Priesteramt, und an alle, die in der Katechese tätig sind: Macht die Türen der Kirche weit auf, damit alle, besonders aber die Jugendlichen reichlich schöpfen und aus ihrem übergroßen geistigen Schatz Nutzen ziehen können. Heute kann die Kirche in unserem Land ohne Hin- 369 REISEN demisse in den Schulen Religion unterrichten. Die Zeiten des Kampfes um die Freiheit der Katechese sind vorbei. Viele von uns wissen, wieviel Opfer und wieviel Mut dies die katholische Gesellschaft Polens gekostet hat. Eines der Unrechte, die den Gläubigen in der Zeit der totalitären Herrschaft zugefügt worden sind, ist nun behoben. Das große Gut, das der Religionsunterricht in den Schulen darstellt, erfordert einen aufrichtigen und verantwortungsvollen Einsatz. Wir müssen auf die bestmögliche Weise von diesem Gut Gebrauch machen. Dank der Katechese kann die Kirche ihre Evangelisierungstätigkeit mit noch größerer Wirksamkeit ausüben und so ihren Missionsbereich erweitern. Auch an euch, die Lehrer und Erzieher, wende ich mich. Ihr habt die große Aufgabe übernommen, den euch anvertrauten Kindern und Jugendlichen Wissen und Erziehung zu vermitteln, und ihr befindet euch somit vor einer schwierigen und ernsten Berufung. Die Jugendlichen brauchen euch. Sie suchen nach Vorbildern, auf die sie sich berufen können. Sie erwarten auf viele wesentliche Fragen, die ihren Geist und ihre Herzen bewegen, eine Antwort. Vor allem aber erwarten sie von euch ein Beispiel für das Leben. Ihr müsst ihre Freunde und treuen Begleiter und Verbündete sein in ihrem jugendlichen Kampf. Helft ihnen, die Fundamente für ihre Zukunft zu legen. Es ist mir eine Freude, zu wissen, dass in Polen immer mehr katholische Schulen entstehen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Kirche auf konkrete Weise im Bildungswesen präsent ist. Diese Schulen müssen unterstützt werden, und es müssen auch die entsprechenden Bedingungen dafür geschaffen werden, dass sie in Zusammenarbeit mit dem gesamten polnischen Schulwesen zum Allgemeinwohl der Gesellschaft beitragen können. Es bedarf einer besonderen Sensibilität von Seiten all jener die in der Schule tätig sind, um so das Klima für einen freundschaftlichen und offenen Dialog zu schaffen. Daher soll in allen Schulen ein Geist der Vertrautheit und des gegenseitigen Respektes herrschen, was immer ein Charakteristikum der polnischen Schule war und auch heute noch ist. Die Schule sollte die Schmiede der sozialen Tugenden sein, die unsere Nation so sehr braucht: Ein solches Klima muss dazu beitragen, dass die Kinder und Jugendlichen offen ihre religiösen Überzeugungen bekunden und sich dementsprechend auch verhalten können. Versuchen wir, in den Herzen der Kinder und Jugendlichen die Vaterlandsgefühle und die Bindung zur Heimat zu entwickeln und zu vertiefen. Versuchen wir, sie sensibel zu machen für das Allgemeinwohl der Nation und ihnen das Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft beizubringen. Die Erziehung der jungen Generationen im Geiste der Vaterlandsliebe ist für die Zukunft einer Nation von großer Bedeutung. Es ist in der Tat nicht möglich, der Nation in rechter Weise zu dienen, ohne deren Geschichte, deren reiche Tradition und deren Kultur zu kennen. Polen braucht Menschen, die für die Welt offen sind und ihr eigenes Land lieben. Liebe Lehrer und Erzieher, ich möchte euch meine Anerkennung zum Ausdruck bringen für die Mühe um die Erziehung der jungen Generation, und ich danke euch 370 REISEN von Herzen für diese besonders wichtige und schwierige Arbeit. Ich danke euch für euren Dienst für das Vaterland. Auch ich selbst schulde der polnischen Schule, meinen Lehrern und Erziehern, an die ich mich auch heute noch erinnere und für die ich jeden Tag bete, persönlichen Dank. Wie viel hat mir doch meine Schulzeit gegeben, was bis heute in meinem Leben Früchte trägt. Das Wohl der jungen Generation sei die Sorge, die in eurem Leben und eurer erzieherischen Arbeit ausschlaggebend ist. Der hl. Paulus sagt: „Ich ... ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist ... für den Aufbau des Leibes Christi“ (Eph 4,1.12). Kann es eine größere Berufung geben, als jene, die Gott euch zuteil hat werden lassen? 4. „Aber jeder von uns empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat“ (Eph 4,7). Das lehrt uns heute der hl. Paulus, und er erinnert uns auch gleichzeitig daran, dass die Gnade jenes Geschenk ist, wodurch Gott uns sein Leben schenkt, indem er uns zu seinen Kindern macht und an seiner Natur teilhaben lässt. Dabei erhebt sich die Frage: Wie muss ich leben, damit in mir auf die vollkommenste Weise die Macht der Gnade Gottes sichtbar wird, wie offenbart sich die geheimnisvolle Kraft eines Samenkorns, das hundertfache Frucht bringt? Liebe Jungen und Mädchen, Schüler der Grundschulen und höheren Schulen der Diözese Lowizc und der benachbarten Diözesen sowie anderer Landesteile, es ist gut, dass ihr heute hier seid, und ich bin sehr froh über diese Begegnung. Das, was ihr soeben gehört habt, betrifft ganz besonders euch und eure Erziehung, und ich möchte euch versichern: Der Papst hat euch alle sehr gern, und eure Zukunft liegt ihm sehr am Herzen, eure Zukunft liegt allen sehr am Herzen, damit ihr euch gut auf die Aufgaben vorbereitet, die einmal auf euch zukommen werden. Ihr wisst ja, dass wir uns dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 nähern. Deshalb kann es wohl sein, dass so manch einer von euch sich die Frage stellt: Wie wird eigentlich das neue Jahrtausend, das unmittelbar bevorsteht? Wird es besser werden als das zu Ende gehende? Wird es wichtige und für die Welt positive Veränderungen mit sich bringen, oder wird einfach alles beim Alten bleiben? Darauf möchte ich euch antworten, dass die Zukunft der Welt zum Großteil von euch abhängt. Ihr werdet die Zukunft bestimmen, und auf euch wird die große Verantwortung liegen, die kommenden Zeiten zu prägen. Nun könnt ihr auch verstehen, wamm ich gerade soviel von der Erziehung der Jugendlichen gesprochen habe. Habt keine Angst, den Weg eurer Berufung einzuschlagen, fürchtet euch nicht, die Wahrheit über euch selbst und über die Welt, die euch umgibt, zu suchen. Es ist mein innigster Wunsch, dass ihr zu Hause alle in einer Atmosphäre echter Liebe lebt. Gott hat euch eure Eltern gegeben, und für dieses Geschenk müsst ihr ihm oft danken. Achtet und liebt eure Eltern, sie haben euch das Leben geschenkt und ziehen euch groß. Sie nehmen euch gegenüber die Stelle Gottes, des Schöpfers und Vaters, ein. Und tatsächlich sind ja auch die Eltern eure besten Freunde, bei denen ihr Hilfe und Rat suchen solltet für eure Lebensprobleme. In diesem Moment denke ich auch betrübt und besorgt an all eure Altersgenossen, die kein Elternhaus 371 REISEN haben und die die elterliche Liebe und Wärme entbehren müssen. Sagt ihnen, dass der Papst sie in seine Gebete einschließt und dass er sie sehr gern hat. Euer Alter ist die günstigste Zeit des Lebens, um zu säen und den Boden vorzubereiten für die zukünftige Ernte. Je lebendiger das Engagement ist, mit dem ihr eure Pflichten erfüllt, umso größer wird auch die Wirksamkeit sein, mit der ihr in Zukunft eure Mission ausüben werdet. Seid so fleißig wie möglich beim Lernen und Studieren. Lernt neue Fächer kennen; das Wissen erweitert nämlich den Horizont und kommt der geistigen Entwicklung des Menschen zugute. Wirklich groß ist der, der nie auslemt. Die Jugend sucht Vorbilder und Beispiele. Christus selbst kommt euch zu Hilfe, der sein ganzes Leben dem Wohl der anderen gewidmet hat. Richtet euren Blick zu ihm. Er soll, während ihr spielt und euch miteinander unterhaltet, in euren Gedanken zugegen sein. Ihr solltet immer in Freundschaft mit ihm leben. Der Herr Jesus möchte euch helfen. Er möchte eure Stütze sein und euch bei eurem jugendlichen Kampf zur Erlangung die Tugenden des Glaubens, der Liebe, der Aufrichtigkeit, der Reinheit und der Großzügigkeit stärken. Immer wenn ihr in eurem Leben irgendwelchen Schwierigkeiten gegenübersteht oder Misserfolge und Enttäuschungen hinnehmen müsst, sollen eure Gedanken sich Christus zuwenden, der euch liebt, der ein treuer Weggefährte ist und euch hilft, alle Schwierigkeiten zu überwinden. Ihr sollt wissen, dass ihr nicht alleine seid. Es begleitet euch einer, der euch niemals enttäuschen wird. Christus versteht auch die geheimsten Wünsche eures Herzens, und er erwartet eure Liebe und euer Zeugnis. 5. „Nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder (Mt 23,8). Liebe Brüder und Schwestern, wenden wir unsere Herzen Christus zu, er ist „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (vgl. Joh 1,9). Er ist der Meister, er ist der Auferstandene, der das Leben in sich hat und der in seiner Kirche und in der Welt stets präsent bleibt. Er ist es, der uns den Willen des Vaters offenbart und der uns zeigt, wie wir unsere Berufung verwirklichen sollen, die wir von Gott durch den Heiligen Geist erhalten haben. Vertrauen wir Christus das große Werk der Erziehung an. Nur er kennt den Menschen durch und durch und weiß, was sich im tiefsten Innern seines Herzens verbirgt. Heute sagt uns Christus: „... getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5), ich, euer Meister, will für euch der Weg und das Licht, das Leben und die Wahrheit sein, „alle Tage, bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Amen. 372 REISEN Menschenrechte - Marktgesetze und Wert der Arbeit Ansprache bei der Begegnung mit den Gläubigen in Sosnowiec am 14. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der göttlichen Vorsehung danke ich, denn zu den Stationen meiner Pilgerreise durch das Vaterland gehört auch die junge Diözese Sosnowiec, die ich schon lange besuchen wollte. Es war mir ein großes Anliegen, dem Volk Gottes von Zaglebie zu begegnen, und heute erfüllt sich dieser Wunsch. Ich danke Bischof Adam und Weihbischof Piotr sowie der ganzen Gemeinschaft dieser Ortskirche für die Einladung und die freundliche Aufnahme. Ganz herzlich grüße ich die Bischöfe, die hier zu Gast sind, die Priester und Ordensleute, die Vertreter der hiesigen Behörden, alle hier versammelten Gläubigen und alle, die uns im Geiste begleiten. Die heutige Begegnung erinnert mich an die Feierlichkeiten, die wir hier in Sosnowiec im Mai des Jahres 1967 begangen haben. Wir feierten in der Kirche der Aufnahme der sei. Jungfrau Maria in den Himmel - heutige Kathedrale dieser Diözese - unter Teilnahme des Primas dieses Jahrtausends und anderer polnischer Bischöfe die Tausendjahrfeier. Es waren schwierige Zeiten für jene, die offen ihren Glauben und ihre Zugehörigkeit zur Kirche bekennen wollten. Ich erinnere mich, welche große Bedeutung damals die Lehre des gerade zu Ende gegangenen II. Vatikanischen Konzils hatte. Ich erinnere mich noch daran, wie viel Hoffnung und Kraft besonders die Lehre über die Würde der menschlichen Person und ihrer unveräußerlichen Rechte mit sich brachte. Diese schrieb sich damals durch die große Novene zur Vorbereitung auf die Tausendjahrfeier tief in die Seelen ein. Heute herrschen andere Zeiten, und das ist ein großes Geschenk der göttlichen Vorsehung. Wir schulden Gott unseren Dank für all das, was er in unserem Heimatland bewirkt hat. Diese Dankbarkeit darf niemals in den Herzen der polnischen Gläubigen abhanden kommen! 2. Lobet den Herrn, alle Völker, preist ihn alle Nationen! Denn mächtig waltet über uns seine Huld, die Treue des Herrn währt in Ewigkeit (Ps 116[117], 1-2). Mit diesen Worten ruft der Psalmist alle Völker zum Lob Gottes auf. Das auserwählte Volk hatte einen besonderen Grund zu diesem Lob. Mose sagt: „Der Herr, dein Gott, hatte dich reich gesegnet bei der Arbeit deiner Hände. Er wußte, daß du in dieser großen Wüste unterwegs warst. Vierzig Jahre lang war der Herr, dein Gott, bei dir. Nichts hat dir gefehlt (Dtn 2,7). An dieser Pilgerreise Israels nehmen gewissermaßen alle Völker und Länder der Erde teil. Auch wenn in Anbetracht der insbesondere auf dem europäischen Kontinent stattgefundenen einzelnen Völkerwanderungen nur einige Epochen der Geschichte „Zeit des großen Völkerexodus“ genannt wurden, hört der Mensch unter den Bedingungen einer gefestigten Existenz dennoch nicht auf, Pilger zu sein, und auch die Völker hören nicht auf, durch Zeit und Raum zu pilgern. 373 REISEN Die Pilgerreise der Völker durch die Geschichte hinterlässt die Frucht der menschlichen Arbeit. Am Anfang der Geschichte vertraute Gott den Menschen die Erde an, damit sie sie untertan machen (vgl. Gen 1,28). Der Mensch fand die Erde als einen Boden vor, den er auf kreative Weise gestaltete. Er verwandelte sie allmählich und gab ihr ein neues Aussehen. Er begann, die Erde zu bebauen, auf ihr Niederlassungen, Dörfer und Städte zu errichten. Auf diese Weise erwies sich der Mensch als nach Gottes Abbild geschaffenes Wesen, dem nicht nur die Fähigkeit gegeben war, die Wahrheit zu erkennen, sondern auch das Schöne zu schaffen. Während wir uns dem Jahr 2000 nähern, schauen wir zurück auf die Wegstrecke, die unsere Vorfahren durch die Jahrhunderte zurückgelegt haben. Sie hinterließen uns das große Erbe einer kreativen Arbeit, die heute in uns Bewunderung und Dankbarkeit hervorruft. Die Mühe der Arbeit und die Werke vergangener Generationen stellen für uns eine Herausforderung dar, weiterhin uns die Erde untertan zu machen, die uns vom Schöpfer als Besitz und Aufgabe übergeben wurde. Wenn wir die Einladung, welche die vergangenen Jahrhunderte an uns richten, annehmen, dürfen wir nicht die göttliche Perspektive vergessen, am Schöpfungswerk Anteil zu nehmen, das jedem menschlichen Bemühen wahren Sinn und Würde gibt. Ohne sie kann der Arbeit leicht ihre subjektive Dimension genommen werden. In diesem Fall verliert der Mensch, der diese Arbeit ausführt, seine Bedeutung, und es zählt nur noch der materielle Wert seiner Tätigkeit. Der Mensch wird nicht mehr als Künstler behandelt, wie der, der schöpferisch tätig ist, sondern wie ein Produktionsinstrument. Offensichtlich kann man in unserem Land in einer Zeit notwendiger wirtschaftlicher Umgestaltungen die Symptome einer solchen Gefahr feststellen. Vor zwei Jahren sprach ich darüber in Legnica. Nun, es werden mehr oder weniger überall im Namen der Marktgesetze die Menschenrechte vergessen. Dies passiert zum Beispiel, wenn man glaubt, dass der wirtschaftliche Gewinn den Verlust eines Arbeitsplatzes rechtfertige, wodurch der Mensch nicht nur die Arbeit, sondern auch jede Perspektive zur Selbsterhaltung und zur Erhaltung der Familie verliert. Dies passiert auch, wenn dem Arbeiter aus Gründen der Produktionserhöhung das Recht auf Freizeit, das Recht für seine Familie zu sorgen, das Recht auf die Freiheit, seinen Alltag zu gestalten, abgesprochen wird. So ist es immer dann, wenn der Wert der Arbeit nicht nach menschlicher Arbeitskraft, sondern nach dem Preis des Produktes definiert wird. Das führt dazu, dass der Lohn nicht mehr dem Arbeitsaufwand angemessen ist. Man muss jedoch auch hinzufügen, dass dies nicht nur die Arbeitgeber betrifft, sondern auch die Angestellten. Auch wer eine Arbeit annimmt, kann der Versuchung erliegen, sie als ein Objekt und lediglich als Quelle zur materiellen Bereicherung zu nutzen. Die Arbeit darf das Leben des Menschen nur bis zu dem Punkt bestimmen, an dem er noch das Bedürfnis verspürt, sich auch um seine Gesundheit, die Entwicklung seiner Persönlichkeit, um das Glück seiner Lieben und um die Pflege seiner Beziehung zu Gott zu kümmern. 374 REISEN Wenn ich heute darüber spreche, tue ich dies, um das Gewissen zu sensibilisieren. Auch wenn tatsächlich die staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen nicht ohne Einfluss auf die Einstellung zur Arbeit bleiben, ist deren Würde dennoch vom menschlichen Gewissen abhängig. In ihm erfüllt sich definitiv ihre Bewertung. Denn im Gewissen wird ununterbrochen die Stimme des Schöpfers hörbar, der auf das hinweist, was ein echtes Gut für den Menschen und für die ihm anvertraute Welt ist. Wem das rechte Gewissensurteil abhanden gekommen ist, für den kann sich der Segen der Arbeit auch in einen Fluch verwandeln. Weisheit ist gefordert um immer wieder diese übernatürliche Dimension der Arbeit zu entdecken, die dem Menschen vom Schöpfer als eine Aufgabe übergeben wurde. Es bedarf eines aufrichtigen Gewissens, um in rechter Weise den endgültigen Wert des eigenen Arbeitswerkes zu unterscheiden. Es bedarf des Opfergeistes, um nicht die eigene Menschlichkeit und das Glück der anderen auf dem Altar des Wohlstandes zu opfern. 3. „Was deine Hände erwarben, kannst du genießen; wohl dir, es wird dir gut ergehn“ (Ps 127[128],2). Ich bitte Gott von ganzem Herzen, dass diese Worte des Psalms heute und für immer eine Botschaft der Hoffnung werden für alle Menschen, die in Zaglebie, in Polen und auf dem ganzen Erdkreis die tägliche Anstrengung auf sich nehmen, sich die Erde untertan zu machen. Noch inständiger bete ich aber, dass diese Worte die Hoffnung in den Herzen jener erzeugen, die sehr gern arbeiten wollen, aber das Unglück haben, arbeitslos zu sein. Ich bete zu Gott, dass die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land und in anderen Ländern der Erde so voranschreitet, dass — wie der hl. Paulus sagt — alle Menschen „in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen und ihr selbstverdientes Brot“ essen (vgl. 2 Thess 3,12). Das sage ich ganz deutlich, weil ich möchte, dass ihr erkennt - und jeder Arbeiter dieses Landes weiß -, dass eure Probleme dem Papst und der Kirche ein Anliegen sind. 4. Der Herr, dein Gott, hatte dich reich gesegnet bei der Arbeit deiner Hände. Er wusste, dass du in dieser großen Wüste unterwegs warst (Dtn 2,7). Die Kirche bringt seit Jahrhunderten diese Worte aus dem Buch Deuteronomium als Botschaft der Hoffnung. Wenn der Mensch in seiner Hände Werk das Zeichen des göttlichen Segens zu erkennen weiß, wird er auch nicht zweifeln, dass es Gott selbst ist, der nahe ist, und dass er dem Menschen beständig auf seinem Weg beistehen wird, vor allem, wenn er die große Wüste der täglichen Probleme und der drängenden Sorgen durchqueren wird. Heutzutage darf der Dienst der Hoffnung nicht abhanden kommen, den die Kirche bis jetzt in Polen in wirksamer Weise ausgeführt hat. Der Mensch braucht das Zeugnis der Anwesenheit Gottes! Heutzutage braucht der Mensch, und zwar speziell die Arbeiter, eine Kirche, die dies mit neuer Kraft bezeugt. Die Zeiten, die Menschen und die äußeren Umstände ändern sich, neue Probleme entstehen. Die Kirche darf solche Veränderungen nicht ignorieren und sich den Herausforderungen nicht verschließen, die damit einhergehen. Der Mensch ist der erste und grundlegende Weg der Kirche, der Weg seines täglichen 375 REISEN Lebens und seiner Erfahrung, seiner Sendung und seiner Mühen. Daher muss die Kirche unserer Zeit sich all dessen bewusst sein, was sich diesem Weg entgegenzustellen scheint, damit das menschliche Leben immer menschlicher wird, so dass alles, was dieses Leben ausmacht, der wahren Menschenwürde entspricht. Mit einem Wort: sie muss sich all dessen bewusst sein, was diesem Prozess entgegengesetzt ist (vgl. Redemptor hominis, Nr. 14). 5. Liebe Brüder und Schwestern! Lasst uns lernen, Sensibilität für den Menschen und seine Probleme zu entwickeln, indem wir den Blick auf das Leben und den Dienst des Patrons unserer Diözese, des hl. Albert Chmielowski, und auf Mutter Teresa Kierocinska, Dienerin Gottes und Mutter von Zaglebie, richten. Sie haben durch ihre Sensibilität das Leid und die Bitterkeit all jener erkannt, die nicht ihren Platz in den damaligen sozialen und wirtschaftlichen Strukturen zu finden vermochten, und sie brachten den am meisten Bedürftigen Hilfe. Das Programm, das sie verfolgten, ist immer noch aktuell. Auch am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts lehren sie uns, dass man die Augen nicht vor dem Elend und dem Leid jener verschließen darf, die nicht in der Lage und nicht im Stande sind, sich in der neuen und oft komplizierten Realität zurechtzufinden. Möge jede Pfarrei zu einer Gemeinschaft von Menschen werden, die für das Schicksal derer sensibel sind, die sich in einer schwierigen Situation befinden. Sucht für diese Herausforderung immer neue Formen. Mögen die Worte der Heiligen Schrift alle ermutigen: „Du sollst ihm [dem armen Bruder] etwas geben, und wenn du ihm gibst, soll auch dein Herz nicht böse darüber sein; denn wegen dieser Tat wird dich der Herr, dein Gott, segnen in allem, was du arbeitest, und in allem, was deine Hände schaffen“ {Dtn 15,10). Die Botschaft von der Gegenwart Gottes in der Geschichte der Menschheit muss vor allem den Jugendlichen gebracht werden. Sie brauchen diese Gewissheit. Nur dank dieser Botschaft werden sie neue Perspektiven entdecken können, um auf kreative Weise ihr eigenes Menschsein in einer Zeit der Umwälzungen zu verwirklichen. Es ist mir eine Freude, dass die Kirche in Polen in vielfacher Hinsicht Arbeit in Bildungs- und Erziehungswesen übernimmt. Möge die Tatsache, dass für die Jugendlichen die Möglichkeit geschaffen wird, die eigenen Qualifikationen zu vervollkommnen, Früchte bringen! Möge sich auf einem solchen Fundament der Einfallsreichtum entwickeln und mögen neue und gute Initiativen in jedem Lebensbereich entstehen! Das Zeugnis der Kirche durch ihre Werke der Barmherzigkeit und ihre erzieherische Tätigkeit darf dennoch nicht das Wirken der Menschen und der für die Gestaltung der Arbeitswelt verantwortlichen Institutionen ersetzen. Deshalb ist eine der wichtigsten Aufgaben der Kirche in diesem Bereich die menschliche Gewissensbildung, eine äußerst schwierige und diskrete Bildungsarbeit, deren Ziel es ist, in allen die Sensibilität für diese Probleme zu wecken. Erst, wenn im Gewissen eines jeden Einzelnen diese grundlegende Wahrheit lebendig ist - dass nämlich der Mensch Subjekt und Gestalter ist und dass die Arbeit dem Wohl des Menschen und der Gesellschaft zu dienen hat -, wird man die vom praktischen Materialismus 376 REISEN hervorgebrachten Gefahren vermeiden können. Die Arbeitswelt braucht Menschen mit redlichem Gewissen, und die Arbeitswelt erwartet auch von der Kirche diesen Dienst für das Gewissen. 6. Gleich werden wir das berühmte Bildnis der Muttergottes von der immerwährenden Hilfe in Jaworzno von Osiedle Stale krönen. Ein solches Ereignis hat eine besondere Aussagekraft. Es ist einerseits Zeichen für den Glauben des Arbeitervolkes in Zaglebie. Durch die Marienfrömmigkeit und durch die Tatsache, dass Maria unaufhörlich die Gegenwart und die Zukunft der Kirche anvertraut werden, blieb dieser Glaube in den Herzen der Arbeiter trotz zahlreicher Prüfungen, die ihnen besonders im Lauf der letzten Hälfte dieses Jahrhunderts auferlegt wurden, bewahrt. Andererseits ist dieses Krönungsgeschehen die Bestätigung, dass die Gemeinschaft der Gläubigen von Jaworze und ganz Zaglebie diese besondere Gegenwart Mariens erfahrt. Durch sie gelangen die Wünsche des Menschen zu Gott, und durch sie kommen die göttlichen Gnaden auf die Menschen herab. Möge euch die Muttergottes von der immer währenden Hilfe auf den Wegen des neuen Jahrtausends leiten und euch beständig auf eurer Pilgerreise zum Haus des himmlischen Vaters behilflich sein! Und die Liebe Gottes, des Vaters, des Schöpfergottes und Herrn, verwandle Herz und Sinn all jener, die durch ihre Arbeit die Erde untertan machen. Amen. Dich, Gott, loben wir, dich, Herr, preisen wir Predigt bei der hl. Messe zur Tausendjahrfeier der Erzdiözese Krakau im Blonie-Park von Krakau am 15. Juni Die Predigt wurde von Franciszek Kardinal Macharski, Erzbischof von Krakau, verlesen; der Zelebration der Messfeier stand Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano vor. 1. Te Deum laudamus: te Dominum confitemur. Te aetemum Patrem omnis terra veneratur. „Dich, Gott, loben wir, dich, Herr, preisen wir. Dir, dem ewigen Vater, huldigt das Erdenrund.“ Welch ein großes Geschenk der göttlichen Vorsehung ist es doch, mich heute zusammen mit der Kirche in Krakau diesen Lobgesang einstimmen zu können, den Himmel und Erde seit Jahrhunderten zur Ehre ihres Schöpfers, Herrn und Vaters erheben! Te per orbem terrarum sancta confitetur Ecclesia, Patrem immensae majestatis; „Dich preist über das Erdenrund die heilige Kirche. Dich, den Vater unmeßbarer Majestät.“ Es ist ein großes Geschenk, dass - während die Kirche auf der ganzen Erde Gott für ihr zweitausendjähriges Bestehen Dank sagt — diese Kirche von Krakau 377 REISEN zugleich für ihr erstes Jahrtausend dankt! Wie sollten wir daher nicht das feierliche Te Deum singen, das heute eine besondere Bedeutung erlangt, denn es bringt die Dankbarkeit ganzer Generationen von Einwohnern für all das zum Ausdruck, was die Gemeinschaft der Gläubigen ins Leben der Stadt Krakau eingebracht hat. Wie sollten wir nicht danken für jenen Hauch des Geistes Christi, der sich aus dem Abendmahlssaal auf der ganzen Erde ausbreitete, die Ufer der Weichsel erreichte und das Antlitz der Erde - dieser Krakauer Erde! - ständig erneuert? Gott, wir loben dich! Herzlich begrüße ich alle Einwohner. Ich grüße den lieben Kardinal Franciszek, die Weihbischöfe Jan und Kazimierz, sowie die emeritierten Bischöfe Stanislaw und Albin. Von Herzen grüße ich alle Priester und Ordensleute, die Studenten der Priesterseminare, die Laienkatecheten und -katechetinnen. Ich richte meinen Gmß auch an die Vertreter der regionalen und städtischen Behörden. Ich begrüße euch herzlich, Schwestern und Brüder, die ihr euch auf dem Platz von Blonie versammelt habt, um diese Heilige Messe anlässlich der Tausendjahrfeier mit dem Papst zu feiern. Ich grüße all jene, die durch Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind. An die Kranken möchte ich ein Wort besonderer Dankbarkeit richten. Das Opfer eures Leidens, das ihr, mit Christus vereint, jeden Tag für alle Menschen, für die Kirche und für den Papst bringt, besitzt in den Augen Gottes einen hohen Wert. Auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend sei dies die Krönung unseres Lobes, unserer Bitte um Vergebung und unseres Flehens. 2. Te gloriosus Apostolorum chorus, te prophetarum laudabilis numerus, te martyrum candidatus laudat exercitus. „Dich preist der glorreiche Chor der Apostel; dich der Propheten lobwürdige Zahl; dich der Märtyrer leuchtendes Heer.“ Die Apostel, Propheten und Märtyrer preisen heute Gott. Gegen Ende des ersten Jahrtausends gelangten sie an die Ufer der Weichsel und streuten den Samen des Evangeliums aus. Nach der Taufe von Mieszko I. im Jahr 966 kamen zahlreiche Zeugen ins Land der Piasten; besondere Berühmtheit erlangte unter ihnen der hl. Adalbert, Bischof von Prag. Laut Überlieferung machte er in Krakau Station und verkündete hier die Frohbotschaft, bevor er die Ostsee erreichte, wo er den Märtyrertod erlitt. Es scheint, als habe er genau an dem Ort gepredigt, wo nach seinem Tod eine Kirche gebaut wurde, die nach ihm benannt wurde und die es heute noch gibt. Das apostolische Wirken und das Martyrium Adalberts sind auch noch in anderer Hinsicht mit den Anfängen der Kirche von Krakau verknüpft: In der Nähe seines Grabes entstand nämlich das Erzbistum Gnesen, dass die Bischofssitze von Kolberg, Breslau und Krakau umfasst. Wenn wir Gott in Danzig ganz besonders für das Leben und Werk dieses bedeutenden Schutzpatrons Polens gedankt haben, dann ist es nur recht, dass wir uns auch in Krakau in Dankbarkeit an die tausendjährige Ausstrahlung seines Zeugnisses und Martyriums erinnern. 378 REISEN Schließlich entzündete sich zu Beginn der Geschichte der hiesigen Kirche auch die Flamme des pastoralen Auftrags und des heldenhaften Todes des hl. Stanislaus. Wenn wir in der heutigen Liturgie die Worte Christi: „Ich bin der gute Hirt“ (Joh 10,11) hören, wissen wir, dass sie dank dieses Heiligen ganz eng mit der Geschichte der Kirche von Krakau verbunden wurden. Seine heroische Fürsorge für die Herde des Herrn, für die verirrten, hilfesuchenden Schafe, wurde zum Vorbild, dem die Kirche dieser Stadt jahrhundertelang treu gefolgt ist. Die Tradition unerschütterlicher Beharrlichkeit in der Befolgung des göttlichen Gesetzes und in einer großen Liebe zum Menschen wurde von Generation zu Generation weitergegeben - diese Tradition entstand beim Grab des hl. Bischofs Stanislaus von Szczepanow. Wenn wir heute an die Ursprünge und an diese Persönlichkeiten zurückdenken, so tun wir das, um in uns das Bewusstsein zu erneuern, dass die Wurzeln der Kirche in Krakau tief in der apostolischen Tradition, in der prophetischen Sendung und im Zeugnis des Martyriums verankert sind. Auf diese Tradition, diese Sendung und dieses Martyrium beriefen sich ganze Generationen, die im Laufe eines Jahrtausends ihren Glauben darauf aufbauten. Kraft solcher Bezugspunkte blieb die Krakauer Kirche immer in enger Verbindung zur Universalkirche; gleichzeitig bildete sie ihre eigene historische Persönlichkeit heraus und schrieb ihre eigene Geschichte als einzigartige und unwiederholbare Gemeinschaft von Menschen, die an der Heilssendung Christi teilhaben. 3. Diese Gemeinschaft blieb im Strom der Weltkirche und bewahrte dennoch ihren eigenen Charakter; dadurch gab diese Gemeinschaft der Geschichte und Kultur der Stadt Krakau, dieser Region und - man darf es wohl sagen — ganz Polens eine besondere Prägung. Was könnte dies besser zum Ausdruck bringen als die Wawel-Kathedrale? Heute scheint uns der Klang der Sigmundsglocke zum Besuch dieser Mutter aller Gotteshäuser von Krakau, dieses Schatzes der Geschichte der Kirche und der Nation einzuladen; lasst uns also im Geiste dorthin pilgern. Gehen wir zu ihren Erbauern und fragen wir sie, welches Fundament sie unter diesen Bau gelegt haben, damit er guten und schlechten Zeiten standhalten konnte und Heiligen und Helden, Hirten und Herrschern, Staatsmännern, Kulturschaffenden und ganzen Generationen von Einwohnern dieser Stadt Zuflucht bot. Der gestorbene und auferstandene Christus: Ist er etwa nicht jener Grundstein? Knien wir nieder vor dem Tabernakel in der Batory-Kapelle, vor dem schwarzen Kruzifix der hl. Hedwig neben dem Beichtstuhl des hl. Stanislaus, gehen wir hinunter in die Krypta des hl. Leonhard und entdecken wir erneut die unvergleichliche Geschichte der Kirche von Krakau, die mit der dieser Stadt und dieses Landes verschmolzen ist. In jeder Kirche, jeder Kapelle scheint sie uns dasselbe sagen zu wollen: Dank der tausendjährigen Präsenz der Kirche konnte der hier ausgestreute Samen des Evangeliums in der Geschichte dieser Stadt am Fuße des Wawel so reiche Frucht bringen. Wird dies nicht auch von der Alma Mater von Krakau bestätigt? War es nicht aus Liebe zu Christus und aus Gehorsam zu seinem Aufruf, den Nationen das Evangelium zu verkünden, dass im Herzen der heiligen Königin Hedwig der Wunsch aufkeimte, eine theologische Fakultät zu gründen und die Akademie von Krakau in 379 REISEN den Rang einer Universität zu erheben? Auf den Ruhm dieser Universität ist die Kirche von Krakau viele Jahrhunderte lang stolz gewesen. Aus dieser Universität kamen so große Gelehrte wie der hl. Jan Kanty, Piotr Wysz, Pawel Wlodkowic und andere, die einen nicht geringen Einfluss auf die Entwicklung des theologischen Denkens in der Universalkirche ausübten. Nicht vergessen dürfen wir in diesem Zusammenhang Nikolaus Kopemikus, Stanislaus von Skalbmierz, Jan Kocha-nowski und all jene, die an Weisheit wuchsen, die Wahrheit, das Gute und die Schönheit liebten und auf verschiedene Weise bezeugten, dass sie in Gott ihre endgültige Erfüllung gefunden haben? Was wäre Krakau ohne diese Frucht des Glaubens und der Weisheit der hl. Hedwig? Die Verschmelzung der Kirche mit der Geschichte dieser Stadt vollzog sich nicht nur in den Gotteshäusern, Königspalästen und Hörsälen, sondern überall dort, wo die Treue zum Evangelium das Zeugnis des Dienstes für die Bedürftigen forderte. Die alten Geschichtsbücher und die modernen Chroniken berichten viel über Gemeinde- und Ordensschulen, über die Kranken- und Waisenhäuser, viel auch über die kleinen und großen Werke der Barmherzigkeit der Einwohner von Krakau, die sich vom Verkündigungseifer des Don Piotr Skaga, von der Bescheidenheit des hl. Bruder Albert oder vielen anderen Zeugnissen konkreter Nächstenliebe mitreißen ließen. Sie berichten viel über die aufopferungsvolle Sorge der Kirche für das Leben, die Freiheit und die Würde jedes Menschen in der Vergangenheit aber auch in jüngerer Zeit, während des Krieges, den Wirren der Nachkriegszeit und der Epoche des Umbruchs. Wenn wir heute die reichen Früchte des tausendjährigen Bestehens der Krakauer Kirche aufzählen, so tun wir das, um unsere Herzen in Dankbarkeit zu Gott zu entflammen, der im Laufe dieser Geschichte seinem Volk so zahlreiche Gnaden zuteil werden ließ. An dieses Gut müssen wir uns erinnern und mit noch größerer Überzeugung ausrufen: „Nicht uns, o Herr, bring zu Ehren, ... sondern deinen Namen, in deiner Huld und Treue!“ (Ps 115,1), die du durch die Kirche auf dieser Erde offenbart hast. 4. Tu rex gloriae, Christe. Tu Patris sempitemus es Filius. „Du König der Herrlichkeit, Christus, du bist des Vaters allewiger Sohn.“ Heute lobpreisen wir Christus. Ihm gebührt unser Lobgesang. Denn welchen Wert hätten die Früchte des Daseins der Kirche, Offenbarten sie nicht das Heilswerk des Gottessohnes? Als wir in der heutigen Liturgie die Worte „Ich bin der gute Hirt“ {Joh 10,11) hörten, haben wir darin gewissermaßen den wesentlichsten Grand unserer Danksagung entdeckt. „Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe“ {Joh 10,14-15). So spricht Christus von sich, denn er selbst ist dieser gute Hirt. Im Epheserbrief hilft uns Paulus in gewisser Weise, den Inhalt dieser Beschreibung zu vertiefen. Der Apostel schreibt, dass Gott uns in seinem Sohn 380 REISEN „vor der Erschaffung der Welt [erwählt hat], damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen, zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn; durch sein Blut haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade“ (Eph 1,4—7). Christus ist der gute Hirt, der einzige gute Hirt, und als solcher der König aller Hirten der Kirche, weil ihm die Liebe innewohnt, die ihn mit dem Vater verbindet. Durch diese Liebe vollzieht sich die göttliche Erwählung des Menschen durch den Vater vor der Erschaffung der Welt. Der ewige und eingeborene Sohn Gottes ist eben wegen dieser Liebe Mensch geworden und seine einzige Sorge gilt der Vermehrung der Zahl der Menschenkinder, die auf die ewige Erwählung des Vaters antworten. Deshalb ist er der gute Hirt. Er gibt sein Leben hin, um die Menschen vor dem Tod zu bewahren und das Leben in ihnen zu mehren. Dieses Leben ist in ihm selbst. Durch seine Menschwerdung hat er es als Geschenk des Vaters in die Welt gebracht. Christi Wunsch als guter Hirt ist, dieses Leben zu teilen, es dem Menschen zu spenden, denn nur auf diese Weise - nämlich durch die Teilhabe am Leben Gottes - kann der Mensch, ein sterbliches Wesen, sich vom geistigen Tod befreien. Die Liturgie der heutigen Feier offenbart uns in gewisser Weise die tiefen Wurzeln dessen, was die Krakauer Kirche seit tausend Jahren auf polnischem Boden ist. Sie ist die einzigartige und unnachahmliche Verwirklichung des ewigen Plans des Vaters, der durch Jesus Christus und kraft des Heiligen Geistes diese Gemeinschaft des Gottesvolkes spirituell so reich gesegnet hat. Wenn wir also heute das Gleichnis von Christus dem guten Hirten hören, wird uns bewusst, dass diese Worte das Maß sind, das wir an die Geschichte der Kirche an-legen müssen. Christus ist der König der Hirten, und im Verlauf der Jahrhunderte haben viele von ihm berufene Hirten für die Verwirklichung seines Reiches gearbeitet. Im Gleichnis vom guten Hirten offenbart sich uns also die tausendjährige Geschichte der Kirche von Krakau. Wir sehen all jene, die in dieser Kirche an der prophetischen, priesterlichen und königlichen Sendung Christi teilhatten - das gesamte Volk Gottes, aus dem die Kirche von Krakau in den vergangenen tausend Jahren bestand. Zuerst sehen wir die, die kraft eines besonderen Mandats Christi Hirten dieses Volkes waren: die Bischöfe und Priester. Vor unserem geistigen Auge sehen wir den hl. Stanislaus, den sei. Wincenty Kadlubek, fwo Odrowaz, Piotr Wysz, Zbigniew Oiesnicki, Bemard Maciejowski und Adam Stefan Sapieha; vor uns stehen Jan Dtugosz, der hl. Jan Kanty und der sei. Piotr Dankowski sowie viele andere Bischöfe und Priester, die nicht nur in der Erinnerung der Kirche geblieben sind, sondern auch mit der Geschichte der Nation und ihrer Kultur verwachsen sind. An dieser Stelle sollten wir auch die Orden nennen! Schon zur Zeit des hl. Stanislaus wurden die Benediktiner hier sesshaft, etwas später die Zisterzienser, und nach ihnen kamen weitere Orden und Kongregationen, aus denen zahlreiche Apostel und Hirten hervorgingen, wie zum Beispiel Piotr Skarga, der hl. Hierony- 381 REISEN mus Odrowaz, der sei. Stanislaus Kazimierczyk, der hl. Maximilian und der hl. Raphael Kalinowski. In unseren Gedanken und Herzen sind heute all jene, die sich in dieser Kirche als Hirten für das Reich Christi eingesetzt haben; in dieser geschichtlichen Betrachtung sehen wir aber nicht nur die Priester, sondern auch die große Schar von Laien. Vor uns haben wir die Herrscher und Staatsmänner, allen voran die hl. Hedwig und der hl. Kasimir, unter ihnen auch eine einfache Haushälterin, die sei. Aniela Salawa, und einen Dozenten des Polytechnikums, den Diener Gottes Jerzy Cie-sielski, sowie ganze Generationen von Eltern, Erziehern, Professoren und Studenten, Ärzten und Krankenschwestern, Kaufleuten und Angestellten, Handwerkern und Landwirten - Menschen verschiedener Stände und Berufe. Wir sehen auch Männer und Frauen, die in den verschiedenen Ordensgemeinschaften ihr Leben Gott und den Menschen widmeten. Beim Betrachten der Bilder des hl. Bmder Albert und der hl. Schwester Faustina, wissen wir, dass sie in einem gewissen Sinne stellvertretend stehen für alle anderen, die das Gleichnis des guten Hirten auf ihre besondere Art widerspiegelten. Alle diese Männer und Frauen der Kirche, seien sie namentlich bekannt oder namenlos, haben mit ihrem Leben, ihrer Heiligkeit, ihrer täglichen Arbeit und ihrem Leid hier auf Erden bewiesen, dass Gott die Liebe ist, und dass er mit dieser Liebe jeden umfängt und ihn auf den Wegen dieser Welt zu einem neuen Leben führt. Es gibt keinen besseren Grund als diesen, um für die tausendjährige Geschichte der Kirche Krakau zu danken. Es gibt kein größeres Gut als die Heiligung, die dieser Gegend seit zehn Jahrhunderten durch die Kirche widerfährt. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel“ (Eph 1,3). Heute fühle ich mich in besonderer Weise aufgefordert, diese tausend Jahre alte Gemeinschaft von Hirten Christi, Priestern und Laien, zu danken, denn durch das Zeugnis ihrer Heiligkeit, durch diese Atmosphäre des Glaubens, die sie im Laufe von zehn Jahrhunderten in Krakau geprägt haben und noch prägen, wurde es möglich, dass am Ende dieses Jahrtausends, hier am Ufer der Weichsel und am Fuße der Wawel-Kathedrale, die Aufforderung Christi erklingt: „Petrus, weide meine Lämmer!“ (vgl. Joh 21,15). So wurde es möglich, dass sich die Schwäche des Menschen auf die Kraft des ewigen Glaubens, der Liebe und Hoffnung dieser Erde stützt und antwortet: „Im Gehorsam des Glaubens vor Christus, meinem Herrn, im tiefen Vertrauen zur Mutter Christi und der Kirche und im Wissen um die großen Schwierigkeiten, nehme ich an“. 5. Salvum fac populum tuum, Domine, et benedic hereditati tuae. Et rege eos, et extolle illos utque in aetemum. „Rette dein Volk, o Herr, und segne dein Erbe, und führe sie und erhebe sie bis in die Ewigkeit.“ Die Kirche von Krakau hat im Laufe ihrer Geschichte viele Stürme und Prüfungen überlebt. Allein unser Jahrhundert zeigt uns, dass sie zuerst der zerstörerischen Macht des Krieges und der Besetzung standgehalten und trotz der schmerzvollen 382 REISEN Verluste ihre Würde bewahrt hat, vor allem dank der unbeugsamen Haltung von Kardinal Adam Sapieha. In den fünfzig Jahren der Nachkriegszeit hat die Kirche die neuen Herausforderungen angenommen, die der kommunistische Totalitarismus zusammen mit der atheistischen Ideologie mit sich gebracht hatte. Sie überstand die Zeit der Verfolgung ohne etwas von der Kraft ihres Zeugnisses zu verlieren. Die tiefe Einheit der Gemeinden, der Hirten und Gläubigen, das große Werk der Religionserziehung der Jugendlichen und der Dienst der Barmherzigkeit erwiesen sich damals als starke, auf dem Fundament eines festen Glaubens gegründete Pfeiler. Ich kann hier auch nicht umhin, meinen Vorgänger auf dem Stuhl des hl. Stanislaus, Erzbischof Eugeniusz Baziak, zu erwähnen. Ein besonderer Faktor in der Erneuerung der Krakauer Kirche waren die Arbeiten der Pastoralsynode dieser Erzdiözese in den Jahren 1972—1979. Ich erinnere mich an das enorme Engagement der Gläubigen in den Synodengruppen und in der Arbeit der einzelnen Kommissionen, sowie an die tiefgehenden Überlegungen der Kirche von Krakau über sich selbst. Es war eine eingehende Analyse der Vergangenheit und der Gegenwart und ein Ausblick auf die Zukunft zugleich. Während wir heute für die glanzvolle Vergangenheit dieser Kirche danken, sollten wir auch auf das Heute und das Morgen schauen. Wir müssen uns die Frage stellen: Was hat unsere Generation mit diesem Erbe gemacht? Lebt das Gottesvolk dieser Kirche auch weiterhin von der Tradition der Apostel, der Sendung der Propheten und dem Blut der Märtyrer? Wir müssen eine Antwort auf diese Fragen geben, denn nach dieser Antwort muss die Zukunft ausgerichtet werden. Darin soll sich nämlich zeigen, dass der Schatz des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, den unsere Väter in allen Auseinandersetzungen bewahrt und an uns weitergegeben haben, nicht verloren geht in einer Generation, die schläfrig - nicht mehr wie in Wyspianskis Stück „Die Hochzeit” vom Traum von Freiheit träumt, sondern von der Freiheit selbst. Wir tragen eine große Verantwortung für die Entwicklung des Glaubens, für die Rettung des heutigen Menschen und für das Schicksal der Kirche im kommenden Jahrtausend. Daher bitte ich euch, Brüder und Schwestern, wie der hl. Paulus: Nehmt euch die gesunde Lehre zum Vorbild, und bleibt beim Glauben und bei der Liebe in Jesus Christus. Bewahrt das euch anvertraute kostbare Gut durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in euch wohnt (vgl. 2 Tim 1,13-14). Tragt es ins dritte Jahrtausend der Christenheit mit dem Stolz und der Bescheidenheit der Zeugen. Vermittelt den künftigen Generationen die Botschaft der göttlichen Barmherzigkeit, der es gefiel, diese Stadt auszuwählen, um sich der Welt zu offenbaren. Am Ende des 20. Jahrhunderts scheint die Welt diese Botschaft nötiger zu brauchen denn je. Bringt sie in die neue Zeit als Keim der Hoffnung und Unterpfand des Heils. Barmherziger Gott, unterstütze das Volk dieser Gegend mit deiner Gnade. Mache die Söhne und Töchter dieser Kirche zu einer Generation von Zeugen für die kommenden Jahrhunderte. Gib, dass durch die Kraft des Heiligen Geistes die Kirche in Krakau und im ganzen Land das Werk der Heiligung fortsetzt, das du ihr vor tausend Jahren anvertraut hast. 383 REISEN Fiat misericordia tua, Domine, super nos, quemadmodum speravimus in te. In te, Domine, speravi: non confundar in aetemum. „Laß über uns dein Erbarmen geschehn, wie wir gehofft auf dich. Auf dich, o Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt, in Ewigkeit werde ich nicht zuschanden.“ Wir werden nicht zuschanden. Amen. Worte von Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano am Schluss der heiligen Messe, die er stellvertretendfür den Papst feierte: Liebe Konzelebranten, Brüder und Schwestern im Herrn, am Ende dieser feierlichen Dankesmesse spüre ich die Pflicht, meinerseits ein Wort in der Sprache Dante Alighieris hinzuzufügen. Ich danke euch für euer großes Beispiel des Glaubens, und ich danke euch insbesondere für die große Liebe, die ihr zum Heiligen Vater habt. Auch wenn wir einen Regentag gehabt haben, hat Krakau gezeigt, dass es die Stadt der Freude ist. Fahrt fort, für den Papst zu beten nach dem schönen liturgischen Gebet „Dominus conservet eum“. Im Namen der anwesenden Kardinale und des Gefolges des Papstes danke ich auch der Gemeinschaft von Krakau, dass sie der Kirche von Rom und der Gesamtkirche einen großen Hirten, wie es unser geliebter Papst ist, gegeben hat. Geliebte Kirche von Krakau, ich grüße dich von Herzen und wünsche dir, du mögest große Früchte an Gutem bringen auch im neuen christlichen Jahrtausend. Dziekuje bardzo. Gott ist die Liebe Ansprache bei der Begegnung mit der Bevölkerung im Aeroklub in Gleiwitz [Gliwice] am 15. Juni 1. „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es“ (7 Joh 3,1). Unsere heutige Zusammenkunft führt uns unmittelbar in die Tiefen des Geheimnisses der Liebe Gottes. In diesem Sinne nehmen wir an der Vesper zu Ehren des Heiligsten Herzens Jesu teil, die es uns gestattet die Liebe Gottes zu den Menschen zu erleben und zu erfahren. „Denn Gott hat die Welt so geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ {Joh 3,16). Gott liebt die Welt und er liebt sie bis zum Ende. Das Herz seines Sohnes, das am Kreuz durchbohrt und geöffnet wurde, ist ein tiefes, endgültiges Zeugnis dieser göttlichen Liebe. Der hl. Bonaventura schreibt: „Darum verfügte Gott, daß einer der Soldaten diese Seite durchbohrte und öffnete“ {Stundengebet, Bd. III, S. 601). 384 REISEN Wir stehen unruhigen Herzens und demütig vor dem großen Geheimnis Gottes, der die Liebe ist. Heute wollen wir ihm hier in Gliwice unser Lob darbringen und unsere tiefe Dankbarkeit erweisen. Mit großer Freude komme ich zu euch, denn ihr liegt mir sehr am Herzen. Überhaupt liegt mir das ganze Volk Schlesiens sehr am Herzen. Als Metropolit von Krakau pilgerte ich jedes Jahr zur Mutter Gottes von Piekary, wo wir uns zum gemeinsamen Gebet versammelten. Ich war damals für jede Einladung dankbar. Es war für mich jedesmal ein tiefgreifendes Erlebnis. Doch in der Diözese Gliwice bin ich nun zum ersten Mal, denn sie ist noch eine recht junge Diözese, die erst vor einigen Jahren errichtet wurde. Und so grüße ich euch alle ganz herzlich. Besonders gilt mein Gruß eurem Bischof Jan und Weihbischof Gerard. Auch grüße ich den Klerus, die Ordensfamilien und alle Personen des geweihten Lebens sowie das ganze Volk der Gläubigen dieser Diözese. Es ist mir eine Freude, dass zu den Stationen meiner Pilgerreise durch unser Heimatland auch Gleiwitz gehört, eine Stadt, die ich schon des Öfteren besucht habe und mit der mich besondere Erinnerungen verbinden. Mit großer Freude komme ich in diese Region, deren Bewohner es gewohnt sind, hart zu arbeiten: es ist die Region der polnischen Bergarbeiter. Es ist die Region der Stahlwerke, Bergwerke und der Hochöfen. Es ist dies aber auch eine Gegend mit reicher religiöser Tradition. Mein Herz und meine Gedanken gelten heute euch, die ihr hier anwesend seid, sowie allen Menschen hier in Oberschlesien und überhaupt in ganz Schlesien. Euch alle grüße ich im Namen des einen und dreifältigen Gottes. 2. „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,16). Diese Worte des Evangelisten Johannes bilden das Leitthema dieser Pilgerreise des Papstes durch Polen. Am Vorabend des Großen Jubiläums des Jahres 2000 muss diese freudige und großartige Nachricht von einem Gott, der die Liebe ist, der Welt wieder neu übermittelt werden. Gott ist eine Wirklichkeit, die unserem Fassungsvermögen entgeht. Eben weil er Gott ist, können wir seine Unendlichkeit mit unserem Verstand nicht begreifen noch ihn in unsere engen menschlichen Dimensionen einschließen. Er ist es, der uns ermisst, der uns regiert, uns leitet und uns versteht, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Aber dieser in seinem Wesen unerreichbare Gott ist den Menschen nahe gekommen durch seine väterliche Liebe. Die Wahrheit über Gott, der die Liebe ist, stellt fast eine Synthese und gleichzeitig den Höhepunkt all dessen dar, was Gott uns über sich selbst offenbart hat. All das, was er selbst ist, hat er uns durch die Propheten und durch Christus gesagt. Gott hat diese Liebe in verschiedener Weise geoffenbart: zuerst tat er dies im Geheimnis der Schöpfung; sie ist das Werk der Allmacht Gottes, begleitet von seiner Weisheit und seiner Liebe. „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir so lange die Treue bewahrt“ - so spricht Gott zu Israel durch den Mund des Propheten Jeremia (31,3). Gott liebte die Welt, die er geschaffen hat, vor allen Geschöpfen aber liebte er den Menschen. Selbst als der Mensch gegen diese ursprüngliche Liebe aufbegehrte, hörte Gott nicht auf, ihn zu lieben, und er richtete ihn wieder auf von seinem Fall, weil er Vater ist und weil er die Liebe ist. In voll- 385 REISEN kommener und endgültiger Weise hat Gott seine Liebe in Christus - in seinem Kreuz und seiner Auferstehung - geoffenbart. Der hl. Paulus sagt: „Gott aber, der voll Erbarmen ist, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus wieder lebendig gemacht“ (Eph 2,4—5). In der diesjährigen Botschaft an die Jugendlichen habe ich geschrieben: „Der Vater liebt euch.“ Diese großartige Botschaft ist im Herzen des gläubigen Menschen aufbewahrt, der wie der Jünger, den Jesus liebte, sein Haupt an die Brust des Meisters lehnt und dem lauscht, was dieser ihm anvertraut: „...wer mich aber liebt, wird vom meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren“ (Joh 14,21). „Der Vater liebt euch“. Diese Worte unseres Herrn Jesus bilden den Mittelpunkt des Evangeliums. Kein anderer aber als Christus betont mehr, dass eine solche Liebe anspruchsvoll ist, denn er „war gehorsam bis zum Tod“ (Phil 2,8), und zeigte so auf vollkommene Weise, dass die Liebe einer Antwort von Seiten des Menschen bedarf. Sie erfordert die Treue zu den Geboten und zu der Berufung, die dem Menschen von Gott zuteil wird. 3. „Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen“ (1 Joh 4,16). Durch die Gnade ist der Mensch zum Bund mit seinem Schöpfer berufen. Nur er und kein anderer an seiner statt kann mit Glauben und Liebe antworten. Diese Antwort hat hier in Schlesien nie gefehlt. Ihr habt sie Gott Jahrhunderte lang in Form eurer christlichen Lebenweise gegeben. Ihr seid im Laufe der Geschichte stets mit der Kirche und ihren Hirten vereint und eng mit den religiösen Traditionen eurer Väter verbunden geblieben. Besonders aber war die lange Nachkriegszeit bis zu den Veränderungen, die in unserem Land im Jahre 1989 stattgefunden haben, für euch eine Zeit der Glaubensprüfung. Ihr habt treu bei Gott ausgeharrt und euch dem Atheismus, der Säkularisierung unseres Landes und dem Kampf gegen die Religion widersetzt. Ich erinnere mich noch gut, wie Tausende von schlesischen Arbeitern am Wallfahrtsort von Piekary entschlossen das Motto wiederholten: „Der Sonntag gehört Gott und uns.“ Ihr wart euch immer der Notwendigkeit des Gebetes und der Gebetsstätten, bewusst. Deshalb hat es euch nie an Willen und an Großzügigkeit gefehlt, euch für die Errichtung neuer Kirchen und Gotteshäuser einzusetzen, die damals in den Städten und Dörfern Oberschlesiens in großer Zahl entstanden sind. Auch das Wohlergehen der Familie lag euch am Herzen. Deshalb habt ihr euch auch für die Rechte der Familie eingesetzt, besonders aber für das Recht auf freie Glaubenserziehung eurer Kinder und Jugendlichen. Oft habt ihr euch an Wallfahrtsorten oder an vielen anderen Orten, die euch viel bedeuten, versammelt, um dort eure Verbundenheit mit Gott zum Ausdruck zu bringen und für ihn Zeugnis abzulegen. Auch mich hattet ihr zu diesen gemeinsamen Feiern hier in Schlesien eingeladen, und ich habe euch immer sehr gern das Wort Gottes verkündet, denn ihr brauchtet damals, in jener schwierigen Zeit des Kampfes für die Erhaltung der christlichen Identität Worte der Stärkung, um so die Kraft aufzubringen, „Gott mehr zu gehorchen als den Menschen“ (vgl. Apg 5,29). 386 REISEN Wir schauen auf die Vergangenheit zurück und danken heute der Vorsehung für diese Prüfungen der Treue zu Gott, zum Evangelium, zur Kirche und ihren Hirten. Es war dies auch eine Prüfung der Verantwortung für die Nation, für das christliche Vaterland und sein tausend Jahre altes kulturelles Erbe, das trotz vieler Heimsuchungen nicht zerstört wurde oder in Vergessenheit geriet. Dies geschah so, weil „ihr die Liebe, die Gott für euch empfindet, erkannt und an sie geglaubt habt“ und weil ihr darauf Gott immer mit Liebe antworten wolltet. 4. „Wohl dem Mann, der nicht dem Rat der Frevler folgt, nicht auf dem Weg der Sünder geht, nicht im Kreis der Spötter sitzt, sondern Freude hat an der Weisung des Herrn, über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht“ (Ps 1,1-2). Wir haben die Worte des Psalmisten in der kurzen Lesung der heutigen Vesper gehört. Bleibt den Erfahrungen der früheren Generationen treu, die in diesem Land gelebt haben, Gott im Herzen und immer ein Gebet auf den Lippen trugen. Auf dass in Schlesien immer der Glaube und eine gesunde Moral, der wahre christliche Geist und die Beachtung der göttlichen Gebote siege. Bewahrt all das, was die Quelle der geistigen Kraft eurer Väter war, als euren größten Schatz. Sie wussten Gott in ihr Leben einzubeziehen und in Ihm alle Äußerungen des Bösen zu besiegen. Ein vielsagendes Symbol dessen ist der Bergmannsgruß „Gott sei dir gnädig!“. Haltet euer Herz immer offen für die durch das Evangelium verkündeten Werte. Bewahrt sie, denn sie machen eure Identität aus. Liebe Brüder und Schwestern, ich möchte euch auch sagen, dass ich die Schwierigkeiten, Ängste und Nöte kenne, unter denen ihr zur Zeit leidet. Es sind die Ängste und Nöte der arbeitenden Bevölkerung in dieser Diözese und in ganz Schlesien. Mir sind auch die Gefahren bewusst, die mit diesem Zustand besonders für viele Familien und das ganze gesellschaftliche Leben einher gehen. Sowohl die Gründe für diese Situation als auch die möglichen Lösungen müssen sorgfältig bedacht werden. Davon hatte ich auf dieser Reise bereits in Sosnowiec gesprochen. Heute wende ich mich erneut an all meine Landsleute hier in der Heimat. Baut die Zukunft des Landes auf die Liebe zu Gott und den Menschen, auf die Beachtung der Gebote Gottes und auf das Leben der Gnade. Denn selig ist der Mensch und selig die Nation, die am Gesetz des Herrn Gefallen finden. Das Bewusstsein, dass Gott uns liebt, sollte uns auch zur Liebe zu den Menschen bewegen, und zwar zu allen Menschen ohne Ausnahme und ohne sie in Freund und Feind einzuteilen. Die Liebe zum Menschen besteht darin, für jeden das wirklich Gute zu wünschen. Sie besteht auch dar, für dieses Gute Sorge zu tragen und jegliche Form von Bösem und Ungerechtigkeit zurückzuweisen. Man muss immer und ausdauernd die Wege zu einer gerechten Entwicklung für alle suchen, um - so sagt das Konzil - „das Leben humaner zu machen“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 38). Mögen in unserem Land Liebe und Gerechtigkeit blühen und täglich im Leben der Gesellschaft Frucht bringen. Nur mit ihrer Hilfe kann dieses Land zu einer glücklichen Heimstatt werden, denn ohne große und wahre Liebe gibt es keine solche Heimstatt für den Menschen. Auch wenn man große Erfolge im Bereich der mate- 387 REISEN riellen Entwicklung erzielen könnte, wäre man dennoch ohne Liebe und Gerechtigkeit zu einem sinnlosen Leben verdammt. „Der Mensch ist auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 24). Er ist berufen, am Leben Gottes teilzunehmen; er ist berufen zur Fülle der Gnade und der Wahrheit. Die eigene Größe, den Wert und die Würde seines eigenen Menschseins findet der Mensch eben in dieser Berufung. Gott, der die Liebe ist, sei das Licht eures Lebens für heute und die kommenden Zeiten. Er sei das Licht für unser ganzes Heimatland. Baut eine Zukunft auf, die des Menschen und seiner Berufung würdig ist. Eure Anliegen und Probleme und die eurer Familien trage ich der Mutter Gottes vor, die in so vielen Heiligtümern dieser Diözese und in ganz Schlesien verehrt wird. Sie soll euch die Liebe zu Gott und zum Menschen lehren, wie sie von ihr selbst in ihrem eigenen Leben praktiziert wurde. Euch allen rufe ich zu: „Gott sei euch gnädig!“ Freiheit und Verantwortung - Wegzeichen zur Heiligkeit Predigt während der hl. Messe zur Heiligsprechung der sei. Schwester Cunegonda [Kinga] vor dem Klarissenkloster von Stary Sacz [Alt-Sandecz ] am 16. Juni 1. „Die Heiligen vergehen nicht. Die Heiligen leben von den Heiligen und dürsten nach Heiligkeit.“ Liebe Schwestern und Brüder! Vor fast dreiunddreißig Jahren sprach ich diese Worte in Stary Sacz während der Tausendjahrfeier. Ich nahm dabei Bezug auf einen besonderen Anlass: Damals kamen nämlich die Einwohner der Gegend von Sacz und des Umlands in jener Stadt zusammen, und diese ganze, große Versammlung des Gottesvolkes - unter der Leitung des Kardinalprimas Stefan Wyszynski und des Bischofs von Tamow, Jerzy Ablewicz, - betete zu Gott für die Heiligsprechung der sei. Kinga. Wie sollte man diese Worte also nicht an dem Tag wiederholen, an dem es mir durch die göttliche Vorsehung gegeben ist, ihre Heiligsprechung vorzunehmen, so wie es mir vor zwei Jahren gegeben war, Königin Hedwig, die Herrin vom Wawel, heiligzusprechen? Die eine wie die andere kam aus Ungarn zu uns; sie traten in unsere Geschichte ein und blieben im Gedächtnis der Nation. Genau wie Hedwig hat auch Kinga dem unerbittlichen Gesetz der Zeit, die alles auslöscht, standgehalten. Jahrhunderte sind vergangen, und nicht nur ist der Glanz ihrer Heiligkeit nicht erloschen, sondern er strahlt den aufeinander folgenden Generationen immer stärker. Sie haben diese Tochter des ungarischen Königs, Fürstin von Malopolska, Gründerin und Ordensffau des Klosters von Sacz, nicht vergessen. Dieser Tag ihrer Heiligsprechung ist der schönste Beweis dafür, Gelobt sei Gott in seinen Heiligen! 388 REISEN 2. Bevor wir im Geiste die Wege der Heiligkeit von Prinzessin Kinga zurückverfolgen, um Gott für das Werk seiner Gnade zu danken, möchte ich alle begrüßen, die sich hier eingefunden haben, und auch die ganze Kirche der schönen Gegend von Tamow, zusammen mit Bischof Wiktor, den Weihbischöfen Wladislaw und Jan und dem lieben emeritierten Bischof Piotr. Ich grüße alle Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, darunter besonders die Klarissenschwestem. Einen herzlichen Gruß richte ich an unsere Gastgeber die Einwohner von Stary Sacz. Ich weiß, dass diese Stadt für ihre Verbundenheit mit der hl. Kinga berühmt ist. Eure ganze Stadt scheint ihr Heiligtum zu sein. Ich grüße auch Nowy Sacz, eine Stadt, deren Schönheit und gute Funktionsweise mich immer fasziniert haben. Im Herzen umarme ich die ganze Diözesangemeinschaft, jede Familie und die Alleinstehenden, alle Kranken und jene, die durch Radio und Fernsehen an dieser Liturgie teilnehmen. Alle Gnade dessen, der Ursprung und Ziel all unserer Heiligkeit ist, sei mit euch! 3. „Die Heiligen leben von den Heiligen.“ In der ersten Lesung haben wir eine prophetische Ankündigung gehört: Wie strahlendes Licht wirst du bis an die Grenzen der Erde leuchten. „Von weither werden die Völker kommen, um den Namen des Herrn, unseres Gottes, zu preisen {Tob 13,13). Diese Worte des Propheten beziehen sich in erster Linie auf Jerusalem, die Stadt, die von der besonderen Gegenwart Gottes in seinem Tempel geprägt ist. Wir wissen jedoch, dass seit Christi Tod und Auferstehung - „Christus ist nicht in ein von Menschenhand errichtetes Heiligtum hineingegangen, in ein Abbild des wirklichen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt für uns vor Gottes Angesicht zu erscheinen“ (Hebr 9,24) - sich diese Prophezeiung an all jenen Menschen erfüllt, die Jesus auf demselben Wege zum Vater nachfolgen. Von da an handelt es sich nicht mehr um das Licht im Tempel von Jerusalem, sondern um den Glanz Christi, der die Zeugen seiner Auferstehung erleuchtet und zahlreiche Nationen und die Einwohner aller Teile der Erde zum heiligen Namen Gottes hinzieht. Von Geburt an hatte die hl. Kinga diese heilsbringende Ausstrahlung der Heiligkeit auf wunderbare Weise erfahren, denn sie kam im ungarischen Königshaus von Bela IV. aus der Arpaden-Dynastie zur Welt. Dieses königliche Geschlecht pflegte das Glaubensleben mit großem Eifer und brachte bedeutende Heilige hervor: Daraus stammte der hl. Stefan, der Hauptpatron Ungarns, und sein Sohn, der hl. Emmerich. Die Frauen nehmen unter den Heiligen aus der Familie der Arpaden einen besonderen Platz ein: die hl. Ladislawa, die hl. Elisabet von Thüringen, die hl. Hedwig von Schlesien, die hl. Agnes von Prag, und schließlich die beiden Schwestern von Kinga - die hl. Margareta und die sei. Jolante. Ist es nicht ganz offensichtlich, dass das Licht der Heiligkeit ihrer Familie Kinga dem hl. Namen Gottes zugeführt hat? Sollte das Vorbild der heiligen Vorfahren, Geschwister und Angehörigen etwa keine Spuren in ihrer Seele hinterlassen haben? Die Saat der Heiligkeit, die im Vaterhaus ins Herz Kingas gestreut wurde, fand in Polen einen guten Nährboden. Als sie 1239 zuerst nach Wojnicz und dann nach 389 REISEN Sandomierz kam, knüpfte sie herzliche Beziehungen zur Mutter ihres künftigen Gemahls, Grzymislawa, und zu deren Tochter Salomea. Beide zeichneten sich durch eine tiefe Religiosität, einen asketischen Lebensstil und Liebe zum Gebet, zum Lesen der Hl. Schrift und der Heiligenbiographien aus. Ihre freundschaftliche Gesellschaft hatte großen Einfluss auf Kinga - besonders während der ersten, schwierigen Jahre ihres Aufenthalts in Polen. Das Ideal der Heiligkeit reifte in ihrem Herzen immer weiter heran. Sie suchte nach Vorbildern, denen sie folgen konnte und die ihrem Rang entsprachen, und wählte sich als besondere Patronin ihre heilige Verwandte - die Herzogin Hedwig von Schlesien. Darüber hinaus wollte sie Polen einen Heiligen vor Augen stellen, der für alle Staaten und alle Regionen ein Meister der Liebe zum Vaterland und zur Kirche werden sollte. Daher setzte sie sich - zusammen mit dem Bischof von Krakau, Prandota von Bialaczew - ganz besonders intensiv für die Heiligsprechung des Märtyrers von Krakau, des Bischofs Stanislaus von Szczepanow, ein. Zweifellos stand ihre Spiritualität auch unter dem starken Einfluss des hl. Hyazinth, der zu jener Zeit lebte, des sei. Sadok, der sei. Bronislawa, der sei. Salomea, der sei. Jolante, Kingas Schwester, und all jener, die im damaligen Krakau zur Bildung eines besonderen Glaubensumfelds beigetragen hatten. 4. Wenn wir heute von Heiligkeit, vom Wunsch nach Heiligkeit und von ihrer Erreichung sprechen, sollten wir uns fragen, wie man eine Umgebung schaffen kann, die dem Streben nach Heiligkeit zuträglich ist. Was kann man tun, damit Familie, Schule, Arbeitsplatz, Büro, Dörfer und Städte und schließlich das ganze Land zu einer Wohnstätte für Heilige werden, die durch ihre Güte, ihre Treue zum Lehramt Christi und das Zeugnis des täglichen Lebens Einfluss nehmen und auf diese Weise das geistige Wachstum jedes Menschen fordern? Die hl. Kinga und alle Heiligen und Seligen des 13. Jahrhunderts antworten darauf: Man muss Zeugnis geben. Man muss mutig sein, um den eigenen Glauben nicht unter den Scheffel zu stellen. Schließlich muss in den Herzen der Gläubigen jener Wunsch nach Heiligkeit wohnen, der nicht nur das Privatleben prägt, sondern sich auf die ganze Gesellschaft auswirkt. Im Brief an die Familien schrieb ich: „Durch die Familie hindurch fließt die Geschichte des Menschen, die Geschichte der Errettung der Menschheit... Die Familie befindet sich im Zentrum des großen Kampfes zwischen Gut und Böse, zwischen Leben und Tod, zwischen der Liebe und allem, was sich der Liebe widersetzt. Der Familie ist die Aufgabe anvertraut, vor allem für die Befreiung der Kräfte des Guten zu kämpfen, dessen Quelle sich in Christus, dem Erlöser des Menschen, befindet. Es gilt, darauf hinzuwirken, dass diese Kräfte einem jedem Familienkem zu eigen werden, damit - wie anlässlich des Tausendjahrjubiläums der Christianisierung Polens gesagt wurde - die Familie ,Festung Gottes“ sei“ (Nr. 23). Heute stütze ich mich auf die stete Erfahrung der hl. Kinga und wiederhole diese Worte hier unter den Einwohnern von Sacz, die durch die Jahrhunderte, und oft 390 REISEN zum Preis großer Opfer und Verzichte, ihre Sorge um die Familie und ihre große Liebe zum Familienleben unter Beweis stellten. Zusammen mit der Patronin dieser Gegend bitte ich alle meine Landsleute: Die polnischen Familien mögen ihrem Glauben an Christus treu bleiben! Bleibt entschlossen an der Seite Christi, damit Er in euch bleibt! Lasst es nicht zu, dass das Licht der Heiligkeit in euren Herzen, in den Herzen der Väter und Mütter, der Söhne und Töchter erlischt! Der Glanz dieser Heiligkeit präge die kommenden Generationen von Heiligen zur Ehre des Namens Gottes! „Tertio millennio adve-niente.“ Brüder und Schwestern! Habt keine Angst davor, nach Heiligkeit zu streben! Fürchtet euch nicht, heilig zu sein! Macht aus dem Jahrhundert, das bald zu Ende geht, und aus dem neuen Jahrtausend eine Epoche heiliger Menschen! 5. „Die Heiligen dürsten nach Heiligkeit.“ Dieser Durst war im Herzen Kingas immer lebendig. Mit diesem Wunsch dachte sie über die Worte des hl. Paulus nach, die wir heute gehört haben: „Was die Frage der Ehelosigkeit angeht, so habe ich kein Gebot vom Herrn. Ich gebe euch nur einen Rat als einer, den der Herr durch sein Erbarmen vertrauenswürdig gemacht hat. Ich meine, es ist gut wegen der bevorstehenden Not, ja, es ist gut für den Menschen, so zu sein (7 Kor 7,25-26). Von dieser Weisung angeregt, hat Kinga sich durch das Keuschheitsgelübde mit ganzem Herzen Gott weihen wollen. Als sie daher - in Anbetracht der geschichtlichen Umstände - Fürst Boleslaw heiraten sollte, überzeugte sie ihn, zur Ehre Gottes enthaltsam zu leben; nach einer Probezeit von zwei Jahren legten die Eheleute vor dem Bischof Prandota ihre ewigen Keuschheitsgelübde ab. Dieser Lebensstil, der heute vielleicht schwer zu begreifen ist, der aber in der Tradition der frühen Kirche tief verwurzelt war, schenkte der hl. Kinga ihre innerliche Freiheit; dadurch konnte sie sich vorbehaltlos und mit voller Hingabe um die Dinge des Herrn kümmern und ein tief religiöses Leben fuhren. Heute schauen wir auf dieses große Zeugnis. Die hl. Kinga lehrt, dass sowohl die Ehe als auch die in Gemeinschaft mit Christus gelebte Jungfräulichkeit zu einem Weg der Heiligkeit werden können. Heute wird die hl. Kinga zur Beschützerin dieser Werte. Sie erinnert daran, dass der Wert der Ehe, dieser unauflöslichen Liebesverbindung zweier Menschen, in keinem Fall in Frage gestellt werden darf. Welche Schwierigkeiten auch immer auftreten mögen, man darf nicht auf die Verteidigung dieser ursprünglichen Liebe verzichten, denn sie hat zwei Personen miteinander vereint und wird unablässig von Gott gesegnet. Die Ehe ist der Weg der Heiligkeit, auch wenn sie zum Weg des Kreuzes wird. Die Mauern des Klosters von Stary Sacz, das von der hl. Kinga begründet wurde und wo sie ihr Leben beendete, scheinen heute zu bezeugen, wie sehr sie Keuschheit und Jungfräulichkeit schätzte; in diesem Stand sah sie zu Recht ein außerordentliches Geschenk, durch das der Mensch seine Freiheit auf ganz besondere Weise erfährt. Dann kann er diese innerliche Freiheit zum Ort der Begegnung mit Christus und dem Menschen auf dem Weg der Heiligkeit machen. Mit der hl. Kinga bitte ich am 391 REISEN Fuße dieses Klosters vor allem euch Jugendliche: Verteidigt eure innere Freiheit! Eine falsch verstandene Scham darf euch nicht davon abhalten, Enthaltsamkeit zu pflegen! Die Mädchen und Jungen, die von Christus berufen sind, ihre Jungfräulichkeit das ganze Leben zu bewahren, sollen wissen, dass dies ein Privileg ist, durch das sich das mächtige Wirken des Heiligen Geistes am deutlichsten offenbart. Es gibt noch ein weiteres Merkmal des Geistes der hl. Kinga, das sich mit ihrem Streben nach Heiligkeit verband. Als Fürstin wusste sie sich auch in dieser Welt um die Dinge des Vaters zu kümmern. An der Seite ihres Mannes beteiligte sie sich an den Regierungsgeschäften und bewies dabei Willensstärke und Mut, Großzügigkeit und Umsicht für das Wohl des Landes und der Untertanen. Während der Wirren im Innern des Staates, während der Machtkämpfe in einem in Regionen unterteilten Reich und während der verheerenden Einfälle der Tataren zeigte sich die hl. Kinga den damaligen Herausforderungen gewachsen. Mit großem Eifer setzte sie sich für den Zusammenhalt des Erbes der Piasten ein und zögerte nicht, die vom Vater erhaltene Mitgift wegzuschenken, um ihr Land aus den Trümmern zu erheben. Mit ihrem Namen sind die Salzbergwerke von Wie-liczka und Bochnia bei Krakau verbunden. Vor allem aber berücksichtigte sie die Bedürfnisse ihrer Untertanen. Das bestätigen ihre alten Lebensbeschreibungen, die bezeugen, dass sie vom Volk „Trösterin“, ,,Ärztin“, „Ernährerin“ und „Heilige Mutter“ genannt wurde. Da sie auf eine natürliche Mutterschaft verzichtet hatte, wurde sie zur wahren Mutter für viele. Sie bemühte sich auch um die kulturelle Entfaltung der Nation. Ihrer Person und dem hiesigen Kloster verdanken wir die Entstehung wahrer Denkmäler der Literatur, wie zum Beispiel das erste Buch in polnischer Sprache: Zoltarz Dawidow -Psalter Davids. All das fügt sich in ihre Heiligkeit ein. Und wenn wir heute fragen: Wie kann man Heilig-Sein lernen und wie kann man Heiligkeit verwirklichen?, scheint die hl. Kinga zu antworten: Man muss sich um die Dinge des Herrn in dieser Welt kümmern. Sie bezeugt, dass die Erfüllung dieser Aufgabe in der steten Bemühung um den Erhalt der Übereinstimmung zwischen Glauben und Leben besteht. Die heutige Welt braucht die Heiligkeit der Christen, die unter den normalen Bedingungen des Familien- und Berufslebens ihre täglichen Verpflichtungen übernehmen; die den Wunsch haben, den Willen des Schöpfers zu tun und den Menschen jeden Tag zu dienen, und auf diese Weise auf seine ewige Liebe antworten. Dies betrifft die verschiedenen Lebensbereiche wie auch die Politik, die Wirtschaft, die soziale und gesetzgeberische Tätigkeit (vgl. Christifideles laici, Nr. 42). Auf diesen Gebieten darf es nie an Dienstbereitschaft, Ehrlichkeit, Wahrheit und Sorge um das Gemeinwohl fehlen - auch zum Preis eines selbstlosen Verzichts auf das eigene Wohl, nach dem Vorbild der heiligen Fürstin dieser Gegend. Möge es auch in diesen Bereichen nicht am Durst nach Heiligkeit fehlen, die man durch das kompetente und in einem Geist der Gottes- und Nächstenliebe ausgeführte Dienen erreicht! 392 REISEN 6. „Die Heiligen vergehen nicht.“ Wenn wir unseren Blick fest auf die Gestalt Kingas richten, stellt sich eine ganz wesentliche Frage: Was machte sie zu einer Persönlichkeit, die, in einem gewissen Sinne, nicht vergeht? Was ermöglichte ihr, im Gedächtnis der Polen und besonders in dem der Kirche zu überleben? Welchen Namen hat diese Kraft, die dem unerbittlichen Gesetz „Alles ist vergänglich“ standhält? Diese Kraft heißt Liebe. Das heutige Evangelium von den zehn weisen Jungfrauen spricht ebenfalls von der Liebe. Kinga war mit Sicherheit eine von ihnen. Wie sie ging Kinga dem göttlichen Bräutigam entgegen. Wie sie wachte sie mit der entzündeten Lampe ihrer Liebe, um den Augenblick der Ankunft des Bräutigams nicht zu verpassen. Wie sie begegnete sie ihm bei seiner Ankunft und wurde zum Hochzeitsmahl eingeladen. Die Liebe des göttlichen Bräutigams äußerte sich im Leben der Fürstin Kinga in vielen Taten der Liebe gegenüber ihren Nächsten. Und es war eben jene Liebe, die dazu geführt hat, dass die Vergänglichkeit, der jeder Mensch auf Erden unterworfen ist, die Erinnerung an sie nicht ausgelöscht hat. Das möchte die Kirche auf polnischem Boden nach so vielen Jahrhunderten heute zum Ausdruck bringen. „Die Heiligen leben von den Heiligen und dürsten nach Heiligkeit.“ Noch einmal wiederhole ich diese Worte hier im Land von Sacz. Kinga bekam diese Heiligkeit geschenkt im Tausch für ihre Mitgift, die sie für die Rettung des Landes bestimmte, und diese Gegend war immer ihr besonderes Eigentum. Sie sorgt sich allezeit um das treue Volk, das hier lebt. Wie sollten wir ihr nicht danken für den Schutz der Familien, vor allem der vielen kinderreichen Familien dieser Region, auf die wir mit Bewunderung und Hochachtung schauen? Wie sollten wir ihr nicht danken, wo sie doch für diese kirchliche Gemeinschaft die Gnade so zahlreicher Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben erbittet? Wie sollten wir ihr nicht dafür danken, dass sie uns heute hier versammelt, im gemeinsamen Gebet die Brüder und Schwestern aus Ungarn, aus der Tschechischen Republik, aus der Slowakei und aus der Ukraine vereint und auf diese Weise die Tradition der spirituellen Einheit wiederbelebt, die sie selbst mit so viel Hingabe geformt hatte? Voller Dankbarkeit loben wir Gott für das Geschenk der Heiligkeit der Herrin dieses Landes, und wir beten zu ihm, damit der Glanz dieser Heiligkeit in uns allen weiterstrahlt. Möge sich dieses wunderbare Licht im neuen Jahrtausend über alle Grenzen der Erde hinweg ausbreiten, damit die Völker von weither kommen, um den Namen des Herrn zu preisen (vgl. Tob 13,13), und seine Herrlichkeit sehen. „Die Heiligen vergehen nicht.“ Die Heiligen fordern Heiligkeit. Heilige Kinga, Herrin dieses Landes, erflehe uns die Gnade der Heiligkeit! Am Ende der Messe sprach der Papst folgendes Gebet: Gebet für baldige Rückkehr der Kosovo-Flüchtlinge Unter euch sind auch Flüchtlinge aus dem Kosovo, die hier in der Nähe in Golko-wice sowie in anderen polnischen Ortschaften Zuflucht gefunden haben. Ich bin froh, dass sie in unserem Land einen Platz und herzliche Aufnahme gefunden 393 REISEN haben. Ich bete zu Gott, dass sie möglichst bald in ihre Heimat zurückkehren und dort in Frieden leben können. Auch vertraue ich darauf, dass der Tragödie des Konfliktes schnell ein Ende gesetzt wird. Alle für das Schicksal der Bewohner des Balkan Verantwortlichen fordere ich auf, auf Aktionen zu verzichten, die Ursache von Zerstömngen und Menschenleiden sind. Marienverehrung im Volksbewusstsein früher und heute Homilie bei der Vesper in der Basilika der Seligen Jungfrau Maria in Wadowice mit Krönung des Marienbildes am 16. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Noch einmal komme ich im Laufe meines Dienstes für die Universalkirche auf dem Stuhl des hl. Petrus in meine Geburtsstadt Wadowice. Tief bewegt betrachte ich die Stadt meiner Kindheitsjahre, Zeugin meiner ersten Schritte, meiner ersten Worte und - wie [der Dichter] Norwid sagt - meiner „ersten Verneigungen“; diese letzteren sind „wie das ewige Bekenntnis Christi: ,Sei gelobt!“1 (vgl. Moja pio-senka - Mein Lied). Die Stadt meiner Kindheit, das Elternhaus, die Pfarrkirche, die Kirche meiner heiligen Taufe ... Ich möchte diese gastfreundlichen Schwellen überschreiten, mich vor der heimatlichen Erde und ihren Bewohnern verneigen und die Worte sagen, mit der sich die Mitglieder einer Familie nach der Rückkehr von einer langen Reise begrüßen: „Gelobt sei Jesus Christus!“ Das Haus lag hier meinem Rücken gegenüber in der Koscielna-Straße. Einmal schaute ich aus dem Fenster und sah die Sonnenuhr mit der Aufschrift: „Die Zeit flieht, die Ewigkeit wartet“. Mit diesen Worten grüße ich alle Bewohner von Wadowice - angefangen bei den ältesten, meinen Altersgenossen, mit denen ich seit meiner Kindheit und Jugend verbunden bin, bis hin zu den jüngsten, die zum ersten Mal den Papst sehen, der zu ihnen gekommen ist Ich begrüße den lieben Kardinal Franciszek und danke ihm, denn als Hirte dieses Erzbistums sorgt er sich ständig um meine Geburtsstadt. Ich begrüße die Weihbischöfe und emeritierten Bischöfe. Die Bischöfe Stanislaw, Albin, Jan, Kazimierz - an alle erinnere ich mich. Ich danke den Kardinälen und Bischöfen, die als Gäste hier sind und mich auf der ganzen Strecke meiner Pilgerreise stets begleiten. Ganz herzliche Grüße möchte ich an alle Priester richten, besonders an die der beiden Präfekturen von Wadowice, und unter ihnen an den Pfarrer dieser Gemeinde. Im Seminar nannten wir ihn Kub, Kuba Gil. Offiziell ist er Prälat Jakub Gil. Ich empfehle Gott den verstorbenen Priester Tadeusz Zacher und alle verstorbenen Priester, die ihren seelsorglichen Dienst in dieser Stadt ausübten. Alle. Den verstorbenen Prälat Prochownik seligen Angedenkens und die Katecheten: die Priester Rospond, Wlodyga, Pawela, sie alle trage ich in meinem Herzen bis hin zu Prälat Zajac. Es gibt eine Chronik des Herzens, die nicht vergeht. Von Herzen umfasse ich alle religiösen Kongregationen, die ihren Dienst in der Gegend 394 REISEN von Wadowice tun. So die Karmelitenpatres in Görka, die Pallottinerpatres in Kopiec, die Schwestern von Nazaret in der Straße des 3. Mai. Dort ging ich zum Kindergarten. Besonders möchte ich die Unbeschuhten Karmeliterpatres von Görka bei Wadowice begrüßen. In der Tat begegnen wir uns zu einem außerordentlichen Anlass: In dieses Jahr, genauer gesagt im August, fällt der 100. Jahrestag der Weihe der Kirche des hl. Josef bei dem Kloster, das vom hl. Raphael Kalinowski gegründet wurde. Wie in meiner Kindheit und Jugend so begebe ich mich auch jetzt im Geiste zu jenem Ort der besonderen Verehrung „Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel“, der auf die Spiritualität der Region Wadowice einen so großen Einfluss gehabt hat. Ich selbst empfing dort zahlreiche Gnaden, für die ich Gott heute danken möchte. Und die kleine Medaille trage ich noch, so wie ich sie, vor wenig mehr als zehn Jahre, von den Karmeliten in Görka erhalten habe. Ich freue mich, dass es mir gegeben war, zusammen mit 108 Märtyrern auch Pater Alfons Maria Mazurek seligzusprechen; er war ein Schüler und später verdienter Erzieher am Kleinen Seminar, das dem Kloster angeschlossen ist Ich selbst hatte die Möglichkeit, diesem Zeugen Christi persönlich zu begegnen: Im Jahr 1944 besiegelte er -damals als Prior des Klosters in Czema - seine Treue zu Gott mit dem Märtyrertod. Ich beuge meine Knie in Verehrung vor seinen sterblichen Überresten, die in der Kirche des hl. Josef ruhen, und danke Gott für das Geschenk des Lebens, des Martyriums und der Heiligkeit dieses bedeutenden Ordensmanns. 2. Jerusalem, „wegen des Hauses des Herrn, unseres Gottes, will ich dir Glück erflehen“ (vgl. Ps 122,9). Heute mache ich mir diese Worte des Psalmisten zu eigen und beziehe sie auf diese Stadt. Wadowice, die Stadt meiner Kindheit, wegen des Hauses - wegen des Vaterhauses und wegen des Hauses des Herrn - will ich dir Glück erflehen! Wie sollte ich nicht dieses Versprechen äußern, wenn die Vorsehung es mir heute gewährt hat, gewissermaßen auf einer Brücke zu stehen, die diese beiden Häuser -das Vaterhaus und das Gotteshaus — verbindet? Es ist eine außerordentliche und zugleich die natürlichste Verbindung zwischen zwei Orten, die wie keine anderen ihre Spuren im Herzen des Menschen hinterlassen. Mit kindlicher Herzlichkeit küsse ich die Schwelle meines Geburtshauses und danke der Vorsehung für das Geschenk des Lebens, das mir meine lieben Eltern gegeben haben, für die Wärme des heimischen Nests, für die Liebe meiner Angehörigen, die mir ein Gefühl der Sicherheit und Kraft gab, auch dann, wenn es in schwierigen Zeiten die Erfahrung des Todes und die Mühen des täglichen Lebens aufzunehmen galt. In tiefer Verehrung küsse ich auch die Schwelle des Gotteshauses - nämlich der Pfarrkirche von Wadowice, und darin das Taufbecken, bei dem ich in Christus eingefugt und in die Gemeinschaft seiner Kirche aufgenommen wurde. In dieser Kirche ging ich zu meiner ersten Beichte und empfing die erste hl. Kommunion. Hier war ich Messdiener. Hier dankte ich Gott für das Geschenk des Priestertums, und hier - damals schon als Erzbischof von Krakau — feierte ich mein 395 REISEN 25. Priesterjubiläum. Wie viel Gutes und wie viele Gnaden ich aus diesem Gotteshaus und dieser Pfarrgemeinde heimgetragen habe, das weiß nur der, der selbst alle Gnaden schenkt. Ihn, den einen und dreifältigen Gott, preise ich heute auf der Schwelle dieser Kirche. Schließlich richte ich meine Schritte wie in der Vergangenheit zur Kapelle des Hl. Kreuzes, um erneut das Antlitz der Muttergottes auf dem Marienbild von Wadowice zu betrachten. Ich tue dies mit umso größerer Freude, weil mir heute die Gelegenheit gegeben ist, dieses Bild - als Zeichen unserer Liebe zur Mutter des Erlösers und zu ihrem göttlichen Sohn - mit Kronen zu schmücken. Und dieses Zeichen ist umso wichtiger, weil diese Kronen - so wurde mir berichtet - mit euren oft sehr kostbaren Gaben gefertigt worden sind. Sie tragen in sich einen besonderen Inhalt an Erinnerungen, an Menschenschicksalen, an Prüfungen oder auch an edelsten familiären Empfindungen von Eheleuten und Verlobten. Diesem materiellen Geschenk habt ihr auch das große Geschenk des Geistes hinzugefiigt -das Gebet der vertrauensvollen Hingabe an die Mutter Christi, die eure Häuser besucht hat. Ihr könnt sicher sein, dass eure brennende Liebe zu Maria nie unbeantwortet bleibt, denn gerade diese gegenseitige Liebesbeziehung ist in einem gewissen Sinne Trägerin der Gnaden und Unterpfand der unablässigen Hilfe, die wir durch Maria von ihrem göttlichen Sohn erhalten. 3. „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ (Gal 4,4) - diese Worte des hl. Paulus, die wir heute gehört haben, fuhren uns gewissermaßen ins Herz dieses Mysteriums ein. Die Zeit war erfüllt, als sich das Geheimnis der Menschwerdung des ewigen Wortes erfüllt hatte. Seht, der Sohn Gottes kam zur Welt, um den Heilsplan des Vaters in die Tat umzusetzen, um die Erlösung des Menschen zu vollbringen und um ihm die verlorene Kindschaft zurückzugeben. In diesem Geheimnis nimmt Maria einen besonderen Platz ein. Gott berief sie, damit sie zu der Frau würde, durch die die Erbsünde der ersten Frau ausgelöscht werden sollte. Gott hatte in einem gewissen Sinn diese Vermittlung durch Maria notwendig. Er brauchte ihre freiwillige Zustimmung, ihren Gehorsam und ihre Hingabe, um seine ewige Liebe zum Menschen vollkommen zu offenbaren. Der Apostel der Nationen schreibt weiter: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater“ (Gal 4,6). Wir wissen auch, dass sich dieses Geschehnis in Anwesenheit Marias ereignet hat. So wie sie zu Beginn des Erlösungswerks Christi gegenwärtig war, so war sie auch zu Beginn der Kirche am Pfingsttag gegenwärtig. Sie wurde am Tag der Verkündigung mit dem Heiligen Geist erfüllt und war am Pfingsttag eine besondere Zeugin seiner Gegenwart. Sie verdankte ihre Mutterschaft dem Heiligen Geist und wusste daher die Bedeutung der Herabkunft des Trösters besser als alle anderen zu würdigen. Maria hat - wie keine andere - den Augenblick erkannt, an dem das Leben der Kirche begann, jener Gemeinschaft von Menschen nämlich, die, in Christus eingefügt, sich an Gott mit der Anrede: Abba! Vater! wenden können. Es gibt auf der Welt kein menschliches Wesen, das in demselben Maße in die Erfahrung der 396 REISEN dreifältigen Liebe des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes eingeführt wurde, wie Maria, die Mutter des menschgewordenen Wortes. Daher schauen wir, die wir uns auf das Große Jubiläum der Erlösung vorbereiten, besonders auf diejenige, die auf den Wegen des Heils unsere unersetzliche Führerin ist. Wenn das Jubeljahr uns in gewissem Sinne das vergegenwärtigen soll, was sich durch die Fleischwerdung des Sohnes erfüllte, dann müssen wir uns auf die Erfahrung des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung der Mutter Christi stützen. Dieser Bezug darf nicht fehlen, denn von Maria lernen wir diese Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist, durch die wir die Früchte des Todes und der Auferstehung Christi in überreicher Fülle genießen können. Unsere Vorfahren hingen immer sehr an ihrer Überzeugung bezüglich der unersetzlichen Rolle der Muttergottes im Leben der Kirche und jedes Christen. Im Laufe der vergangenen hundert Jahre haben die Einwohner von Wadowice dieser Rolle zu einem besonderen Ausdruck verholfen, wenn sie sich nämlich in Verehrung vor dem Bild der „Muttergottes von der Immerwährenden Hilfe“ versammelten und sie zur Mittlerin und Patronin ihres persönlichen, familiären und sozialen Lebens wählten. Leonard Prochownik, Pfarrer und Dechant, schrieb 1935: ,„Die Muttergottes von der immerwährenden Hilfe1 wird von uns verehrt. Sie hat ihre Kapelle, wo sich das wundertätige Bild befindet, und viele erfuhren und erfahren dort persönlich, wie sehr sie in den weltlichen und geistigen Bedürfnissen ihre Güte beweist und zu Hilfe eilt.“ Und so war es wirklich. Ich kann das persönlich bezeugen. Und ich glaube, dass es bis heute so geblieben ist. So sei es auch in Zukunft! 4. Während meines ersten Aufenthalts in Wadowice hatte ich euch gebeten, mich in euer ständiges Gebet vor dem Bild dieser Mutter einzuschließen. Ich sehe, dass meine Bitte in Stein gehauen wurde. Ich glaube, dass dies ein Zeichen dafür ist, dass diese Bitte meinerseits sich auch tief in eure Herzen eingeprägt hat. Deshalb danke ich euch heute herzlich für dieses Gebet. Ich spüre jederzeit seine Wirkung und bitte euch, weiterzubeten. Ich brauche euer Gebet sehr. Und auch die Kirche braucht es sehr. Die ganze Welt braucht es. Es gibt da aber noch etwas, für das ich danken möchte. Ich weiß, dass die Kirche von Krakau zusammen mit ihrem Kardinal in Wadowice einen besonderen Votivbau zum Dank an die Muttergottes errichtet hat: Nicht weit von hier wurde das „Haus der Einzigen Mutter“ gebaut. Dort finden die Frauen Zuflucht und Hilfe, die die Frucht ihrer Mutterschaft trotz aller Opfer und Widrigkeiten behalten wollen. Ich bin für dieses große Geschenk eurer Liebe zum Menschen und eures Engagements für das Leben dankbar. Meine Dankbarkeit ist umso größer, weil dieses Haus nach meiner Mutter Emilia benannt wurde. Ich meine, dass die Frau, die mich zur Welt brachte und meine Kindheit mit Liebe umgab, auch für dieses Werk sorgen wird. Euch hingegen bitte ich, dieses Haus auch weiterhin mit eurer Güte zu unterstützen. Wenn ich mich recht erinnere, liegt dieses Haus in der Mickiewicz-Straße. Die führt nach Ocznia; in dieser Straße liegt die Schule von Marcin Wadowita, die ich 397 REISEN acht Jahre besuchte. Vorher bin ich zur Grundschule gegangen, hier in diesem Gebäude, wo die Gemeindebüros sind. Danach bin ich zum humanistischen Gymnasium gegangen und habe während dieser Zeit Gymnastik betrieben in „Soköl“. Nach „Soköl“ ging man auch, um sich Theaterschauspiele anzusehen. Ich erinnere mich an Mieczyslaw Kotlarczyk, der das „Theater des Wortes“ schuf, ich erinnere mich an meine Gefährten und Gefährtinnen von Wadowice: Halina Krölikiewiczöwna-Kwiatkowska und Zbyszek Silkowski, der in dem Haus wohnte, das den Herrschaften Homme gehörte. Viele Erinnerungen. Nämlich hier, in dieser Stadt Wadowice hat alles begonnen: das Leben, die Schule, die Studien, das Theater... und das Priestertum. Auf den Gesang „Hundert Jahre ...“ antwortete der Papst: Es ist sehr viel leichter, es zu singen, als zu verwirklichen. Auf die freundliche Antwort „Wir helfen Dir“ sagte der Papst: Das habe ich schon in Gorzöw gehört; Gottes Wille soll geschehen. Dann setzte der Papst seine improvisierte Ansprache fort: Und dann ist da die Mickiewicz-Straße, weiter die Zatorska-Straße, hier die Krakauer-Straße. Dort war in alter Zeit Zbozny Rynek und dort Poczeka. Gegenüber von uns war Skawa. Hier war die Buchhandlung von Foltyn. Besteht sie noch? Nein. In jenem Haus dort wohnte Jurek Kluger, und weiter hinten war die Konditorei. Nach dem Diplom haben wir dort Cremekuchen gegessen. Gott sei Dank, dass es uns gelungen ist, das alles zu vertragen, alle diese Cremetorten nach dem Diplom. Hinter dem Gymnasium steigt die Slowacki-Straße an, dort ist die Karmelicka-Straße und ein wenig weiter der Park der Vereinigung zur Unterhaltung der Stadt Wadowice und ihrer Umgebung. Diese Dinge vergisst man nicht leicht. Hier ist die Tatrzanska-Straße, wo der Friedhof liegt, dann kommt die Pfarrkirche St. Petrus, danach Gorzen. Von Gorzen geht es nach Skawa herunter, auf der anderen Seite liegt Göra Jargowska und so bis zum Kalvarienberg. Hinter Kopiec liegt Klecza Dolna und nachher Klecza Görna, Warwal und am Ende Kalwaria Zebrzydowska. Aber jetzt ist es genug mit diesen Erinnerungen. Dieses Haus gehörte der Frau Maria Chodzinska. An der Straße des 3. Mai lag die Kaserne des 12. Batallions der Infanterie. Am 11. November und am 3. Mai waren die Feiern auf dem Marktplatz: die heilige Feld-Messe, dann die Parade vor der Kaserne. Auch wir haben an den Feierlichkeiten teilgenommen als Studentenmitglieder der Legion, noch nicht akademisch. Und so bis zum Kriegsende. Versuchen wir zu schließen. Dieses Haus ist immer sehr gastfreundlich bei meinen Begegnungen gewesen: Hier habe ich die Priesterweihe, die Weihe zum Bischof und die Erhebung zum Kardinal gefeiert. Viele Male bin ich im Hause der Herrschaften Homme gewesen, bei Zbyszyk Solkowski. So erinnere ich mich an alle Tage. Und auf der Bühne von Wadowice haben wir die großen Werke der Klassiker rezitiert, angefangen mit Antigone. Ich weiß nicht, ob das heute auch noch so ist. Jetzt machen wir aber wirklich Schluss. 398 REISEN Der Papst nahm dann den Text der vorbereiteten Rede wieder auf: 5. Sub tuumpraesidium... [Unter deinen Schutz ...] Unter deinen Schutz, Maria, fliehen wir. Deinem Schutz empfehlen wir die Geschichte dieser Stadt, der Kirche von Krakau und der ganzen Heimat. Deiner mütterlichen Liebe möchten wir die Geschicke eines jeden von uns, unserer Familien und der ganzen Gesellschaft anvertrauen. „Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern erlöse uns jederzeit von allen Gefahren.“ Maria, erbitte für uns die Gnade des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, damit wir - nach deinem Vorbild und unter deiner Leitung - das Zeugnis der Liebe des Vaters, des heilbringenden Todes und der Auferstehung des Sohnes und das heiligmachende Wirken des Heiligen Geistes ins neue Jahrtausend tragen. Sei allezeit mit uns! „Glorwürdige und gesegnete Jungfrau, unsere Frau, unsere Mittlerin, unsere Fürsprecherin, unsere Trösterin.“ Unsere Mutter! Amen. Maria — Vorbild und Orientierung für Polen Graßworte bei der Pilgerfahrt nach Tschenstochau [Jasna Göra] am 17. Juni 1. Maria, du bist seit jeher die Königin von Polen! Maria, lege ein Wort für uns ein! Auf der Route meiner Pilgerfahrt durch die Heimat durfte das Heiligtum von Jasna Göra nicht fehlen. Diese Stätte ist mir und auch euch, liebe Brüder und Schwestern, sehr ans Herz gewachsen. Wir haben uns zur Gewohnheit gemacht, hierher zu kommen und unsere persönlichen und familiären Probleme, aber auch die wichtigen Fragen, die die ganze Nation betreffen, vor die Mutter des Gottessohnes und unsere Mutter zu tragen - so wie es unsere Vorfahren jahrhundertelang getan haben. Wir haben uns angewöhnt, all das Ihr zu sagen, die auf ganz besondere Weise im Geheimnis Christi und der Kirche, im Geheimnis jedes Menschen gegenwärtig ist. Als Mutter des Heilands ist Maria auch Mutter des ganzen Gottesvolkes, und sie begleitet es auf dem Weg des Glaubens und des täglichen Lebens. Ich freue mich, weil es mir heute gegeben ist, noch einmal an dieser heiligen Stätte zu stehen, an diesem besonderen Ort des Gebets, und das Antlitz unserer Mutter aus der Nähe zu betrachten. Wegen „ihres Glaubens, ihrer Liebe und ihrer vollkommenen Einheit mit Christus“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 63) wurde sie für uns zum lebendigen Vorbild der Heiligkeit und der Liebe zur Kirche. 399 REISEN 2. Herzlich begrüße ich die Patres der Pauliner, die Hüter dieses Wallfahrtsortes, unter der Leitung des Generals und des Priors. Ich grüße Erzbischof Stanislaw, den Hirten der Kirche von Tschenstochau, den Weihbischof Antoni, die Diözesan- und Ordenspriester, die Ordensfrauen und, alle geweihten Menschen. Von ganzem Herzen grüße ich die Einwohner dieser Stadt und die aus verschiedenen Teilen Polens hier zusammengekommenen Pilger. 3. Ich bin als Pilger nach Jasna Göra gekommen, um Maria, der Mutter Christi, die Ehre zu erweisen und um zu ihr und mit ihr zu beten. Ich möchte ihr für ihren Schutz während dieser Tage meines pastoralen Dienstes für die Kirche in meinem Vaterland danken. Im Verlauf der ganzen Pilgerreise war uns Maria immer gegenwärtig. Sie hat bei ihrem Sohn um Gaben des Geistes für uns gebeten, damit wir all das tun, was er uns sagt (vgl. Joh 2,5). Ich danke ihr für jedes geistige und materielle Gut, das diese polnische Erde bereichert. Dem mütterlichen Schutz der Herrin von Jasna Göra empfehle ich mich selbst, die Kirche und alle meine Landsleute ohne Ausnahme. Ihr vertraue ich jedes polnische Herz, jedes Haus und jede Familie an. Wir alle sind ihre Kinder. Maria sei Vorbild und Orientierung bei unserer täglichen und eintönigen Arbeit. Sie helfe jedem, in der Liebe zu Gott und zu den Menschen zu wachsen, das Gemeinwohl des Vaterlands aufzubauen und den gerechten Frieden in unsere Herzen und Lebensbereiche einzuführen und zu festigen. Ich bitte dich, Mutter von Jasna Göra, Königin Polens, umschließe mein ganzes Volk mit deinem Mutterherz. Stärke seinen Mut und die Kräfte des Geistes, damit es die große vor ihm liegende Verantwortung übernehmen kann. Es soll die Schwelle zum dritten Jahrtausend mit Glauben, Hoffnung und Liebe überschreiten und noch stärker an deinem Sohn Jesus Christus und an seiner auf dem Fundament der Apostel erbauten Kirche fest-halten. Unsere Mutter von Jasna Göra, bitte für uns und leite uns, damit wir für Christus, den Erlöser jedes Menschen, Zeugnis geben können. „Sorge für das Wohlergehen der ganzen Nation, die für deine Herrlichkeit lebt, damit sie sich vortrefflich entwickle, Maria!“ Schafft einen vom Geist gegenseitiger Liebe gestärkten Staat! Ansprache beim Abschied am Balice-Flughafen von Krakau am 17. Juni 1. Mein Vaterland, geliebte Heimat, Gott segne dich! Zum Abschluss der Pilgerreise in mein Heimatland spreche ich aus tiefstem Herzen diesen Segenswunsch aus, den ich an ganz Polen und an alle seine Einwohner richte. Darin möchte ich die Empfindungen, Gedanken und Gebete einschließen, die mich auf meinem Weg als Pilger jeden Tag begleitet haben. Wie sollte man die 400 REISEN Liebe zu diesem Land und diesem Volk anders ausdrücken als durch eine flehentliche Bitte an Gott, der die Liebe ist, er möge alle überreich segnen? Jedes Mal, wenn ich Polen besuche, werde ich in der Überzeugung bestätigt, dass es hier nicht an Menschen mit reinem Herzen mangelt, die jeden Tag als Arme im Geiste, Sanftmütige, Barmherzige und Friedensstifter leben und mit dieser Beharrlichkeit die Gnade des göttlichen Segens für ihr Vaterland erwirken. So war es auch dieses Jahr, angefangen in Danzig, über Pelplin, Elbing, Bromberg, Thom, Lichen, Lyck, Siedlce, Wigry, Drohiczyn, Sandomierz, Zamosc, Warschau, Lowicz, Sosnowiec, Gleiwitz und Stary Sacz bis hin zu meiner Geburtsstadt Wadowice und Krakau. Überall habe ich dafür gebetet, dass das tägliche Dasein der Menschen, die im Geist der Seligpreisungen leben, für das Wohlergehen aller in diesem Land Frucht bringe. Ich danke Gott dafür, dass ich dieses Gebet in Jasna Göra auch Maria, der Königin von Polen, zu Füßen legen konnte. 2. Während dieser Wallfahrt - im Jahr vor dem Großen Jubiläum 2000 - konnten wir zu jenen Orten, Ereignissen und Personen zurückkehren, die in vielsagender Weise Zeugnis dafür ablegen, dass im Laufe des tausendjährigen Bestehens der Kirche in Polen das Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes und sein Erlösungswerk tief in die Geschichte der Nation eingedrungen sind, jahrhundertelang ihr geistliches Antlitz geprägt haben und ein solides Fundament für den Aufbau einer glücklichen Zukunft darstellen. Die Feier des 1000. Jahrestags der Einsetzung der kirchlichen Organisation konnte nicht anders als in Gegenwart des hl. Adalbert begangen werden. Es war nämlich seine Heiligsprechung, die den Beginn des Erzbistums Gnesen markierte. Wir sind also zum apostolischen Wirken und zum Märtyrertod des Bischofs von Prag zurückgekehrt. Wir haben uns an den Preis erinnert, den er für das Geschenk des zu uns gebrachten Glaubens bezahlen musste, und haben zu Gott gebetet, damit es unserer Generation gegeben sei, sein gesamtes Vermächtnis den Generationen des dritten Jahrtausends weiterzugeben. In diesem Gebet unterstützten uns: Regina Protmann, Edmund von Bojanowski, Wincenty Frelichowski, die 108 Märtyrer und Prinzessin Kinga, die ich im Namen der Kirche selig- und heiliggesprochen habe. Das Vorbild ihres Lebens und ihre Fürsprache sind durch die Jahrhunderte ein besonderes Geschenk für die Kirche in Polen und auf der ganzen Welt, und ich werde nicht müde, der göttlichen Vorsehung dafür zu danken. Ein vielsagendes Zeichen für die Bereitschaft, Verantwortung für die Zukunft der Kirche in unserem Land zu übernehmen, war die Zweite Generalsynode. Sie gab in den letzten Jahren allen Gläubigen, Klerikern und Laien Gelegenheit, gemeinsam darüber nachzudenken, wie die Heilssendung in der heutigen Welt wirksam umzusetzen ist. Am Fest des Heiligsten Herzen Jesu haben wir auch den feierlichen Abschluss dieser Synode begangen und ihre Resultate der Liebe Gottes anvertraut. Ich wünsche der Kirche in Polen, dass sie ihre Entscheidungen in die Tat umsetzt und so das Werk der Neuevangelisierung wirksam fortsetzt. 401 REISEN 3. Es war mir eine Freude, im Verlauf dieser Pilgerreise auch jene Menschen zu treffen, die in unserem Land die gesetzgeberische, ausführende und richterliche Gewalt ausüben. Zu diesem außerordentlichen Anlass konnten wir uns alle davon überzeugen, dass das Gemeinwohl jener Wert ist, um den sich die Menschen in kreativer Zusammenarbeit versammeln können, trotz der unterschiedlichen Überzeugungen und politischen Ansichten, die in einer Demokratie selbstverständlich sind. Ich vertraue darauf, dass der Präsident, die beiden Kammern des Parlaments, die Regierung der Republik und die Gerichte aller Instanzen, den Bürgern - stets das Wohl des Vaterlands und der Nation vor Augen - treu dienen und wünsche ihnen, dass sie die Früchte dieses Dienstes ernten können. Während meiner Reise in verschiedene Gegenden des Landes konnte ich feststellen, dass es sich in jeder Hinsicht entwickelt. Ich weiß, dass dies den Bemühungen der gesamten Gesellschaft zu verdanken ist, die zuweilen große Entbehrungen und Opfer gekostet haben. Allen, die mit Liebe eine blühende Zukunft für ihr Heimatland aufbauen, möchte ich heute meine aufrichtige Anerkennung und Dankbarkeit aussprechen. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass es auf dem Weg dieser Entwicklung nicht an Hindernissen, Problemen und Gefahren fehlt. Noch einmal möchte ich meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass alle Schwierigkeiten mit der Hilfe Gottes und der einträchtigen Zusammenarbeit aller überwunden werden. Ich bete dafür zu Gott und denke dabei vor allem an die spirituellen Werte, die die vergangenen Generationen treu bewahrten und die inmitten der gerechtfertigten Anstrengungen für das materielle Wohlergehen des Landes nicht verlorengehen dürfen. Als Papst und Sohn dieser Nation wende ich mich mit einer eindringlichen Aufforderung an alle Menschen guten Willens, und besonders an meine Brüder und Schwestern im Glauben, sie mögen alles nur Mögliche tun, damit Polen das dritte Jahrtausend als ein Staat beginnt, der nicht nur politisch stabil und wirtschaftlich wohlhabend, sondern auch vom Geist der gegenseitigen und gemeinschaftlichen Liebe gestärkt ist. 4. Ich preise Gott für das Geschenk dieses Besuchs und möchte all denen danken, die seine Verwirklichung möglich gemacht haben. In die Hände des Präsidenten der Republik Polen übergebe ich meinen Dank an die Vertreter des Staates für ihre Einladung und für alle Mühen, die sie zur Vorbereitung und erfolgreichen Durchführung der Pilgerreise auf sich genommen haben. Ich danke für jedes Zeichen des Wohlwollens. Mein Dank geht auch an die regionalen und lokalen Verantwortlichen, die nicht an Anstrengungen und Mitteln gespart haben, damit die Begegnungen der Gläubigen mit dem Papst in einem schönen Rahmen und in einer Atmosphäre des Friedens und der Freude stattfinden konnten. Gott vergelte euch eure Gastfreundschaft! Auf Zwischenrufe „Bleib’ bei uns!“ reagierte der Papst: Noch zwanzig Minuten; vielleicht dreißig; vielleicht vierzig. Wir werden es sehen. 402 REISEN Ein herzliches Dankeschön geht an das polnische Militär, die Polizei und die Feuerwehr, alle weiteren Ordnungsdienste und an die zahllose Schar der freiwilligen Helfer — an alle, die mit großer Hingabe und aufrichtigem Wohlwollen für den sicheren Ablauf dieses Besuchs gearbeitet haben. Ich darf auch die nicht vergessen, die den Leuten, die medizinische Hilfe benötigten, mit großer Einsatzbereitschaft einen ununterbrochenen Sanitätsdienst gewährleistet haben. Ich danke den Journalisten und allen, die durch Radio, Fernsehen oder Internet und durch das geschriebene Wort an der Berichterstattung über diese Papstreise mitgewirkt haben - im Dienste der Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht persönlich daran teilnehmen konnten. Allen, die in irgendeiner Weise zur wirksamen und würdigen Durchführung dieser Pilgerfahrt beigetragen haben, möchte ich von ganzem Herzen mein „Vergelt’s Gott!“ sagen. 5. Mit besonderer Dankbarkeit wende ich mich an die Kirche in Polen. In den vergangenen Tagen habe ich viele Diözesen besucht - manche davon zum ersten Mal -, aber ich konnte trotzdem nicht überall dort hinfahren, wohin ich eingeladen wurde. Deshalb möchte ich noch einmal versichern, dass ich im Geiste in ganz Polen gewesen bin, in jeder Präfektur, in jeder Gemeinde, in jeder religiösen Gemeinschaft und im Haus jeder Familie. Ich bin unterschiedslos zu allen gekommen, um zum Abschluss dieses Jahrtausends an jene einzige, wesentliche Wahrheit zu erinnern, auf die unser Glaube gebaut ist - die Wahrheit, dass Gott „die Liebe“ ist. Herzlich danke ich dem Kardinalprimas, dem Kardinal Franciszek für seine Worte, allen Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen für die Vorbereitung dieser Wallfahrt. In meinem Herzen umarme ich alle Priester. Ich möchte ihnen meinen Dank für ihren Beitrag zu diesem Besuch aussprechen, aber auch für ihren täglichen, treuen Dienst für das Volk Gottes in Polen. Jeden Tag bete ich zu Christus, dem höchsten Priester, dass ihnen für die Erfüllung ihres priesterlichen Auftrags die Gnade Gottes und die Dankbarkeit der Menschen zuteil werden. Auch die Ordensleute schließe ich in mein Gebet ein. In ihren religiösen Gemeinschaften übernehmen sie, gemäß ihrem Charisma ihre Aufgaben zum Wohl der Kirche. Ich danke ihnen auch für ihre Ausdauer im Gebet, vor allem im Laufe dieser Pilgerreise, für das demütige Werk der Barmherzigkeit und für das apostolische Zeugnis eines Lebens gemäß der evangelischen Räte. Alle Studenten in den Priesterseminaren möchte ich Gott empfehlen. Ich danke für ihr aktives Mitwirken an der Wallfahrt, vor allem für die liturgischen Dienste. Ich bete dafür, dass sie sich dem Wirken des Heiligen Geistes, der sie auf die schwierigen Aufgaben des kommenden Jahrtausends vorbereitet, immer weiter öffnen mögen. Allen Gläubigen der polnischen Kirche spreche ich meinen besonderen Dank aus. Ich weiß, welches Engagement sie geleistet, welche materiellen und geistigen Opfer sie für die Vorbereitung dieses Besuchs gebracht haben. Ich danke für ihre große Zuneigung und die herzliche Aufnahme, vor allem aber für ihr Zeugnis lebendigen Glaubens. In Dankbarkeit umarme ich alle Menschen guten Willens in Polen. Der gute Gott vergelte ihnen jede großzügige Tat mit der Fülle seines Segens! In Liebe wende ich mich dem Leid jedes Menschen zu, der das Kreuz der 403 REISEN Krankheit, des Alters, der Einsamkeit oder des Schmerzes trägt. Ich weiß, wie viel ich den Kranken verdanke: Sie waren mir nicht nur in diesen Tagen nahe, sondern begleiten mich auch in meiner gesamten Amtszeit auf dem Stuhl des hl. Petrus. Ich danke ihnen von Herzen für diese kraftvolle Unterstützung. Ich richte meine Grüße an die Jugendlichen, die so zahlreich zu all unseren Treffen gekommen sind. Ich danke ihnen für ihren jugendlichen Enthusiasmus, ihren Glauben und ihr andachtsvolles Gebet. Ich bete dafür, dass sie auf ihrem Weg ins neue Jahrtausend die künftigen Generationen für die Liebe Gottes begeistern. 6. Tertio millennio adveniente. Die Pilgerreise, die nun zu Ende geht, haben wir in einem Geist der Vorbereitung auf das Große Jubeljahr der Erlösung und auf die Überschreitung der Schwelle ins neue Jahrtausend erlebt. Es war eine Zeit des gemeinsamen Gebets und der Betrachtung, eine Zeit des Dankens für die Vergangenheit und eine Zeit, in der wir Gott all das anvertraut haben, was Polen gegenwärtig durchlebt und was die Zukunft bringen wird. Ich meine, dass es fruchtbare Tage gewesen sind, und dass ihre Frucht dauerhaft sein wird. Diese feierliche Zeit wendet sich nun ihrem Ende zu. Ich hoffe aber, dass der Geist des Friedens, der Einheit und der Zusammenarbeit im Guten, der unter uns geherrscht hat, auch weiterhin die Bemühungen jedes Menschen beseelt, dem das Wohlergehen des Vaterlands und das Glück seiner Menschen am Herzen liegt. Wenn ich nun in den Vatikan zurückkehre, so verlasse ich doch mein Heimatland nicht. Ich nehme das Bild meines Vaterlands mit - von der Ostsee bis zur Tatra -und bewahre in meinem Herzen alle Erfahrungen, die ich mit meinen Landsleuten machen durfte. Noch einmal möchte ich versichern, dass in meinen Gedanken und Gebeten Polen und die polnische Bevölkerung einen besonderen Platz haben. Euch, liebe Brüder und Schwestern, bitte ich, mich auch weiterhin in meinem Petrusamt zu unterstützen, so lange es die göttliche Vorsehung bestimmt. Dem Schutz der Königin von Polen in Jasna Göra empfehle ich jeden Einzelnen von euch. Ihrer mütterlichen Liebe vertraue ich euren Alltag, euer Wünschen und Wirken an. „Die Liebe Gottes, des Vaters, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ Gott segne mein Vaterland und alle meine Landsleute! 404 REISEN 5. Kurzferien in den Alpen (7. bis 20. Juli) Verantwortung für den Lebensraum in Gegenwart und Zukunft Angelus in Les Combes am 11. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zum siebten Mal habe ich die Freude, einige Tage der Ruhe in dieser wunderschönen Ortschaft Les Combes, in der Gemeinde Introd, eingebettet in die Berge des Aostatals, zu verbringen. Dafiir danke ich dem Herrn und denen, die mir hier ihre Gastfreundschaft erweisen. Einen herzlichen Gruß richte ich an den Bürgermeister von Introd und an die Vertreter der Region, sowie an den lieben Bischof von Aosta, Msgr. Giuseppe Anfossi. Unter den Gästen sehe ich auch Msgr. Alberto Careggio, der mich in diese sommerliche Erfahrung des Aostatals eingefuhrt hat. Ich freue mich darüber, erneut unter euch zu sein, liebe Bewohner des Aostatals und liebe Urlauber. Den zahlreichen Familien, die ihren Unterhalt durch den Tourismus verdienen, wünsche ich eine gute Saison; und denen, die - wie ich ihre Ferien hier verbringen, wünsche ich, sich an diesen unzähligen Naturschönheiten - an der Luft, den Wäldern und den Wassern - zu erfreuen ... mit großer Achtung vor den Schätzen, die der Schöpfer uns anvertraut. 2. Jedes Mal, wenn ich die Möglichkeit habe, in die Berge zu reisen und diese Landschaft zu betrachten, danke ich Gott für die majestätische Schönheit der Schöpfung. Ich danke ihm für seine eigene Schönheit, denn der Kosmos ist ja irgendwie ein Spiegelbild davon; er kann die aufmerksamen Gemüter faszinieren und sie dazu bringen, seine Größe zu loben. Ganz besonders das Gebirge ist nicht nur ein wunderbar anzusehendes Naturschauspiel sondern gewissermaßen eine Schule fiir das Leben. Dort lernt man, sich anzustrengen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, einander in schwierigen Zeiten zu helfen, gemeinsam die Stille zu genießen und die eigene Niedrigkeit in einer so majestätischen und feierlichen Umgebung zu erkennen. 3. All dies lädt uns ein, über die Rolle des Menschen im Kosmos nachzudenken. Der Mensch, der dazu berufen ist, den Garten der Welt zu bestellen und zu hüten (vgl. Gen 2,15), trägt eine ganz besondere Verantwortung für seinen Lebensraum, und dies nicht nur in Bezug auf die Gegenwart, sondern auch auf die künftigen Generationen hin. Die große ökologische Herausforderung findet in der Bibel eine 405 REISEN leuchtende und starke spirituelle und ethische Grundlage im Hinblick auf eine Lösung, die das große Gut des Lebens, jedes Lebens, achtet. Möge die Menschheit des zweiten Jahrtausends sich mit der Schöpfung versöhnen und die Wege für eine harmonische und annehmbare Entwicklung finden. O Maria, die du in einzigartiger Schönheit erstrahlst, hilf uns, die Schöpfung zu schätzen und zu achten. Du wirst von den Menschen in den Bergen sehr geliebt und in zahlreichen Heiligtümern in diesen Tälern verehrt. Schütze die Einwohner des Aostatals, damit sie ihren Traditionen treu und immer aufgeschlossen und gastfreundlich bleiben. Hilf uns, unser Dasein zu einem Aufstieg zu Gott zu machen und Jesus Christus, seinem Sohn treu zu folgen; er führt uns zum Ziel, wo wir uns in der neuen Schöpfung der Fülle des Lebens und des Friedens erfreuen. Nach dem Angelus sagte der Papst: Zum Fest des hl. Benedikt Heute, am 11. Juli, feiern wir das liturgische Fest des hl. Benedikt, Patriarch des westlichen Mönchtums und Schutzpatron Europas. Ich richte einen herzlichen Glückwunsch an alle Benediktinerinnen und Benediktiner und möchte darauf hin-weisen, dass gerade heute die Feierlichkeiten zum 1500. Jubiläum der Gründung des ersten Klosters des hl. Benedikts in Subiaco beginnen. Das benediktinische Ordensleben, mit seinem Rhythmus des Betens und Arbeitens nach dem berühmten Leitgedanken „ora et labora“, stellt auch für die Menschheit des Jahres 2000 ein ganz aktuelles Zeugnis dar. Mein Wunsch ist, dass dieses Ideal der vollkommenen Weihe für Christus zu einer neuen Blüte kommt, zum Wohle der Kirche und der ganzen Menschheitsfamilie. Gedenken an die Unglücksopfer Der Papst sagte dann auf Französisch: Ganz herzlich begrüße ich die Einwohner des Aostatals, die mich in ihrer schönen Region aufnehmen, wo man die Schöpfung betrachten und so die Größe Gottes entdecken kann. Einen herzlichen Gruß richte ich auch an alle französischsprachigen Gläubigen, die sich uns zum Gebet des Angelus angeschlossen haben. Zu Beginn der Ferien, die ja eine günstige Zeit für die innere Stille sind, bitte ich die sei. Jungfrau Maria, ihnen zu helfen, aus dieser Zeit der Erholung eine Gelegenheit zur spirituellen Erneuerung zu machen. 406 REISEN In diesem Tal der Alpen vergesse ich auch jene Menschen nicht, die in Frankreich und in Italien in den Bergen ums Leben gekommen sind, insbesondere die Lawinenopfer des vergangenen Winters. Außerdem empfehle ich dem Herrn die Menschen, die im Brand des Mont-Blanc-Tunnels umgekommen sind, und nehme an der Trauer ihrer Familien Anteil. Allen Gläubigen erteile ich von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Klöster — Stille Zentren geistlicher Spannkraft Angelus in Quart am 18. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute habe ich die Freude, das Angelusgebet im Herzen des Aostatals zu sprechen, wo ich mich zur Erholung aufhalte. Ich sage „im Herzen“ nicht nur, weil die Gemeinde Quart zentral im Tal gelegen ist, sondern vor allem, weil sich dort der Karmel „Mater Misericordiae“ befindet, den ich vor genau zehn Jahren, am 16. Juli 1989, eingeweiht habe und der in gewisser Weise den kontemplativen Kern der Kirche des Aostatals bildet. Den hier lebenden Karmelitemonnen, die täglich den Dienst des Gebetes vollziehen, gilt mein herzlicher Gruß. Ein Kloster ist ein echtes „Zentrum“ geistlicher Spannkraft, die sich durch die Quelle der Kontemplation nährt am Beispiel des Gebetes, dem sich Jesus in der Einsamkeit widmete. Er vertiefte sich völlig in das Gespräch mit Gott, um daraus die notwendige Kraft für seine Heilssendung zu schöpfen. Die Kirche verlängert die Mission Christi in der Zeit: Unter den vielfältigen Charismen, die sie bereichern, bewahrt sie auch diese besondere Kostbarkeit des „betrachtenden Lebens“, das in den Klöstern gepflegt wird, als eine Antwort auf die bedingungslose Liebe Gottes, der sich im fleischgewordenen Wort mit der Menschheit durch ein ewiges und unauflösliches Band vereinigt hat. Die Frauenklöster feiern mit besonderer Beredsamkeit die ausschließliche Vereinigung der Kirche mit Christus, ihrem Bräutigam, indem sie die Erfahrung Marias, der Jungfrau des Schweigens und des Hörens, nachleben. 2. In dieser monastischen Gemeinschaft von Quart wird Maria, die Königin des Karmel, mit dem Titel „Madre della Misericordia“ [Mutter der Barmherzigkeit] verehrt. Indem sie Jesus zur Welt brachte, schenkte die Heilige Jungfrau der Welt tatsächlich das größte Zeugnis der barmherzigen Liebe Gottes. In diesem Heilsplan ist sie nicht bloßes Werkzeug, sondern folgsame Mitarbeiterin: Die göttliche Barmherzigkeit findet in Maria vollkommene Übereinstimmung. In ihrem reinen Herzen spiegeln sich entsprechend die Zärtlichkeit Gottes, sein Wille, den Sündern zu vergeben und das Schaudern väterlichen Mitgefühls. Die Mutterschaft Marias erfüllt sich auf Golgota, wo die göttliche Barmherzigkeit im Opfer Christi am Kreuz das größte erlösende Geschehen verwirklicht. In dieser tragischen und glorreichen Stunde wird Maria für immer die Mutter der Barmher- 407 REISEN zigkeit. Durch dieses erhabene Vorbild lassen sich die Karmelitemonnen inspirieren, indem sie sich selbst für das Heil aller Menschen anbieten. Wir danken dem Herrn, der nicht aufhört, auserwählte Seelen zu bemfen, um im Herzen der Kirche betende Apostel seiner barmherzigen Liebe zu sein. 3. Von diesem für die Kirche des Aostatals so bedeutungsvollen Ort möchte ich einen herzlichen Gruß an alle Priester der Diözese und auch an alle männlichen und weiblichen Ordensleute richten. In besonderer Weise beglückwünsche ich die Schwestern vom hl. Josef im Aostatal, die ihr Generalkapitel beginnen. Außerdem grüße ich herzlich die Gemeinschaft des Seminars von Aosta: Ich ermutige die Seminaristen mit Eifer ihren Ausbildungsgang zu leben und wünsche mir, dass viele junge Menschen mit Freude und Dankbarkeit den Ruf des Herrn empfangen, um ihr ganzes Leben dem Dienst am Evangelium zu widmen. Aber das christliche Leben ist immer eine Antwort auf eine Berufung des Herrn, die jedoch verlangt, mit Großherzigkeit erkannt und angenommen zu werden. In dieser Sichtweise hat in diesen Tagen in La Thuile das „Mariapoli“-Sommertreffen der Fokolare-Bewegung stattgefünden und ich bin erfreut, dass die Teilnehmer noch anwesend sind und sich bemerkbar machen. Ich grüße sie herzlich und ermutige sie, an jedem Tag des Lebens Zeugen der Liebe Gottes zu sein. Ich grüße herzlichst alle Menschen im Aostatal, besonders die Gemeinde von Quart mit ihrem Bürgermeister. 4. Mein Aufenthalt im Aostatal nähert sich langsam dem Ende. Ich ergreife deshalb diese Gelegenheit um allen meinen tiefen Dank auszudrücken, die mich mit bewundernswerter Herzlichkeit empfangen haben, angefangen bei Bischof Giuseppe Anfossi und den Salesianern. Ich danke dem Präsidenten des Regionalausschusses, den anderen Obrigkeiten, dem Bürgermeister von Introd, den Forstbehörden, der Staatspolizei und den Carabinieri, die alles für einen ruhigen und unbeschwerten Aufenthalt vorbereitet haben. Der heiligen Maria, „Mater Misericordiae“, vertraue ich erneut das Aostatal und alle Bewohner und Urlauber an. 408 REISEN 6. Pastor alb esuch nach Salerno (4. September) Priesterseminar - Geistlicher Raum für gelebte Erfahrung der Gemeinschaft mit Christus Ansprache bei der Einweihung des Metropolitan-Priesterseminars in Salerno am 4. September Herr Kardinal, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Vertreter der Behörden, liebe Priester, Ordensleute und Seminaristen, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude bin ich heute nun unter euch zur Einweihung des neuen Metropolitanseminars und des Hauses für den Klerus „St. Matthäus“, Werke, die von der Diözesangemeinschaft von Salerno mit Hilfe der Italienischen Bischofskonferenz und der tatkräftigen Unterstützung der Bischöfe dieser Region geplant und ausgeführt wurden. Ich danke euch für die Einladung zu einem so bedeutenden Anlass und für den so herzlichen Empfang. Ich grüße die altehrwürdige und edle Kirche von Salerno und die Gemeinschaft von Pontecagnano-Faiano. Ich danke Bischof Gerardo Pierro, dem geliebten und eifrigen Hirten dieser Diözese, für die Worte, mit denen er das gemeinsame Empfinden gegenüber dem Nachfolger Petri zum Ausdruck gebracht hat. Mein liebevolles Gedenken gilt sodann dem Diözesanklerus, den Ordensmännem und Ordensfrauen, den anwesenden Obrigkeiten und allen, die an diesem Glaubensund Gemeinschaftsereignis haben teilnehmen wollen. Ich danke Kardinal Michele Giordano, Erzbischof von Neapel und Präsident der Bischofskonferenz von Kampanien. Im Geist umarme ich mit ihm alle Bischöfe Kampaniens und die Bevölkerung dieser Region, vor allem die aus dem schwer geprüften Samo. Auf dem Weg hierher nach Salerno bin ich ja über dieses Gebiet geflogen, das im vorigen Jahr von einer schrecklichen, Zerstömng und Tod verursachenden Flut heimgesucht wurde. Ich habe für die zu Tode Gekommenen gebetet, insbesondere aber habe ich Gottes Hilfe für die am schwersten betroffenen Menschen und Familien angemfen. Mögen sie in der christlichen Hoffnung die Kraft finden, um, auch von der Gemeinschaft der Nation unterstützt, eine ungetrübte Zukunft aufzubauen, besonders für die jungen Generationen. Diesen Brüdern und Schwestern, die meinem Herzen besonders nahe sind, sende ich einen innigen Gruß. 409 REISEN 2. Meine Lieben, dieses neue Metropolitanseminar und das Haus für den Klerus „St. Matthäus“, das die Kirche von Salerno in liebevoller Sorge bauen wollte, bilden ein Geschenk der Vorsehung für die zum priesterlichen Dienst Berufenen und für die Priester. Insbesondere stellt sich das Seminar in seiner modernen und funktioneilen Struktur in eine Linie mit der langen Tradition, wodurch die Erzdiözese Salerno, die jahrelang Sitz des Päpstlichen Regionalseminars „Pius XI.“ war, den Nachbardiözesen gedient hat. In idealer Fortführung dieser Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit wird auch das Metropolitanseminar auf Antrag der betreffenden Bischöfe für Seminaristen anderer Diözesangemeinschaften Kampaniens zur Verfügung stehen. Die Eröffnung eines Seminars setzt vor allem ein großes Vertrauen in das Wirken Christi voraus. Er fahrt fort, viele junge Menschen einzuladen, und wenn sie seinen Ruf gehört haben, fragen sie, wie die beiden Jünger im Abschnitt des Evangeliums, den wir eben gehört haben: „Rabbi - das heißt übersetzt: Meister -, wo wohnst du?“ Dieses Seminar tut sich heute auf, damit Jesus den Jugendlichen aus dieser Gegend antworten kann: „Kommt und seht“ (vgl. Joh 1,38-39). Das Seminar nämlich ist dazu bestimmt, die Atmosphäre zu schaffen, in der eine besondere Erfahrung der Gemeinschaft mit Christus gelebt werden soll. Mögen die jungen Menschen, die sich hier dem Studium und dem Gebet widmen, die Worte des Andreas zu seinem Bruder Simon: „Wir haben den Messias gefunden!“ {Joh 1,41) zu ihren eigenen Worten machen können. 3. In dieser Hinsicht möchte ich mich insbesondere an euch, liebe Seminaristen, wenden. Es ist ja in erster Linie an euch, diesen Tag zu feiern. Dieses Seminar ist vor allem für euch bestimmt und für alle, die auch in Zukunft bereit sein werden, auf den Ruf Gottes zu antworten, und die hier Jahre der notwendigen Ausbildung verleben werden. Ich wünsche euch, dass ihr willig auf die Stimme des Herrn hört und euch ihm hochherzig hingebt. Mögt ihr hier wachsen können im Eifer für Gebet und Studium und die täglichen Verzichte und Schwierigkeiten als Akte der Liebe leben zugunsten derer, zu denen der Herr euch senden wird. Ihr werdet auf die kluge und hingebende Führung eurer Vorgesetzten wie auch auf das Gebet der christlichen Gemeinschaft zählen können und vor allem auf die mütterliche Anwesenheit der Königin der Apostel, der ganz besonders die anvertraut sind, die berufen werden, „in persona Christi“ zu handeln. 4. Liebe Erzieher, euch ist die Aufgabe anvertraut, den künftigen Priestern das Erleben des Abendmahlssaales wieder lebendig werden zu lassen, der in gewissem Sinn das erste Seminar war. Im Abendmahlssaal wusch der Herr den Zwölfen, nachdem er sie belehrt hatte, die Füße. Er nahm das blutige Kreuzesopfer voraus und gab sich unter dem Zeichen des Brotes und des Weines ganz und für immer hin. Und dann fanden sich die Apostel in Erwartung des Pfingstfestes wiederum im Abendmahlssaal zusammen und „verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen ... mit Maria, der Mutter Jesu“ (Apg 1,14). 410 REISEN Meine Lieben, lasst euch bei der Vorbereitung derer, die das Evangelium im dritten Jahrtausend verkünden werden, von diesem so vielsagenden Bild anregen. Weckt in den Alumnen die Liebe zum Herrn und die Leidenschaft für sein Evangelium, damit sie sich ganz und gar Christus, dem Lehrer, Priester und Hirten angleichen (vgl. Optatam totius, Nr. 5). Erzieht sie zur brüderlichen Gemeinschaft. Sichert ihnen eine solide theologische und kulturelle Vorbereitung. Seid vor allem darauf bedacht, dass sie ,Männer Gottes“ seien und gerade deshalb auch Männer der Nächstenliebe, der Armut, der Bereitschaft zum Teilen, und dass sie morgen fähig seien, hochherzig ihren Dienst unter den Menschen dieser Gegend auszuüben, die, wie der ganze Süden Italiens, von alten und neuen Herausforderungen gezeichnet ist. Sie hat, wie noch nie, Hirten notwendig, die unbescholten für das Evangelium Zeugnis geben. 5. Von weiser Überlegung geleitet, wünschte euer Erzbischof neben dem Seminar das Haus für den Klerus „St. Matthäus“. Es ist für die Priester als eine Hilfe bestimmt, Brüderlichkeit zu leben und die zahlreichen Vorzüge des gemeinsamen Lebens zu erfahren, wie es in seinen verschiedenen Formen vom II. Vatikanischen Konzil empfohlen wurde (vgl. Presbyterorum Ordinis, Nr. 8) und zur Erfüllung des Dienstes so wertvoll ist. Möge, das ist mein Wunsch, die Nähe der beiden Einrichtungen für jene, die darin Wohnung nehmen, eine kostbare Gelegenheit zu brüderlicher Begegnung sein, zur Gemeinschaft in der Bruderliebe, zu gegenseitigem Gebetsgedenken und zur Ermutigung im Dienst des Herrn. 6. Nun möchte ich auch noch an die anderen jungen Leute, die ich hier sehe, einen Gedanken richten. Liebe Jungen und Mädchen, nehmt die Botschaft Christi an, und gebt Antwort auf seine Liebe. Er lädt jeden und jede von euch ein, ihm in persönlicher und besonderer Weise zu folgen. Von der Antwort auf seinen Ruf hängt das Gelingen eures Lebens ab. Lasst euch nicht von illusorischen und vergänglichen Vorspiegelungen bezaubern: Christus beruft euch zur Heiligkeit, auch unter den gewöhnlichen Bedingungen des Lebens als Laien. Und wenn er einige darauf anspricht, sich ganz dem Dienst des Evangeliums auf dem Weg des Priestertums oder des geweihten Lebens zu widmen, habt keine Angst, seinen Vorschlag mutig anzunehmen. Er eröffnet begeisternde Perspektiven der Gnade und Freude. Die Kirche erwartet den Beitrag eurer Kreativität, eurer Gaben, eures jugendlichen Enthusiasmus. 7. Liebe Brüder und Schwestern, der Gebäudekomplex, vor dessen Eröffnung wir stehen, ist die Frucht der Mühen und der Zusammenarbeit vieler Menschen. Ich möchte alle beglückwünschen, die mit ihrer Energie, ihrer Intelligenz und ihrer Kompetenz dazu beigetragen haben: diejenigen, die geplant haben und die gebaut haben, die Meister und die Arbeiter, alle! Als konkretes Zeichen eurer Liebe zu Christus und zur Kirche wolltet ihr das neue Seminar nach dem Papst benennen, der jetzt zu euch spricht. Ich danke euch von Herzen für diese liebenswürdige Geste. Sie festigt aufs neue die alten Bande der 411 REISEN Kirche von Salerno mit dem Nachfolger des Petms, dem sichtbaren Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft (vgl. Lumen Gentium, Nr. 18). Maria, der Königin der Apostel und Mutter der Priester, deren Bild auf dem neuen Seminar als Wachtposten angebracht wurde, vertraue ich alle an, die in dieser Hochburg des Glaubens und der Kultur leben, studieren und arbeiten werden. Sie möge liebevoll über den Mühen aller wachen und sie auf ihrem Weg unterstützen, damit sie mit Großmut auf das Wort ihres Sohnes Antwort geben und mit unentwegter Treue ihren Brüdern und Schwestern dienen. In diesem Sinn erteile ich von Herzen jedem und jeder von euch, die ihr hier anwesend seid, der Diözesangemeinschaft und der ganzen Region Kampanien meinen Apostolischen Segen. Vor dem Abschied sagte der Papst: Zum zweiten Mal bin ich nach Salerno gekommen. Aber in diesen Teil der Stadt, wo das Seminar steht, komme ich zum ersten Mal. Alle guten Wünsche für eure Gemeinschaft, die immer an die Zukunft denkt, weil das Seminar, die Seminaristen von der Zukunft sprechen, vom dritten Jahrtausend. Viele gute Wünsche für das dritte Jahrtausend eurer Diözese. Gelobt sei Jesus Christus. Auf Wiedersehen. 412 REISEN 7. Pastoraireise nach Slowenien (19. September) Der sei. Anton Martin Slomsek - Vorbild der Versöhnung in Wort und Tat Predigt bei der Eucharistiefeier zur Seligsprechung des Dieners Gottes Anton Martin Slomsek am 19. September 1. Die ehrwürdigen Männer will ich preisen ... ihr Name lebt fort von Geschlecht zu Geschlecht. Ihr Lob verkündet das versammelte Volk (Sir 44,la.l4b-15). Diese Worte aus dem Blich Jesus Sirach sind heute in unserer Versammlung erklungen. Als wir sie hörten, haben wir unwillkürlich an die Menschen gedacht, die sich hier im slowenischen Volk durch ihre Tugenden ausgezeichnet haben: Wir haben zum Beispiel an die Bischöfe Friderik Baraga, Janez Gnidovec und Anton Vovk gedacht, an Pater Vendelin Vosnjak und an den jungen Lojze Grozde. Ganz besonders haben wir an den gedacht, den die Kirche heute als Seligen verkündet: den Bischof von Maribor, Anton Martin Slomsek, den ersten Sohn dieser slowenischen Nation, der zur Ehre der Altäre erhoben wird. Drei Jahre nach meinem ersten Besuch komme ich heute wieder in eure Mitte, um euch in ihm ein Vorbild jener Heiligkeit vorzustellen, auf die ich euch damals hingewiesen habe: die einzige Kraft, die die Welt besiegt. Darum freue ich mich, bei euch zu sein und den Vorsitz bei dieser feierlichen heiligen Messe zu führen. Ich grüße Bischof Franc Kramberger, den Hirten dieser Kirche, und danke ihm für seine an mich gerichteten Worte. Ich grüße auch die Herren Kardinäle, die slowenischen Bischöfe und die anderen Bischöfe als Konzelebranten dieser festlichen Eucharistiefeier. Mein Gruß erstreckt sich sodann auf den Klerus, auf die Ordensmänner und Ordensfrauen und auf euch alle, liebe Gläubige dieser angesehenen Kirche und der Nachbarkirchen, die zusammengekommen sind, um dem neuen Seligen Ehre zu erweisen. Einen ehrfurchtsvollen Gruß richte ich an den Präsidenten der Republik und an die zivilen Obrigkeiten, die uns mit ihrer Anwesenheit beehren wollten und dadurch diese Feier noch festlicher gestalten. 2. Das heutige Evangelium, das vom Weinstock und den Reben spricht, erinnert uns daran, dass man nur dann, wenn man mit Christus verbunden bleibt, Frucht bringen kann. Jesus zeigt uns damit das Geheimnis der Heiligkeit von Bischof Anton Martin Slomsek, den seligzusprechen ich heute die Freude habe. Er war eine Rebe, die überreiche Früchte christlicher Heiligkeit, einzigartigen kulturellen 413 REISEN Reichtums und hoher Vaterlandsliebe hervorgebracht hat. Darum steht er heute als leuchtendes Beispiel der konkreten Verwirklichung des Evangeliums vor uns. In dem neuen Seligen erstrahlen vor allem die Werte der christlichen Heiligkeit. Auf den Spuren Christi wurde er zum guten Samariter des slowenischen Volkes. Aufmerksam sorgte er für die notwendige Ausbildung des Klerus und der Gläubigen; mit einem apostolischen Eifer, der noch heute beispielhaft für uns ist, verkündete er unermüdlich das Evangelium, regte Volksmissionen an, rief zahlreiche Bruderschaften ins Leben, predigte geistliche Exerzitien und verbreitete volkstümliche Gesänge und religiöse Schriften. Er war im echtesten Sinn des Wortes ein katholischer Hirte, dem die kirchlichen Obrigkeiten wichtige pastorale Aufgaben auch in anderen Regionen des damaligen Staates anvertrauten. In Treue und Lernbereitschaft der Kirche gegenüber zeigte Slomsek auch eine große Offenheit für die Ökumene. In Mitteleuropa war er einer der Ersten, der sich für die Einheit der Christen einsetzte. Möge sein brennender Wunsch nach der Einheit das ökumenische Bemühen weiter anregen, damit die Christen in diesem Europa, das er liebte, dahin gelangen, wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht, der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends sehr nahe zu sein (Tertio millennio adveniente, Nr. 34), die Schwelle des dritten Jahrtausends zu überschreiten. 3. Große Aufmerksamkeit widmete der neue Selige sodann der Kultur. Da er um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts lebte, war er sich sehr bewusst, welche Bedeutung die intellektuelle Bildung der Bevölkerung, besonders der Jugendlichen, für die Zukunft der Nation haben werde. Darum verband er das pastorale Handeln mit dem Einsatz zur Förderung der Kultur, die den Reichtum einer Nation bildet und ein ererbtes Gut aller ist. Die Kultur bildet den Humus, den Nährboden, aus dem ein Volk die notwendigen Elemente für sein Wachstum und seine Entwicklung zu ziehen vermag. Von dieser Überzeugung geleitet, verwandte sich Slomsek dafür, verschiedene Schulen für die Jugend zu eröffnen, und ermöglichte die Veröffentlichung von Büchern zur Fördemng der menschlichen und geistig-geistlichen Bildung. Er betonte, dass, wenn die Jugendlichen auf Abwege geraten, oft die Schuld im Fehlen einer angemessenen Ausbildung zu suchen ist. Die Familie, die Schule und die Kirche -so lehrte er - müssen ihre Kräfte in einem gediegenen Erziehungsprogramm vereinen, wobei jede von ihnen ihren eigenen unabhängigen Bereich behält, aber alle auf die gemeinsamen Werte Rücksicht nehmen. Nur durch eine solide Ausbildung werden Frauen und Männer darauf vorbereitet, eine Welt aufzubauen, die für die ewigen Werte der Wahrheit und der Liebe offen ist. 4. Den neuen Seligen bewegte auch eine tiefe Vaterlandsliebe. Er kümmerte sich um die slowenische Sprache, drängte zu zweckmäßigen Sozialreformen, brachte die kulturelle Hebung der Nation voran und setzte sich in jeder Hinsicht dafür ein, dass sein Volk in der Vereinigung der anderen europäischen Völker einen ehren- 414 REISEN werten Platz einnehmen könne. Und er tat das, ohne je einem kurzsichtigen Nationalismus nachzugeben oder sich egoistisch in Gegensatz zu den Bestrebungen der Nachbarvölker zu stellen. Der neue Selige stellt sich euch als Vorbild echter Liebe zum Vaterland dar. Seine Initiativen haben in entscheidender Weise die Zukunft eures Volkes gekennzeichnet. Sie haben einen bedeutenden Beitrag zum Erreichen eurer Unabhängigkeit geleistet. Den Blick auf die geliebte Balkanregion richtend, die in diesen Jahren leider von Kämpfen und Gewalttaten, extremen Nationalismen, grauenhaften ethnischen Säuberungen und Kriegen zwischen Völkern und Kulturen gezeichnet ist, möchte ich alle auf das Zeugnis des neuen Seligen hinweisen. Er zeigt, dass es möglich ist, ein aufrichtiger Patriot zu sein und mit der gleichen Aufrichtigkeit mit Menschen anderer Nationalität, anderer Kultur und anderer Religion zusammen zu leben und zu arbeiten. Mögen sein Beispiel und vor allem seine Fürsprache allen Völkern dieses weiten Gebietes von Europa Solidarität und wahren Frieden erlangen. 5. Brüder und Schwestern im lieben Slowenien! Folgt den Spuren dieses eures rechtschaffenen und edelmütigen Landsmannes, der sehnlichst danach verlangte, den Willen Gottes zu erkennen und ihn um jeden Preis zu erfüllen. Seine innere Festigkeit und sein im Evangelium gründender Optimismus waren verwurzelt in einem festen Glauben an den Sieg Christi über die Sünde und über das Böse. Ahmt ihn nach, vor allem ihr, liebe junge Slowenen, und gleich ihm zögert nicht, eure jugendlichen Energien dem Dienst des Gottesreiches und eurer Brüder und Schwestern zu weihen. Für euch, ihr Priester, sei er ein Vorbild in arbeitsamem Eifer und Opfergeist. Für euch, verantwortliche Laien, vor allem für euch, die ihr in den öffentlichen Institutionen arbeitet, sei er ein Beispiel der Ehrbarkeit, des unvoreingenommenen Dienstes und der mutigen Suche nach der Gerechtigkeit und dem Allgemeinwohl. Seid Erbauer des Friedens auch innerhalb Europas! Der Prozess der Einigung, von dem der Kontinent in Anspruch genommen ist, darf sich nicht nur auf wirtschaftliche Interessen stützen, sondern muss sich an jenen christlichen Werten inspirieren, in die seine ältesten und echtesten Wurzeln tief hinabreichen. Ein Europa, das auf den Menschen und die volle Respektierung seiner Rechte achtet -, das ist das Ziel, auf das es die Kräfte zu richten gilt! Möge das alte Europa den neuen Generationen die Fackel der menschlichen und christlichen Zivilisation weiterreichen können, die die Schritte der Vorfahren während des zu Ende gehenden Jahrtausends erhellt hat. 6. In dieser Sicht lade ich alle ein für die kommende Bischofssynode zu beten, die sich in wenigen Tagen versammeln wird, um über Christus nachzudenken, der in der Kirche lebt und die Quelle der Hoffnung für Europa ist. Es ist ein wichtiger Anlass, um tiefer die besondere Sendung der europäischen Völker im Kontext der weltweiten Beziehungen zu erwägen. Ein Europa, Lehrerin der Zivilisation, das Mittel und Möglichkeiten als Beiträge von Westen und Osten auszuwerten weiß. 415 REISEN Gern wiederhole ich die prophetischen Worte, die Slomsek bei einer Volksmission aussprach: „Man sagt: ,Die Welt ist alt geworden, das Menschengeschlecht läßt sich ohne Steuer treiben, Europa nähert sich seinem Ende.1 Ja, das stimmt, wenn wir die Menschheit ihrem natürlichen Weg, ihrer fatalen, auf den Tod zugehenden Ausrichtung überlassen. Aber es stimmt nicht, wenn die Kraft von oben, die in der Religion Jesu, in seiner Kirche steckt, sich aufs Neue in alle Schichten des Menschengeschlechtes ergießt und ihnen das Leben wiedergibt.“ Nehmen wir vom Seligen Slomsek diese wichtige Lehre mit. Er, der mutige Diener Christi, helfe uns, Reben unsterblichen Lebens zu sein, die überall das Evangelium der Hoffnung und der Liebe verbreiten. Amen. Selbstverwirklichung des Menschen im Glauben Angelus in Maribor am 19. September 1. Am Schluss dieser festlichen Eucharistiefeier erheben wir unser Gebet zu Maria, für die Anton Martin Slomsek immer eine große Verehrung pflegte. Viele Male hat er sich in all den Jahren seines Daseins um Hilfe an sie gewandt. Stets hat er auf ihren mütterlichen Schutz vertraut. Liebe slowenische Brüder und Schwestern! Die Jungfrau nimmt einen wichtigen Platz in der Religiosität eures Volkes ein. Von ihr sprechen unzählige eurer Lieder, viele herrliche Kirchen und Kapellen sind ihr in jedem Winkel eures Landes geweiht. Hier möchte ich vor allem die drei berühmten Marienheiligtümer Sveta Gora, Brezje und Ptujska Gora erwähnen, zu denen ihr gerne eine Wallfahrt unternehmt, um dort in Schwierigkeiten und Prüfungen Zuflucht zu suchen und Dank zu sagen, wenn die Bitten erhört wurden. In diesen Zentren hoher marianischer Spiritualität lernt man, im Glauben zu wachsen und in dem Wunsch, die Muttergottes in ihrer Reinheit und demütgen Ergebenheit an den Willen Gottes nachzuahmen. Maria führt uns zu Christus, in dem die Menschheitsfamilie gerufen ist, Familie der Kinder Gottes zu werden. 2. In dieser Hinsicht denkt man bisweilen, dass der Mensch eine völlig autonome und unabhängige Wirklichkeit sei ohne jeden Bezug zu Gott, als ob er sich selbst genüge und die notwendige Kraft für die Verwirklichung seiner selbst dem eigenen Ich, der eigenen Vernunft und den Werken seiner Hände entnehmen könne. Doch kann der Mensch sich selbst ohne Gott oder gar gegen Gott verwirklichen? Das leuchtende Beispiel der Jungfrau von Nazaret, niedrige Magd des Höchsten, beweist hingegen, dass allein in Gott der Mensch sein wahres Ziel finden kann. Genau deshalb wurde der sei. Slomsek nicht müde zu lehren, dass der Grund des persönlichen Lebens sowie jeder gesellschaftichen Erneuerung der Glaube sein muss. 416 REISEN Brüder und Schwestern, liebe Slowenen, wenn ihr eine Gesellschaft aufbauen wollt, die ein gastfreundliches Haus für alle ist, wisst euch das große Geschenk des Glaubens nutzbar zu machen, der vor mehr als 1250 Jahren von drei Wiegen des Christentums aus in euer Land gekommen ist: Salzburg, Aquilea und Velehrad. Seid wie Bischof Slomsek Männer und Frauen des Glaubens! 3. Wir wollen der allerheiligsten Jungfrau heute eure Stadt Maribor anvertrauen, wo der neue Selige sein Bischofsamt ausgeübt hat. Zusammen damit vertrauen wir ihr die anderen Diözesen Sloweniens und eure geliebte Nation an. Wir weihen ihr die Bischöfe, die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Familien, die Kinder und Jugendlichen, Hoffnung der Kirche und der Gesellschaft, die alten Menschen, die Kranken und die Leidenden. Maria führe euch, und sie begleite euch, reich an Glauben, Hoffnung und Liebe, dem bald schon anbrechenden dritten Jahrtausend entgegen. Schließlich begrüßte der Papst die aus den Nachbarländern gekommenen Besucher in ihren Sprachen. Er sagte: Mit großer Zuneigung grüße ich die Pilger aus dem nahen Kroatien, die bei dieser feierlichen Liturgie haben mit dabei sein wollen. Ihre Anwesenheit bietet mir auch die Gelegenheit, der unschuldigen Opfer der Kriege und totalitären Regime zu gedenken, und insbesondere derer, die in die kürzlich unweit von Maribor entdeckten Massengräber geworfen wurden. Mögen sich die schrecklichen Ereignisse niemals wiederholen. Gott gewähre das kostbare Geschenk des Friedens für Slowenien, für Kroaten und für alle Länder Europas und der ganzen Welt. Liebe Brüder und Schwestern italienischer Sprache! Mit aufrichtger Freude begegne ich euch heute hier in Slowenien und richte meinen liebevollen Willkommensgruß an euch mit dem Dank für eure Anwesenheit. Ich wünsche von Herzen, dass dieser Besuch auch für euch eine von der Vorsehung gebotene Gelegenheit sei, um im Glauben weiterzugehen, sowie im Einsatz eines christlichen Zeugnisses. Euch und eure Familien empfehle ich dem Schutz der Seligen Jungfrau Maria und des neuen Seligen an. Zu unserem Angelusgebet begrüße ich euch, hebe Schwestern und Brüder deutscher Sprache, sehr herzlich. Ich lade euch ein, dem Beispiel des neuen Seligen, Anton Martin Slomsek, zu folgen, damit der Glaube das rechte Fundament sei sowohl für das eigene Leben als auch für die Erneuerung der Gesellschaft. Ich wünsche euch allen einen gesegneten Sonntag. Herzlich grüße ich die Gläubigen ungarischer Sprache, die zur heutigen Feier gekommen sind. Das Vorbild und die Fürsprache des neuen Seligen wecke in jedem von euch den Glauben und auch das Bekenntnis zu diesem Glauben. Gelobt sei Jesus Christus! 417 REISEN Öffentlich für das Leben Verantwortung übernehmen! Ansprache beim Wortgottesdienst für die Mitglieder der slowenischen Plenarsynode in Maribor am 19. September Verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt! Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Groß ist meine Freude über das Treffen mit euch in dieser Kathedrale; hier ruhen die sterblichen Reste des verehrten Bischofs Anton Martin Slomsek, den ich heute Morgen seligsprechen durfte. Ich danke Msgr. Franc Kramberger, Bischof von Maribor, für die Worte, mit denen er die Empfindungen dieser erlesenen Versammlung zum Ausdruck gebracht und ihre Zielsetzungen dargestellt hat. Ich begrüße alle anwesenden Bischöfe wie auch die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen und die gläubigen Laien. Außerdem grüße ich die Gmppe von Rektoren der Universitäten Mitteleuropas, die sich hier eingefunden haben zur Feier des 140. Jahrestages der Gründung durch den sei. Slomsek, jener Einrichtung, die sich zur Theologischen Fakultät in Maribor entwickeln sollte. Mit Hochachtung begrüße ich auch den Präsidenten des Parlaments, den stellvertretenden Vorsitzenden der Regierung und die anderen Staatsvertreter sowie all jene, die bei der Vorbereitung meines Besuchs mitgewirkt haben. 2. Im Mai des vorvergangenen Jahres fasste die Slowenische Bischofskonferenz im Hinblick auf den Eintritt ins dritte Jahrtausend den Entschluss, die Plenarsynode zu halten mit dem Ziel, über den von der Kirche in Slowenien bisher zurückgelegten Weg nachzudenken und ihre Zukunft vorzubereiten. Ihr, liebe Bischöfe, wolltet, dass das mahnende Wort aus dem Buch Deuteronomium zum Leitspmch der Synode würde: „Wähle das Leben“ (30,19). Dieses Thema ist für den Menschen von heute, der so gierig nach Leben und doch so unsicher über dessen Sinn und Wert ist, besonders bedeutsam. Tatsächlich misst sich die Kultur einer jeden Epoche an diesem Thema. Mit dieser Synode bereitet sich die Kirche in Slowenien auf die Feier des Großen Jubiläums des Jahres 2000 vor mit der Absicht eines erneuten Engagements für eine möglichst treue Umsetzung der Richtlinien des II. Vatikanischen Konzils. Zu den das Konzil charakterisierenden Lehren zählten zweifellos die über das Volk Gottes. Sie lässt sich in dem Wort „communio“, Gemeinschaft, zusammenfassen. Dieser Grundbegriff führt uns zu den Ursprüngen der Kirche zurück, zur dreifältigen Gemeinschaft, und hilft uns im Licht dieses unaussprechlichen Geheimnisses, die Wirklichkeit der Kirche als tiefe Einheit aller Getauften zu verstehen. Jenseits ihrer jeweiligen spezifischen Berufungen haben sie alle am dreifachen Amt Christi teil, dem priesterlichen, prophetischen und königlichen. Das Leben der Kirche und die Beziehungen ihrer Mitglieder untereinander müssen diese gleiche Würde - wenn auch in unterschiedlichen Ämtern - voll zum Ausdmck bringen. 418 REISEN Die Synode ist sicherlich eine qualifizierte Ausdrucksform dieser Gemeinschaft, denn darin ist die ganze Gemeinde vertreten: Hirten, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien. Gerade von diesen Letzteren wird ein spezifischer Beitrag gefordert, insbesondere über die Themen, die ihre Erfahrung in der Welt und ihre Sendung näher betreffen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 30). Im Bewusstsein ihres Auftrags, auf das Wohl der Gläubigen bedachte Führer zu sein, werden die Hirten ihrerseits das Mögliche tun, um die verschiedenen Charismen und Ämter miteinander in Einklang zu bringen; dabei sollen sie nie vergessen, dass im kirchlichen Leben und in seiner Emeuemng der Geist Gottes an erster und unentbehrlicher Stelle steht. Der Erfolg der Synode misst sich an der Fähigkeit aller Beteiligten, Hirten und Gläubigen, auf Ihn zu hören, um zu verstehen, was Er jetzt, in diesem Augenblick, fordert: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt (Offb 2,7). 3. Liebe Brüder und Schwestern der Synodenversammlung, die ihr euch heute beim Grab des sei. Bischofs Slomsek versammelt habt! Eure Rolle in dieser Synode ist für euch eine Ehre und zugleich eine große Verantwortung. In der bisher erfolgten Vorbereitung habt ihr die Fähigkeit zum gegenseitigen Zuhören und zur Zusammenarbeit schon in beachtlichem Maße praktiziert. Dieser Weg muss weitergegangen werden. Die Synode stellt eine historische Gelegenheit für die Kirche in Slowenien dar, denn sie ist aufgerufen, in den neuen sozialen Gegebenheiten einen aktualisierten und wirksamen Pastoralplan auszuarbeiten. Darin wird sie unterstützt von dem Zeugnis des Glaubens und der Hingabe für die Sache des Evangeliums, das in der Vergangenheit von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien gegeben wurde. Die Hirten haben sich für das Volk aufgeopfert, und dies brachte ihnen Achtung und Verehrung ein. Das ist ein Gemeinschaftserbe, das auch unter den veränderten geschichtlichen Umständen ausgewertet werden muss. Liebe Brüder und Schwestern, schaut auf den sei. Slomsek! Er hatte stets den Menschen in seiner konkreten Lebenssituation vor Augen und wusste auf die Schwierigkeiten, Ängste und Mängel der Person wie auch auf ihre Freuden, Fähigkeiten und ideellen Zielsetzungen zu achten. Jetzt ist es an euch, es ihm gleichzutun. Tut es, indem ihr den Weg zusammen geht, indem ihr die Kraft dieser tiefen Gemeinschaft aus dem ständigen Hören des Wortes und aus der frommen Teilnahme an der Eucharistie schöpft, denn sie ist die Quelle des Lebens der Kirche, ja mehr noch: ihr Mittelpunkt. Seid dem Heiligen Geist folgsam, damit er euch „mit der Kraft aus der Höhe erfüllt“ (Lk 24,49) und ihr euch - wie die ersten Jünger - dem Werk der Neuevangelisierung mit Enthusiasmus widmen könnt. Evangelisieren, allen Menschen die freudige Nachricht der Rettung in Christus verkünden: Das sei eure erste und wesentliche Sorge. Scheut euch im Hinblick auf dieses Ziel nicht davor, die Grundvoraussetzungen der Freiheit zu beanspruchen, die für die Durchführung der Sendung der Kirche unentbehrlich sind. 419 REISEN Wenn die Christen - als Bürger ihres Landes - verpflichtet sind, zum Wohl der ganzen Gesellschaft beizutragen, so haben sie - als Gläubige - auch ein Recht auf Nicht-Behinderung ihrer rechtmäßigen Tätigkeit. In dieser Hinsicht, und gerade in Anbetracht der wesentlichen Rolle des Christentums und der katholischen Kirche in der Geschichte und Kultur Sloweniens, ist der Wunsch berechtigt, dass der Prozess zu einer effektiven Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat rasch vorankomme und zur Überwindung der gegenwärtigen Schwierigkeiten beitrage, zum Vorteil jener Kooperation, die im Interesse der gesamten Gesellschaft liegt. 4. Ich möchte mich nun in Gedanken an die ganze slowenische Kirche wenden, die ihr hier würdig vertretet. Ich möchte zum Herzen jedes Gläubigen in jedem Winkel eures geliebten Landes sprechen. Allen und jedem möchte ich sagen: Kirche, die du in Slowenien lebst, „wähle das Leben“; wähle dieses überaus kostbare Geschenk Gottes, des Schöpfers und Retters, vor allem anderen! Bring dieses Geschenk denen, die nicht die Kraft zur Vergebung besitzen, den Männern und Frauen, die die Bitterkeit einer gescheiterten Ehe erfahren haben; bring es den Jugendlichen, die allzu oft Opfer falscher Idole sind; bring es den slowenischen Familien, damit sie ihren anspruchsvollen Auftrag vertrauensvoll und großzügig erfüllen; bring es all denen, die beim Werk des Gottesreiches mitar-beiten, damit sie angesichts der Schwierigkeiten nicht den Mut verlieren; bring es den Menschen, die mit ihrer Arbeit, und insbesondere durch die Übernahme von Verantwortung im öffentlichen Leben, zum Gemeinwohl aller Bürger beitragen. Kirche, die du in Slowenien eine Pilgerin der Hoffnung bist, gehe den Weg weiter, den du vor 1250 Jahren eingeschlagen hast, und überschreite die Schwelle zum dritten Jahrtausend mit Mut und Vertrauen. Folge den Spuren Christi; folge dem Beispiel des hl. Apostels Andreas, Schutzpatron dieser Diözese Maribor, und des sei. Bischofs Anton Martin Slomsek, Vorbild eines erleuchteten und unermüdlichen Hirten. Über dir und all deinen Vorhaben wache die sei. Jungfrau Maria, Mutter und Königin Sloweniens, die dein Volk mit dem Titel „Marija Pomagaj“ verehrt. Dich, Kirche in Slowenien, jedes deiner Mitglieder und das ganze slowenische Volk versichere ich meines Gebetsgedenkens und segne alle und jeden von ganzem Herzen. 420 REISEN 8. Pastoraireise nach Indien und Georgien (5. bis 9. November) Religion und Friede müssen Hand in Hand gehen Ansprache bei der Unterzeichnung und Veröffentlichung des nachsynodalen Schreibens Ecclesia inAsia in Neu-Delhi am 6. November Eminenzen, meine Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Gäste, liebe Brüder und Schwestern! 1. „Gnade sei mit euch und Friede von Ihm, der ist und der war und der kommt... und von Jesus Christus; er ist der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten“ 0Qffb 1,4-5). Dank und Lob sei dem Vater des grenzenlosen Erbarmens, dass ich wiederum auf dem gesegneten Boden Asiens bin. Ich freue mich mit euch in der Gemeinschaft, die über alle Zeit hinausgeht und in Liebe Christen „aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern“ (Offt> 5,9) miteinander verbindet. Als Pilger erweise ich dem Kontinent, der die Wiege großer religiöser Traditionen und alter Zivilisationen ist, meine Ehrerbietung. Wie sollten wir nicht innerlich bewegt sein angesichts der unaufhörlichen Leidenschaft Asiens für das Absolute, für das, was über unsere irdische Sicht hinausgeht? Im Frieden des auferstandenen Herrn treffen wir uns auf asiatischer Erde, um die Früchte der Synode zu besiegeln, die wir in Rom, nahe beim Grab des Apostels Petras, gehalten haben. Ich danke Erzbischof de Lastic, den indischen Bischöfen und den zivilen Obrigkeiten für alles, was sie getan haben, um diesen Besuch möglich zu machen. Mein Graß gilt den vielen Priestern, Ordensfrauen, Ordens-männem und gläubigen Laien, die ihr Leben im Dienst für Christus und das Evangelium einsetzen. Ich danke den Vertretern der christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die diese Versammlung mit ihrer Anwesenheit beehren, und meine Gedanken wenden sich auch den Angehörigen anderer Religionen zu, die mit Interesse und Achtung auf dieses Treffen blicken. Friede sei mit euch allen. 2. Die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien untersuchte die Lage der Kirche in Asien und des ganzen asiatischen Kontinents unter dem Blickwinkel des Gebotes unseres Herrn, das Evangelium allen Völkern zu verkünden. Wir taten das in dem Bewusstsein, dass die Welt immer neuen Entwicklungsmöglichkeiten entgegengeht und dass Christen besondere Verpflichtungen haben, wenn wir ins dritte christliche Jahrtausend eintreten. Wir suchten gemeinsam die Zeichen der Zeit mit 421 REISEN den Augen des Glaubens und mit den Herzen von Hirten zu lesen. Dazu gehörte es, „die Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ (Gaudium et spes, Nr. 1) aller Jünger Christi in diesem Kontinent zu teilen. Die Synode war nicht nur eine tiefe Erfahrung der Brüderlichkeit im bischöflichen Dienst, sondern vor allem eine tief beeindruckende Begegnung mit Jesus Christus, der selber die Freuden und Sorgen der Welt auf sich nimmt. Mit dem Ohr des Herzens und des Geistes zuhörend, vernahmen die Synodenväter in einer großen Menge verschiedener Sprachen den Aufschrei der Völker Asiens: „Welches ist die Tür, die zum Leben führt?“ Und wir hörten Jesus sagen: „Ich bin die Tür.“ Ja, Jesus Christus ist die Tür, die zum Leben fuhrt! Wir hörten Asiaten aufschreien: „Wer wird die Tür für uns öffnen?“ Und von Christus kam die Antwort: „Ich werde die Tür öffnen und dich ins Leben führen.“ Wir hörten die Stimme der Völker Asiens fragen: „Aber wie wirst du die Tür öffnen und uns ins Leben fuhren?“ Darauf antwortete Jesus: „Ich will mein Leben für euch hingeben!“ Dann fragte Asien: „Aber wie wirst du dein Leben für uns hingeben?“ Und an der Antwort Jesu sind wir alle beteiligt: „Ich habe das schon auf Kalvaria getan, und ich fahre fort, mich für euch hinzugeben in meinem mystischen Leib, der die Kirche ist, und in meinem sakramentalen Leib, der Eucharistie, die für das Heil der Welt dargebracht wird!“ Die Synode war eine glutvolle Bekräftigung des Glaubens an Jesus Christus, den Erlöser; und sie bleibt ein Ruf zur Bekehrung, damit die Kirche in Asien immer mehr der Gnaden würdig wird, die ihr beständig von Gott angeboten werden (vgl. Ecclesia in Asia, Nr. 4). 3. Die meisten Kirchen Asiens sind zahlenmäßig relativ klein, aber sie haben sich groß gezeigt in der Treue zu Christus und zum Evangelium, selbst in Zeiten der Verfolgung. Es sind Kirchen, die Blutvergießen erlebt haben, und die Menge asiatischer Märtyrer ist sicherlich ihr größter Ruhm. ,, Te martyrum candidatus laudat exercitus“ - „Dich preist der Märtyrer strahlendes Heer.“ Christen wie der hl. Andreas Kim Tae-gon, der hl. Paul Miki, der hl. Lorenzo Ruiz und der hl. Andreas Dung-Lac und andere heilige Männer und Frauen dieses Kontinents zeigen uns, wie die Gnade Christi das Herz asiatischer Menschen voll und ganz durchdringen kann. Aus solchem unvergesslichen Zeugnis lernen die Kirchen Asiens den Weg der Liebe und des liebenden Dienstes, und sie lernen, dass Gerechtigkeit eine hervorragende Fmcht der Liebe ist. Es ist gewiss das Werk des Heiligen Geistes, dass asiatische Christen sich mehr und mehr der Verteidigung der Menschenwürde und dem Streben nach Gerechtigkeit zuwenden. Dieser Dienst am Menschen ist nicht in Illusionen von Ideologien begründet, sondern in der Ehrfurcht vor der schöpferischen Tat Gottes, der Mann und Frau nach seinem eigenen Bild erschuf (vgl. Gen 1,26). Im Gehorsam gegenüber dem Gebot des Herrn, dass wir einander lieben sollen, wie er uns geliebt hat (vgl. Joh 13,34), wenden Christen ungeheure Energien auf in praktischer Nächstenliebe und für die Förderung des Menschen und seine Befreiung. 422 REISEN 4. Manche asiatischen Christen leben in Ländern, die von Konflikten zerrissen sind, und solche Konflikte werden manchmal als Auswirkung der Religion dargestellt. Was für ein Zerrbild wahren Glaubens ist das! Wie treulos nicht nur dem Evangelium, sondern auch den tiefen Einsichten der Religionen Asiens gegenüber, die auf ihren verschiedenen Wegen Toleranz und Güte lehren! Menschen aller Religionen müssen mit Nachdruck zeigen, dass Religion und Friede Hand in Hand gehen. Aber es soll auch Frieden für die Religion geben. In jedem Teil dieses Kontinents soll das Recht auf Freiheit des Glaubens und der Gottesverehrung respektiert werden! Denn wenn dieses primäre, grundlegende Recht verweigert wird, kommt das ganze Gebäude der Rechte und der Freiheit des Menschen ins Schwanken. Ecclesia in Asia merkt deutlich an, dass in Teilen Asiens ausdrückliche Verkündigung verboten ist und religiöse Freiheit verweigert oder systematisch eingeschränkt wird (Nr. 23). In solchen Situationen gibt die Kirche Zeugnis durch das „Aufnehmen ihres Kreuzes“, während sie gleichzeitig bei den Regierungen anhaltend darauf dringt, dass sie die religiöse Freiheit als ein grundlegendes Menschenrecht anerkennen. 5. Da Asien schwer an der Wunde der Spaltung zwischen den Christen leidet, bittet die Synode alle Jünger Christi dringend, immer härter daran zu arbeiten, „eines Sinnes zu sein, einander in Liebe verbunden, einmütig und einträchtig“ (Phil 2,2). Ebenso bittet sie auch die ganze Kirche in Asien, sich dem „colloquium salutis“, dem Dialog des Heils, zu widmen, der sich auch auf Anhänger anderer Religionen und alle Männer und Frauen guten Willens erstreckt. Das Wort, das wir in diesem Dialog sprechen müssen, ist das Wort vom Kreuz Jesu Christi. Denn in ihm, der am Kreuz sich ganz seiner selbst entäußerte, wird die Fülle des Lebens gefunden (vgl. Phil 2,6-11). Das nachsynodale Schreiben Ecclesia in Asia lädt die Völker Asiens ein, die Gestalt des gekreuzigten Jesus zu betrachten. Durch Dunkelheit führt er uns zu der Tür, die sich zu der Fülle des Lebens hin öffnet, wie die Menschheit sie sucht. Mit besonderer Leidenschaft war Asien immer auf der Suche nach dieser Fülle. Wir sprechen von einem Leben, das nicht dann zu uns kommt, wenn das Leid der Welt abgewendet oder zurückgelassen wird, sondern wenn die Macht selbstloser Liebe in dieses Leid Eingang findet und es verwandelt: die Liebe, für die das durchbohrte Herz des Erlösers am Kreuz ein sprechendes Symbol ist. Diese Liebe ist es, die christliche Heiligkeit möglich macht. In ihr liegt der Ursprung zur Verkündigung, zur liebenden Solidarität mit den Notleidenden, zu Achtung und Offenheit jedem Menschen und allen Völkern gegenüber. Niemand soll die Kirche fürchten! Ihr einziger Ehrgeiz besteht darin, Christi dienende und liebende Sendung fortzusetzen, damit das Licht Christi heller erstrahle und das Leben, das er gibt, für alle, die seinen Ruf hören, besser erreichbar sei. 6. Mit dem Überreichen der Frucht der Synodenarbeit in dem nachsynodalen Schreiben Ecclesia in Asia ergeht an euch, die Bischöfe, die Bitte, immer größere 423 REISEN Anstrengungen zu machen, um das Evangelium des Heiles über die ganze Länge und Breite der menschlichen Geographie Asiens hin auszubreiten. Die Frage ist nicht, ob die Kirche den Männern und Frauen unserer Zeit etwas Wesentliches zu sagen hat, sondern: wie sie es klar und überzeugend sagen kann! (vgl. Nr. 29). Der Gute Hirte hat sein Leben für die Schafe hingegeben, und wir, die seinen Namen tragen, müssen diesem selben Weg folgen. Mit dem hl. Gregor von Nyssa müssen wir um die Kraft zur Erfüllung des uns anvertrauten Dienstes beten: „Zeige mir, o Guter Hirte, wo grüne Weiden und friedliche Wasser liegen; rufe mich bei meinem Namen, daß ich deine Stimme höre“ (Kommentar zum Hohenlied, 2). Nachfolger der Apostel, verantwortlich für den Leib Christi, leitet die Kirche in Asien mit liebender Sorge durch jedes dunkle Tal zu grünen Weiden und friedlichen Wassern! Möge Maria, die „Morgenröte des mystischen Tages“ (Akathistos, Stanze 5), euch um sich versammeln, damit ihr für die vor euch liegende Arbeit gestärkt werdet. Durch ihre Fürbitte möge die heilige Kirche Kraft finden, die ihr vom Herrn übertragene Sendung zu Ende zu führen. „Ihm, der uns liebt... ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen“ (vgl. Ofjb 1,5-6). Christus ist das Licht auf dem Weg des Friedens und der Solidarität Predigt während der Eucharistiefeier im Jawaharlal-Nehru-Stadion am 7. November „Lebt als Kinder des Lichts! Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor“ (Eph 5, 8-9). Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute feiern viele Menschen in diesem ganzen weiten Land das Fest des Lichtes. Wir freuen uns mit ihnen, und bei dieser Eucharistiefeier hier in New-Delhi in Indien, auf dem Kontinent Asien, jubeln auch wir im Licht und legen für den Zeugnis ab, der „das wahre Licht ist, das jeden Menschen erleuchtet“ (vgl. Joh 1,9). Gott, der Vater des Erbarmens, hat mir die Freude geschenkt, zu euch zu kommen, um das nachsynodale Schreiben Ecclesia in Asia zu promulgieren, das Ergebnis der Arbeiten der Sondersynode der Bischofssynode für Asien, die voriges Jahr in Rom stattfand. Was war diese Synode für Asien? Es war eine Versammlung von Bischöfen, die die Kirche in diesem Kontinent vertraten. Was taten die Bischöfe? Vor allem hörten sie im Gebet auf den Heiligen Geist. Sie dachten nach über den Weg, den die Kirche bis jetzt unter den Völkern Asiens gegangen ist. Sie erkannten die Gnade der „Stunde“, in der die Kirche jetzt auf diesem Kontinent lebt. Sie stellten an das ganze Volk Gottes die Anforderung zu immer größerer Treue ge- 424 REISEN genüber dem Herrn und dem Auftrag des Evangeliums, den er allen Getauften zum Wohl der Menschheitsfamilie anvertraut hat. 2. Heute vertretet ihr, liebe Brüder und Schwestern, hier die katholische Gemeinschaft nicht nur Indiens, sondern des ganzen asiatischen Kontinents, und ich lege das nachsynodale Schreiben jetzt, da wir in ein neues Jahrhundert und ein neues christliches Jahrtausend eintreten, in eure Hände als einen Leitfaden für das geistliche und pastorale Leben der Kirche auf diesem Kontinent. Es ist passend, dass dieses Dokument in Indien unterzeichnet und herausgegeben wurde, in der Heimat vieler der altehrwürdigen Kulturen, Religionen und geistlichen Traditionen Asiens. Diese alten asiatischen Zivilisationen haben das Leben der Völker dieses Kontinents geprägt und haben in der Geschichte des Menschengeschlechts eine unauslöschliche Spur hinterlassen. Heute sind geschätzte Vertreter verschiedener christlicher Gemeinschaften und der großen Religionen Indiens hier anwesend. Ich grüße sie alle in Hochachtung und Freundschaft, und ich tue ihnen meine Hoffnung und meinen Traum kund, dass das nächste Jahrhundert eine Zeit fruchtbaren Dialogs sei und zu einem neuen Verhältnis des Verstehens und der Solidarität unter den Anhängern aller Religionen führe. 3. Ich möchte Erzbischof Alan de Lastic, dem Hirten der Erzdiözese, die Gastgeberin für diese eucharistische Versammlung ist, für seinen freundlichen Willkommensgruß danken. Ich begrüße alle meine bischöflichen Mitbrüder der lateinischen Kirche, der syro-malabarischen und der syro-malankarischen Kirche. Ich umarme die Kardinäle und Bischöfe, die aus anderen Ländern gekommen sind, um bei diesem Anlass unsere Freude zu teilen. Ich danke den in großer Zahl hier anwesenden Priestern. Sie haben zusammen mit den Bischöfen und Priestern Asiens und der Welt Anteil am Priestertum Jesu Christi. Ihr Priester, meine lieben Brüder, lasst die Worte aus der Liturgie der Priesterweihe euch Lebensregel sein: „Empfange das Evangelium Christi, dessen Diener du bist, meditiere über das Gesetz Gottes; glaube, was du liest; predige, was du glaubst, und lebe das, was du predigst.“ Mit großer Zuneigung im Herrn grüße ich die Ordensmänner und Ordensfrauen. Ob ihr euch der Kontemplation widmet oder im aktiven Apostolat arbeitet, euer Zeugnis für den Vorrang des Geistes stellt euch mitten ins Herz des Lebens und der Sendung der Kirche in Asien. Dafür danke ich euch und mache euch Mut. In besonderer Weise übergebe ich die Früchte der Synode den Laien, denn vor allem ihr seid berufen, die Gesellschaft umzugestalten, indem ihr den „Geist Christi“ in die Mentalität, die Gebräuche, Gesetze und Strukturen der Welt, in der ihr lebt, einbringt (vgl. Ecclesia in Asia, Nr. 22). Eine der Hauptanforderungen, die vor euch liegen, besteht in dem Bemühen, das Licht des Evangeliums in den Familien wirksam zu machen, und im Schutz des menschlichen Lebens und der menschlichen Würde. Ihr legt in einer Welt voller Gegensätze Zeugnis für euren Glauben ab. Einerseits wurde ein ungeheurer wirtschaftlicher und technischer Fortschritt gemacht, andererseits bestehen noch Situationen äußerster Armut und 425 REISEN Ungerechtigkeit. In der Synode hallte das Echo vom Schrei der alten Propheten wider, der Ruf nach Gerechtigkeit, nach der rechten Ordnung in der menschlichen Gesellschaft, ohne die es keine wahre Gottesverehrung geben kann (vgl. Jes 1,10-17; Am 5,21-24; Ecclesia in Asia, Nr. 41). Die Kirche rechnet mit den Laien, den Männern und Frauen Asiens, dass sie das Licht Christi widerspiegeln, wo immer das Dunkel von Sünde, Uneinigkeit und Diskriminierung das Bild Gottes in seinen Kindern entstellt. 4. „... das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst“ (Joh 1,5). Diese Worte des hl. Johannes im heutigen Evangelium sprechen von Jesus Christus zu uns. Sein Leben und sein Werk sind das Licht, das unsere Reise zu unserer übernatürlichen Bestimmung erhellt. Die Frohe Botschaft von der Menschwerdung des Erlösers und von seinem Tod und seiner Auferstehung um unseretwillen erleuchtet den Weg der Kirche auf ihrem Weg durch die Geschichte zur vollen Erlösung hin. Die Synode, die wir heute abschließen, hatte helle Freude an dem Gedanken, dass die Geburt Jesu auf asiatischem Boden stattfand. Das Ewige Wort wurde Mensch als Asiate! Und in diesem Kontinent fuhr die Kirche fort, in der Kraft des Heiligen Geistes das Evangelium predigend, die Frohe Botschaft zu verbreiten. Zusammen mit den Christen in der ganzen Welt wird die Kirche in Asien die Schwelle des neuen Jahrtausends überschreiten und Gott danken für alles, was er von jenen Anfängen an bis jetzt gewirkt hat. Wie das erste Jahrtausend das Kreuz fest in den Boden Europas eingepflanzt sah, das zweite Jahrtausend ebenso in den Boden Amerikas und Afrikas, so möge das dritte christliche Jahrtausend Zeuge einer reichen Glaubensemte auf diesem weit ausgedehnten, lebensvollen Kontinent sein (vgl. Ecclesia in Asia, Nr. 1). 5. Da wir auf der Schwelle des Großen Jubiläums zur Erinnerung an das zweitausendste Jahr nach der Geburt Jesu Christi stehen, ist die Gemeinschaft seiner Jünger zum Wiedergutmachen der großen Zurückweisung aufgerufen, von der im Prolog des Johannesevangeliums die Rede ist: „... die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf (Joh 1,10-11). Das Ewige Wort, das „wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt“ (ebd., 1,9). Doch statt sich frei auszubreiten, wird das Licht oft durch Finsternis behindert und verdunkelt. Im Herzen des Sünders wird dieses Licht zurückgewiesen. Und die Sünden Einzelner verbinden und verfestigen sich zu ungerechten sozialen Strukturen, zu wirtschaftlichen und kulturellen Ungleichgewichten, die Menschen diskriminieren und an den Rand der Gesellschaft drängen. Das Zeichen dafür, dass wir das Jubiläum wirklich als Gnadenjahr des Herrn (vgl. Jes 61,2) feiern, wird in unserer Bekehrung zum Licht bestehen und in unseren Anstrengungen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts sowie zur Förderung der Gerechtigkeit auf allen Ebenen der Gesellschaft. 6. „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben“ (Joh 1,12). In der Eucharistie danken wir Gott, dem 426 REISEN Vater, für seine vielen Gaben an uns, besonders für das Geschenk, das er uns in seinem geliebten Sohn, unserem Erlöser Jesus Christus, gemacht hat. Jesus Christus ist der treue und zuverlässige Zeuge (vgl. Offb 3,14). Die Synode erinnert asiatische Christen daran, dass „das vollkommen menschliche, ganz der Liebe und dem Dienst des Vaters und der Menschen gewidmete Leben Jesu offenbar macht, dass die Berufung jedes Menschen darin besteht, Liebe zu empfangen und Liebe zu schenken“ (Ecclesia in Asia, Nr. 13). In den Heiligen bestaunen wir die unerschöpfliche Fähigkeit des Menschenherzens, Gott und den Menschen zu lieben, selbst wenn das mit großem Leiden verbunden ist. Weist nicht auch das Vermächtnis so vieler weiser Lehrer in Indien und den anderen Ländern Asiens in eine ähnliche Richtung? Solche Lehren sind auch heute noch gültig. Ja, sie sind mehr denn je notwendig! Die Welt wird nur dann umgestaltet, wenn Männer und Frauen guten Willens und ganze Nationen sich aufrichtig dazu verstehen, dass der einzige, der Menschheitsfamilie würdige Weg der Weg des Friedens ist, der Weg gegenseitiger Achtung, gegenseitigen Verstehens und gegenseitiger Liebe und der Weg der Solidarität mit denen, die in Not sind. Liebe Brüder und Schwestern, was hat die Kirche im Morgenrot eines neuen Jahrtausends bei ihren Mitgliedern nötig? Vor allem, dass ihr Zeugen seid, die glaubwürdig sind, weil ihr in eurem Leben die Botschaft verkörpert, die ihr verkündet. Ecclesia in Asia erinnert uns alle daran: ein Feuer kann nur mit etwas angezündet werden, das selber brennt. Das Evangelium kann nur gepredigt werden, wenn Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien vom Feuer der Liebe Christi entflammt sind und, brennend vor Eifer, sich dafür einsetzen, dass man ihn kennenleme, ihn liebe und ihm folge (vgl. Nr. 23). Das ist die Botschaft der Synode: eine Botschaft der Liebe und der Hoffnung für die Völker dieses Kontinents. Möge die Kirche in Asien dieser Botschaft Beachtung schenken, damit alle „das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Durch Jesus Christus, unsem Herrn. Amen. In marianischem Geist den Völkern Asiens dienen Angelus in Neu-Delhi am 7. November Am Ende dieser Eucharistiefeier wenden wir uns mit Vertrauen Maria, der Gottesmutter, zu. Vor zweitausend Jahren gebar die selige Jungfrau auf asiatischem Boden das menschgewordene Wort. Heute wirkt Maria weiterhin mit bei der Geburt und dem Wachstum göttlichen Lebens in den Seelen der Getauften. In ihrem täglichen Leben mögen die Söhne und Töchter der Kirche dem Beispiel Marias folgen und ihre Bereitwilligkeit nachahmen, in jeder Lage den Willen Gottes zu erkennen; ihre vollkommene Selbstaufopferung in der Liebe; ihre grenzenlose Treue und unermüdliche Hingabe; ihre Stärke, in der Lage, die größten Sorgen zu tragen; ihr Vermögen, stets Worte der Hilfe und des Trostes zu sprechen. 427 REISEN Dir, Mutter der Kirche, vertrauen wir die Ergebnisse der Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien an: Führe die Kirche in Asien bei der freudigen Verkündigung des Glaubens an Jesus Christus, unseren Retter, und dem hochherzigen Dienst an den Völkern dieses Kontinents. Dir, Vorbild der Heiligkeit, vertrauen wir den Klerus, die Männer und Frauen des geweihten Lebens sowie die Laien der Kirche in Asien an: Erneuere und unterstütze sie im Geist des Eifers und in ihrem Einsatz für die große Aufgabe der Evangelisierung und des Dienstes. Dir, Spiegel der Gerechtigkeit, vertrauen wir die für die Geschicke dieses Kontinents Verantwortlichen an: Mögen sie unermüdlich das Gemeinwohl suchen und für die geistige und materielle Entwicklung der Völker dieses Kontinents tätig sein. Dir, Mutter der Barmherzigkeit, vertrauen wir die Armen, die Bedürftigen und die Leidenden an: Lehre uns, mit ihnen eins zu sein im Geist, um ihnen zu dienen als unseren Brüdern und Schwestern. Dir, Mutter des Erlösers, vertrauen wir die Jugendlichen Asiens an: Ihnen bietet die Kirche die Wahrheit des Evangeliums als eine freudige und befreiende Botschaft an und bittet sie, ihre Frische und Begeisterung, ihren Geist der Solidarität und Hoffnung einzusetzen als Friedensstifter in einer geteilten Welt. Maria, Mutter der neuen Schöpfung, bitte für uns, deine Kinder, jetzt und allezeit! Gott segne euch alle. Von diesem Land aus, das die sterbliche Hülle von Mutter Teresa von Kalkutta bewahrt, zeigt der ganzen Kirche, dass ihr niemals ihr Zeugnis evangeliumsgemäßer Liebe besonders zu den Ärmsten der Armen vergesst. Mutter Teresa liebte Indien; sie wird für immer mit dem Volk Indiens sein. Freie Religionsausübung ist unantastbares Menschenrecht Ansprache bei der Begegnung mit Repräsentanten anderer Religionen und anderer christlicher Konfessionen in Neu-Delhi-Vigyan Bhawan [Bawan] am 7. November Verehrte Religionsführer, liebe Freunde! 1. Es ist eine große Freude für mich, erneut Indien, das mir so lieb gewordene Land, zu besuchen und diese besondere Möglichkeit zu haben, Sie, die Vertreter verschiedener religiöser Traditionen, zu begrüßen, die nicht nur große Errungenschaften der Vergangenheit verkörpern, sondern auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für die Menschheitsfamilie. Der Regierung und den Menschen Indiens danke ich für den herzlichen Empfang, der mir bereitet wurde. Ich komme als Pilger des Friedens zu euch und als Mitreisender auf dem Weg, der zur endgültigen Erfüllung der tiefsten menschlichen Sehnsüchte führt. Anlässlich des Festes Diwali, welches das Fest des Lichtes ist, das den Sieg des Lebens über den Tod, des Guten über das Böse symbolisiert, bringe ich die Hoffnung zum Ausdruck, dass diese Zusammenkunft zur Welt von den Dingen sprechen wird, die uns 428 REISEN alle vereinen: unser gemeinsamer menschlicher Ursprung und unser Schicksal, unsere gemeinsame Verantwortung für das Wohlergehen und den Fortschritt der Menschen, unser Bedürfnis des Lichtes und der Kraft, die wir in unseren jeweiligen religiösen Überzeugungen suchen. Im Laufe der Jahrhunderte hat Indien auf vielfache Weise jene Wahrheit gelehrt, die die großen christlichen Lehrer ebenfalls vorgelegt haben, nämlich dass Männer und Frauen „durch einen inneren Instinkt“ zutiefst auf Gott hin orientiert sind und ihn aus der Tiefe ihres Daseins heraus suchen (vgl. hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, III, q. 60, art. 5,3). Auf dieser Grundlage können wir, davon bin ich überzeugt, gemeinsam und mit Erfolg den Weg des Verständnisses und des Dialoges gehen. 2. Meine Anwesenheit hier unter Ihnen ist als weiteres Zeichen dafür zu verstehen, dass die katholische Kirche immer tiefer in den Dialog mit den Weltreligionen eintreten will. Sie sieht diesen Dialog als einen Akt der Liebe an, die ihre Wurzeln in Gott selbst hat. „Gott ist die Liebe“, verkündet das Neue Testament, „und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm. ... Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. ... Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht (7 Joh 4,16; 19-20). Es ist ein Hoffhungszeichen, dass die Weltreligionen sich immer mehr ihrer gemeinsamen Verantwortung für das Wohl der Menschheitsfamilie bewusst werden. Es ist dies ein entscheidender Teil der Globalisierung der Solidarität, die kommen muss, wenn die Zukunft der Welt als gesichert gelten soll. Dieser Sinn für gemeinsame Verantwortung wächst in dem Maße, in dem wir das entdecken, was wir als religiöse Menschen gemeinsam haben. Wer von uns ringt nicht mit dem Geheimnis des Leidens und des Todes? Wer von uns hält das Leben, die Wahrheit, den Frieden, die Freiheit und die Gerechtigkeit nicht für äußerst wichtige Werte? Wer von uns ist nicht überzeugt, dass das moralische Gutsein nicht tief und fest im Offensein des Einzelnen und der Gesellschaft für die transzendente Welt des Göttlichen verwurzelt ist? Wer von uns glaubt nicht, dass der Weg zu Gott Gebet, Stille, Askese, Opfer und Demut erfordert? Wer von uns ist nicht darum besorgt, dass wissenschaftlicher und technischer Fortschritt von einem geistigen und moralischen Bewusstsein begleitet sein sollten? Und wer von uns ist nicht davon überzeugt, dass die Herausforderungen, die jetzt an die Gesellschaft gestellt werden, lediglich angegangen werden können, indem eine Zivilisation der Liebe errichtet wird, die auf solch universalen Werten wie Frieden, Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit gründet? Wie aber könnten wir das schaffen, wenn nicht durch Begegnung, gegenseitiges Verständnis und Zusammenarbeit? 3. Der vor uns liegende Weg ist anspruchsvoll, und es lauert stets die Versuchung, statt dessen den Weg der Isolation und Trennung zu wählen, der zu Konflikten führt. Das wiederum setzt jene Kräfte frei, die Religion zur Entschuldigung für Gewalt werden lassen, wie wir es nur allzuoft auf der Welt miterleben können. Erst vor Kurzem durfte ich im Vatikan die Repräsentanten der Weltreligionen empfan- 429 REISEN gen, die dort zusammengekommen waren, um das beim Treffen von Assisi im Jahre 1986 Erreichte weiterzuentwickeln. Hier wiederhole ich, was ich zu dieser erlesenen Versammlung sagte: „Religion ist kein Vorwand für Konflikte, und sie darf es auch besonders dann nicht werden, wenn religiöse, kulturelle und ethische Identität zusammenfallen. Religion und Frieden gehen Hand in Hand. Krieg im Namen der Religion zu fuhren ist ein eklatanter Widerspruch.“ Besonders die Religionsführer haben die Pflicht, in jeder Weise dafür zu sorgen, dass Religion das ist, was Gott will, nämlich eine Quelle der Güte, der Achtung, der Harmonie und des Friedens! Das ist die einzige Art und Weise, Gott in Wahrheit und Recht zu ehren! Unsere Begegnung verlangt von uns, dass wir darum ringen, gegenseitig zu erkennen und gutzuheißen, was immer gut und heilig ist, so dass wir gemeinsam die geistigen und sittlichen Wahrheiten anerkennen, bewahren und fördern, die einzig und allein die Zukunft der Welt garantieren (vgl. Nostra aetate, Nr. 2). In diesem Sinne ist der Dialog niemals ein Versuch, unsere eigenen Ansichten anderen aufzuzwingen, denn ein solcher Dialog würde zu einer Form geistiger und moralischer Anmaßung. Das bedeutet nicht, dass wir unsere eigenen Überzeugungen aufgeben, sondern es bedeutet, dass wir, an unserem Glauben festhaltend, respektvoll auf die anderen hören und versuchen, all das zu erkennen, was gut und heilig ist und was den Frieden und die Zusammenarbeit fördert. 4. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass wir das enge und unzerreißbare Band erkennen, das zwischen Frieden und Freiheit besteht. Die Freiheit ist das edelste Vorrecht der menschlichen Person, und eine der Hauptfordemngen der Freiheit ist die freie Ausübung der Religion in der Gesellschaft (vgl. Dignitatis humanae, Nr. 3). Kein Staat und keine Gruppe hat das Recht, direkt oder indirekt die religiöse Überzeugung eines Menschen zu kontrollieren, noch ist der Anspruch gerechtfertigt, das öffentliche Religionsbekenntnis und die öffentliche Religionsausübung aufzuerlegen oder zu verhindern oder das respektvolle Ansprechen seitens einer Religion an das freie Gewissen der Menschen. Wir haben dieses Jahr den fünfzigsten Jahrestag seit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte begangen. Zu diesem Anlass schrieb ich Folgendes: „Die Religionsfreiheil bildet den Kern der Menschenrechte. Sie ist so unantastbar, dass sie fordert, dass der Person auch die Freiheit des Religionswechsels zuerkannt wird, wenn das Gewissen es verlangt. Denn jeder ist gehalten, dem eigenen Gewissen in jeder Situation zu folgen und darf nicht gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln (vgl. Art. 18) {Botschaft zum Weltfriedenstag 1999; 5, O.R. dt, 1.1.1999, S. 7). 5. Die großen Herrscher Indiens wie Ashoka, Akbar und Chatrapati Shivaji beschriften den Weg des Dialogs und der Toleranz, ebenso taten es weise Männer wie Ramakrishna Paramahamsa und Swami Vivekananda; desgleichen leuchtende Persönlichkeiten wie Mahatma Gandhi, Gurudeva Tagore und Sarvepalli Radha-krishnan. Sie verstanden zutiefst, dass dem Frieden und der Harmonie zu dienen eine heilige Aufgabe ist. 430 REISEN Es sind Menschen, die in Indien und darüber hinaus einen bedeutenden Beitrag zum verstärkten Bewusstsein geleistet haben, dass wir weltweit Brüder und Schwestern sind. Sie weisen uns auf eine Zukunft hin, in der unser tiefes Verlangen, durch die Pforte des Friedens zu gehen, seine Erfüllung finden wird, da wir diese Pforte gemeinsam durchschreiten werden. Toleranz, Dialog und Zusammenarbeit als den Weg in die Zukunft zu wählen bedeutet, das zu bewahren, was im großen religiösen Erbe der Menschheit als das Wertvollste gilt. Es soll auch sicherstellen, dass die Welt in den kommenden Jahrhunderten nicht ohne jene Hoffnung sein wird, die das Herzblut des Menschen ist. Möge uns der Herr des Himmels und der Erde, dies jetzt und immerdar gewähren. Anerkennung und Dank für gelebtes Zeugnis der Beharrlichkeit Ansprache bei der Ankunft in Tiflis [Georgien] am 8. November Herr Präsident, Eure Heiligkeit, verehrte Gäste, liebe Brüder und Schwestern! 1. Seit Jahren ist es mein Wunsch gewesen, in dieses geliebte Land zu kommen, besonders aber seit dem Besuch Eurer Heiligkeit und seit Ihrem Besuch, Herr Präsident, im Vatikan. Seither habe ich mich, um mit den Worten des Apostels Paulus zu sprechen, „in größter Sehnsucht um so eifriger bemüht, euch wiederzusehen“ (1 Thess 2,17) in Ihrem eigenen Land, und Gott hat mein Gebet erhört. Ihm allein, der einzig „heilig, stark und unsterblich“ ist (vgl. Trishagion), danke ich, und ihn preise ich. Ihnen, Herr Präsident, danke ich für die Einladung, nach Georgien zu kommen und für all das, was Sie persönlich getan haben, um diesen Besuch zu ermöglichen. Auch danke ich Ihnen für die freundlichen Willkommensworte im Namen der Regierung und der ganzen georgischen Bevölkerung. Eurer Heiligkeit, dem Katholikos-Patriarchen, danke ich, da ich ohne Ihre brüderliche Unterstützung jetzt nicht hier in Georgien wäre, um die Kirche zu besuchen, der Eure Heiligkeit vorsteht, um Sie und den Heiligen Synod im Frieden Christi zu begrüßen und um das großartige christliche Zeugnis zu ehren, das Ihre Kirche im Laufe der Jahrhunderte abgelegt hat. Auch komme ich in der Überzeugung, dass wir am Vorabend des Dritten Christlichen Jahrtausends versuchen müssen, neue Brücken zu schlagen, so dass die Christen eines Herzens und eines Sinnes der Welt das Evangelium verkünden können. „In brüderlicher Liebe“ (vgl. Röm 12,10) grüße ich Msgr. Giuseppe Pasotto und alle katholischen Priester, Ordensleute und Laien des lateinischen, armenischen und syro-chaldäischen Ritus. Es ist mir eine Freude, gemeinsam mit meinen 431 REISEN katholischen Brüdern und Schwestern zu beten, um Gott zu danken für ihre Beharrlichkeit in der Vergangenheit und für ihre gegenwärtige Hoffnung. 2. Zum ersten Mal auf georgischem Boden, bin ich tiefbewegt von der langen und ruhmvollen Geschichte der Christenheit in diesem Land, die zurückreicht bis in das vierte Jahrhundert, als die hl. Nino hier predigte, und in die Zeit der Herrschaft des Königs Vakhtang Gorgasali im späten fünften Jahrhundert. Von dieser Zeit an wurde das Christentum zur Saat für darauffolgende Blüteperioden georgischer Kultur, besonders in den Klöstern. Auch wurde die Kirche zur Hüterin der nationalen Identität, die so oft bedroht wurde. Immer wieder wurde Georgien besetzt und heimgesucht, und dennoch hat die georgische Identität und Einheit bis auf den heutigen Tag überlebt. Das ist nicht nur ein Zeugnis für die große Widerstandskraft des georgischen Volkes, sondern auch für die unerschöpfliche Lebendigkeit des Evangeliums in diesem Land, denn selbst in den turbulentesten Zeiten war der wirkliche Anker Georgiens sein Glaube an Jesus Christus. Zwischen Ost und West gelegen, war die Kirche in Georgien stets offen für Kontakte mit anderen christlichen Völkern. Es gab Zeiten, in denen die Bande zwischen der georgischen Kirche und dem römischen Bischofsstuhl eng und tief waren. Und wenn es zu anderen Zeiten auch Spannungen gab, so ist das Bewusstsein der gemeinsamen christlichen Berufüng doch niemals gänzlich verschwunden. Meine Anwesenheit unter Ihnen ist ein Zeichen dafür, wie tief die katholische Kirche vom Wunsch beseelt ist, die Gemeinschaft mit der Kirche Georgiens zu fordern als Antwort auf das Gebet Christi am Abend, bevor er für die Einheit all seiner Jünger starb (vgl. Joh 17,23). 3. Das Christentum hat sehr viel zur Vergangenheit Georgiens beigetragen, und es darf auch nicht weniger zu seiner Zukunft beitragen. Morgen ist der zehnte Jahrestag seit dem Fall der Berliner Mauer. Es ist dies ein Ereignis, bei dem Sie, Herr Präsident, persönlich eine wesentliche Rolle gespielt haben, ein Ereignis, das symbolisch im Leben vieler Länder eine neue Ära eingeleitet hat. Eine atheistische Ideologie hatte vergeblich versucht, den religiösen Glauben der Menschen dieses Landes zu schwächen, ja geradezu auszumerzen. Die Angehörigen aller Religionen hatten unter ernsthaften Widerständen zu leiden. Heute müssen wir das Zeugnis ihrer Beharrlichkeit bewundern und ihnen dafür danken. Die Wiedergewinnung der georgischen Unabhängigkeit im Jahre 1991 war ein großer Schritt nach vorne. Nun gilt es, den Frieden in dieser Region zu stabilisieren, Harmonie und Zusammenarbeit zu fördern und dafür zu sorgen, dass die Freiheit zu einer neuen kulturellen Blüte führen wird, und zwar indem man Kraft aus der christlichen Vergangenheit schöpft und eine Gesellschaft errichtet, die dieser noblen Nation würdig ist. Immer noch hängen gewisse Wolken über Georgien, das darum kämpft, sich in materieller und spiritueller Hinsicht zu regenerieren. Doch gelten dennoch die 432 REISEN Worte der Heiligen Schrift. „Denn vorbei ist der Winter, verrauscht der Regen“ {Hld 2,11). Nun ist es an der Zeit, die neue Saat auszusäen. Möge Georgien, an der Schwelle des neuen Jahrtausends alle Sorgen der Vergangenheit hinter sich lassend, mit den Worten des Hohenliedes sagen: „Auf der Flur erscheinen die Blumen; die Zeit zum Singen ist da. Die Stimme der Turteltaube ist zu hören in unserem Land“ {Hld 2,12). Oder, mit den Worten des großen georgischen Dichters, Shota Rustaveli, ausgedrückt: „Mögen die guten Dinge geteilt werden, wie Schneeflocken im Winter, mögen die Waisen, Witwen und Armen bereichert und getröstet werden ... möge Harmonie herrschen, mögen Wolf und Lamm Seite an Seite weiden.“ Herr Präsident, Eure Heiligkeit, möge Er, der „unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können“ (Eph 3,20), Georgien eine solche Zukunft bescheren. Gott segne dieses Land mit Harmonie, Frieden und Wohlstand! Mit dem Beistand der Blutzeugen gemeinsam auf dem Weg des Friedens Ansprache bei der Begegnung mit dem Katholikos-Patriarchen und dem Heiligen Synod im Patriarchalpalais von Tiflis am 8. November Eure Heiligkeit, Eminenzen, Exzellenzen, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Zutiefst bin ich der göttlichen Vorsehung für diese Begegnung dankbar, die fast genau zwanzig Jahre nach dem ersten historischen Besuch des Katholikos-Patriarchen der altehrwürdigen apostolischen Kirche von Georgien beim Apostolischen Stuhl von Rom stattfindet. Damals tauschten wir den heiligen Friedenskuss aus und versprachen, füreinander zu beten. Heute habe ich dank Ihrer lieben Einladung die Freude, Ihren brüderlichen Besuch zu erwidern, und ich betrachte es persönlich als ein Geschenk Gottes, dass mir die Möglichkeit gegeben ist, erneut der Ihnen anvertrauten Kirche gegenüber meine Verehrung und Achtung zum Ausdmck zu bringen. Seit der ersten Verkündigung des Evangeliums in diesem Land hat die Kirche von Georgien edles Zeugnis von Christus abgelegt und eine an den Werten des Evangeliums orientierte reiche Kultur inspiriert. Heute ist die Apostolische Kirche von Georgien in einem Klima der Freiheit der Zukunft zugewandt und verlässt sich vertrauensvoll auf die Kraft der Gnade Gottes, die einen neuen Glaubensfrühling hervorbringen wird in diesem gesegneten Land. Daher grüße ich Eure Heiligkeit und die Erzbischöfe und Bischöfe des Heiligen Synods im Frieden Christi. Es ist bedeutsam, dass dieser erste Besuch eines Bischofs von Rom bei der Orthodoxen Kirche von Georgien am Vorabend des 433 REISEN Großen Jubiläums des zweitausendsten Jahrestages der Geburt des Gottessohnes stattfindet, der vom Vater gesandt wurde, um die Welt zu erlösen. Das Große Jubiläum ist eine Einladung an alle Gläubigen, in einen Dankhymnus mit einzustimmen für das Geschenk unserer Rettung in Christus. Es ist eine Einladung, zusammenzuarbeiten für den Triumph seines Reiches der Heiligkeit, der Gerechtigkeit und des Friedens. Gleichzeitig fordert uns das Jubiläum aber heraus, in einem Geist der Sorge und Reue zu den Trennungen zu stehen, die zwischen uns im Laufe dieses Jahrtausends entstanden sind und die im offenen Widerspruch zum Willen unseres Herrn stehen, der dafür gebetet hat, dass all seine Jünger eins seien (vgl. Joh 17,21). Möge diese Begegnung und der Friedenskuss, den wir austau-schen, ein gnadenerfüllter Schritt in Richtung einer erneuerten Brüderlichkeit zwischen uns sein in Richtung auf ein stärkeres gemeinsames Zeugnis von Jesus Christus und vom Evangelium des ewigen Lebens. 2. Es ist mir ein Anliegen, der Kirche von Georgien die Ehrerbietung und Bewunderung seitens der Katholischen Kirche zum Ausdruck zu bringen. Hat sie doch ihre Wurzeln in der Urgemeinde von Jerusalem, und somit ist die Kirche von Georgien eine der frühesten christlichen Gemeinschaften. Sie ist verbunden mit der Verkündigung des Apostels Andreas, jedoch verdankt sie die eigentliche Bekehrung des Königs und der Bevölkerung der hl. Nino. Rufinus, ein Kirchenschriftsteller des Westens, liefert uns in seiner „Kirchengeschichte“ eine sehr alte Beschreibung über das Leben dieser Heiligen, die das Evangelium des Herrn vom Gefängnis aus durch Wort und Gebet, durch Buße und Wunder verkündigte. Die „lebendige Säule“, die sie durch ihr Gebet errichtete, um den Tempelbau zu unterstützen, nachdem alle Hilfsmittel und auch menschliche Kraft versagt hatten, ist ein schönes Bild dieser Heiligen: sie ist die wahre Säule des Glaubens des georgischen Volkes. Heiligmäßige und gebildete Mönche hinterließen diesem Land, in dem nach der Tradition die Tunika des Herrn aufbewahrt wurde, viele unvergängliche Denkmäler, die von seiner Kultur und Zivilisation zeugen. Es wurde sogar die Schriftsprache geschaffen, die der Verkündigung des Wortes Gottes als Werkzeug diente, um den Menschen in ihrer Muttersprache zu begegnen. Hunderte von Märtyrern haben hier ihr Blut für das Evangelium vergossen, zu Zeiten, als das christliche Glaubensbekenntnis als ein Delikt galt, das mit der Todesstrafe geahndet wurde. Zu nennen sind hier unter anderem die neun Märtyrerkinder von Kola, der hl. Shushanik, der hl. Eustachius von Mtskheta, Abo von Tiflis und die Königin Ketevan. Für diese christliche Geschichte und Kultur gebührt Georgien die Anerkennung seitens der gesamten Kirche. Auch das nun zu Ende gehende Jahrhundert hat in diesem Land Scharen von Bekennem und Märtyrern gesehen, so dass es erneut geheiligt wurde durch das Blut derer, die Zeugnis für das Lamm ablegten, das für unser Heil geopfert wurde. Um ihre Fürsprache flehe ich nun zu Gott für unsere Kirchen, damit wir gemeinsam den Weg des Friedens gehen können, den nur der auferstandene Herr geben kann. 434 REISEN 3. In diesem von der Vorsehung ausersehenen Augenblick komme ich nicht umhin, hier Gott für die Ergebnisse zu danken, die sich aus den Kontakten zwischen der Katholischen und der Orthodoxen Kirche in den letzten Jahren ergeben haben, angefangen von der historischen Begegnung zwischen dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I. und Papst Paul VI. Dank ihrer Offenheit für die Eingebungen des Heiligen Geistes und dank ihrem hohen persönlichen Einsatz haben diese beiden großen Kirchenführer unsere Kirchen auf einen Weg geführt, der durch Gottes Gnade einen von Nächstenliebe inspirierten wachsenden und ausführlichen theologischen Dialog mit sich brachte. Seit der Einrichtung der Gemeinsamen Internationalen Kommission habe ich den Fortschritt dieses Dialoges aus nächster Nähe mitverfolgt, der für die zu erlangende christliche Einheit von größter Bedeutung ist. Die Kommission hat auf der Grundlage der Gemeinsamkeiten zwischen Katholiken und Orthodoxen bedeutende Fortschritte erzielt, und sie hat seit ihrem Bestehen innerhalb der Orthodoxie aufgrund einstimmiger Entscheidung seitens aller Orthodoxen Kirchen Themen von grundlegender Bedeutung behandelt wie: Das Geheimnis der Kirche und der Eucharistie im Lichte des Geheimnisses der Heiligen Dreifaltigkeit; Glaube, Sakramente und die Einheit der Kirche; das Weihesakrament in der sakramentalen Struktur der Kirche und die Bedeutung der Apostolischen Sukzession für die Heiligung und Einheit des Gottesvolkes. Die Kommission behandelt auch weiterhin Fragen, die unseren Kirchen nicht wenige Schwierigkeiten auf der Reise bereiten, die wir gemeinsam unternommen haben. Doch vertraue ich darauf, dass die Dokumente dieses Dialoges als Grundlage zur Klärung unseres Verhältnisses und zur Vermeidung von Missverständnissen dienen können, wo Katholiken und Orthodoxe Seite an Seite leben. Die Arbeit muss fortgesetzt werden, und welche Hindernisse uns auch immer auf dem Weg begegnen, sie können mit Geduld und in einem Geist der Brüderlichkeit und der aufrichtigen Liebe zur Wahrheit ausgeräumt werden. In diesem Zusammenhang rufe ich gerne die fruchtbaren Kontakte zwischen der Katholischen und der Georgisch-Orthodoxen Kirche in Erinnerung, die ihren Anfang in der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils nahmen, zu dem Ihre Kirche Beobachter entsandt hatte. Auch war der Rombesuch Eurer Heiligkeit ein weiterer ergreifender Moment der Brüderlichkeit und Gemeinschaft. Zu erwähnen wäre an dieser Stelle auch die Teilnahme des verstorbenen Erzbischofs David von Sukhumi und Abkhazia zusammen mit anderen Delegierten Brüdern im Bischofsamt an der ersten Sondersynode der Bischöfe für Europa im Jahre 1991, bei der es um die Notwendigkeit einer Neuevangelisierung ging, welche die dringendste Herausforderung an unsere Kirchen seit den Veränderungen im letzten Jahrzehnt darstellt. Wie wichtig ist doch der Beitrag Georgiens - dieser uralten Wegscheide der Kulturen und Traditionen — bei der Errichtung einer neuen Kultur des Geistes, einer Zivilisation der Liebe, von der befreienden Botschaft des Evangeliums inspiriert und gestützt, gerade jetzt, da wir dabei sind, die Schwelle zu einem neuen Jahrtausend zu übertreten! 435 REISEN 4. In den vergangenen Jahren sind die Kontakte zwischen unseren Kirchen direkter geworden, was ein Ergebnis der wiedergefundenen Freiheit Ihres Landes ist. Die Katholische Kirche ihrerseits war dadurch ebenso in die Lage versetzt worden, für die Seelsorge ihrer Gläubigen zu sorgen. Es ist mein brennender Wunsch, dass die Zusammenarbeit zwischen unseren Kirchen in jeder Hinsicht als ein notwendiger Ausdruck des Zeugnisses Ihr das Evangelium wachsen möge, zu dem Orthodoxe und Katholiken berufen sind, und dafür bete ich täglich. Ich versichere Ihnen, dass mein Vertreter hier in Georgien alles dafür tun wird, dieses Verhältnis der Zusammenarbeit und des Verständnisses in einem Geist wahrer christlicher Nächstenliebe, frei von Missverständnissen und Misstrauen und geprägt von absolutem Respekt, zu fordern. Er weiß, wieviel dies dem Bischof von Rom bedeutet Wir müssen, unabhängig davon, wie schwierig der Weg zur Wiederversöhnung ist, den Heiligen Geist darum anflehen, dass er zur Vollendung bringe, was wir in Gehorsam zum Herrn zu ermöglichen versuchen. Eure Heiligkeit, verehrte Erzbischöfe und Bischöfe der Orthodoxen Kirche Georgiens, nochmals möchte ich Ihnen danken, mich hier als Gast aufgenommen zu haben. In Treue gegenüber der Verpflichtung, die wir vor Jahren übernommen haben, versichere ich Sie meines steten Gebetes, damit der Herr der ehrwürdigen Kirche von Georgien immer mehr Kraft und Festigkeit schenke, auf dass sie ihre apostolische Mission ausführen kann. Den Heiligen Geist bitte ich, dass er Sie, meinen Bruder, und alle Bischöfe, die mit Ihnen die Verantwortung teilen, das Evangelium Jesu Christi in Georgien zu verkünden, mit seinem Licht und seiner Weisheit erfülle. „Er aber, der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können, er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, für ewige Zeiten. Amen.“ (Eph 3,20-21). 436 REISEN Gemeinsamer Friedensappell des Papstes und des Katholikos-Patriarchen, Ilia II. am 8. November Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. und der Katholikos-Patriarch von ganz Georgien, Ilia II. sind in Tbilisi zu brüderlicher Begegnung zusammengekommen. Mit Blick auf Christus, den Friedensfürsten, richten sie einen dringenden Friedensappell an die Regierungen, Internationalen Organisationen, Religiösen Führer und alle Menschen guten Willens. Unsere Worte kommen aus Georgien im Kaukasus, einer Region von besonderer geopolitischer und geschichtlicher Bedeutung, die Europa mit Asien verbindet und eine Stätte der Begegnung von östlicher und westlicher Kultur bildet. Heute steht diese Region - wie viele andere Teile der Welt - einer ernsten Lage gegenüber. Abchasien, Nagorny Karabach und der Nord-Kaukasus sind eine Bedrohung für den Weltfrieden und rufen nach entschlossenem Handeln der Menschheit. Der Friede ist ein außerordentlich hohes Geschenk, ohne das es unmöglich ist, dem Leben vollen Sinn zu geben und die Entwicklung zu fordern. Das Menschenherz sehnt sich nach diesem höchsten Gut, und die Menschen erstreben ein Leben in Eintracht. Die Erde ist heute einem Weltdorf gleich geworden. Es besteht ernstliche Gefahr, dass ein Konflikt in einem bestimmten Gebiet sich über dessen Grenzen hinaus ausbreitet und andere Nationen miteinbezieht und neue Kriege auslöst. In einer so bedeutenden Zeit wie dieser muss die Welt all ihre geistlichen, intellektuellen und physischen Kräfte mobilisieren, um einer globalen Katastrophe zu entgehen. Terrorismus ist zu einer neuen und realen Bedrohung des Weltfriedens geworden. Es ist daher wichtig, dass die Souveränität, territoriale Integrität und Sicherheit der Länder durch Internationale Organisationen gesichert sind. Wir appellieren daher an alle, die unsere Botschaft vernehmen, Weisheit und feste Entschlossenheit zu zeigen, um diesen unserer Sorge anvertrauten Planeten vor der Gefahr des Krieges zu retten und somit die nötigen Bedingungen dafür zu schaffen, dass im Dritten Jahrtausend wahrhaft „Friede auf Erden und guter Wille unter den Menschen“ sei. Tbilisi, am 8. November 1999 Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. Der Katholikos- Patriarch von ganz Georgien, Ilia II. 437 REISEN Gemeinsames Verkünden des Erlösers Jesus Christus Ansprache bei der Begegnung mit dem Katholikos-Patriarchen und dem Heiligen Synod in der Kathedrale am 9. November „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet“ (Eph 1,3). Eure Heiligkeit! 1. Für mich ist dies wirklich ein Augenblick des wahren Segens des allmächtigen Gottes, der die Quelle unseres Trostes und unserer Hoffnung ist. Er hat mir diese Gelegenheit gegeben, den Katholikos-Patriarchen und den Heiligen Synod der Apostolischen Kirche von Georgien hier in der Patriarchalkathedrale von Svetitskhoveli zu begrüßen. Dieses historische Gebäude symbolisiert die georgische Kirche, und im Laufe der Jahrhunderte war es eine Zuflucht für die geistige Kraft des Landes in allen Situationen, sowohl den freudigen als auch den traurigen. Die Bedeutung des geschaffenen Gebäudes besteht in der Tatsache, dass es zu uns von jener höheren Wirklichkeit spricht, welche „Gottes Bau“ (1 Kor 3,9) genannt wird, der „aus lebendigen Steinen“ (vgl. 1 Petr 2,5) gemacht ist. Hier wird die Liturgie gefeiert, durch welche die auf Erden pilgernde Kirche das geistige Band zum Ausdruck bringt, das sie in der Gemeinschaft der Heiligen mit der himmlischen Kirche verbindet. Die Steine selbst und die Ikonen dieser Patriarchalkathedrale sprechen zu uns von den Heiligen und Märtyrern dieses Landes, die sich in Begleitung Mariens befinden, der großen Mutter Gottes und Mutter aller heiligen Männer und Frauen im Paradies! In der Tat wird nach dem festen Glauben der Kirche die Einheit zwischen denen, die immer noch auf irdischer Pilgerschaft sind, und denen, die bereits im Frieden Christi ruhen, ständig gestärkt durch den Austausch geistiger Gaben. Die Brüderlichkeit der Heiligen im Himmel ist eine Hilfe in unserer Schwäche hier auf Erden (vgl. Lumen Gentium, Nr, 49). Eure Heiligkeit! 2. Es kommen mir die Worte des Hebräerbriefes in den Sinn: „Da uns eine solche Wolke von Zeugen umgibt, wollen auch wir alle Last und die Fesseln der Sünde abwerfen. Laßt uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der uns aufgetragen ist“ (Hebr 12,1). Es besteht für uns kein Zweifel, dass der Weg, der sich am Vorabend des Dritten Jahrtausends vor uns auftut, der Weg der Verkündigung des Erlösers Jesus Christus an die Menschen von heute ist. Sie darf nicht weniger glühend und überzeugend sein als jene der großen Verkünder des Evangeliums in der Vergangenheit. Wir danken Gott dafür, dass die Kirche in Georgien im Laufe der Jahrhunderte stets standhaft im Glauben und in erprobter Treue die Frohbotschaft Gottes verkündet hat. Der Herr lenkt die Geschichte der Menschen, und er lehrt uns, diese Geschichte zu interpretieren. Heute eröffnen sich für die Christen überall neue Horizonte, und es 438 REISEN ist insbesondere der Heilige Geist, der uns eingibt, auf die Bitte zu hören, die Christus selbst ausgesprochen hat: „Alle sollen eins sein damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (vgl. Joh 17,21). Eine solche Zukunft wird niemals nur das Ergebnis unserer Arbeit, sondern ein großes Geschenk und eine Gnade Gottes sein. 3. Deshalb vertraue ich der allzeit reinen Jungfrau Maria, dem hl. Joseph, ihrem Bräutigam, dem hl. Andreas und allen hll. Aposteln, allen Märtyrern und Heiligen im Gebet die Zukunft unserer Kirchen an. Mögen die Kerzen, die wir heute Abend angezündet haben, ein Symbol und Unterpfand unserer gemeinsamen Verpflichtung sein, Christus den Weg erleuchten zu lassen, der vor uns liegt, damit er alle Finsternis und Dunkelheit vertreibe und uns den Weg in eine hellere Zukunft zeige. Möge die hl. Gottesmutter, die Beschützerin Georgiens, die durch das Wirken des Heiligen Geistes den Lebensspender zur Welt gebracht hat, die Kirche von Georgien unter ihren Mantel der Liebe nehmen. Möge sie Eure Heiligkeit und die Brüder im Bischofsamt leiten bei der Ausübung Ihres Hirtenamtes über die Ihnen anvertrauten Menschen, so dass diese mit erneuerter Treue zu Gott antworten, der uns zur Heiligkeit beruft, so, wie er selbst heilig ist (vgl. Lev 19,2; Mt 5,48). Dem Vater allen Trostes vertraue ich dieses schöne Land an, damit Georgien durch die Wiederentdeckung seines christlichen Erbes in Harmonie und Wohlstand wachse zur Freude seines Volkes, zu größerer Stabilität, Zusammenarbeit und zum Frieden in der gesamten Region. Den Dienst am Gemeinwohl auf der christlichen Soziallehre aufbauen Predigt während der Eucharistiefeier im Stadion von Tiflis am 9. November 1. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Liebe Brüder und Schwestern von Georgien! Ich komme zu euch mit dieser Botschaft der Hoffnung: Gott liebt euch! Unser Vater im Himmel hat seinen eingeborenen Sohn auch für euch, geliebte Söhne und Töchter dieses geschichtsreichen Landes, hingegeben. In diesem letzten Jahr des Jahrhunderts und Jahrtausends, das Gottvater gewidmet ist, ist die ganze Kirche sozusagen in das Geheimnis der Liebe Gottes eingetaucht, damit sie, von der göttlichen Barmherzigkeit erneuert, durch die Heilige Pforte ins Große Jubeljahr ein-treten kann. Ohne Gott kann der Mensch weder sich selbst in seiner Ganzheit noch sein wahres Glück finden. Ohne Gott wendet sich der Mensch schließlich sogar gegen sich 439 REISEN selbst, denn er ist unfähig, eine Sozialordnung aufzubauen, die die grundlegenden Rechte der Person und des bürgerlichen Zusammenlebens genügend achtet. Kirche Gottes in diesem Land von Kharthweli: Ich komme zu dir als Pilger vom Hl. Stuhl in Rom, geehrt vom Blut der hll. Petrus und Paulus, und ich wiederhole vor euch die Worte des Apostels der Nationen: „... ihr seid Gottes Ackerfeld, Gottes Bau ... Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr (7 Kor 3,9.17). 2. Dieser Besuch bei euch, Brüder und Schwestern des edlen georgischen Volkes, bewegt mich sehr, und meine Freude darüber ist groß. Als ersten grüße ich den Präsidenten von Georgien Schewardnadse, und ich danke ihm für seine Bereitschaft, diese Versammlung mit seiner Anwesenheit zu beehren. Mit aufrichtiger Zuneigung schließe ich die ganze, in diesem Land ansässige katholische Gemeinschaft des lateinischen Ritus und ihren Apostolischen Administrator Msgr. Giuseppe Pasotto, in die Arme sowie die Gemeinschaft des armenisch-katholischen Ritus, deren Ordinarius, Erzbischof Nerses Der Nersessian, zur Zeit im Krankenhaus liegt: An ihn möchte ich meinen herzlichen Gruß und meine besten Wünsche richten. Außerdem schließe ich die syrisch-chaldäische Gemeinschaft mit ihrem Pfarrer ein. Ganz besonders begrüße ich alle Priester und gottgeweihten Männer und Frauen. Ich denke auch an die Menschen, die im Geiste mit uns verbunden sind, insbesondere an die Kranken und alten Leute, oder die aus anderen Ländern hierhergekommen sind. Während der schweren und traurigen Jahre der Verfolgung war Georgien immer in meinem Herzen, und jetzt freue ich mich, hier zu sein, mit euch zu beten und Gott für die wiedergewonnene Freiheit zu danken. 3. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn, glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Das ist die „frohe Botschaft“, worin sich die Quelle der Hoffnung für jeden Mann und jede Frau findet! Das ist der Samen des Evangeliums, den Christus nach seiner Auferstehung der Kirche anvertraut hat, damit sie ihn in den Boden der Geschichte aussäe. „Gott ist die Liebe“ (7 Joh 4,8.16b), und seine Vorsehung erstreckt sich auf alle Geschöpfe. Das äußerste Zeichen dieser Liebe ist das Opfer seines eingeborenen Sohnes und die Gabe des Heiligen Geistes, der das Menschenherz und das Antlitz der Erde erneuert. Bald wird die Kirche mit dem Großen Jubeljahr den 2000. Jahrestag der Geburt Christi begehen; dieses Ereignis entspricht dem 3000. Jubiläum der georgischen Nation. Ich komme zu euch, liebe Brüder und Schwestern in Christus, sozusagen am Vorabend des Heiligen Jahres, und ich lade euch ein, das große Geschenk dieses „Gnadenjahres des Herrn“ (vgl. Lk 4,19) in seiner ganzen Fülle aufzunehmen. Diese Botschaft richte ich nicht nur an euch, Brüder und Schwestern in Georgien, sondern von diesem geliebten Land aus verkünde ich sie auch der ganzen christlichen Welt Europas, deren Vorposten ihr gewesen seid. Mit seinem Glauben, seiner Geschichte und Kultur hat Georgien immer nach Westen geschaut und seinen besonderen Beitrag zum christlichen Europa geleistet. So möchte ich erneut zum 440 REISEN Herzen jedes Mannes und jeder Frau sprechen, um zu sagen, dass Gott seinen einzigen Sohn für jeden Einzelnen und für alle hingegeben hat. Er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). 4. „Gott ist uns Zuflucht und Stärke“ (Ps 46,2). In dieser Anrufung, die wir vorher im Antwortpsalm wiederholt haben, höre ich eure Stimme, Brüder und Schwestern von Georgien! Ich höre die Stimme eurer Vorfahren, die den christlichen Glauben im Laufe der Jahrhunderte mit Liebe und Opfergeist verteidigten und dafür manchmal harte und repressive Verfolgungen erlitten haben. Zusammen mit den anderen Brüdern und Schwestern im Christentum haben die Katholiken zur Kultur und Zivilisation Georgiens beigetragen. Ober die Grenzen Georgiens hinaus und oft in sehr schweren Zeiten haben sie den Werten und den berühmten Persönlichkeiten ihres Landes Anerkennung und Achtung verschafft. Lebt weiter in der Liebe Christi, der seine Jünger zur Barmherzigkeit und zum gegenseitigen Verständnis aufruft. Diese Liebe fordert von den Christen, sich entschlossen auf den Weg zur vollen Einheit zu machen, um die Christus den Vater kurz vor der Passion gebeten hatte: „Alte sollen eins sein“ (Joh 17,21). Georgien war auch ein Land besonderer Gastfreundschaft und Aufhahmebereitschaft, ein Vorbild der Achtung und Toleranz gegenüber den Anhängern anderer Religionen. Ein beredtes Zeichen eurer fest verankerten Fähigkeit zum Zusammenleben und Zusammenarbeiten mit alten Menschen guten Willens ist die Tatsache, dass nicht weit von hier die wichtigsten Kultstätten für Christen, Juden und Muslime in der Nähe voneinander gebaut wurden. 5. Das georgische Volk, das schon seit frühester Zeit zu christlichen Werten erzogen wurde, besitzt einen geschärften Sinn für die Heiligkeit der Familie. Bewahrt dieses bedeutende Erbe allezeit: Verteidigt und unterstützt die Familie im sozialen und politischen Bereich, seid aber vor altem in eurem eigenen Leben Zeugen ehelicher Treue und zeigt Verantwortung in der Erziehung eurer Kinder. Die christlichen Eheleute und ihre Familien sollen mit gutem Beispiel vorangehen und der ganzen Gesellschaft das Evangelium der Liebe verkünden durch das Vorbild eines einfachen, arbeitsamen, aufnahmebereiten und für die Armen aufgeschlossenen Lebens, so wie die Hl. Familie von Nazaret. Heute segne ich von ganzem Herzen eure Familien, eure Kinder, eure Jugendlichen und eure alten Leute. Tragt den Gruß des Papstes in euer Zuhause! 6. Brüder und Schwestern! Bemüht euch darum, dass die gesamte Gesellschaft zu einer großen Familie werde, die für wahre Solidarität und Frieden offensteht. Ich weiß, dass das nicht einfach ist, zum Teil auch wegen der langen Zeit, in der dieses Land von Atheismus beherrscht wurde, einer Zeit, in der alte Gläubigen einen hohen Preis bezahlten. Im Laufe jener vielen Jahre wurde die katholische Gemeinschaft auf ein Minimum reduziert. Mutige Priester, wahre Vorbilder von Hirten, unternahmen größte Anstrengungen, um den Glauben zu pflegen, so gut sie konnten. 441 REISEN Heute befindet ihr euch in einer recht gespaltenen Situation: einerseits von Armut belastet und andererseits vom weltlichen Konsumismus in Versuchung gebracht. Verliert nicht den Mut! Lasst euch auf eurem Weg vom Licht und von der Kraft des Evangeliums unterstützen! Erweist euch gegenüber den Bedürftigen in eurer Mitte immer großzügig, so wie ihr es in eurer Unterstützung der Caritas und anderer lobenswerter Formen des Teilens schon tut. Ich weiß, wie sehr das georgische Volk die unermüdliche Arbeit dieser „Boten der Nächstenliebe“ schätzt; sie stehen im Dienst aller, ohne jeden Unterschied, und schauen nur auf die tatsächlichen Bedürfnisse. Mit Hilfe der christlichen Soziallehre sollt ihr aufrichtige und fachkundige Leute heranbilden, die bereit sind, sich dem Dienst am Gemeinwohl im sozialen und politischen Bereich zu verpflichten. 7. Kirche Gottes in Georgien, lass das lebendige Wasser des Heiligen Geistes reichlich durch dich hindurchfließen! Hilf deinen Kindern, die Mentalität dieser Welt abzulehnen und immer ein offenes Ohr für den Geist Christi, des Erlösers, zu haben, damit sie das erkennen können, was in den Augen Gottes gut und vollkommen ist (vgl. Röm 12,2). Dann werdet ihr sein wie eine Stadt auf dem Hügel, deren Licht nicht verborgen ist, sondern die für alle ein Zeugnis für Wahrheit und Freiheit, Liebe und Frieden ist. Möge die selige Jungfrau Maria als lebendiges Abbild der Liebe Gottes euch immer beschützen und begleiten. Auf der Schwelle zum dritten christlichen Jahrtausend empfehle ich euch ihrer mütterlichen Fürsorge und der Fürsprache eurer Schutzpatrone. Volk Gottes, das in diesem geliebten Land Georgien pilgert, geh vertrauensvoll deinen Weg: Gott hat dich so sehr geliebt! Möge seine Liebe eure Stärke sein heute und allezeit! Amen. Auf Polnisch sagte der Papst: Herzlich grüße ich meine Landsleute, die hier in Georgien wohnen. Viele von euch sind von weither nach Tiflis gekommen, um an diesem eucharistischen Opfer teilzunehmen. Ich freue mich sehr über eure Anwesenheit und danke euch von ganzem Herzen. Ich möchte euch sagen, dass ich jeden Tag für euch und alle Polen bete, die hier in Georgien leben. Ich wünsche euch, dass ihr der Kirche immer treu bleibt und auch die Beziehung zum Heimatland - nämlich die Beziehung des Glaubens, der Kultur und der Muttersprache - immer lebendig erhaltet. Gott segne euch. In italienischer Sprache fügte der Papst hinzu: In dieser Stunde des Glaubens und der Freude kündige ich gerne an, dass ich Msgr. Giuseppe Pasotto, euren Apostolischen Administrator, zum Bischof erhoben habe. 442 REISEN Ich hoffe, dass ich ihn persönlich am kommenden 6. Januar in der Petersbasilika im Vatikan zum Bischof weihen kann. Danke für diese schöne Konzelebration, die ich sehr geschätzt habe. Danke für die Aufnahme! Danke für euer abgelegtes Zeugnis. Tragt den Segen, den ich euch jetzt von Herzen gebe, in eure Häuser und zu allen euren Lieben. Traditionen und Werte zur Gestaltung der Zukunft nutzen Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern der Welt der Kultur in der Staatsresidenz von Tiflis am 9. November Herr Präsident, Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Auf dieses Treffen mit Ihnen, den Männern und Frauen der Kultur, Wissenschaft und Kunst Georgiens, habe ich mich sehr gefreut, denn Sie sind wirklich die Vertreter und Hüter des einzigartigen georgischen Kulturerbes. Georgien ist wohlbekannt als Land der Dichter und Künstler und stolzer Erbe einer uralten Tradition, die im Laufe der Jahrhunderte durch grundlegende Kontakte mit anderen Nationen und Völkern bereichert wurde. Jetzt, nach dem Zusammenbruch von Mauern, die so lange Zeit die Trennung zwischen Ost und West symbolisierten, ist Georgien in ein neues und anspruchsvolles Kapitel seiner Geschichte eingetreten, und es setzt sich voll für den Wiederaufbau seines Sozialgefüges und für die Schaffung einer Zukunft voll Hoffnung und Wohlstand für sein Volk ein. Als Vertreter der Kulturwelt spielen Sie in diesem Prozess eine unersetzliche Rolle. Es liegt an Ihnen, eine neue Sichtweise von Kultur herauszubilden, die sich auf das Erbe der Vergangenheit stützt, um die Zukunft zu inspirieren und zu formen. Diese edle Aufgabe wird in dieser Zeit, wo Georgien nun bald sein 3000jähriges Bestehen als Nation begeht, zu einer heiligen Pflicht. Mein ganz besonderer Dank gilt Präsident Schewardnadse für seinen Vorsitz bei dieser Begegnung. Ich danke ihm für die herzliche Aufnahme und für seine freundliche Einführung. Dem Katholikos-Patriarchen gilt mein Ausdruck tiefer Dankbarkeit. Ihnen allen, verehrte Gäste, spreche ich die Hoffnung aus, dass mein Besuch dazu dienen möge, die besondere Berufung Georgiens als Erbauer des Friedens in der gesamten Region und als Brücke zwischen den Staaten des Kaukasus und dem übrigen Europa herauszustellen. 2. In meinen heutigen Worten an Sie kann ich nicht umhin, auf den Beitrag des Christentums zur georgischen Kultur hinzuweisen. Es ist eine beziehungsreiche Tatsache, dass viele Jahrhunderte lang eure Nationalliteratur fast ausschließlich religiös inspiriert war. Das spiegelt eine Gegebenheit wider, die für die ganze menschliche Kultur gilt: Die Kultur ist eigentlich eine Wirklichkeit, die aus der Selbst-Überschreitung hervorgeht; sie erhält ihre Konturen von einem Impuls, 443 REISEN durch den die menschliche Individualität versucht, sich über ihre eigenen Beschränkungen zu erheben in einem inneren Drang zur Kommunikation und zum Teilen. In diesem Sinne können wir sagen, dass die Kultur ihre tiefsten Wurzeln in der „natürlich religiösen Seele“ des Menschen hat. Denn die innere Kraft, die der Mensch empfindet und die ihn dazu treibt, die Erfüllung seines Daseins in den Beziehungen zu den anderen zu suchen, bleibt unbefriedigt, bis sie den Anderen, den Absoluten, erreicht. Und genau in dieser Bewegung des Selbst-Überschreitens, der Anerkennung des Anderen, des Bedürfnisses, mit dem Anderen zu kommunizieren, kommt die Kultur zustande. Dieser Drang zum Anderen hin ist aber nur durch Liebe möglich. In letzter Instanz ist allein die Liebe dazu fähig, den tragischen Egoismus auszumerzen, der tief im Menschenherzen wurzelt. Die Liebe hilft uns, andere und den Anderen in den Mittelpunkt unseres Lebens zu rücken. Die Christen haben immer versucht, eine Kultur zu schaffen, die dem Ewigen und Transzendenten grundsätzlich aufgeschlossen ist und dabei trotzdem dem Weltlichen, Konkreten, Menschlichen Beachtung schenkt. Generationen von Christen haben sich bemüht, eine Kultur aufzubauen und weiterzugeben, deren Ziel eine immer tiefere und umfassendere brüderliche Gemeinschaft von Menschen ist. Und trotzdem ist diese Universalität nicht von einer erdrückenden Eintönigkeit. Die wahre Kultur achtet das Geheimnis des Menschen und muss deshalb einen dynamischen Austausch zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen beinhalten. Sie muss nach einer Synthese zwischen Einheit und Verschiedenheit suchen. Nur die Liebe ist fähig, diese Spannung in einem kreativen und fruchtbaren Gleichgewicht zu halten. 3. Diese Gedanken kommen einem ganz spontan in den Sinn, wenn man sich mit der altehrwürdigen christlichen Kultur Georgiens auseinandersetzt. Die Verkündigung des Evangeliums machte nicht nur das Wort der Erlösung bekannt, sondern sie war auch ein Anlass zur Entwicklung des georgischen Alphabets und zum daraus folgenden Wachstum eurer nationalen Identität. Der christliche Glaube weckte eine Liebe zum geschriebenen Wort, die bedeutende Auswirkungen auf Ihre Sprache, Ihre Literatur und Ihr ganzes Kulturleben gehabt hat. Die Überlieferung, wonach einige Georgier, die bei der Kreuzigung Christi anwesend waren, das nahtlose Gewand des Herrn von Jerusalem mit in ihre Heimat brachten, symbolisiert gleichsam das resolute Streben dieser Nation nach Einheit. Dasselbe gilt für die Tradition, nach der das Evangelium in Ihrem Land von den Aposteln Andreas und Simon verkündet wurde, oder auch vom hl. Clemens von Rom, der in die Bergwerke von Chersones verbannt worden war. Während diese Überlieferungen einerseits das hohe, ehrwürdige Alter der Kirche in Georgien hervorheben, sind sie andererseits auch ein Hinweis auf das tiefe Bewusstsein bezüglich der Bande der Gemeinschaft, die die Kirche in diesem Land innerhalb der einen Kirche Christi aufrechterhalten hat. Ein Zeichen für die Bedeutung, die dieser Gemeinschaft zugeschrieben wurde, sind die zahlreichen Übersetzungen, die Teil der georgischen religiösen Literatur sind; sie sind ein echter Schatz, den Sie mit der ganzen Christenheit geteilt haben; 444 REISEN außerdem wurden auch andere Texte überliefert, die sonst verloren wären. Ein weiteres Zeugnis dieser Offenheit und dieses Austausches sind die georgischen Klöster und Mönche, die in verschiedenen Teilen der Welt zu finden sind; denken wir nur an das Kloster von Iviron auf dem Berg Athos. Diese Aufgeschlossenheit Ihrer Kultur, in der Vergangenheit so offensichtlich, ist heute gleichermaßen wichtig. Wir alle wissen, wie wesentlich es besonders in diesem Teil der Welt ist, eine Kultur der Solidarität und Zusammenarbeit zu fördern, eine Kultur, die fähig ist, die ganze Vielfalt Ihrer eigenen Identität mit dem Reichtum aus der Begegnung mit anderen Völkern und Gesellschaften zu kombinieren. 4. Wir erleben gegenwärtig einen Globalisierungsprozess, der zu einer Unterschätzung von Eigenheit und Vielfalt neigt und der vom Aufkommen neuer Formen von Ethnozentrismus und übertriebenem Nationalismus geprägt ist. Unter solchen Umständen besteht die Herausforderung darin, eine lebendige Kultur zu fördern und zu vermitteln, die in der Lage ist, Kommunikation und Brüderlichkeit zwischen verschiedenen Gruppen und Völkern wie auch zwischen den verschiedenen Bereichen menschlicher Kreativität zu fördern. Mit anderen Worten: Die heutige Welt fordert uns heraus, einander in und durch die Verschiedenheit unserer Kulturen kennenzulemen und zu achten. Wenn wir darauf antworten, wird die Menschheitsfamilie Einheit und Frieden genießen und die einzelnen Kulturen werden bereichert, erneuert und von all den Elementen geläutert, die ein Hindernis für Begegnung und Dialog darstellen. Eine der schwierigsten Herausforderungen unserer Zeit ist das Aufeinandertreffen von Tradition und Moderne. Dieser Dialog zwischen Altem und Neuem wird die Zukunft der jüngeren Generation - und damit die Zukunft der Nation - in wesentlichem Maße beeinflussen. In diesem Dialog ist viel Nachdenken und Besinnen nötig, und er erfordert ein weises Gleichgewicht, denn es steht viel auf dem Spiel: Einerseits kann man versucht sein, sich in verschiedene Formen der Nostalgie zu flüchten, die den positiven Aspekten der zeitgenössischen Welt verschlossen ist. Andererseits besteht heute ein starker Trend zu einer unkritischen Übernahme des Synkretismus und der existentiellen Ziellosigkeit, die für eine bestimmte Art der Moderne typisch sind. Zur Aufnahme der kulturellen Herausforderungen der heutigen Zeit ist das geistige Erbe Georgiens eine Ressource von unschätzbarem Wert, denn es bewahrt den großen Schatz einer vereinheitlichten und umfassenden Vorstellung des Menschen und seiner Bestimmung. Dieses Erbe und die sich daraus ergebenden Traditionen sind ein wertvolles Ursprungsrecht aller Georgier, das sogar die Steine verkünden - denken wir nur an jenes einzigartige Juwel, die Kirche von Jvari, ein Feuer geistigen Lichtes für Ihr Land. 5. Heute besteht ein dringendes Bedürfnis, die Sichtweise von einer organischen Einheit zurückzugewinnen, die den Menschen und die ganze Menschheitsgeschichte einschließt. Die Christen sind überzeugt, dass im Mittelpunkt dieser Einheit das Geheimnis Christi, des menschgewordenen Wortes Gottes, steht, der dem 445 REISEN Menschen den Menschen voll kund tut und ihm seine höchste Berufung erschließt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Habt keine Angst vor Christus! Der Glaube an ihn eröffnet uns eine Welt des Geistes, welche die intellektuellen und künstlerischen Energien der Menschheit angeregt hat und immer noch anregt. Christus befreit uns zu einer echten Kreativität, eben weil er uns befähigt, in das Geheimnis der Liebe einzudringen, in die Liebe Gottes und die Liebe des Menschen; auf diese Weise ermöglicht er uns, die Eigenheit zu schätzen und gleichzeitig über sie hinauszuge-hen. Mögen die Männer und Frauen, die sich Kunst, Wissenschaft, Politik und Kultur verpflichtet haben, ihre Kreativität zur Förderung des Lebens in seiner ganzen Wahrheit, Schönheit und Güte einsetzen. Das kann nur durch die Suche nach einer umfassenden Betrachtung des Menschen geschehen. Wenn eine solche Vorstellung schwach ist, verliert auch die Menschenwürde an Wert, und die Güter der Schöpfung, die für das Wohl und den Fortschritt der Menschheit gedacht sind, wenden sich früher oder später gegen den Menschen und gegen das Leben. Das Jahrhundert, das nun zu Ende geht, mit seinen leidvollen Erfahrungen des Krieges, der Gewalt, Folter und verschiedenen Formen ideologischer Unterdrückung bezeugt dies nur allzu deutlich. Zugleich aber ist es ein Beweis der bleibenden Fähigkeit des menschlichen Geistes, sich all dem zu widersetzen, was den nicht zu unterdrückenden Drang nach Wahrheit und Freiheit zu ersticken versucht. Liebe Freunde! Ich spreche Ihnen meine besten Wünsche für Ihre Arbeit aus, und ich bittte dämm, dass das Jubeljahr Christi, auf dessen Feier wir uns vorbereiten, eine Einladung zur Zusammenarbeit an alle Menschen guten Willens sei, um eine Zivilisation der Liebe aufzubauen. Auf Sie alle rufe ich das Licht und die Freude herab, die Gaben des Heiligen Geistes, des Herrn und Lebensspenders. Den Glauben in Gemeinschaft feiern Ansprache bei der Begegnung mit der katholischen Gemeinschaft in der Kirche St. Peter und Paul in Tiflis am 9. November Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Ganz herzlich begrüße ich euch, Mitglieder der katholischen Gemeinschaft von Georgien und dem Kaukasus: Besonders begrüße ich Msgr. Giuseppe Pasotto, den Apostolischen Administrator, und euch, seine Mitarbeiter für das Reich Gottes (vgl. Kol 4,11) in diesem geliebten Land. Unser Treffen findet in der ehrwürdigen Kirche der hll. Petrus und Paulus statt. Dieses Gebäude, die einzige katholische Kirche, die in der Zeit der Verfolgung noch geöffnet blieb, ist ein aussagekräftiges Zeichen beharrlicher Treue zu Christus und ununterbrochener Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri. 446 REISEN Lasst uns dem allmächtigen Gott danken für den Glauben und Mut, die die katholische Gemeinschaft in jenen schwierigen Zeiten stützten und den Weg für die jetzige Wiedergeburt ebneten. Die hll. Apostel Petras und Paulus, die in der Verkündigung des Evangeliums und in ihrem Martyrium verbunden waren, mögen über diesen Teil der Herde Gottes wachen und euch, die ihr den Herausforderungen eines neuen Kapitels der Geschichte Georgiens gegenübersteht, Kraft schenken! 2. Ein besonderer Graß geht an euch, liebe Brüder im Priesteramt und treue Diener des Herrn. Wie das Weizenkom, das auf den Boden fällt und stirbt, um reiche Frucht zu bringen (vgl. Joh 12,24), so bereichert in der Stille euer priesterlicher Dienst, den ihr in Verborgenheit und Bescheidenheit ausübt, den Boden, aus dem jetzt durch die Gnade Gottes neue und reiche geistige Frucht wächst. Durch die Priesterweihe seid ihr Christus, dem Haupt und Hirten der Kirche, im Sakrament gleichgestaltet worden. Ich fordere euch auf, die Gesinnung Christi anzunehmen (vgl. Phil 2,5) und jeden Tag in der pastoralen Liebe zu wachsen, die ihren Ursprung in seinem heiligen Herzen hat und die sich ausdehnt, um die ganze Menschheit zu umfassen. Unter eurer Führung möge die katholische Gemeinschaft von Georgien - in der Vielfalt ihrer Ausdrucksformen nach der lateinischen, armenischen und chaldäischen Tradition - ein Zeichen vor der Nation sein für die Einheit und den Frieden, die Gaben des Herrn für jene Menschen, die seinem Versprechen vertrauen. Auch ihr, liebe Ordensmänner und Ordensffauen, habt im Herzen des Papstes einen besonderen Platz. Als Gottgeweihte führt euch euer Engagement auf der Suche nach der vollkommenen Liebe zum großzügigen Dienst an den Bedürftigen und an denen, die - oft ohne es zu wissen - das Reich Gottes inmitten der falschen Versprechungen einer Welt suchen, die sich über die rechten Werte nicht klar ist. Eure Werke der Erziehung und Nächstenliebe weisen auf die Gegenwart des Herrn und auf die heilende Kraft seiner Gnade hin. Besonders dankbar bin ich allen Mitarbeitern der „Redemptor-Hominis-Klinik“ für ihr Zeugnis der Nächstenliebe und auch für die hervorragende Arbeit von „Caritas Georgia“. 3. Den Laien dieses gesegneten Landes Georgien spreche ich meine Ermutigung und Unterstützung aus. Feiert euren Glauben an Christus in euren Familien, Gemeinden und Verbänden, und seid ein Sauerteig des Evangeliums in der Gesellschaft, die euch umgibt! Auch ihr seid durch eure Taufe geweiht. Als Mitglieder des priesterlichen, königlichen und prophetischen Volkes Gottes seid auch ihr als Zeugen des Evangeliums ausgesandt. Lasst das Licht Christi alle Schatten und alles Dunkel, die ihr vielleicht in eurem Herzen und in der Welt um euch findet, vertreiben. Habt keine Angst davor, euch Christus und der läuternden Kraft seiner Liebe zu öffnen. 4. Liebe Freunde! Auf der Schwelle zum dritten christlichen Jahrtausend möge die Kirche in Georgien, von den Beschränkungen der Vergangenheit befreit, mit großer Hoffnung in die Zukunft schauen und für einen neuen Frühling des Evangeli- 447 REISEN ums arbeiten. Möge ein jeder zum Zeugen für den Frieden Christi werden, stets um die Förderung von Verständnis und Dialog bemüht, besonders mit unseren orthodoxen Brüdern und Schwestern. Ich empfehle die katholische Gemeinschaft des Kaukasus der liebenden Fürsprache Marias, Mutter der Kirche, und erbitte für euch und eure Familien den Segen Gottes in Fülle. Gemeinsames Kommunique des Hl. Stuhls und der Republik Georgien zum Papstbesuch Die Pressesprecher des Hl. Stuhls und des Präsidenten der Republik Georgien, 9. November Auf Einladung Seiner Exzellenz des Präsidenten von Georgien, Eduard Schewardnadse, und des Katholikos-Patriarchen von ganz Georgien, Seiner Heiligkeit und Seligkeit IlialL, hat am 8. und 9. November 1999 der offizielle Besuch des römischen Papstes, Seiner Heiligkeit Johannes Paul II., in Georgien stattge-funden. Bei der Begegnung des Präsidenten von Georgien mit dem Papst, die am 9. November stattfand, wurde unterstrichen, dass die Ankunft des Bischofs von Rom, Seiner Heiligkeit Johannes Paul II., in Georgien, Land unter dem Schutz der Gottesmutter, ein Ereignis von großer Bedeutung für die Bevölkerung Georgiens und für alle Völker des Kaukasus, für alle Christen und Gläubigen anderer Bekenntnisse ist. Der Besuch Seiner Heiligkeit fallt mit dem zehnten Jahrestag des Falles der Berliner Mauer, eines Symbols der Trennung, zusammen. Die von ihr gezeichnete Grenze war für wahre Christen unannehmbar, weil sie nicht nur die Grenze zwischen zwei entgegengesetzten Philosophien, sondern auch zwischen zwei verschiedenen Auffassungen vom Menschen und der Geschichte bildete. Der Fall der Berliner Mauer und in der Folge die Wiedervereinigung Europas sind eine ganz große Errungenschaft des 20. Jahrhunderts. Dieses Ereignis hat den Anfang zur Schaffung eines einzigen Freiheitsraumes in der Welt gesetzt. Heute gehören zu diesem Raum Völker, die wesentlich zur Entwicklung der Zivilisation beigetragen haben, doch wegen der Wechselfälle der Geschichte vom Hauptstrom der Geschichte abgeschnitten wurden. Dieses Ereignis erfüllt die Völker, die in geteilten Ländern leben und an den endgültigen Sieg der Gerechtigkeit glauben, mit Hoffnung. Georgien, Wegkreuz der Kulturen des Nordens, des Südens, des Westens und des Ostens, sucht seinen Beitrag zu leisten zur Festigung der Stabilität im Kaukasus, zum Frieden und Wohlstand der Region. Der Präsident von Georgien und der römische Papst haben einmal mehr ihre Unterstützung für die friedliche Beilegung aller Konflikte, einschließlich dem in Abchasien, auf der Grundlage der Grundsätze des internationalen Rechts bekräftigt. Es 448 REISEN wurde betont, dass die aus ethnischen, rassischen, konfessionellen u. a. Gründen begangenen Verbrechen an der Menschheit ernste Gefahren für den Frieden und die Stabilität auf der ganzen Welt darstellen. Beide Seiten haben auf das Problem des Terrorismus hingewiesen, das in den letzten Jahren besonders aktuell geworden ist und eine ernsthafte Bedrohung für die Unabhängigkeit und demokratische Zukunft der Staaten der Region bildet sowie für die in der ganzen Welt vollbrachten Bemühungen zur Festigung des Friedens und der Stabilität. Beide Seiten fordern von der internationalen Gemeinschaft eine engere und wirksamere Zusammenarbeit gegen den Terrorismus zur Verteidigung der Rechte des Menschen und der Völker. Von georgischer Seite wird die Ankunft Seiner Heiligkeit Johannes Paul II. begrüßt und die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass die bereits bestehenden herzlichen Beziehungen zwischen Georgien und dem Hl. Stuhl vertieft werden, was der Wiederannäherung zwischen Katholiken und Orthodoxen und der Festigung des Friedens in Europa und in der Welt forderlich sein wird. Tbilisi, am 9. November 1999 Der Pressesprecher des Heiligen Stuhls Der Pressesprecher des Präsidenten der Republik Georgien 449 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben. BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der Achtung der Menschenrechte liegt das Geheimnis des wahren Friedens Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar, vom 8. Dezember 1998 1. In meiner ersten Enzyklika Redemptor hominis, die ich vor rund zwanzig Jahren an alle Männer und Frauen guten Willens gerichtet habe, unterstrich ich schon die Bedeutung der Achtung der Menschenrechte. Der Frieden wächst, wenn diese Rechte voll geachtet werden, während der Krieg aus der Verletzung dieser Rechte entsteht und noch größere derartige Verletzungen nach sich zieht. <1> <1> Vgl. Johannes Paul II., Redemptor hominis, 4. März 1979, Nr. 17, in: /1/1.S' 71(1979)296. Zu Beginn des neuen Jahres, des letzten vor dem Großen Jubiläum, möchte ich über dieses so außerordentlich wichtige Thema mit euch allen noch einmal nach-denken, mit euch Männern und Frauen in aller Welt, mit euch politischen Verantwortlichen und Religionsfiihrem der Völker, mit euch, die ihr den Frieden liebt und ihn auf der Erde festigen wollt. Seht, das ist die Überzeugung, die ich euch im Hinblick auf den Weltfriedenstag als Herzensanliegen mitteilen möchte: Wenn die Förderung der Personenwürde das Leitprinzip ist, das uns beseelt, und wenn die Suche des Gemeinwohls die Aufgabe ist, die Vorrang hat, dann werden feste und dauerhafte Grundlagen zum Aufbau des Friedens gelegt. Wenn dagegen die Menschenrechte vernachlässigt oder gar missachtet werden, wenn die Wahrung von Eigeninteressen gegenüber dem Gemeinwohl imgerechterweise überwiegt, dann werden unweigerlich die Keime für Instabilität, Rebellion und Gewalt gesät. Achtung der Menschenwürde, Erbe der Menschheit 2. Die Würde der menschlichen Person ist ein transzendenter Wert, der von allen, die ehrlich nach der Wahrheit suchen, stets anerkannt wird. Die gesamte Geschichte der Menschheit sollte eigentlich im Licht dieser Gewissheit gedeutet werden. Da jede Person als Bild und Gleichnis Gottes geschaffen (vgl. Gen 1,26-28) und deshalb eindeutig auf ihren Schöpfer hin ausgerichtet ist, steht sie in ständiger Beziehung zu allen, die mit derselben Würde ausgestattet sind. Die Förderung des Wohls des Einzelnen wird so mit dem Dienst am Gemeinwohl verbunden, wenn die Rechte und Pflichten einander entsprechen und sich gegenseitig stärken. Die Zeitgeschichte hat in tragischer Weise die Gefahr verdeutlicht, die aus der Missachtung der Wahrheit über die menschliche Person erwächst. Wir haben die Früchte von Ideologien wie die des Marxismus, Nationalsozialismus und Faschismus ebenso vor Augen wie auch die Mythen von Rassismus, Nationalismus und ethnischem Partikularismus. Nicht weniger gefährlich, wenn auch nicht immer so offensichtlich sind die Auswirkungen des materialistischen Konsumismus, in dem 453 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Verherrlichung des Einzelnen und die egozentrische Befriedigung der persönlichen Wünsche zum letzten Lebenszweck werden. In dieser Sicht erscheinen negative Folgen für andere als völlig unerheblich. Dagegen ist zu sagen, dass kein Angriff auf die Menschenwürde unbeachtet bleiben darf - ganz gleich, welche Ursache zugrunde liegt, welche Erscheinungsform er annimmt oder wo er sich zuträgt. Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte 3. Im Jahre 1998 konnte der 50. Jahrestag der Annahme der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ begangen werden. Sie wurde ausdrücklich mit der Charta der Vereinten Nationen verbunden, da sie vom selben Geist durchdrungen ist. Die gmndlegende Voraussetzung für die Erklärung liegt in der Bekräftigung, dass die Anerkennung der angeborenen Würde aller Glieder der Menschheitsfamilie wie auch der Gleichheit und Unveräußerlichkeit ihrer Rechte das Fundament für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt <2> ist. Alle darauf folgenden internationalen Dokumente über die Menschenrechte heben diese Wahrheit hervor, indem sie anerkennen und unterstreichen, dass diese Rechte aus der Würde und dem Wert erwachsen, die der menschlichen Person innewohnen. <3> Die Allgemeine Erklärung ist klar: Sie erkennt die Rechte, die sie verkündet, an, aber sie verleiht sie nicht; denn diese wohnen der menschlichen Person und ihrer Würde inne. Daraus folgt, dass niemand irgendeinen seiner Mitmenschen dieser Rechte rechtmäßig berauben darf; denn das würde bedeuten, seiner Natur Gewalt anzutun. Alle Menschen ohne Ausnahme sind in der Würde gleich. Aus demselben Gmnd gelten diese Rechte für alle Lebensphasen und jeden politischen, sozialen, ökonomischen oder kulturellen Kontext. Sie bilden ein einziges Ganzes, das eindeutig auf die Förderung aller Aspekte des Wohls der Person und der Gesellschaft ausgerichtet ist. <2> Vgl. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Präambel, erster Abschnitt. <3> Siehe besonders Erklärung von Wien (25. Juni 1993), Präambel, 2. Die Menschenrechte lassen sich traditionsgemäß in zwei weit gespannte Bereiche einteilen: da sind einerseits die bürgerlichen und politischen Rechte und andererseits die ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte. Internationale Vereinbarungen definieren beide Kategorien in klarer Weise. Die Menschenrechte sind ja untereinander eng verflochten, da sie Ausdruck verschiedener Dimensionen eines einzigen Subjekts sind, das Person heißt. Die ganzheitliche Förderung beider Kategorien der Menschenrechte ist die wahre Garantie dafür, dass jedes einzelne Recht voll geachtet wird. Der Schutz der Universalität und der Unteilbarkeit der Menschenrechte ist entscheidend für den Aufbau einer friedlichen Gesellschaft und für die ganzheitliche Entwicklung des Einzelnen, der Völker und der Nationen. Die Bekräftigung dieser Universalität und Unteilbarkeit schließt ja berechtigte Unterschiede kultureller und politischer Ordnung bei der Verwüklichung der einzelnen Rechte nicht aus unter 454 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Voraussetzung, dass in jedem Fall die von der Allgemeinen Erklärung für die ganze Menschheit festgesetzten Normen eingehalten werden. Während ich mir diese grundlegenden Vorbedingungen vor Augen halte, möchte ich nun auf einige besondere Rechte hinweisen, die heute mehr oder weniger offenen Verletzungen ausgesetzt scheinen. Das Lebensrecht 4. Das erste ist das Grundrecht auf Leben. Das menschliche Leben ist heilig und unantastbar vom ersten Augenblick seiner Empfängnis an bis zu seinem natürlichen Ende. „Du sollst nicht töten“, lautet das göttliche Gebot, das eine äußerste Grenze setzt, die man nie überschreiten darf. „Die willentliche Entscheidung, einen unschuldigen Menschen seines Lebens zu berauben, ist vom moralischen Standpunkt her immer schändlich“. <4> Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae, 25. März 1995, Nr. 57, in: AAS 87(1995)465. Das Recht auf Leben ist unantastbar. Das impliziert eine positive Entscheidung, eine Entscheidung für das Leben. Die Entwicklung einer in diesem Sinn ausgerichteten Kultur erstreckt sich auf alle Lebensumstände und gewährleistet die Förderung der Menschenwürde in jeder Lage. Eine wahre Kultur des Lebens sichert dem Ungeborenen das Recht, auf die Welt zu kommen, und schützt die Neugeborenen, insbesondere die Mädchen davor, dem Verbrechen des Kindesmordes zum Opfer zu fallen. In gleicher Weise garantiert es den Behinderten die Entwicklung ihrer Fähigkeiten sowie den kranken und alten Menschen angemessene Pflege. Die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Gentechnik bringen eine Gefahr mit sich, die tiefe Besorgnis erregt. Wenn die wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich der Person dienen soll, muss sie auf jeder Stufe von wachsamer ethischer Reflexion begleitet sein, die sich in entsprechenden gesetzlichen Nonnen zum Schutz der Unversehrtheit des menschlichen Lebens niederschlägt. Nie darf das Leben zum Objekt degradiert werden. Das Leben wählen bedeutet eine Absage an jede Form von Gewalt: die der Armut und des Plungers, von denen so viele Menschen betroffen sind; die der bewaffneten Konflikte; die der kriminellen Verbreitung von Drogen und des Waffenhandels; die der leichtsinnigen Schädigung der Umwelt. <5> In jeder Situation muss das Recht auf Leben durch entsprechende gesetzliche und politische Sicherungen gefordert und geschützt werden, denn keine Verletzung des Rechtes auf Leben, die der Würde der Einzelperson entgegensteht, darf außer Acht gelassen werden. Vgl. e&rf.jNr. 10, aaO.,412. Die Religionsfreiheit, das Herz der Menschenrechte 5. Die Religion drückt die tiefste Sehnsucht der menschlichen Person aus, die Religion bestimmt ihre Weltanschauung und regelt die Beziehung zu den anderen: 4 5 455 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Letztlich gibt sie die Antwort auf die Frage nach dem wahren Lebenssinn im persönlichen und im sozialen Bereich. Die Religionsfreiheit bildet daher den Kern der Menschenrechte. Sie ist so unantastbar, dass sie fordert, dass der Person auch die Freiheit des Religionswechsels zuerkannt wird, wenn das Gewissen es verlangt. Denn jeder ist gehalten, dem eigenen Gewissen in jeder Situation zu folgen, und darf nicht gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln. <6> Gerade deshalb darf niemand gezwungen werden, unbedingt eine bestimmte Religion anzunehmen, welche Umstände oder Beweggründe es auch immer dafür geben mag. <6> Vgl. II. Vat. Konzil, Erklärung Dignitatis humanae, Nr. 3. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte anerkennt, dass das Recht auf Religionsfreiheit auch das Recht einschließt, das eigene Bekenntnis sowohl als Einzelner als auch zusammen mit anderen in der Öffentlichkeit oder privat kundzutun. <7> Dennoch gibt es heute noch Orte, wo das Recht, sich zum Gottesdienst zu versammeln, entweder nicht anerkannt ist oder auf die Anhänger einer einzigen Religion beschränkt bleibt. Diese schwere Verletzung eines Grundrechtes der Person verursacht ungeheure Leiden für die Glaubenden. Wenn ein Staat einer Religion eine Sonderstellung einräumt, darf es nicht zum Nachteil der anderen geschehen. Bekanntlich gibt es aber Nationen, in denen Einzelne, Familien und ganze Gruppen auf Grund ihres religiösen Bekenntnisses weiterhin diskriminiert und ausgegrenzt werden. <7> Vgl. Art. 18. Ebenso wenig darf ein weiteres Problem verschwiegen werden, das indirekt mit der Religionsfreiheit zusammenhängt. Manchmal kommt es zwischen Gemeinschaften oder Völkern verschiedener religiöser Überzeugungen und Kulturen zu Spannungen, die auf Grund der mitspielenden starken Leidenschaften schließlich in gewalttätige Konflikte ausarten. Gewaltanwendung im Namen des eigenen Glaubensbekenntnisses ist eine Verzerrung dessen, was die großen Religionen lehren. Wie verschiedene Religionsführer oft betont haben, so bekräftige auch ich, dass die Gewaltanwendung niemals eine begründete religiöse Rechtfertigung finden noch das Wachstum der wahren Religiosität fördern kann. Das Recht auf Teilhabe 6. Jeder Bürger hat das Recht, am Leben seiner Gemeinschaft teilzuhaben: Das ist heute eine allgemein verbreitete Überzeugung. Dennoch wird dieses Recht zunichte gemacht, wenn der Demokratisierungsprozess durch Begünstigung und Korruption bis zur Unwirksamkeit ausgehöhlt wird. Diese Phänomene verhindern nicht nur die berechtigte Teilhabe an der Machtausübung, sondern versperren sogar den Zugang zu einer gleichmäßig verteilten Nutzung der Güter und der öffentlichen Dienste. Selbst Wahlen können manipuliert werden zu dem Zweck, gewissen Parteien oder Personen zum Sieg zu verhelfen. Dabei handelt es sich um einen Angriff auf die Demokratie, der schwerwiegende Folgen mit sich bringt, denn die 456 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bürger haben neben dem Recht auch die Pflicht zur Teilnahme. Wenn sie daran gehindert werden, verlieren sie die Hoffnung, wirksam eingreifen zu können. So überlassen sie sich einer Haltung passiver Gleichgültigkeit. Die Entwicklung eines gesunden demokratischen Systems wird damit praktisch unmöglich gemacht. Kürzlich wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen, um gesetzliche Wahlen in den Staaten sicherzustellen, die unter Schwierigkeiten vom totalitaristischen System zur Demokratie übergehen wollen. So nützlich und wirksam diese Initiativen in Notfällen auch sein mögen, entheben sie dennoch nicht von der Anstrengung, in den Bürgern eine Plattform allgemein geteilter Überzeugungen zu schaffen, durch die jede Manipulierung des Demokratisierungsprozesses endgültig verschwindet. Im Bereich der internationalen Gemeinschaft haben die Nationen und Völker das Recht auf Mitbeteiligung an den Beschlüssen, die ihre Lebensweise oft tiefgreifend verändern. Die fachliche Besonderheit bestimmter wirtschaftlicher Probleme fördert die Neigung, sie im engen Kreis zu diskutieren. Dabei entsteht die Gefahr, dass sich die politische und finanzielle Macht in einer begrenzten Anzahl von Regierungen oder Interessengruppen anhäuft. Die Suche des nationalen und internationalen Gemeinwohls erfordert auch im wirtschaftlichen Bereich eine wirksame Anwendung des Rechtes aller auf Mitbeteiligung an den Beschlüssen, die sie betreffen. Eine besonders schwere Form der Diskriminierung 7. Eine der dramatischsten Formen von Diskriminierung besteht darin, den ethnischen Gruppen und nationalen Minderheiten das Grundrecht auf Existenz zu verweigern. Dies geschieht durch Unterdrückung, brutale Übersiedlung oder auch durch den Versuch, ihre ethnische Identität so zu schwächen, dass sie nicht mehr erkennbar ist. Kann man angesichts so schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit schweigen? Keine Anstrengung darf als übertrieben gelten, wenn es darum geht, solchen der menschlichen Person unwürdigen Verirrungen ein Ende zu setzen. Ein positives Zeichen für die wachsende Entschlossenheit der Staaten, die eigene Verantwortung für den Schutz der Opfer solcher Verbrechen zu erkennen und für den Einsatz, sie zu verhüten, stellt die jüngste Initiative einer Diplomatischen Konferenz der Vereinten Nationen dar. Sie hat mit besonderem Beschluss das Statut eines Internationalen Tribunals angenommen, das die Aufgabe hat, schuldhafte Taten festzustellen und diejenigen zu bestrafen, die für Verbrechen des Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Aggressionen verantwortlich sind. Wenn diese neue Institution auf guten gesetzlichen Grundlagen ruht, könnte sie mehr und mehr dazu beitragen, auf Weltebene den wirksamen Schutz der Menschenrechte sicherzustellen. 457 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Recht auf Selbstverwirklichung 8. Jeder Mensch besitzt angeborene Fähigkeiten, die auf Entfaltung drängen. Das gehört zur vollen Verwirklichung seiner Persönlichkeit und auch zur entsprechenden Eingliederung in das soziale Gefüge seiner Umgebung. Deshalb ist es vor allem notwendig, für eine angemessene Erziehung und Bildung des jungen Lebens zu sorgen. Davon hängt sein künftiges Gelingen ab. Besteht aus dieser Sicht nicht aller Grund zur Besorgnis, wenn man beobachtet, dass sich in einigen Gebieten, die zu den ärmsten der Welt gehören, die Bildungsmöglichkeiten tatsächlich verringern - und das besonders im Hinblick auf die Grundschule? Bisweilen ist dafür die Wirtschaftslage des Landes verantwortlich, die den Lehrern keine Entlohnung zusichem kann. In anderen Fällen scheint Geld für Prestigeobjekte oder für Projekte der höheren Bildung, aber nicht für die Grundschule vorhanden zu sein. Wenn besonders die Bildungsmöglichkeiten für Mädchen eingeschränkt werden, dann schafft man diskriminierende Strukturen, die die ganze Entwicklung der Gesellschaft gefährden können. Die Welt würde schließlich nach einem neuen Kriterium aufgeteilt: auf der einen Seite die mit hochentwickelten Technologien ausgestatteten Staaten und Einzelpersonen, auf der anderen Seite die Länder und Personen mit äußerst begrenzten Kenntnissen und Fähigkeiten. Das würde verständlicherweise die bereits vorhandenen akuten wirtschaftlichen Ungleichheiten nicht nur zwischen den Staaten, sondern auch in ihrem Innern verstärken. Erziehung und Berufsausbildung müssen sowohl in der Planung der Entwicklungsländer als auch in den Reformprogrammen für Stadt und Land der wirtschaftlich fortschrittlichsten Völker an erster Stelle stehen. Ein weiteres Grundrecht, von dessen Verwirklichung die Erlangung eines würdigen Lebensstandards abhängt, ist das Recht auf Arbeit. Wie kann man sonst Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und die Befriedigung vieler anderer Lebensbedürfnisse sicherstellen? Der Mangel an Arbeit ist heute jedoch ein schweres Problem. Unzählige Personen in allen Teilen der Welt sind von dem verheerenden Phänomen der Arbeitslosigkeit betroffen. Es ist notwendig und dringend für alle und insbesondere für diejenigen, die die politische und wirtschaftliche Macht haben, alles Mögliche zu tun, um einer so leidvollen Situation abzuhelfen. Man darf sich nicht auf Hilfsmaßnahmen beschränken im Fall von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder ähnlichen Umständen, die sich der Kontrolle des Einzelnen entziehen. <8> Diese Hilfen sind notwendig, doch muss man sich auch darum bemühen, dass die Arbeitslosen die Möglichkeit erhalten, ihr eigenes Dasein selbst in die Hand zu nehmen und sich so von der Bestimmung demütigender Betreuung zu befreien. Vgl. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Art. 25, 1. 458 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Globaler Fortschritt in der Solidarität 9. Die rasch zunehmende Globalisierung der Wirtschafts- und Finanzsysteme weist ihrerseits darauf hin, dass dringend festgeschrieben werden muss, wer das globale Gemeinwohl und die Anwendung der ökonomischen und sozialen Rechte gewährleisten soll. Der freie Markt allein ist dazu nicht imstande, da es in Wirklichkeit viele menschliche Bedürfnisse gibt, die keinen Zugang zum Markt haben. „Noch vor der Logik des Austausches gleicher Werte und der für sie wesentlichen Formen der Gerechtigkeit gibt es etwas, das dem Menschen als Menschen zusteht, das heißt auf Grund seiner einmaligen Würde“. <9> <9> Johannes Paul II., Enzyklika Centesimusannus, l.Mai 1991. Nr. 34. in: AAS83(1991J836. Die Auswirkungen der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrisen hatten schwerwiegende Folgen für unzählige Personen, die in äußerste Armut gerieten. Viele von ihnen hatten erst seit kurzem ihre Lage so weit verbessert, dass sie berechtigte Hoffnungen für die Zukunft hegen konnten. Ohne eigene Schuld sahen sie diese Hoffnungen grausam zerstört, was mit tragischen Folgen für sie selbst und für ihre Kinder verbunden war. Darf man darüber hinaus die Auswirkungen der Fluktuationen der Finanzmärkte außer Acht lassen? Dringend notwendig ist eine neue Sicht des globalen Fortschritts in der Solidarität, die eine von der Gesellschaft getragene ganzheitliche Entwicklung vorsieht, so dass jedes ihrer Glieder seine eigenen Fähigkeiten entfalten kann. In diesem Zusammenhang richte ich einen dringenden Aufruf an die für die Finanzbeziehungen auf Weltebene Verantwortlichen, dass sie sich die Lösung des besorgniserregenden Problems der internationalen Verschuldung der ärmsten Nationen zu Herzen nehmen. Internationale Finanzeinrichtungen haben diesbezüglich eine konkrete Initiative in Gang gebracht, die Anerkennung verdient. Ich appelliere an alle, die sich mit diesem Problem befassen, besonders an die Industrieländer, dass sie die notwendige Unterstützung gewähren, um dieser Initiative zum Erfolg zu verhelfen. Es ist eine rasche und kräftige Anstrengung notwendig, um es der Mehrheit der Länder im Hinblick auf das Jahr 2000 zu ermöglichen, aus einer nunmehr unhaltbaren Situation herauszufinden. Ich bin sicher, dass der Dialog zwischen den beteiligten Institutionen zu einer endgültigen und befriedigenden Lösung führen wird, wenn er vom Willen zum Einvernehmen getragen ist. Auf diese Weise wird den bedürftigsten Nationen eine dauerhafte Entwicklung ermöglicht, und das bevorstehende Jahrtausend wird auch für sie eine Zeit neuer Hoffnung werden. Verantwortung gegenüber der Umwelt 10. Mit der Fördemng der Menschenwürde ist das Recht auf eine gesunde Umwelt verbunden. Denn dadurch wird die Dynamik der Beziehungen zwischen Einzelperson und Gesellschaft deutlich. Ein Paket internationaler, regionaler und nationaler 459 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Normen in Bezug zur Umwelt gibt diesem Recht allmählich juridische Form. Dennoch genügen die gesetzlichen Maßnahmen für sich allein nicht. Die Gefahr schwerwiegender Schäden für die Erde und das Meer, für das Klima, für Flora und Fauna erfordert einen tiefgreifenden Wandel im Lebensstil der modernen Konsumgesellschaft, besonders in den reichen Ländern. Ebenso wenig darf eine weitere -wenn auch weniger drastische - Gefahr unterschätzt werden: Von der Not gedrängt, nutzen arme Landbewohner den geringen Boden, über den sie verfügen, oft über Gebühr. Deshalb ist eine spezifische Ausbildung zu fördern, die sie lehrt, wie sie die Bodenkultur mit der Achtung der Umwelt vereinbaren können. Die Gegenwart und Zukunft der Welt hängen von der Bewahrung der Schöpfung ab, da zwischen der menschlichen Person und der Natur eine dauernde Wechselwirkung besteht. Das Wohl des Menschen in den Mittelpunkt der Achtung für die Umwelt zu stellen ist in der Tat der sicherste Weg, die Schöpfung zu bewahren; denn auf diese Weise wird das Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen gegenüber den natürlichen Ressourcen und ihrer gewissenhaften Nutzung verstärkt. Das Recht auf Frieden 11. Die Förderung des Rechts auf Frieden sichert in gewisser Weise die Achtung aller anderen Rechte, weil sie dem Aufbau einer Gesellschaft Vorschub leistet, in der im Hinblick auf das Gemeinwohl Beziehungen der Zusammenarbeit anstelle von Machtkämpfen treten. Das derzeitige Geschehen bestätigt zur Genüge, dass Gewaltanwendung kein Mittel zur Lösung politischer und sozialer Probleme ist. Krieg baut nicht auf, sondern zerstört; er unterhöhlt die moralischen Fundamente der Gesellschaft und schafft neue Spaltungen und anhaltende Spannungen. Und doch verzeichnet die Chronik weiterhin Kriege und bewaffnete Konflikte mit zahllosen Opfern. Wie oft haben meine Vorgänger und ich selbst das Ende dieser Schrecken herbeigerufen! Ich werde damit so lange fortfahren, bis man verstehen wird, dass der Krieg den Niedergang jedes wahren Humanismus bedeutet. <10> Gott sei Dank, dass in einigen Gebieten beträchtliche Fortschritte in der Festigung des Friedens erzielt wurden. Anzuerkennen ist das große Verdienst jener mutigen Politiker, die es wagten, die Verhandlungen auch dann fortzuführen, als die Situation es nicht zu erlauben schien. Aber muss man nicht zugleich auch die Massaker anprangem, die in anderen Gebieten andauem, wo ganze Völker aus ihrer Heimat vertrieben und ihre Häuser und Ernten zerstört werden? Angesichts dieser Opfer, die man nicht mehr zählen kann, rufe ich die Verantwortlichen der Nationen und die Menschen guten Willens auf, all jenen zu Hilfe zu kommen, die - besonders in Afrika - in grausame, bisweilen von äußeren Wirtschaftsinteressen angezettelte Konflikte verwickelt sind, und ihnen dabei zu helfen, den Auseinandersetzungen ein Ende zu setzen. Ein konkreter Fortschritt in dieser Richtung ist gewiss die Unterbindung des Waffenhandels mit den kriegführenden Ländern und die Unterstüt- <10> Vgl. diesbezügliche Aussagen im Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 2307—2317. 460 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zung der Verantwortlichen jener Völker, wieder den Weg des Dialogs zu suchen. Das ist der Weg, der des Menschen würdig ist. Das ist der Weg des Friedens! Meine Besorgnis gilt denen, die im Kontext des Krieges leben und aufwachsen, denen, die nichts anderes als Krieg und Gewalttätigkeit kennen gelernt haben. Die Überlebenden werden für den Rest ihres Lebens unter den Wunden einer solch schrecklichen Erfahrung zu leiden haben. Was soll man über die minderjährigen Soldaten sagen? Kann man je akzeptieren, dass kaum erwachte Menschenleben so ruiniert werden? Müssen diese Kinder, die zum Töten ausgebildet werden und oft auch gedrängt sind, es zu tun, nicht schwerste Probleme bei ihrer nachfolgenden Eingliederung in die bürgerliche Gesellschaft haben? Ihre Ausbildung wird unterbrochen, und ihre beruflichen Fähigkeiten werden unterdrückt. Welche Folgen wird das für ihre Zukunft haben! Die Kinder brauchen Frieden. Sie haben ein Recht darauf. Neben diesen Kindern möchte ich noch an die mindeijährigen Opfer der Landminen und anderer Kriegswaffen erinnern. Trotz der bereits gemachten Anstrengungen zur Zerstörung der Minen ist man jetzt Zeuge eines unglaublichen und unmenschlichen Paradoxons: Entgegen dem ausdrücklichen Willen der Regierungen und Völker, endgültig auf den Gebrauch einer so heimtückischen Waffe zu verzichten, hört man nicht auf, weitere Minen auch in bereits sanierten Gebieten auszustreuen. Keime des Krieges werden auch durch die gewaltige und unkontrollierte Weitergabe kleiner und leichter Waffen verbreitet, die scheinbar ungehindert von einem Konfliktherd zum anderen wandern und auch unterwegs Gewalt anheizen. Es ist Aufgabe der Regierungen, angemessene Maßnahmen zur Kontrolle der Produktion, des Verkaufs, der Ein- und Ausfuhr solcher Todesinstrumente zu ergreifen. Nur auf diese Weise ist es möglich, dem Problem des gewaltigen unerlaubten Waffenhandels insgesamt wirksam zu begegnen. Eine Kultur der Menschenrechte, Verantwortung aller 12. Es ist nicht möglich, an dieser Stelle noch ausführlicher zu werden. Aber ich möchte unterstreichen, dass keines der Menschenrechte sicher ist, wenn man sich nicht bemüht, alle zu schützen. Wenn man tatenlos der Verletzung eines der menschlichen Grundrechte zusieht, geraten alle anderen in Gefahr. Deshalb sind eine globale Annäherung an das Thema der Menschenrechte und ein gewissenhafter Einsatz zu ihrem Schutz unerlässlich. Nur wenn eine Kultur der Menschenrechte, die die unterschiedlichen Traditionen achtet, wesentlicher Bestandteil des moralischen Erbes der Menschheit wird, kann man hoffnungsvoll und gelassen in die Zukunft blicken. Es ist doch so: Wie könnte es Kriege geben, wenn jedes Menschenrecht respektiert würde? Die ganzheitliche Achtung der Menschenrechte ist der sicherste Weg, um feste Beziehungen unter den Staaten aufzubauen. Die Kultur der Menschenrechte kann nur eine Kultur des Friedens sein. Jede Verletzung birgt die Keime eines 461 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN potentiellen Konfliktes in sich. Schon mein ehrwürdiger Vorgänger, der Diener Gottes Pius XII., hat am Ende des Zweiten Weltkrieges die Frage gestellt: „Wenn ein Volk mit Gewalt unterdrückt wird, wer hätte den Mut, der übrigen Welt Sicherheit im Kontext eines dauerhaften Friedens zu verheißen?“ <11> Um eine Kultur der Menschenrechte zu fördern, die die Gewissen durchdringt, ist die Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Kräfte notwendig. Ich möchte besonders auf die Rolle der Medien hinweisen, die bei der Bildung der öffentlichen Meinung und damit für die Orientierung des Verhaltens der Bürger so wichtig sind. Wie könnte man eine gewisse Verantwortung ihrerseits für die Verletzungen der Menschenrechte verkennen, die ihren Ursprung in der Verherrlichung der von ihnen unter Umständen kultivierten Gewalt haben. Ebenso muss man ihnen das Verdienst der edlen Initiativen für Dialog und Solidarität zuschreiben, die dank der von ihnen verbreiteten Botschaften zugunsten des gegenseitigen Verständnisses und Friedens entstanden sind. <11> Ansprache an eine Kommission von Vertretern des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika (21. August 1945): Ansprachen und Radiobotschaften von Pius XII., VII (1945-1946), 141. Zeit der Entscheidungen, Zeit der Hoffnung 13. Das neue Jahrtausend steht vor der Tür. Sein Näherrücken hat in den Herzen vieler Menschen die Hoffnung auf eine gerechtere und solidarischere Welt genährt. Es ist ein Bestreben, das verwirklicht werden kann. Ja, es muss verwirklicht werden! Mit diesem Ausblick wende ich mich jetzt insbesondere an euch, liebe Brüder und Schwestern in Christus, die ihr in vielen Teilen der Welt das Evangelium als Lebensregel annehmt: Seid Botschafter der Menschenwürde! Der Glaube lehrt uns, dass jede Person als Gottes Bild und Gleichnis geschaffen wurde. Auch wenn der Mensch sich verweigert, die Liebe des himmlischen Vaters bleibt immer treu; seine Liebe hat keine Grenzen. Er hat Jesus, seinen Sohn, gesandt, um jede Person zu erlösen, indem er ihr die volle Würde zurückgab. <12> Wie könnten wir angesichts einer solchen Haltung jemandem unsere Zuwendung entziehen? Im Gegenteil, wir müssen Christus in den Ärmsten und Ausgegrenzten erkennen, zu deren Dienst uns die Eucharistie, die Kommunion mit dem für uns hingegebenen Leib und Blut Christi verpflichtet. <13> Wie das Gleichnis vom reichen Mann, der für immer namenlos bleiben wird, und vom armen Lazarus deutlich zeigt, „steht Gott in dem schreienden Kontrast zwischen gefühllosen Reichen und notleidenden Armen auf der Seite der letzteren“. <14> Auf deren Seite sollen auch wir uns stellen. <12> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, 4. März 1979, Nm. 13—14, in: AAS 71(1979)282-286. 12 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1397. <14> Johannes Paul II., Angelus vom 27. September 1998: L’Osservatore Romano, 28.-29. September 1998, S. 5. Das dritte und letzte Vorbereitungsjahr vor dem Jubiläum ist von einem geistlichen Pilgerweg zum Vater geprägt: Jeder ist zu einem Weg wahrer Umkehr eingeladen, 462 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der mit der Absage an die Sünde und der positiven Entscheidung für das Gute verbunden ist. An der Schwelle des Jahres 2000 ist es unsere Pflicht, mit neuem Einsatz die Würde der Armen und Ausgegrenzten zu schützen und konkret die Rechte derer anzuerkennen, die keine Rechte haben. Erheben wir unsere Stimme für sie, indem wir die Sendung, die Christus seinen Jünger anvertraut hat, voll verwirklichen! Das ist der Geist des bevorstehenden Jubiläums.1 <15> Jesus hat uns gelehrt, Gott mit Vater, Abba, anzureden, und so unsere tiefe Verbindung mit ihm offenbart. Grenzenlos und ewig ist seine Liebe zu jeder Person und zur ganzen Menschheit. Treffend drücken das die Worte Gottes im Buch des Propheten Jesaja aus: ^ Johannes Paul II.. Apostolisches Schreiben Tertio mitlennio adveniente, 10. November 1994, Nm. 49-51, in: AAS 87(1995)35-36. „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse dich nicht. Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände“ (49,15-16). Nehmen wir die Einladung zur Teilhabe an dieser Liebe an! In ihr liegt das Geheimnis der Achtung der Rechte jeder Frau und jedes Mannes. Der Anbruch des neuen Jahrtausends wird uns dann bereit finden, gemeinsam den Frieden zu bauen. Aus dem Vatikan, am 8. Dezember des Jahres 1998. Joannes Paulus PP. II Hoffnung für eine erlöste Welt in der Geschichte Predigt am Hochfest der Gottesmutter Maria, Neujahrstag, 1. Januar 1. „Christus heri et hodie - Principium et Finis - Alpha et Omega - Christus gestern und heute - Anfang und Ende - Alpha und Omega. Sein ist die Zeit - und die Ewigkeit - Sein ist die Macht und die Herrlichkeit - in alle Ewigkeit“ (Römisches Messbuch, Bereitung der Osterkerze). Jedes Jahr richtet die Kirche in der Ostemacht erneut diesen feierlichen Zuruf an Christus, den Herrn der Zeit. Auch am Jahresbeginn verkünden wir diese Wahrheit im Übergang zwischen dem „Gestern“ und dem „Heute“: „gestern“, als wir im Versinken des alten Jahres Gott gedankt haben; „heute“, während wir das beginnende neue Jahr begrüßen. „Gestern und heute.“ Wir feiern Christus; er ist, wie die Schrift sagt, „derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit“ {Hehr 13,8). Er ist der Herr der Geschichte, Ihm gehören die Jahrhunderte und die Jahrtausende. Während wir das Jahr 1999 beginnen, das letzte Jahr vor dem Großen Jubiläum, ist es, als ob das Geheimnis der Geschichte sich mit größerer Tiefe vor uns enthülle. 463 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gerade deshalb wollte die Kirche den drei Jahren der unmittelbaren Vorbereitung auf das Ereignis des Jubeljahres das trinitarische Zeichen der Gegenwart des lebendigen Gottes aufprägen. 2. Der erste Tag des neuen Jahres schließt die Oktav vom Fest der Geburt des Herrn ab und ist der Heiligen Jungfrau geweiht, die als Mutter Gottes verehrt wird. Das Evangelium bringt in Erinnerung, dass sie „alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte und darüber nachdachte“ (vgl. Lk 2,19). So war es in Betlehem, so auf Golgota zu Füßen des Kreuzes, so am Pfingsttag, als der Heilige Geist in den Abendmahlssaal herabstieg. Und so auch heute. Die Mutter Gottes und der Menschen bewahrt und überdenkt in ihrem Herzen alle die großen und schwierigen Probleme der Menschheit. Die „Alma Redemptoris Mater“ geht mit uns und führt uns mit mütterlicher Zärtlichkeit der Zukunft entgegen. So hilft sie der Menschheit, die „Schwellen“ der Jahre, der Jahrhunderte und der Jahrtausende überschreiten und ihre Hoffnung auf den, der der Herr der Geschichte ist, festhalten. 3. „Heri et hodie - Gestern und heute.“ „Gestern“ - das veranlasst zum Rückblick. Wenn wir den Blick auf die Ereignisse des zu Ende gehenden Jahrhunderts richten, dann bieten sich unseren Augen die zwei Weltkriege dar: Friedhöfe, Gräber von Gefallenen, zerrissene Familien, Weinen und Verzweiflung, Elend und Leiden. Wie könnte man die Todeslager vergessen, die grausam vernichteten Kinder Israels, die heiligen Märtyrer: Pater Maximilian Kolbe, Schwester Edith Stein und viele andere? Unser Jahrhundert ist aber auch das Jahrhundert der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, deren fünfzigster Jahrestag unlängst begangen wurde. Gerade im Hinblick auf diesen Jahrestag habe ich in der traditionellen Botschaft zum heutigen Weltfriedenstag daran erinnern wollen, dass das Geheimnis des wahren Friedens in der Achtung der Menschenrechte besteht „Die Anerkennung der angeborenen Würde aller Glieder der Menschheitsfamilie (ist) das Fundament für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt“ (ebd3). Das II. Vatikanische Konzil, das Konzil, das die Kirche auf den Eintritt ins dritte Jahrtausend vorbereitet hat, betonte, dass die Welt, der Schauplatz der Geschichte der Menschheit, durch den gekreuzigten und auferstandenen Christus von der Sklaverei der Sünde befreit und dazu bestimmt ist, „umgestaltet zu werden nach Gottes Heilsratschluß und zur Vollendung zu kommen“ (Gaudium et spes, Nr. 2). Das also ist die Art und Weise, wie die Gläubigen auf unsere zeitgenössische Welt blicken, während sie Schritt für Schritt der Schwelle des Jahres Zweitausend entgegengehen. 4. Als das Ewige Wort Mensch wurde, ist es in die Welt gekommen und hat sie angenommen, um sie zu erlösen. Die Welt ist also nicht nur vom schrecklichen Erbe der Sünde gezeichnet, sondern sie ist in erster Linie eine von Christus, dem gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes, erlöste Welt. Jesus ist der Erlöser der Welt, der Herr der Geschichte. „Eius sunt tempora et saecula - Sein ist die Zeit und die Ewigkeit.“ Sein sind die Jahre und die Jahrhunderte. Darum glauben wir, 464 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dass, wenn wir mit Christus zusammen ins dritte Jahrtausend eintreten, wir Zusammenwirken werden zur Umformung der von Ihm erlösten Welt „Mundus creatus, mundus redemptus - Erschaffene Welt, erlöste Welt.“ Auf mancherlei Weisen gibt die Menschheit leider dem Einfluss des Bösen nach. Von der Gnade jedoch gedrängt, erhebt sie sich immer wieder und geht, geführt durch die Kraft der Erlösung, auf das Gute zu. Sie geht auf Christus zu, nach dem Plan Gottes, des Vaters. „Jesus Christus - Anfang und Ende - Alpha und Omega - sein ist die Zeit und die Ewigkeit.“ Beginnen wir dieses neue Jahr in seinem Namen. Maria möge uns erlangen, dass wir seine treuen Jünger seien, damit wir mit Worten und Werken ihm immer und ewig Ruhm und Ehre erweisen: „Ipsi gloria et imperium per universa aetemitatis saecula - Ihm sei die Macht und die Herrlichkeit für alle Ewigkeit.“ Amen! Eingeständnis und Bekenntnis von Schuld ist Zeichen für Bereitschaft zu Umkehr und Versöhnung Botschaft zum XTV. Weltjugendtag vom 6. Januar „Der Vater liebt euch“ (vgl. Joh 16,27) Liebe junge Freunde! 1. Im Blick auf das nunmehr unmittelbar bevorstehende Jubiläum hat das Jahr 1999 die Gutgabe, „den Horizont des Gläubigen gemäß der Sichtweite Christi selbst zu erweitern: der Sichtweite des „Vaters im Himmel“, von dem er gesandt worden und zu dem er zurückgekehrt ist“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 49). Es ist nicht möglich, Christus und sein Jubiläum zu feiern, ohne sich mit ihm Gott, seinem und unserem Vater, zuzuwenden (vgl. Joh 20,17). Auch der Heilige Geist verweist auf den Vater und auf Jesus: denn wenn er uns lehrt, zu sagen, „Jesus ist der Herr“ (vgl. 1 Kor 12,3), will er, dass wir fähig sind, mit Gott zu sprechen und ihn „Abba, Vater!“ zu nennen (vgl. Gal 4,6). Somit lade ich euch und die gesamte Kirche ein, euch an Gott Vater zu wenden und voll Dankbarkeit und Bewunderung die erstaunliche Offenbarung Jesu aufzunehmen: „Der Vater liebt euch!“ (vgl. Joh 16,27). Das sind die Worte, die ich euch als Thema des XIV. Weltjugendtags zu bedenken gebe. Liebe Jugendliche, nehmt die Liebe Gottes an, denn er hat euch zuerst geliebt (vgl. 1 Joh 4,19). Haltet fest an dieser Gewissheit, die einzige, die dem Leben Sinn, Kraft und Freude geben kann: nie wird seine Liebe von euch weichen, nie wird jener Bund des Friedens (vgl. Jes 54,10) wanken, den er mit euch geschlossen hat. In seine Hände hat er Euren Namen eingezeichnet (vgl. Jes 49,16). 465 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe zum Vater - Liebe des Vaters 2. Im Herzen jedes Menschen besteht ein zwar nicht immer bewusstes und klares, aber doch tiefes Verlangen nach Gott, das der hl. Ignatius von Antiochien so vielsagend zum Ausdruck bringt: „Ein lebendiges und redendes Wasser ist in mir, das innerlich zu mir sagt: ,Auf zum Vater““ (vgl. Brief an die Gemeinde in Rom, 7; Schriften des Urchristentums. Die Apostolischen Väter, hrsg. von Joseph A. Fischer, 10. Aufl., Darmstadt 1993, S. 191). „Laß mich doch deine Herrlichkeit sehen“, bittet Mose auf dem Berg (Ex 33,18). „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,18). Wenn wir den Sohn erkannt haben, erkennen wir dann auch den Vater? Philippus lässt sich nicht so leicht überzeugen: „Zeig uns den Vater“, verlangt er. Seine Beharrlichkeit verhilft uns zu einer Antwort, die über unsere Erwartung hinausgeht: „Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,8-11). Nach der Menschwerdung gibt es ein menschliches Antlitz, in dem wir Gott erkennen können: „Glaubt mir doch, daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist“, sagt Jesus nicht nur zu Philippus, sondern allen, die glauben (ebd., 14,11). Von da an nimmt deijenige, der den Sohn Gottes aufhimmt, auch den auf, der ihn gesandt hat (vgl. ebd., 13,20). Und im Gegenteil, „Wer mich haßt, haßt auch meinen Vater“ (ebd., 15,23). Seitdem ist eine neue Beziehung zwischen dem Schöpfer und seinem Geschöpf möglich, die des Sohnes zu seinem Vater: den Jüngern, die in die göttlichen Geheimnisse eindringen und ihn bitten, beten zu lernen, um Unterstützung auf ihrem Weg zu finden, antwortet Jesus, indem er sie das „Vaterunser“ lehrt, „kurzer Inbegriff des ganzen Evangeliums“ (Tertullian, Über das Gebet, 1; Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 7, Kempten/München 1912, S. 249). Es bestätigt uns als Kinder Gottes (vgl. Lk 11,1—4). „Zum einem gibt der eingeborene Sohn in den Worten dieses Gebetes uns die Worte, die der Vater ihm gegeben hat: Er ist der Lehrer unseres Betens. Zum andern kennt er als fleischgewordenes Wort in seinem Menschenherzen die Bedürfnisse seiner menschlichen Brüder und Schwestern und offenbart sie uns: er ist das Vorbild unseres Betens“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2765). Als direktes Zeugnis vom Leben des Gottessohnes weist das Johannesevangelium uns den Weg, den wir gehen müssen, um den Vater kennen zu lernen. Die Anrufung „Vater“ ist das Geheimnis, der Atem, das Leben Jesu. Ist er denn nicht der einzige, der erstgeborene, der geliebte Sohn, auf den alles ausgerichtet ist, der schon vor der Welt beim Vater war und seine Herrlichkeit teilte? (vgl. Joh 17,5). Der Vater gibt Jesus Macht über alle Dinge (vgl. ebd., 17,2), der Vater trägt ihm auf, was er sagen und reden (vgl. ebd., 12,49) und wie er handeln soll (vgl. ebd., 14,31). Selbst die Jünger gehören ihm nicht an: der Vater hat sie ihm gegeben (vgl. ebd., 17,9) und ihm die Aufgabe anvertraut, sie vor Bösem zu bewahren, damit keiner von ihnen verloren gehe (vgl. ebd., 18,9). 466 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der Stunde des Übergangs aus dieser Welt zum Vater offenbart das Hohepries-terliche Gebet den Wunsch des Sohnes: „Vater, verherrliche du mich jetzt bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war“ (ebd., 17,5). Als höchster und ewiger Priester stellt sich Christus an die Spitze des endlosen Zuges der Erlösten. Als Erstgeborener unter zahlreichen Brüdern führt er die Schafe der zerstreuten Herde zum einzigen Stall zurück, damit es nur „eine Herde und einen Hirten gibt“ {ebd., 10,16). Durch sein Wirken wird das Liebesbündnis, das die Dreieinigkeit verbindet, auf die Beziehung des Vaters zur erlösten Menschheit übertragen: „Der Vater liebt euch!“ Wie wäre dieses Mysterium der Liebe ohne das Wirken des Heiligen Geistes verständlich, den der Vater auf das Gebet Jesu hin über die Jünger ausgießt (vgl. ebd., 14,16)? Die Menschwerdung des ewigen Wortes in der Zeit und das Geborensein für die Ewigkeit derer, die durch die Taufe mit ihm vereint werden, wären ohne das belebende Wirken dieses Geistes nicht vorstellbar. Liebe des Vaters - Formen der Liebe 3. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (ebd., 3,16). Gott liebt die Welt! Und trotz der Ablehnung, zu der sie fähig ist, wird sie bis zum Ende geliebt werden. „Der Vater liebt euch“ seit jeher und für immer: das ist die unglaubliche Neuheit, „diese einfache und erschütternde Verkündigung ist die Kirche dem Menschen schuldig“ (vgl. Christifideles laici, Nr. 34). Wenn der Sohn uns auch nur dieses eine Wort gesagt hätte, würde das schon genügen. „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es!“ (1 Joh 3,1). Wir sind keine Waisen, Liebe ist möglich. Denn -wie ihr wisst - kann man nicht lieben, ohne geliebt zu werden. Wie aber soll diese Frohbotschaft verkündet werden? Jesus zeigt uns den Weg: wir müssen auf den Vater hören, um seine Lehre anzunehmen (Joh 6,45), und an seinem Wort festhalten (vgl. ebd., 14,23). Diese Erkenntnis des Vaters wird mehr und mehr wachsen: „Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen“ (ebd., 17,26), und das Wirken des Geistes wird zur ganzen Wahrheit führen (vgl. ebd., 16,13). In unserer Zeit sind in der Kirche wie in der Welt mehr denn je „Missionare“ notwendig, die fähig sind, mit Wort und Zeugnis diese grundlegende und tröstende Gewissheit zu verkünden. Lasst euch, Jugendliche von heute und Erwachsene des neuen Jahrtausends, in diesem Bewusstsein in der Schule Jesu „formen“. Werdet in der Kirche und in den verschiedenen Bereichen Eures täglichen Lebens glaubhafte Zeugen der Liebe des Vaters! Verdeutlicht sie durch eure Entscheidungen und eure Haltung, im Umgang mit anderen Menschen und durch Euren Dienst an ihnen, durch die gewissenhafte Befolgung des Willens und der Gebote Gottes. „Der Vater liebt euch!“ Diese wunderbare Botschaft wird in das Herz des Gläubigen eingegeben, der, wie der Jünger, den Jesus liebte, seinen Kopf an die Brust des 467 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Meisters lehnte und seine Worte aufnimmt: „Wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren“ (vgl. ebd., 14,21), denn „das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ {ebd., 17,3). Die Liebe des Vaters spiegelt sich in den verschiedenen Formen der Vaterschaft wider, denen ihr auf Eurem Weg begegnen werdet. Vor allem denke ich an eure Eltern, die Mitwirkenden Gottes, durch die er euch das Leben schenkt und für euch sorgt: ehrt sie (vgl. Ex 20,12) und zeigt ihnen eure Dankbarkeit! Ich denke an die Priester und andere Gott geweihte Menschen, die euch in Freundschaft verbunden und eure Zeugen und Vorbilder im Leben sind, „um euch im Glauben zu fordern und zu erfreuen“ {Phil 1,25). Ich denke an die wirklichen Erzieher, die durch ihre Menschlichkeit, ihre Weisheit und ihren Glauben wesentlich zu Eurem christlichen und somit vollen menschlichen Reifen beitragen. Dankt dem Herrn stets für jeden dieser wertvollen Menschen, die euch auf dem Lebensweg begleiten. 4. Der Vater liebt euch! Das Bewusstsein von diesem von Gott Auserwähltsein drängt die Gläubigen unweigerlich, „in Anhänglichkeit an Christus, den Erlöser der Menschen, einen Weg echter Umkehr zu beschreiten. ... Das ist der geeignete Rahmen für die Wiederentdeckung und intensive Feier des Bußsakramentes in seiner tiefsten Bedeutung“ {Tertio millennio adveniente, Nr. 50). „Die Sünde ist ein Mißbrauch der Freiheit, die Gott seinen vernunftbegabten Geschöpfen gibt, damit sie ihn und einander lieben können“ (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 387); sie ist die Weigerung, das Leben Gottes zu teilen, das uns in der Taufe geschenkt worden ist, sich von der wahren Liebe lieben zu lassen; der Mensch hat in der Tat die fürchtbare Kraft, sich Gott in seinem Willen, alles Gute zu schenken, zu widersetzen. Die Sünde, die ihren Ursprung im freien Willen des Menschen hat (vgl. MS: 7,20), ist eine Verfehlung der wahren Liebe; sie verletzt die Natur des Menschen und die menschliche Solidarität und zeigt sich in von Selbstliebe geprägten Haltungen, Worten und Taten (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 1849-1850). Die Freiheit öffnet und verschließt sich der Liebe tief im Inneren des menschlichen Herzens. Das ist das ständige Drama des Menschen, der sich oft zum Sklaven macht, sich Ängsten, Launen und falschen Gewohnheiten unterwirft und sich Idole schafft, die ihn beherrschen, und sich Ideologien verschreibt, die seine Menschlichkeit erniedrigen. Im Johannesevangelium heißt es: „Wer die Sünde tut, ist Sklave der Sünde“ (8,34). Jesus sagt zu allen: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ {Mk 1,15). Es ist der auf den Sünder gerichtete Blick Gottes, von dem jede wahre Umkehr ausgeht. Ein Blick, der in der intensiven Suche nach Liebe, in leidenschaftlicher Hingabe bis zum Kreuz, in der Bereitschaft nach Vergebung zum Ausdruck kommt; er macht dem sündigen Menschen die ihm stets entgegengebrachte Achtung und Liebe bewusst, offenbart ihm als Kontrast das Chaos, in das er versunken ist, und bestärkt ihn darin, sein Leben zu ändern. Das gilt für Levi (vgl. Mk 2,13-17), für Zachäus (vgl. Lk 19,1-10), für die Ehebrecherin (vgl. Joh 8,1-11), für den Verbrecher (vgl. Lk 23,39-43), für die Samariterin (vgl. Joh 4,1-30): „Der Mensch kann 468 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht ohne Liebe leben. Er bleibt für sich selbst ein unbegreifliches Wesen; sein Leben ist ohne Sinn, wenn ihm nicht die Liebe offenbart wird, wenn er nicht der Liebe begegnet, wenn er sie nicht erfährt und sich 2x1 eigen macht, wenn er nicht lebendigen Anteil an ihr erhält“ (Redemptor hominis, Nr. 10). Wenn der Mensch den Gott des Erbarmens und der Vergebung entdeckt und erlebt, kann er nicht anders, als in fortwährender Bekehrung zu ihm zu leben (vgl. Dives in misericordia, Nr. 13). „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr“ (Joh 8,11): Vergebung wird ohne eigenes Verdienst geschenkt, aber der Mensch ist gehalten, ihr mit dem ernsthaften Bemühen um ein erneuertes Leben zu entsprechen. Gott kennt seine Geschöpfe nur zu gut! Er weiß, dass die stets intensivere Offenbarung seiner Liebe in ihnen schließlich Abscheu gegen die Sünde hervorrufen wird. Deshalb entfaltet sich die Liebe Gottes in der unablässigen Bereitschaft der Vergebung. Wie ausdrucksvoll ist doch das Gleichnis vom verlorenen Sohn! Von dem Augenblick an, in dem er das Haus verlässt, sorgt sich der Vater um ihn: er wartet, hofft, schaut nach ihm aus. Er achtet die Freiheit des Sohnes, aber er leidet. Als dieser schließlich zurückkehrt, geht der Vater ihm entgegen, umarmt ihn und befiehlt voll Freude: „Steckt ihm einen Ring an die Hand“ - Zeichen des Bündnisses -, „holt schnell das beste Gewand, und zieht es ihm an“ - Zeichen des neuen Lebens „zieht ihm Schuhe an“ - Zeichen wiedergewonnener Würde „wir wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden“ (vgl. Lk 15,11-32). Persönliches Versagen strebt nach Versöhnung 5. Bevor Jesus zum Vater zurückkehrte, vertraute er seiner Kirche den Dienst der Versöhnung an (vgl. Joh 20,23). Die innere Reue allein reicht demnach nicht aus, um die Vergebung Gottes zu erlangen. Die Versöhnung mit ihm ist nur durch die Versöhnung mit der kirchlichen Gemeinschaft möglich. Daher erfolgt das Bekenntnis der Schuld durch ein konkretes sakramentales Zeichen: Reue und Sündenbekenntnis mit dem Vorsatz für ein neues Leben vor dem Diener der Kirche. Je mehr der heutige Mensch das Sündenbewusstsein verliert, um so weniger sucht er leider die Versöhnung mit Gott: darauf sind viele Probleme und Schwierigkeiten unserer Zeit zurückzuführen, ln diesem Jahr möchte ich euch einladen, die Schönheit und den Gnadenreichtum des Bußsakramentes neu zu entdecken, und euch dazu das aufmerksame Studium des Gleichnisses vom verlorenen Sohn empfehlen, in dem nicht in erster Linie die Sünde hervorgehoben wird, sondern vielmehr die Liebe und das Erbarmen Gottes. Wenn ihr das Wort Gottes in einer von Gebet Betrachtung, Staunen und Gewissheit geprägten Haltung aufnehmt, dann sagt ihr zu Gott: „Ich brauche dich, ich zähle auf dich, damit ich existieren und leben kann. Du bist stärker als meine Sünden. Ich glaube an deine Macht über mein Leben, ich glaube an dein Vermögen, mich zu erlösen, so wie ich jetzt bin. Denk an mich. Vergib mir!“ 469 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Treue zu Gott - zum Nächsten - zu sich selbst Schaut „tief hinein“ in eure Herzen. Die Sünde verstößt gegen Gesetze oder sittliche Nonnen, vor allem verstößt sie gegen Gott (vgl. Ps 50[51],6), die Brüder und euch selbst. Stellt euch vor Christus, den eingeborenen Sohn des Vaters und Vorbild aller Brüder. Er allein zeigt uns das, was wir dem Vater, dem Nächsten, der Gesellschaft gegenüber sein müssen, damit wir mit uns selbst in Frieden leben können. Er offenbart es uns durch das Evangelium, das mit Jesus Christus eine Einheit bildet. Die Treue gegenüber dem einen entspricht der Treue gegenüber dem anderen. Vertraut auf das Sakrament der Beichte: durch das Bekenntnis der Schuld zeigt ihr die Bereitschaft, eure Untreue zuzugeben und von ihr abzulassen; ihr beweist euer Verlangen nach Umkehr und Versöhnung, um den ffiedenbrin-genden und schöpferischen Stand als Kinder Gottes in Christus Jesus wiederzufinden; ihr zeigt Solidarität gegenüber den Brüdern, die ihrerseits von der Sünde gezeichnet sind (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1445). Empfangt schließlich mit dankbarem Herzen die Lossprechung durch den Priester: das ist der Augenblick, in dem der Vater das Leben spendende Wort über den Sünder spricht: „Mein Sohn war tot und lebt wieder!“ Die Quelle der Liebe bricht erneut auf und befähigt uns, Selbstsucht zu überwinden und mit stets größerer Kraft zu lieben. Vergebung von Schuld und Sünde 6. „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten“ {Mt 22,37-40). Jesus sagt nicht, dass das zweite Gebot mit dem ersten identisch ist, sondern dass es „ebenso wichtig“ ist. Die beiden Gebote sind demnach nicht austauschbar, so als ob mit dem Gebot der Gottesliebe gleichzeitig auch das der Nächstenliebe erfüllt würde oder umgekehrt. Jedes hat seinen eigenen Gehalt, und beide müssen befolgt werden. Jesus stellt sie aber nebeneinander, um allen ihre enge Verbindung verständlich zu machen: es ist unmöglich, das eine zu befolgen, ohne das andere in die Tat umzusetzen. „Ihre unauflösliche Einheit wird von Christus mit den Worten und mit dem Leben bezeugt: Seine Sendung erreicht ihren Höhepunkt in dem Kreuz, das die Erlösung bringt, Zeichen seiner unteilbaren Liebe zum Vater und zur Menschheit“ {Veritatis splendor, Nr. 14). Um zu wissen, ob man Gott wirklich liebt, muss man prüfen, ob wir zu wahrer Liebe dem Nächsten gegenüber fähig sind. Und wenn wir wissen wollen, wie groß diese Nächstenliebe ist, müssen wir uns fragen, wie sehr wir Gott wirklich lieben. Denn „wer seinen Bmder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht“ (1 Joh 4,20), und „wir erkennen, daß wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote erfüllen“ (ebd5,2). 470 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich die Christen aufgefordert, „die Vorzugsoption der Kirche für die Armen und die Randgruppen entscheidender zu betonen“ (vgl. Nr. 51). Es handelt sich um eine „Vorzugs-“ nicht um eine Exklusivoption. Jesus fordert uns auf, die Armen zu lieben, denn gerade aufgrund ihrer Verwundbarkeit sind wir ihnen gegenüber zu besonderer Aufmerksamkeit verpflichtet. Auch in den sogenannten reichen Ländern nimmt ihre Zahl, wie wir wissen, ständig zu, obwohl die Güter dieser Welt für alle bestimmt sind! Alle Armutssituationen sind ein Aufruf an die christliche Nächstenliebe jedes einzelnen. Sie muss jedoch zur sozialen und politischen Verpflichtung werden, denn das Problem der Armut wird von konkreten Bedingungen verursacht, die von Männern und Frauen guten Willens, den Erbauern der Zivilisation der Liebe, verändert werden müssen. „Strukturen der Sünde“ können nur mit der Unterstützung aller überwunden werden, mit der Bereitschaft, sich für den anderen zu „verlieren“, anstatt ihn auszunutzen, ihm zu dienen, anstatt ihn zu unterdrücken (vgl. Sollici-tudo rei socialis, Nr. 38). Liebe Jugendliche, ganz besonders lade ich euch ein, konkrete Initiativen der Solidarität und der Teilhabe an der Seite der Armen und mit ihnen zu ergreifen. Nehmt mit großzügiger Bereitschaft Anteil an einigen jener Projekte der Brüderlichkeit und Solidarität, für die sich eure Altersgenossen in den verschiedenen Ländern ein-setzen: auf diese Art und Weise könnt ihr dem Herrn in der Person der Armen wenigstens etwas von all dem „zurückgeben“, was er euch, die ihr mehr Glück habt, gegeben hat. Auch kann ein solcher Einsatz der unmittelbar sichtbare Ausdruck einer gmndlegenden Entscheidung sein: nämlich das Leben ganz entschieden auf Gott und die Brüder auszurichten. Maria als Vorbild 7. Maria vereinigt in ihrer Person das ganze Mysterium der Kirche, sie ist die „erwählte Tochter des Vaters“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 54), die das Gnadengeschenk Gottes frei angenommen und ihm bereitwillig zugestimmt hat. Als „Tochter“ des Vaters war sie würdig, die Mutter seines Sohnes zu werden: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Sie ist die Mutter Gottes, weil sie ganz die Tochter des Vaters ist. Nur ein Wunsch erfüllt ihr Herz, sie möchte die Christen in ihrem Bemühen, als Kinder Gottes zu leben, unterstützen. Als liebevolle Mutter führt Maria sie unablässig zu Christus, damit sie, ihm nachfolgend, lernen, ihre Beziehung zum Vater des Himmels zu vertiefen. Wie bei der Hochzeit zu Kana fordert Maria sie auf, das zu tun, was der Sohn ihnen sagt (vgl. Joh 2,5), in der Gewissheit, dass das der Weg zum Haus des „Vaters des Erbarmens“ (vgl. 2 Kor 1,3) ist. Der XIV. Weltjugendtag, der in diesem Jahr in den Ortskirchen gefeiert wird, ist der letzte vor dem Großen Jubiläum, Er hat daher eine besondere Bedeutung in der Vorbereitung auf das Jubeljahr 2000. Ich bete dafür, dass er für jeden von euch Anlass sei für eine neue Begegnung mit dem Herrn des Lebens und seiner Kirche. 471 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maria vertraue ich Euren Weg an und bitte sie, eure Herzen für die Aufnahme der Gnade Gottes vorzubereiten, damit ihr Zeugen seiner Liebe werdet. Mit diesen Gedanken wünsche ich allen ein von tiefem Glauben und vom Eifer des Evangeliums erfülltes Jahr und segne euch von ganzem Herzen. Aus dem Vatikan, am 6. Januar 1999, dem Fest der Erscheinung des Herrn Joannes Paulus PP. II Vornehmste Aufgabe der Bischöfe - Verkündigung der Erscheinung des Herrn in aller Welt Predigt während der Eucharistiefeier und Bischofsweihe am Hochfest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 1. „Das Licht leuchtet in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht erfaßt“ (Joh 1,5). In der Liturgie spricht heute alles vom Licht Christi, von jenem Licht, das in der Heiligen Nacht entzündet wurde. Das gleiche Licht, das die Hirten zum Stall von Betlehem führte, zeigt am Tag der Epiphanie den Magiern, die aus dem Osten gekommen sind, um dem König der Juden zu huldigen, den Weg, und es leuchtet für alle Menschen und für alle Völker, die sich danach sehnen, Gott zu begegnen. Geistig auf der Suche, verfügt der Mensch schon von Natur aus über ein Licht, das ihn führt, nämlich die Vernunft. Dank ihrer vermag er sich, wenn auch nur tastend, auf seinen Schöpfer hin zu orientieren (vgl. Apg 17,27). Doch da er leicht den Weg verlieren kann, ist Gott selbst ihm zu Hilfe gekommen mit dem Licht der Offenbarung, die ihre Fülle in der Menschwerdung des Wortes, des ewigen Wortes der Wahrheit erreicht hat. Die Epiphanie feiert die Erscheinung dieses göttlichen Lichtes in der Welt. Sie feiert das Erscheinen des Lichtes, mit dem Gott der schwachen Lampe der menschlichen Vernunft entgegengekommen ist. So weist das heutige Hochfest auf die innere Beziehung zwischen Vernunft und Glauben hin, die beiden Flügel, über die der menschliche Geist verfügt, um sich zur Betrachtung der Wahrheit zu erheben, wie ich in der kürzlich veröffentlichten Enzyklika Fides et ratio gesagt habe. 2. Christus ist nicht nur Licht, das den Weg des Menschen erhellt. Er hat sich für die unsicheren Schritte des Menschen zu Gott, der Quelle des Lebens, auch zum Weg selbst gemacht. Eines Tages wird er zu den Aposteln sagen: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, außer durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen“ {Joh 14,6-7). Und nach dem Einwand des Philippus wird er hinzufügen: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen ... ich 472 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bin im Vater und der Vater ist in mir“ (vgl. Joh 14,9.11). Die Epiphanie des Sohnes ist die Epiphanie des Vaters. Ist nicht dies letzten Endes das Ziel des Kommens Christi in die Welt? Er selbst hat erklärt, dass er gekommen ist, um „den Vater bekannt zu machen“, um den Menschen zu „erklären“, wer Gott ist, um sein Antlitz zu enthüllen, seinen „Namen“ {Joh 17,6). In der Begegnung mit dem Vater besteht das ewige Leben (vgl. Joh 17,3). Wie passend ist daher diese Erwägung gerade in dem Jahr, das Gott dem Vater geweiht ist! Die Kirche setzt durch alle Zeiten hindurch die Sendung ihres Herrn fort; ihre Hauptaufgabe besteht darin, allen Menschen das Antlitz des Vaters bekannt zu machen, indem sie das Licht Christi, „lumen gentium“, das Licht der Liebe, der Wahrheit und des Friedens, widerspiegelt. Dazu hat der göttliche Meister die Apostel in die Welt gesandt, und in dem gleichen Geist sendet er beständig die Bischöfe, ihre Nachfolger. 3. Einem bedeutungsvollen Brauch folgend, erteilt der Bischof von Rom am Hochfest Epiphanie einigen ernannten Bischöfen die Bischofsweihe. So habe ich heute die Freude, euch, liebe Brüder, zu weihen, damit ihr in der Fülle des Priestertums Diener der Epiphanie Gottes unter den Menschen werdet. Jedem von euch sind bestimmte Aufgaben anvertraut; untereinander verschieden, aber alle darauf ausgerichtet, das eine Evangelium des Heiles unter den Menschen zu verbreiten. Du, Msgr. Alessandro D’Errico, als Apostolischer Nuntius in Pakistan; du, Msgr. Salvatore Pennacchio, als mein Stellvertreter in Ruanda, und du, Msgr. Alain Lebeaupin, als Apostolischer Nuntius in Ecuador, ihr werdet Zeugen der Einheit und der Gemeinschaft zwischen den Ortskirchen und dem Apostolischen Stuhl sein. Dir, Msgr. Cesare Mazzolari, ist die Diözese Rumbek im Sudan anvertraut, einem Land, dessen Bevölkerung, seit Jahren zermürbenden Leiden unterworfen, einen gerechten Frieden, in Achtung der Menschenrechte aller, angefangen bei den Schwächsten, erwartet. Und du, Msgr. Tran Dinh Tu, bist bemfen, in der Diözese Phil Cuong in Vietnam unter Brüdern und Schwestern im Glauben, die von nicht wenigen Schwierigkeiten heimgesucht sind, zum Boten der Hoffnung zu werden. Du, Msgr. Diarmuid Martin, Sekretär des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, und du, Msgr. Lose Luis Redrado Marchite, Sekretär des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, ihr werdet euren geschätzten Dienst in der Römischen Kurie fortsetzen und den weiten Horizont der ganzen Kirche vor Augen haben. Eine erwartungsreiche Sendung habt ihr, Msgr. Rafael Cob Garcia, Apostolischer Vikar von Puyo in Ecuador, und Msgr. Mattew Mooiakkattu, Weihbischof des Bischofs von Kottayam der Syro-Malabaren in Indien: Ihr ruft mir Asien und Amerika in Erinnerung, Kontinente, denen die beiden kürzlich stattgefimdenen Bischofssynoden gegolten haben. 473 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN Der Herr gebe, dass jeder von euch, ihr neuen Bischöfe, denen ich heute die Hände auflegen werde, in Worten und Werken die freudevolle Verkündigung der Epiphanie, in der der Sohn Gottes der Welt das Antlitz des erbarmungsreichen Vaters sichtbar gemacht habt, überallhin bringt. 4. Die Welt hat es an der Schwelle des dritten Jahrtausends mehr denn je nötig, die göttliche Güte zu erfahren, die Liebe Gottes zu jedem Menschen zu spüren. Das Wort des Propheten Jesaja, das wir heute gehört haben, gilt auch in unserer Zeit: „Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir“ (./es 60,2-3). Auf dem Grat - sozusagen - zwischen dem zweiten und dem dritten Jahrtausend ist die Kirche aufgerufen, sich in Licht zu kleiden (vgl. Jes 60,1), um als Stadt auf dem Berge zu leuchten: Die Kirche darf nicht verborgen bleiben (vgl. Mt 5,14), denn die Menschen haben es nötig, ihre Botschaft von Licht und Hoffnung aufzunehmen und dem Vater im Himmel die Ehre zu geben (vgl. Mt 5,16). Dieser apostolischen und missionarischen Aufgabe bewusst, die dem ganzen christlichen Volk, besonders aber all denen gilt, die der Heilige Geist für die Leitung der Kirche Gottes zu Bischöfen bestellt hat (vgl. Apg 20,28), begeben wir uns als Pilger nach Betlehem, um uns mit den Magiern aus dem Osten zu vereinen, wenn sie dem neugeborenen König Gaben darbieten. Die eigentliche Gabe aber ist Er: Jesus, die Gabe Gottes an die Welt. Ihn müssen wir aufhehmen, um ihn unsererseits denen zu bringen, die wir auf unserem Weg treffen. Für alle ist er die Epiphanie, die Offenbarung Gottes, der die Hoffnung des Menschen ist; Gottes, der die Befreiung des Menschen ist; Gottes, der das Heil des Menschen ist. Christus ist in Betlehem für uns geboren. Kommt, lasst uns anbeten! Amen. Taufe ist Gabe und Aufgabe Predigt anlässlich der Tauffeier in der Sixtinischen Kapelle am Fest der Taufe des Herrn, 10. Januar 1. „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“ {Mt 3,17). Diese feierlichen Worte erklingen heute, am Fest der Taufe Jesu. Sie laden uns dazu ein, den Augenblick mitzuerleben, in welchem Jesus, von Johannes getauft, aus dem Wasser des Jordanflusses steigt, und Gott Vater ihn als seinen eingeborenen Sohn vorstellt, als das Lamm, das die Sünde der Welt auf sich nimmt. Eine Stimme aus dem Himmel wird vernehmbar, während der Heilige Geist in Gestalt einer Taube sich auf Jesus niederlässt, der öffentlich seine Heilssendung beginnt. Diese Sendung ist vom Stil des demütigen und sanftmütigen Knechtes gekennzeichnet, der bereit ist zum Teilen und zur vollständigen Hingabe seiner selbst: „Er schreit nicht und lärmt nicht ... Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den 474 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN glimmenden Docht löscht er nicht aus; ja, er bringt wirklich das Recht“ (.Jes 42,2-3). Die Liturgie lässt uns die eindrucksvolle Szene im Evangelium miterleben: Unter der Menge, die büßend zu Johannes dem Täufer kommt, um die Taufe zu empfangen, ist auch Jesus. Und nun soll die Verheißung in Erfüllung gehen, und für die ganze Menschheit tut sich ein neues Zeitalter auf. Dieser Mann, der sich seinem Aussehen nach nicht von allen anderen unterscheidet, ist in Wahrheit Gott, zu uns gekommen, um denen, die ihn aufnehmen, die Macht zu geben, „Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ (Joh 1,12-13). 2. „Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören“ (Ruf vor dem Evangelium). Heute ergehen diese Verkündigung und diese Einladung, für die Menschheit reich an Hoffnung, besonders an die Kinder, die nun bald durch das Sakrament der Taufe zu neuen Geschöpfen werden. Des Geheimnisses von Tod und Auferstehung Jesu teilhaft geworden, werden sie mit dem Geschenk des Glaubens ausgestattet und in das Volk des Neuen und endgültigen Bundes, die Kirche, eingegliedert werden. Gott Vater wird sie in Christus zu seinen Adoptivkindern machen und einen einzigartigen Lebensplan für sie enthüllen: als Jünger auf seinen Sohn zu hören, um berufen zu sein und wirklich seine Kinder zu sein. Auf jedes von ihnen wird der Heilige Geist herabkommen, und, ebenso wie es uns am Tag unserer Taufe geschah, werden auch sie in den Genuss jenes Lebens kommen, das der Vater durch Jesus, den Erlöser des Menschen, den Glaubenden schenkt. Aus einem so unermesslichen Reichtum an Gaben ergibt sich für sie, wie für jeden Getauften, eine einzige Aufgabe. Der Apostel Paulus wird nicht müde, die ersten Christen daraufhinzuweisen mit den Worten: „Laßt euch vom Geist leiten“ (Gal 5,16), das heißt, lebt und handelt beständig in der Liebe Gottes. Ich bringe meinen Wunsch zum Ausdruck, dass die Taufe, die diese Kleinen heute empfangen, sie im Lauf ihres ganzen Lebens zu mutigen Zeugen des Evangeliums mache. Das wird durch ihr ständiges Bemühen möglich sein. Aber auch euer erzieherisches Wirken wird notwendig sein, liebe Eltern, die ihr heute Gott dankt für die außerordentlichen Gaben, die er diesen euren Kindern gewährt. Und notwendig ist auch die Unterstützung der Paten und Patinnen. 3. Nehmt, liebe Brüder und Schwestern, die Aufforderung an, die die Kirche an euch richtet: Seid für die Kinder „Erzieher im Glauben“, damit in ihnen der Keim des neuen Lebens sich entfalte und zu voller Reife komme. Helft ihnen mit euren Worten und vor allem mit eurem Beispiel. Von euch mögen sie recht bald lernen, Christus zu lieben, ohne Unterlass zu ihm zu beten, ihn nachzuahmen in beständiger Treue zu seinem Ruf. Ihr habt in ihrem Namen im Symbol der Kerze die Flamme des Glaubens empfangen: Habt acht, dass sie beständig genährt werde, damit jedes dieser neu getauften Kinder in der Kenntnis und Liebe Jesu stets der Weisheit des Evangeliums entsprechend handle. 475 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf diese Weise werden sie wahre Jünger des Herrn und frohe Apostel seines Evangeliums. Jedes dieser Kinder und ihre Familien vertraue ich der Jungfrau Maria an. Die Muttergottes helfe allen, in Treue den Weg zu gehen, der mit dem Sakrament der Taufe begonnen hat. Förderung des Friedens muss oberstes Ziel bleiben Ansprache beim Neujahrsempfang für das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 11. Januar Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Von ganzem Herzen danke ich Ihnen für die Wünsche, die Sie mir durch Ihren Doyen, den Botschafter der Republik San Marino, Herrn Gioanni Galassi, zu Beginn dieses letzten Jahres vor dem Jahr 2000 übermittelt haben. Sie schließen sich den zahlreichen Zeichen herzlicher Verbundenheit an, die mir anlässlich meines 20. Pontifikatsjubiläums und zum neuen Jahr von den Verantwortlichen Ihrer jeweiligen Länder und von Ihren Landsleuten zugesandt worden sind. Allen möchte ich erneut meinen herzlichsten Dank aussprechen. Diese alljährliche Feier nimmt den Charakter eines Familientreffens an, und sie ist mir deshalb besonders lieb. In erster Linie weil - durch Ihre Personen - fast alle Nationen der Erde vertreten sind mit ihren Leistungen, ihren Hoffnungen, aber auch ihren Fragestellungen. Außerdem weil mir eine solche Begegnung die willkommene Gelegenheit bietet, Ihnen gegenüber die tief empfundenen Wünsche in Worte zu fassen, die ich für Sie selbst, Ihre Familien und Ihre Mitbürger im Gebet zum Ausdruck bringe. Ich bitte Gott, jedem Gesundheit, Wohlergehen und Frieden zu gewähren. Sie wissen, dass Sie auf den Papst und seine Mitarbeiter zählen können, wenn es darum geht, die Anstrengungen eines jeden Landes für den geistigen, sittlichen und kulturellen Fortschritt oder auch für die Entfaltung von allem, was zum gutem Einvernehmen zwischen den Völkern in Gerechtigkeit und Frieden beitragen kann, zu unterstützen. 2. Die Familie der Nationen, die vor kurzem die weihnachtliche Freude geteilt und einmütig das neue Jahr willkommen hieß, hat zweifellos manchen Grund zur Freude. In Europa denke ich dabei zunächst an Irland, wo die am ergangenen Karfreitag Unterzeichnete Vereinbarung den Grundstein zum lang erwarteten Frieden gelegt hat; dieser Frieden sollte auf einem stabilen Sozialleben beruhen, das auf gegenseitigem Vertrauen und auf dem Prinzip der Rechtlichkeit für alle gründet. Ein weiterer Grund zur Genugtuung für uns alle ist der Friedensprozess in Spanien, der es der Bevölkerung der Baskenregion zum ersten Mal ermöglicht, das Gespenst 476 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der blinden Gewalt in weiterer Entfernung zu sehen und ernstlich an einen Normalisierungsprozess zu denken. Der Übergang zur einheitlichen Währung und die Erweiterung nach Osten werden Europa zweifellos die Chance bieten, immer mehr zu einer Schicksalsgemeinschaft zu werden, zu einer wahren „europäischen Gemeinschaft“ - dies jedenfalls ist unser innigster Wunsch. Natürlich setzt dies voraus, dass die Nationen, die Europa bilden, ihre Geschichte mit einem gemeinsamen Projekt zu versöhnen wissen, damit alle sich als gleichberechtigte Partner betrachten können, denen es nur um das gemeinsame Wohl geht. Die geistlichen Familien, die so viel zu der Zivilisation dieses Kontinents beigetragen haben - ich denke besonders an das Christentum haben eine Aufgabe, die meiner Ansicht nach immer entscheidender wird. Angesichts der sozialen Probleme, die große Teile der Bevölkerung in Armut leben lassen, angesichts der sozialen Ungerechtigkeiten, die eine Ursache chronischer Instabilität sind, und angesichts einer jungen Generation, die Orientierung sucht in einer oft zerrissenen Welt, ist es wichtig, dass die Kirchen die zärtliche Liebe Gottes verkünden können und den Appell zur Brüderlichkeit, den das jüngste Weihnachtsfest der ganzen Menschheit erneut vor Augen gestellt hat. Ein weiterer Grund zur Freude, auf den ich Sie, meine Damen und Herren, aufmerksam machen möchte, betrifft den amerikanischen Kontinent: Es handelt sich um die Einigung zwischen Ecuador und Peru, die am ergangenen 26. Oktober in Brasilia erreicht wurde. Dank der beharrlichen Tätigkeit der internationalen Gemeinschaft - darunter vor allem der Garantenländer - haben zwei Brudervölker den Mut gehabt, auf Gewalt zu verzichten, einen Kompromiss zu akzeptieren und ihre Auseinandersetzungen friedlich beizulegen. Auf dieses Vorbild müssen viele andere Nationen verwiesen werden, die immer noch in Spaltungen und Uneinigkeit erstrickt sind. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese beiden Völker - besonders wegen des christlichen Glaubens, der sie verbindet - die große Herausforderung der Brüderlichkeit und des Friedens aufnehmen und so einen leidvollen Abschnitt ihrer Geschichte, der sich im übrigen bis in die Geburtsstunde ihres Daseins als unabhängige Staaten zurückverfolgen lässt, hinter sich lassen können. An die Katholiken Ecuadors und Perus richte ich den dringenden und väterlichen Aufruf, sie mögen durch ihr Gebet und ihre Tätigkeit überzeugte Schöpfer der Versöhnung sein und auf diese Weise dazu beitragen, dass der Frieden der Verträge in das Herz aller Menschen einzudringen vermag. Freuen sollten wir uns auch über die Bemühungen des großen chinesischen Volkes. Es führt entschlossen einen Dialog, der die Bevölkerung auf beiden Seiten der Meerenge einbezieht. Die internationale Gemeinschaft - und insbesondere der Hl. Stuhl - verfolgt diese glückliche Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit, in der Erwartung bedeutender Fortschritte, die zweifellos der gesamten Welt zugute kommen werden. 3. Aber die Kultur des Friedens ist von einer allgemeinen Verbreitung noch weit entfernt, wie verschiedene hartnäckige Spannungsherde beweisen. 477 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unweit von uns lebt die Balkanregion weiterhin in einem Zustand großer Unbeständigkeit. In Bosnien-Herzegowina, wo die Auswirkungen des Krieges in den Beziehungen zwischen den ethnischen Gruppen immer noch spürbar sind, wo die Hälfte der Bevölkerung immer noch nicht in die Heimat zurückgekehrt ist und wo die sozialen Spannungen gefährlich weiterbestehen, kann man noch nicht von Normalisierung sprechen. Der Kosovo war auch in jüngster Zeit wieder Schauplatz von mörderischen Auseinandersetzungen aus sowohl ethnischen wie politischen Gründen, die einen sachlichen Dialog zwischen den Parteien und jede Art von wirtschaftlicher Entwicklungen verhindert haben. Es muss alles getan werden, um Kosovaren und Serben dabei zu helfen, sich um einen Tisch zu versammeln, damit dem bewaffneten Misstrauen, das lähmt und tötet, so bald wie möglich Abhilfe geschaffen wird. Albanien und Mazedonien würden als erste davon profitieren, da ja auf dem Balkan alle Länder voneinander abhängen. Mehrere weitere, große und kleine Länder Mittel- und Osteuropas sind ebenfalls politischer und sozialer Unbeständigkeit ausgesetzt, sie mühen sich ab auf dem Weg der Demokratisierung, und es gelingt ihnen nicht, in einer Marktwirtschaft zu leben, die jedem Menschen seinen rechtmäßigen Anteil an Wohlergehen und Wachstum zu gegeben vermag. Der Friedensprozess im Nahen Osten ist weiterhin auf einem unebenen Weg, und er hat der Bevölkerung noch nicht jene Hoffnung und jene Stabilität gebracht, auf die sie ein Recht hat. Man kann die Menschen nicht unbegrenzt weiter in einem Zustand zwischen Krieg und Frieden festhalten, ohne dabei das Risiko einzugehen, dass Spannungen und Gewalt in bedrohlicher Weise zunehmen. Man kann vernünftiger Weise auch nicht die Frage nach dem Status der Heiligen Stadt Jerusalem, auf die die Gläubigen der drei monotheistischen Religionen ihre Blicke richten, weiter vertagen. Die betroffenen Parteien sollten diese Probleme mit einem geschärften Sinn für ihre Verantwortung angehen. Die jüngste Krise im Irak hat wieder einmal gezeigt, dass der Krieg die Probleme nicht löst. Er kompliziert sie und führt dazu, dass die Zivilbevölkerung die dramatischen Konsequenzen tragen muss. Nur aufrichtiger Dialog, echte Sorgen um das Wohl der Menschen und Achtung der internationalen Ordnung können zu Lösungen führen, die dieser Gegend, wo sich die Wurzeln unserer religiösen Traditionen befinden, würdig sind. Wenn die Gewalt oft ansteckend ist, dann kann es auch der Frieden sein, und ich bin sicher, da Stabilität im Nahen Osten wirksam dazu beitragen würde, vielen anderen Völkern wieder Hoffnung zu geben. Ich denke dabei beispielsweise an die gemarterten Völker in Algerien und auf der Insel Zypern, wo die Situation immer noch in einer Sackgasse steckt. Sri Lanka hat vor wenigen Monaten den fünfzigsten Jahrestag seiner Unabhängigkeit begangen; leider ist dieses Land aber heute noch von ethnischen Konflikten zerrissen; sie haben die Aufnahme sachlicher Verhandlungen gehemmt, die der einzige Weg zum Frieden sind. 478 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Afrika ist und bleibt ein gefährdeter Kontinent. Siebzehn der dreiundfünfzig Staaten, aus denen dieser Erdteil besteht, erleben inner- und zwischenstaatliche militärische Konflikte. Ich denke besonders an den Sudan, wo grausame Kämpfe von einem schrecklichen humanitären Drama begleitet sind, an Eritrea und Äthiopien, zwischen denen erneut Feindschaft ausgebrochen ist, und an Sierra Leone, dessen Bevölkerung noch einmal zum Opfer gnadenloser Auseinandersetzungen geworden ist. Auf diesem großen Erdteil zählt man bis zu acht Millionen Flüchtlinge und Ausgewiesene, die praktisch ihrem Schicksal überlassen sind. Die Länder der Region der Großen Seen haben die Wunden des ausschweifenden Ethnozentrismus immer noch nicht geheilt und sind zwischen Armut und Unsicherheit hin- und hergerissen; dies ist die Lage in Ruanda und Burundi, wo die Situation von einem Embargo noch weiter erschwert wird. Die Demokratische Republik Kongo ist noch weit davon entfernt, die Übergangsphase abzuschließen und sich jener Stabilität zu erfreuen, nach der sich die Bevölkerung zu Recht sehnt; das bezeugen die Massaker, die sich neulich in den allerersten Tagen des Jahres bei der Stadt Uvira ereignet haben. Angola ist noch immer auf der Suche nach einem Frieden, der unauffindbar scheint, und erlebt in diesen Tagen eine besorgniserregende Entwicklung, die auch die katholische Kirche nicht verschont hat. Die Nachrichten, die mich regelmäßig aus diesen leidgeprüften Gegenden erreichen, bestätigen meine Überzeugung, dass der Krieg immer Unmenschlichkeit nach sich zieht und dass der Frieden ohne jeden Zweifel die erste Bedingung der Menschenrechte ist. Allen diesen Völkern, die oft Hilferufe an mich richten, möchte ich sagen, dass ich an ihrer Seite stehe. Sie sollen auch wissen, dass der Hl. Stuhl keine Mühe scheut, damit ihre Leiden gemindert werden und damit - sowohl auf politischer als auch auf humanitärer Ebene - gerechte Lösungen auf die gegenwärtigen, ernsten Probleme gefunden werden. Der Kultur des Friedens wirkt die Legitimierung und Verwendung von Waffen für politische Ziele entgegen. Die Atomversuche, die in letzter Zeit in Asien unternommen wurden, und die Vorstöße anderer Länder, die versteckt am Aufbau ihres Atomarsenals arbeiten, könnten im Laufe der Zeit zu einer Banalisierung der Nuklearwaffen und, demzufolge, zu einer Überbewaffhung führen, die die löblichen Bemühungen zugunsten des Friedens in wesentlichem Maße beeinträchtigen und so jede Politik der Konfliktvorbeugung vergeblich machen würde. Dazu kommt die Produktion von Waffen, die in ihrer Herstellung weniger kostenintensiv sind, wie z. B. Anti-Personen-Minen, die glücklicherweise durch das Abkommen von Ottawa im Dezember 1997 (das der Hl. Stuhl im vergangenen Jahr sofort ratifiziert hat) verboten worden sind, oder Kleinkaliberwaffen, die meiner Meinung nach eine verstärkte Aufmerksamkeit von Seiten der politischen Verantwortungsträger erfordern, um ihre perverse Wirkung unter Kontrolle zu halten. Die regionalen Konflikte, bei denen oft Kinder als bewaffnete Kämpfer angeworben, indoktriniert und zum Töten angestachelt werden, rufen zu einer ernsthaften Gewissenserforschung und zu einer wirklichen Absprache auf. 479 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schließlich darf man die Gefahren, denen der Frieden aufgrund von sozialer Ungleichheit und künstlichem Wirtschaftswachstum ausgesetzt ist, nicht unterschätzen. Die Finanzkrise, die Asien erschüttert hat, ist ein Zeichen dafür, wie sehr die wirtschaftliche Sicherheit der politischen und militärischen Sicherheit ähnelt, denn auch sie erfordert Transparenz, Absprache und Achtung gewisser ethischer Bezugspunkte. 4. Angesichts dieser Probleme, die Ihnen, meine Damen und Herren, geläufig sind, möchte ich Ihnen eine meiner innersten Überzeugungen mitteilen: In diesem letzten Jahr vor dem Jahr 2000 drängt sich ein Aufrütteln des Gewissens. Noch nie hatten die Akteure der internationalen Gemeinschaft ein Gesamtwerk von solch präzisen und vollständigen Normen und Konventionen zur Verfügung wie heute. Was fehlt, ist der Wille, sie zu respektieren und sie anzuwenden. Ich sagte dies schon in meiner Ansprache zum 1. Januar, als ich von den Menschenrechten sprach: „Wenn man tatenlos der Verletzung eines der menschlichen Grundrechte zusieht, geraten alle anderen in Gefahr“ (Nr. 12). Dieser Gmndsatz sollte meiner Ansicht nach auf alle Rechtsnormen angewandt werden. Das internationale Recht kann nicht das Recht des Stärkeren und auch nicht lediglich das Recht einer Mehrheit von Staaten sein noch das Recht einer internationalen Organisation. Vielmehr muss es das sein, was den Prinzipien des Naturrechts und des Moralgesetzes entspricht, die stets für alle betroffenen Parteien und in den unterschiedlichen Streitfragen bindend sind. Die katholische Kirche, wie auch die Gemeinschaft der Gläubigen im allgemeinen, wird immer an der Seite derer stehen, die sich bemühen, das Recht als höchstes Gut gegenüber jeder anderen Überlegung durchzusetzen. Es ist außerdem nötig, dass die Gläubigen gehört werden und am öffentlichen Dialog in den Gesellschaften, deren vollberechtigte Mitglieder sie sind, teilhaben. Das bringt mich dazu, meine schmerzliche Sorge angesichts der allzu zahlreichen Verletzungen der Religionsfreiheit in der heutigen Welt mit Ihnen, den qualifizierten Vertretern Ihrer jeweiligen Staaten, zu teilen. So haben beispielsweise in jüngster Zeit diverse dramatische Gewalthandlungen in Asien die katholische Gemeinschaft auf eine harte Probe gestellt: Kirchen wurden zerstört, kirchliches Personal zusammengeschlagen, manchmal sogar umgebracht. Weitere bedauerliche Tatsachen wären auch aus mehreren Ländern Afrikas zu berichten. In anderen Gegenden, wo der Islam mehrheitlich ist, sind immer noch schwerwiegende Diskriminierungen gegenüber den Gläubigen anderer Religionsgemeinschaften zu beklagen. Es gibt sogar ein Land, wo die christliche Religion vollkommen verboten und der Besitz einer Bibel ein Vergehen ist, das vom Gesetz geahndet wird. Diese Sachlage ist deshalb umso schmerzlicher, weil in vielen Fällen die Christen in bedeutendem Maße zur Entfaltung dieser Länder beigetragen haben, vor allem in den Bereichen der Erziehung und des Gesundheitswesens. In manchen Ländern Westeuropas ist eine ebenso beunruhigende Entwicklung festzustellen, wenn nämlich - bedingt von einer verkehrten Auffassung des Prinzips der Trennung zwischen Staat und Kirchen oder von einem hartnäckigen Agnostizismus 480 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - die Kirchen auf das Gebiet der Religionsausübung beschränkt sein sollen und ein öffentliches Wort ihrerseits nur widerwillig akzeptiert wird. Schließlich tun sich manche Länder Mittel- und Osteuropas sehr schwer damit, den religiösen Pluralismus anzuerkennen, der demokratischen Gesellschaftssystemen eigen ist, und sie bemühen sich eher darum, die Gewissens- und Religionsfreiheit, die in ihren Verfassungen feierlich verkündet wird, durch eine limitative und kleinliche Verwaltungspraxis einzuschränken. Wenn ich an die Religionsverfolgungen in der nahen und fernen Vergangenheit zurückdenke, meine ich, dass zum Ende dieses Jahrhunderts der Zeitpunkt gekommen ist, dafür zu sorgen, dass überall auf der Welt die nötigen Bedingungen für eine tatsächliche Religionsfreiheit gesichert werden. Das erfordert einerseits, dass jeder Gläubige im anderen ein wenig von der universalen Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen zu erkennen vermag, und andererseits, dass auch die öffentlichen Behörden, die kraft ihres Amtes in einem allgemeinen Rahmen denken, die religiöse Dimension ihrer Mitbürger mit ihrem unumgänglichen gemeinschaftlichen Ausdruck aufzunehmen wissen. Um das zu bewerkstelligen, haben wir nicht nur die Lehren der Geschichte, sondern auch wertvolle rechtliche Instrumente zur Hand, die nur auf ihre Umsetzung warten. In einem gewissen Sinne hängt die Zukunft der Gesellschaften von dieser unausweichlichen Beziehung zwischen Gott und Staat ab, denn, wie ich schon bei meinem Besuch im Sitz des Europaparlaments am 11. Oktober 1988 sagte: „Dort, wo der Mensch sich nicht mehr auf eine Größe stützt, die ihn transzendiert, läuft er Gefahr, sich der hemmungslosen Macht von Willkür und Pseudo-Absolutem aus-zuliefem, die ihn zerstören“ (Nr. 10). 5. Dies sind einige der Gedanken, die nur in das Herz und in den Sinn kommen, wenn ich die Welt dieses ausgehenden Jahrhunderts betrachte. Wenn Gott seinen Sohn zu uns gesandt und dadurch ein so großes Interesse an den Menschen bekundet hat, dann müssen wir alles tun, um einer solch großen Liebe zu entsprechen! Er, der universale Vater, hat mit jedem von uns einen Bund geschlossen, den nichts zerstören kann. Indem er uns sagt und uns beweist, dass er uns liebt, schenkt er uns gleichzeitig die Hoffnung auf ein Leben in Frieden; und es trifft ja zu, dass nur ein Mensch, der geliebt wird, auch seinerseits lieben kann. Es ist gut, dass alle Menschen diese Liebe entdecken, die ihnen vorausgeht und die auf sie wartet. Das ist mein innigster Wunsch für jeden von Ihnen und für alle Völker der Welt! 481 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus, Quelle einer neuen Kultur für Europa. An der Schwelle des dritten Jahrtausends Ansprache beim vorsynodalen Symposium über Europa, veranstaltet vom Päpstlichen Rat für die Kultur am 14. Januar Herr Kardinal, liebe Freunde! 1. Mit Freude empfange ich Sie in dem Augenblick, in welchem Sie das vorsynodale Symposium beenden, das dem Thema gewidmet war: „Christus, Quelle einer neuen Kultur für Europa. An der Schwelle des dritten Jahrtausends.“ Ich danke Kardinal Paul Poupard, Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Kultur, und seinen Mitarbeitern, dass sie mit Kompetenz dieses Symposium vorbereitet und den Vertretern verschiedener Disziplinen Gelegenheit gegeben haben, die kulturellen und geistigen Schätze Europas in Erscheinung treten zu lassen. 2. Die Geschichte Europas ist seit zwei Jahrtausenden mit dem Christentum verbunden. Man kann sogar sagen, dass die kulturelle Erneuerung aus der Betrachtung des christlichen Mysteriums hervorging, das einen vertieften Blick auf die Natur und die Bestimmung des Menschen, wie auch auf die gesamte Schöpfung, gestattet. Wenn sich auch nicht alle Europäer als Christen bekennen, so sind die Völker des Kontinents doch tief gekennzeichnet von der Prägung durch das Evangelium, ohne die es sehr schwierig wäre, von Europa zu sprechen. In dieser christlichen Kultur, die unsere gemeinsame Wurzel darstellt, finden wir die Werte, die fähig sind, unser Denken, unsere Pläne und unser Handeln zu leiten. Während der Tage Ihres Treffens haben Sie wie im echten Zusammenklang einer Symphonie Ihre Stimmen hören lassen. Sie sind verschieden in der Klangfarbe, gestützt auf eine reiche und ebenso schmerzvolle Geschichte, aber alle vom gleichen Grundthema inspiriert: „Christus, Quelle einer neuen Kultur für Europa. An der Schwelle des neuen Jahrtausends.“ 3. Sie sind heute die Zeugen des kulturellen Wandels, der während des ganzen Jahrhunderts Europa bis in seine Fundamente hinein erschüttert hat, Zeugen auch des von unseren Zeitgenossen zu Recht geäußerten Wunsches nach tieferem Durchdenken des Daseins-Sinnes. Die Begegnung zwischen den Kulturen und dem Glauben ist ein Erfordernis der Suche nach der Wahrheit. Diese Begegnung „hat tatsächlich eine neue Wirklichkeit ins Leben gerufen. Wenn die Kulturen tief im Humanen verwurzelt sind, tragen sie das Zeugnis der typischen Öffnung des Menschen für das Universale und für die Transzendenz in sich“ (Enzyklika Fides et ratio, Nr. 70). So werden die Menschen eine Hilfe und Stütze finden, um die Wahrheit zu suchen, und damit sie, mit dem Geschenk der Gnade, dem begegnen, der ihr Schöpfer und Erlöser ist. Und „tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf.... Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm 482 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seine höchste Berufung. ... Solcher Art und so groß ist das Geheimnis des Menschen, das durch die Offenbarung den Glaubenden aufleuchtet“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Christus offenbart dem Menschen dessen eigenes Selbst in seinem Vollbesitz der Gotteskindschaft, in seiner unveräußerlichen Würde als Person, im Adel seines Verstandes, der Fähig ist die Wahrheit zu erreichen, und dem Adel seines Willens, der gut zu handeln vermag. Mit Hilfe eines absolut notwendigen Dialogs mit den Menschen aller Kulturen und Rassen wünscht die Kirche das Evangelium zu verkünden (vgl. Ansprache an den Päpstlichen Rat für die Kultur, 18. Januar 1983, Nr. 6, O.R. dt., 4.3.1983, S. 4). 4. Die Grenzen zwischen den Staaten haben sich geöffnet; es wäre nicht nötig, dass sich neue Schranken zwischen den Menschen erheben und aufgrund von Ideologien neue Feindlichkeiten zwischen den Völkern aufkommen. Die Suche nach der Wahrheit muss der Motor jedes kulturellen Schrittes und der geschwisterlichen Beziehungen innerhalb des Kontinents sein. Das setzt die volle Achtung der menschlichen Person und ihrer Rechte voraus, angefangen bei der Redefreiheit und der Religionsfreiheit. Darum ist es wichtig, unseren Zeitgenossen eine echte, auf den wesentlichen geistigen, moralischen und zivilen Werten gegründete Erziehung zu vermitteln. So wird jeder Mensch sich seiner besonderen Berufung und seines einmaligen Platzes in der menschlichen Gemeinschaft zum Dienst an seinen Brüdern bewusst werden. Diese Perspektive ist angemessen, bei den Menschen Zustimmung zu finden und der Erwartung der Jugendlichen zu entsprechen, die berufen sind, den Erlöser zu erkennen und die Stadt von morgen geschwisterlich aufzubauen. 5. Wenn der Glaube das für jeden Menschen Persönlichste ist, so ist er deswegen doch nicht eine einfache Privatangelegenheit. Im Lauf der Jahrhunderte haben der Glaube an Christus und das geistliche Leben der Menschen ihre Spuren in den verschiedenen Ausdrucksweisen der Kultur hinterlassen. Die Kirche hat heute den Wunsch, diesen Weg fortzusetzen und zu fördern. Er schließt den Menschen indirekt auf für das ewige Glück, gibt ihm wieder wirkliche Hoffnung und trägt bei zur Einheit unter den Menschen und unter den Völkern. In einer Welt, in der die Schwierigkeiten zahlreich sind, öffnet die Botschaft Christi einen unendlichen Horizont. Sie ruft unvergleichliche Energie hervor, bringt Licht für den Verstand, Kraft für den Willen, Liebe für das Herz. In der Ihnen aufgegebenen Sendung sind Sie auch berufen, unserer Zeit den Geschmack an der Suche nach dem Schönen, dem Guten, dem Wohl und der Wahrheit und ebenso den Geschmack am Evangelium wiederzugeben, um eine gesunde Anthropologie und ein echtes Glaubensverständnis zu entwickeln, deren wir heute so sehr bedürfen. Auf Ihre Weise und Ihrer Berufung entsprechend, tragen Sie sowohl zu einer erneuerten Evangelisierung als auch zu einem neuen kulturellen Frühling in Europa bei. Beide werden in alle Kontinente ausstrahlen. 6. Zum Abschluss unserer Begegnung ist es mir ein Bedürfnis, Ihnen sehr herzlich dafür zu danken, dass Sie bereit waren, zur Reflexion der Kirche an der Schwelle 483 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des dritten Jahrtausends im Hinblick auf die Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa durch Ihre Mitwirkung beizutragen, um der Evangelisierung einen neuen Aufschwung zu geben. Ich vertraue Sie der Fürsprache der Heiligen an, die an der menschlichen und kulturellen Entwicklung Europas beteiligt waren, und erteile Ihnen von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Einrichtungen des Hl. Stuhls im Dienst von Kultur und Wissenschaft Ansprache bei der Sonderaudienz für die Mitarbeiter des Vatikanischen Geheimarchivs und der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek am 15. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir heute eine große Freude, euch alle hier zu empfangen, die ihr täglich im Vatikanischen Geheimarchiv und in der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek euren Dienst leistet. Euch alle und eure Lieben zu Hause grüße ich ganz herzlich. Mein besonderer Gruß gilt vor allem Msgr. Jorge Maria Mejia, dem Archivar und Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche, und ich möchte ihm auch für seine freundlichen Worte danken, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Mit ihm grüße ich auch Pater Sergio Pagano, den Präfekten des Vatikanischen Geheimarchivs, sowie Don Raffaele Farina, den Präfekten der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek. Der Titel Bibliothekar wurde schon im neunten Jahrhundert von Anastasius Bibli-othecarius verwendet (vgl. PL 127-129) und ist somit ein kraftvoller Beweis, welcher sowohl auf die altehrwürdige Tradition dieser Einrichtungen, der auch ihr angehört, als auch auf die engen Bande zwischen diesen Einrichtungen und dem Apostolischen Stuhl hindeutet. In der Tat erschöpft sich euer Wirken nicht im zwar wichtigen Einsatz für die Erhaltung der Bücher und Handschriften, der Akten der Päpste und Dikasterien der Römischen Kurie und deren Vermittlung im Laufe der Jahrhunderte, sondern es ist vor allem auch darauf ausgerichtet, diese Kultur- und Kunstschätze, deren wertvoller Aufbewahrungsort das Archiv und die Bibliothek sind, zur Benutzung und zum Studium dem Hl. Stuhl und den Wissenschaftlern aus aller Welt bereitzustellen. Aus eben diesem Grunde ist es auch eure Aufgabe, diese Schätze gewissenhaft und genau - oft mit Hilfe weiterer Fachleute - zu erforschen, damit eben diese Schätze nach strengen wissenschaftlichen Maßstäben veröffentlicht werden können. Ein Zeugnis dieses wertvollen Dienstes sind die verschiedenen Publikationsreihen, welche Bibliothek und Archiv weiterhin veröffentlichen und verbreiten, was von den Historikern, Kirchenrechtlem und Paläographen, aber auch von den Spezialisten in klassischer Literatur und antiker Musik hochgeschätzt wird. Für diesen großartigen Einsatz möchte ich euch danken, aber ich möchte euch auch 484 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von ganzem Herzen ermutigen, weiter so fortzufahren und mit stetem Eifer eure Arbeit zu vertiefen. 2. Man kann das Interesse und die Sorgfalt meiner verehrten Vorgänger, besonders was die letzten Jahrhunderte anbelangt, sehr wohl verstehen, die sie bei der Gründung und Erweiterung der Apostolischen Bibliothek und dann - als deren reifer Zweig - auch bei der Errichtung des Päpstlichen Geheimarchivs aufbrachten. Dabei denke ich besonders an Nikolaus V., Sixtus IV., Sixtus V., Paul V., aber auch an viele andere Päpste, wie zum Beispiel an Leo III., der entschied, das Archiv der wissenschaftlichen Forschung zu öffnen, und an Pius XI., der als Präfekt der Apostolischen Bibliothek persönlich entscheidenden Anteil nahm und diesem Anliegen ganz besonderes Interesse entgegenbrachte. Die Päpste haben in der Bibliothek und dem Archiv nicht nur ein wertvolles Instrument im Dienste der Kultur und der Kunst gesehen, sondern auch zwei weitere Eigenschaften waren für sie bedeutsam, die ich an dieser Stelle kurz hervorheben möchte, da sie immer noch - ja heutzutage vielleicht sogar noch mehr als in der Vergangenheit - gültig und notwendig sind. Erstens ist hier die Beziehung zwischen den erhaltenen Texten und der Ausübung der Regierung sowie des Dienstes für den Apostolischen Stuhl zu nennen, und zwar in besonderer Weise des Päpstlichen Lehramtes. Diese Achtung gebietenden Texte enthalten und überliefern in gewisser Weise die Erinnerung der Kirche und somit die Kontinuität ihres Apostolischen Dienstes im Laufe der Jahrhunderte mit all ihren Licht- und Schattenseiten, die man insgesamt kennen, aber auch bekannt machen sollte, und zwar ohne Furcht, sondern vielmehr mit aufrichtiger Dankbarkeit dem Herrn gegenüber, der nicht aufhört, seine Kirche inmitten des Getriebes der Welt zu leiten. Dieser Sachverhalt war auch Papst Leo XIII. sehr wohl bewusst, als er im Jahre 1880 verfügte, dass das Archiv für den wissenschaftlichen Publikumsverkehr geöffnet würde. Auch die wunderbare, von Sixtus V. veranlasste Ausstattung des sog. „Salone Sisddno“ wirft durch seine beiden Freskenreihen, bei denen auf der einen Seite die Geschichte der berühmtesten Bibliotheken und auf der anderen Seite die Darstellung der Ökumenischen Konzilien zu sehen ist, Licht auf das stets bestehende Verhältnis zwischen der Bibliothek und der Ausübung des kirchlichen Lehramtes. 3. Es muss nun aber auch die zweite Eigenschaft der Bibliothek und des Archivs und somit auch eures Wirkens hervorgehoben werden sowohl im einen als auch im anderen Bereich, auf welchem Niveau auch immer dieses sich bewegt. Gemeint ist hier der Dienst, den ihr für die Evangelisierung der Kultur oder, besser gesagt, für die Neuevangelisierung der Kultur leistet. Ihr wisst wohl, dass die Kirche sich darin in lebendiger Weise in der Welt von heute engagiert. Schon der Diener Gottes Paul VI. hatte durch weitsichtige Worte in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi (vgl. 19-20), auf das ich schon mehrmals Bezug genommen habe, daraufhingewiesen. 485 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Man muss den Modus finden, um den Frauen und Männern aus dem Bereich der Kultur, aber vielleicht zuerst jenen Kreisen und Zusammenschlüssen, in denen heutzutage Kultur geschaffen und weitergegeben wird, die Werte nahe zu bringen, die das Evangelium vermittelt, und zwar gemeinsam mit jenen Werten, die aus einem wirklichen Humanismus kommen, denn die einen sind mit den anderen in Wirklichkeit aufs engste verbunden. Wenn uns das Evangelium also den absoluten Primat Gottes und das einzige Heil in Christus, dem Herrn, lehrt, dann ist dies auch der einzige Weg, die menschliche Kreatur zu schätzen, zu respektieren und wahrhaft zu lieben. Sie ist nämlich nach dem Abbild Gottes geschaffen und dazu berufen, dem Mysterium des menschgewordenen Gottessohnes anzugehören. Heute stellen neben dem lebendigen Zeugnis der beständigen kirchlichen Verkündigung von Werten aus dem Geist des Evangeliums ebenso die kostbaren in Bibliothek und Archiv aufbewahrten Bestände, die dort erforscht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, Förderer von echtem Humanismus dar. 4. Liebe Brüder und Schwestern, klar und deutlich sollt ihr die Größe und Würde eures Dienstes hervorheben, auch wenn dieser Dienst sich in scheinbarer Demut einer Aufgaben bewegt, die ihr mitunter auszuführen gehalten seid. Doch seid euch dessen bewusst, dass ihr durch deren Erfüllung dem Apostolischen Stuhl und in ganz besonderer Weise dem Nachfolger Petri einen wichtigen Dienst leistet. Ihr tragt bedeutend dazu bei, die Bedingungen zu schaffen, damit jene Menschen, die im Bereich der Kultur im Einsatz sind, die Straße finden können, die sie zu ihrem Schöpfer und Heiland fährt und somit auch zur wahren und vollen Verwirklichung ihrer besonderen Berufung in der Zeit des Übergangs vom zweiten zum dritten Jahrtausend. Wir sind am Vorabend des Großen Jubiläums angelangt, und es ist daher angebracht, euer unterschiedliches Engagement zu bedenken. Dazu gehören auch die Ausstellungen, die ihr organisiert oder zu denen ihr durch eure Mitarbeit beitragt. Von diesen Ausstellungen hebt sich ganz besonders jene ab, die gerade im „Salone Sistino“ mit dem Titel „Heilig werden“ stattfindet. Diese Ausstellungen bieten die Gelegenheit der geistlichen Erneuerung, zu der alle berufen sind. Helft daher allen, die in die Bibliothek oder ins Archiv kommen, die die Ausstellungen besuchen oder das von euch aufbewahrte Dokumentenmaterial konsultieren, dass sie die Botschaft annehmen, die aus all diesen Zeugnissen hervorgeht: Es ist doch eine Botschaft, die auf die Heilsinitative eines barmherzigen Gottes verweist, eines Gottes, der höchste Wahrheit und unendliches Gut ist. 5. Es ist mir schließlich noch ein Anliegen, an euch alle eindringlich zu appellieren: Liebt, achtet und verteidigt dieses große kulturelle Erbe, welches die Päpste im Lauf der Jahrhunderte geschaffen haben. Es handelt sich um wirklich wertvolle und unveräußerliche Güter des Hl. Stuhls, die sorgfältig aufbewahrt werden müssen. Über sie kann selbstverständlich nur der Pontifex Maximus (d. h. der Heilige Vater) verfügen. Indes sollte aber ein jeder die Pflicht verspüren, jene Güter des 486 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Apostolischen Stuhles mit äußerster Sorgfalt zu verwalten in dem Bewusstsein, der Kirche und der Welt einen Dienst zu leisten. In diesem Sinne segne ich euch alle und eure tägliche Arbeit. Zum Tod von Prof. Oscar Cullmann Beileidstelegramm an den Präsidenten der Lutherischen Kirche des Elsaß, Prof. Marc Lienhard, vom 18. Januar Indem ich tief bewegt die Nachricht vom Tod des Herrn Professors Oscar Cullmann entgegennehme, vereinige ich mich mit dem Schmerz seiner Angehörigen und aller, die von seiner Lehre und seinem erleuchteten Rat zehren durften. Sein unerschütterlicher Glaube sowie sein theologischer und ökumenischer Einsatz in diesem Jahrhundert werden für alle Christen ein Weg bleiben, den es weiter zu führen gilt. In lebendiger Erinnerung bewahre ich seine aktive Teilnahme am II. Vatikanischen Konzil, das eine Erneuerung des ökumenischen Dialogs und der geschwisterlichen Beziehungen unter den christlichen Gemeinschaften gebracht hat. Ich vertraue den Verstorbenen Jesus Christus an, den kennen zu lernen er sich sein ganzes Leben gewidmet hat. Zugleich bitte ich den Herrn, ihn in sein Reich aufzunehmen und allen, die um ihn trauern, seinen Trost und Segen zu schenken. Joannes Paulus PP. II Verschlimmerung der Lage im Kosovo Telegramm an den Präsidenten der Jugoslawischen Bischofskonferenz, Erzbischof Frank Perko von Belgrad, am 21. Januar Zutiefst betrübt über die Verschlimmerung der Lage in der Region Kosovo, verspüre ich die Pflicht, allen von den jüngsten tragischen Ereignissen betroffenen Personen meine väterliche Nähe auszudrücken. Zugleich beschwöre ich noch einmal die Verantwortlichen des öffentlichen Lebens, der Spirale der Gewalt ein Ende zu setzen und den Weg konstruktiven Dialogs in Achtung vor den unveräußerlichen Rechten jedes Menschen zu suchen. 487 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN Rechtliche Form der Eheschließung ist eine zivilisatorische Errungenschaft Ansprache zur Eröffnung des Gerichtsjahres der Römischen Rota am 21. Januar 1. Die feierliche Eröffnung der gerichtlichen Tätigkeit der Römischen Rota bereitet mir die Freude, ihre Mitglieder zu empfangen, um ihnen die Anerkennung und Dankbarkeit, mit denen der Hl. Stuhl ihre Arbeit verfolgt und unterstützt, auszudrücken. Ich begrüße und danke dem Dekan, der gebührend die Empfindungen aller Anwesenden überbracht und die seelsorglichen Absichten, die eure täglichen Bemühungen inspirieren, begeistert und eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht hat. Ich begrüße das Kollegium der amtierenden and emeritierten Prälaten-Auditoren, die höheren und niederen Gerichtsbeamten, die Rota-Anwälte und die Studenten des „Studium Rotale“ mit ihren jeweiligen Familienangehörigen. An alle gehen meine herzlichen Wünsche für das vor kurzem begonnene Jahr. 2. Der Dekan hat uns den pastoralen Sinn einer Arbeit erläutert und ihre große Bedeutung im täglichen Leben der Kirche dargestellt. Ich teile diese Auffassung und ermutige euch, in allen euren Bemühungen diese Einstellung zu pflegen, die euch in volle Übereinstimmung mit der höchsten Zielsetzung der kirchlichen Tätigkeit bringt (vgl. CIC, can. 1752). Schon einmal hatte ich Gelegenheit, auf diesen Aspekt eures richterlichen Amtes hinzuweisen mit besonderer Bezugnahme auf Verfahrensfragen (vgl. Ansprache an die Römische Rota, in: O.R. dt., Nr. 7/1996, S. 7). Auch heute fordere ich euch auf, bei der Lösung der Fälle der Suche nach Wahrheit den Vorrang zu geben und die juristischen Formalitäten nur als Mittel zu diesem Zweck zu gebrauchen. Das Thema, auf das ich mich beim heutigen Treffen konzentrieren möchte, betrifft die Analyse des Wesens der Ehe und ihrer wesentlichen Bedeutungsgehalte im Lichte des Naturrechts. Der Beitrag, den die Rechtsprechung eures Gerichtshofes zur Kenntnis der Institution Ehe geleistet hat, ist allgemein bekannt: Sie gibt den anderen kirchlichen Gerichtshöfen einen äußerst wertvollen lehramtlichen Bezugspunkt vor (vgl. Ansprache an die Römische Rota, in: Wort und Weisung 1981, S. 147; Ansprache an die Römische Rota, in: DAS 1984, S. 913; Pastor Bonus, Nr. 126). Dies ermöglichte eine immer bessere Definition des wesentlichen Inhalts der Ehe auf der Grundlage einer angemesseneren Kenntnis vom Menschen. Am Horizont der heutigen Welt zeichnet sich allerdings eine verbreitete Abnahme des natürlichen und religiösen Sinns der Heirat ab mit besorgniserregenden Auswirkungen sowohl in der Privatsphäre als auch im öffentlichen Leben. Wie alle wissen, werden heute nicht nur die Eigenschaften und Zielsetzungen der Ehe in Frage gestellt, sondern sogar Wert und Nutzen dieser Institution. Auch wenn man ungebührliche Verallgemeinerungen ausschließt, so ist es doch unmöglich, in dieser Hinsicht, das wachsende Phänomen der sogenannten „freien Verbindungen“ (vgl. Familiaris consortio, Nr. 81) und die anhaltenden Kampagnen zu einer Mei- 488 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN nungsbildung mit dem Ziel, auch den Verbindungen gleichgeschlechtlicher Personen die Würde einer Ehe zuzuerkennen, nicht zu beachten. Es ist nicht meine Absicht, in diesem Rahmen - wo es vorrangig um die Milderung und Lösung von leidvollen und oft dramatischen Situationen geht - bei Klagen und Verurteilung zu verweilen. Ich möchte vielmehr die Aufmerksamkeit nicht nur derer, die der Kirche Jesu Christi angehören, sondern aller Personen, die um den wahren menschlichen Fortschritt besorgt sind, hinlenken auf die Wichtigkeit und Unersetzbarkeit gewisser Prinzipien, die für das menschliche Zusammenleben, und früher noch für den Schutz der Würde jedes Menschen, grundlegend sind. 3. Kernpunkt und tragendes Element dieser Prinzipien ist der authentische Begriff von der ehelichen Liebe zwischen zwei Personen gleicher Würde, aber in ihrer Sexualität verschieden und sich ergänzend. Diese Behauptung muss natürlich korrekt verstanden werden, ohne dem leichten Missverständnis zu verfallen, wonach manchmal ein vages Gefühl oder auch eine starke psycho-physische Anziehung verwechselt wird mit der wirklichen Liebe des anderen, geprägt vom aufrichtigen Wunsch nach dessen Wohl, der sich in eine konkrete Verpflichtung umsetzt, es zu verwirklichen. Das ist die eindeutige Lehre des II. Vatikanischen Konzils (vgl. Gaudium et spes, Nr. 49); es ist aber auch einer der Gründe, warum gerade die beiden von mir promulgierten Codices des Kanonischen Rechtes (des lateinischen und des orientalischen) auch das „Wohl der Ehegatten“ („bonum coniugum“) zur natürlichen Zielsetzung des Ehebundes erklärt und als solches festgelegt haben (vgl. CIC, can. 1055 § 1; CCEO, can. 776 §1). Das einfache Gefühl ist gebunden an die Wechselhaftigkeit des menschlichen Gemütes; die alleinige gegenseitige Anziehung, die sich im übrigen oft aus irrationalen und zuweilen anomalen Trieben ergibt, kann keinen Bestand haben und ist daher leicht - wenn nicht sogar imvermeidlich - dem Erlöschen ausgesetzt. Die eheliche Liebe („amor coniugalis“) ist nicht nur und nicht vor allem Gefühl, sie ist dagegen wesentlich eine Verpflichtung gegenüber der anderen Person; eine Verpflichtung, die man durch einen bestimmten Willensakt übernimmt. Genau dies qualifiziert eine solche „amor“, indem er sie zur „amor coniugalis“ macht. Wenn die Verpflichtung durch den Ehekonsens erst einmal gegeben und angenommen worden ist, wird die Liebe „eheliche“ Liebe und verliert diese Eigenschaft nicht mehr. Hier kommt die Treue der Liebe ins Spiel, die in der frei übernommenen Verpflichtung wurzelt. Mein Vorgänger Papst Paul VI. fasste das bei einem Treffen mit der Rota folgendermaßen zusammen: „So wird die Liebe aus einer spontanen Empfindung zur verbindlichen Pflicht“ („Ex ultroneo affectus sensu, amor fit officium devinciens“) (Wort und Weisung 1976, S. 184). Schon angesichts der Rechtskultur des antiken Rom fühlten sich die christlichen Autoren von der Weisung des Evangeliums dazu angeregt, das bekannte Prinzip zu überwinden, nach dem das Eheband nur so lange besteht, wie die „affectio marita-lis“ anhält. Dieser Auffassung, die den Keim der Scheidung schon in sich trug, stellten sie die christliche Sichtweise entgegen, welche die Ehe zu ihren Ursprüngen der Einheit und Unauflöslichkeit zurückführte. 489 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Auch hier kommt es zuweilen zu einem Missverständnis: Danach wird die Ehe mit dem förmlichen und äußerlichen Ritus, der die Heirat begleitet, identifiziert oder jedenfalls verwechselt. Sicherlich stellt die rechtliche Form der Eheschließung eine zivilisatorische Errungenschaft dar, denn sie verleiht ihr sowohl rechtliche Relevanz als auch Wirksamkeit gegenüber der Gesellschaft, die demzufolge deren Schutz übernimmt. Euch Juristen jedoch entgeht auch nicht der Grundsatz, wonach die Ehe im Wesentlichen notwendig und allein im gegenseitigen, von den Eheleuten ausgesprochenen Konsens besteht. Dieser Konsens ist nichts anderes als die bewusste und verantwortliche Übernahme einer Verpflichtung durch einen Rechtsakt, mit dem Braut und Bräutigam im gegenseitigen „Übereignen“ einander ganzheitliche und endgültige Liebe versprechen. Sie sind frei, die Ehe zu schließen, nachdem sie sich gegenseitig frei gewählt haben. In dem Augenblick aber, wo sie diesen Akt setzen, begründen sie einen neuer personalen Stand, in dem die Liebe etwas Geschuldetes wird auch mit rechtlicher Relevanz. Eure gerichtliche Erfahrung beweist euch, dass diese Grundsätze in der existentiellen Realität der menschlichen Person verwurzelt sind. Letztlich bedeutet die Simulation des Ehekonsenses - um nur ein Beispiel anzuführen - nichts anderes, als dem Eheritus einen rein äußerlichen Wert beizumessen, ohne dass ihm der Wille zu einem gegenseitigen Geschenk der Liebe - zu ausschließlicher Liebe oder zu unauflöslicher Liebe oder zu fruchtbarer Liebe - entspricht. Wie soll man sich dann darüber wundem, dass eine solche Ehe zum Scheitern verurteilt ist? Wenn das Gefühl oder die Anziehung erst einmal aufgehört haben, fehlt ihr jegliches Element von innerem Zusammenhalt. Es fehlt in der Tat jene gegenseitige sich schenkende Verpflichtung, die allein ein Fortdauern gewährleisten könnte. Ähnliches gilt auch für die Fälle, bei denen einer arglistig zur Eheschließung verleitet worden ist oder wenn ein schwerer, von außen auferlegter Zwang die Freiheit aufgehoben hat, die unerlässliche Voraussetzung jeder freiwilligen liebevollen Hingabe ist. 5. Im Lichte dieser Grundsätze kann der wesentliche Unterschied zwischen einer faktischen Lebensgemeinschaft - die [angeblich] auch auf Liebe beruht - und der Ehe, in der die Liebe in eine nicht nur moralische, sondern auch streng rechtliche Verpflichtung umgesetzt wird, festgestellt und verstanden werden. Das Band, das gegenseitig angenommen wird, entwickelt seinerseits eine festigende Wirkung auf die Liebe, aus der es hervorgeht; es fordert ihr Fortdauern zugunsten des jeweiligen Partners, der Nachkommenschaft und der ganzen Gesellschaft. Angesichts der oben genannten Prinzipien wird auch klar, wie unangemessen es ist, den Verbindungen zwischen gleichgeschlechtlichen Personen eine „eheliche“ Realität zuzuschreiben. Dem steht in erster Linie die objektive Unmöglichkeit entgegen, eine solche Verbindung durch die Weitergabe des Lebens Fracht bringen zu lassen - gemäß dem von Gott in die Struktur des Menschen eingeschriebenen Plan. Ein Hindernis sind die mangelnden Voraussetzungen für jene interpersonale Komplementarität, die der Schöpfer für Mann und Frau gewollt hat, und zwar sowohl auf physisch-biologischer als auch auf besonders psychologischer Ebene. 490 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nur in der Verbindung zwischen zwei geschlechtlich verschiedenen Personen kann sich die Vervollkommnung des einzelnen in einer Synthese der Einheit und der gegenseitigen psychophysischen Ergänzung verwirklichen. In dieser Perspektive ist die Liebe nicht Selbstzweck und wird nicht reduziert auf die körperliche Vereinigung zweier Wesen; sie ist vielmehr eine tiefe interpersonale Beziehung, die ihre Krönung im vollständigen gegenseitigen Hinschenken und im Zusammenwirken mit dem Schöpfergott erreicht, der letzten Quelle jeder neuen menschlichen Existenz. 6. Wie bekannt, sollen diese Abweichungen vom Naturgesetz, von Gott in die Natur der Person eingeschrieben, ihre Rechtfertigung finden in der Freiheit, die ein Vorzug des Menschen ist. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber nur um eine vorgeschützte Rechtfertigung. Jeder Gläubige weiß, dass die Freiheit - um mit den Worten Dantes zu sprechen - „das herrlichste Geschenk in Gottes Schöpfung, das angemessenste für seine Güte“ ist (Dante Alighieri, Die göttliche Komödie, Paradies, 5,19-20 - dt. von Karl Vossler, Gütersloh 1941). Dieses Geschenk muss allerdings richtig verstanden werden, damit es sich nicht in einen Stolperstein für die Würde des Menschen verwandelt. Die Freiheit als moralische oder rechtliche Erlaubtheit aufzufassen, das Recht zu brechen, bedeutet, ihre wahre Natur zu verdrehen. Diese besteht nämlich in der Möglichkeit, die der Mensch hat, sich in voller Verantwortung, das heißt durch eine persönliche Wahl, sich nach dem im Gesetz dargelegten göttlichen Willen auszurichten, um so immer mehr dem Schöpfer ähnlich zu werden (vgl. Gen 1,26). Schon in meiner Enzyklika Veritatis splendor schrieb ich: „Gewiß, der Mensch ist von dem Augenblick an frei, in dem er die Gebote Gottes erkennen und aufhehmen kann. Und er ist im Besitz einer sehr weitgehenden Freiheit, denn er darf von allen Bäumen des Gartens essen. Aber es ist keine unbegrenzte Freiheit: Sie muß vor dem ,Baum der Erkenntnis von Gut und Böse’ haltmachen, da sie dazu berufen ist, das Sittengesetz, das Gott dem Menschen gibt, anzunehmen. Tatsächlich findet gerade in dieser Annahme die Freiheit des Menschen ihre wahre und volle Verwirklichung. Gott, der allein gut ist, erkennt genau, was für den Menschen gut ist, und kraft seiner eigenen Liebe legt er ihm dies in den Geboten vor“ (Nr. 35). Leider bieten uns die täglichen Nachrichten reichlich Bestätigung für die beklagenswerten Früchte, die solche Abweichungen von der göttlich-natürlichen Norm hervorbringen. Es scheint fast, als wiederhole sich in unseren Tagen die Situation, von welcher der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer spricht: „Und da sie sich weigerten, Gott anzuerkennen, lieferte Gott sie einem verworfenen Denken aus, so daß sie tun, was sich nicht gehört“ („Sicut non probaverunt Deum habere in notitia, tradidit eos Deus in reprobum sensum, ut faciant quae non conveniunt“) (Röm 1,28). 7. Der gebührende Hinweis auf die Probleme von heute darf uns weder zu Entmutigung noch zu Resignation verleiten, er muss im Gegenteil zu einem entschlosse- 491 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN neren und gezielteren Einsatz anregen. Die Kirche und folglich das kanonische Recht erkennen jedem Menschen die Befugnis zu, eine Ehe zu schließen (vgl. CIC, can. 1058; CCEO, can. 778); eine Befugnis allerdings, die nur von denen ausgeübt werden kann, „die rechtlich nicht daran gehindert werden“ [,,qui jure non prohi-bentur“] (ebd.). Es geht dabei in erster Linie um jene, die eine ausreichende psychische Reife - in ihrer doppelten Komponente des Verstandes und des Willens -besitzen, zusammen mit der Fähigkeit, die wesentlichen Verpflichtungen der Institution Ehe zu erfüllen (vgl. CIC, can. 1095; CCEO, can. 818). In diesem Zusammenhang muss ich noch einmal an das erinnern was ich in meinen Ansprachen 1987 und 1988 eigens vor diesem Gerichtshof sagte (vgl. DAS 1987, S. 1217; DAS 1988, S. 936): Eine unrechtmäßige Ausweitung dieser persönlichen Erfordernisse, die vom Recht der Kirche durchaus anerkannt werden, würde letzten Endes jenem Recht auf Ehe, das unveräußerlich und jeder menschlichen Macht entzogen ist, eine sehr schwere Wunde zufügen. Ich möchte hier nicht auf die anderen Bedingungen eingehen, die das Kirchenrecht für einen gültigen Ehekonsens aufstellt. Ich beschränke mich darauf, die große Verantwortung zu unterstreichen, welche die Hirten der Kirche Gottes tragen, für eine angemessene und ernsthafte Vorbereitung der Brautleute auf die Ehe zu sorgen: Nur so können nämlich in der Seele derer, die sich anschicken, die Ehe zu schließen, die intellektuellen, sittlichen und spirituellen Voraussetzungen entstehen, die notwendig sind, um die natürliche und sakramentale Realität der Ehe zu verwirklichen. Diese Überlegungen, liebe Prälaten und Offiziale, empfehle ich eurem Verstand und eurem Herzen, denn ich weiß um den Geist der Treue, der eure Arbeit beseelt und durch den ihr bestrebt seid, die Normen der Kirche - auf der Suche nach dem wahren Wohl des Gottesvolkes - zur vollen Anwendung zu bringen. Zur Unterstützung eurer Bemühungen erteile ich von Herzen allen Anwesenden und jenen, die auf irgendeine Weise mit dem Gericht der Römischen Rota verbunden sind, den Apostolischen Segen. 492 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ECCLESIA IN AMERIKA Nachsynodales Apostolisches Schreiben vom 22. Januar An die verehrten Mitbrüder im Bischofsamt, den Klerus, die Ordensleute, die Gläubigen der katholischen Kirche über die Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus, dem Weg zur Umkehr, Gemeinschaft und Solidarität in Amerika. Einführung 1. Die Kirche in Amerika ist voller Freude über den Glauben, den sie empfangen hat, und dankt Christus für dieses übergroße Geschenk. Sie hat erst vor kurzem den fünfhundertsten Jahrestag des Beginns der Verkündigung des Evangeliums in ihrem Land gefeiert. Diese Gedächtnisfeier war den Katholiken Amerikas eine Hilfe, um sich wieder mehr des Wunsches Christi bewusst zu werden, den Bewohnern der sog. Neuen Welt zu begegnen; er möchte sie in seine Kirche eingliedem und so in der Geschichte des Kontinents gegenwärtig sein. Die Evangelisierung Amerikas ist nicht nur ein Geschenk des Herrn, sondern auch eine Verpflichtung. Es ist all denen, die überall auf dem Kontinent das Evangelium verkündet haben, zu verdanken, dass der Kirche und dem Geist unzählige Söhne und Töchter zugewachsen sind <16>, ln ihren Herzen klingen nach wie vor die Worte des Apostels Paulus wider: „Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (7 Kor 9,16). Dieser Zwang gründet auf dem Gebot des auferstandenen Herrn, das er den Aposteln vor seiner Himmelfahrt gegeben hat: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15). * Diesbezüglich ist die antike Inschrift in der Taufkapelle von St. Johannes im Lateran bezeichnend: „Virgineo foetu Genitrix Ecclesia natos, quos spirante Deo concipit, amne parit” (E. Diehl, Inscriptiones latinae christianae veteres, Anm. 1513,1.1: Berolini 1925, S. 289). Dieses Gebot richtet sich an die ganze Kirche, und an die Kirche in Amerika ergeht in diesem besonderen Augenblick ihrer Geschichte der Ruf, es anzunehmen und mit liebevoller Großzügigkeit ihrem grundlegenden Auftrag, das Evangelium zu verkünden, gerecht zu werden. Das unterstrich in Bogota auch mein Vorgänger, Paul VI., der erste Papst, der Amerika besuchte, als er sagte: „Es ist unsere Aufgabe, die wir Deine (Jesu Christi) Stellvertreter und die Verwalter Deiner göttlichen Geheimnisse sind (vgl. 1 Kor 4,1; 1 Petr 4,10), die Schätze Deines Wortes, Deiner Gnade und des Beispiels, das Du gegeben hast, als Du bei den Menschen warst, zu verbreiten.“ <17> Die Pflicht, das Evangelium zu verkünden, ist für einen Jün- ^ Paul VI., Predigt bei der Diakonats- und Priesterweihe in Bogota, 22. August 1968, in: AAS 60(1968)614—615. 493 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ger Christi ein dringendes Anliegen der Nächstenliebe: „Denn die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14), sagt der Apostel Paulus, und er erinnert daran, was der Sohn Gottes durch sein Opfer der Erlösung für uns getan hat: „Einer ist für alle gestorben ..., damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde“ (2 Kor 5,14—15). Das Gedenken gewisser Ereignisse, die in besonderer Weise an die Liebe Christi zu uns erinnern, ruft in uns außer dem Gefühl der Dankbarkeit auch den Drang hervor, „die Wundertaten Gottes zu verkünden“ das heißt: zu evangelisieren. Also bieten die Erinnerung an die erst vor wenigen Jahren erfolgte Fünfhundertjahrfeier der Ankunft des Evangeliums in Amerika - das heißt, des Augenblicks, da Christus Amerika zum Glauben berufen hat - und das bevorstehende Jubiläum, bei dem die Kirche die 2000 Jahre seit der Menschwerdung des Gottessohnes feiert, einen bevorzugten Anlass, unser Herz ganz spontan und stärker als zuvor mit Dankbarkeit dem Herrn gegenüber zu erfüllen. Die Kirche, die sich in Amerika auf der Pilgerschaft befindet, ist sich der Größe dieser erhaltenen Gaben bewusst, und es ist ihr Wunsch, die ganze Gesellschaft und jeden einzelnen Menschen in Amerika am Reichtum des Glaubens und der Gemeinschaft mit Christus teilhaben zu lassen. Die Idee zur Einberufung einer Synode 2. Genau am fünfhundertsten Jahrestag der Evangelisierung Amerikas, nämlich am 12. Oktober 1992, hatte ich bei der Ansprache anlässlich der Eröffnung der 4. Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopats in Santo Domingo aus dem Wunsch heraus, neue Horizonte zu erschließen und der Evangelisierung einen neuen Impuls zu geben, den Vorschlag gemacht, eine Synode einzuberufen, „um die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Teilkirchen zu intensivieren, um gemeinsam im Rahmen der Neuevangelisierung und als Ausdruck der bischöflichen Gemeinschaft die Probleme der Gerechtigkeit und der Solidarität unter allen Nationen Amerikas“ <18> gemeinsam anzugehen. Die amerikanischen Bischöfe hatten diesen Vorschlag positiv aufgenommen, was es mir erlaubte, im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente die Absicht anzukündigen, eine Synode „über die Problematik der Neuevangelisierung in zwei nach Ursprung und Geschichte voneinander so verschiedenen Teilen ein und desselben Kontinents und über die Themenbereiche Gerechtigkeit und internationale Wirtschaftsbeziehungen unter Berücksichtigung des enormen Unterschiedes zwischen dem Norden und dem Süden“ <19> einzuberufen. So begann man damals mit den eigentlichen Vorbereitungsarbeiten für die Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika, die schließlich vom 16. November bis 12. Dezember 1997 im Vatikan abgehalten wurde. <18> Johannes Paul II., Eröffnungsansprache der 4. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, 12. Oktober 1992, 17, in: AAS 85(1993)820. <19> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, 10. November 1994, Nr. 38, in: AAS 87(1995)30. 494 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Thema der Synode 3. Anknüpfend an die ursprüngliche Idee und nach Anhörung der Vorschläge des vorsynodalen Rates, der das Denken so vieler Hirten des Gottesvolkes auf dem amerikanischen Kontinent ausdrückt, kündigte ich das Thema der Sonderver-sammlung der Synode für Amerika folgendermaßen an: „Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus, dem Weg zur Umkehr, Gemeinschaft und Solidarität in Amerika.“ Das so formulierte Thema bringt deutlich die zentrale Stellung der Person des auferstandenen Jesus Christus zum Ausdruck, der im Leben der Kirche gegenwärtig ist und zur Umkehr, zur Gemeinschaft und zur Solidarität einlädt. Der Ausgangspunkt dieses Programmes für die Evangelisierung ist selbstverständlich die Begegnung mit dem Herrn, und der Heilige Geist, das Geschenk Christi im Ostergeheimnis, führt uns zum pastoralen Ziel, das die Kirche in Amerika im dritten christlichen Jahrtausend erreichen muss. Die Synode als Erfahrung von Begegnung 4. Die Synode wurde ohne Zweifel als eine Begegnung mit dem Herrn erlebt. Besonders gerne denke ich an die beiden feierlichen Konzelebrationen in der Peterskirche zu Beginn und zum Abschluss der Synodenarbeit zurück, bei denen ich selbst Hauptzelebrant war. Die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn, der wahrhaft, wirklich und wesenhaft in der Eucharistie anwesend ist, stellte das geistige Klima her, welches es gestattete, dass sich alle Bischöfe während der Synodensitzungen nicht nur gegenseitig als Brüder, sondern auch als Mitglieder des Bischofskollegiums betrachteten, die unter der Leitung des Nachfolgers Petri den Spuren des guten Hirten folgen wollten, indem sie sich in den Dienst der Kirche stellten, die sich in allen Teilen des Kontinents auf der Pilgerschaft befindet. Auffallend für alle war die Freude der Synodenteilnehmer, die in dieser Synode eine außerordentliche Gelegenheit sahen, dem Herrn, dem Stellvertreter Christi, und so vielen Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien, die aus allen Teilen des Kontinents gekommen waren, zu begegnen. Ohne Zweifel haben einige Faktoren im Vorfeld zwar nicht auf unmittelbare, aber doch auf wirksame Weise zu dieser brüderlichen Atmosphäre auf der Synode beigetragen. In erster Linie sind hier die Gemeinschaftserfahrungen hervorzuheben, die man zuvor auf den Generalversammlungen des lateinamerikanischen Episkopates in Rio de Janeiro (1955), Medellin (1968), Puebla (1979) und Santo Domingo (1992) gemacht hatte. Dort hatten die Hirten der lateinamerikanischen Kirche gemeinsam als Brüder jeweils die dringendsten Seelsorgefragen in diesem Teil des Kontinents erörtert. Hinzu kamen die in regelmäßigen Abständen erfolgten interamerikanischen Bischofsversammlungen, auf denen die Teilnehmer die Möglichkeit hatten, sich dem Horizont des gesamten Kontinents zu öffnen, indem sie über die gemeinsamen Probleme und Herausforderungen sprachen, die sich der Kirche in den Ländern Amerikas stellen. 495 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Beitrag zur Einheit des Kontinents 5. Als ich in Santo Domingo zum ersten Mal vorschlug, eine Sonderversammlung der Synode abzuhalten, hob ich hervor: „Die Kirche steht bereits an den Toren des dritten christlichen Jahrtausends, und sie lebt in einer Zeit, da viele ideologische Fronten und Barrieren gefallen sind. So empfindet sie es als unausweichliche Pflicht, alle Völker, die diesen großen Kontinent bilden, geistig noch stärker zu einen und zugleich von der ihr eigenen religiösen Sendung her einen Geist der Solidarität unter allen anzuregen.“ <20> Die Gemeinsamkeiten der amerikanischen Völker, unter denen besonders dieselbe christliche Identität hervorsticht, sowie ein echtes Streben nach Stärkung der Bande der Solidarität und der Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Ausdrucksformen des reichen kulturellen Erbes des Kontinents, stellen den entscheidenden Grund dar, weshalb ich wollte, dass die Sonderversammlung der Bischofssynode bei ihren Erörterungen Amerika als eine einzige Wirklichkeit sieht. Es wurde dabei bewusst Amerika in der Einzahl genannt, um nicht nur die bereits in gewisser Hinsicht bestehende Einheit zum Ausdruck zu bringen, sondern auch das engere Band, nach dem die Völker des Kontinents streben und das die Kirche im Rahmen ihrer eigenen Sendung, die Gemeinschaft aller im Herrn zu fördern, unterstützen möchte. Johannes Paul II., Eröffnungsansprache der 4. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, 12. Oktober 1992, 17, in: AAS 85(1993)820-821. Im Kontext der neuen Evangelisierung 6. Im Hinblick auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 wollte ich, dass für jeden einzelnen Kontinent jeweils eine Sonderversammlung der Bischofssynode abgehalten würde. Nachdem dies bereits für Afrika (1994), Amerika (1997), Asien (1998) und erst kürzlich auch für Ozeanien (1998) geschehen ist, wird dieses Jahr mit Gottes Hilfe eine Sonderversammlung für Europa einberufen werden. Auf diese Weise wird eine allgemeine und ordentliche Versammlung während des Jubeljahres ermöglicht werden, die das wertvolle, durch die jeweiligen Sonderversammlungen der einzelnen Kontinente gesammelte Material zusammenfasst und daraus ihre Schlussfolgerungen zieht. Das wird aufgrund der Tatsache geschehen können, dass auf all diesen Synoden eine ähnliche Problematik vorlag und gemeinsame Interessenbereiche bestanden. In diesem Sinne hatte ich mit Bezug auf all diese Synodensitzungen - wie schon zuvor - auf folgendes hingewiesen: „Das Grundthema ist die Evangelisierung, ja die Neuevangelisierung, für das von dem ... Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi Pauls VI. die Grundlagen gelegt wurden.“ <21> Daher deutete ich sowohl in meiner ersten Ankündigung, eine Sonderversammlung der Bischofssynode abzuhalten, als auch später, nachdem alle Bischöfe Amerikas diese Idee zu der ihrigen gemacht hatten, bei der offiziellen Johannes Paul II., Eröffnungsansprache der 4. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, 12. Oktober 1992, 17, in: AAS 85(1993)820-821. 496 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verkündigung an, dass ihre Überlegungen sich „im Rahmen der neuen Evangelisierung“ <22> bewegen müssen und die dabei entstehenden Probleme anzugehen sind. <23> Dieses Anliegen war insofern eindeutig, als ich selbst das erste Programm einer Neuevangelisierung auf amerikanischem Boden formuliert hatte. Als sich dann die Kirche in ganz Amerika auf die Fünfhundertjahrfeier der ersten Evangelisierung des Kontinents vorbereitete, sagte ich in Port-au-Prince [Haiti] vor dem lateinamerikanischen Bischofsrat (CELAM): „Das Gedenken des halben Jahrtausends Evangelisierung wird seine volle Bedeutung dann erhalten, wenn ihr als Bischöfe, zusammen mit euren Priestern und Gläubigen, daraus eine Aufgabe macht; eine Aufgabe nicht der Re-Evangelisierung, sondern der Neu-Evangelisierung. Neu in ihrem Eifer, in ihren Methoden und in ihrer Ausdrucksweise.“ <24> Später lud ich die ganze Kirche ein, diese Aufforderung in die Tat umzusetzen, auch wenn man bei dem Evangelisierungsprogramm, wenn es sich auf die heute in der ganzen Welt bestehende große Verschiedenheit erstrecken soll, nach zwei sich deutlich voneinander unterscheidenden Situationen differenzieren muss: es geht hier einerseits um die Länder, die in starkem Maße von der Säkularisierung betroffen sind und andererseits um die, in denen „bis heute die traditionelle christliche Volksfrömmigkeit und -religiosität lebendig erhalten“ <25> sind. Es handelt sich dabei ohne Zweifel um zwei Situationen, die in den verschiedenen Ländern - oder man sollte vielleicht besser sagen, in verschiedenen konkreten Bereichen innerhalb der Länder des amerikanischen Kontinents - unterschiedlich stark ausgeprägt sind. <22> Johannes Paul II., Eröffnungsansprache der 4. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, 12. Oktober 1992, 17, in: AAS 85(1993)820. <23> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, 10. November 1994, Nr. 38, in: AAS 87(1995)30. <24> Ansprache an die Versammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM), 9. März 1983, III, in: AAS 75(1983)778. <25> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifldeles laici, 30. Dezember 1988, Nr. 34, in: AAS 81(1989)454. Mit der Gegenwart und der Hilfe des Herrn 7. Der Evangelisierungsauftrag, den der auferstandene Herr seiner Kirche hinterlassen hat, wird von der auf seiner Verheißung gründenden Gewissheit begleitet, dass Er weiterhin unter uns lebt und wirkt: „Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Diese geheimnisvolle Gegenwart Christi in seiner Kirche ist die Erfolgsgarantie für die Verwirklichung der ihr anvertrauten Mission. Gleichzeitig ermöglicht diese Gegenwart aber auch uns die Begegnung mit Ihm, als dem Sohn, der vom Vater gesandt wurde, als dem Herrn des Lebens, der uns seinen Geist mitteilt. Eine neue Begegnung mit Jesus Christus wird allen Gliedern der Kirche in Amerika bewusst machen, dass sie bemfen sind, die Mission des Erlösers in ihren Ländern fortzusetzen. Die persönliche Begegnung mit dem Herrn wird, wenn sie echt ist, auch eine kirchliche Erneuerung mit sich bringen. Die Teilkirchen des Kontinents werden als 497 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich nahestehende Schwesterkirchen die Bande der Zusammenarbeit und Solidarität mehren, um so das Erlösungswerk Christi in der Geschichte Amerikas fortzusetzen und noch lebendiger werden zu lassen. Die Teilkirchen und jedes einzelne ihrer Glieder werden in einer Haltung der Offenheit für die Einheit, welche die Frucht wahrer Gemeinschaft mit dem auferstandenen Herrn ist, durch ihre eigenen geistlichen Erfahrungen entdecken, dass „die Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus“ der „Weg zur Umkehr, Gemeinschaft und Solidarität“ ist. Und in dem Maß, in dem dieses Ziel erreicht wird, wird man sich der Neuevangelisierung Amerikas immer stärker widmen können. Kapitel I Die Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus „ Wir haben den Messias gefunden “ (Joh 1,41) Die Begegnungen mit dem Herrn im Neuen Testament 8. Die Evangelien berichten von zahlreichen Begegnungen Jesu mit Menschen seiner Zeit. All diesen Ereignissen ist eine verwandelnde Kraft gemeinsam, die von den Begegnungen mit Jesus ausgeht. Sie „leiten einen wahren Prozess der Bekehrung, der Gemeinschaft und der Solidarität ein“ <26>. Zu den bedeutendsten Begegnungen gehört die der Samariterin (vgl. Joh 4,5—42). Jesus ruft sie, um seinen Durst zu stillen und zwar nicht nur den Durst des Leibes, denn in Wirklichkeit dürstete ihn, „der zu trinken begehrte, ... nach dem Glauben der Frau“ <27>. Als der Herr sagte: „Gib mir zu trinken“ (Joh 4,7) und zur Samariterin vom lebendigen Wasser sprach, da drängte sich ihr die Frage auf, die fast einem Gebet glich und deren Tragweite das überstieg, was sie in dem Augenblick zu verstehen im Stande war: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe“ {Joh 4,15). Wenn auch die Samariterin „noch nicht verstand“ <28>, bat sie doch in Wirklichkeit um das lebendige Wasser, von dem ihr göttlicher Gesprächspartner gesprochen hatte. Als ihr Jesus enthüllte, dass er der Messias sei (vgl. Joh 4,26), fühlte sie sich bewogen, ihren Mitbürgern zu verkünden, dass sie den Messias entdeckt habe (vgl. Joh 4,28-30). So war es auch, als Jesus mit Zachäus zusammentraf (vgl. Lk 19,1— 10): die wertvollste Frucht dieser Begegnung war die Bekehrung. Dieser war sich seines umechten Handelns bewusst und entschied, reichlich - ja sogar „das Vierfache“ - denen zurückzugeben, die er betrogen hatte. Außerdem nahm er materiellen Dingen gegenüber eine uneigennützige Haltung ein, während er den Notleidenden in Nächstenliebe begegnete, so dass er sogar die Hälfte seines Vermögens den Armen geben wollte. <26> Propositio, 3. <27> Augustinus, Tract. In Joh., 15,11: CCL 36, 154. <28> Ebd., 15, 17.1.C., 156. 498 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Besondere Erwähnung verdienen die Begegnungen mit dem auferstandenen Christus im Neuen Testament. Durch die Begegnung mit dem Auferstandenen überwindet Maria von Magdala ihre Mutlosigkeit und Traurigkeit über den Tod des Meisters (vgl. Joh 20,11-18). In seiner neuen österlichen Dimension schickt Jesus sie, um den Jüngern zu verkünden, dass er auferstanden ist (vgl. Joh 20,17). Aus diesem Grund hat man Maria von Magdala „die Apostelin der Apostel genannt“ <29>. Auch die Jünger von Emmaus kehrten, nachdem sie dem auferstandenen Herrn begegnet waren und ihn erkannt hatten, nach Jerusalem zurück, um den Aposteln und übrigen Jüngern zu erzählen, was sie erlebt hatten (vgl. Lk 24,13-35). Jesus „legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht“ {Lk 24,27). Erst später sollten die beiden Jünger erkennen, dass ihnen das Herz in der Brust brannte, als er unterwegs mit ihnen redete und ihnen den Sinn der Schrift erschloss (vgl. Lk 24,32). Zweifelsohne spielt der hl. Lukas in dieser Begegnungsepisode deutlich auf die Einsetzung der Eucharistie an, insbesondere im entscheidenden Augenblick, als die Jünger Jesus erkennen; d.h. er spielt auf die Vorgehensweise Jesu während des letzten Abendmahls an (vgl. Lk 24,30). Beim Bericht darüber, was die Jünger von Emmaus den Elfen erzählen, benutzt der Evangelist einen Ausdruck, der in der Urkirche eine präzise eucharistische Bedeutung hatte: „... und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach“ {Lk 24,35). <29> „Salvator (...) ascensionis suae eam (Mariam Magdalenam) ad apostolos instituit apostolam.” Rabanus Maurus, De vita beatae Mariae Magdalenae, 27; PL 112,1574. Vgl. Petrus Damianus, Sermo 56, PL 144,820; Hugo de Cluny Commonitorium, PL 159,952; Thomas von Aquin, In Joh. Evang. Expositione, 20,3. Unter den Berichten über die Begegnungen mit dem auferstandenen Herrn hat zweifelsohne die Bekehrung des Saulus, des zukünftigen Paulus und Apostels der Völker, der sich auf dem Weg nach Damaskus befand, in der Geschichte des Christentums entscheidenden Einfluss ausgeübt, denn bei dieser Begegnung fand sein radikaler Existenzwandel statt; dort wurde aus dem Verfolger ein Apostel (vgl. Apg 9,3—30; 22,6—11; 26,12—18). Paulus selbst spricht von dieser außerordentlichen Erfahrung wie von einer Offenbarung des Gottessohnes, „damit ich ihn unter den Heiden verkündige“ {Gal 1,16). Die Einladung des Herrn achtet jedoch stets die Freiheit derer, die er ruft. Es gibt Fälle, in denen der Mensch sich der Lebensveränderung versperrt, zu der Er ihn einlädt. Zahlreich sind die Fälle der Zeitgenossen Jesu, die ihn sahen und ihn hörten, sich aber dennoch für sein Wort nicht öffneten. Das Johannesevangelium bezeichnet die Sünde als die Ursache, die den Menschen daran hindert, sich dem Licht zu öffnen, welches Christus ist: „Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse“ {Joh 3,19). Die Evangelientexte zeigen, dass der Hang zum Reichtum ein Hindernis darstellt, den Ruf zur großzügigen und vollen Nachfolge Jesu wahrzunehmen. Diesbezüglich ist der Fall des jungen Reichen typisch (vgl. Mt 19,16-22; Mk 10,17-22; Lk 18,18-23). 499 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Persönliche Begegnungen und Begegnungen in Gemeinschaft 9. Einige Begegnungen mit Jesus, von denen in den Evangelien berichtet wird, sind eindeutig persönlicher Art, wie z. B. die Berufungen zur Nachfolge (vgl. Mt 4,19; 9,9; Mk 10,21; Lk 9,59). Jesus geht dort mit seinen Gesprächspartnern so um, als stünde er ihnen sehr nahe: „Rabbi - das heißt übersetzt: Meister - wo wohnst du? ... Kommt und seht!“ (Joh 1,38-39). Andere Begegnungen hingegen sind eher gemeinschaftlicher Natur, wie etwa die Begegnungen mit den Aposteln. Diese sind von grundlegender Wichtigkeit für die Konstitution der Kirche, denn tatsächlich sind es ja die Apostel, die Jesus aus einer größeren Jüngergruppe auserwählte (vgl. Mk 3,13-19; Lk 6,12-16), sie in ganz besonderer Weise unterwies und einen viel persönlicheren Umgang mit ihnen pflegte. Zur Menge spricht Jesus in Gleichnissen, die er nur den Zwölfen erklärt: „Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu erkennen; ihnen aber ist es nicht gegeben“ (Mt 13,11). Die Apostel sind berufen, Verkünder der frohen Botschaft zu sein und eine besondere Mission zu entfalten, d.h., sie sollen die Kirche mit der Gnade der Sakramente errichten. Zu diesem Zweck werden sie mit der notwendigen Amtsgewalt ausgestattet: er verleiht ihnen die Macht, die Sünden zu verzeihen, indem er sich auf dieselbe Vollmacht im Himmel und auf Erden beruft, die ihm der Vater verliehen hat (vgl. Mt 28,18). Sie werden die ersten sein, die die Gabe des Heiligen Geistes empfangen (vgl. Apg 2,1 —4); und diese Gabe werden dann später auch alle empfangen, die durch die Sakramente der christlichen Initiation in die Kirche aufgenommen werden (vgl. Apg 2,38). Die Begegnung mit Christus in der Zeit der Kirche 10. Die Kirche ist der Ort, wo die Menschen die Liebe des Vaters entdecken können, denn wer Jesus gesehen hat, der hat auch den Vater gesehen (vgl. Joh 14,9). Nach seiner Himmelfahrt handelt Jesus durch das machtvolle Walten des Parakle-ten, des Beistands (vgl. Joh 16,7), der die Gläubigen dadurch verwandelt, dass er ihnen das neue Leben gibt. Auf diese Weise werden sie befähigt, mit derselben Liebe Gottes zu lieben, die „ausgegossen (ist) in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Zudem bereitet die göttliche Gnade die Christen darauf vor, die Welt zu verändern, indem sie eine neue Zivilisation begründen, die mein Vorgänger Paul VI. zu Recht „Zivilisation der Liebe“ genannt hat <30>. „Das Wort Gottes hat in allem, außer in der Sünde, die menschliche Natur angenommen (vgl. Hehr 4,12-15). Es tut den Plan des Vaters kund, der menschlichen Person zu offenbaren, wie sie zur Fülle ihrer eigenen Berufung gelangt... So versöhnt Jesus nicht nur den Menschen mit Gott, sondern auch mit sich selbst, da er ihm seine eigene Natur offenbart“ <31>. Mit diesen Worten haben die Synodenväter <30> Paul VI., Ansprache zur Beendigung des Heiligen Jahres, 25. Dezember 1975, in: AAS 68(1976)145. <31> Propositio, 9; vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Über die Kirche in der Welt von heute, Nr. 22 500 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils erneut bekräftigt, dass Jesus der Weg ist, der zur vollen Selbstverwirklichung fuhrt, deren höchste Form die endgültige und ewige Begegnung mit Gott ist. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6). Gott hat uns „im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei“ (Röm 8,29). Also ist Jesus Christus die endgültige Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens und auf die grundlegenden offenen Fragen, die auch heutzutage so viele Menschen des amerikanischen Kontinents beschäftigen. Durch Maria begegnen wir Jesus 11. Als Jesus geboren wurde, kamen die Weisen aus dem Orient nach Betlehem und „sahen das Kind und Maria, seine Mutter“ (Mt 2,11). Als der Sohn Gottes zu Beginn seines öffentlichen Wirkens auf der Hochzeit von Kana sein erstes Zeichen wirkte, so dass seine Jünger an ihn glaubten (vgl. Joh 2,11), da war es Maria, die vermittelte und die Diener mit folgenden Worten auf ihren Sohn verwies: „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 2,5). Diesbezüglich habe ich bei einer anderen Gelegenheit geschrieben: „Die Mutter Christi zeigt sich vor den Menschen als Sprecherin für den Willen des Sohnes, als Wegweiserin zu jenen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit sich die erlösende Macht des Messias offenbaren kann“ <32>. Daher ist Maria ein sicherer Weg, um Christus zu begegnen. Die der Mutter des Herrn entgegengebrachte Frömmigkeit hilft - wenn sie echt ist - stets, das eigene Leben nach dem Geist und den Werten des Evangeliums auszurichten. <32> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris Mater, 25. März 1987, Nr. 21, in: AAS 79(1987)369. Es ist daher nur folgerichtig, wenn der Stellenwert Marias hervorgehoben wird, den sie hinsichtlich der Begegnung der Kirche Amerikas mit dem Herrn einnimmt. In der Tat ist ja die allheilige Jungfrau „in besonderer Weise mit dem Entstehen der Kirche in der Geschichte der ... Völker Amerikas verbunden, die durch Maria dem Herrn begegneten“ <33>. <33> Propositio, 5. In allen Teilen des Kontinents war die Präsenz der Gottesmutter durch das Wirken der Missionare seit den Tagen der ersten Evangelisierung sehr intensiv. Bei der Verkündigung „des Evangeliums stellten sie die Jungfrau Maria als dessen höchste Erfüllung dar. Seit den Ursprüngen ihrer Erscheinung und Anrufung in Guadalupe stellte Maria das große Zeichen, das mütterliche Antlitz voller Erbarmen für die Nähe des Vaters und des Sohnes dar, mit denen zusammen sie uns einlädt, in die Gemeinschaft einzutreten“ <34>. <34> m. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopats, Botschaft an die Völker Lateinamerikas, Puebla, Februar 1979, 282. Für die USA vgl. Conferencia Episcopal, Behold Your Mother Woman of Faith> Washington 1973, 53-55. 501 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Marienerscheinung, die der Indio Juan Diego im Jahr 1531 auf dem Hügel von Tepeyac hatte, war für die Evangelisierung von entscheidender Bedeutung <35>. Dieser Einfluß geht über die Grenzen Mexikos hinaus und erreicht den ganzen Kontinent. Amerika war im Lauf der Geschichte der Schmelztiegel der Völker und ist es auch heute noch. Man hat „in dem Mestizengesicht der Jungfrau von Tepeyac“, in U. Lb. Frau von Guadalupe „ein bedeutsames Beispiel einer vollkommen inkultu-rierten Evangelisierung“ <36> erkannt. Daher wird U. Lb. Frau von Guadalupe nicht nur in Zentral- und Südamerika, sondern auch im Norden des Kontinents als Königin ganz Amerikas verehrt <37>. <35> Vgl. Propositio, 6. <36> Johannes Paul II., Eröffnungsansprache der 4. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopats, Santo Domingo, 12. Oktober 1992,24, in AAS 85(1993)826. <37> Vg] Conferencia Episcopal de los Estados Unidos, Behold Your Mother Woman ofFaith, Washington 1973, 37. Im Lauf der Zeit sind sich sowohl Hirten als auch Gläubige immer mehr der Rolle bewußt geworden, die Maria bei der Evangelisierung des Kontinents eingenommen hatte. Bei dem für die Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika verfaßten Gebet wird die Gottesmutter von Guadalupe als „Patronin ganz Amerikas und Stern der ersten und der neuen Evangelisierung“ angerufen. In diesem Sinne nehme ich gerne den Vorschlag der Synodenväter auf, den 12. Dezember auf dem ganzen Kontinent als das Fest U. Lb. Frau von Guadalupe, der Mutter Amerikas und Verkünderin des Evangeliums einzurichten <38>, und ich hoffe fest, dass sie, deren Fürsprache die ersten Jünger ihre Stärkung im Glauben verdankten (vgl. Joh 2,11), die Kirche auf diesem Kontinent durch ihre mütterliche Fürsprache leitet, auf dass sie - wie schon in der Urkirche - die Herabkunft des Heiligen Geistes erwirkt (vgl. Apg 1,14). So wird die Neuevangelisierung eine wunderbare Blüte des christlichen Lebens hervorbringen. 22 Vgl. Propositio, 6. Stätten der Begegnung mit Christus 12. Mit der Hilfe Marias möchte die Kirche in Amerika die Menschen dieses Kontinents zur Begegnung mit Christus fuhren, denn diese ist der Ausgangspunkt für eine echte Umkehr und erneuerte Gemeinschaft und Solidarität. Diese Begegnung wird auf wirksame Weise dazu beitragen, den Glauben vieler Katholiken zu festigen, denn sie wird bewirken, dass er zu einem überzeugten, lebendigen und zu Taten drängenden Glauben heranreift. Damit die Suche nach Christus, die es auch in der Kirche gibt, sich nicht auf irgend etwas Abstraktes beschränkt, ist es notwendig, konkrete Orte und Augenblicke aufzuzeigen, wo man ihm innerhalb der Kirche begegnen kann. Die Erörterungen der Synodenväter waren diesbezüglich sehr reich an Vorschlägen und Beobachtungen. 502 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In erster Linie hoben sie „die im Licht der Tradition, der Kirchenväter und des kirchlichen Lehramtes gelesene und durch Meditation und Gebet vertiefte Heilige Schrift“ hervor <39>. Man hat auch empfohlen, die Evangelienkenntnisse zu fordern, denn in ihnen wird in leicht zugänglichen Worten die Art und Weise verkündet, wie Jesus unter den Menschen gelebt hat. Eine echte Frucht der Lektüre dieser heiligen Texte ist die Bekehrung der Herzen, wenn man mit derselben Aufmerksamkeit zuhört, mit der die Menge Jesus am Fuß des Berges der Seligpreisungen oder am Ufer des Sees Genesareth zuhörte, als er vom Boot aus predigte. <39> Ebd., 4. Ein weiterer Ort der Begegnung mit Jesus ist die heilige Liturgie <40>. Dem Zweiten Vatikanischen Konzil verdanken wir eine äußerst reiche Darlegung der zahlreichen Weisen der Gegenwart Christi in der Liturgie. Diese ist so wichtig, dass sie zum Gegenstand ständiger Predigttätigkeit werden muss: Christus ist im Priester gegenwärtig, der die Messe zelebriert und so auf dem Altar dasselbe und einzige Kreuzesopfer erneuert; er ist gegenwärtig in den Sakramenten, in denen seine wirkungsvolle Kraft am Werk ist. Wenn sein Wort verkündet wird, ist er es selbst, der zu uns spricht. Außerdem ist er kraft seiner Verheißung in der Gemeinschaft gegenwärtig: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Aber „vor allem ist er unter den eucharistischen Gestalten“ gegenwärtig <41>. Mein Vorgänger Paul VI. hielt es für notwendig, die Einzigartigkeit der Realpräsenz Christi in der Eucharistie zu erklären: sie „wird ,wirklich’ genannt, nicht im ausschließlichen Sinne, als ob die anderen nicht ,wirkliche’ wären, sondern hervorhebend, weil sie substanziell ist“ <42>. Unter den Gestalten von Brot und Wein ist „der ganze und vollständige Christus in seiner physischen,Realität’ auch körperlich gegenwärtig“ <43>. <40> Vgl. ebd. <41> Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium, Über die heilige Liturgie, Nr. 7. <42> Paul VI., Enzyklika Mysterium fidei, 3. September 1965, in: AAS 57(1965)764. <43> Ebd., 1. c. 766. Auch im Bericht über die Erscheinung des Auferstandenen bei den Jüngern in Emmaus werden die Schrift und die Eucharistie als Orte der Begegnung mit Christus nahegelegt. Außerdem heißt es im Evangelientext über das Jüngste Gericht (vgl. Mt 25,31-46), dass wir aufgrund unserer Liebe zu den Notleidenden gerichtet werden, in denen der Herr Jesus auf geheimnisvolle Weise gegenwärtig ist. Dieser Text deutet an, dass wir auch einen dritten Ort der Begegnung mit Christus nicht vernachlässigen dürfen: „die Personen, insbesondere die Armen, mit denen sich Christus identifiziert“ <44>. Papst Paul VI. erinnerte bei der Schließung des Zweiten Vatikanischen Konzils daran, dass wir „im Angesicht eines jeden Menschen, <44> Propositio, 4. 503 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN besonders wenn es durch Tränen und Leiden transparent wurde, das Antlitz Christi (vgl. Mt 25,40), des Menschensohnes, erkennen können und müssen“ <45>. <45> Paul VI., Ansprache während der letzten öffentlichen Session des Zweiten Vatikanischen Konzils, 1. Dezember 1965, in: AAS 58(1966)58. Kapitel II Die Begegnung mit Jesus Christus im heutigen Amerika „ Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel zurückgefordert werden “ (Lk 12,48) Die Situation der Menschen in Amerika und ihre Begegnung mit dem Herrn 13. In den Evangelien wird von Begegnungen mit Christus in ganz verschiedenen Situationen berichtet. Manchmal handelt es sich um Situationen, in denen Menschen gesündigt haben, Situationen, welche die Notwendigkeit zur Umkehr und zur Vergebung seitens des Herrn aufzeigen. Bei anderen Gelegenheiten kommen die positiven Haltungen der Wahrheitssuche und echten Vertrauens zu Jesus zum Vorschein, die dazu führen, dass eine wahre Freundschaft zu ihm entsteht und die den Wunsch wachrufen, seinem Beispiel zu folgen. Auch nicht zu vergessen sind die Gaben, durch welche der Herr einige Menschen auf eine spätere Begegnung vorbereitet. So hat zum Beispiel Gott Maria mit Gnaden erfüllt (vgl. Lk 1,28) und sie von Anfang an darauf vorbereitet, damit in ihr die wichtigste Begegnung zwischen dem Göttlichen und der menschlichen Natur stattfinde, nämlich das unaussprechliche Geheimnis der Menschwerdung. Da die Sünde und die sozialen Tugenden keine abstrakte Größe darstellen, sondern das Ergebnis menschlichen Handelns sind <46>, muß man sich vergegenwärtigen, dass Amerika heutzutage eine komplexe Realität darstellt. Es ist die Frucht der Tendenzen und Vorgehensweisen jener Menschen, die dort leben, und in dieser konkreten und reellen Situation müssen die Menschen Jesus begegnen. <46> Vgl. Johannes Paul II, Nachsynodales Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia, 2. Dezember 1984, Nr. 16, in: AAS 58(1966)58. Christliche Identität Amerikas 14. Das größte Geschenk, das Amerika vom Herrn erhalten hat, ist der Glaube. Dieser hat dessen christliche Identität mit der Zeit immer mehr geformt. Vor nunmehr über fünfhundert Jahren begann man, den Namen Christi auf diesem Kontinent zu verkünden. Die Frucht der Evangelisierung, welche die Auswanderungsbewegungen aus Europa begleitet hatte, ist nun das religiöse Antlitz Amerikas, geprägt von den moralischen Werten, die man im gewissen Sinne als kulturelles Erbe aller Amerikaner, ja sogar derer betrachten kann, die sich nicht mit ihnen identifizieren. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass man diese Werte nicht immer konsequent gelebt und man sie sogar gelegentlich in Frage gestellt hat. Selbstverständlich darf man die christliche Identität Amerikas nicht als ein Synonym katho- 504 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lischer Identität betrachten. Die Existenz anderer christlicher Konfessionen, die je nach Gegend bald mehr, bald weniger vertreten sind, läßt die Ökumene als besonders dringend erscheinen, um so die Einheit aller, die an Christus glauben, zu suchen <47>. <47> Vgl. Proposüin, 61. Früchte der Heiligkeit 15. Ausdruck und beste Frucht der christlichen Identität Amerikas sind seine Heiligen. In ihnen ist die Begegnung mit dem lebendigen Christus „so tief und anspruchsvoll ..., dass sie zum Feuer wird, welches sie gänzlich aufzehrt und sie drängt, sein Reich zu errichten und darauf hinzuwirken, dass er und sein neuer Bund Sinn und Seele ... im Leben eines jeden Einzelnen sowie der ganzen Gemeinschaft seien“ <48>. Amerika hat seit Beginn seiner Evangelisierung die Früchte der Heiligkeit blühen sehen. Das gilt für die hl. Rosa von Lima (1586-1617), „der ersten Blume der Heiligkeit in der Neuen Welt“ <49>. Sie wurde 1670 von Papst Clemens X. zur Hauptpatronin Amerikas erklärt. Nach ihr wuchs der amerikanische Heiligenkalender bis zu seinem heutigen Umfang an <50>. Die Selig- und Heiligsprechungen, durch die so viele Söhne und Töchter dieses Kontinents zur Ehre der Altäre erhoben wurden, sind heroische Beispiele christlicher Lebensführung innerhalb verschiedener Lebensumstände und Lebensbereiche. Durch ihre Selig- und Heiligsprechung anerkennt die Kirche in ihnen mächtige Fürsprecher, die mit Jesus Christus, dem Hohepriester in Ewigkeit und Mittler zwischen Gott und den Menschen, vereint sind. Die Seligen und Heiligen Amerikas begleiten in brüderlicher Fürsorge die Männer und Frauen ihres Landes, die in Freud und Leid der endgültigen Begegnung mit dem Herrn entgegen gehen <51>. Damit die Gläubigen ihrem Beispiel immer öfter folgen und sie noch häufiger und wirkungsvoller anrufen, betrachte ich den Vorschlag der Synodenväter als durchaus angebracht, eine „Sammlung von Kurzbiographien amerikanischer Seliger und Heiliger vorzubereiten. Dies könnte in Amerika die Antwort auf die universale Berufung zur Hei- <48> Ebd., 29. <49> Vgl. Klemens X., Bulle Sacrosancti apostolatus cura (11. August 1670), § 3: Bullarium Romanum, 26/VU, 42. 33 U. a. sind an dieser Stelle zu nennen: die Märtyrer Jean de Brebeuf und seine sieben Begleiter, der hl. Roque Gonzalez; die hl. Elisabeth Ann Seton, die hl. Marguerite Bourgeoys, der hl. Pedro Claver, der hl. Juan del Castillo, die hl. Rose Philippine Duchesne, die hl. Marguerite d’ Youville, der hl. Francisco Febres Cordero, die hl. Teresa Femändez Solar de los Andes, der hl. Juan Macias, der hl. Toribio de Mogrovejo, der hl. Ezequiel Moreno Dlaz, der hl. Johann Nepomuk Neumann, die hl. Maria Anna de Jesus Paredes Flores, der hl. Martin de Porres, der hl. Alfonso Rodriguez, der hl. Francisco Solano, die hl. Francesca Saveria Cabrim, der sei. Jose de Anchieta, der sei. Pedro de San Jose Betancur, der sei. Juan Diego, die sei. Katherine Drexel, die sei. Maria Encarnaciön Rosal, der sei. Rafael Guizar Valencia, die sei. Dina Belanger, der sei. Alberto Hurtado Cruchaga, der sei. Elias del Socorro Nieves, die sei. Maria Francisca de Jesus Rubatto, die sei. Mercedes de Jesus Molina, die sei. Narcisa de Jesus Martillo Morän, der sei. Miguel Augustin Pro, die sei. Maria de San Jose Alvarado Cardozo, der sei. Junipero Serra, die sei. Kateri Tekawitha, die sei. Laura Vicuna, der sei. Antonio de Sant’ Anna Galvao sowie viele andere Selige, die von den Völkern Amerikas mit Glauben und Ehrfurcht angerufen werden (vgl. Instrumentum laboris, 17). <51> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 50. 505 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ligkeit erhellen und anregen“ <52>. Unter ihren Heiligen „kennt die Geschichte der Evangelisierung Amerikas zahlreiche Märtyrer und Märtyrerinnen, Bischöfe und Priester, Ordensleute und Laien ..., die mit ihrem Blut den Boden dieser Nationen tränkten. Sie regen uns wie eine Wolke von Zeugen (vgl. Hebr 12,1) an, heute die Neuevangelisierung ohne Furcht und mit Eifer auf uns zu nehmen.“ <53>. Die Beispiele ihrer Hingabe an das Evangelium dürfen nicht nur nicht in Vergessenheit geraten, sondern sie müssen unter den Gläubigen dieses Kontinents noch stärker bekannt gemacht und verbreitet werden. Diesbezüglich schrieb ich im Apostolischen Schreiben Tertio millenio adveniente: Es „muß von den Ortskirchen alles unternommen werden, um durch das Anlegen der notwendigen Dokumentation nicht die Erinnerung zu verlieren an diejenigen, die das Martyrium erlitten haben“ <54>. <52> Propositio, 31. <53> Ebd., 30. <54> Johannes Paul TI.. Apostolisches Schreiben, Tertio millenio adveniente, 10. November 1994, Nr. 37, in: AAS 87(1995)29; vgl. Propositio, 31. Die Volksfrömmigkeit 16. Ein besonderes Merkmal Amerikas ist das Vorhandensein einer Volksfrömmigkeit, die tief in den verschiedenen Völkern verwurzelt ist. Sie ist auf allen Gesellschaftsebenen zu finden, und sie ist von besonderer Bedeutung als Ort der Begegnung mit Christus für alle, die Gott aufrichtig und im Geiste der Armut und Demut des Herzens suchen (vgl. Mt 11,25). Die Ausdrucksweisen dieser Frömmigkeit sind zahlreich: „Die Wallfahrten zu den Heiligtümern, wo Christus, Maria oder die Heiligen verehrt werden, das Gebet für die Seelen im Fegefeuer, der Gebrauch von Sakramentalien [Wasser, Öl, Kerzen ...]. Diese und viele andere Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit bieten den Gläubigen die Gelegenheit, den lebendigen Christus zu finden“ <55>. Die Synodenväter haben die Dringlichkeit unterstrichen, in diesen Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit die wahren geistigen Werte zu entdecken, um sie durch die genuine katholische Glaubenslehre zu bereichern, so dass diese Frömmigkeit zu aufrichtiger Umkehr und konkreter Erfahrung der Nächstenliebe führt <56>. Die Volksfrömmigkeit trägt, wenn sie in rechter Weise ausgerichtet wird, auch dazu bei, dass in den Gläubigen das Bewusstsein ihrer Zugehörigkeit zur Kirche wächst, indem sie nämlich ihren Eifer stärkt und ihnen auf diese Weise eine gültige Antwort auf die aktuellen Herausforderungen der Verweltlichung bietet <57>. <55> Propositio, 21. <56> Vgl. ebd. <57> Vgl. ebd. Da in Amerika die Volksfrömmigkeit ein Ausdruck der Inkulturation des katholischen Glaubens ist und viele ihrer Ausdrucksweisen autochthone religiöse Formen aufgegriffen haben, sollte man die Möglichkeit hervorheben, aus ihnen in weiser 506 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vorsicht eine gültige Anleitung zur besseren Inkulturation des Evangeliums zu gewinnen <58>. Dies ist besonders unter der indianischen Bevölkerung wichtig, damit „die Samenkörner des Wortes“ innerhalb ihrer Kulturen zur Fülle in Christus gelangen <59>. Dasselbe gilt für die Amerikaner afrikanischer Herkunft: die Kirche „anerkennt, dass sie die Pflicht hat, auf diese Amerikaner von ihrer je eigenen Kultur her zuzugehen und ernsthaft den geistigen und menschlichen Reichtum dieser Kultur zu berücksichtigen, welche die Art und Weise prägt, ihren Kult zu begehen, ihren Sinn für Fröhlichkeit und Solidarität sowie ihre Sprache und Traditionen hervorzuheben“ <60>. Vgl. ebd. Vgl. ebd., 18. Ebd., 19. Orientalisch-katholische Präsenz in Amerika 17. Die bis in unsere heutige Zeit andauernde Einwanderung in Amerika ist seit Beginn der Evangelisierung so etwas wie eine Konstante in seiner Geschichte geworden. Innerhalb dieses komplexen Phänomens muss man hervorheben, dass bestimmte Regionen Amerikas in der letzten Zeit zahlreiche Mitglieder orientalisch-katholischer Kirchen aufgenommen haben, die aus verschiedenen Gründen ihre Ursprungsländer verlassen haben. Eine erste Einwanderungswelle erfolgte vor allem aus der Westukraine. Später hat sich diese Auswanderungsbewegung auch auf die Länder des Mittleren Ostens ausgeweitet. So entstand die pastorale Notwendigkeit, eine katholisch-orientalische Hierarchie für diese Einwanderer und ihre Nachkommen zu errichten. Die auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil erlassenen Normen, an die die Synodenväter erinnerten, anerkennen: die katholischen Ostkirchen „haben das volle Recht und die Pflicht, sich jeweils nach ihren eigenen Grundsätzen zu richten“, da sie beauftragt sind, von einer altehrwürdigen lehrmäßigen, liturgischen und monastischen Tradition Zeugnis abzulegen. Andererseits müssen besagte Kirchen ihre eigenen Disziplinen bewahren, weil diese „den Gewohnheiten ihrer Gläubigen besser entsprechen und der Sorge um das Seelenheil angemessener erscheinen“ <61>. Wenn die universale ekklesiale Gemeinschaft der „Synergia“ [des Zusammenwirkens] zwischen den Teilkirchen des Ostens und Westens bedarf, um mit beiden Lungen atmen zu können, muss man sich in der Hoffnung, dies eines Tages einmal gänzlich durch die vollkommene Einheit zwischen der katholischen Kirche und den getrennten Ostkirchen <62> tun zu können, darüber freuen, dass in der jüngsten Zeit neben den seit Anbeginn dort ansässigen Kirchen lateinischer Tradition auch Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Orientalium Ecclesiarum, Über die katholischen Ostkirchen, Nr. 5; vgl. Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, Canon 28; Propositio, 60. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris Mater, 25. März 1987, Nr. 34; AAS 79(1987)406; Bischofssynode, Sonderversammlung für Europa, Ut festes simus Christi qui nos liberavit, 13. Dezember 1991, III, 7; Ench. Vat. 13, 647-652. 43 44 45 46 47 507 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Ostkirchen einen Platz eingenommen haben, denn so kommt die Katholizität der Kirche des Herrn noch besser zum Ausdruck <63>. <63> Vgl. Propositio, 60. Die Kirche im Bereich der Erziehung und des Sozialwesens 18. Unter den Faktoren, die den Einfluss der Kirche bei der christlichen Erziehung in Amerika begünstigen, ist ihre starke Präsenz im Bildungswesen hervorzuheben. Das gilt ganz besonders für den wissenschaftlichen Bereich. Die zahlreichen über den Kontinent verteilten katholischen Universitäten stellen ein Charakteristikum des kirchlichen Lebens in Amerika dar. Auf gleiche Weise bietet der Unterricht in den zahlreichen katholischen Grundschulen und höheren Lehranstalten die Möglichkeit zur Evangelisierung im großen Rahmen, wobei dieser stets vom entschiedenen Willen begleitet werden muss, eine wirklich christliche Erziehung zu ermöglichen <64>. <64> Vgl. ebd., 23 und 24. Ein weiterer wichtiger Bereich, in dem die Kirche in ganz Amerika präsent ist, ist die Caritas und das Sozialwesen. Die vielfältigen Initiativen zur Betreuung von alten, kranken und hilfsbedürftigen Menschen in Altenheimen, Krankenhäusern, ambulanten Krankenstationen, kostenlosen Essensausgaben und anderen Sozialeinrichtungen sind ein greifbares Zeugnis der besonderen Liebe zu den Armen, welches die Kirche in Amerika aus Liebe zu ihrem Herrn ablegt in dem Bewusstsein, dass „Jesus sich mit ihnen identifiziert hat (vgl. Mt 25,31^16)“ <65>. Bei dieser Aufgabe, die keine Grenzen kennt, verstand es die Kirche, ein Bewusstsein für konkrete Solidarität zwischen den verschiedenen Gemeinschaften des Kontinents sowie auf weltweiter Ebene zu schaffen. Auf diese Weise manifestierte sie ihre Brüderlichkeit, welche die Christen überall und immer auszeichnen muss. <65> Ebd., 73. Der Dienst an den Armen muss, um dem Evangelium zu entsprechen und um eine evangelisierende Dimension anzunehmen, ein treues Abbild des Handelns Jesu sein, der kam, damit er „den Armen eine gute Nachricht bringe“ {Lk 4,18). Wenn das in diesem Geist geschieht, wird dieser Dienst zu einer Bekundung der unendlichen Liebe Gottes zu allen Menschen. So wird auf vielsagende Weise die Hoffnung auf das Heil weitergegeben, das Christus in die Welt gebracht hat und das besonders dann aufleuchtet, wenn es den von der Gesellschaft Verlassenen und Ausgestoßenen gebracht wird. Diese ständige Fürsorge für die Armen und Mittellosen kommt in der Soziallehre der Kirche zum Ausdruck, die nicht müde wird, die christliche Gemeinschaft einzuladen, sich für die Überwindung jeglicher Form von Ausbeutung und Unterdrückung einzusetzen. Denn es geht ja wirklich nicht nur darum, die schlimmsten und dringlichsten Nöte durch individuelle und sporadische Aktivitäten zu lindem, sondern auch dämm, die Wurzel des Übels zu benennen, indem man solche Eingriffe 508 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vorschlägt, die den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen eine gerechtere und solidarischere Gestalt verleihen. Wachsende Beachtung der Menschenrechte 19. Im Hinblick auf die Zivilgesellschaft ist unter den positiven Aspekten im heutigen Amerika zu nennen, dass sich auf dem ganzen Kontinent immer mehr demokratische Systeme etablieren und es immer weniger Diktaturen gibt, eine Tendenz, die unmittelbare moralische Auswirkungen hat. Die Kirche verfolgt diese Entwicklung mit Freude, in dem Maße, in dem dies immer mehr einer erkennbaren Beachtung der Menschenrechte eines jeden Einzelnen zu Gute kommt. Hierzu zählen auch Strafgefangene und Verurteilte, bei denen eine Anwendung von Inhafitierungs- und Verhörmethoden, welche die Menschenrechte verletzen - und hierbei denke ich konkret an die Folter - unrechtmäßig ist. In der Tat „ist der Rechtsstaat die notwendige Bedingung zur Schaffung einer echten Demokratie“ <66>. Andererseits bringt für die Bürger, besonders für die Führungsschicht, die Existenz eines Rechtsstaates die Überzeugung mit sich, dass die Freiheit nicht von der Wahrheit zu trennen ist <67>. In der Tat werfen die ernsthaften Probleme, welche die Würde der menschlichen Person, Familie, Ehe und Erziehung, Wirtschaft und Arbeitsbedingungen, Lebensqualität und das Leben selbst bedrohen, die Frage nach dem Recht auf <68>. Die Synodenväter haben daher unterstrichen, dass „die grundlegenden Rechte der menschlichen Person in deren eigene Natur eingeschrieben sind. Sie sind gottgewollt und erfordern daher Befolgung und universale Akzeptanz. Keine menschliche Autorität darf sie unter Berufung auf die Mehrheit oder auf politischen Konsens mit dem Vorwand übertreten, dass man so dem Pluralismus und der Demokratie Achtung zollt. Daher muß sich die Kirche für die Ausbildung und Begleitung der Laien einsetzen, die in den gesetzgebenden Organen, in der Regierung und in der Rechtsverwaltung tätig sind, so dass die Gesetze stets die moralischen Prinzipien und Werte zum Ausdruck bringen, die mit einer gesunden Anthropologie konform gehen und das Allgemeinwohl voranstellen“ <69>. <66> Ebd., 72; vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus, 1. Mai 1991, Nr. 46, in: AAS 83(1991)850. <67> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Europa, Ul testes simus Christi qui nos liberavit, 13. Dezember 1991, III, 7: Euch. Vat. 13, 647-652. <68> Propositio, 72. <69> Ebd. Das Phänomen der Globalisierung 20. Ein Merkmal der heutigen Welt ist die Tendenz zur Globalisierung, einem Phänomen, das, wenn es auch nicht ein ausschließlich amerikanisches ist, doch eher in Amerika zu finden ist und dort größere Auswirkungen hat. Es handelt sich dabei um einen Prozess, der sich aufgrund der größeren weltweiten Kommunikati- 509 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN onsmöglichkeiten immer mehr durchsetzt und praktisch zur Überwindung der Entfernung fuhrt, was in den verschiedensten Bereichen deutliche Auswirkungen hat. Vom ethischen Standpunkt aus kann dies sowohl positiv als auch negativ gewertet werden. Tatsache ist, dass wir es mit einer wirtschaftlichen Globalisierung zu tun haben, die - z. B. mit der Förderung der Leistungsfähigkeit und Produktionssteigerungen - verschiedene positive Folgen mit sich bringt, und die mit der Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den verschiedenen Ländern den Prozess der Einheit unter den Völkern verstärkt sowie den Dienst an der Menschheitsfamilie verbessern kann. Doch wenn sich die Globalisierung lediglich nach den Marktgesetzen richtet, die zum Vorteil der Mächtigen angewandt werden, wird sie negative Konsequenzen haben, wie z. B. die, dass der Wirtschaft ein absoluter Wert beigemessen wird. Weitere negative Folgen sind die Arbeitslosigkeit, die Verringerung und Verschlechterung der öffentlichen Daseinsvorsorge, die Zerstörung der Umwelt und der Natur, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und der ungerechte Wettbewerb, der die armen Länder in eine immer gravierendere Situation der Minderwertigkeit stürzt <70>. Obschon die Kirche die positiven Werte anerkennt, welche die Globalisierung mit sich bringt, schaut sie doch auch beunruhigt auf die sich daraus ergebenden negativen Aspekte. <70> Vgl. ebd., 74. Und was soll man erst über die kulturelle Globalisierung sagen, die von den übermächtigen Massenmedien herrührt? Diese diktieren überall neue Wertmaßstäbe, die oftmals willkürlich und im Grunde materialistisch sind. Angesichts dieser neuen Wertmaßstäbe ist es sehr schwierig, eine lebendige Treue zu den Werten des Evangeliums aufrecht zu erhalten. Die zunehmende Landflucht 21. Das Phänomen der Landflucht nimmt auch in Amerika immer mehr zu. Seit einigen Jahrzehnten erlebt der Kontinent eine kontinuierliche Abwanderung vom Land in die Stadt. Es handelt sich dabei um ein ziemlich komplexes Phänomen, das bereits mein Vorgänger Paul VI. beschrieben hat <71>. Es gibt verschiedene Gründe für dieses Phänomen, doch sticht dabei hauptsächlich die Armut und die Unterentwicklung der ländlichen Gegenden hervor, wo häufig öffentliche Einrichtungen, Verkehrsmöglichkeiten und Einrichtungen des Bildungs- und Gesundheitswesens fehlen. Außerdem übt die Stadt durch ihr Unterhaltungsangebot und den Wohlstand - ein Bild, das häufig von den Medien vermittelt wird - eine besondere Anziehungskraft auf die einfachen ländlichen Bevölkerungsschichten aus. <71> Vgl. Paul VI. , Apostolisches Schreiben Octogesima adveniens, 14. Mai 1971, Nm. 8-9; in: AAS 63 (1971) 406-408. Die häufig ausbleibende Planung bei diesem Prozess ist der Grund vieler Übel. Die Synodenväter hoben hervor, „dass in gewissen Fällen einige Stadtbereiche regelrechte Inseln sind, wo sich Gewalt und Jugendkriminalität häufen und sich eine 510 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Atmosphäre der Verzweiflung breit macht“ <72>. Das Phänomen der Landflucht stellt auch eine große Herausforderung an die Seelsorge der Kirche dar, die sich mit der kulturellen Entwurzelung, mit dem Verlust vertrauter Bräuche und der Abkehr von den eigenen religiösen Traditionen auseinanderzusetzen hat. All das führt nicht selten zu einem Scheitern des Glaubens, der nämlich so seiner Äußerungsformen beraubt wurde, die ihm als dessen Stütze dienten. <72> Propositio, 35. Es ist also eine drängende Herausforderung für die Kirche, die städtische Kultur zu evangelisieren. Sie ist heutzutage aufgerufen, durch Katechese, Liturgie und die eigenen seelsorglichen Strukturen die Städte systematisch und flächendeckend zu evangelisieren, wie sie es auch jahrhundertelang verstanden hat, die ländliche Kultur zu evangelisieren <73>. <73> Vgl. ebd. Die Last der Auslandsschulden 22. Die Synodenväter haben ihrer Sorge über die Auslandsschulden Ausdruck verliehen, die viele Länder in Amerika belasten. Das kommt einer Solidaritätsbekundung mit diesen Ländern gleich. Sie lenken zu Recht die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung auf die Komplexität dieses Themas und anerkennen, „dass diese Schulden häufig das Ergebnis von Korruption und schlechter Verwaltung sind“ <74>. Es entspricht nicht dem Geist synodaler Reflexion, durch diese Erkenntnis die gesamte Verantwortung eines Phänomens auf einen einzigen Pol konzentrieren zu wollen, welches von seinem Ursprung her und auch, was seine Lösung anbelangt, äußerst komplex ist <75>. <74> Ebd., 75. <75> Vgl. Päpstliche Kommission für Gerechtigkeit und Frieden, Im Dienste der menschlichen Gemeinschaft: eine ethische Betrachtung der Auslandsschulden, 27. Dezember 1986, in: Erich. Vat. 10, 1045-1128. In der Tat zählen zu den vielseitigen Gründen, die zu einer so hohen Auslandsverschuldung geführt haben, nicht nur die hohen Zinsen, die Folge einer spekulativen Finanzpolitik, sondern auch die Verantwortungslosigkeit einiger Regierungspolitiker, die bei der Aufnahme der Schulden nicht genügend über die reellen Möglichkeiten der Rückzahlung nachgedacht haben. Erschwerend kommt noch hinzu, dass aus internationalen Geldanleihen stammende ungeheure Summen manchmal zur persönlichen Bereicherung einiger Personen dienten, anstatt zur Förderung der für die Entwicklung des Landes notwendigen Veränderungen. Es wäre aber ungerecht, dass diese unverantwortlichen Entscheidungen auf denen lasten, die sie nicht getroffen haben. Der Emst der Situation wird noch verständlicher, wenn man in Betracht zieht, dass „schon allein die Abzahlung der Zinsen die Wirtschaft der armen Länder stark belastet, und den Staaten dadurch das für die soziale Entwicklung, für 511 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Bildungs- und Gesundheitswesen und das für die Schaffung von Arbeitsplätzen notwendige Geld fehlt“ <76>. <76> Propositio, 15. Die Korruption 23. Die Korruption hat häufig die belastenden Auslandsschulden mit verursacht und ist ein schwerwiegendes Problem, das sorgfältig erörtert werden muß. Die Korruption „betrifft uneingeschränkt alle, die an der Machtausübung in der Öffentlichkeit und im privaten Bereich beteiligt sind sowie alle, die mit Führungspositionen betraut wurden“. Es handelt sich dabei um eine Situation, die „das Ausbleiben von Strafverfolgungsmaßnahmen, das Eintreten unrechtmäßiger Bereicherung sowie den Vertrauensschwund gegenüber politischen Einrichtungen begünstigt, was besonders im Rechtswesen und bei öffentlichen, nicht immer eindeutigen und für alle gleichen und effizienten Investitionen zu Tage tritt“ <77>. <77> Ebd., 37. Diesbezüglich möchte ich daran erinnern, was ich in der Botschaft zum Weltfriedenstag 1998 geschrieben habe, dass nämlich die Plage der Korruption angezeigt und von der Obrigkeit mutig und unter der „hochherzigen Mithilfe aller Bürger, die von einem ausgeprägten moralischen Gewissen gestützt sind“ <78>, bekämpft werden muß. Hinzu kommen müssen adäquate Kontrollmechanismen und mehr Transparenz bei wirtschaftlichen und finanziellen Transaktionen, welche in vielen Fällen eine Ausbreitung der Korruption verhindern, deren schädliche Folgen ja hauptsächlich die ärmsten und hilflosen Menschen treffen. Es sind außerdem immer die Armen, die zuerst unter dem verspäteten Eingreifen, der Unwirksamkeit, dem Fehlen einer geeigneten Verteidigung und den mangelhaften Strukturen leiden, wenn das Rechtswesen korrupt ist. <78> Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 1998, Nr. 5, in: AAS 90(1998)152. Drogenhandel und Drogenkonsum 24. Drogenhandel und -konsum stellen eine ernsthafte Bedrohung für die sozialen Strukturen in den Ländern Amerikas dar. Dies „trägt zu Verbrechen und Gewalt, zur Zerstörung des Familienlebens sowie zur physischen und emotionalen Zerstörung vieler Menschen und Gemeinschaften bei, vor allem bei den Jugendlichen. Dies zerfrisst die ethische Dimension der Arbeit und trägt zur Erhöhung der Zahl der Strafgefangenen bei; mit einem Wort: es trägt zur Degradierung der als Abbild Gottes geschaffenen Person bei“ <79>. Dieser unheilvolle Handel führt auch „zur Zerstörung von Regierungen, da er die wirtschaftliche Sicherheit und Stabilität der Länder zersetzt“ <80>. Wir haben es hier mit einer der drängendsten Herausforderungen zu tim, mit der sich viele Länder der Erde auseinanderzusetzen haben. Es ist <79> Propositio, 38. <80> Ebd., 38. 512 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dies eine Herausforderung, die die in letzter Zeit erzielten Errungenschaften zum Fortschritt der Menschheit belastet. Für einige Länder Amerikas sind Produktion, Handel und Konsum von Drogen Faktoren, die ihr internationales Ansehen kompromittieren, indem sie ihre Glaubwürdigkeit vermindern und die erwünschte Zusammenarbeit mit anderen Ländern erschweren, die gerade in unseren Tagen für eine harmonische Entwicklung eines jeden Volkes so notwendig ist. Die Sorge um die Umwelt 25. „Gott sah, dass es gut war“ (Gen 1,25). Diese Worte, die wir im ersten Kapitel des Buches Genesis lesen, zeigen den Sinn des göttlichen Schöpfungswerks auf. Der Schöpfer vertraut dem Menschen, der Krönung der gesamten Schöpfung, die Sorge um die Erde an (vgl. Gen 2,15). Daraus ergeben sich für jeden ganz konkrete Verpflichtungen bezüglich der Umwelt, deren Erfüllung voraussetzt, dass man sich einer ethischen und spirituellen Perspektive nicht versperrt, denn nur so können egoistische Lebensauffassungen und „Lebensweisen überwunden werden, die zur Erschöpfung der natürlichen Rohstoffe führen“ <81>. <81> Ebd., 36. Selbst in diesem heute so aktuellen Bereich ist die Mitwirkung der Gläubigen sein-wichtig. Es bedarf einer Zusammenarbeit aller Menschen guten Willens mit den gesetzgebenden Instanzen und der Regierung, um einen wirksamen Umweltschutz zu erzielen, denn diese Umwelt wird als ein Geschenk Gottes betrachtet. Wie viel Missbrauch wird auch in vielen Gegenden Amerikas betrieben, und wie viel Schaden wird auch dort der Umwelt zugefugt! Man denke nur an die unkontrollierte Freisetzung von Giftstoffen oder an das dramatische Phänomen der Waldbrände, die manchmal sogar durch Brandstiftung und aus egoistischem Interesse entstehen. Diese Zerstörungen können nicht wenige Bereiche des amerikanischen Kontinents in totale Wüsten verwandeln, was unvermeidlich zu Hunger und Not führen würde. Das Problem stellt sich besonders intensiv in den Amazonaswäldem, einer immensen Fläche, die verschiedene Länder wie Brasilien, Guyana, Surinam, Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien umfasst <82>. Durch seine biologische Vielfalt ist er einer der am meisten geschätzten natürlichen Lebensräume auf der Welt, da er für das ökologische Gleichgewicht des ganzen Planeten lebensnotwendig ist. <82> Vgl. ebd. 513 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kapitel III Der Weg der Umkehr „Also kehrt um, und tut Buße“ (Apg 3,19) Die Dringlichkeit des Rufes zur Umkehr 26. „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Mit diesen Worten begann Jesus sein Wirken in Galiläa. Sie sollen bei Bischöfen, Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Gläubigen in ganz Amerika immerzu Gehör finden. Sowohl die Feier des fünfhundertsten Jahrestags des Beginns der Evangelisierung Amerikas als auch die Gedenkfeier der zweitausendsten Wiederkehr der Geburt Christi - das Große Jubiläum, das wir bald begehen werden - sind eine Aufforderung, die eigene christliche Berufung zu vertiefen. Die Größe des Ereignisses der Menschwerdung und die Dankbarkeit für das Geschenk der ersten Verkündigung des Evangeliums in Amerika laden uns ein, Christus bereitwillig und durch entschiedenere persönliche Umkehr zu antworten. Gleichzeitig werden wir dadurch angespomt, immer treuer und großherziger das Evangelium zu befolgen. Die Aufforderung Christi zur Umkehr erklingt auch in den Worten des Apostels Paulus: „Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf. Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden“ (Röm 13,11). Die Begegnung mit dem lebendigen Christus drängt also zur Umkehr. Wenn im Neuen Testament von Umkehr gesprochen wird, wird das Wort „metä-noia“ gebraucht, was soviel wie „seine Mentalität ändern“, „umdenken“ bedeutet. Dabei geht es aber nicht nur um eine veränderte Denkweise auf intellektuellem Niveau, sondern um eine Überprüfung des eigenen Verhaltens im Lichte evangelischer Kriterien. Der hl. Paulus spricht diesbezüglich vom „Glauben (...), der in der Liebe wirksam ist“ (Gal 5,6). Deshalb wird echte Umkehr durch die als Gebet praktizierte Lektüre der Heiligen Schrift und den Empfang der Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie vorbereitet und in die Tat umgesetzt. Die Umkehr führt zur brüderlichen Gemeinschaft, da sie zu verstehen hilft, dass Christus das Haupt der Kirche ist, die ihrerseits den mystischen Leib darstellt. Die Umkehr drängt zur Solidarität, da sie uns ins Bewusstsein ruft, dass wir das, was wir den anderen, insbesondere den Bedürftigen tun, Christus tun. Die Umkehr fordert daher eine neue Lebensweise, bei der es keine Trennung zwischen dem Glauben und den Werken gibt, die wir als tägliche Antwort auf den alles umfassenden Ruf zur Heiligkeit vollbringen. Um ernsthaft von Umkehr sprechen zu können, ist es unerlässlich, die Trennung zwischen Glauben und Leben zu überwinden, denn wenn eine solche Trennung besteht, existiert auch das Christentum nur als bloßer Name. Um ein wahrer Jünger des Herrn zu sein, muss ein Gläubiger Zeuge seines eigenen Glaubens sein, denn „der Zeuge legt nicht nur durch seine Worte, sondern durch 514 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sein Leben Zeugnis ab.“ <83> Wir müssen uns daher Jesu Worte vergegenwärtigen: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt“ (Mt 7,21). Sich dem Willen des Vaters zu öffnen, setzt totale Bereitschaft voraus, eine Bereitschaft, die nicht einmal die Hingabe des eigenen Lebens ausschließt: „das größte Zeugnis aber ist das Martyrium“. <84> <83> Bischofssynode, Zweite außerordentliche Generalversammlung, Ecclesia sub Verbo Dei mysteria Christi celebranspro salute mundi, 7. Dezember 1985, II, B, a 2, in: Euch. Vat. 9, 1795. <84> Propositio, 30. Soziale Dimension der Umkehr 27. Die Umkehr ist aber nicht vollkommen, wenn das Bewusstsein für die Anforderungen an ein christliches Leben fehlt, und man sich nicht bemüht, sie zu erfüllen. Diesbezüglich haben die Synodenväter hervorgehoben, dass „sowohl das persönliche als auch das kollektive Engagement für eine intensivere Umkehr und für die Beziehungen zwischen den verschiedenen kirchlichen Bereichen, Institutionen und Gruppierungen leider sehr mangelhaft ausfällt“. <85> „Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht“ (1 Joh 4,20). <85> Ebd., 34. Die Bruderliebe beinhaltet die Sorge um die Bedürfnisse des Nächsten. „Wenn jemand Vermögen hat und sein Herz vor dem Bruder verschließt, den er in Not sieht, wie kann die Gottesliebe in ihm bleiben?“ (1 Joh 3,17). Daher bedeutet für die amerikanischen Christen die Umkehr zum Evangelium, „erneut alle Bereiche und Dimensionen des eigenen Lebens, besonders aber all das zu überprüfen, was das Sozialwesen ausmacht und zur Erlangung des Allgemeinwohls beiträgt“. <86> Es ist indes besonders wichtig, „zu erreichen, dass die Gesellschaft sich immer mehr der Würde der ganzen Person bewußt wird und es folglich fertigbringt, dass die menschliche Gemeinschaft immer sensibler für ihre Pflicht wird, am politischen Leben nach den Maßstäben des Evangeliums teilzunehmen“ <87> Dennoch wird man sich vergegenwärtigen müssen, dass die Aktivität im politischen Umfeld zur Berufung und zum Tätigkeitsbereich der Laien gehört. <88> <86> Ebd. <87> Ebd. <88> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 31. Diesbezüglich ist es selbstverständlich von äußerster Wichtigkeit - und dies gilt besonders für eine pluralistische Gesellschaft - sich einen korrekten Begriff von den Beziehungen zwischen Staat und Kirche zu bilden und eindeutig zwischen jenen Handlungen zu unterscheiden, welche die Gläubigen einzeln oder in Gemeinschaft, jedoch in Eigenregie als Bürger und in Übereinstimmung mit ihrem christlichen Gewissen ausüben, und jenen Handlungen, die sie im Namen der Kirche und in Gemeinschaft mit ihren Hirten ausführen. „Die Kirche, die in keiner Weise hinsichtlich ihrer Aufgabe und Zuständigkeit mit der politischen Gemein- 515 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaft verwechselt werden darf noch auch an irgendein politisches System gebunden ist, ist zugleich Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person.“ <89> <89> Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Über die Kirche in der Welt von heute, Nr. 76; vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici, 30. Dezember 1988, Nr. 42, in: AAS 81(1989)472-474. Ständige Umkehr 28. Die Umkehr ist auf dieser Erde ein niemals völlig erreichtes Ziel, und sie stellt für die zur Nachfolge Christi berufenen Menschen eine Aufgabe dar, die das ganze Leben umfasst. Andererseits wissen wir unseren Vorsatz zur Umkehr während unseres Erdenlebens ständig durch die Versuchung bedroht. „Niemand kann zwei Herren dienen“ {Mt 6,24), daher besteht das Umdenken („metänoia“) in dem Bemühen, die Werte des Evangeliums zu übernehmen, die zu den dominierenden Strömungen der Welt im Gegensatz stehen. Es ist also notwendig, „die Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus“ ständig zu erneuern. Er ist der Weg, der „uns zur permanenten Umkehr führt“, <90> wie die Synodenväter hervorgehoben haben. <90> Propositio, 26. Der universale Ruf zur Umkehr nimmt besondere Nuancen für die Kirche in Amerika an, die sich auch für die Erneuerung ihres Glaubens einsetzt. Die Synodenväter haben diese konkrete und anspruchsvolle Aufgabe folgendermaßen formuliert: „Diese Umkehr verlangt besonders von uns Bischöfen eine echte Identifizierung mit der persönlichen Lebensweise Jesu Christi, die uns zur Einfachheit, zur Armut und zur Gottesnähe führt, die uns nicht immer auf den eigenen Vorteil bedacht sein läßt. So werden wir wie er, ohne auf menschliche Mittel zu bauen, aus der Kraft des Heiligen Geistes und des Wortes die ganze Wirksamkeit des Evangeliums schöpfen und in erster Linie für all jene ein offenes Herz behalten, die fern und ausgeschlossen sind.“ <91> Um Hirten nach Gottes Herzen zu sein (vgl. Jer 3,15), ist es unerlässlich, eine Lebensweise anzunehmen, die uns dem ähnlich werden lässt, der von sich selbst gesagt hat: „Ich bin der gute Hirt“ {Joh 10,11). Darauf spielt auch der hl. Paulus an, wenn er schreibt: „Nehmt mich zum Vorbild, wie ich Christus zum Vorbild nehme“ (1 Kor 11,1). <91> Ebd. Vom Heiligen Geist zu einer neuen Lebensweise angeleitet 29. Der Vorschlag zu einer neuen Lebensweise gilt nicht nur für die Hirten, sondern vielmehr für alle in Amerika lebende Christen. Von allen wird erwartet, dass sie eine echte christliche Spiritualität annehmen und vertiefen. „In der Tat versteht man unter dem Begriff Spiritualität die Art und Weise der Lebensführung, wie sie von uns Christen verlangt wird. Spiritualität bedeutet,leben in Christus’ und ,leben im Geiste’. Sie wird im Glauben angenommen, findet in der Liebe ihren Ausdruck, wird durch die Hoffnung belebt und im täglichen Leben der kirchlichen Gemein- 516 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaft umgesetzt.“ <92> ln diesem Sinne versteht man unter Spiritualität - welche das Ziel ist, zu der die Umkehr führt - nicht nur „einen Teil des Lebens, sondern das ganze Leben unter der Leitung des Heiligen Geistes“. <93> Von all den Ausdrucksformen der Spiritualität, die der Christ sich zu eigen machen soll, überwiegt das Gebet. Es „führt dazu, dass man allmählich einen kontemplativen Blick für die Realität bekommt, was einem gestattet, Gott immer und in allem zu erkennen, ihn in allen Menschen zu suchen und zu finden und seinen Willen in allem, was geschieht, zu suchen“. <94> <92> Ebd., 28. <93> Ebd. <94> Ebd. Jeder Christ ist sowohl zum persönlichen als auch zum liturgischen Gebet verpflichtet. „Jesus Christus, das Evangelium des Vaters, macht uns darauf aufmerksam, dass wir ohne ihn nichts vermögen (vgl. Joh 15,5). Er selbst hat sich in den entscheidenden Augenblicken seines Lebens bevor er handelte, an einen einsamen Ort zurückgezogen, um sich ganz dem Gebet und der Betrachtung hinzugeben, und er verlangte von den Aposteln, dasselbe zu tun“. <95> Auch seinen Jüngern rief er ohne Ausnahme in Erinnerung: „Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist“ (Mt 6,6). <95> Ebd., 27. Eine solche, durch das Gebet geprägte, intensive Lebensweise muss den Fähigkeiten und Bedingungen eines jeden Christen angepasst sein, so dass er stets in den verschiedenen Lebenssituationen „zur Quelle der Begegnung mit Jesus Christus zurückkehren kann, um mit dem einen Geist getränkt zu werden (1 Kor 12,13)“ <96>. In diesem Sinne ist die kontemplative Dimension kein Privileg einiger weniger in der Kirche; im Gegenteil: in den Pfarreien, Gemeinschaften und Bewegungen soll eine offene und an der Betrachtung der fundamentalen Glaubenswahrheiten ausgerichtete Spiritualität gefordert werden. Gemeint sind hier die Glaubensgeheimnisse der Dreifaltigkeit, der Menschwerdung des Wortes, der Erlösung der Menschen und weitere große Heilswerke Gottes. <97> <96> Ebd. <97> Vgl. ebd. Die Männer und Frauen, die sich ausschließlich der Betrachtung hingeben, haben in der amerikanischen Kirche eine fundamentale Sendung. Sie sind - so drückt es das Zweite Vatikanische Konzil aus - „eine Zier der Kirche und verströmen himmlische Gnaden“. <98> Daher müssen die Klöster, die weit und breit auf dem ganzen Kontinent verstreut sind, „den Hirten ganz besonders am Herzen liegen, deren tiefste Überzeugung es sei, dass die Seelen, die sich ganz dem kontemplativen <98> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Peifectae caritatis, Über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens, Nr. 7; vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, 25. März 1996, Nr. 8, in: AAS 88(1996)382. 517 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leben hingeben, durch Gebet, Buße und Betrachtung - denn dafür weihen sie ihr Leben - reiche Gnaden erwirken. Die in kontemplativen Klöstern lebenden Ordensleute müssen sich darüber bewußt sein, dass sie in die Mission der Kirche in dieser Welt integriert sind und dass sie durch ihr eigenes Lebenszeugnis zum Seelenheil der Gläubigen beitragen; denn so suchen diese in ihrem täglichen Leben nach dem Antlitz Gottes“. <99> <99> Propositio, 27. Christliche Spiritualität wird vor allem durch einen häufigen Sakramentenempfang genährt, da die Sakramente die Wurzel und unversiegbare Quelle der Gnade Gottes sind. Ihrer bedürfen die Gläubigen, um sich auf ihrer irdischen Pilgerschaft zu laben. Eine solche Lebensweise muss auch durch die Werte der Volksffömmigkeit geprägt sein, die durch die sakramentale Praxis bereichert werden und so weit davon entfernt sind, zu bloßer Routine zu erstarren. Jedoch steht die Spiritualität der sozialen Dimension des christlichen Engagements nicht entgegen, im Gegenteil: die Gläubigen werden sich durch ihr Gebetsleben mehr der Anforderungen des Evangeliums und der Verpflichtung ihren Brüdern und Schwestern gegenüber bewusst, denn durch das Gebet erlangen sie die unerlässliche Gnadenkraft, um im Guten auszuharren. Damit der Christ zu geistiger Reife gelangt, soll er auf den Rat und die geistige Leitung der geweihten Diener oder anderer, in diesem Bereich erfahrener Personen, hören. Dies ist eine Praxis, die seit alters in der Kirche ausgeübt wird. Die Synodenväter hielten es für notwendig, den Priestern diesen so wichtigen Dienst ans Herz zu legen. <100> <100> Vgl. ebd., 28. Universale Berufung zur Heiligkeit 30. „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig“ (Lev 19,2). Die Sonder-versammlung der Bischofssynode für Amerika wollte alle Christen mit Nachdruck an die große Bedeutung der Lehre über die universale Berufung zur Heiligkeit in der Kirche erinnern. <101> Es handelt sich dabei um eines der zentralen Anliegen der dogmatischen Konstitution über die Kirche des Zweiten Vatikanischen Konzils. <102> Die Heiligkeit ist das Ziel der Umkehr, denn diese „existiert nicht um ihrer selbst willen, sondern sie führt zu Gott, der heilig ist. Heilig zu sein heißt, Gott nachzuahmen und seinen Namen durch die Werke, die wir in unserem Leben vollbringen, zu verherrlichen (vgl. Mt 5,16)“. <103> Auf dem Weg zur Heiligkeit ist Jesus Christus unser Bezugspunkt und das nachzuahmende Vorbild: Er ist „der Heilige Gottes und wurde als dieser erkannt (vgl. Mk 1,24). Er selbst lehrt uns, dass das Herz der Heiligkeit die Liebe ist, die es sogar fertigbringt, dass man sein Leben für die ande- <101> Vgl. ebd., 29. <102> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 5; vgl. Bischofssynode, Zweite außerordentliche Generalversammlung, Ecclesia sub Verbo Dei mysteria Christi celebranspro salute mundi, 7. Dezember 1985, II, A, 4-5, in: Euch. Vat. 9, 1791-1793. <103> Propositio, 29. 518 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ren hingibt (vgl. Joh 15,13). Die Heiligkeit Gottes nachzuahmen, so wie sie in Christus, seinem Sohn, offenbar wurde, bedeutet daher nichts anderes als seine Liebe auf die Geschichte auszuweiten, besonders im Hinblick auf die Armen, Kranken und Bedürftigen (vgl. Lk 10,25 ff.)“. <104> <104> Ebd. Jesus — der einzige Weg zur Heiligkeit 31. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ {Joh 14,6). Mit diesen Worten stellt sich Jesus als den einzigen Weg dar, der zur Heiligkeit führt. Jedoch gelangt man hauptsächlich durch das Wort Gottes, das die Kirche durch ihren Predigtdienst verkündet, zur konkreten Kenntnis der Wegstrecke. Daher „muß die Kirche in Amerika großen Wert auf die von allen Gläubigen zu praktizierende betende Betrachtung der Heiligen Schrift legen“. <105> Diese Lektüre der Bibel, begleitet durch das Gebet, ist in der kirchlichen Tradition als „Lectio divina“ bekannt. Es ist dies eine Praxis, die bei allen Christen gefordert werden soll. Für die Priester muss sie ein grundlegendes Element bei der Predigtvorbereitung, besonders der Sonntagspredigt, bilden. <106> <105> Ebd., 32. <106> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Öles Domini, 31. Mai 1998, Nr. 40, in: AAS 90(1998)738. Buße und Versöhnung 32. Die Umkehr [„metänoia“], zu der jedermann berufen ist, führt dazu, dass man jene neue Mentalität, die das Evangelium vorgibt, annimmt und sich zu eigen macht. Das heißt aber, die Denk- und Handlungsweise der Welt aufgeben, die oftmals das Dasein beeinflusst. Die Heilige Schrift erinnert daran, dass der alte Mensch sterben und der neue Mensch geboren werden muss, mit anderen Worten: dass alles menschliche Sein erneuert werden muss, und zwar „nach dem Bild seines Schöpfers ..., um ihn zu erkennen“ {Kol 3,10). Auf diesem Weg der Umkehr und Suche nach Heiligkeit „soll auch die Askese gefordert werden, die immer schon zur Praxis der Kirche gehörte und ihren Höhepunkt im Sakrament der Vergebung erreicht, wenn dies mit der richtigen dazugehörigen Einstellung gespendet und empfangen wird“. <107> Nur wer sich mit Gott versöhnt, ist auch Protagonist einer echten Versöhnung mit seinen Brüdern und Schwestern. <107> Propositio, 29. Die derzeitige Krise des Bußsakramentes, von der auch die amerikanische Kirche nicht ausgenommen ist und die seit Beginn meines Pontifikates auch immer Gegenstand meiner Besorgnis war <108>, kann nur durch eine ständige und geduldige Seelsorge überwunden werden. <108> Vgl. Johannes Paul II. Knzyklika Redemptor hominis, 4. März 1979, Nr. 20, in: AAS 71 (1979)309-316. Diesbezüglich fordern die Synodenväter zu Recht, „dass die Priester zur Spendung des Bußsakramentes die nötige Zeit aufwenden, und dass sie die Gläubigen be- 519 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN harrlich und nachdrücklich zum Empfang dieses Sakramentes einladen, ohne dass sie selbst dabei die eigene, häufige Beichte vernachlässigen“. <109> Die Bischöfe und Priester erfahren dabei auf geheimnisvolle Weise die persönliche Begegnung mit Christus, der durch das Bußsakrament Vergebung schenkt. Sie sind privilegierte Zeugen seiner barmherzigen Liebe. <109> Propositio, 34. Zur katholischen Kirche gehören Menschen „aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen“ (Off) 7,9), und sie ist berufen, „in einer Welt, die von ideologischen, ethnischen, wirtschaftlichen und kulturellen Trennungen gezeichnet ist, ein lebendiges Zeichen der Einheit der Menschenfamilie zu sein“. <110> Es gibt in Amerika sowohl im Hinblick auf die komplexe Realität einer jeden Nation und die Vielfalt ethnischer Gruppen als auch im Hinblick auf die Merkmale, die den ganzen Kontinent auszeichnen, viele Unterschiede, die nicht ignoriert werden dürfen, sondern die man in Betracht zu ziehen hat. Dank einer wirkungsvollen Integrierungsarbeit bei allen zum Volk Gottes gehörigen Menschen sowie bei den Teilkirchen in den verschiedenen Ländern können die Unterschiede von heute auch zu einer Quelle gegenseitiger Bereicherung werden. Die Synodenväter sagen zu Recht, dass es „äußerst wichtig sei, dass die Kirche in ganz Amerika ein lebendiges Zeichen einer versöhnten Gemeinschaft und einen permanenten Aufruf zur Solidarität darstellt. Sie soll ein immerwährendes Zeugnis in unseren verschiedenen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systemen bilden“ <111>. Es ist dies ein bedeutender Beitrag, den die Gläubigen zur Einheit des amerikanischen Kontinents leisten können. <110> Ebd. <111> Ebd. Kapitel IV Weg zur Gemeinschaft „ Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein “ (Joh 17,21) Die Kirche - das Sakrament der Gemeinschaft 33. „Angesichts einer geteilten und nach Einheit verlangenden Welt ist es notwendig, freudig und fest im Glauben zu verkünden, dass Gott Gemeinschaft ist; er ist Vater, Sohn und Heiliger Geist; er ist die Einheit in der Verschiedenheit; er beruft alle Menschen zur Teilhabe an dieser dreifältigen Gemeinschaft. Es ist notwendig, zu verkünden, dass diese Gemeinschaft das großartige Projekt Gottes, des Vaters, ist, und dass der menschgewordene Jesus Christus der Mittelpunkt dieser Gemeinschaft ist und der Heilige Geist ständig wirkt, um Gemeinschaft zu schaffen oder sie wieder herzustellen, falls sie zerstört worden ist. Es ist auch notwendig, zu verkünden, dass die Kirche Zeichen und Werkzeug der von Gott gewollten Gemein- 520 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaft ist, die in der Zeit begonnen hat und zur Vollendung geführt wird, wenn das Reich erfüllt sein wird“ <112>. Die Kirche ist Zeichen dieser Gemeinschaft, weil ihre Glieder wie Rebzweige am Leben Christi, dem wahren Leben, teilhaben (vgl. Joh 15,5). Tatsächlich treten wir ja auch durch die Gemeinschaft mit Christus, dem Haupt des mystischen Leibes, in lebendige Gemeinschaft mit allen Gläubigen. <112> Ebd., 40; vgl. Zweites Vatikanisches Konzil; Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 2. Diese in der Kirche existierende und ihrer Natur nach wesentliche Gemeinschaft <113> muss durch konkrete Zeichen sichtbar werden. „Solche Zeichen können sein: das gemeinsame Gebet für andere, verstärkte Beziehungen zwischen den Bischofskonferenzen, die Verbindung unter den Bischöfen, brüderliche Beziehungen zwischen den Diözesen und den Pfarreien und die gegenseitige Kommunikation zwischen den Pastoralagenten für besondere missionarische Aufgaben“ <114>. Kirchliche Gemeinschaft heißt auch, das Glaubensgut in seiner Reinheit und in seinem vollen Umfang zu bewahren, was auch für die Einheit der Bischöfe unter der Autorität des Nachfolgers Petri gilt, ln diesem Zusammenhang haben die Synodenväter hervorgehoben, dass „die Stärkung des petrinischen Amtes grundlegend für die Bewahrung der kirchlichen Einheit ist“, und dass „die volle Ausübung des Primates Petri grundlegend für die Identität und Vitalität der Kirche in Amerika ist“ <115>. Es entspricht dem Auftrag des Herrn, dass Petras und seine Nachfolger die Brüder im Glauben stärken (vgl. Lk 22,32) und die ganze Herde Christi weiden sollen (vgl. Joh 21,15-17). So ist der Nachfolger des Apostelfürsten berufen, der Fels zu sein, auf dem die Kirche erbaut ist, und das daraus hervorgegangene Amt des Verwalters der Schlüssel des Himmelreiches auszuüben (vgl. Mt 16,18-19). Der Stellvertreter Christi ist also „dauerhaftes Prinzip dieser ... Einheit und ein sichtbares Fundament“ der Kirche <116>. <113> Vgl. Kongregation ftir die Glaubenslehre, Brief Communis notio an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Gemeinschaf, 28. Mai 1992, 3-6, in: AAS 858(1993)839-841. <114> Propositio, 40. <115> Ebd. <116> Erstes Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor aetemus, Über die Kirche Christi, Prolog: £>5 3051. Christliche Initiation und Gemeinschaft 34. Die Gemeinschaft wird in der Kirche durch die christlichen Initiationssakramente der Taufe, der Firmung und der Eucharistie erlangt. Die Taufe ist „das Tor zum geistlichen Leben ... Durch sie werden wir nämlich zu Gliedern Christi und dem Leib der Kirche zugehörig“ <117>. Beim Empfang der Firmung werden die Getauften „vollkommener der Kirche verbunden und mit einer besonderen Kraft des Heiligen Geistes ausgestattet. So sind sie in strengerer Weise verpflichtet, den Glauben als wahre Zeugen Christi in Wort und Tat zugleich zu verbreiten und zu <117> Konzil von Florenz, Unionsbulle Exsultate Deo, 22. November 1439, in: DS 1314. 521 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verteidigen“ <118>. Der Prozess der christlichen Initiation wird vervollständigt und erfährt seinen Höhepunkt im Empfang der Eucharistie, wodurch der Getaufte vollkommen in den Leib Christi eingegliedert wird <119>. <118> Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 11. <119> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Über Dienst und Leben der Priester, Nr. 5. „Diese Sakramente sind eine ausgezeichnete Gelegenheit für eine gute Evangelisierung und Katechese, wenn die Vorbereitung durch gläubige und kompetente Lehrer stattfindet“ <120>. Wenn auch in den verschiedenen amerikanischen Diözesen große Fortschritte bei der Vorbereitung auf die Sakramente christlicher Initiation erzielt wurden, beklagten die Synodenväter doch, dass es immer noch „sehr viele Menschen gibt, die diese Sakramente ohne hinreichende Unterweisung empfangen“ <121>. Im Falle der Kindertaufe sollte man sich auf jeden Fall bemühen, die Eltern und Paten zu unterweisen. 103 Propositio, 41. <121> Ebd. Die Eucharistie — Mittelpunkt der Gemeinschaft mit Gott und den Brüdern und Schwestern 35. Die Realität der Eucharistie erschöpft sich nicht in der Tatsache, das Sakrament zu sein, mit dem die christliche Initiation ihren Höhepunkt erfährt. Während die unwiederholbaren Sakramente der Taufe und Firmung <122> die Funktion erfüllen, in das Leben der Kirche einzuführen, ist die Eucharistie weiterhin der lebendige und ständige Mittelpunkt, worum sich die ganze kirchliche Gemeinschaft versammelt <123>. Die verschiedenen Aspekte dieses Sakraments zeigen seinen unerschöpflichen Reichtum auf. Es ist gleichzeitig Sakrament-Opfer, Sakrament-Gemeinschaft und Sakrament-Gegenwart <124>. <122> Vgl. Konzil von Trient, VII. Session, Dekret über die Sakramente im Allgemeinen, Kan. 9: DS 1609. <123> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 26. <124> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, 4. März 1979, Nr. 20, in: AIS 71(1979)309-316. Die Eucharistie ist der bevorzugte Ort der Begegnung mit dem lebendigen Christus. Deshalb müssen sich die Hirten des Gottesvolkes in Amerika durch Predigt und Katechese bemühen, „der Feier der sonntäglichen Eucharistie neue Kraft zu verleihen, denn sie ist Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens, Unterpfand ihrer Gemeinschaft im Leib Christi und Aufforderung zur Solidarität als Ausdruck des Gebotes des Herrn:,Liebt einander, wie ich euch geliebt habe’ (Joh 13,34)“ <125>. So legen auch die Synodenväter nahe, dass ein solches Bemühen verschiedene grundlegende Dimensionen berücksichtigen muss. Vor allem sollten sich die Gläubigen darüber bewusst werden, dass die Eucharistie ein unermessliches Geschenk ist und sie daher alles tun sollten, aktiv und würdig daran teilzunehmen, zumindest <125> Propositio, 42; vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Dies Domini, 31. Mai 1998, Nr. 69, in: AAS 90(1998)755-756. 522 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aber an Sonn- und Feiertagen. Gleichzeitig müssen aber auch „alle Anstrengungen der Priester unterstützt werden, um diese Teilnahme zu erleichtern und sie in entlegenen Gemeinschaften zu ermöglichen“ <126>. Man wird die Gläubigen auch daran erinnern müssen, dass „die volle, bewusste und aktive Teilnahme an der Eucharistie, wenn auch vom Wesen her verschieden vom Dienst des geweihten Priesters, eine Ausübung des gemeinsamen, in der Taufe empfangenen Priestertums ist“ <127>. Die Notwendigkeit, dass die Gläubigen an der Eucharistie teilnehmen, und die Schwierigkeiten, die vom Priestermangel herrühren, bringen die Dringlichkeit ans Licht, Priesterberufimgen zu fordern <128>. Auch ist es notwendig, der ganzen Kirche in Amerika die „Verbindung, die zwischen der Eucharistie und der Nächstenliebe besteht“ <129>, in Erinnerung zu rufen. Diese Verbindung brachte die Urkirche dadurch zum Ausdruck, dass sie das eucharistische Mahl mit dem „Agape“-Mahl vereinte <130>. Die Teilnahme an der Eucharistie muss zu einer intensiveren caritativen Tätigkeit als Frucht der in diesem Sakrament empfangenen Gnade führen. <126> Propositio, 41. <127> Ebd., 42; Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium, Über die heilige Liturgie, Nr. 14; Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 10. <128> Vgl. Propositio, 42. <129> Ebd., 41. <130> Vgj Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Apostolicam actuositatem, Über das Laienapostolat, Nr. 8. Die Bischöfe — Förderer der Gemeinschaft 36. Die Gemeinschaft in der Kirche muss, besonders weil sie ein Zeichen des Lebens ist, ständig wachsen. Folglich müssen sich die Bischöfe, indem sie sich daran erinnern, dass sie „als einzelne ihr Hirtenamt über den ihnen anvertrauten Anteil des Gottesvolkes“ ausüben <131>, berufen fühlen, die Gemeinschaft in ihren eigenen Diözesen zu fördern, damit die Bemühungen um die Neuevangelisierung in Amerika noch mehr Erfolg haben. Die Bemühungen seitens der Gemeinschaft werden durch die vom Zweiten Vatikanischen Konzil vorgesehenen Organisationen zur Unterstützung der Arbeit der Diözesanbischöfe erleichtert. Diese wurden nach dem Konzil noch detaillierter durch das Kirchenrecht definiert <132>. „Es obliegt dem Bischof, in Zusammenarbeit mit den Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Laien (...) einen gemeinsamen Seelsorgeplan aufzustellen, der organisch aufgebaut ist und an dem alle teilnehmen können. Er soll alle Glieder der Kirche erreichen und an ihr missionarisches Gewissen appellieren“ <133>. * 16 Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 23. <132> Ygj Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Christus Dominus, Über die Hirtenaufgabe der Bischöfe, Nr. 27; Dekret Presbyterorum ordinis, Über Dienst und Leben der Priester, Nr. 7; Paul VI., Motu proprio Ecclesiae sanctae, 6. August 1966, I, 15-17, in: AAS 58(1966)766-767; CIC cc. 495, 502 und 511; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, Canones 264, 271 und 272. Propositio, 43. 523 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jeder Ordinarius muss bei seinen Priestern und Gläubigen das Bewusstsein fördern, dass die Diözese der sichtbare Ausdruck kirchlicher Gemeinschaft ist, die sich am Tisch des Wortes und der Eucharistie um den Bischof versammelt. Dieser seinerseits ist unter dem Römischen Pontifex als dem Haupt mit dem Bischofskollegium verbunden. In ihrer Eigenschaft als Teilkirche hat die Diözese die Aufgabe, die Begegnung aller Glieder des Gottesvolkes mit Christus einzuleiten und zu fördern <134>, und zwar unter Achtung und Förderung der Pluralität und Verschiedenheit, die ja die Einheit nicht behindern, sondern ihr den Charakter einer Gemeinschaft verleihen <135>. Eine vertiefte Kenntnis über das Wesen der Teilkirchen wird natürlich auch den Geist der Teilnahme und gemeinsamen Verantwortung im Leben der diözesanen Organisationen fördern <136>. <134> Vgl. ebd., 45. <135> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communis notio, Über einige Aspekte der Kirche als Gemeinschaft, 28. Mai 1992, Nm. 15-16, in: AAS 85(1993)847-848. <136> Vgl. ebd. Intensivere Gemeinschaft unter den Teilkirchen 37. Die Sonderversammlung der Synode für Amerika, die erste in der Geschichte, welche die Bischöfe des gesamten Kontinents versammelt hatte, wurde von allen als eine besondere Gnade des Herrn für die amerikanische Kirche erfahren. Diese Versammlung stärkte die „communio“, die zwischen den kirchlichen Gemeinschaften des Kontinents bestehen sollte, und zeigte auf, wie notwendig es ist, dass sie auch weiterhin wächst. Die Erfahrungen bischöflicher Gemeinschaft, die sich besonders nach der durch das Zweite Vatikanische Konzil eingeleiteten Konsolidierung und Verbreitung der Bischofskonferenzen häuften, müssen als Begegnungen mit dem lebendigen Christus verstanden werden, der mitten unter den in seinem Namen versammelten Brüdern ist (vgl. Mt 18,20). Die Erfahrung der Bischofssynode zeugte auch vom Reichtum einer Gemeinschaft, die sich über die Grenzen der Bischofskonferenzen hinaus erstreckt. Auch wenn bereits Dialogformen bestehen, die solche Grenzen überwinden, schlagen die Synodenväter vor, die bereits durch die Bischofskonferenzen der verschiedenen amerikanischen Staaten geförderten interamerikanischen Zusammenkünfte als Ausdruck effektiver Solidarität und Ort der Begegnung und des Studiums der gemeinsamen Herausforderungen für die Evangelisierung Amerikas zu verstärken <137>. Ebenso wird es wohl angebracht sein, ganz klar den Charakter solcher Begegnungen zu definieren, so dass sie immer mehr zum Ausdruck der Gemeinschaft aller Hirten werden. Außer diesen weit angelegten Versammlungen kann es, soweit es die Umstände erfordern, auch nützlich sein, spezifische Kommissionen zur Vertiefung der gemeinsamen, ganz Amerika betreffenden Themen zu bilden. Bereiche, in denen es besonders notwendig scheint, „der Zusammenarbeit einen Impuls zu ver- <137> Vgl. Propositio, 44. 524 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN leihen, sind der Austausch in der Seelsorge, die Zusammenarbeit in der Mission, die Erziehung, die Auswanderung und die Ökumene“ <138>. <138> Ebd. Die Bischöfe, die die Pflicht haben, die Gemeinschaft unter den einzelnen Teilkir-chen voranzutreiben, werden die Gläubigen dazu anhalten, die gemeinschaftliche Dimension noch intensiver zu leben und „die Verantwortung zu übernehmen, die Verbindung zu den Ortskirchen in anderen Teilen Amerikas weiter zu entwickeln und zwar im Bereich der Erziehung, der gegenseitigen Verständigung, der brüderlichen Einheit zwischen Pfarreien und Diözesen, der Zusammenarbeit und Entwicklung gemeinsamer Strategien in besonders wichtigen Angelegenheiten, vor allem, wenn es die Armen betrifft“ <139>. <139> Ebd. Brüderliche Gemeinschaft mit den katholischen Ostkirchen 38. Das erst in den letzten Jahren aufgetretene Phänomen der Eingliederung und Entfaltung katholischer Ostkirchen in Amerika, die mit einer eigenen Hierarchie ausgestattet sind, hat die besondere Aufmerksamkeit einiger Synodenväter auf sich gelenkt. Der aufrichtige Wunsch, diese Glaubensbrüder herzlich und in wirksamer Weise im Glauben und in der hierarchischen Gemeinschaft unter dem Nachfolger Petri zu umarmen, hat in der Synode dazu geführt, konkrete Vorschläge brüderlicher Hilfe seitens der lateinischen Teilkirchen gegenüber den sich in Amerika befindlichen katholischen Ostkirchen zu machen. In diesem Sinne wurde zum Beispiel vorgeschlagen, dass Priester des lateinischen Ritus, vor allem, wenn sie orientalischer Herkunft sind, im liturgischen Bereich solchen ostkirchlichen Gemeinschaften ihre Zusammenarbeit anbieten können, die nicht über eine ausreichende Anzahl von Priestern verfügen. Ebenso können die orientalischen Gläubigen, wenn es angebracht erscheint, die Kirchengebäude des lateinischen Ritus benutzen. Hinsichtlich dieses Gemeinschaftsgeistes wären verschiedene Vorschläge der Synodenväter zu erwähnen: zum Beispiel, dass dort, wo es notwendig ist, innerhalb der nationalen Bischofskonferenzen und internationalen Organisationen bischöflicher Zusammenarbeit je eine gemischte Kommission bestehen soll, deren Aufgabe es ist, die gemeinsamen seelsorglichen Probleme zu untersuchen, oder dass zur Katechese und theologischen Ausbildung der Laien und Seminaristen der lateinischen Kirche auch die Kenntnis der lebendigen Tradition des christlichen Ostens gehören und dass die Bischöfe der katholischen Ostkirchen an den Bischofskonferenzen der lateinischen Kirche in den jeweiligen Ländern teilnehmen sollen <140>. Zweifelsohne wird diese brüderliche Zusammenarbeit, außer dass sie für die in jüngster Vergangenheit in Amerika eingegliederten Ostkirchen eine wertvolle Hilfe darstellt, es den lateinischen Teilkirchen erlauben, sich durch das geistige Erbe der Traditionen des christlichen Ostens zu bereichern. <140> Vgl. ebd., 60. 525 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Priester - Zeichen der Einheit 39. „Als Glied einer Teilkirche muß jeder Priester ein Zeichen der Gemeinschaft mit dem Bischof sein, insofern er dessen unmittelbarer Mitarbeiter und mit seinen Brüdern im Priesteramt vereint ist. Er übt sein Amt mit seelsorglicher Liebe hauptsächlich in der Gemeinde aus, die ihm anvertraut wurde, und er führt sie zur Begegnung mit Christus, dem guten Hirten. Seine Berufung erfordert es, daß er ein Zeichen der Einheit ist. Deshalb muß er jegliche Teilnahme an Parteipolitik meiden, welche die Gemeinde trennen würde“ <141>. Die Synodenväter wünschen, dass „eine Seelsorge entwickelt wird, die dem Diözesanklerus zugute kommt, wodurch dieser in seiner Spiritualität, in seiner Mission und in seiner Identität gefestigt wird, in deren Mittelpunkt die Nachfolge Christi, des ewigen Hohepriestern steht, der immer versuchte, den Willen des Vaters zu erfüllen. Er ist das Beispiel großzügiger Hingabe, schlichter Lebensführung und des Dienstes bis hin zum Tod. Der Priester muß sich bewußt sein, dass er durch den Empfang des Weihesakraments zum Spender der Gnade wird, die er durch die Sakramente an seine Brüder und Schwestern weitergibt. Er selbst soll sich durch die Ausübung seines Amtes heiligen“ <142>. <141> Ebd., 49. <142> Ebd. Der Tätigkeitsbereich der Priester ist außerordentlich groß. Es ist daher angebracht, „dass sie das zum Mittelpunkt ihrer Tätigkeit machen, was für ihr Amt wesentlich ist, nämlich dass sie Christus, dem Haupt und Hirten und Quelle seelsorglicher Liebe gleich werden, indem sie sich zusammen mit Christus jeden Tag in der Eucharistie selbst hingeben, um so den Gläubigen zur persönlichen und gemeinschaftlichen Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus zu verhelfen“ <143>. Als Zeugen und Jünger des barmherzigen Christus sind die Priester berufen, Werkzeug der Vergebung und der Versöhnung zu sein. Deshalb sollen sie sich großzügig in den Dienst der Gläubigen stellen, so, wie es das Evangelium will. <143> Ebd.; vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Über Dienst und Leben der Priester, Nr. 14. Die Priester müssen außerdem als Hirten des amerikanischen Gottesvolkes auf die Herausforderungen der heutigen Welt achten und für die Nöte und Hoffnungen ihrer Menschen offen sein, indem sie an deren Leben teilnehmen und vor allem eine Haltung der Solidarität mit den Armen einnehmen. Auch sollen sie versuchen, die Charismen und Fähigkeiten der Gläubigen zu erkennen, die zur Belebung der Gemeinde beitragen könnten. So sollen sie diese anhören und mit ihnen reden, um so ihre Teilnahme und Mitverantwortung anzuregen. Das wird zu einer besseren Aufgabenverteilung führen, die ihnen ermöglicht, „sich der Aufgabe zu widmen, die enger mit der Begegnung und Verkündigung Jesu Christi verbunden ist, so daß sie besser die Anwesenheit Jesu, der sein Volk versammelt, inmitten der Gemeinde darstellen“ <144>. <144> Propositio, 49. 526 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Vorhandensein unterschiedlicher Begabungen und Charismen muß auch dazu fuhren, jene Priester aufzuwerten, die für geeignet gehalten werden, ein besonderes Amt auszuüben. Außerdem sind alle Priester gebeten, ihren Brüdern im Priesteramt Hilfe zu leisten und sich selbst vertrauensvoll an diese zu wenden, falls es notwendig sein sollte. Angesichts der wunderbaren Tatsache, dass so viele Priester in Amerika sich mit Gottes Gnade bemühen, eine so große Aufgabe zu bewältigen, ist es mir, wie auch den Synodenvätem, ein Bedürfnis, „die unerschöpfliche Hingabe der Priester als Hirten, Verkünder des Evangeliums und als jene, die die kirchliche Gemeinschaft zur Aktivität anregen, Anerkennung und Lob auszusprechen, ihnen zu danken und alle Priester Amerikas zu ermutigen, weiterhin ihr Leben in den Dienst des Evangeliums zu stellen“ <145>. <145> Ebd. Förderung der Berufungspastoral 40. Die unersetzliche Rolle des Priesters in der Gemeinde muss allen Kindern der Kirche in Amerika die Bedeutung der Berufungspastoral ins Bewusstsein rufen. Der amerikanische Kontinent zählt auf eine zahlenmäßig starke Jugend, die reich an menschlichen und religiösen Werten ist. Deshalb muss den Lebensbereichen, in denen die Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben entstehen, besondere Beachtung geschenkt werden. Die christlichen Familien sollen eingeladen werden, ihren Kindern zu helfen, wenn sie den Ruf vernehmen, diesen Weg zu gehen <146>. In der Tat sind die Berufungen „ein Geschenk Gottes“ und „entstehen innerhalb der Glaubensgemeinschaften, besonders aber in den Familien und Pfarreien und in den katholischen Schulen und anderen kirchlichen Organisationen. Den Bischöfen und Priestern obliegt die besondere Verantwortung, solche Berufungen durch persönliche Einladung und hauptsächlich durch das eigene zielgerichtete, frohe, enthusiastische und heiligmäßige Lebenszeugnis zu fordern. Die Verantwortung, Priesterberufungen hervorzubringen, obliegt dem ganzen Gottesvolk und erfahrt seine höchste Erfüllung im ständigen und demütigen Gebet um Berufungen“ <147>. <146> Vgl. ebd, 51. <147> Ebd., 48. In den Seminaren, als den Orten der Aufnahme und Ausbildung der zum Priestertum Berufenen, müssen die zukünftigen Diener der Kirche vorbereitet werden, damit sie „in einer soliden Spiritualität der Gemeinschaft mit Christus, dem Hirten, einer Spiritualität der Hellhörigkeit für das Wirken des Heiligen Geistes leben, wodurch sie besonders zur Unterscheidung der Erwartungen des Gottesvolkes und der verschiedenen Charismen sowie zur gemeinsamen Arbeit befähigt werden“ <148>. Deshalb muss in den Seminaren „besonders auf die spirituelle Unterweisung Wert gelegt werden, so dass die Kandidaten sich durch ständige Umkehr, durch ihr Ge- <148> Ebd., 51. 527 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN betsleben und durch den Empfang der Sakramente der Eucharistie und der Buße auf die Begegnung mit dem Herrn vorbereiten und sich für eine großzügige seelsorgliche Hingabe stärken“ <149>. Die für die Ausbildung Verantwortlichen müssen dafür sorgen, dass die Seminaristen begleitet und zur Reife angeleitet werden, die sie befähigt, den priesterlichen Zölibat anzunehmen und mit ihren zum Priesteramt berufenen Brüdern in Gemeinschaft zu leben. Es muss auch ihre Fähigkeit gefordert werden, die sie umgebende Wirklichkeit kritisch zu beobachten um Werte von Gegenwerten unterscheiden zu können, denn dies ist unerlässlich, um einen konstruktiven Dialog mit der Welt von heute einzugehen. <149> Ebd., 52. Besondere Aufmerksamkeit soll den Berufungen unter der einheimischen Bevölkerung geschenkt werden, und es wäre gut, ihnen eine Ausbildung zukommen zu lassen, die sie nicht ihrer eigenen Kultur entfremdet. Diese Priesteramtskandidaten dürfen während ihrer theologischen und spirituellen Ausbildung die Wurzeln ihrer eigenen Kultur nicht verlieren <150>. <150> Vgl. ebd. Die Synodenväter wollten all denen danken und sie segnen, die sich in ihrem Leben der Ausbildung der zukünftigen Priester in den Seminaren widmen. Deshalb haben die Synodenväter die Bischöfe eingeladen, für diese Aufgabe ihre geeignetsten Priester abzustellen, nachdem sie ihnen eine besondere Ausbildung haben zukommen lassen, die sie zu einer solch anspruchsvollen Aufgabe befähigt <151>. <151> Yg] Erneuerung der Pfarreien 41. Die Pfarrei ist ein bevorzugter Ort, an dem die Gläubigen Kirche ganz konkret erfahren können <152>. Heute haben die Pfarreien in Amerika wie auch in anderen Teilen der Welt manchmal Schwierigkeiten, ihre Aufgabe zu erfüllen. Die Pfarrei muss sich ständig erneuern und dabei vom grundlegenden Prinzip ausgehen, dass „die Pfarrei weiterhin in erster Linie eine eucharistische Gemeinschaft sein muß“ <153>. Dieses Prinzip beinhaltet auch, dass „die Pfarreien berufen sind, aufnahmefreundlich und solidarisch zu sein. Sie sollen ein Ort christlicher Initiation, ein Ort der Erziehung und der Feier des Glaubens sowie offen für die verschiedenen Charismen, Dienste und Ämter sein; sie sollen gemeinschaftlich und verantwortungsbewusst organisiert sein; die bereits existierenden Apostolatsbewegungen sollen sie in ihre Strukturen integrieren; sie sollen die kulturellen Unterschiede der Einwohner beachten und offen sein für pastorale und pfarrübergrei-fende Projekte sowie für die sie umgebende Wirklichkeit“ <154>. <152> Vgl. ebd., 46. <153> Ebd. <154> Ebd. 528 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Besondere Aufmerksamkeit verdienen wegen ihrer besonderen Problematik die Pfarreien in den städtischen Ballungszentren, wo die Schwierigkeiten so groß sind, dass die normalen Seelsorgestrukturen nicht mehr ausreichen, und wo die Möglichkeiten, im Apostolat tätig zu sein, beträchtlich reduziert sind. Trotz allem bewahrt die Pfarrei als Institution ihre Bedeutung und muss erhalten bleiben. Um dieses Ziel zu erreichen, „muß man weiter nach Mitteln suchen, durch welche die Pfarreien und ihre pastoralen Strukturen in den städtischen Ballungszentren wirkungsvoller zum Einsatz kommen“ <155>. Ein Schlüssel für die Erneuerung der Pfarreien, die besonders in den Großstädten sehr wichtig ist, könnte vielleicht darin bestehen, die Pfarrei als Gemeinschaft der Gemeinschaften und Bewegungen zu sehen <156>. Es scheint daher angebracht, solche Gemeinschaften und kirchliche Gruppen zu bilden, die echte menschliche Beziehungen fördern. Dadurch wird ein intensiveres gemeinschaftliches Leben ermöglicht werden, wobei Gemeinschaft nicht nur „ad intra“ [nach innen], sondern auch mit der Pfarrgemeinde, zu der solche Gruppen gehören, sowie mit der Diözese und der ganzen Kirche gepflegt wird. In diesem gemeinschaftlichen Kontext wird es auch einfacher sein, das Wort Gottes zu hören, um in seinem Lichte über die verschiedenen menschlichen Probleme nachzudenken und um verantwortungsvolle Lösungsmöglichkeiten heranreifen zu lassen, die von der universalen Liebe Christi inspiriert sind <157>. Wird die Institution der Pfarrei auf solche Weise erneuert, dann „kann daraus auch eine große Hoffnung erwachsen; denn sie kann die in Gemeinschaft lebenden Menschen formen, sie kann eine Hilfe für das Familienleben sein, sie kann dazu beitragen, die Anonymität zu überwinden, sie kann die Menschen auftiehmen und ihnen helfen, sie in das Leben ihrer Nachbarn und in die Gesellschaft einzugliedem“ <158>. Auf diese Weise können heutzutage alle Pfarreien, besonders aber die Pfarreien in den Großstädten, eine persönlichere Evangelisierung ausüben und zugleich mit anderen sozialen, erzieherischen und gemeinschaftlichen Einrichtungen ihre positiven Beziehungen ausbauen <159>. <155> Ebd., 35. <156> Vgl. IV. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, Santo Domingo, Oktober 1992, Neue Evangelisierung, Förderung des Menschen, Christliche Kultur, 58. <157> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 51, in: AAS 83(1991)298-299. <158> Propositio, 35. <159> Vgl. ebd., 46. Außerdem „setzt diese Art von erneuerter Pfarrei einen Hirten voraus, der in erster Linie den lebendigen Christus persönlich erfahren hat, der einen missionarischen Geist und ein väterliches Herz hat, der die Spiritualität in der Gemeinde zu beleben weiß und fähig ist, das Evangelium so zu verkünden, dass die Teilnahme an der Evangelisierung dadurch gefördert wird. Eine so erneuerte Pfarrei ist auf die Mitarbeit der Laien angewiesen, sie braucht Menschen, welche die Seelsorge wieder mit Lebendigkeit erfüllen, und einen Hirten, der imstande ist, mit anderen zusammenzuarbeiten. Die Pfarreien in Amerika müssen sich durch ihren missionarischen 529 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Impuls auszeichnen, wodurch ihre Seelsorge auch die erreicht, die sich [von der Kirche] entfernt haben“ <160>. <160> Ebd. Die ständigen Diakone 42. Aus ernsthaften pastoralen und theologischen Gründen hat das Zweite Vatikanische Konzil bestimmt, das Diakonat als permanente Weihestufe in der lateinischen Kirchenhierarchie wiedereinzuführen. Es wurde den Bischofskonferenzen selbst überlassen, mit Zustimmung des Papstes einzuschätzen, ob und wo ständige Diakone zum Einsatz kommen <161>. Die hierbei gemachten Erfahrungen sind nicht nur in den verschiedenen Landesteilen Amerikas, sondern auch in den verschiedenen Diözesen ein und derselben Region unterschiedlich. „Einige Diözesen haben nicht wenige Diakone ausgebildet und geweiht und sind voll und ganz zufrieden mit deren Eingliederung und deren Amt“ <162>. Man beobachtet dort mit Freuden, wie die Diakone, „mit sakramentaler Gnade gestärkt ... dem Volke Gottes in der Diakonie, der Liturgie des Wortes und der Liebestätigkeit in Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Presbyterium“ dienen <163>. Andere Diözesen sind diesen Weg nicht gegangen, in anderen Teilen Amerikas wiederum gab es Schwierigkeiten bei der Integration der ständigen Diakone in die hierarchische Struktur. <161> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 29; Paul VI., motu proprio Sacrum diaconatus ordinem, 18. Juni 1967,1, 1, in: AAS 59(1967)599. *47 Propositio, 50. *48 Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 29. Der Papst stellt es den Teilkirchen frei, das ständige Diakonat wieder einzufiihren oder nicht. Da es sich um einen ständigen Grad [innerhalb der Weihehierarchie] handelt, erfordert dessen Wiedereinführung selbstverständlich, dass die Kandidaten sorgfältig ausgewählt, angemessen ausgebildet und einer sorgsamen Aufmerksamkeit unterliegen. Auch bedarf es einer gewissenhaften Begleitung nicht nur dieser geweihten Diener, sondern auch - im Falle von verheirateten Diakonen - deren Familien, Ehefrauen und Kinder <164>. <164> Vgl Propositio, 50; Kongregation für das Katholische Bildungswesen und Kongregation für den Klerus, Instruktion Ratio fundamentale institutionis diaconorum permanentium und Directorium pro ministerio et vita diaconorum permanentium, 22. Februar 1998, in: AAS 90(1998)843-926. Das geweihte Leben 43. Die Geschichte der Evangelisierung Amerikas ist ein beredtes Zeugnis ungeheurer missionarischer Bemühungen seitens zahlreicher Ordensleute, die von Anfang an das Evangelium verkündet, die Rechte der einheimischen Bevölkerung verteidigt und aus heroischer Liebe zu Christus heraus sich in den Dienst am Gottesvolk auf diesem Kontinent gestellt haben <165>. Der Beitrag der Ordensleute zur Verkündigung des Evangeliums in Amerika ist weiterhin von großer Bedeutung. <165> Vgl. Propositio, 53. 530 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieser Beitrag ist je nach Charisma der verschiedenen Gruppen verschieden: „die Institute des kontemplativen Lebens geben Zeugnis von der Absolutheit Gottes, die apostolischen und missionarischen Institute vergegenwärtigen Christus in den verschiedensten Lebensbereichen der Menschen, die Säkularinstitute helfen, die Spannungen zwischen einer wirklichen Öffnung gegenüber den Werten der modernen Welt und einer tiefen Hingabe des Herzens an Gott zu überwinden. Auch entstehen neue Institute und Formen des geweihten Lebens, die eine Ausrichtung nach dem Evangelium verlangen“ <166>. <166> Ebd.; vgl. III. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, Botschaft an die Völker Lateinamerikas, Puebla 1979,775. „Auch die Zukunft der Neuevangelisierung ... ist ohne einen erneuerten Beitrag der Frauen, insbesondere der Frauen des geweihten Lebens, undenkbar“ <167>. Deshalb sollte ihre Teilnahme in verschiedenen kirchlichen Bereichen dringend gefordert werden, dazu gehören auch jene Bereiche, in denen Entscheidungen getroffen werden, besonders aber Entscheidungen in Angelegenheiten, die sie persönlich betreffen <168>. 1^2 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, 25. März 1996, Nr. 57, in: AAS 88(1996)429-430. <168> Vgl. ebd., Nr. 58; 1. c„ 430. „Auch heutzutage ist ein Leben der Totalhingabe an Gott eine vielsagende Verkündigung dessen, dass Gott genügt, um das Leben jedweder Person auszufüllen“ <169>. Diese Weihe an den Herrn muss zu einem großzügigen Einsatz für die Verbreitung des Gottesreiches weiterentwickelt werden. Deshalb soll an der Schwelle zum Dritten Jahrtausend dafür gesorgt werden, „dass das geweihte Leben mehr geschätzt und von den Bischöfen, Priestern und christlichen Gemeinschaften gefordert wird, und dass die Ordensleute im Bewußtsein ihrer Freude und der Verantwortung ihrer Berufung sich voll und ganz in die Teilkirchen integrieren, zu denen sie gehören, und die Gemeinschaft und gegenseitige Zusammenarbeit fördern“ <170>. <169> Propositio, 53. <170> Ebd. Die Laien und die Erneuerung der Kirche 44. „Die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Einheit der Kirche als das in der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes versammelte Volk Gottes unterstreicht, dass der Würde aller Getauften die Nachahmung und Nachfolge Christi, die gegenseitige Gemeinschaft und der Missionsauftrag gemeinsam entspricht“ <171>. Deshalb sollen sich auch die Laien ihrer Würde als Getaufte bewusst sein. Die Hirten ihrerseits sollen „das Zeugnis und die aktive Verkündigung des Evangeliums seitens der Laien“ hochschätzen, „die als Glieder des Gottesvolkes in einer Spiritualität der Gemeinschaft ihre Brüder zur Begegnung <171> Ebd., 54. 531 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit dem lebendigen Christus führen. Die kirchliche Erneuerung in Amerika wird ohne die aktive Teilnahme der Laien nicht möglich sein. Daher kommt ihnen zum großen Teil die Verantwortung für die Zukunft der Kirche zu“ <172>. <172> Ebd. Es gibt zwei Bereiche, in denen die Berufung der Laien verwirklicht wird: der erste Bereich, der am ehesten ihrem Laienstand entspricht, umfasst die weltlichen Dinge, die zu regeln die Laien nach Gottes Willen bemfen sind <173>. In der Tat „wird das Evangelium durch die besondere Art dieses Wirkungsbereiches in die Strukturen dieser Welt hineingetragen, und durch ihr allseits heiligmäßiges Wirken weihen sie diese Welt Gott“ <174>. Durch die Laien „verwirklicht sich die Präsenz und Mission der Kirche in der Welt auf besondere Weise in der Verschiedenheit der Charismen und Ämter, die es im Laienstand gibt. Die Weltzugewandtheit ist das eigentliche Charakteristikum der Laien und ihrer Spiritualität, die sie in Familie und Gesellschaft, am Arbeitsplatz, in Kultur und Politik tätig werden läßt. Zur Evangelisierung dieser Lebensbereiche sind die Laien berufen. Auf einem Kontinent, wo der Wetteifer und der Hang zur Aggression, die Unmäßigkeit im Konsum und die Korruption zur Tagesordnung gehören, sind die Laien bemfen, zutiefst Werte des Evangeliums, wie Barmherzigkeit, Vergebung, Aufrichtigkeit, Transparenz des Herzens und Geduld unter schwierigen Bedingungen zu verkörpern. Von den Laien wird eine große kreative Kraft bezüglich ihres Wirkens und ihrer Werke erwartet - als Ausdruck eines Lebens, das im Einklang mit dem Evangelium steht“ <175>. <173> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 31. <174> Propositio, 55; vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 34. <175> Propositio, 55. Amerika braucht Laien, die leitende Verantwortung innerhalb der Gesellschaft übernehmen können. Dringend müssen Männer und Frauen ausgebildet werden, die gemäß ihrer eigenen Berufung im öffentlichen Leben handlungsfähig sind und es auf das Allgemeinwohl hin orientieren. Wenn sie sich in der Politik betätigen, wobei hier Politik im eigentlichsten und edelsten Sinn als Verwaltung des Gemeinwohls verstanden wird, kann dies für die Laien auch ein Weg zur Heiligung sein. Deshalb ist es notwendig, dass sie sowohl in den Grundsätzen und Werten der kirchlichen Soziallehre unterwiesen werden, als auch grundlegende Kenntnisse über die Theologie des Laien erlangen. Die vertiefte Kenntnis ethischer Grundsätze und christlicher Moralwerte wird es ihnen ermöglichen, dieselben in ihren Lebensbereichen zu fordern und sie auch angesichts der sogenannten „Neutralität des Staates“ zu verkünden <176>. <176> Vgl. ebd. Es gibt noch einen zweiten Bereich, in dem viele Laien bemfen sind tätig zu sein, und den man als „innerkirchlich“ bezeichnen körnte. Viele Laien in Amerika verspüren den berechtigten Wunsch, mit ihren Talenten und Charismen zum Aufbau 532 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der kirchlichen Gemeinschaft beizutragen und zwar „als Verkünder des Wortes im Namen der Kirche, als Katecheten, als jene, die Kranke und Inhaftierte besuchen, als Gruppenleiter usw.“ <177>. Die Synodenväter haben den Wunsch geäußert, die Kirche möge einige dieser Aufgabenbereiche als Laienämter anerkennen, die in den Sakramenten der Taufe und Firmung begründet sind, wobei jedoch der spezifische Charakter des Weihesakramentes unangetastet bleibt. Es handelt sich dabei um ein sehr umfangreiches und komplexes Thema, zu dessen Studium ich bereits vor einiger Zeit eine Sonderkommission eingerichtet habe <178> und worüber die verschiedenen Behörden des Heiligen Stuhls nach und nach einige Richtlinien erlassen haben <179>. Man muss die nützliche Zusammenarbeit gut ausgebildeter Laien -Männer und Frauen - in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen innerhalb der Kirche fordern, wobei selbstverständlich eine Verwechslung mit den Weiheämtem und den Tätigkeitsbereichen, die diesen Ämtern Vorbehalten sind, vermieden werden muss, so dass klar zwischen dem gemeinsamen Priestertum der Gläubigen und dem Amtspriestertum unterschieden wird. <177> Vgl. ebd., 56. <178> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici, 30. Dezember 1988, Nr. 23, in: AAS 81(1989)429^133. <179> Vgl. Kongregation für den Klerus u. a., Instruktion Ecclesiae de mysterio, 15. August 1997, in: AAS 89(1997)852-877. Diesbezüglich haben die Synodenväter vorgeschlagen, dass die den Laien anvertrauten Aufgabenbereiche „wohl zu unterscheiden sind von jenen, die Stufen zum Weihepriesteramt darstellen“ <180> und die den Priesteramtskandidaten noch vor ihrer Priesterweihe übertragen werden. Ebenso hat man angemerkt, dass diese Laienaufgaben „nur an Personen - Männer und Frauen - übertragen werden dürfen, die sich die dafür vorgesehene Ausbildung entsprechend bestimmter Kriterien, wie eine gewisse Beständigkeit, wirkliche Bereitschaft hinsichtlich bestimmter Personengruppen und die Verpflichtung, seinem eigenen Hirten dafür auch Rechenschaft abzulegen, angeeignet haben“ <181>. Wenn auch das innerkirchliche Apostolat der Laien angeregt werden muss, soll jedenfalls dafür gesorgt werden, dass dieses Apostolat mit dem eigentlichen Tätigkeitsbereich der Laien zusammenfallt, in dem diese auch nicht durch die Priester ersetzt werden können: nämlich im Bereich der zeitlichen Dinge. <180> Propositio, 56. <181> Ebd. Die Würde der Frau 45. Die Berufung der Frau verdient besondere Beachtung. Bereits bei anderer Gelegenheit war es mir ein Anliegen, meine Wertschätzung für den spezifischen Beitrag der Frau zum Fortschritt der Menschheit und meine Anerkennung ihrer berechtigten Bestrebungen, voll und ganz am kirchlichen, kulturellen, sozialen und 533 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wirtschaftlichen Leben teilzunehmen, zum Ausdruck zu bringen <182>. Ohne diesen Beitrag würde ein Reichtum verloren gehen, den nur „der Genius der Frau“ <183> zum kirchlichen Leben und zur Gesellschaft selbst beitragen kann. Dies nicht anzuerkennen wäre eine historische Ungerechtigkeit, besonders in Amerika, wenn man den Beitrag der Frauen zur materiellen und kulturellen Entwicklung des Kontinents und zur Weitergabe und Bewahrung des Glaubens in Betracht zieht. In der Tat „war ihre Rolle vor allem im geweihten Leben, in der Erziehung und in der Gesundheitspflege entscheidend“ <184>. <182> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem, 15. August 1988, in: AAS 80(1988)1653-1729, und Brief an die Frauen, 29. Juni 1995, in: AAS 87(1995)803-812; Propositio, 12. <183> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem, 15. August 1988, Nr. 31, in: AAS 80(1988)1728. <184> Propositio, 11. In verschiedenen Gegenden des amerikanischen Kontinents ist die Frau leider immer noch Objekt von Diskriminierung. Daher kann man sagen, dass das Gesicht der Armen in Amerika auch das Gesicht vieler Frauen ist. In diesem Sinne haben die Synodenväter von einem „weiblichen Aspekt der Armut“ gesprochen <185>. Die Kirche fühlt sich verpflichtet, auf der Menschenwürde zu bestehen, die allen Menschen gemeinsam ist. Sie „bezeichnet die Diskriminierung, den sexuellen Mißbrauch und die männliche Vorherrschaft als im Widerspruch zum göttlichen Heilsplan stehend“ <186>. Insbesondere beklagt sie die mitunter aufgrund von Programmen vorgenommene Sterilisation von Frauen, vor allem von armen und ausgestoßenen Frauen, als verabscheuungswürdig. Diese wird oft auf trügerische Weise praktiziert, ohne dass die Betroffenen davon wissen. Das ist um so schlimmer, als man dafür auch noch um internationale wirtschaftliche Hilfe nachsucht. Die Kirche auf diesem Kontinent fühlt sich verpflichtet, sich intensiver um die Frauen zu kümmern und sie zu verteidigen, „so dass die amerikanische Gesellschaft dem in der Ehe gründenden Familienleben mehr Hilfe zukommen läßt, die Mutterschaft mehr in Schutz nimmt und die Würde aller Frauen mehr achtet“ <187>. Man muss den amerikanischen Frauen helfen, aktiv und verantwortungsvoll am Leben und der Sendung der Kirche teilzunehmen <188>. Auch müssen die Kenntnisse und die Zusammenarbeit der Frauen in leitenden Aufgaben der amerikanischen Gesellschaft anerkannt werden. <185> Ebd. <186> Ebd. <187> Ebd. <188> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici, 30. Dezember 1988, Nr. 49, in: AAS 81(1989)486-489. Die Herausforderungen für die christliche Familie 46. Gott, der Schöpfer hat den ersten Mann und die erste Frau nach seinem Abbild geschaffen und ihnen den Auftrag gegeben: „Seid fruchtbar und vermehrt euch“ 534 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN {Gen 1,28), wodurch er die Familie gründete. In diesem Heiligtum entsteht das Leben und dort wird es auch als Gottesgeschenk angenommen. Wird das Wort Gottes innerhalb der Familie häufig gelesen, so verwandelt es die Familie nach und nach zur Hauskirche, und es macht sie reich an Menschlichkeit und christlichen Tugenden. Dort entspringt auch die Quelle der Berufungen. Das familiäre Gebetsleben vor einem Bild der Muttergottes wird bewirken, dass die Familie, wie die Jünger Jesu, immer um die Mutter vereint bleibt (vgl. Apg 1,14) <189>. Fast überall in Amerika wird die Institution Familie durch viele Gefahren bedroht, was für die Christen gleichzeitig eine Herausforderung darstellt. Zu erwähnen sind hier unter anderem die steigende Scheidungsrate, die Verbreitung der Abtreibung, des Kindermords und eine gegen die natürliche Empfängnis gerichtete Mentalität. Angesichts dieser Situation muss unterstrichen werden, „dass die Grundlage menschlichen Lebens die eheliche Beziehung zwischen Mann und Frau ist, die unter Christen ein Sakrament darstellt“ <190>. <189> Propositio, 12. <190> Ebd. Daher muss dringend eine umfassende Katechese über das christliche Ideal der ehelichen Gemeinschaft und des Familienlebens betrieben werden, zu der auch die Spiritualität der Vaterschaft und der Mutterschaft gehört. Die Seelsorge muss der Rolle des Mannes als Gatte und Vater und der mit der Ehefrau zu teilenden Verantwortung für Ehe, Familie und Kindererziehung mehr Aufmerksamkeit schenken. Eine ernsthafte Unterweisung der Jugendlichen über die Ehe darf nicht unterlassen werden, wobei die katholische Lehre über dieses Sakrament unter theologischem, spirituellem und anthropologischem Aspekt mit aller Klarheit dargestellt werden muss. Auf einem Kontinent, der sich durch eine beachtenswerte demographische Entwicklung auszeichnet, wie es in Amerika der Fall ist, müssen die der Familie geltenden seelsorglichen Initiativen ständig zunehmen. Damit die Familie wirklich eine „Hauskirche“ <191> ist, ist sie berufen, die Umgebung zu bilden, in der die Eltern den Glauben weitergeben, und sie „sollen ... durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sein“ <192>. Auch darf in der Familie das Gebet nicht fehlen, in dem sich sowohl die Eheleute untereinander als auch mit ihren Kindern vereinen. Diesbezüglich sollen gemeinsame Zeiten des geistlichen Lebens gefordert werden, wie die Teilnahme an der Eucharistie an Feiertagen, der Empfang des Sakraments der Versöhnung, das tägliche Gebet innerhalb der Familie und konkrete Werke der Nächstenliebe. Auf diese Weise wird auch die eheliche Treue und die Familieneinheit gefestigt. In einem familiären Ambiente, das solche Wesenszüge trägt, wird es für die Kinder nicht schwierig sein, ihre Berufung für den Dienst in der Gemeinschaft und in der Kirche zu entde- <191> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 11. <192> Ebd 535 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN cken und besonders durch das Beispiel ihrer Eltern zu erfahren, dass das Familienleben ein Weg ist, die universale Berufung zur Heiligkeit zu verwirklichen <193>. <193> Vgl. Propositin. 12. Die Jugendlichen—Hoffnung für die Zukunft 47. Die Jugendlichen stellen eine große Kraft innerhalb der Gesellschaft und bei der Verkündigung des Evangeliums dar. „Sie bilden in vielen Ländern Amerikas einen sehr großen Teil der Bevölkerung, und in ihrer Begegnung mit dem lebendigen Christus liegen ihre Hoffnungen und Erwartungen einer größeren Gemeinschaft und Solidarität für Kirche und Gesellschaft in Amerika begründet“ <194>. Die Bemühungen der Teilkirchen auf dem Kontinent bei der katechetischen Hinführung der Heranwachsenden zum Sakrament der Firmung sowie bei anderen Formen der Begleitung, die ihnen geboten werden, damit sie in ihrer Begegnung mit Christus und in ihrer Kenntnis des Evangeliums wachsen, sind evident. Der Ausbildungsprozess bei den Jugendlichen soll beständig und dynamisch sein, er soll so geartet sein, dass dadurch den Jugendlichen geholfen wird, ihren Platz in Kirche und Gesellschaft zu finden. Daher soll die Jugendseelsorge eine bevorzugte Stellung bei der Fürsorge der Hirten und der Gemeinschaften einnehmen. <194> Ebd., 14. Es gibt wirklich viele Jugendliche in Amerika, die den wahren Sinn ihres Lebens suchen und ein Verlangen nach Gott verspüren, doch oft mangelt es an den geeigneten Bedingungen, ihre Fähigkeiten zu verwirklichen und ihre Ziele zu erreichen. Leider führen fehlende Arbeitsmöglichkeiten und Zukunftsperspektiven zum Teil dazu, dass sie zu Randgruppen werden und zur Gewalt greifen. Die dabei entstehende Frustration führt häufig dazu, dass sie von der Suche nach Gott ablassen. Angesichts dieser sehr komplexen Situation „verpflichtet sich die Kirche, ihre pastorale und missionarische Option für die Jugendlichen aufrechtzuerhalten, damit sie heute dem lebendigen Christus begegnen können“ <195>. Die kirchliche Seelsorge erreicht viele dieser Heranwachsenden und Jugendlichen durch die Lebendigkeit der christlichen Familien, durch Katechese, Institutionen im Bereich der katholischen Erziehung und das Gemeinschaftsleben der Pfarreien. Doch gibt es viele Jugendliche, besonders unter denen, die unter Armut in ihren verschiedenen Ausdrucksformen leiden, die außerhalb des kirchlichen Tätigkeitsbereiches bleiben. Daher sollen die jungen, mit einem reifen missionarischen Bewusstsein ausgestatteten Christen die Apostel für ihre Altersgenossen sein. Es bedarf einer Seelsorge, die die Jugendlichen in ihrer eigenen Umgebung, wie Schulen, Universitäten, Arbeitsplatz oder ländliche Gegenden, erreicht, und die deren Sensibilität ein besonderes Augenmerk schenkt. In Pfarreien und Diözesen wäre es auch angebracht, eine Jugendseelsorge zu entwickeln, welche die Entwicklungen der Jugendwelt in Betracht zieht, den Dialog mit ihnen sucht und die günstigen Gele- <195> Ebd. 536 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN genheiten zu Begegnungen im größeren Rahmen nicht verpasst, eine Jugendseelsorge, die Initiativen vor Ort unterstützt und dabei aus all dem Nutzen zieht, was bereits auf interdiözesaner und internationaler Ebene verwirklicht wurde. Was soll man angesichts der Jugendlichen unternehmen, die ein für Heranwachsende typisches Verhalten von Unbeständigkeit aufweisen und Schwierigkeiten signalisieren, wenn es darum geht, ernsthafte und dauerhafte Verpflichtungen einzugehen? Bei einem solchen Mangel an Reife sollte man die Jugendlichen einla-den, mutig zu sein, wobei man ihnen helfen muss, den Wert einer für das ganze Leben eingegangenen Verpflichtung zu schätzen, wie es beim Priestertum, beim geweihten Leben und bei der christlichen Ehe der Fall ist <196>. <196> Ebd. Begleitung des Kindes bei seiner Begegnung mit Christus 48. Die Kinder sind ein Geschenk und Zeichen der Gegenwart Gottes. „Man muß das Kind von der Taufe bis zu seiner Erstkommunion bei seiner Begegnung mit Christus begleiten, denn es gehört zur lebendigen Glaubens-, Hoffnungs- und Lie-besgemeinschaft“ <197>. Die Kirche anerkennt die Bemühungen der Eltern, Lehrer und derer, die im pastoralen, sozialen und gesundheitlichen Dienst tätig sind, sowie all jener, die mit derselben Haltung im Dienst der Familie und der Kinder wirken, wie sie Jesus Christus einnahm: „Laßt die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 19,14). <197> Ebd., 15. Mit Recht beklagen und verurteilen die Synodenväter die schmerzvollen Lebensbedingungen so vieler Kinder in ganz Amerika, die ihrer Würde und Unschuld und oft auch ihres Lebens beraubt werden. „Diese Lebensbedingungen schließen Gewalt, Armut, Obdachlosigkeit, Mangel an gesundheitlicher Fürsorge und Erziehung, durch Drogen und Alkohol bedingte Schäden und andere Zustände der Verlassenheit und des Missbrauchs mit ein“ <198>. Diesbezüglich erwähnte man auf der Synode ganz besonders die Problematik des sexuellen Missbrauchs der Kinder und der Kinderprostitution. Auch die Eltern erließen einen dringenden Aufruf „an alle, die in der Gesellschaft Machtpositionen einnehmen, damit sie in erster Linie all das tun, was in ihrer Macht steht, um das Leid der Kinder in Amerika zu lindem“ <199>. <198> Ebd. <199> Ebd. Elemente der Gemeinschaft mit anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften 49. Die Bemühungen um Gemeinschaft zwischen der katholischen Kirche und anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften haben ihre Wurzeln in der Taufe, die von ihnen allen gespendet wird <200>. Diese Bemühungen werden durch Gebet, <200> Ygj Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis redintegratio, Über den Ökumenismus, Nr. 3. 537 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dialog und gemeinsame Aktionen genährt. Die Synodenväter wollten ihren besonderen Willen „zur Zusammenarbeit im bereits begonnenen Dialog mit der orthodoxen Kirche zum Ausdruck bringen, mit der wir sehr vieles im Glauben, in den Sakramenten und in der Frömmigkeit gemeinsam haben“ <201>. Seitens der Synode gibt es vielerlei konkrete Vorschläge hinsichtlich der Gesamtheit der nicht katholischen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. In erster Linie wird vorgeschlagen, „dass die katholischen Hirten und Gläubigen die Begegnung mit Christen verschiedener Konfessionen innerhalb der Zusammenarbeit im Namen des Evangeliums fördern, um so auf den Schrei der Armen zu reagieren durch den Einsatz für Gerechtigkeit, durch das gemeinsame Gebet lür die Einheit, durch die Teilnahme an gemeinsamen Wortgottesdiensten und durch den erlebten Glauben an den lebendigen Christus“ <202>. Gefördert werden müssen auch, soweit dies angebracht und nutzbringend ist, die sich aus den verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zusammensetzenden Versammlungen von Experten, um den ökumenischen Dialog zu erleichtern. Die Ökumene muss Gegenstand der Reflexion und des Erfahrungsaustausches zwischen den verschiedenen katholischen Bischofskonferenzen des Kontinents sein. <201> Propositio,61. <202> Ebd. Wenn auch das Zweite Vatikanische Konzil sich auf alle Getauften und Christgläubigen „als Brüder im Herrn“ <203> beruft, so muss man doch klar jene christlichen Gemeinschaften, mit denen es möglich ist, Beziehungen einzugehen und die durch den ökumenischen Geist inspiriert sind, von den Sekten, Kultgemeinschaften und anderen pseudoreligiösen Bewegungen unterscheiden. <203> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis redintegratio, Ober den Ökumenismus, Nr. 3. Kirchliche Beziehungen zu den jüdischen Gemeinschaften 50. In der amerikanischen Gesellschaft existieren auch jüdische Gemeinschaften, mit denen die katholische Kirche in den letzten Jahren immer stärker zusammenarbeitet <204>. Innerhalb der Heilsgeschichte ist unsere besondere Beziehung zum jüdischen Volk evident. Aus diesem Volk ging Jesus hervor, und er setzte den Anfang seiner Kirche innerhalb des jüdischen Volkes. Ein Großteil der Heiligen Schrift, die wir Christen als das Wort Gottes lesen, stellt ein gemeinsames geistiges Erbe dar, das wir mit den Juden gemeinsam haben <205>. Daher muss ihnen gegenüber jede negative Haltung vermieden werden, „denn, um die Welt zu segnen, ist es notwendig, dass zuvor Juden und Christen für einander ein Segen sind“ <206>. <204> Vgl. Propositio, 62. <205> Vgl Bischofssynode Sonderversammlung für Europa, Erklärung Ui testes simus Christi qui nos liberavit, 13. Dezember 1991, III, 8, in: Ench. Vat. 13, 653-655. <206> Propositio ,61. 538 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nichtchristliche Religionen 51. „Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was bei diesen Religionen wahr und heilig ist“ <207>. Daher wollen die Katholiken hinsichtlich der anderen Religionen die Elemente der Wahrheit unterstreichen, wo auch immer diese zu finden sind. Gleichzeitig aber bezeugen sie die Neuheit der Offenbarung Christi, die in ihrer Integrität von der Kirche bewahrt wird <208>. Bei einer solch konsequenten Einstellung lehnen die Katholiken jegliche Diskriminierung und Verfolgung von Menschen wegen Rasse, Hautfarbe, Lebensumständen oder Religion als dem Geist Christi entgegengesetzt ab. Unterschiedliche Religionszugehörigkeit darf niemals der Grund für Gewalt und Krieg sein. Im Gegenteil, Menschen verschiedener Glaubensrichtungen sollen sich, eben weil sie sich zu ihrer Religion bekennen, veranlasst fühlen, für Frieden und Gerechtigkeit zu arbeiten. <207> Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung Nostra aetate, Über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen, Nr. 2. <208> Ygi propositio, 63. „Moslems, Christen und Juden nennen Abraham ihren Vater. Diese Tatsache muß in Amerika die Garantie dafür sein, daß die drei Gemeinschaften harmonisch Zusammenleben und gemeinsam für das Allgemeinwohl arbeiten. Auch soll die Kirche in Amerika sich bemühen, den gegenseitigen Respekt zu mehren und die guten Beziehungen zu den einheimischen amerikanischen Religionen zu verbessern“ <209>. Dieselbe Haltung muss den Hindus, Buddhisten und anderen Religionen gegenüber eingenommen werden, die sich durch die jüngsten Einwanderungen aus orientalischen Ländern auf amerikanischem Boden angesiedelt haben. <209> Ebd. Kapitel V Weg zur Solidarität „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,35) Die Solidarität, Frucht der Gemeinschaft 52. „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40; vgl. 25,45). Das Bewusstsein der Gemeinschaft mit Jesus Christus und den Brüdern und Schwestern, das wiederum Frucht der Umkehr ist, führt dazu, dass wir dem Nächsten in all seinen materiellen und geistigen Nöten und Bedürfnissen dienen, damit in allen Menschen das Antlitz Christi aufleuchte. Deshalb „ist die Solidarität Frucht der Gemeinschaft, die auf dem Geheimnis des einen Gottes in drei Personen und auf dem Geheimnis des Sohnes Gottes gründet, der für alle Mensch geworden und gestorben ist. Sie kommt in der 539 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe der Christen zum Ausdruck, die das Wohl der Mitmenschen, besonders aber derer suchen, die dessen am meisten bedürfen“ <210>. <210> Ebd., 67. Von daher erwächst auch für die amerikanischen Teilkirchen die Pflicht zur gegenseitigen Solidarität und die Pflicht, die geistigen Gaben und materiellen Güter zu teilen, mit denen Gott sie gesegnet hat. So hat Gott auch die Bereitschaft der Menschen begünstigt, dort zum Einsatz zu gelangen, wo es am notwendigsten ist. Ausgehend vom Evangelium soll eine Kultur der Solidarität gestärkt werden, die zu geeigneten Initiativen fuhrt, um den Armen und Ausgegrenzten zu helfen, insbesondere den Flüchtlingen, die sich gezwungen sehen, Volk und Land zu verlassen, um der Gewalt zu entfliehen. Die Kirche in Amerika muss auch die internationalen Organisationen des Kontinent dazu anhalten, eine Wirtschaftsordnung zu etablieren, in der nicht nur das Kriterium der Bereicherung vorherrscht, sondern auch das des Strebens nach nationalem und internationalem Gemeinwohl, in der eine gerechte Güterverteilung existiert und die ganzheitliche Förderung der Völker im Vordergrund steht <211>. <211> Vgl. ebd. Die Lehre der Kirche — Ausdruck der Anforderungen für die Umkehr 53. Während Relativismus und Subjektivismus sich in besorgniserregender Weise im Bereich der Morallehre ausbreiten, ist die Kirche in Amerika berufen, mit neuer Kraft zu verkünden, dass die Umkehr an die Zugehörigkeit zur Person Jesu Christi mit all den dazugehörigen und durch das Lehramt der Kirche dargelegten theologischen und moralischen Implikationen gebunden ist. Man muss diesbezüglich die „Rolle“ anerkennen, „die die Theologen, Katecheten und Religionslehrer in Treue zum Lehramt durch ihre Darlegung der kirchlichen Lehre spielen; sie arbeiten dabei gemeinsam und direkt an der rechten Gewissensbildung der Gläubigen mit“ <212>. Wenn wir daran glauben, dass Jesus die Wahrheit ist (vgl. Joh 14,6), dann haben wir auch den innigen Wunsch, seine Zeugen zu sein, um so unseren Brüdern und Schwestern die volle Wahrheit nahezubringen, die im Gottessohn liegt, der um des Heiles des Menschengeschlechtes willen Mensch geworden, gestorben und auferstanden ist. „Auf diese Weise können wir in dieser Welt lebendige Leuchten des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe sein“ <213>. <212> EM., 68. <213> Ebd. Die Soziallehre der Kirche 54. Angesichts der in Amerika bestehenden großen sozialen Probleme verschiedenster Art weiß der Katholik, dass er in der kirchlichen Soziallehre die Antwort findet, von der ausgehend man konkrete Lösungsmöglichkeiten suchen kann. Diese Lehre zu verbreiten stellt also eine wahre seelsorgliche Priorität dar. Deshalb ist es 540 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wichtig, „dass in Amerika die für die Evangelisierung Zuständigen - also die Bischöfe, Priester, Lehrer, Seelsorger etc. - diesen Schatz der kirchlichen Soziallehre annehmen, sich durch ihn erleuchten lassen und dadurch fähig werden, die heutige Realität genau zu analysieren und Wege zu finden, um aktiv zu werden“ <214>. Diesbezüglich muss man die Ausbildung tatkräftiger Laien fordern, die im Namen des Glaubens an Christus die Verwandlung der irdischen Realität in Angriff nehmen. Außerdem ist es angebracht, das Studium dieser Lehre in allen Bereichen der amerikanischen Teilkirchen zu fördern und zu unterstützen. Ganz besonders gilt dies für den Bereich der Universitäten, damit sie einen noch höheren Bekanntheitsgrad erreicht und in der amerikanischen Gesellschaft zur Anwendung gelangt. <214> Ebd., 69. Um dieses Ziel zu erreichen, wird es von Nutzen sein, ein Kompendium bzw. eine autorisierte Zusammenfassung der katholischen Soziallehre zu veröffentlichen, was einer Art „Katechismus“ gleichkäme, der die Beziehung zwischen dieser Lehre und der Neuevangelisierung darlegt. Der Teil, den der Katechismus der Katholischen Kirche dieser Materie im Hinblick auf das siebente Gebot des Dekalogs widmet, könnte einen Ausgangspunkt für diesen „Katechismus der katholischen Soziallehre“ darstellen. Natürlich würde sich dieses Werk, wie auch zuvor der Katechismus der Katholischen Kirche, darauf beschränken, lediglich die allgemeinen Prinzipien zu formulieren und es späteren Ausarbeitungen überlassen, jene Problembereiche zu behandeln, die sich aus den verschiedenen Situationen vor Ort ergeben <215>. <215> \/g]_ Bischofssynode, Zweite außerordentliche Generalversammlung, Ecclesia sub verbo Dei mysteria Christi celebrans pro salute mundi, 7. Dezember 1985, H, B, a, 4, in: Euch. Vat. 9, 1797; vgl. Johannes Paul II. Apostolische Konstitution Fidei depositum, 11. Oktober 1992, in: AAS 86(1994)117; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 24. In der kirchlichen Soziallehre nimmt das Recht auf eine würdige Arbeit einen besonderen Stellenwert ein. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit, in vielen amerikanischen Ländern und angesichts der harten Bedingungen, denen nicht wenige Arbeiter in Industrie und Landwirtschaft ausgesetzt sind, „ist es notwendig, die Arbeit als eine Dimension der Selbstverwirklichung und der Würde der menschlichen Person zu bewerten. Es ist die ethische Verantwortung einer organisierten Gesellschaft, eine Arbeitskultur zu fördern und zu unterstützen“ <216>. <216> Propositio, 8. Globalisierung der Solidarität 55. Das komplexe Phänomen der Globalisierung ist, wie ich zuvor erwähnt hatte, eines der Charakteristika der heutigen Welt, das besonders in Amerika zutage tritt. Innerhalb dieser vielschichtigen Realität hat der wirtschaftliche Aspekt eine ganz besondere Bedeutung. Die Kirche bietet durch ihre Soziallehre einen wertvollen Beitrag zur Problematik, welche durch die derzeitige wirtschaftliche Globalisie- 541 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rung entsteht. Ihre moralische Sichtweise in dieser Angelegenheit „stützt sich auf die drei grundlegenden Ecksteine der Menschenwürde, der Solidarität und des Subsidiaritätsprinzips“ <217>. Die wirtschaftliche Globalisierung muss im Lichte der Grundsätze sozialer Gerechtigkeit analysiert werden, wobei die vorrangige Option für die Armen zu achten ist, da sie befähigt werden sollen, sich in einer globalisierten Wirtschaft und angesichts der Ansprüche des internationalen Gemeinwohls zu schützen. In Wirklichkeit „ist die kirchliche Soziallehre die moralische Vision, die versucht, die Regiemngen, die Institutionen und Privatorganisationen zu unterstützen, damit sie an einer Zukunft arbeiten, die mit der Würde einer jeden Person im Einklang steht. Aus dieser Sichtweise können die Fragen hinsichtlich der Auslandsverschuldung der Länder, der internen politischen Korruption und der Diskriminierung innerhalb des eigenen Landes und auf internationaler Ebene bewertet werden“ <218>. <217> Ebd.,14. <218> Ebd. Die Kirche in Amerika ist nicht nur dazu bemfen, einen höheren Grad an Integration innerhalb der Länder zu fördern und so dazu beizutragen, eine wahre Kultur globalisierter Solidarität zu schaffen <219>, sondern sich auch mit legitimen Mitteln für die Verringerung der negativen Auswirkungen der Globalisierung einzusetzen, wie zum Beispiel die Herrschaft der Stärkeren über die Schwächeren, besonders im wirtschaftlichen Bereich, oder den Werteverlust der einheimischen Kulturen zugunsten einer falsch verstandenen Vereinheitlichung. <219> Vgl. ebd., 61. Zum Himmel schreiende soziale Sünden 56. Im Lichte der kirchlichen Soziallehre nimmt man auch deutlicher die Schwere der „sozialen Sünden zur Kenntnis, die zum Himmel schreien, weil sie Gewalt erzeugen und den Frieden und die Harmonie zwischen den Gemeinschaften innerhalb eines Staates und zwischen den verschiedenen Ländern und Teilen des Kontinents zerstören“ <220>. Zu diesen Sünden sind auch „der Drogenhandel, die Geldwäsche, die Korruption in sämtlichen Bereichen, die Schrecken der Gewalt, die Aufrüstung, die Rassendiskriminierung, die Ungleichheit innerhalb der sozialen Schichten und die vemunftlose Zerstörung der Natur zu zählen“ <221>. Diese Sünden zeigen eine tiefe Krise auf, die wir dem verloren gegangenen Sinn für Gott und dem Abhandenkommen moralischer Grundsätze zu verdanken haben, welche eigentlich das Leben eines jeden Menschen bestimmen sollten. Ohne irgend einen moralischen Bezugspunkt verfällt der Mensch einem uneingeschränkten Drang nach Reichtum und Macht, welcher jegliche am Evangelium orientierte Sichtweise der sozialen Wirklichkeit verdunkelt. <220> Ebd., 70. <221> Ebd. 542 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nicht selten führt dies dazu, dass einige öffentliche Instanzen die soziale Situation vernachlässigen. In vielen amerikanischen Ländern herrscht immer mehr ein als „Neoliberalismus“ bekanntes System, das den Menschen lediglich unter wirtschaftlichen Aspekten betrachtet und Gewinn und Marktgesetze als absolute Maßstäbe setzt, was zu Lasten der Menschenwürde und der Achtung der Person und der Völker geht. Dieses besagte System verwandelt sich mitunter in eine ideologische Rechtfertigung von Einstellungen und Handlungsweisen im sozialen und politischen Bereich, welche die Schwächsten an den Rand drängen. In der Tat nimmt die Armut immer mehr zu. Die Armen sind die Opfer bestimmter politischer Richtungen und oftmals ungerechter Strukturen <222>. <222> Vgl. ebd., 73. Die beste Antwort durch das Evangelium auf diese dramatische Situation ist die Förderung der Solidarität und des Friedens, die die Gerechtigkeit effektiv verwirklichen. Deshalb soll auch jenen Zuspruch und Hilfe zukommen, die als beispielhaft in der Verwaltung der öffentlichen Gelder und der Gerechtigkeit gelten. Ebenso soll der Demokratisierungsprozess unterstützt werden, der in Amerika im Gange ist <223>, da in einer Demokratie die Kontrollmöglichkeiten zur Vermeidung von Missbrauch größer sind. <223> Vgl. ebd.,10. „Der Rechtsstaat ist die notwendige Bedingung zur Errichtung einer wahren Demokratie“ <224>. Damit diese sich entwickeln kann, bedarf es einer präzisen Unterweisung der Bürger sowie einer Förderung der öffentlichen Ordnung und des Friedens innerhalb des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Es gibt wirklich ,Jeeine echte und stabile Demokratie ohne soziale Gerechtigkeit. Daher ist es notwendig, dass die Kirche der Gewissensbildung mehr Aufmerksamkeit schenkt, Sozialarbeiter für das öffentliche Leben auf allen Ebenen ausbildet, die ethische Erziehung, die Befolgung des Gesetzes und der Menschenrechte fördert und sich noch mehr um die ethische Unterweisung der Politiker bemüht“ <225>. <224> Ebd., 72. <225> Ebd. Das Fundament der Menschenrechte 57. Man sollte daran erinnern, dass das Fundament, auf dem alle Menschenrechte basieren, die Würde der Person ist. In der Tat „ist das größte göttliche Werk, nämlich der Mensch, Abbild und Ebenbild Gottes. Jesus nahm unsere Natur an, nicht jedoch die Sünde; er forderte und verteidigte die Würde einer jeden menschlichen Person ohne Ausnahme; und er starb für die Freiheit aller. Das Evangelium zeigt uns, wie Jesus Christus die zentrale Stellung der menschlichen Person innerhalb der Ordnung der Natur (vgl. Lk 12,22-29), der Gesellschaft und der Religion sogar im Hinblick auf das Gesetz (vgl. Mt 2,21) hervorhebt, indem er den Mann und auch die Frau (vgl. Joh 8,11) und die Kinder (vgl. Mt 19,13-15) verteidigt, die sei- 543 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nerzeit einen zweitrangigen Platz in der Gesellschaft einnahmen. Aus dieser Menschenwürde, insofern der Mensch als Kind Gottes betrachtet wird, gehen die Menschenrechte und auch des Menschen Pflichten hervor“ <226>. Aus diesem Grunde „ist jeglicher Angriff auf die Menschenwürde auch gleichzeitig ein Angriff auf Gott selbst, dessen Abbild der Mensch ist“ <227>. Diese Würde ist allen Menschen ohne Ausnahme gemein, da alle nach dem Abbild Gottes geschaffen wurden (vgl. Gen 1,26). Die Antwort Jesu auf die Frage: „Und wer ist mein Nächster?“ (Lk 10,29) erfordert von jedem eine Haltung der Achtung der Würde des anderen sowie eine Haltung der Fürsorge für ihn, auch wenn es sich um einen Fremden oder um einen Feind handelt (vgl. Lk 10,30-37). In ganz Amerika hat das Bewusstsein für die Achtung der Menschenrechte in letzter Zeit ständig zugenommen, aber dennoch bleibt vieles zu tun übrig, zieht man die Verletzung der Personenrechte und gesellschaftlicher Gruppen in Betracht, die es immer noch auf diesem Kontinent gibt. <226> Ebd. <227> 3. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, Botschaft an die Völker Lateinamerikas, Puebla 1979, Nr. 306. Vorrangige Liebe zu den Armen und gesellschaftlichen Randgruppen 58. „Die Kirche in Amerika muß in ihre seelsorglichen Initiativen die Solidarität der Gesamtkirche gegenüber den Armen und Randgruppen jeglicher Art mit einbeziehen. Zu ihrer Haltung müssen Fürsorge, Förderung, Befreiung und brüderliche Akzeptanz gehören. Die Kirche erhebt den Anspruch, daß es absolut keine gesellschaftlichen Randgruppen geben darf“ <228>. Die Erinnerung an die dunklen Kapitel der Geschichte Amerikas hinsichtlich der Sklaverei und anderer Arten von gesellschaftlicher Diskriminierung muß den aufrichtigen Wunsch nach Umkehr hervor-rufen, die zur Versöhnung und Gemeinschaft führt. <228> Propositio, 73. Die Sorge um die am meisten Bedürftigen geht aus der vorrangigen Liebe zu den Armen hervor. Es geht dabei um eine Liebe, die nicht exklusiv ist und die daher nicht als ein Zeichen von Partikularismus oder von Sektierertum <229> gewertet werden kann. Indem der Christ die Armen liebt, ahmt er den Herrn nach, der sich in seinem irdischen Leben in Mitleid den Nöten der Bedürftigen - sowohl in geistiger als auch in materieller Hinsicht - widmete. <229> vgl. Kongregation iur die Glaubenslehre, Instruktion Libertatis consciencia, 22. März 1986, Nr. 68 in: ALS 79(1987)583-584. Die Aktivität der Kirche zugunsten der Armen in allen Teilen des Kontinents ist wichtig, dennoch muss man sich weiterhin darum bemühen, dass diese Art von Seelsorge immer mehr zum Weg der Begegnung mit Christus wird, der, obwohl er reich ist, für uns arm wurde, um uns durch seine Armut zu bereichern (vgl. 2 Kor 8,9). All das, was in diesem Bereich bereits geschieht, muss noch intensiviert und erweitert werden, und man soll versuchen, die größtmögliche Anzahl von 544 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Armen dadurch zu erreichen. Die Heilige Schrift erinnert uns daran, dass Gott das Rufen der Armen erhört (vgl. Ps 34,7), und die Kirche muss auf dieses Rufen der am meisten Bedürftigen achten. Indem sie auf deren Stimme hört, „muß die Kirche mit den Armen leben und an ihrem Leid teilnehmen. ... Schließlich muß sie durch ihre Lebensweise Zeugnis dafür ablegen, dass sie selbst sich durch ihre Prioritäten und in Wort und Tat in Gemeinschaft und Solidarität mit ihnen befindet“ <230>. <230> Propositio, 73. Die Auslandsverschuldung 59. Die Auslandsverschuldung, die viele Völker des amerikanischen Kontinents zu ersticken scheint, ist ein sehr umfangreiches Problem. Wenn hier auch nicht auf die zahlreichen Aspekte eingegangen werden kann, so darf die Kirche in ihrer Seelsorge dieses Problem doch nicht ignorieren, da es das Leben so vieler Menschen betrifft. Daher haben auch etliche Bischofskonferenzen in Amerika im Bewusstsein der Tragweite dieses Problems diesbezüglich Studientagungen organisiert und Dokumente bezüglich einer effektiven Lösung desselben veröffentlicht <231>. Auch ich habe meine Sorge über diese in vielen Fällen unhaltbare Situation schon des öfteren zum Ausdruck gebracht. Im Hinblick auf das bevorstehende Große Jubiläum des Jahres 2000 und in Erinnerung an den sozialen Sinn, den diese Jubeljahre im Alten Testament hatten, schrieb ich: „So werden sich im Geist des Buches Leviticus (25,8-28) die Christen zur Stimme aller Armen der Welt machen müssen, indem sie das Jubeljahr als eine passende Zeit hinstellen, um unter anderem an eine Überprüfung, wenn nicht überhaupt an einen erheblichen Erlass der internationalen Schulden zu denken, die auf dem Geschick vieler Nationen lasten“ <232>. <231> Vgl. ebd., 75. <232> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, 10. November 1994, Nr. 51, in: AAS 87(1995)36. So wiederhole ich meinen Wunsch, den sich auch die Synodenväter zu eigen gemacht haben, dass der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden zusammen mit anderen zuständigen Organisationen, wie zum Beispiel die Abteilung für die Beziehungen zu den Staaten innerhalb des Staatssekretariats, „durch Nachforschung und Dialog zusammen mit Vertretern der Ersten Welt und Verantwortlichen der Weltbank und des internationalen Währungsfonds nach Lösungswegen zur Behebung des Problems der Auslandsverschuldung und nach Normen zur Verhinderung einer solchen Situation im Falle von zukünftigen Auslandskrediten sucht“ <233>. Es wäre auch angebracht, dass auf möglichst breiter Ebene „Wirtschafts- und Währungsexperten von internationalem Ruf eine kritische Analyse der Weltwirtschaftsordnung in ihren positiven und negativen Aspekten erstellen, so dass die aktuelle Ordnung korrigiert wird, und man ein System und leistungsfähige Mecha- <233> Propositio, 75. 545 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nismen zur Förderung einer ganzheitlichen und solidarischen Entwicklung der Menschen und Völker vorlegt“ <234>. <234> Ebd. Bekämpfung der Korruption 60. Auch in Amerika ist das Phänomen der Korruption weit verbreitet. Die Kirche kann aber auf wirksame Weise dazu beitragen, dieses Übel der bürgerlichen Gesellschaft durch eine „größere Präsenz qualifizierter Laien“ auszumerzen, „die durch ihre familiäre, schulische und kirchliche Herkunft Werte wie Wahrheit, Aufrichtigkeit, Fleiß und Dienst für das Allgemeinwohl fordern“ <235>. Um dieses Ziel zu erreichen und auch um alle Menschen guten Willens zu erleuchten, che den durch Korruption entstandenen Übeln ein Ende bereiten wollen, muss jener Teil des Katechismus der Katholischen Kirche möglichst überall gelehrt und verbreitet werden, der sich auf dieses Thema bezieht. Auf diese Weise fordert man auch gleichzeitig bei den Katholiken aller Nationen die Kenntnis der durch die Bischofskonferenzen anderer Nationen diesbezüglich veröffentlichten Dokumente <236>. Die Christen, die so unterwiesen sind, werden auch in bedeutender Weise zur Lösung dieses Problems beitragen, indem sie sich nämlich bemühen werden, die Soziallehre der Kirche in all den Aspekten, die ihr Leben und das jener Menschen betreffen, die ihr Einfluss erreichen könnte, in die Tat umzusetzen. <235> Ebd., ZI. <236> Vgl. ebdr, Ober die Veröffentlichung dieser Dokumente, vgl. Johannes Paul II., Motu proprio Apostolos suos, 21. Mai 1998, IV, in: AAS 90(1998)657. Das Drogenproblem 61. Hinsichtlich des schwerwiegenden Problems des Drogenhandels kann die Kirche in Amerika effektiv mit den Verantwortlichen der Nationen, mit den Leitern von Privatuntemehmen, mit den nichtstaatlichen Organisationen und mit den internationalen Instanzen Zusammenarbeiten, um Projekte zu entwickeln, die diesen Handel eliminieren, welcher die Integrität der Völker in Amerika bedroht <237>. Diese Zusammenarbeit muss sich auf die gesetzgebenden Organe ausweiten und, indem sie die Initiativen zur Verhinderung von „Geldwäsche“ unterstützen, sollen sie die Kontrolle über die Güter derer fördern, die an diesem Handel beteiligt sind. Auch sollen sie darüber wachen, dass die Produktion und der Handel mit chemischen Substanzen zur Bearbeitung von Drogen nach legalen Normen abläuft. Die Dringlichkeit und Schwere dieses Problems drängen zum Aufruf an die verschiedenen Bereiche und Gruppen der zivilen Bevölkerung, den Drogenhandel gemeinsam zu bekämpfen <238>. Was speziell die Bischöfe anbelangt, so ist es nach Auffassung der Synodenväter notwendig, dass sie selbst als Hirten des Gottesvolkes mutig und mit <237> Vgl. Propositio, 38. <238> Vgl .ebd. 546 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allen Kräften Hedonismus, Materialismus und solche Lebensweisen verwerfen, die den Griff zur Droge erleichtern <239>. <239> Vgl. ebd. Auch sollte man sich vor Augen halten, dass in gleicher Weise den verarmten Bauern geholfen werden muss, damit sie nicht in Versuchung kommen, durch den Anbau von Pflanzen zur Drogengewinnung zu leichtem Geld zu kommen. Diesbezüglich können die internationalen Organisationen den Regierungen der jeweiligen Länder wertvolle Zusammenarbeit anbieten, indem sie in verschiedener Hinsicht landwirtschaftliche Altemativproduktionen fordern. Auch müssen solche Leute ermutigt werden, die sich bemühen, andere vom Drogenkonsum abzubringen, und sich in pastoraler Fürsorge um drogenabhängige Opfer kümmern. Es ist von grundlegender Bedeutung, den jungen Generationen den wahren „Sinn des Lebens“ zu bieten, denn diese verfallen aufgrund dieses Sinnverlustes letzten Endes häufig dieser perversen Rauschgiftspirale. Auch die Mühe um Wiederherstellung und um soziale Rehabilitation kann eine wahre und wirkliche Aufgabe der Evangelisierung sein <240>. <240> Vgl. ebd. Die Aufrüstung 62. Ein Faktor, der in gravierender Weise die Entwicklung nicht weniger Länder in Amerika lähmt, ist die Aufrüstung. Aus den verschiedenen amerikanischen Teilkirchen muss sich eine prophetische Stimme erheben, die sowohl die Aufrüstung als auch den skandalösen Handel mit Kriegswaffen anprangert. Dieser verschlingt ungeheure Geldsummen, die eigentlich für die Bekämpfung der Armut und zur Förderung der Entwicklung eingesetzt werden müssten <241>. Andererseits ist die Anhäufung von Waffen ein Faktor der Instabilität und eine Bedrohung des Friedens <242>. Deshalb ist die Kirche wachsam angesichts des Risikos von bewaffneten Konflikten, vor allem wenn sie sich unter Bruderländem ereignen. Sie hat als Zeichen der Versöhnung und des Friedens dafür zu sorgen, „dass alle möglichen Mittel aufgewendet werden, um Wege der Vermittlung und Entscheidung zu finden und um zu Gunsten des Friedens und der Brüderlichkeit unter den Völkern zu wirken“ <243>. <241> ygi päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Der internationale Waffenhandel. Eine ethische Reflexion, 1. Mai 1994, in: Ench. Vat. 14, 1071-1154. 221 ygi. Propositio, 76. <243> Ebd. Eine Kultur des Todes und eine von den Mächtigen beherrschte Gesellschaft 63. Heute scheint sich in Amerika und auch in anderen Teilen der Welt ein Gesellschaftsmodell herauszukristallisieren, in welchem die Mächtigen dominieren und die Schwachen an den Rand gedrängt, ja sogar eliminiert werden. An dieser Stelle 547 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN denke ich besonders an die ungeborenen Kinder, die wehrlose Opfer der Abtreibung sind; und ich denke an die alten und unheilbar kranken Menschen, die mitunter zum Objekt der Euthanasie gemacht werden; auch denke ich an viele andere Menschen, die durch Konsumhaltung und Materialismus an den Rand gedrängt werden. Ich kann auch die Augen nicht vor der unnötigen Anwendung der Todesstrafe verschließen. Wenn andere „unblutige Mittel hinreichen, um das Leben der Menschen gegen Angreifer zu verteidigen ... und die Sicherheit der Menschen zu schützen,“ wenn man die heutigen Möglichkeiten des Staates, das Verbrechen effektiv zurückzudrängen, in Betracht zieht, indem er den Täter außer Gefecht setzt, ohne ihm dadurch endgültig die Möglichkeit zur Reue zu nehmen, sind die Fälle, in denen es absolut notwendig wäre, den Übeltäter zu eliminieren, „sehr selten oder praktisch überhaupt nicht mehr gegeben “ <244>. Solche und ähnliche Gesellschaftsmodelle zeichnen sich durch die Kultur des Todes aus und stehen daher im Gegensatz zur Botschaft des Evangeliums. Angesichts dieser trostlosen Wirklichkeit versucht die kirchliche Gemeinschaft immer mehr, sich für eine Kultur des Lebens einzusetzen. <244> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2267, dort wird Johannes Paul D. zitiert: Enzyklika Evangelium vitae, 25 März 1995, Nr. 56, in: AAS 87(1995)463-464. Daher haben die Synodenväter, indem sie die jüngsten Dokumente des kirchlichen Lehramtes übernommen haben, mit aller Deutlichkeit den totalen Einsatz für das menschliche Leben und dessen bedingungslose Achtung von der Empfängnis bis zum Augenblick des natürlichen Todes hervorgehoben, und sie bringen ihre Verwerfung solcher Übel wie Abtreibung und Euthanasie zum Ausdruck. Um diese Lehren des göttlichen und natürlichen Gesetzes zu erhalten, ist es von wesentlicher Bedeutung, die Kenntnis der kirchlichen Soziallehre zu fördern und sich dafür einzusetzen, dass solche Werte wie Leben und Familie auch durch das staatliche Sozialwesen und die staatliche Gesetzgebung anerkannt und verteidigt werden <245>. Außer der Verteidigung des Lebens muss man auch durch die vielen seelsorglichen Einrichtungen eine aktive Förderung der Adoptionen intensivieren und ständige Fürsorgestellen für solche Frauen einrichten, die aufgrund ihrer Schwangerschaft sowohl vor als auch nach der Geburt des Kindes Probleme haben. Die Seelsorge muß auch in ganz besonderer Weise auf jene Frauen ausgerichtet sein, die eine Abtreibung erlitten oder aktiv durchführen haben lassen <246>. Ich danke Gott und spreche den Glaubensbrüdem und -Schwestern in Amerika meine Hochachtung aus, die vereint mit anderen Christen und Menschen guten Willens sich dafür ein-setzen, das Leben mit legalen Mitteln zu verteidigen und die Ungeborenen, die unheilbar Kranken und die Behinderten zu schützen. Ihr Einsatz ist auch deshalb höchst lobenswert, wenn man die Gleichgültigkeit so vieler Menschen, die Fallen <245> Vgl. Propositio, 13. <246> Vgl. ebd. 548 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Euthanasie und die Anschläge auf das Leben und die Menschenwürde bedenkt, die täglich überall begangen werden <247>. <247> Vgl. ebd. Dieselbe Fürsorge muss auch für die oftmals vernachlässigten und verlassenen alten Menschen aufgebracht werden. Sie sind als Personen zu achten, und es ist wichtig, für sie Initiativen zur Annahme und Pflege zu ergreifen, wodurch auch gleichzeitig ihre Rechte gefördert und, soweit das möglich ist, ihr körperliches und geistiges Wohlbefinden sichergestellt werden soll. Die alten Menschen müssen vor Situationen und vor Ausübung von Druck geschützt werden, die sie zum Selbstmord treiben könnten. In besonderer Weise müssen sie gegen die Versuchung des Selbstmordes durch Sterbehilfe und gegen die Euthanasie unterstützt werden. Zusammen mit den Hirten des Gottesvolkes in Amerika richte ich einen Aufruf „an die im medizinisch-gesundheitlichen Bereich tätigen Katholiken und an alle, die einen öffentlichen Dienst verrichten sowie an alle, die im Schuldienst tätig sind, dass sie alles in ihrer Macht stehende tun, um das Leben zu verteidigen, das am meisten gefährdet ist. Hierbei sollen sie nach ihrem in rechter Weise gemäß der katholischen Lehre gebildeten Gewissen handeln. Die Bischöfe und Priester tragen in diesem Sinne die besondere Verantwortung, unermüdlich Zeugnis abzulegen für das Evangelium vom Leben, und sie sollen die Gläubigen ermahnen, dass sie in Treue zu diesem Evangelium handeln“ <248>. Gleichzeitig sollte die Kirche in Amerika aber auch durch geeignete Interventionen die gesetzgebenden Institutionen aufklären, wenn sie Entscheidungen treffen, und sie sollten die Katholiken und anderen Menschen guten Willens ermutigen, Organisationen zur Förderung von guten Gesetzesprojekten zu schaffen, denn so werden jene Projekte verhindert, die Familie und Leben - zwei unzertrennbare Wirklichkeiten - bedrohen. Heutzutage muss ganz besonderes Augenmerk auf alles gelegt werden, was mit der Embryonenforschung zu tun hat, damit in keiner Hinsicht die Menschenwürde verletzt wird. <248> Ebd. Einheimische Bevölkerungsgruppen und Amerikaner afrikanischer Herkunft 64. Wenn die Kirche in Amerika, die dem Evangelium Christi treu ist, den Weg der Solidarität zu gehen wünscht, muß sie auch in ganz besonderer Weise jene ethnischen Bevölkerungsgruppen in Betracht ziehen, die heutzutage immer noch Objekt ungerechter Diskriminierung sind. In der Tat ist jeglicher Versuch, die einheimischen Bevölkerungsgrappen zu Randgruppen zu machen, in der Wurzel zu ersticken. Das beinhaltet aber auch in erster Linie, dass man ihr Land und die mit ihnen abgeschlossenen Verträge zu respektieren hat. Ebenso muss man sich ihrer legitimen sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Bedürfnisse annehmen. Wie könnte man etwa die Notwendigkeit der Versöhnung zwischen den einheimischen Bevölkerungsgruppen und der Gesellschaft der jeweiligen Länder, in denen sie jetzt leben, einfach vergessen? 549 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass die Amerikaner afrikanischer Herkunft auch heute noch in einigen Gegenden unter ethnischen Vorurteilen zu leiden haben. Dies stellt ein wichtiges Hindernis für die Begegnung mit Christus dar. Weil aber alle Menschen, gleich welcher Farbe und Rasse, von Gott und nach seinem Abbild geschaffen sind, sollte man konkrete Programme fordern, bei denen das gemeinsame Gebet nicht fehlen darf, Programme, die Völkerverständigung und Völkerversöhnung fordern, indem sie Brücken der christlichen Nächstenliebe, des Friedens und der Gerechtigkeit zwischen allen Menschen schlagen <249>. Um diese Ziele zu erreichen, ist es unerlässlich, kompetente Seelsorger auszubilden, die im Stande sind, die bereits legitim in Katechese und Liturgie „inkulturierten“ Methoden anzuwenden. Auch wird man eine genügende Anzahl an Seelsorgern gewinnen, die ihre Aktivität innerhalb der einheimischen Bevölkerungsgruppen entfalten, indem man die Priester- und Ordensberufungen unter ihnen fordert <250>. <249> Vgl. ebd., 19. <250> Vgl. ebd., 18. Die Problematik der Einwanderer 65. Der amerikanische Kontinent hat in seiner Geschichte etliche Einwanderungsbewegungen erlebt, die eine große Amzahl von Männern und Frauen in die verschiedenen Landesteile gebracht haben mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Dieses Phänomen setzt sich auch heute noch fort und betrifft ganz konkret zahlreiche Personen und Familien, die aus den lateinamerikanischen Ländern des Kontinents kommen, sich in nördlichen Regionen niedergelassen haben und in einigen Fällen dort einen beträchtlichen Bevölkerungsanteil bilden. Sehr oft bringen sie ein kulturelles und religiöses Erbe mit, das sehr reich an bedeutenden christlichen Elementen ist. Die Kirche ist sich der aus dieser Situation entstandenen Probleme bewusst und bemüht sich, eine echte Seelsorge für diese Einwanderer zu entfalten, um so ihre Ansiedlung in den jeweiligen Gebieten zu fördern und gleichzeitig die Aufnahmebereitschaft seitens der dort bereits ansässigen Völkergruppen anzuregen in der Überzeugung, dass das jeweilige Sich-Öffhen dem anderen gegenüber eine Bereicherung für alle sein wird. Die kirchlichen Gemeinschaften sollten in diesem Phänomen einen besonderen Ruf sehen, die Brüderlichkeit im Geiste des Evangeliums als einen Wert zu leben, und sie sollten es gleichzeitig als eine Einladung betrachten, der eigenen Religiosität einen neuen Impuls zu verleihen, so dass auch die eigene Evangelisierungstätigkeit noch bewusster und entschiedener vonstatten geht. In diesem Sinne meinen die Synodenväter, dass „die Kirche in Amerika die wachsame Anwältin sein muss, die gegen alle ungerechten Beschränkungen das natürliche Recht einer jeden Person schützt, sich frei innerhalb des eigenen Landes und von einem Land zum anderen zu bewegen. Man muss auf die Rechte der Einwanderer und ihrer Familien ebenso 550 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN achten wie darauf, dass ihre Menschenwürde gewahrt bleibt, was auch im Falle der illegalen Einwanderung gilt“ <251>. <251> Ebd. 20. Hinsichtlich der Einwanderer bedarf es eines Geistes der Gastfreundschaft und Aufhahmebereitschaft, wodurch sie ermutigt werden, sich in das kirchliche Leben zu integrieren, ohne dabei ihre eigene Freiheit und ihre besondere kulturelle Identität aufgeben zu müssen. Hierfür ist es sehr wichtig, dass die Herkunftsdiözesen mit den Diözesen Zusammenarbeiten, in denen sich die Einwanderer niedergelassen haben. Auch diesbezüglich ist innerhalb der durch Gesetzgebung vorgesehenen und in der kirchlichen Praxis üblichen spezifischen pastoralen Strukturen Vorzüge -hen <252>. Auf diese Weise wird eine möglichst adäquate und umfassende Seelsorge sichergestellt. Die ständige Sorge für eine wirksame Evangelisierung der Menschen, die erst vor kurzer Zeit eingereist sind und Christus noch nicht kennen, muss für die Kirche stets ein Impuls sein <253>. <252> \/g]_ Kongregation für die Bischöfe, Instruktion Nemo est, 22. August 1969, Nr. 16, in: AAS 61(1969)621-622; CIC, cc. 294 und 518; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, c. 280 § 1. <253> Vgl. ebd. Kapitel VI Die Sendung der Kirche in Amerika heute: die Neuevangelisierung „ Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch “ (Joh 20,21) Von Christus gesandt 66. Der auferstandene Christus hat vor seiner Himmelfahrt die Apostel ausgesandt, um das Evangelium der ganzen Welt zu verkünden (vgl. Mk 16,15), und er hat ihnen die nötige Vollmacht verliehen, diese Mission zu vollbringen. Es ist bedeutend, dass Jesus, bevor er den Aposteln den letzten Missionsauftrag übergab, sich auf die vom Vater erhaltene Allmacht bezog (vgl. Mt 28,18). In der Tat gab Christus seine vom Vater empfangene Mission an die Apostel weiter (vgl. Joh 20,21) und machte sie so zu Teilhabern an seiner Macht. Und „weil die Laien Glieder der Kirche sind, haben auch sie die Berufung und Sendung, das Evangelium zu verkünden. Aufgrund der christlichen Initiationssakramente und der Gaben des Heiligen Geistes sind sie dazu berufen und verpflichtet“ <254>. Und die Laien wurden ja auch tatsächlich „des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaftig“ gemacht <255>. „Aufgrund ihrer Teilhabe am prophetischen Amt Christi werden die Laien“ folglich „ganz in diese Aufgabe der Kirche einbe- <254> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici, 30. Dezember 1988, Nr. 33, in: AAS 1(1989)453. <255> Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 31. 551 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zogen“ <256>, und deshalb müssen sie sich berufen und gesandt fühlen, die Frohbotschaft des Reiches zu verkünden. Die Worte Jesu: „Geht auch ihr in meinen Weinberg!“ {Mt 20,4) <257>, darf man nicht so auffassen, als wären sie nur an die Apostel gerichtet worden, sondern sie gelten für alle, die wahre Jünger des Herrn sein wollen. <256> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici, 30. Dezember 1988, Nr. 34, in: AAS 81(1989)455. <257> Vgl. ebd., 2, 394-397. Der wesentliche Auftrag, mit dem Jesus seine Jünger aussendet, ist die Verkündigung des Evangeliums, mit anderen Worten, die Evangelisierung (vgl. Mk 16,15— 18). „Evangelisieren ist in der Tat die Gnade und eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität“ <258>. Wie ich bereits bei anderen Gelegenheiten zum Ausdruck gebracht habe, bewirken die Einzigartigkeit und Neuheit der Situation, in der sich Kirche und Welt an der Schwelle zum Dritten Jahrtausend befinden, und die daraus resultierenden Anforderungen, dass die Mission, das Evangelium zu verkünden, heutzutage ein neues Programm erfordert, das sich in seiner Gesamtheit als „Neuevangelisierung“ definieren lässt <259>. Als oberster Hirte der Kirche ist es mir ein dringendes Anliegen, alle Glieder des Gottesvolkes - insbesondere jene, die auf dem amerikanischen Kontinent leben, wo ich zum ersten Mal zu neuem Engagement und zur Neuevangelisierung, „neu in ihrem Eifer, in ihren Methoden und in ihrer Ausdrucksweise“ <260> aufrief - einzuladen, dieses Projekt zu übernehmen und dabei zusammenzuarbeiten. Bei der Annahme dieser Mission müssen alle bedenken, dass der lebendige Kern der Neuevangelisierung die klare und unmissverständliche Verkündigung der Person Jesu Christi sein muss, das heißt, es geht dabei um die Verkündigung seines Namens, seiner Lehre, seines Lebens, seiner Verheißungen und des Reiches, das Er für uns durch sein Ostermysterium erobert hat <261>. <258> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii mmliandi, 8. Dezember 1975, Nr. 14, in: AAS 68(1976)13. <259> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici, 30. Dezember 1988, Nr. 34 in: AAS 81(1989)455. <260> Johannes Paul II., Ansprache an die Lateinamerikanische Bischofskonferenz, 9. März 1983, III, in: AAS 75(1983)778. 245 Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 8. Dezember 1975, Nr. 22, in: AAS 68(1976)20. Jesus Christus — „Frohbotschaft“ und erster Verkünder des Evangeliums 67. Jesus Christus ist die „Frohbotschaft“ des Heils, das den Menschen von gestern, heute und für alle Zeiten zuteil geworden ist; doch er ist auch gleichzeitig der erste und höchste Verkünder seines Evangeliums <262>. Die Kirche muss den Mittelpunkt ihrer Seelsorge und ihrer Evangelisierung im gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus sehen. „All das, was im kirchlichen Bereich an Projekten er- <262> Vgl. ebd.,9-10. 552 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stellt wird, [hat] von Christus und seinem Evangelium auszugehen“ <263>. Deshalb „soll die Kirche in Amerika immer mehr von Christus, dem menschlichen Antlitz Gottes und dem göttlichen Antlitz des Menschen sprechen. Es ist dies die Botschaft, die die Menschen wirklich aufrüttelt, den Geist wachruft und verwandelt oder, um es mit anderen Worten zu sagen: bekehrt. Christus muß freudig und kraftvoll, jedoch in erster Linie durch das Zeugnis des eigenen Lebens verkündet werden“ <264> <265>. Jeder Christ kann in dem Maße seine Mission auf wirksame Weise vollbringen, in dem er das Leben des menschgewordenen Gottessohnes als vollkommenes Modell zur Evangelisierung annimmt. Aus dieser Sichtweise sind die Armen selbstverständlich als erste Adressaten der Evangelisierung zu betrachten und zwar nach dem Vorbild Jesu, der von sich selbst sagte: „Der Geist des Herrn ... hat mich gesalbt. Er hat mich gesalbt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe“ (LA: 4,18po. <263> Johannes Paul II.. Botschaft an den Lateinamerikanische Bischofsrat, 14. September 1997, 6, in: L ’Osservatore Romano, Spanische Wochenausgabe, 3. Oktober 1997, S. 20. <264> Propositio, 8. <265> Vgl. ebd., 57. Wie ich bereits zuvor angedeutet habe, soll die Liebe zu den Armen vorrangig, nicht aber ausschließlich sein. Man hat, wie die Synodenväter aufzeigen, die Seelsorge gegenüber Menschen, die in der Gesellschaft leitende Funktionen haben, vernachlässigt, was dazu geführt hat, dass nicht wenige von ihnen sich von der Kirche entfernt haben <266>. Der Grund dafür ist zum Teil darin zu suchen, dass man die Seelsorge im gewissen Sinn ausschließlich auf die Armen konzentriert hat. Die durch die Verbreitung des Säkularismus entstandenen Schäden sowohl in politischen als auch in wirtschaftlichen, gewerkschaftlichen, militärischen, sozialen und kulturellen Kreisen zeigen die Dringlichkeit einer Evangelisierung dieser Kreise auf, die von den Hirten selbst mit Nachdruck geleitet werden muss. Sie wurden von Gott berufen, für alle zu sorgen. Es ist auch notwendig, die in leitenden Ämtern tätigen Männer und Frauen mit neuem brennendem Eifer und durch neue Methoden zu evangelisieren, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Gewissensbildung durch die kirchliche Soziallehre liegen muss. Eine solche Unterweisung wird auch angesichts so vieler Fälle von Inkonsequenz und manchmal sogar von Korruption, die den soziopolitischen Strukturen Schaden zufügt, das beste Gegenmittel sein. Wenn man diese Gewissensbildung der in leitenden Positionen tätigen Menschen vernachlässigt, dann darf man sich auch nicht wundem, wenn viele dieser Menschen nach Kriterien handeln, die nicht im Einklang mit dem Evangelium stehen, ja, sogar diesem manchmal offen entgegengesetzt sind. Trotz allem sollte man anerkennen, dass „viele Menschen in leitenden Positionen“, die zwar <266> Vgl. ebd., 16. 553 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einen klaren Kontrast zur christlichen Mentalität bilden, „versuchen (...), eine gerechte und solidarische Gesellschaft zu errichten“ <267>. <267> Ebd. Die Begegnung mit Christus führt zur Evangelisierung 68. Die Begegnung mit dem Herrn erzeugt eine tiefgreifende Verwandlung bei denen, die sich ihm nicht verschließen. Der erste Impuls, der von dieser Umwandlung ausgeht, ist, dass man den anderen den Reichtum, den man in dieser Begegnung erfahren hat, gerne mitteilen möchte. Es geht dabei nicht einfach nur darum zu zeigen, was man kennen gelernt hat, sondern man will, wie die Samariterin, dass auch die anderen Jesus persönlich begegnen: „Kommt, und seht“ {Joh 4,29). Das Ergebnis wird dann dasselbe sein, wie schon damals in den Herzen der Menschen aus Samaria, die zu der Frau sagten: „Nicht mehr aufgrund deiner Aussage glauben wir, sondern weil wir ihn selbst gehört haben und nun wissen: Er ist wirklich der Retter der Welt“ {Joh 4,42). Zu den zentralen Aufgaben der Mission der Kirche, die von der ständigen und geheimnisvollen Gegenwart ihres auferstandenen Herrn lebt, gehört es, „alle Menschen zur Begegnung mit Jesus Christus zu fuhren“ <268>. <268> Ebd., 2. Wir sind berufen zu verkünden, dass Christus wirklich lebt, das heißt, dass der menschgewordene Gottessohn gestorben und auferstanden ist, dass er der einzige Retter aller Menschen sowie des Menschen in seiner Gesamtheit ist, und dass er als Herr der Geschichte weiterhin durch seinen Heiligen Geist in der Kirche und in der Welt bis zum Ende der Zeiten wirkt. Die Gegenwart des Auferstandenen in der Kirche ermöglicht auch dank des unsichtbaren Wirkens seines lebensspendenden Geistes die Begegnung mit ihm. Diese Begegnung ereignet sich durch den in der Kirche empfangenen und gelebten Glauben, denn die Kirche ist der mystische Leib Christi. Deshalb hat diese Begegnung auch eine wesentliche kirchliche Dimension und führt dazu, dass man sein Leben aufopfert. Und tatsächlich „bedeutet, dem lebendigen Christus zu begegnen, in erster Linie dessen Liebe anzunehmen, sich für ihn zu entscheiden, freiwillig sich zu seiner Person und zu seinem Projekt, das Gottesreich zu verkünden und zu verwirklichen, zu bekennen“ <269>. <269> Ebd. Dieser Ruf fuhrt dazu, dass wir Jesus suchen: „Rabbi - das heißt übersetzt: Meister -, wo wohnst du? Er antwortete: Kommt und seht! Da gingen sie mit ihm und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm“ {Joh 1,38-39). „Dieses ,Bei-Ihm-Bleiben‘ beschränkt sich nicht nur auf jenen Tag, an dem er sie eingeladen hatte, sondern es erstreckt sich auf das ganze Leben. Ihm zu folgen heißt, so zu leben, wie er es tat, seine Botschaft anzunehmen, seine Kriterien zu übernehmen, sein Schicksal anzunehmen, an seinem Vorhaben, dem Plan des Vaters, teilzunehmen, nämlich alle zur Gemeinschaft mit der Dreifaltigkeit und zur Gemeinschaft 554 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit den Brüdern und Schwestern in einer gerechten und solidarischen Gesellschaft einzuladen“ <270>. Der brennende Wunsch, die anderen zur Begegnung mit Ihm einzuladen, dem wir begegnet sind, steht am Anfang der Evangelisierungsmission, die der ganzen Kirche zugrunde liegt und die ganz besonders im heutigen Amerika an Dringlichkeit gewinnt, nachdem man dort den fünfhundertsten Jahrestag der ersten Evangelisierung begangen hat und während wir im Begriff sind, dankbar der 2000 Jahre seit der Ankunft des eingeborenen Gottessohnes auf dieser Welt zu gedenken. <270> Ebd. Bedeutung der Katechese 69. Die Neuevangelisierung, an welcher der ganze Kontinent beteiligt ist, zeigt, dass man den Glauben nicht als selbstverständlich voraussetzen darf, sondern dass er vielmehr in seinem ganzen Umfang und Reichtum vorgestellt werden muss. Dies ist das Hauptziel der Katechese, die aufgrund ihres Wesens eine essentielle Dimension der Neuevangelisierung darstellt. „Die Katechese ist ein Prozeß der Unterweisung im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe, wodurch der Geist gebildet und das Herz angerührt wird. Das führt dazu, daß man Christus in vollem Umfang annimmt. Sie führt den Gläubigen tiefer in die Erfahrung christlicher Lebensweise ein, wozu auch die liturgische Feier des Geheimnisses der Erlösung und der christliche Dienst am Nächsten gehört“ <271>. <271> Ebd., 10. Im Bewusstsein der Notwendigkeit einer vollständigen Glaubenserziehung übernahm ich den Vorschlag, den die Synodenväter auf der außerordentlichen Versammlung der Bischofssynode im Jahre 1985 machten, nämlich „einen Katechismus, bzw. ein Kompendium der ganzen katholischen Glaubens- und Sittenlehre“ auszuarbeiten „sozusagen als Bezugspunkt für die Katechismen bzw. Kompendien, die in den verschiedenen Regionen zu erstellen sind“ <272>. Dieser Vorschlag wurde durch die Veröffentlichung der „editio typica“ des Catechismus Catholicae Ecclesiae verwirklicht <273>. Außer dem offiziellen Text des Katechismus und zum besseren Nutzen seines Inhalts hatte ich auch verfügt, dass ein Allgemeines Direktorium zur Katechese ausgearbeitet und veröffentlicht würde <274>. Den Gebrauch dieser Hilfsmittel von universalem Wert lege ich wärmstens allen jenen ans Herz, die sich in Amerika der Katechese widmen, und es ist wünschenswert, dass beide Dokumente als Modell dienen bei der „Vorbereitung und Revision aller katechetischen Programme auf pfarrlicher und diözesaner Ebene, wobei man sich <272> Bischofssynode, Zweite außerordentliche Generalversammlung, Endbericht Ecclesia sub Verbo Del mysteria Christi celebranspro salute mundi, 7. Dezember 1985, II, B, a, 4, in: Erich. Vat. 9, 1797. <273> Ygj Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Laetamur magnopere, 15. August 1997, in: AAS 89(1997)819-821. <274> Kongregation für den Klerus, Allgemeines Direktorium zur Katechese, 15. August 1997, Libreria Editrice Vaticana, 1997. 555 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vor Augen halten sollte, daß die religiöse Situation der Jugendlichen und Erwachsenen eine mehr kerygmatische und organische Katechese bei der Vorstellung der Glaubensinhalte erfordert“ <275>. <275> Propositio, 10. Man muss die mutige Mission anerkennen und unterstützen, in der so viele Katecheten in ganz Amerika engagiert sind. Sie sind wahre Boten des Reiches: „Ihr Glaube und ihr Lebenszeugnis sind Bestandteile der Katechese“ <276>, und ich möchte die Gläubigen dazu ermutigen, kraftvoll und in Liebe zum Herrn diesen Dienst an der Kirche zu übernehmen, bei dem sie großzügig ihre Zeit und ihre Begabungen zum Einsatz bringen. Die Bischöfe ihrerseits sollen dafür Sorge tragen, dass den Katecheten eine adäquate Ausbildung zukommt, damit sie diesen unerlässlichen Dienst im Leben der Kirche auszuüben im Stande sind. Bei der Katechese sollte man sich immer vergegenwärtigen, - und dies gilt besonders für einen Kontinent wie Amerika, wo die soziale Frage einen bedeutenden Aspekt darstellt - dass „die Zunahme des Glaubensverständnisses sowie der praktische Glaubensausdruck im Leben der Gesellschaft in engster Beziehung zueinander stehen. Die Bemühungen um die Begegnung mit Christus sollten deshalb nicht weniger günstige Auswirkungen bei der Förderung des Allgemeinwohls in einer auf Gerechtigkeit basierenden Gesellschaft haben“ <277>. <276> Ebd. <277> Ebd. Evangelisierung der Kultur 70. Mein Vorgänger, Paul VI., vertrat aufgrund weiser Eingebung den Standpunkt: „Der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche“ <278>. Deshalb sagten auch die Synodenväter, dass „die Neuevangelisierung klare, ernsthafte und geordnete Anstrengungen erfordert, um die Kultur mit dem Evangelium zu durchwirken“ <279>. Als der Sohn Gottes die menschliche Natur annahm, geschah dies innerhalb eines ganz bestimmten Volkes, auch wenn sein Erlösertod den Menschen aller Kulturen, Rassen und Lebensumstände das Heil gebracht hat. Das Geschenk seines Geistes und seiner Liebe ist für die Völker aller Kulturen bestimmt, um sie untereinander zu vereinen gleich dem Vorbild der vollkommenen Einheit des einen und dreifältigen Gottes. Damit dies möglich werde, bedarf es einer Inkulturation der Glaubensverkündigung, so dass das Evangelium jeweils in der Sprache und innerhalb der Kultur jener Menschen verkündet wird, die es hören <280>. Man sollte aber gleichzeitig nicht vergessen, dass einzig und allein das Ostergeheimnis Christi, das die höchste Selbstmitteilung des unendlichen Gottes innerhalb der zeitlich begrenzten Geschichte ist, der gültige Bezugspunkt <278> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 8. Dezember 1975, Nr. 20, in: AAS 68(1976)19. <279> propositio, 17. <280> Vgl. ebd. 556 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für die Menschheit bei ihrer irdischen Pilgerschaft und auf der Suche nach wahrer Einheit und wahrem Frieden sein kann. Das Mestizenantlitz Unserer Lieben Frau von Guadalupe war auf dem Kontinent von Anfang an ein Symbol der Inkulturation bei der Evangelisierung, deren Stern und Führung sie war. Durch ihre mächtige Fürsprache kann die Evangelisierung die Herzen der Menschen in Amerika durchdringen, ihre Kulturen durchwirken und sie von innen her verwandeln <281>. <281> Vgl. ebd. Die Zentren für Bildung und Erziehung evangelisieren 71. Das Bildungswesen ist ein privilegierter Bereich für die Förderung der Inkulturation des Evangeliums. Dennoch werden die katholischen Zentren für Bildung und Erziehung und jene, die, wenn auch nicht konfessionsgebunden, deutlich vom katholischen Geist geprägt sind, nur dann wahre Evangelisierung leisten können, wenn sie eine klare katholische Orientierung bewahren. Die Inhalte der Erziehungsprojekte müssen Jesus Christus und seine Botschaft ständig einbeziehen und zwar so, wie es die Kirche in ihrer Glaubens- und Morallehre vorlegt. Nur so können in den diversen humanen Tätigkeitsbereichen und in der Gesellschaft authentische christliche Leiter herangebildet werden, was besonders für den politischen und wirtschaftlichen Bereich sowie für die Bereiche Wissenschaft, Kunst und Philosophie gilt <282>. In diesem Sinne „ist es von wesentlicher Bedeutung, daß die katholischen Universitäten tatsächlich, wirklich und gleichzeitig beides seien, nämlich Universität und katholisch. ... Die katholische Ausrichtung ist für die Universität insofern konstitutiv, als sie eine Institution darstellt und nicht einfach nur auf der bloßen Entscheidung individueller Personen beruht, die in einem konkreten Zeitraum für deren Leitung zuständig sind“ <283>. Deshalb muss den seelsorglichen Bemühungen in den verschiedenen katholischen Universitäten besonderes Augenmerk im Hinblick darauf geschenkt werden, dass die Erziehung der Studenten zum Apostolat gefördert werden soll, damit sie selbst einmal in der Evangelisierung der Universitäten tätig sein werden <284>. Außerdem „muß auch ein Anreiz zur Zusammenarbeit zwischen den einzelnen katholischen Universitäten in ganz Amerika geschaffen werden, der zu deren gegenseitigen Bereicherung dient“ <285>. Auf diese Weise findet ein Beitrag zur Verwirklichung der Grundsätze von Solidarität und Austausch zwischen den Völkern des ganzen Kontinents auch auf universitärem Niveau statt. <282> Vgl. ebd., 22. <283> Ebd., 23. <284> Vgl. ebd. <285> Ebd. Ähnliches ist auch hinsichtlich der katholischen Schulen zu sagen, was ganz besonderes für die höheren Schulen gilt: „Man muß sich ganz besonders darum be- 557 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mühen, die katholische Identität der Schulen zu stärken, deren besonderes Wesen in einem Bildungsprojekt begründet liegt, dessen Ursprung sich in der Person Jesu Christi befindet und dessen Wurzeln in der Lehre des Evangeliums zu suchen sind. Die katholischen Schulen sollen nicht nur darauf ausgerichtet sein, eine Erziehung zu gewährleisten, die vom technischen und professionellen Standpunkt aus gesehen zwar angemessen ist, sondern man sollte sich besonders um eine ganzheitliche Erziehung der menschlichen Person bemühen“ <286>. In Anbetracht der Bedeutung der Aufgabe katholischer Erzieher schließe ich mich den Synodenvätem an und möchte in dankbarer Anerkennung alle jene ermutigen, die sich dem Unterricht in den katholischen Schulen widmen: die Priester und Ordensleute sowie die engagierten Laien, „damit sie in ihrer so bedeutungsvollen Aufgabe und Mission beharrlich bleiben“ <287>. Man soll dafür Sorge tragen, dass der Einfluss dieser Bildungszentren alle Bereiche der Gesellschaft erreicht, ohne dabei Unterschiede zu machen und Ausschließlichkeitsansprüche zu erheben. Es ist unerlässlich, wirklich alle Mühen aufzuwenden, damit die katholischen Schulen trotz finanzieller Schwierigkeiten weiterhin „den Armen und den in unserer Gesellschaft an den Rand Gedrängten eine katholische Erziehung zukommen lassen“ <288>. Niemals wird es möglich sein, die Bedürftigen von ihrer Armut zu befreien, wenn man sie nicht zuvor von jener Misere befreit, die aus dem Fehlen einer würdigen Erziehung resultiert. <286> Ebd., 24. <287> EM. <288> Ebd. Bei dem globalen Projekt der Neuevangelisierung nimmt der Bereich Erziehung einen bevorzugten Platz ein. Deshalb muss die Aktivität aller katholischen Lehrer unterstützt werden, was auch für jene gilt, die in nicht konfessionsgebundenen Schulen unterrichten. In diesem Sinne richte ich an die Ordensleute den dringenden Aufruf, diesen für die Neuevangelisierung so wichtigen Bereich nicht aufzugeben <289>. <289> Vgl. ebd., 22. Als Frucht und Ausdruck der Gemeinschaft unter allen Teilkirchen Amerikas und vor allem vor dem Hintergrund der spirituellen Erfahrungen der Synodenver-sammlungen wird man sich darum bemühen, Kongresse für katholische Erzieher auf nationaler und kontinentaler Ebene zu fördern, was einen Versuch darstellt, die Seelsorge im Bereich Erziehung auf allen Ebenen in geordnete Bahnen zu lenken und noch mehr zum Einsatz zu bringen <290>. <290> vgl. ebd. Um alle diese Ziele zu erreichen, bedarf die Kirche in Amerika eines gewissen Freiraums im Unterrichtsbereich, was aber nicht als Privileg, sondern kraft des Auftrags unseres Herrn, das Evangelium zu verkünden, als Recht verstanden werden soll. Außerdem haben die Eltern das grundlegende Vorrecht, über die Erziehung ihrer Kinder zu entscheiden, und aus diesem Grund müssen die katholischen 558 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eltern auch die Möglichkeit besitzen, eine Erziehung zu wählen, die mit ihrer religiösen Überzeugung übereinstimmt. Die Funktion des Staates in diesem Bereich ist zweitrangig. Der Staat hat die Pflicht, „allen eine Erziehung zu garantieren sowie die Pflicht, die Unterrichtsfreiheit zu respektieren und zu verteidigen. Ein staatliches Monopol hierin ist als eine Form von Totalitarismus abzulehnen, denn dies würde die grundlegenden Rechte verletzen, die staatlicherseits eigentlich verteidigt werden müssten. Gemeint ist hier vor allem das Recht der Eltern auf eine religiöse Erziehung ihrer Kinder, denn die Familie ist der erste Erziehungsbereich der Person“ <291>. <291> Ebd. Evangelisieren durch die Massenmedien 72. Für die Effektivität der Neuevangelisierung ist eine vertiefte Kenntnis der heutigen Kultur grundlegend, in der die Massenmedien einen großen Einfluss ausüben. Daher ist es unerlässlich, diese Medien sowohl in ihren herkömmlichen Formen als auch hinsichtlich der neuesten Errungenschaften des technischen Fortschritts zu kennen und zu nutzen. Diese Realität erfordert es, dass man auch Sprache, Wesen und Charakteristiken besagter Medien kennen muss. Durch einen korrekten und sachgerechten Gebrauch derselben lässt sich eine wahre Inkulturation des Evangeliums erzielen. Andererseits tragen diese Medien auch dazu bei, die Kultur und Mentalität der Menschen unserer Zeit zu formen. Aus diesem Grund muss die Seelsorge in besonderer Weise auf alle jene ausgerichtet sein, die im Bereich Medien und Kommunikation tätig sind <292>. <292> Vgl. ebd., 25. Diesbezüglich wiesen die Synodenväter auf zahlreiche konkrete Initiativen hin, die eine wirksame Präsenz des Evangeliums in der Welt der Massenmedien zum Ziel haben, wie zum Beispiel die Ausbildung von Seelsorgern für diesen Bereich, die Unterstützung von qualifizierten Produktionszentren, den umsichtigen und sicheren Gebrauch von Satelliten und neuen Technologien, die Unterweisung der Laien, damit sie als Verbraucher kritisch seien, die Vereinigung von Kräften beim Erwerb und in der gemeinsamen Verwaltung neuer Sender und Radio- und Femsehnetze sowie bei der Koordinierung der bereits existierenden Sender und Netze. Andererseits wollen auch die katholischen Veröffentlichungen unterstützt werden, und es ist auch notwendig, dass sie die erwünschte qualitative Entwicklung vollziehen. Unternehmer sollen zur finanziellen Rückendeckung qualitätsvoller, die menschlichen und christlichen Werte fördernder Produktionen ermutigt werden <293>. Ein solch weitgefächertes Programm übersteigt natürlich bei weitem die Möglichkeiten der einzelnen Teilkirchen auf dem amerikanischen Kontinent. Daher schlugen die Synodenväter vor, die Aktivitäten in Sachen Medien und Kommunikation auf interamerikanischem Niveau zu koordinieren, um so gegenseitige Kenntnis und <293> Vgl .ebd. 559 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zusammenarbeit bei der Verwirklichung der in diesem Bereich bereits unternommenen Schritte zu fordern <294>. <294> Vgl. ebd. Die Herausforderung durch die Sekten 73. Der Proselytismus, den die Sekten und neuen religiösen Gruppierungen in vielen Teilen Amerikas betreiben, ist ein ernsthaftes Hindernis für die Evangelisierung. Der Begriff „Proselytismus“ ist mit einer negativen Bedeutung behaftet, wenn damit zum Ausdruck gebracht wird, dass man auf eine Weise um Anhänger wirbt, die die Freiheit derer nicht beachtet, an die sich eine bestimmte religiöse Propaganda richtet <295>. Die Kirche in Amerika verachtet den Proselytismus der Sekten aus eben diesem Grund, und ihre Evangelisierungstätigkeit schließt die Anwendung von Methoden dieser Art aus. Will man den Menschen das Evangelium Christi in seinem ganzen Umfang nahe bringen, muss die Evangelisierung das Heiligtum des Gewissens eines jeden Einzelnen respektieren, wo sich der entscheidende und absolut persönliche Dialog zwischen Gnade und menschlicher Freiheit entwickelt. <295> Vgl. Instrumentum laboris, 45. Das muss man sich besonders im Hinblick auf die christlichen Brüder und Schwestern von Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften vor Augen halten, die von der katholischen Kirche getrennt und vor langer Zeit in bestimmten Gegenden Amerikas ansässig geworden sind. Die Bande wahrer, wenn auch unvollkommener Gemeinschaft, die gemäß der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils <296> zwischen diesen Gemeinschaften und der katholischen Kirche bestehen, müssen ihre Haltung und die ihrer Mitglieder hinsichtlich dieser Gemeinschaften erleuchten <297>. Aber deswegen darf diese Haltung dennoch nicht die feste Überzeugung in Zweifel stellen, dass sich nur in der katholischen Kirche die Fülle der von Jesus Christus gestifteten Mittel zur Erlangung des Heils befindet <298>. <296> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis redintegratio, Über den Ökumenismus, Nr. 3. <297> Vgl. Propositio, 64. <298> Vg| Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis redintegratio, Über den Ökumenismus, Nr. 3. Den proselytistischen Vorstößen der Sekten und neuen religiösen Gruppierungen in Amerika darf man nicht gleichgültig Zusehen. Sie fordern der Kirche auf diesem Kontinent ein vertieftes Studium ab, welches in jedem Land, aber auch auf internationalem Niveau verwirklicht werden muss, um die Gründe herauszufinden, warum nicht wenige Katholiken aus der Kirche austreten. Im Lichte der daraus resultierenden Schlussfolgerungen wird es wohl angebracht sein, eine Revision der bisher angewandten Seelsorgemethoden vorzunehmen, so dass jede Teilkirche der Religiosität ihrer Gläubigen mehr persönliche Aufmerksamkeit schenkt, die Strukturen der Gemeinschaft und der Mission konsolidiert, und sich der bei der Evangelisierung sich bietenden Möglichkeiten bedient, die eine geläuterte Volks- 560 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN frömmigkeit hervorbringen, damit durch das Gebet und die Meditation des Wortes Gottes der Glaube aller Katholiken an Jesus Christus lebendiger werde <299>. Niemandem bleibt die Dringlichkeit einer angemessenen Evangelisierungsaktion bezüglich jener Bereiche des Volkes Gottes verborgen, die dem Proselytismus der Sekten am meisten ausgesetzt sind, wie die Emigranten, die Menschen in den Randzonen der Städte oder in jenen ländlichen Siedlungen, denen die organisierte Gegenwart eines Priesters abgeht und die von daher durch eine diffuse religiöse Unwissenheit geprägt sind, aber auch die Familien einfacherer Bevölkerungsschichten, die unter diversen materiellen Schwierigkeiten leiden. Auch unter diesem Gesichtspunkt zeigen sich die Basisgemeinschaften, die Bewegungen, die familiären Gruppen und andere assoziierende Gemeinschaften, in denen es leichter fällt, zwischenmenschliche Beziehungen zur gegenseitigen Unterstützung zu pflegen, sowohl im spirituellen als auch im wirtschaftlichen Bereich, als sehr nützlich. Andererseits, so haben einige Synodenväter hervorgehoben, muss man sich fragen, ob eine fast ausschließlich auf die materiellen Nöte der Bedürftigen ausgerichtete Seelsorge nicht dazu führt, dass das Verlangen nach Gott, das diese Völker haben, missachtet wird, indem man sie so hinsichtlich angeblich spiritueller Angebote in einer verletzlichen Situation belässt. Deshalb „ist es unerläßlich, daß alle mit Christus durch die kerygmatische, erbauliche und verwandelnde Verkündigung, ganz besonders aber durch die Predigt während der Liturgie verbunden sind“ <300>. Eine Kirche, die intensiv in einer spirituellen und kontemplativen Dimension lebt und die sich großzügig dem Liebesdienst widmet, wird auf immer beredtere Weise glaubwürdige Zeugin Gottes vor den Menschen sein, die auf der Suche nach einem Sinn ihres eigenen Lebens sind <301>. Deswegen ist es notwendig, dass die Gläubigen von ihrer Glaubensroutine, die sie vielleicht auch nur dank ihres Umfeldes bewahrt haben, zu einem bewussten und persönlich gelebten Glauben übergehen. Die Glaubensemeuerung wird stets der beste Weg sein, um alle zur Wahrheit zu führen, die Christus ist. <299> Ygj_ Propositio, 64. <300> Ebd. <301> vgl. IV. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, Santo Domingo, Oktober 1992, Neue Evangelisierung, Förderung des Menschen, christliche Kultur, 58. Eine wirklich effektive Antwort auf die Herausforderungen der Sekten erfordert auch eine angemessene Koordinierung der Initiativen auf überdiözesanem Niveau mit dem Ziel, eine Zusammenarbeit zu schaffen durch gemeinsame Projekte, die so noch fruchtbarer sein können <302>. <302> ygi propositio, 65. Die Mission „ ad gentes “ 74. Jesus Christus übertrag der Kirche die Mission, allen Völkern das Evangelium zu verkünden: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen 561 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ {Mt 28,19-20). Das Bewusstsein, dass die der Kirche übertragene Mission, das Evangelium zu verkünden, universal ist, muss lebendig bleiben, wie es die Geschichte des Gottesvolkes, das in Amerika auf der Pilgerschaft ist, immer wieder unter Beweis gestellt hat. Die Evangelisierung wird noch dringender, wenn man an die vielen denkt, die auf diesem Kontinent leben und noch nie den Namen Jesu gehört haben. Ist es doch der einzige Name, der den Menschen um ihres Heiles willen gegeben wurde (vgl. Apg 4, 12). Und es ist beklagenswert, dass dieser Name einem Großteil der Menschheit auch in vielen Bereichen der amerikanischen Gesellschaft immer noch unbekannt ist. Man denke dabei nur an die einheimischen Bevölkerungsgruppen, die noch nicht christianisiert sind oder an die in Amerika existierenden nichtchristlichen Religionen, wie Islam, Buddhismus und Hinduismus, besonders seitens der Immigranten aus asiatischen Ländern. Dieser Umstand macht es der universalen Kirche, ganz besonders aber der amerikanischen Kirche, zur Pflicht, für die Mission „ad gentes“ offen zu bleiben <303>. Das Programm der Neuevangelisierung, das auch das Ziel vieler Pastoralprojekte ist, darf sich nicht darauf beschränken, lediglich den Glauben derer wiederzubeleben, die aus Routine glauben, sondern es muss darin auch der Versuch enthalten sein, Christus dort zu verkünden, wo er noch unbekannt ist. <303> Vg| ebd.. 66. Außerdem sind die amerikanischen Teilkirchen auch dazu berufen, ihren Impuls der Evangelisierung über die Grenzen des Kontinents hinaus auszuweiten. Sie dürfen den immensen Reichtum ihres christlichen Kulturerbes nicht für sich allein behalten, sondern sie müssen es in die ganze Welt hinaus tragen und es denen mit-teilen, die es noch nicht kennen. Es handelt sich hier um die vielen Millionen von Männern und Frauen, die ohne Glauben sind und daher die schlimmste Form von Armut erleiden. Angesichts dieser Armut wäre es falsch, eine Evangelisierung über die Grenzen des Kontinents hinaus nicht zu fördern mit dem Vorwand, dass es in Amerika selbst noch viel zu tun gibt oder in der Hoffnung, vorher noch eine Situation zu schaffen, die im Grunde genommen utopisch ist, nämlich die volle Verwirklichung der Kirche in Amerika. Mit dem Wunsch, dass der amerikanische Kontinent gemäß seiner christlichen Vitalität an der großen Mission „ad gentes“ teilnehme, schließe ich mich den konkreten Vorschlägen der Synodenväter an, die sie im Hinblick auf „die Unterstützung und Förderung einer engeren Zusammenarbeit unter den Schwesterkirchen“ vorgelegt haben, nämlich Missionare innerhalb und über die Grenzen des Kontinents hinaus zu entsenden [Priester, Ordensleute und Laien], Missionseinrichtungen zu stärken oder überhaupt zu schaffen, die missionarische Dimension des geweihten und kontemplativen Lebens zu fördern und der Belebung der Mission sowie der missionarischen Ausbildung und der Organisation der Mission einen neuen Impuls zu verleihen“ <304>. Ich bin sicher, dass der seelsorgliche Eifer der Bischöfe <304> Ebd. 562 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und der übrigen Kinder der Kirche in ganz Amerika neue konkrete Initiativen hervorbringen wird, die sich auch auf die internationale Ebene ausweiten und durch ihre Dynamik und Kreativität die Umsetzung dieser missionarischen Vorhaben in die Tat mit sich bringen werden. Schluss 75. „Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Im Vertrauen auf diese Verheißung des Herrn ist die auf dem amerikanischen Kontinent pilgernde Kirche bereit, die Herausforderungen der heutigen Welt sowie jene, die in Zukunft auf sie zukommen können, anzunehmen. Die frohe Botschaft von der Auferstehung wird im Evangelium von der Aufforderung begleitet, sich nicht zu furchten (vgl. Mt 28,5.10). Die Kirche in Amerika will in der Hoffnung leben, wie es auch die Synodenväter zum Ausdruck brachten: „Im festen Vertrauen auf den Herrn der Geschichte bereitet sich die Kirche vor, die Schwelle des dritten Jahrtausends ohne Vorurteile und Kleinmut, ohne Egoismus, ohne Angst und Zweifel zu überschreiten. Sie tut dies in der Überzeugung, daß ihr Dienst, den sie als ein Zeugnis der Treue zu Gott und zu den Menschen des Kontinents leisten muß, von grundlegender Wichtigkeit ist.“ <305> Außerdem fühlt sich die Kirche in Amerika ganz besonders gedrängt, im Glauben zu leben und so dankbar der Liebe Jesu zu entsprechen, der „fleischgewordener Ausdruck der barmherzigen Liebe Gottes ist (vgl. Joh 3,16)“. <306> Die Eröffnungsfeier des dritten christlichen Jahrtausends kann dem Gottesvolk in Amerika eine günstige Gelegenheit bieten, „seine Dankbarkeit für das große Geschenk des Glaubens zu erneuern“, <307> das es vor fünfhundert Jahren erhalten hat. Das Jahr 1492 war, abgesehen von den historischen und politischen Aspekten, das große Gnadenjahr, in dem Amerika den Glauben erhielt. Dieser Glaube verkündet das höchste Gut der Menschwerdung des Gottessohnes, was sich vor 2000 Jahren ereignete, ein Gedenken, das wir feierlich während des bevorstehenden großen Jubiläums begehen werden. <305> Vgl. PropositioA8. <306> Ebd. <307> Ebd. Dieses doppelte Gefühl von Hoffnung und Dankbarkeit muss die ganze Seelsorgearbeit der Kirche auf dem Kontinent begleiten, und sie muss die verschiedenen Initiativen der Diözesen, Pfarreien, Ordensgemeinschaften, kirchlichen Bewegungen mit dem Geist des Jubiläums durchdringen, was ebenso für die auf regionaler und kontinentaler Ebene organisierten Aktivitäten gilt. <308> <308> Vgl. ebd. 563 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebet zu Jesus Christus für die Familien Amerikas 76. Daher lade ich alle Katholiken Amerikas ein, sich aktiv an den Initiativen zur Evangelisierung zu beteiligen, die der Heilige Geist überall auf diesem riesigen Kontinent, voller Möglichkeiten und Hoffnungen für die Zukunft, anregt. Ganz besonders lade ich die katholischen Familien ein, „Hauskirche“ zu sein, <309> wo man den christlichen Glauben lebt und ihn wie einen Schatz an die neuen Generationen weitergibt und wo man gemeinsam betet. Wenn die katholischen Familien in sich selbst das Ideal verwirklichen, zu dem sie durch Gottes Willen bemfen sind, werden sie zur wahren Fichtquelle der Evangelisierung. <309> Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Über die Kirche, Nr. 11. Am Ende dieses Apostolischen Schreibens, in dem ich die Vorlagen der Synodenväter aufgegriffen habe, gehe ich auch gerne auf ihren Vorschlag ein, für die Familien in Amerika ein Gebet zu verfassen. <310> Jeden einzelnen sowie die Gemeinschaften und kirchlichen Gruppen, wo zwei oder drei sich im Namen des Herrn versammeln, lade ich ein, durch das Gebet das geistige Band der Einheit unter allen amerikanischen Katholiken zu stärken. Alle sollen in das Bittgebet des Nachfolgers Petri einstimmen und Jesus Christus, „den Weg zur Umkehr, Gemeinschaft und Solidarität in Amerika“, anrufen: <310> Vgl. Propositio, 12. Herr Jesus Christus, wir danken Dir dafür, dass das Evangelium der Liebe des Vaters, mit dem Du gekommen bist, um die Welt zu retten, weithin in Amerika verkündet worden ist als ein Geschenk des Heiligen Geistes, das uns lebendiger Grund zur Freude ist. Wir danken Dir für Dein Leben, das Du uns gegeben hast, da Du uns bis zum Ende geliebt hast. Es macht uns zu Kindern Gottes und zu Brüdern untereinander. Mehre in uns den Glauben und die Liebe zu Dir, Herr, der Du in so vielen Tabernakeln auf diesem Kontinent gegenwärtig bist. Gib, dass wir für die neuen Generationen Amerikas treue Zeugen Deiner Auferstehung sind, auf dass sie Dich kennenlemen, Dir nachfolgen und in Dir Frieden und Freude finden. Nur so können sie sich als Brüder aller auf dem Erdkreis verstreuten Kinder Gottes fühlen. Durch Deine Menschwerdung wolltest Du ein Mitglied der Menschenfamilie werden, lehre Du die Familien jene Tugenden, die aufstrahlten im Hause von Nazaret. Gib, dass sie eins bleiben, 564 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wie Du und der Vater eins sind; gib, dass sie lebendige Zeugen der Liebe, der Gerechtigkeit und der Solidarität sind; gib, dass in ihnen Achtung, Verzeihen und gegenseitige Hilfe gelehrt werden, auf dass die Welt glaube; gib, dass sie eine Quelle der Berufungen zum Priestertum, zum gottgeweihten Leben und zu all den anderen Formen intensiven christlichen Einsatzes sind. Beschütze Deine Kirche und den Nachfolger Petri, dem Du, guter Hirt, das Amt übertragen hast, Deine ganze Herde zu weiden. Gib, dass Deine Kirche in Amerika blühe und ihre Früchte der Heiligkeit vervielfache. Lehre uns, Maria, Deine Mutter zu lieben, wie Du sie geliebt hast. Gib uns die Kraft, mutig Dein Wort zu verkünden, wenn wir die Neuevangelisierung unternehmen, damit die Hoffnung in der Welt gestärkt werde. U. lb. Frau von Guadalupe, Mutter Amerikas, bitte für uns! Gegeben in Mexiko-City, am 22. Januar 1999, im einundzwanzigsten Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. H Inter Munera Academiarum Als Motu Proprio erlassenes Apostolisches Schreiben zur Approbation der Statuten der Päpstlichen Akademie des hl. Thomas von Aquin und der Päpstlichen Theologischen Akademie, vom 28. Januar Zum ewigen Gedenken Johannes Pauls II. 1. Unter den Aufgaben der von den Päpsten im Lauf der Jahrhunderte gegründeten Akademien ragt besonders die philosophische und theologische Forschung hervor. In meiner letzten Enzyklika Fides et ratio räumte ich auch dem Dialog zwischen Theologie und Philosophie einen besonderen Stellenwert ein und brachte deutlich meine Wertschätzung der Gedankenwelt des hl. Thomas von Aquin zum Ausdruck, deren zeitlose Neuigkeit ich dadurch anerkenne (vgl. Nm. 13—44). 565 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zu Recht darf dieser der „Apostel der Wahrheit“ genannt werden (Nr. 44). In der Tat besteht nämlich die Anschauungsweise des , JDoctor Angelicus“ [des engelgleichen Lehrers] in der Sicherheit, dass Glaube und Vernunft in besonderem Einklang stehen (vgl. Nr. 43): „Daher muß die Vernunft des Gläubigen eine natürliche, wahre und stimmige Kenntnis der geschaffenen Dinge, der Welt und des Menschen besitzen, die auch Gegenstand der göttlichen Offenbarung sind; mehr noch: die Vernunft des Gläubigen muß in der Lage sein, diese Kenntnis begrifflich und in der Form der Argumentation darzulegen“ (Nr. 66). 2. Am Vorabend des Dritten Jahrtausends zeigt die gesamte kulturelle Situation ein verändertes Bild. Es sind wichtige anthropologische Erkenntnisse von großer Bedeutung, aber auch schwerwiegende Veränderungen in der Art und Weise festzustellen, die Situation des Menschen gegenüber Gott, den Mitmenschen und der gesamten Schöpfung zu erfassen. In erster Linie erwächst unserer Zeit eine größere Herausforderung aus der weiten und zunehmenden Distanz zwischen Glauben und Vernunft, zwischen Evangelium und Kultur. Die Forderungen, die diesem weiten Bereich gewidmet werden, werden vor dem Hintergrund der Neuevangelisierung von Tag zu Tag mehr. Tatsächlich stehen der Heilsbotschaft auch viele Hindernisse entgegen, die von einer irrtümlichen Betrachtungsweise der Dinge sowie einem gravierenden Mangel angemessener Bildungsmöglichkeiten herrühren. 3. Ein Jahrhundert nach der Veröffentlichung der Enzyklika Aeterni Patris meines Vorgängers Papst Leo XIII., die den Anfang eines neuen Aufschwungs für die Neubelebung der philosophischen und theologischen Studien und des Verhältnisses zwischen Glauben und Vernunft bezeichnete, möchte ich unter Berücksichtigung der heutigen geistigen Strömungen sowie der seelsorglichen Anforderungen der Kirche den in diesem Bereich tätigen Päpstlichen Akademien einen neuen Impuls verleihen. Daher habe ich in Anerkennung des seit Jahrhunderten von den Mitgliedern der Päpstlichen Theologischen Akademie in Rom sowie von der Päpstlichen Akademie des hl. Thomas von Aquin und der Katholischen Religion vollbrachten Werks entschieden, die diesen Päpstlichen Akademien zu Grande liegenden Statuten zu erneuern, wodurch sich ihr philosophisches und theologisches Wirken zum Nutzen der pastoralen Sendung des Nachfolgers Petri und der gesamten Kirche noch wirkungsvoller entfalten soll. 4. Die Päpstliche Akademie des hl. Thomas von Aquin „Doctor Humanitatis“ (Lehrer der Menschheit), so nennen wir den hl. Thomas von Aquin, weil er stets bereit war, die Werte aller Kulturen zu übernehmen {Ansprache an die Teilnehmer des 8. Internationalen thomistischen Kongresses, 13. September 1980, in: Insegnamenti, 111,2[1980]609). Im kulturellen Umfeld unserer Zeit erscheint es durchaus angebracht, jenen Teil der thomistischen Lehre sorgfältiger zum Ausdruck zu bringen, der über die Menschheit handelt, da die Aussagen über die Menschenwürde und den Gebrauch 566 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Vernunft, welche dem Glauben völlig ebenbürtig ist, den hl. Thomas zum Lehrer für unsere Zeit haben werden lassen. Gerade die Menschen unserer Zeit scheinen sich über die Frage: „Was ist der Mensch?“ Gedanken zu machen. Wenn ich also diese Bezeichnung [„Doctor Humanitas“] aufgreife, folge ich der durch das II. Vatikanische Konzil vorgegebenen Linie sowohl hinsichtlich des Gebrauchs der thomistischen Lehre bei der philosophischen und theologischen Ausbildung der Priester (Dekret Optatam totius, Nr. 6) als auch hinsichtlich der anzustrebenden Harmonie und Übereinstimmung zwischen Glauben und Vernunft bei den Universitätsstudien (Erklärung Gravissimum educationis, Nr. 10). In meiner erst vor kurzem veröffentlichten Enzyklika Fides er ratio wollte ich die mit den Worten Aeterni Patris (4. August 1879, in: ASS 11[1878-1879]97—115) beginnende Enzyklika meines Vorgängers Leo XIIL in Erinnerung rufen, die eine wahre Glanzleistung darstellt. „Der große Papst griff die Lehre des I. Vatikanischen Konzils über das Verhältnis von Glaube und Vernunft auf und entwickelte sie weiter, indem er zeigte, dass das philosophische Denken ein grundlegender Beitrag zum Glauben und zur theologischen Wissenschaft ist. Nach über einem Jahrhundert haben viele in jenem Text enthaltene Hinweise sowohl unter praktischem wie unter pädagogischem Gesichtspunkt nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt; das gilt zuallererst für die Bedeutung in Bezug auf den unvergleichlichen Wert der Philosophie des hl. Thomas. Das Denken des ,Doctor Angelicus’ neu vorzulegen erschien Papst Leo XIIL als der beste Weg, mit der Philosophie wieder so umzugehen, dass sie mit den Ansprüchen des Glaubens übereinstimmt“ (Fides et ratio, Nr. 57). Diese denkwürdige Enzyklika trug den Titel Epistula encyclica de Philosophia christiana ad mentem sancti Thomae Aquinatis Doctoris Angelici in scholis catholicis instauranda. Leo XIII. war es, der zur Verwirklichung der Anregungen dieser Enzyklika die Römische Akademie des hl. Thomas von Aquin ins Leben rief (Apostolisches Schreiben Iampridem an Kardinal Antonio De Luca, 15. Oktober 1879). Im darauffolgenden Jahr verfasste er anlässlich der aufgenommenen Arbeiten ein Glückwünschschreiben an die Kardinäle, die dieser neuen Akademie vorstanden (Apostolisches Schreiben vom 21. November 1880). Fünfzehn Jahre später approbierte er die Statuten und erließ weitere Normen und Regeln (Apostolisches Breve Quod iam inde, 9. Mai 1895). Der hl. Pius X. hat in seiner am 23. Januar 1904 veröffentlichten Enzyklika In praecipuis laudibus die Privilegien und die Satzung der Akademie bestätigt Die Statuten wurden am II. Februar 1916 unter Benedikt XV. und später nochmals unter Pius XI. verbessert, vervollständigt und erneut approbiert. Letzterer hat am 10. Januar 1934 der Akademie des hl. Thomas von Aquin die Päpstliche Akademie der Katholischen Religion aufgrund der stark veränderten Zeitumstände angegliedert, die bereits 1801 von P. Giovanni Fortunato Zamboni gegründet worden war. Gerne denke ich an Achille Ratti (1882) und Giovanni Battista Montini (1922), die damals als junge Priester in der Römischen Akademie des hl. Thomas ihren Studienabschluss der „Laurea“ in thomistischer Philosophie erworben haben. Sie ge- 567 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN langten später zur höchsten kirchlichen Würde und nahmen als Päpste die Namen Pius XI. und Paul VI. an. Um die in meiner Enzyklika hervorgehobenen Anregungen in die Tat umzusetzen, schien es mir angebracht, die Satzungen der Päpstlichen Akademie des hl. Thomas zu erneuern, damit sie ein noch wirkungsvolleres Werkzeug zum Nutzen der Kirche und der gesamten Menschheit sei. Unter den heutigen kulturellen Gegebenheiten, die ich oben beschrieben habe, scheint es angebracht, ja sogar notwendig zu sein, dass diese Akademie gleichsam als ein zentrales und Internationales Forum wirkt, welches sich der Vertiefung und genaueren Erforschung des hl. Thomas widmet, so dass die metaphysische Wirklichkeit des actus essendi (Daseinsakt), welche die ganze Philosophie und Theologie des ,Doctor Angelicus’ durchdringt, in einen Dialog mit den so vielfältigen Impulsen der heutigen Bildungs- und Wissenschaftswelt treten kann. Mit vollem Wissen und nach reiflicher Überlegung sowie kraft der Fülle meiner Apostolischen Vollmacht approbiere ich daher mit diesem Schreiben in endgültiger Form die in rechter Weise ausgearbeiteten und erneut überprüften Statuten der Päpstlichen Akademie des hl. Thomas von Aquin und verleihe ihnen die Kraft Apostolischen Rechts. 5. Die Päpstliche Theologische Akademie Die Kirche als Lehrerin der Wahrheit hat stets die Theologie mit großem Einsatz und zu jeder Zeit durch Studien gepflegt, und sie ist bemüht, dass Kleriker und Gläubige, besonders aber jene, die zu einem theologischen Dienst berufen sind, darin vollständig ausgebildet werden. Am Anfang des 18. Jahrhunderts wurde in Rom unter meinem Vorgänger seligen Angedenkens, Klemens XI, die Theologische Akademie gegründet. Sie ist Sitz der theologischen Wissenschaften und Nährerin der noblen Geister. Aus ihr geht sozusagen wie aus einer Quelle all das hervor, was für die katholische Sache von reichem Nutzen ist. Diese Lehranstalt hat nun der besagte Papst durch ein Schreiben vom 23. April 1718 kanonisch errichtet und mit Privilegien ausgestattet Ebenso hat mein Vorgänger, Benedikt XIII., als er Kardinal war, „summa cum animi ... iucunditate“ (mit übergroßer Freude des Geistes; vgl. Apostolisches Schreiben vom 6. Mai 1726) die Versammlungen und Übungen der genannten Akademie besucht. Er erwog, „wie viel Glanz und Auszeichnung und wie viel Nutzen nicht nur der Stadt Rom, sondern der ganzen christlichen Welt zukommen würde, wenn diese Akademie durch Ausstattung mit neuen und wirksameren Hilfsmitteln Festigung erführe, dank welcher sie auf festerem Fundament stünde und so immer mehr Fortschritt verbuchen könnte“ (vgl. ebd.). So hatte er also nicht nur die von Klemens XI. gegründete Akademie bestätigt, sondern er hatte sie auch gleichzeitig mit seinem großen Wohlwollen bedacht. Auch Klemens XIV. war später dieser Theologischen Akademie in Anerkennung der ausgezeichneten und überreichen Früchte, die sie bisher hervorgebracht hatte, sehr großzügig und wohlwollend gesonnen. Schließlich vollendete mein Vorgänger Gregor XVI. seligen Angedenkens das Werk und approbierte am 26. Oktober 1838 kraft seiner Apostolischen Vo'll- 568 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN macht die auf weise Erfahrung gründenden Statuten. Nun aber erschien es wieder sinnvoll, die Satzungen zu überarbeiten und neu herauszugeben, um den Anforderungen unserer Zeit besser Genüge zu leisten. Heutzutage besteht nämlich die Hauptaufgabe der Theologie darin, den Dialog zu fordern und die Lehre der Offenbarung und des Glaubens immer mehr zu vertiefen. Es wurde nun die Bitte an mich gerichtet, die neuen Satzungen zu billigen, und es ist auch mein Wunsch und mein Anliegen, dass die Qualität dieses großartigen Studienzentrums immer mehr zunimmt. In diesem Sinne approbiere ich durch dieses Schreiben in endgültiger Form die in rechter Weise ausgearbeiteten und erneut überprüften Statuten der Päpstlichen Theologischen Akademie und verleihe ihnen die Kraft Apostolischen Rechts. 6. Hiermit ordne ich an, dass dieses von mir in Form eines Motu proprio erlassene Dekret, sofern dem nicht irgend etwas entgegensteht, dauerhaft in Kraft trete. Gegeben zu St. Peter in Rom am 28. Januar, dem Gedenktag des hl. Thomas von Aquin, im Jahre 1999, dem 21. meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Pfarrgemeinden — Stätten der Seelsorge und Mitverantwortung für Migranten Botschaft zum Welttag der Migranten vom 2. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das Jubiläum, dem wir nun mit großen Schritten entgegengehen, ist für alle eine außer ordentliche Zeit der Gnade und Versöhnung. Auf ganz besondere Art und Weise betrifft es auch die Welt der Migranten, deren Realität in vieler Hinsicht der der Gläubigen entspricht: „Das ganze christliche Leben“, schrieb ich in meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente, „ist wie eine große Pilgerschaft zum Haus des Vaters“ (Nr. 49). An diesem Welttag für die Migranten im dritten Vorbereitungsjahr auf das Große Jubiläum möchte ich im Licht dieser Erkenntnis einige Gedanken entwickeln, um auch auf diese Weise dazu beizutragen, „den Horizont des Gläubigen gemäß der Sichtweite Christi selbst zu erweitern: der Sichtweite des ,Vaters im Himmel“, von dem er gesandt worden und zu dem er zurückgekehrt ist“ (ebd.). 2. „... das Land gehört mir, und ihr seid nur Fremde und Halbbürger bei mir“ (Lev 25,23). Dieses Wort des Herrn aus dem Buch Levitikus enthält die grundlegende Motivation für das biblische Jubeljahr, entsprechend dem Bewusstsein unter den Nachkommen Abrahams, Gäste und Pilger im Gelobten Land zu sein. 569 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aufnahme und Integration - Aufgabe der Gemeinde Das Neue Testament überträgt diese Überzeugung auf jeden Jünger Christi, der als Hausgenosse Gottes und Mitbürger der Heiligen (vgl. Eph 2,19) keine ständige Bleibe auf Erden hat und wie ein Fremder und Gast (vgl. Petr 2,11) lebt, stets auf der Suche nach dem endgültigen Ziel. In dem von starken Migrationsbewegungen und wachsendem ethnischen und kulturellen Pluralismus stark gekennzeichneten aktuellen geschichtlichen Umfeld erhalten diese biblischen Kategorien erneut Bedeutung. Ferner heben sie hervor, dass die unter jedem Himmel gegenwärtige Kirche sich mit keiner Volksgruppe und keiner Kultur identifiziert, denn - so heißt es in dem Brief an Diognet - die Christen „bewohnen das eigene Vaterland, aber wie Beisassen. Sie nehmen an allem teil wie Bürger, und alles ertragen sie wie Fremde. Jede Fremde ist ihr Vaterland, und jedes Vaterland eine Fremde ... Auf Erden weilen sie, im Himmel sind sie Bürger“ (Schrift an Diognet 5,1; in: Schriften des Urchristentums, 2. Bd., hrsg. von K. Wengst. Darmstadt 1984, S. 321). Ihrer Natur entsprechend, ist die Kirche solidarisch mit der Welt der Migranten, die sie durch die Vielfalt ihrer Sprachen, Rassen, Kulturen und Sitten daran erinnert, dass auch sie ein Pilgervolk ist, überall in der Welt auf dem Weg zur endgültigen Heimat. Diese Aussicht hilft den Christen, jede nationalistische Denkweise aufzugeben und sich engstirnigen ideologischen Schematisierungen zu entziehen. Sie erinnert sie daran, dass das Evangelium im Leben Gestalt annehmen muss, damit es von ihm durchsäuert und beseelt werde, um es - auch durch stetes Bemühen - von jenen, den inneren Dynamismus hemmenden, kulturellen Verkrustungen zu befreien. 3. Im Alten Testament zeigt sich Gott als deijenige, der für den Fremden eintritt nämlich für das in ägyptischer Knechtschaft lebende Volk Israel. Im Neuen Gesetz offenbart er sich in Jesus, der in einem Stall am Rande der Stadt zur Welt kommt, „weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk 2,7), und der keinen Ort hat, wo er sein Haupt hinlegen kann (vgl. Mt 8,20; Lk 9,58). Das Kreuz ist als Zentrum der christlichen Offenbarung schließlich der Höhepunkt dieser radikalen Lage eines Fremden: Christus stirbt, von seinem Volk verleugnet, „außerhalb des Tores“ (Hebr 13,12). Doch der Evangelist Johannes erinnert an die prophetischen Worte Jesu: „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32), und unterstreicht, dass er durch seinen Tod beginnen wird, „die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (ehd. 11,52). Dem Beispiel des Meisters folgend, lebt auch die Kirche ihre Gegenwart in der Welt als Pilgerin, stets als Stifterin von Gemeinschaft bemüht und bestrebt, jenes gastfreundliche Haus zu sein, in dem jeder Mensch, der ihm vom Schöpfer verliehenen Würde wegen, entsprechend anerkannt ist. 4. Die in der Kirche vorhandenen ethnischen und kulturellen Unterschiede könnten zu Spaltungen oder Zerstreuungen führen, wenn es in ihr nicht die einigende Kraft 570 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Liebe gäbe, jene Tugend, die alle Christen insbesondere in diesem letzten Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Jubiläum leben sollten. In meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente schrieb ich: „Man wird daher, eingedenk der zusammenfassenden Feststellung des ersten Johannesbriefes-. ,Gott ist die Liebe' (4,8.16), die theologische Tugend der Liebe hervorheben müssen. Die Liebe mit ihrem doppelten Gesicht als Liebe zu Gott und zu den Schwestern und Brüdern ist die Synthese des sittlichen Lebens des Glaubenden. Sie hat in Gott ihren Ursprung und ihre Vollendung“ (Nr. 50). „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Lev 19,18). Im Buch Levitikus finden wir diese Formulierung als Bestandteil einer Reihe von Vorschritten zur Vermeidung von Ungerechtigkeiten. Eine davon ermahnt: „Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott“ (19,33-34). Die Motivation: „Denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen“, die stets das Gebot, den Fremden zu achten und zu lieben, begleitet, soll das auserwählte Volk nicht nur an seine vergangene Situation erinnern, sondern seine Aufmerksamkeit auch auf die Haltung Gottes lenken, der mit großzügiger Geste sein Volk aus der Fronknechtschaft befreit und ihm ein neues Land geschenkt hat. „Du warst Sklave, und Gott hat dich befreit; somit hast du gesehen, wie sich Gott dem Fremden gegenüber verhält; folge seinem Beispiel“: das ist die Reflexion, die dem Gebot zugrunde liegt. 5. Im Neuen Testament fallen alle Unterschiede zwischen den Menschen mit der von Christus erwirkten Beseitigung der Trennmauer zwischen dem auserwählten Volk und den Heiden. Der hl. Paulus schreibt: „... Er ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile (Juden und Heiden) und riß durch sein Blut die trennende Wand der Feindschaft nieder“ (Eph 2,14). Durch das Pascha-Mysterium Christi gibt es nicht mehr Nahestehende und Feme, Juden und Heiden, Anerkannte und Ausgeschlossene. Für den Christen ist jeder Mensch der „Nächste“, den er lieben soll. Er fragt sich nicht, wen er lieben muss, denn schon sich die Frage zu stellen: „Wer ist mein Nächster?“, bedeutet Grenzen ziehen und Bedingungen stellen. Eines Tages wurde diese Frage an Jesus gerichtet, und er antwortete, indem er sie umkehrte: Nicht „wer ist mein Nächster?“, sondern „wem muss ich der Nächste sein?“ ist die gültige Frage. Und die Antwort ist: „Jeder, der in Not ist, auch der, den ich nicht kenne, ist für mich der Nächste, dem ich helfen muss.“ Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl. Lk 10,30-37) fordert jeden auf, in unentgeltlicher und unendlicher Liebe über die Grenzen der Gerechtigkeit hinauszugehen. Auch Barmherzigkeit ist für den Gläubigen ein Geschenk Gottes, ein Charisma, das, wie Glaube und Hoffnung durch den Heiligen Geist in uns ausgegossen wird 571 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (vgl. Röm 5,5): als Geschenk Gottes ist sie keine Utopie, sondern Wirklichkeit; Frohbotschaft, Evangelium. 6. Die Präsenz von Migranten ist eine Herausforderung an die Verantwortung der Gläubigen, an den einzelnen Menschen wie an die Gemeinschaft. Beste Ausdrucksform der Gemeinschaft ist übrigens die Pfarrgemeinde, die, wie das II. Vatikanische Konzil betont, „ein augenscheinliches Beispiel für das gemeinschaftliche Apostolat bietet; was immer sie in ihrem Raum an menschlichen Unterschiedlichkeiten vorfmdet, schließt sie zusammen und fügt es dem Ganzen der Kirche ein“ (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 10). Die Pfarrei ist ein Ort der Begegnung und der Integration aller Glieder der Gemeinschaft. In ihr wird der Plan Gottes sichtbar und soziologisch gestaltet, ausschließlich und ausnahmslos alle Menschen in den in Christus bestätigten Bund zu berufen. Die Pfarrei, etymologisch gesehen eine Wohnstatt, in der sich der Gast wohlfühlt nimmt jeden auf und diskriminiert niemanden, denn keiner ist ihr fremd. Sie verbindet die Ansässigkeit und Sicherheit jener, die ein eigenes Zuhause haben, mit der Bewegung und der Ungewissheit derer, die auf Wanderschaft sind. Wo der Geist der Pfarrgemeinde lebendig ist, verblassen oder schwinden die Unterschiede zwischen Einheimischen und Fremden, denn vorherrschend ist das Bewusstsein der gemeinsamen Zugehörigkeit zu Gott, dem einen Vater. Die jeder Pfarrgemeinde eigene Sendung und ihre Bedeutung in der Gesellschaft verdeutlichen die wesentliche Rolle der Pfarrei für die Aufnahme von Fremden, die Integrierung von Getauften verschiedener Kulturen und den Dialog mit den Gläubigen anderer Religionen. Für die Pfarrgemeinde ist das keine freigestellte Aushilfstätigkeit, sondern eine auf ihrer institutionellen Aufgabe begründete Verpflichtung. Katholizität kommt nicht nur in der brüderlichen Gemeinschaft der Getauften zum Ausdruck, sondern zeigt sich auch in der gastfreundlichen Aufnahme von Fremden, imgeachtet ihrer Religionszugehörigkeit, in der Ablehnung jeder rassebedingten Ausschließung oder Diskriminierung und in der Anerkennung der persönlichen Würde jedes einzelnen sowie dem sich daraus ergebenden Einsatz zur Förderung der imveräußerlichen Rechte. Eine wesentliche Rolle spielen in diesem Umfeld die in der Pfarrgemeinde als Diener der Einheit berufenen Priester. „Ihnen wird von Gott die Gnade verliehen, Diener Jesu Christi unter den Völkern zu sein, die das heilige Amt des Evangeliums verwalten, damit die Völker eine wohlgefällige und im Heiligen Geist geheiligte Opfergabe werden“ (vgl. Presbyterorum Ordinis, Nr. 2). Bei ihrer Begegnung im täglichen Messopfer mit dem Mysterium Jesu Christi, der sein Leben für die Vereinigung der verstreuten Kinder hingegeben hat, sind sie aufgefordert, mit stets neuem Eifer der Einheit aller Kinder des einen himmlischen Vaters zu dienen und sich für die Aufnahme jedes einzelnen in die brüderliche Gemeinschaft zu verwenden. 572 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinsame Basis für solidarisches Handeln 7. „Muß man eingedenk dessen, daß Jesus gekommen ist, um ,den Armen das Evangelium zu verkünden“ {Mt 11,5; Lkl,22), die Vorzugsoption der Kirche für die Armen und die Randgruppen nicht entschiedener betonen?“ (vgl. Tertio millen-nio adveniente, Nr. 51). Diese an jede christliche Gemeinde gerichtete Frage hebt den lobenswerten Einsatz vieler Pfarrgemeinden in jenen Vierteln hervor, in denen Phänomene wie Arbeitslosigkeit, Konzentration auf engstem Lebensraum von Männern und Frauen unterschiedlicher Herkunft, mit Armut verbundener Vernachlässigung, Mangel an Hilfseinrichtungen und Unsicherheit vorherrschend sind. Die Pfarrgemeinden sind hier sichtbare Anhaltspunkte, leicht erkennbar und zugänglich; nicht selten sind sie ein Zeichen der Hoffnung und der Brüderlichkeit inmitten von tiefer sozialer Zerrissenheit, von Spannungen und Ausbrüchen von Gewalttätigkeit. Das Hören des gleichen Gotteswortes, die Feier der gleichen Liturgie, das Teilen der gleichen religiösen Feste und Traditionen helfen den einheimischen wie auch den neu hinzugekommenen Christen, sich alle als Mitglieder des gleichen Volkes zu fühlen. In einer durch Anonymität angepassten und gleichgemachten Umgebung bildet die Pfarrei einen Ort der Anteilnahme, des Zusammenlebens und der gegenseitigen Anerkennung. In einer von Unsicherheit gekennzeichneten Umgebung bietet sie einen Raum des Vertrauens, in dem man lernt, die eigene Angst zu überwinden; beim Fehlen von Bezugspunkten, die Klarheit bringen und zum gemeinschaftlichen Leben anregen könnten, ist sie, vom Evangelium Christi ausgehend, ein Weg der Brüderlichkeit und der Versöhnung. Im Mittelpunkt einer von Unsicherheit gekennzeichneten Realität kann die Pfarrgemeinde ein wahres Zeichen der Hoffnung werden. Die besten Kräfte des Viertels leitend, hilft sie der Bevölkerung, von einer fatalistischen Vision der Armut zu aktivem Einsatz überzugehen mildem Ziel, gemeinsam für die Veränderung der Lebensbedingungen zu arbeiten. Zahlreiche Pfarrgemeindemitglieder sind auch aktiv in Gliedemngen und Verbänden tätig, die sich für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung verwenden. In tiefer Hochachtung für solch wesentliche Initiativen bestärke ich die Pfarrgemeinden, die begonnene Arbeit zur Unterstützung von Migranten mutig fortzusetzen und zu helfen, um in ihrem Bereich eine Lebensqualität zu fordern, die des Menschen und seiner geistliche Berufung noch würdiger ist. 8. Wenn wir von Migranten sprechen, müssen wir auch die soziale Situation ihrer Heimatländer berücksichtigen. Es handelt sich um Nationen, die weitgehend von großer Armut betroffen sind, die durch hohe Auslandsverschuldung weiter verschärft wird. In meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich daran erinnert, dass „sich die Christen im Geist des Buches Levitikus (15,8-28) zur Stimme aller Armen der Welt machen müssen, indem sie das Jubeljahr als eine passende Zeit hinstellen, um unter anderem an eine Überprüfüng, wenn nicht überhaupt an einen erheblichen Erlaß der internationalen Schulden zu denken, die auf dem Geschick vieler Nationen lasten“ (vgl. Nr. 51). Das ist einer der Aspekte, die 573 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Migrationen auf unmittelbare Weise mit dem Jubeljahr verbinden, und zwar nicht nur, weil der stärkste Auswandererstrom aus diesen Ländern kommt, sondern vor allem, weil das Jubiläum, indem es den ausschließlichen Besitz irdischer Güter verurteilt (vgl. Lev 25,23), den Gläubigen zu einem Sich-Öffhen für Arme und Fremde anregt. Folgen der Weltwirtschaft - Gründe für die Migration In der Vergangenheit erforderte die steigende Diskrepanz zwischen Arm und Reich, die ein gesellschaftliches Zusammenleben unmöglich machte, periodische Maßnahmen zur Nivellierung, um eine geregelte Wiederaufnahme des sozialen Lebens zu ermöglichen. So konnte durch die Aufhebung der Hypothek, mit der die aufgrund ihrer Schulden zur Knechtschaft verurteilten Menschen belastet waren, eine neue Form von Gleichheit hergestellt werden. Die Vorschriften des biblischen Jubeljahres sind eine von zahlreichen Maßnahmen zur Wiederherstellung des gestörten sozialen Gleichgewichts, ausgelöst durch jene widerwärtige Spirale, in die alle geraten, die gezwungen sind, sich zu verschulden, um überleben zu können. Dieses Phänomen, das früher die Beziehungen der Bevölkerung ein und derselben Nation betraf, hat heute durch die Globalisierung von Wirtschaft und Handel, welche die Beziehungen zwischen den Staaten und Regionen der Welt betrifft, weitaus dramatischere Ausmaße angenommen. Damit das Ungleichgewicht zwischen reichen und armen Völkern keine irreversible Realität mit tragischen Folgen für die gesamte Menschheit wird, müssen auch heute die biblischen Anweisungen in konkrete und wirksame Maßnahmen umgesetzt werden, die eine angemessene Überprüfung der Verschuldung armer Länder den reichen gegenüber erlauben. Den allgemeinen Wünschen entsprechend, hoffe auch ich, dass uns das nun bevorstehende Jubeljahr Gelegenheit geben wird, angemessene Lösungen zu finden und den ärmeren Ländern neue Bedingungen in Würde und eine geregelte Entwicklung zu bieten. 9. „Das Jubeljahr wird auch Gelegenheit dazu bieten können, über andere ... Herausforderungen nachzudenken, wie z. B. die Schwierigkeiten des Dialogs zwischen verschiedenen Kulturen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 51). Der Christ ist aufgerufen, das Evangelium zu verkünden, die Menschen überall dort zu erreichen, wo sie sich befinden, ihnen mit Wohlwollen und Liebe zu begegnen, sich ihrer Probleme anzunehmen, ihre Kultur kennen- und schätzen zu lernen, ihnen zu helfen, Vorurteile zu überwinden. Diese konkrete Form der Unterstützung zahlreicher hilfsbedürftiger Brüder wird sie auf die Begegnung mit dem Licht des Evangeliums vorbereiten und, Bande aufrichtiger Achtung und Freundschaft schaffend, dazu führen, die Frage zu stellen: „Herr, wir möchten Jesus sehen“ (Joh 12,21). Der Dialog ist lebenswichtig für ein friedvolles und fruchtbares Zusammenleben. Angesichts der stets dringlicheren Herausforderungen des Indifferentismus und der Säkularisierung erfordert das Jubiläum eine Intensivierung dieses Dialogs. Durch 574 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tägliche Beziehungen sind die Gläubigen aufgerufen, das Wesen einer Kirche darzustellen, die für alle offen ist und aufmerksam die soziale Situation und all das verfolgt, was der menschlichen Person erlaubt, ihrer Würde Ausdruck zu geben. Im Bewusstsein der Liebe des himmlischen Vaters werden die Christen vor allem nicht versäumen, den Migranten stets größere Aufmerksamkeit entgegenzubringen zur Förderung eines dem Aufbau der „Kultur der Liebe“ dienenden, aufrichtigen und achtungsvollen Dialogs. Möge Maria, „die mit mütterlicher Liebe der Kirche beisteht und sie schützt auf ihrem Weg in die himmlische Heimat bis zum Tag der Verherrlichung des Herrn“ (vgl. Römisches Meßbuch, III. Präfation der heiligen Jungfrau Maria), die Gläubigen bei der Erfüllung ihrer zahlreichen Aufgaben stets unterstützen! Mit diesen Wünschen erteile ich allen von ganzem Herzen meinen Segen. Aus dem Vatikan, am 2. Februar 1999 Joannes Paulus PP. II Begegnung von Simeon mit Maria — Zeichen der Verbindung von Altem und Neuem Testament Predigt bei der Feier des III. Tages des geweihten Lebens am Fest der Darstellung des Herrn im Tempel, 2. Februar (Den Text der Predigt verlas Eduardo Kardinal Martinez Somalo, Präfekt der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, der auch der Eucharistiefeier Vorstand.) 1. „Ein Licht, das die Heiden erleuchtet“ (Lk 2,32). Der Abschnitt aus dem Lukasevangelium, den wir soeben gehört haben, erinnert an das Ereignis in Jerusalem am vierzigsten Tag nach der Geburt Jesu: seine Darstellung im Tempel. Auch in diesem Falle entspricht die liturgische Zeitperiode der historischen: Heute sind nämlich vierzig Tage seit dem 25. Dezember, dem Hochfest der Geburt des Herrn, vergangen. Diese Tatsache ist nicht ohne Bedeutung. Sie zeigt an, dass das Fest der Darstellung Jesu im Tempel gewissermaßen ein „Scharnier“ darstellt, das seinen ersten Lebensabschnitt auf Erden, die Geburt, von demjenigen, der seine Erfüllung sein wird, nämlich sein Tod und seine Auferstehung, trennt und wiederum damit verbindet. Heute verabschieden wir uns endgültig von der weihnachtlichen Zeit und gehen auf die Fastenzeit zu, die in fünfzehn Tagen am Aschermittwoch beginnen wird. Die prophetischen Worte, die der alte Simeon damals sprach, beleuchten die Sendung des Kindes, das von seinen Eltern zum Tempel gebracht wird: „Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die 575 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gedanken vieler Menschen offenbar werden“ (Lk 2,34-35). Und zu Maria sagt er: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,35). Die Gesänge von Betlehem sind gerade erst verstummt, und schon zeichnet sich am Horizont das Kreuz auf dem Golgota ab; dies geschieht im Tempel, dem Ort, wo die Opfer dargebracht werden. Das Ereignis, dessen wir heute gedenken, kann daher gewissermaßen als Brücke zwischen den beiden wichtigsten Zeiten der Kirche betrachtet werden. 2. Die zweite Lesung aus dem Hebräerbrief bietet einen interessanten Kommentar zu diesem Geschehnis. Der Autor macht eine Bemerkung, die uns nachdenklich stimmt: In seiner Ausführung über das Priestertum Christi weist er daraufhin, dass der Sohn Gottes sich „der Nachkommen Abrahams annimmt“ (2,16). Abraham ist der Vater der Gläubigen: Alle Gläubigen gehören deshalb irgendwie zu den „Nachkommen Abrahams“, für die das Kind, das in Marias Armen liegt, im Tempel dargestellt wird. Dieses Ereignis vollzieht sich unter den Augen der wenigen, privilegierten Zeugen und ist eine erste Verkündigung des Opfers am Kreuz. Der Bibeltext bestätigt, dass der Gottessohn mit den Menschen solidarisch ist und ihren Zustand der Schwäche und Zerbrechlichkeit teilt bis zum Äußersten, das heißt bis zum Tod. Das Ziel ist, eine radikale Befreiung der Menschheit zu erwirken, indem der Gegner, der Teufel, der im Tod seine Gewalt über die Menschenwesen und jedes Geschöpf ausüben kann, ein für allemal besiegt wird (vgl. Hebr 2,14-15). In dieser wunderbaren Zusammenfassung bringt der inspirierte Verfasser die ganze Wahrheit über die Erlösung der Welt zum Ausdruck. Er stellt die Bedeutung des priesterlichen Opfers Christi heraus, der „in allem seinen Brüdern gleich sein (mußte), um ein barmherziger und treuer Hoherpriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen“ (Hebr 2,17). Gerade weil darin die tiefe Verbindung zwischen dem Geheimnis der Menschwerdung und dem der Erlösung unterstrichen wird, ist der Hebräerbrief ein angemessener Kommentar zu dem liturgischen Ereignis, das wir heute feiern. Dieser Brief hebt die erlösende Sendung Christi hervor, an der das ganze Volk des Neuen Bundes teilhat. An dieser Sendung seid ihr, liebe geweihte Menschen, die ihr die Petersbasilika füllt und die ich mit großer Herzlichkeit begrüße, auf ganz besondere Weise beteiligt. Dieses Fest der Darstellung ist ganz speziell euer Fest, denn heute feiern wir den III. Tag des geweihten Lebens. 3. Aufrichtig danke ich Kardinal Eduardo Martinez Somalo, dem Präfekten der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, der dieser Eucharistiefeier vorsteht. In seiner Person grüße und danke ich allen, die in Rom und auf der ganzen Welt im Dienst des geweihten Lebens arbeiten. In diesem Augenblick gehen meine Gedanken mit besonderer Zuneigung zu allen geweihten Menschen in jedem Teil der Welt: Es sind Männer und 576 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Frauen, die sich entschlossen haben, Christus auf radikale Art und Weise in Armut, Keuschheit und Gehorsam nachzufolgen. Ich denke an die Krankenhäuser, die Schulen und Jugendzentren, wo sie in vollkommener Hingabe im Dienst an den Brüdern für das Reich Gottes tätig sind; ich denke an die Tausende von Klöstern, wo die Gemeinschaft mit Gott in einem steten Rhythmus der Arbeit und des Gebets gelebt wird; ich denke an die geweihten Laien, diskrete Zeugen in der Welt, und an die vielen, die an vorderster Front unter den Armen und Ausgegrenzten aktiv sind. Wie sollten wir hier nicht an die Ordensmänner und Ordensfrauen erinnern, die auch in jüngster Zeit ihr Blut vergossen haben bei einem oft schwierigen und problemreichen apostolischen Dienst? Ihrer spirituellen und karitativen Sendung treu, haben sie für die Rettung der Menschheit das Opfer ihres Lebens mit dem Opfer Christi verbunden. Das Gebet der Kirche ist heute jedem geweihten Menschen, besonders aber ihnen, gewidmet. Die Kirche dankt für das Geschenk dieser Berufung und erbittet es inständig: Denn die Menschen im geweihten Leben tragen in entscheidender Weise zum Werk der Evangelisierung bei. Sie verleihen dieser die prophetische Kraft, die aus der Radikalität ihrer Wahl des Evangeliums kommt. 4. Die Kirche lebt vom Geschehen und vom Geheimnis. An diesem Tag lebt sie vom Geschehen der Darstellung des Herrn im Tempel, wobei sie das darin enthaltene Geheimnis zu ergründen sucht. In gewissem Sinn jedoch schöpft sie jeden Tag aus diesem Ereignis im Leben Christi und meditiert über seine geistliche Bedeutung: In der Tat erklingen in den Kirchen und Klöstern, in den Kapellen und Häusern auf der ganzen Welt die Worte des alten Simeon, die vor kurzem verlesen wurden: „Nun läßt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 2,29-32). So betete Simeon, dem es gegeben war, erleben zu dürfen, wie die Verheißungen des Alten Bundes in Erfüllung gingen. So betet die Kirche, die sich, ohne an Kräften zu sparen, verschwendet, um allen Völkern das Geschenk des Neuen Bundes zu bringen. In der geheimnisvollen Begegnung zwischen Simeon und Maria verbindet sich das Alte mit dem Neuen Testament. Miteinander sagen der betagte Prophet und die junge Mutter Dank für dieses Licht, das verhinderte, dass die Finsternis Oberhand gewinne. Es ist das Licht, das in der Mitte der menschlichen Existenz erstrahlt: Christus, Retter und Erlöser der Welt, „Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“. Amen! 577 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gelungene Elternschaft - Auftrag und Wert der Familie Botschaft zum Fest der Familie vom 6. Februar (Die Botschaft von Johannes Paul II. wurde vor den Teilnehmern am Rosenkranzgebet in der „Aula Paolo VI.“ im Vatikan von Kardinalvikar Camillo Ruini am 6. Februar verlesen.) Liebe Brüder und Schwestern! 1. Geistig mit euch vereint, die ihr hier an diesem ersten Samstag im Februar in dem nach Paul VI. benannten Saal versammelt seid, um am Vorabend des Tags für das Leben das Fest der Familie zu feiern, heiße ich alle herzlichst willkommen. Vor allem grüße ich den Kardinalvikar, den ich beauftragt habe, euch meine Glückwünsche zu vermitteln. Ferner begrüße ich den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Familie, Alfonso Kardinal Lopez Trujillo, der bei diesem Treffen anwesend sein wollte, den Leiter des Zentrums für die Familienpastoral der Diözese Rom, Weihbischof Luigi Moretti, und Msgr. Renzo Bonetti, Leiter des nationalen Amtes für die Familienpastoral der Italienischen Bischofskonferenz [CEI]. Den Rosenkranz betend, wollt ihr alle Familien eurer Stadt der himmlischen Mutter anvertrauen, damit all ihre Erwartungen und Hoffnungen erhört werden und sie, dem Plan Gottes gemäß, ihrer besonderen Berufung in der Kirche und der Gesellschaft voll entsprechen. Diese bedeutsame Stunde des Gebets im Anschluss an die gestrige Studientagung an der Universität „La Sapienza“ zum Thema: „Genom und Altwerden. Die Hoffnung des Menschen“ dient zur Vorbereitung auf den Tag des Lebens, den morgen die gesamte Diözesangemeinde in andächtiger Kontemplation des großen Geschenks der Vater- und Mutterschaft und der damit verbundenen schwierigen Aufgaben feiert. Ich gratuliere euch zu diesen interessanten Initiativen, die die Bemühungen unserer Diözese für die Verkündigung und Bezeugung des „Evangeliums vom Leben und von der Familie“ im Rahmen der Stadtmission hervorheben. 2. Vor dem Rosenkranzgebet hatten alle Gelegenheit, durch Lieder und Zeugnisse über die Familie zu betonen, wie wichtig die Verteidigung dieses ganz besonderen Geschenks für die bürgerliche und kirchliche Gemeinde ist. In diesem Zusammenhang möchte ich gemeinsam mit euch über eine Bibelstelle aus dem Alten Testament nachdenken, die die Geschichte Ruts schildert und uns hilft, die Berufung und Aufgabe der Familie noch besser zu verstehen. Der Verfasser gibt folgende Worte wieder, die Rut an ihre Schwiegermutter Noomi richtet: „Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott“ (Rut 1,16). Anhand dieser komplexen und teilweise schmerzlichen Geschichte Ruts schildert uns das Alte Testament ein wunderbares Bild, in dem von Mutter- und Vaterschaft die Rede ist. Es zeigt uns, wie die Gesellschaft der Familie in schwierigen Situationen helfen kann. Rut, schon als junge Frau verwitwet, findet Hilfe bei ihrer Schwiegermutter, die, obwohl durch den Tod ihrer eigenen Kinder schwer geprüft, 578 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihrer Berufung als Mutter dennoch treu bleibt und Rut wie eine Tochter zu sich nimmt. Ein Mann namens Boas heiratet die Witwe Rut nach israelischem Brauch. Somit gibt er ihr das wertvolle Gut der Familie wieder zurück und bietet ihr eine gesicherte Zukunft. „Wohin du gehst, dahin gehe auch ich ... und dein Gott ist auch mein Gott.“ Rut vertraut sich Gott an. Sie hat von ihm gehört; durch den Glauben der Schwiegermutter, die an den Gott Israels glaubt, hat sie ihn kennen gelernt. Sie wendet sich ab von den heidnischen Göttern, um dem einen wahren Gott nachzufolgen. Gott Vater, Ursprung des Lebens, ist der Protagonist der Geschichte Ruts, die sich nicht durch außergewöhnliche Ereignisse auszeichnet, sondern durch eine von Glauben und Liebe durchtränkte Alltäglichkeit. Der göttlichen Vorsehung entspringt die Fruchtbarkeit der Erde ebenso wie die von Mann und Frau. Gott ist der Protagonist jeder Mutter- und Vaterschaft, durch die sich die Eheleute dem Geschenk eines neuen Lebens öffnen. 3. In Familiaris consortio betonte ich, dass „Liebe wesenhaft Gabe ist, und wenn die eheliche Liebe die Gatten zum gegenseitigen ,Erkennen1 fuhrt und zu ,einem Fleisch’ macht, erschöpft sie sich nicht in der Gemeinschaft der beiden, sondern befähigt sie zum größtmöglichen Geben, zum Schenken des Lebens an eine neue menschliche Person, wodurch sie zu Mitarbeitern Gottes werden“ (vgl. Nr. 14). „Mutter- und Vaterschaft. Geschenk und Verpflichtung.“ Das ist das für den Tag des Lebens gewählte Thema, den die italienische Kirche morgen, am 7. Februar, feiert. Niemand kann das Geschenk der Vater- oder Mutterschaft zurückweisen. Weder für sich selbst noch für andere. Es ist die besondere Aufgabe jedes Menschen, dieses Geschenk der jeweiligen Berufung entsprechend zu leben. Vaterschaft und Mutterschaft ist auch ohne Zeugung möglich, aber Zeugung kann nicht von Vater- und Mutterschaft getrennt sein. Niemand kann sie von der Liebe eines Mannes und einer Frau trennen, die sich in der Ehe gegenseitig schenken und „ein Fleisch“ werden. Andernfalls besteht die Gefahr, Mann und Frau nicht als Personen, sondern vielmehr als Objekte zu behandeln. In dem eben zitierten Apostolischen Schreiben schrieb ich weiter: „Als Eltern empfangen die Eheleute von Gott die Gabe einer neuen Verantwortung. Ihre elterliche Liebe ist dazu berufen, für die Kinder zum sichtbaren Zeichen der Liebe Gottes selbst zu werden, von der jede Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat“ {ebd.). Die Liebe der Eltern ist das bezeichnende Element ihrer Erziehungsaufgabe. Dieses Recht und die Pflicht zur Erziehung sind ursprünglich, wesentlich, unersetzlich und unveräußerlich. 4. „Wohin du gehst, dahin gehe auch ich ... Dein Volk ist mein Volk ...“ Trotz ihrer fremden Abstammung, sie gehört zum Volk der Moabiter, die die Israeliten nach dem Exil in Babylonien abgewiesen hatten, findet Rut Unterstützung in der Gesellschaft. Den damaligen Gesetzen entsprechend, konnte die Witwe hinter den Schnittern hergehen und die auf dem Boden liegenden Ähren auflesen. Auf 579 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Anweisung des Feldbesitzers lassen die Schnitter absichtlich einige Ähren fallen, damit Rut sie aufsammeln kann. Ihre Großzügigkeit und Solidarität geht somit über die von den Gesetzen gewährleistete Gerechtigkeit hinaus. Rut wird nicht nur unterstützt, es wird ihr erlaubt zu arbeiten, und sie verrichtet diese Tätigkeit mit großem Verantwortungsbewusstsein. Ist das nicht eine Lehre für die Gesellschaft von heute? Die Gesetze der Gemeinschaft schützen die auf der Ehe begründete familiäre Einrichtung, und jede Familie hilft der anderen. Das Vereinswesen unter den Familien ist in der heutigen Situation ein Weg, um wirksame Gesprächspartner zu werden und auf sozialer, politischer und kultureller Ebene tiefen Einfluss zu nehmen. Auf Einladung der Bischöfe Latiums haben die katholischen Familienverbände der Region einen regionalen Ausschuss gegründet. Von ganzem Herzen wünsche ich diesem Gremium, mit Erfolg für die Förderung der auf der Ehe begründeten Familie und für die Verteidigung des Lebens von der Zeugung bis zum natürlichen Tod zu arbeiten. Es ist meine Hoffnung, dass sich die Christen unserer Stadt in zunehmendem Maße an diesen Vereinigungen zur Unterstützung der Familie beteiligen. Diese Wünsche verbinde ich mit der Versicherung, in meinem Gebet eurer stets zu gedenken, und den Schutz Marias, der Königin der Familie, für alle Familien unserer Stadt und der gesamten Welt erflehend, erteile ich jedem von euch und der ganzen Diözesangemeinschaft, Familie der Familien, einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 6. Februar 1999 Die Stadt Rom bereitet sich auf das Große Jubiläum vor Ansprache bei der Audienz für den Bürgermeister und die Stadtverwaltung von Rom am 6. Februar Verehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Vertreter der römischen Stadtverwaltung auf dem Kapitol, meine Damen und Herren! 1. Ich freue mich, Sie aus Anlass des traditionellen Treffens am Beginn des neuen Jahres zu empfangen, und entbiete jeder und jedem von Ihnen meine herzlichsten Wünsche für die anspruchsvolle Aufgabe, die Ihnen übertragen ist. Ich begrüße den Herrn Bürgermeister, die Mitglieder der Stadtregierung und des Stadtrats und alle, die auf verschiedene Weise in der Kapitolinischen Verwaltung ihren Dienst leisten. Ihre heutige Anwesenheit im Haus des Papstes bringt mir den Besuch in Erinnerung, den ich im vergangenen Jahr am 15. Januar auf dem Kapitol abzustatten die Freude hatte. Nochmals Dank für diesen denkwürdigen Tag, den auch Sie, Herr 580 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bürgermeister, soeben erwähnt haben. In Ihren freundlichen Worten im Namen aller Anwesenden haben Sie unter anderem auch auf die Absichten und Pläne der Kommunalverwaltung hingewiesen, besonders hinsichtlich einer entsprechenden Vorbereitung des Großen Jubiläums, dieses außerordentlichen geistlichen und sozialen Ereignisses. 2. Es sind jetzt nur noch wenige Monate bis zur feierlichen Eröffnung der Heiligen Pforte, die uns in die Jubiläumsfeierlichkeiten des Jahres Zweitausend einführen wird. Es ist ein Treffen von epochaler Bedeutung und geht die gesamte Menschheit an. In Rom wird das Ereignis seinen Hauptschnittpunkt und seine vorzügliche Verwirklichung finden. Seit längerer Zeit hat die Kirche der Stadt Rom einen Weg intensiver geistlicher Vorbereitung begonnen nach den Hinweisen, die ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente gegeben habe. Die Stadtmission, die vor etwa zwei Jahren begonnen hat, zielt daraufhin, das Jubiläum, das für Glaubende und für Nichtglaubende von großer Bedeutung ist, intensiv zu leben. Darum will sie sich an jeden Menschen richten, überallhin Vordringen und mit allen kulturellen, sozialen und Arbeitsbereichen der Stadt ins Gespräch kommen. Nachdem sie sich in den vergangenen Jahren an die Familien gewandt hat, ist es in diesem Jahr ihr Ziel, besonders dorthin zu gehen, wo die Menschen leben und arbeiten. Gerade für diesen neuen Abschnitt der Stadtmission habe ich einen Brief an die Brüder und Schwestern, die in Rom arbeiten, geschrieben. Gern biete ich Ihnen bei dieser festlichen und familiären Gelegenheit ein Exemplar davon an. Ich möchte mit dieser Geste sozusagen vorwegnehmen, was die Missionare in den kommenden Monaten mehr oder weniger überall tun werden. Ich vertraue darauf, dass, wie die Familien, so auch die Lebens- und Arbeitsbereiche Roms gleich und gern die Türen dem Herrn öffnen werden, der an das Herz eines jeden klopft: Die gute Nachricht Christi ist auch und besonders das ,3vangelium der Arbeit“, das unserem täglichen Tun moralische Kraft und neue Vitalität einflößt. 3. Während, wie Sie, Herr Bürgermeister, so passend hervorgehoben haben, in jeder Pfarre die geistige Vorbereitung auf Hochtouren läuft, ist Rom dabei, sich auf der praktischen und organisatorischen Ebene für das Jubiläumsereignis bereit zu machen. Sie haben die zahlreichen Bauarbeiten erwähnt, die im Gang sind und von denen einige in enger Zusammenarbeit zwischen den zivilen Institutionen und dem Hl. Stuhl durchgeführt werden. Ich spreche meine Wertschätzung allen aus, die mit Eifer dabei am Werk sind. Ich bin mir der Schwierigkeiten bewusst, die täglich überwunden und gelöst werden müssen, um alles gut zu Ende zu bringen. Ich hoffe, dass die offenen Baustellen sowie jene, die baldigst noch in Angriff genommen werden, zur rechten Zeit ihre Arbeit vollenden können, damit für das Heilige Jahr ein Umfeld bereitet ist, das eine würdige Feier des Ereignisses begünstigt, zum Nutzen der Pilger und auch der Einwohner der Stadt. Wie sollte man sodann nicht auch die bleibenden Vorteile vor Augen haben, die sich für die Stadt Rom aus diesen erneuerten Strukturen ergeben werden? Dank 581 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieses Kräfteaufwands wird sie dann noch besser imstande sein, die universale Sendung zu erfüllen, die die Vorsehung ihr übertragen hat und die über die Frist des Jubiläums weit hinausgeht. Darum ist es wichtig, dass Rom anlässlich des Jubiläums auf neue und schöpferische Weise wiederum sein traditionelles Gesicht als offene, gastfreundliche Stadt zeigt, in der eine erhabene und ewige geistige Botschaft und die neuesten Aufnahme-, Organisations- und Kommunikationsformen harmonisch und konstruktiv miteinander leben. Diese Zielsetzungen können sicherlich leicht von allen geteilt werden, wenn auch jeder im Bereich der eigenen Zuständigkeiten und Verantwortungen bleibt. Damit sie aber tatsächlich verwirklicht werden können, ist von Seiten aller ein Geist tatkräftiger Zusammenarbeit vonnöten. 4. Der Herr Bürgermeister hat in seinen Worten die Schwierigkeiten und Probleme unterstrichen, die die Entwicklung dieser unserer Stadt hemmen. Auch ich möchte auf einige Sorgen zurückkommen, die mir besonders am Herzen liegen. Vor allem denke ich an die Situation der Familien und ihre konkreten Lebensaussichten. Wie in anderen Großstädten findet leider auch hier, aufgrund der Anonymität und der Vereinsamung, in die tatsächlich viele Familien geraten, die familiäre Bindung immer weniger Stütze im gesamten Sozialgeflecht. Es ist wichtig, die Familien dann, wenn sie solchen manchmal ernsten und besorgniserregenden Schwierigkeiten gegenüberstehen, nicht allein zu lassen. Darum hat die Kirche von Rom sich dafür entschieden, der Familienpastoral Priorität zuzuerkennen und die Aufmerksamkeit nicht auf die zu beschränken, die am kirchlichen Leben teilnehmen, sondern ihre Tätigkeit auf alle auszuweiten. Ich bitte Sie, denen unmittelbare Verantwortlichkeiten in der Stadtverwaltung zukommen, sich sehr dafür einzusetzen, dass besonders für die jungen, sich eben erst bildenden Familien konkrete Bedingungen für ein gesundes Familienleben gesichert werden, angefangen mit der Bereitstellung von Wohnungen und Initiativen zur Stütze der Familien sowie für die Kindererziehung. Lassen Sie es sich besonders angelegen sein, dass es in den Wohnvierteln nicht an Strukturen zur Aufnahme von Kleinkindern, an Schulen und Sozialdiensten fehlt. 5. Ein anderer Gedanke, der mich ständig beschäftigt, sind die Jugendlichen. Sie sind die Zukunft der Gesellschaft. Ihnen müssen wir unsere konkrete Aufmerksamkeit widmen. Wir müssen Vertrauen in sie setzen und ihnen helfen, auf sich selbst und auf das Leben zu vertrauen. Darum müssen all jene Initiativen ermutigt werden, die in der Stadt darauf ausgerichtet sind, den Jugendlichen genügend Räume anzubieten, um jenem großen Schatz an Neuheit, an Hoffnung und an Gutem, den sie in sich tragen, Ausdruck zu geben. Eines der großen Ereignisse, die im Lauf des kommenden Jubiläumsjahres vorgesehen sind, ist der Welttag der Jugend, zu dem Jungen und Mädchen aus allen Teilen Italiens, Europas und der Welt in Rom Zusammenkommen werden. Gewiss werden sie bei ihren römischen Altersgenossen gern Aufnahme finden, aber die ganze Stadt ist eingeladen, sich in Bewegung zu setzen für diese außergewöhnliche 582 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Begegnung der Jugendlichen mit dem christlichen Rom und dem Rom, das die Lehrmeisterin der Zivilisation ist. 6. Von der Jugend sprechen heißt natürlich auch, den Blick auf die Zukunft der Stadt richten, eine Zukunft, die bereits zur Wirklichkeit wird in der zunehmenden Präsenz der Immigranten, von denen viele Jugendliche sind. Die Einwanderung ist eine ernste Herausforderung, die aber auch eine große günstige Gelegenheit darstellen kann. In einem Rom, das in Italien mit seiner Immigrantenzahl und den damit verbundenen verwickelten Problemen an erster Stelle steht, bemüht sich die Kirche, denen zu helfen, die in Not sind, ohne Unterschied nach Kultur und Religion. Zu diesem Zweck erneuert sie ihre Verfügbarkeit zu konstruktiver Zusammenarbeit mit den zivilen Einrichtungen. Das Ziel ist, sich nicht damit zu begnügen, den ersten Bedürfnissen dieser unserer Brüder und Schwestern abzuhelfen, sondern ihnen für eine festere Eingliederung im sozialen Leben und im Arbeitsbereich behilflich zu sein. Das erfordert natürlich von Seiten der Immigranten die Beachtung der Regeln des bürgerlichen Zusammenlebens und braucht naturgemäß angemessene Zeiten und Formen. Im Blick auf das Jubiläum wird die Art und Weise, in der man diese Aufnahme zu praktizieren versteht, dazu beitragen, das zivile und geistliche Gesicht vom Rom des dritten Jahrtausends zu entwerfen. 7. Herr Bürgermeister, meine Herren der römischen Stadtverwaltung! Die Probleme, auf die ich im Hinblick auf die Familie, die Jugendlichen und die Immigranten hingewiesen habe, sind einfach Beispiele, wenn auch stark evokative, einer allgemeineren Anfrage, die aus der Stadt aufsteigt: nämlich eines Ansuchens um hohe, ideale Perspektiven und um eine tiefe geistige Erneuerung. Die Kirche reicht allen die Hand, die auf religiösem und kulturellem Gebiet dazu beitragen, dass Rom zu einer Heimat der Brüderlichkeit und des Friedens wird, und die einen Plan gemeinsamer und miteinander geteilter Ideale verfolgen. Rom, die Wärterin der Gräber der Apostel Petras und Paulus, bewahrt die berühmtesten Gedenkstätten und Reliquien der Christenheit und beherbergt den Sitz des Nachfolgers Petri. In der Gegenüberstellung mit anderen Kulturen und religiösen Traditionen ist Rom heute noch stärker dazu angetrieben, sein christliches Gesicht zu zeigen und von jenen Werten Zeugnis zu geben, die aus dem Evangelium stammen und den Weg seiner jahrtausendealten Kultur belebt haben. Das barmherzige Antlitz des himmlischen Vaters möge über dieser unserer Stadt strahlen und alle erleuchten, die ihr Schicksal lenken. Diesen Wunsch erneuere ich von Herzen, und ich vertraue Ihrer aller Pläne und Hoffnungen sowie die Ihrer Familien und Mitarbeiter Maria, der „Salus Populi Romani“, an. Möge mein herzlicher Graß durch Sie zur ganzen Bevölkerung Roms gelangen, die in meinem täglichen Gebet ihren Platz hat und der ich von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen erteile. 583 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Für Christus Zeugnis geben im Dienst an Kranken und Leidenden Botschaft zum Welttag der Kranken am 11. Februar, vom 8. Dezember 1998 Liebe Brüder und Schwestern! 1. Nach einer sich inzwischen festigenden Tradition wird die Feier zum nächsten Welttag der Kranken am 11. Februar 1999 in einem bedeutenden Marienheiligtum stattfinden. Die Entscheidung für den Wallfahrtsort Unserer Lieben Frau von Harissa auf dem Hügel über Beirut nimmt unter den gegenwärtigen, örtlichen und zeitlichen Umständen eine vielschichtige und tiefe Bedeutung an. Das Land, in dem sich dieses Heiligtum befindet, ist der Libanon, der - wie ich schon zu verschiedenen Anlässen sagte - „mehr als nur ein Land ist: er ist eine Botschaft und ein Beispiel für Ost und West“ (vgl. Apostol. Schreiben vom 7. September 1989, in: Der Apostolische Stuhl [1989], S. 1047). Von dem Heiligtum in Harissa aus hat die Statue der seligen Jungfrau Maria wachsam den Blick auf die Mittelmeerküste gerichtet, die dem Land so nahe ist, wo Jesus umherzog, „das Evangelium vom Reich verkündete und im Volk alle Krankheiten und Leiden heilte“ (vgl. Mt 4,23). Unweit davon liegt der Ort, wo die Gebeine der Märtyrer Kosmas und Damian aufbewahrt werden: Sie nahmen den Auftrag Christi, „das Reich Gottes zu verkünden und zu heilen“ (Lk 9,2), an und erfüllten ihn mit solcher Großzügigkeit, dass sie sich den Titel „heilige Ärzte -Anargyroi“ verdienten. Sie übten nämlich ihre Tätigkeit als Ärzte unentgeltlich aus. In der Weltkirche wird das Jahr 1999 - im Rahmen der Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000 - einer eingehenden Betrachtung über Gottvater gewidmet sein. In seinem ersten Brief erinnert der Apostel Johannes daran, dass Gott die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8.16). Wie sollte die Betrachtung über dieses Geheimnis also nicht zu einer Belebung der theologischen Tugend der Liebe in ihrer doppelten Dimension der Gottes- und Bruderliebe führen? Beispiel des Barmherzigen Samariters 2. In dieser Perspektive wird die Vorzugsoption der Kirche für die Armen und die an Körper und Geist Leidenden im ausgehenden zweiten Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung die Prägung eines „Weges wahrer Bekehrung zum Evangelium“ annehmen. Das wird gewiss auch zu einer verstärkten Suche nach Einheit unter allen Menschen zum Aufbau der Zivilisation der Liebe anregen (vgl. Tertio millennio adveniente, Nm. 50-52) im Zeichen der Mutter Jesu, dem vollkommenen Beispiel der Liebe sowohl gegenüber Gott wie gegenüber dem Nächsten“ (ebd., Nr. 54). 584 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN Welche Region der Erde könnte heute ein besseres Symbol der Einheit unter den Christen und der Begegnung aller Menschen in der Gemeinschaft der Liebe sein als der Libanon? In der Tat ist die libanesische Erde nicht nur ein Ort des Zusammenlebens von katholischen Gemeinschaften unterschiedlicher Tradition und von verschiedenen christlichen Gemeinschaften, sondern auch ein Kreuzungspunkt zahlreicher Religionen. Als solcher kann der Libanon gewissermaßen zu einer Stätte der Erprobung werden, um „gemeinsam eine Zukunft des Miteinander und der Zusammenarbeit zu schaffen Im Blick auf den humanen und moralischen Fortschritt“ der Völker (vgl. Apostolisches Schreiben Eine neue Hoffnung für den Libanon, Nr. 93). Der Welttag der Kranken, der seinen Schwerpunkt eben im Libanon haben wird, ruft die Weltkirche auf, sich über ihren Dienst an diesen Menschen zu befragen, denn ihr Befinden stellt die Grenzen und Gebrechlichkeit der menschlichen Geschöpfe so klar heraus wie kein anderer und fordert daher auch zur gegenseitigen Solidarität auf. Dieser Tag wird so zu einem bevorzugten Zeitpunkt der Beziehung zum Vater und des Gedenkens an die vorrangige Pflicht der Liebe, über deren Erfüllung alle Menschen einmal Rechenschaft ablegen müssen (vgl. Mt 25,31-46). Jesus selbst hat uns dabei als Beispiel den barmherzigen Samariter vor Augen gestellt; er ist das Schlüsselgleichnis zum vollen Verständnis des Gebots der Nächstenliebe (vgl. Lk 10,25-37). Lernen aus der Erfahrung des Leides 3. Der nächste Welttag der Kranken muss also in den Rahmen eines besonderen Empfindens fiir die Pflicht der Nächstenliebe eingebunden sein, was gewiss bekräftigt wird durch das Treffen zu Meditation, Studium und Gebet im Heiligtum von Harissa, das Ziel von Wallfahrten aller libanesischen-christlichen Gemeinschaften der verschiedenen Kirchen wie auch zahlreicher gläubiger Muslime ist. Dadurch wird auch das Erfordernis nach Einheit durch die sogenannte „Ökumene der Taten“ verstärkt. Mit der Sorge fiir Kranke, Leidende, Ausgegrenzte, Arme und Bedürftige ist diese der dringlichste und zugleich am wenigsten beschwerliche der ökumenischen Wege, wie die Erfahrung zeigt. Auf diesem Weg kann nicht nur die „volle Einheit“ unter allen Christen gesucht, sondern auch der interreligiöse Dialog erschlossen werden, in einem Land wie dem Libanon, wo unterschiedliche religiöse Überzeugungen „eine gewisse Anzahl unanfechtbarer menschlicher und spiritueller Werte gemeinsam haben“, die , jenseits der bedeutenden Unterschiede zwischen den Religionen“ zur Erkenntnis der einigenden Faktoren bringen können (vgl. Apostolisches Schreiben Eine neue Hoffnung für den Libanon, Nr. 13-14). 4. Keine Bitte erhebt sich so inständig aus den Herzen der Menschen wie die Bitte um Gesundheit. Es darf uns daher nicht wundem, wenn menschliche Solidarität auf allen Ebenen sich vorrangig im Bereich des Gesundheitswesens entfalten kann und muss. Es ist daher dringend geboten, „eine ernsthafte und detaillierte Untersuchung über die Organisation der Gesundheitsdienste in den Institutionen durchzuführen 585 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit dem Ziel, sie zu Orten eines immer stärkeren Zeugnisses der Liebe zu den Menschen zu machen“ (ebdNr. 102). Ihrerseits muss die von den Leidenden erwartete Antwort die Umstände des Empfängers berücksichtigen; dieser wünscht sich vor allem das Geschenk teilnahmsvollen Mitgefühls, solidarischer Liebe und hochherziger, ja heldenhafter Hingabe. Die Betrachtung des Geheimnisses der Vaterschaft Gottes möge für die Kranken Grund zur Hoffnung und für die Helfer Schule fürsorglicher Aufmerksamkeit werden. 5. An die Kranken jeden Alters und jeden Zustandes, an die Opfer von Gebrechen jeder Art, von Unfällen und Katastrophen und Tragödien richte ich die Aufforderung, auf Gottes Vaterarme zu vertrauen. Wir wissen, dass das Leben uns vom Vater als höchster Ausdruck seiner Liebe geschenkt wurde und in allen Lebenslagen weiterhin sein Geschenk bleibt. Alle wichtigen Entscheidungen, die wir verantwortungsvoll treffen, sollen von dieser Überzeugung getragen sein, auch wenn das Ziel uns aufgrund unserer Grenzen manchmal dunkel und ungewiss erscheinen mag. Darauf gründet die Einladung des Psalmisten: „Wirf deine Sorge auf den Herrn, er hält aufrecht! Er läßt den Gerechten, niemals wanken“ (Ps 54,23). In seinem Kommentar zu diesem Vers schreibt der hl. Augustinus: „Worum wirst du dich sorgen? Wofür dich abhetzen? Wer dich erschaffen hat, wird sich um dich sorgen. Wird der, der sich um dich gesorgt hat, noch bevor es dich gab, sich etwa nicht um dich sorgen, wenn du zu dem geworden bist, was er von dir wollte? Denn du bist jetzt treu, du gehst schon auf dem Weg der Gerechtigkeit. Wird also nicht der dich umsorgen, der die Sonne über Guten und Bösen aufgehen und über Gerechten und Ungerechten regnen läßt? Wird er dich, der du schon gerecht bist und im Glauben lebst, vernachlässigen, verlassen oder allein lassen? Im Gegenteil: Er erweist dir seine Wohltaten, er hilft dir, er gibt dir, was du brauchst, er verteidigt dich vor Widrigkeiten. Er beschenkt und tröstet dich, damit du auf dem rechten Weg bleibst; er entzieht dir seine Gaben und weist dich zurecht, damit du nicht verloren gehst; der Herr sorgt sich um dich, du kannst beruhigt sein. Wer dich erschaffen hat, unterstützt dich auch; falle nicht aus der Hand deines Schöpfers. Wenn du aus seiner Hand fällst, wirst du zerbrechen. Der gute Wille hilft dir, in der Hand dessen zu bleiben, der dich erschaffen hat (...) Überlasse dich ihm, glaube nicht, daß um dich Leere ist, in die du hineinfallen könntest; stelle dir nichts dergleichen vor. Er hat dir gesagt: ,Ich erfülle den Himmel und die Erde’. Er wird dich nie im Stich lassen; laß du ihn auch nicht im Stich, laß dich nicht selbst im Stich“ (Enarr. in Psalmos 39,26,27; CCL 38,445). 6. Allen im Krankendienst Tätigen, die aufgrund ihrer Berufung und ihrer Tätigkeit zu Hütern und Dienern des menschlichen Lebens bestellt sind - Ärzten, Apothekern, Krankenschwestern und Krankenpflegern, Priestern, Ordensmännem und Ordensffauen, den Verwaltern und freiwilligen Helfern - stelle ich erneut das Vorbild Christi vor Augen: Vom Vater als äußerster Beweis seiner grenzenlosen Liebe gesandt (vgl. Joh 3,16), hat er die Menschen gelehrt, „durch das Leiden Gutes zu 586 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wirken und dem Gutes zu tun, der leidet. In diesem doppelten Aspekt hat er den Sinn des Leidens bis zum letzten enthüllt“ (Savifici doloris, Nr. 30). Durch euer liebevolles Mitgefühl sollt ihr von den Leidenden lernen, die tiefen Gründe des Geheimnisses des Leidens zu erkennen. Der Schmerz, den ihr mittragt, sei das Maß der hingebungsvollen Antwort, die von euch erwartet wird. Bei diesem Dienst am Leben solltet ihr für die Mitarbeit aller aufgeschlossen sein, denn „die Frage des Lebens und seiner Verteidigung und Förderung ist nicht alleiniges Vorrecht der Christen (...) Es gibt im Leben sicherlich einen heiligen und religiösen Wert, aber er betrifft keineswegs nur die Gläubigen“ (Evangelium vitae, Nr. 101). Und wie der Leidende nichts als Hilfe will, so sollt ihr die Hilfe aller annehmen, wenn sie eine Antwort der Liebe geben will. Nächstenliebe - Weg zu Gott 7. An die kirchliche Gemeinschaft ergeht meine eindringliche Aufforderung, das Jahr des Vaters unter voller Einbeziehung aller kirchlichen Einrichtungen zu einem Jahr aktiver Nächstenliebe, einer Liebe von Taten, zu machen. Der hl. Ignatius von Antiochien schrieb an die Epheser, dass die Nächstenliebe der Weg zu Gott ist. Glaube und Liebe sind Ursprung und Ziel des Lebens; der Glaube ist der Geleiter, und die Liebe ist der Weg (vgl. Perfectae caritatis, V, Nr. 651). Alle Tugenden kreisen um diese beiden mit dem Ziel, den Menschen zur Vollkommenheit zu führen. Der hl. Augustinus lehrt seinerseits: „Wenn du nicht alle Seiten der Schrift einzeln lesen, nicht alle Schriftrollen mit dem Wort Gottes auswickeln und auch nicht in alle Geheimnisse der Heiligen Schrift eindringen kannst, so sollst du die Liebe haben, von der alles abhängt. So wirst du nicht nur das wissen, was du daraus [der Schrift] gelernt hast, sondern auch das, was du noch nicht daraus lernen konntest“ (Sermo 350, 2-3; PL 39, 1534). 8. Die Jungfrau Maria, Unsere Liebe Frau von Harissa, sei mit ihrem leuchtenden Vorbild an diesem Welttag der Kranken an der Seite aller Leidenden; sie stehe jenen bei, die durch ihren Dienst an den Kranken für den christlichen Glauben Zeugnis ablegen; sie leite alle mit mütterlicher Hand zum Haus des Vaters aller Barmherzigkeit. Sie, die über dem schrecklichen Leid des libanesischen Volkes gewacht hat, wecke durch die Hoffnung, die in diesem Land aufs Neue erblüht ist, auf der ganzen Welt ein gestärktes Vertrauen in die gesundmachende Kraft der Liebe und versammle alle verlorenen Kinder unter ihrem Mantel. Möge das bevorstehende neue Jahrtausend eine Epoche einleiten von erneuertem Vertrauen in den Menschen, das höchste Geschöpf der Liebe Gottes, das allein in der Liebe den Sinn seines Lebens und seiner Bestimmung wiederflnden kann. Aus dem Vatikan, 8. Dezember 1998 587 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unterwegs zum Vater Grußworte am Schluss der hl. Messe am Welttag des Kranken in St. Peter am 11. Februar Mit Freude vereine ich mich mit euch am Schluss dieser Feier zu Ehren der hl. Jungfrau von Lourdes. Diese Begegnung mit euch Kranken liegt mir sehr am Herzen. Die Initiative hat nun schon eine lange Geschichte von vierzig Jahren. Damals begann ein eifriger Pfarrer von Rom mit einer Lourdes-Messfeier für die Kranken. Von Beginn meines Pontifikates an, also seit gut zwanzig Jahren, wollte ich persönlich dieser Liturgiefeier in der Vatikanischen Basilika vorstehen, immer im Zusammenwirken mit dem „Römischen Pilgerwerk“ (Opera Romana Pellegri-naggi) und „UNITALSI“. Es ist eine beeindruckende Stunde des Gebetes, die im Geist die Kranken der ganzen Welt vereint, vor allem seitdem vor sieben Jahren der 11. Februar „Welttag des Kranken“ wurde und jedes Mal an einem bedeutenden marianischen Wallfahrtsort gefeiert wird: heute in Harissa bei Beirut im Libanon. Meine Lieben, auf der Wallfahrt zum Großen Jubiläum des Jahres Zweitausend sind wir „unterwegs zum Vater“. So hat es uns das theologisch-pastorale Treffen in Erinnerung gebracht, das mit dieser hl. Messe schließt. Auf dem Weg zu Gott geht uns Maria, die hl. Jungfrau, voran: Sie geht uns voran im Glauben und in der Hoffnung. Ihr vertraue ich jede und jeden von euch an und erflehe von ihr Trost in der Prüfung. Ich versichere euch meines täglichen Gedenkens im Gebet und erteile euch hier Anwesenden und allen, die im Geist mit uns vereint sind, von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Der Herr wird allen Völkern ein Festmahl richten (vgl. Jes 25,6) Botschaft zur Fastenzeit 1999 [17. Februar bis 3. April], vom 15. Oktober 1998 Brüder und Schwestern in Christus, die vor uns liegende Fastenzeit ist Gottes Geschenk. Er will uns helfen, dass wir uns wieder als seine Kinder sehen, von des Vaters Liebe durch Christus im Hl. Geist geschaffen und erneuert. 1. Der Herr wird allen Völkern ein Festmahl richten. Diese Worte bestimmen die vorliegende Fastenbotschaft, und sie möchten vor allem anregen, der liebenden Fürsorge des Himmlischen Vaters für alle Menschen innezuwerden. Sie offenbart sich schon im Schöpfungsakt, als Gott „sah, was er gemacht hatte: Es war sein-gut“ {Gen 1,31). Sie wird bestätigt in der besonderen Nähe zum Volk Israel, das 588 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott als sein Volk für das Heilswerk auserwählt. In Jesus Christus erreicht diese liebende Fürsorge ihre Vollendung: Im Herrn geht der Segen Abrahams auf alle Völker über, und aufgrund des Glaubens erhalten wir den verheißenen Geist (vgl. Gal 3,14). Gerade die Fastenzeit eignet sich, dem Herrn aufrichtig zu danken für seine durch die Geschichte fortdauernden Wundertaten an den Menschen und vor allem für die Erlösung, derentwegen er selbst seinen Sohn nicht verschonte (vgl. Röm 8,32). Gottes heilschaffende Gegenwart in den Wechselfällen des Menschen zu entdecken, spornt zur Umkehr an. Wer wahmimmt, dass die Auserwählung Gottes allen gilt, den drängt es zu Lob und Preis. Mit dem hl. Paulus wiederholen wir: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,3—4). Unseren Glauben zu erneuern, lädt Gott selbst uns zu Buße und innerer Reinigung ein. Unermüdlich ruft er uns zu sich, und jedes Mal wenn wir die Niederlage der Sünde erleben, zeigt er uns den Weg zurück in sein Haus, dort finden wir diese einzigartige Zuwendung wieder, für die er uns in Christus erwählt hat. So wächst in uns Dankbarkeit für die Liebe, die der Vater uns erfahren lässt. 2. Die Fastenzeit bereitet uns für die Feier von Christi Leiden und Auferstehung, das Geheimnis unserer Erlösung. Wenn der Herr mit seinen Jüngern am Gründonnerstag Mahl hält, und er sich selbst in den Zeichen von Brot und Wein darbringt, dann nimmt er dieses Mysterium vorweg. In der Eucharistie „verwirklicht sich die reale, substantielle und dauernde Gegenwart des auferstandenen Herrn ... mit der Darbringung jenes Brotes des Lebens, das Unterpfand der zukünftigen Herrlichkeit ist“, so schrieb ich im Apostolischen Schreiben Dies Domini (Nr. 39). Das Mahl ist Zeichen der Freude, weil sich dort die tiefe Verbundenheit derer zeigt, die es begehen. Das vom Propheten Jesaja für alle Völker angekündigte Festmahl (vgl. Jes 25,6) wird so in der Eucharistie Wirklichkeit. Untrüglich verweist sie auf die Endzeit. Der Glaube sagt uns, dass das Pascha-Geheimnis in Christus schon erfüllt ist; aber es muss sich noch in jedem von uns realisieren. Mit seinem Tod und seiner Auferstehung schenkte uns der Sohn Gottes das ewige Leben, das hier seinen Anfang nimmt und seine endgültige Verwirklichung im ewigen Ostern des Himmels findet. Viele unserer Brüder und Schwestern sind fähig, Elend, Sorgen und Krankheit anzunehmen in der Gewissheit, eines Tages am ewigen Mahl des Himmels teilzunehmen. So lässt die Fastenzeit den Blick über die Gegenwart, die Geschichte und den Horizont dieser Welt hinausgehen; sie verweist auf die vollkommene und dauernde Gemeinschaft mit der Heiligsten Dreifaltigkeit. Der in Christus erhaltene Segen reißt die Mauer der Zeitlichkeit nieder und öffnet die Pforte der endgültigen Teilhabe am Leben in Gott. „Selig, wer zum Hochzeitsmahl des Lammes eingeladen ist“ (Offb 19,9): Wir können nicht vergessen, dass unser Leben in diesem Festmahl, vorweggenommen im Sakrament der Eucharistie, sein Endziel hat. Christus hat nicht nur unserem irdischen Leben neue Würde erlangt, sondern er hält vor allem die neue Würde der Kinder Gottes bereit, 589 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die zum ewigen Leben mit Ihm berufen sind. Die Fastenzeit wappnet gegen die Versuchung, die Wirklichkeit dieser Welt als endgültig anzusehen; sie will erkennen machen, dass „unsere Heimat im Himmel ist“ (Phil 3,20). 3. Im Hören auf diesen wunderbaren Ruf, den der Vater in Christus an uns richtet, können wir seine Liebe für uns nicht vergessen. Dieses Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum 2000 will neu bewusst werden lassen, dass Gott Vater ist, der uns in seinem auserwählten Sohn sein eigenes Leben mitteilt. Durch die Heilsgeschichte, die Er mit jedem und für jeden von uns wirkt, lernen wir, die Liebe intensiver zu leben (vgl. 1 Joh 4,10 ff), die theologische Tugend, deren Vertiefung ich für 1999 im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente empfohlen hatte. Die Erfahrung der Liebe des Vaters drängt den Christen, in einer Logik des Dienens und Teilens seinerseits lebendiges Geschenk zu werden, offen für die Aufnahme der Menschen. In unendlich vielen Bereichen hat die Kirche im Laufe der Jahrhunderte mit Wort und Taten die Liebe Gottes bezeugt. Auch heute noch öffnen sich vor uns weite Räume, in denen durch das Wirken der Christen die Liebe Gottes präsent werden muss. Die neue Armut und andere quälende Fragen, die vielen Angst machen, suchen konkrete und zutreffende Antworten. Wer einsam ist oder an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurde, wer hungert, Opfer der Gewalt oder hoffnungslos ist, soll in der Fürsorge der Kirche das Mitfühlen des Himmlischen Vaters erfahren, der seit Anbeginn der Welt jeden umsorgt und mit seinem Segen beschenkt. 4. Eine Fastenzeit mit dem Blick auf den Vater wird zu einer einmaligen Zeit der Liebe und findet Ausdruck in den leiblichen und geistigen Werken der Barmherzigkeit. Unübersehbar sind ja alle die, die vom Mahl des alltäglichen Wohlstands ausgeschlossen sind. Es gibt viele „Lazarus“, die an die Türen der Gesellschaft klopfen: alle, die keinen Anteil an den materiellen Vorteilen des Fortschritts haben. Andauernde Situationen der Misere müssen das Gewissen der Christen aufrütteln und verpflichten, individuell und gemeinsam Abhilfe zu schaffen. Nicht nur einzelne haben Gelegenheit, Arme an ihrem Wohlstand teilhaben zu lassen; auch internationale Institutionen, Staatsregierungen und führende Zentren der Weltwirtschaft sind zu mutigen Wegen verpflichtet, Güter innerhalb der jeweiligen Länder und zwischen den Völkern gerecht zu verteilen. 5. Brüder und Schwestern, am Beginn der Fastenzeit wende ich mich mit dieser Botschaft an euch, um euch zur Umkehr zu ermutigen; sie führt zu einer volleren Kenntnis des Geheimnisses des Guten, das Gott für uns bereithält. Maria, die Mutter der Barmherzigkeit, leite unsere Schritte. Sie hat als erste den liebenden Plan des Vaters erkannt und angenommen; sie hat geglaubt und ist die „gesegnete unter den Frauen“ (Lk 1,42). Sie war gehorsam im Leiden und wurde so als erste der Herrlichkeit der Kinder Gottes teilhaftig. Maria stärke uns mit ihrer Gegenwart; sie sei „Zeichen der sicheren Hoffnung“ {Lumen Gentium, Nr. 68) und trete bei Gott ein, damit uns Gottes Barmherzigkeit neu erfülle. Aus dem Vatikan, 15. Oktober 1998 590 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fasten und Werke der Nächstenliebe haben eine religiöse und eine soziale Dimension Predigt am Aschermittwoch in S. Sabina auf dem Aventin, 17. Februar 1. „Kehrt um zum Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig und barmherzig“ (Joel 72,13). Mit dieser Aufforderung aus dem Buch des Propheten Joel beginnt die Kirche den Pilgerweg der Fastenzeit, eine Gnadenzeit zur Umkehr: Umkehr zu Gott, von dem man sich entfernt hat. Das ist in der Tat der Sinn des Bußweges, der heute, am Aschermittwoch, beginnt: zurückkehren zum Haus des Vaters, mit dem Bekenntnis der eigenen Schuld im Herzen. Der Psalmist lädt uns ein, zu wiederholen: „Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld, tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen!“ (Ps 50/51,3). In dieser Gesinnung möge jeder den vierzigtägigen Weg der österlichen Bußzeit gehen in der Überzeugung, dass Gott, der Vater, der „auch das Verborgene sieht“ (Mt 6,4. 6.18), dem reuigen Sünder auf dem Weg der Umkehr entgegengeht. Wie im Gleichnis vom verlorenen Sohn umarmt er ihn und lässt ihn verstehen, dass er, nach Hause zurückkehrend, die Sohneswürde wiedererlangt hat: Er „war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden“ (Lk 15,24). In diesem besonders dem Vater geweihten Jahr gewinnt die Fastenzeit noch mehr die Bedeutung einer Gnadenzeit zu einem echten Bußweg der Umkehr, um mit reuevollem Herzen zurückzukehren zum Vater aller, der „gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte“ (Joel 2,13) ist. 2. Der sehr alte und eindrucksvolle Ritus des Auflegens der Asche eröffnet heute diesen Bußweg. Wenn der Priester den Gläubigen die Asche aufs Haupt legt, richtet er an jeden die Mahnung: „Bedenke, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“ (Gen 3,19). Auch diese Worte weisen auf eine „Rückkehr“ hin: die Rückkehr zum Staub. Sie deuten auf die Notwendigkeit des Todes hin, und sie fordern dazu auf, nicht zu vergessen, dass wir in dieser Welt auf einer Durchreise sind. Mit dem Bild des Staubes rufen diese Worte aber zugleich die Wahrheit des Geschaffenen ins Gedächtnis und spielen auf den Reichtum der kosmischen Dimension an, woran der Mensch Anteil hat. Die Fastenzeit erinnert an das Werk der Erlösung, um dem Menschen die Tatsache bewusst zu machen, dass der Tod, die Wirklichkeit, mit der er sich beständig konfrontieren muss, keine ursprüngliche Wahrheit ist. Im Anfang existierte er ja nicht, sondern kam als traurige Folge der Sünde „durch den Neid des Teufels in die Welt“ (Weish 2,24) und wurde zum gemeinsamen Erbe der Menschen. Eher als an die anderen Geschöpfe sind die Worte: „Bedenke, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“ an den Menschen gerichtet, den Gott nach seinem eigenen Bild erschaffen und in den Mittelpunkt des Universums gestellt hat. 591 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn Gott ihn daran erinnert, dass er sterben muss, dann lässt er nicht seinen anfänglichen Plan fallen, sondern er bestätigt ihn und stellt ihn nach dem durch die Urschuld verursachten Brach in einzigartiger Weise wieder her. Diese Bestätigung geschah in Christus, der aus freien Stücken die Last der Sünde auf sich genommen hat und den Tod erleiden wollte. Die Welt ist so zum Schauplatz seines Leidens und seines Heil bringenden Todes geworden. Das ist das Ostergeheimnis, zu dem uns die Fastenzeit in ganz besonderer Weise hinleitet. 3. „Bedenke, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst!“ Der Tod des Menschen wurde durch den Tod Christi besiegt. Wenn uns also die Fastenzeit zu erneutem Mitleben der dramatischen Ereignisse von Golgota anleitet, dann tut sie es immer und ausschließlich nur, um uns darauf vorzubereiten, dann in die Vollendung des österlichen Geschehens einzutauchen, das heißt in die strahlende Freude der Auferstehung. In diesem Sinn können wir die andere Aufforderung verstehen, die die Kirche heute beim Auflegen der Asche an die Gläubigen richtet: „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Was bedeutet „an das Evangelium glauben“ anders, als die Wahrheit der Auferstehung annehmen mit dem, was sie mit sich bringt? Vom ersten Tag der Fastenzeit an haben wir also diese Heil bringende Perspektive im Blick und rufen mit dem Psalmisten: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist! ... Herr, öffne mir die Lippen, und mein Mund wird deinen Ruhm verkünden“ (Ps 50/51,12.17) 4. Die Fastenzeit ist eine Zeit intensiven Gebetes und ausgedehnten Gotteslobes; sie ist eine Zeit der Buße und des Fastens. Neben Gebet und Fasten aber lädt die Liturgie uns dazu ein, unseren Tag mit Werken der Liebe anzufüllen. Das ist der Gottesdienst, der Gott wohlgefällig ist! Wie ich in der Botschaft zur Fastenzeit geschrieben habe, lässt uns diese Gnadenzeit an die allzu vielen „Lazarus“ denken, die darauf warten, ein paar Brocken aufzulesen, die vom Tisch der Reichen fallen (vgl. Nr. 4). Das Bild, das vor uns steht, ist jenes vom Festmahl als Symbol der liebenden Fürsorge des himmlischen Vaters zur ganzen Menschheit (vgl. Nr. 1). Alle müssen daran teilnehmen können. Darum haben die Übungen des Fastens und des Almosengebens über den Ausdruck persönlicher Askese hinaus eine bedeutende gemeinschaftliche und soziale Valenz: Sie erinnern an das Erfordernis, das Entwicklungsmodell zu „bekehren“ durch eine gerechtere Güterverteilung, so dass alle menschenwürdig leben können und zugleich die Schöpfung geschützt wird. Das alles aber nimmt seinen Anfang mit einer gründlichen Umwandlung der Mentalität und, radikaler, mit einer Bekehrung des Herzens. Wie dringend und angebracht wird da das Flehen: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist!“ Ja, erschaffe uns, Vater, ein reines Herz, und gib uns einen neuen, beständigen Geist, „damit wir Taten der Buße und Liebe vollbringen und unseren bösen Neigungen nicht nachgeben“. (Gabengebet). Amen. 592 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lehrer und Bildner der Menschen zur Öffnung für die Liebe Gottes Ansprache bei der Sonderaudienz für die Priester der Diözese Rom am 18. Februar 1. Willkommen, liebe Priester von Rom, liebe Pfarrer, Pfarrvikare, Priester in anderen Tätigkeitsbereichen und ihr, Ständige oder in der Vorbereitung auf das Priesteramt befindliche Diakone. Ich freue mich, euch wie gewöhnlich zu Beginn dieser Fastenzeit zu treffen, und richte an jeden von euch meinen herzlichen Gruß. Aus den einleitenden Worten des Kardinalvikars und aus euren verschiedenen Ausführungen haben wir erfahren, wie sich die Stadtmission entwickelt und welche konkreten Erfahrungen ihr damit macht. Auch ich werde mich mit diesem Kernpunkt der Diözesanseelsorge befassen, der die spezifische Vorbereitung Roms auf das Große Jubeljahr und daher in den letzten Jahren zu Recht das Leitthema unserer Treffen ist. Gegenwärtig befindet sich die Stadtmission in ihrer letzten Etappe, die besonders den verschiedenen Arbeits- und Lebensbereichen gewidmet ist. Wir haben sie mit der Übergabe des Kreuzes an die Missionare am ersten Adventssonntag begonnen, am selben Tag, an dem ich die Verkündigungsbulle fiir das Große Jubeljahr erlassen habe: Die abschließende Begegnung unseres ganzen Weges ist für das kommende Pfingstfest vorgesehen. 2. Die Entscheidung, die Mission nicht auf die in den Gebieten der Pfarreien lebenden Familien zu beschränken, sondern auch in den vielfältigen Orten dieser großen Stadt aufzutreten, wo die Leute arbeiten, lernen, ihre Freizeit verbringen oder auch leiden und gepflegt werden, war zweifellos mutig und fordernd. Wir haben diese Entscheidung getroffen, weil wir von ihrer Bedeutung überzeugt waren, ja sogar von ihrer Notwendigkeit, wenn wir wirklich möchten, dass das Evangelium Christi vor allen Menschen und in allen Lebenslagen und -umständen verkündet und bezeugt wird (vgl. 1 Kor 9,16-23). Dabei unterstützt und kräftigt uns jene besondere Fülle der Gnade, die verknüpft ist mit dem Ereignis des Großen Jubeljahrs, auf das wir uns mit großen Schritten zu bewegen. Im übrigen tun wir mit der Mission in den verschiedenen Lebensbereichen nichts anderes, als jenes Pastoralprinzip in die Tat umzusetzen, auf das im Laufe der Diö-zesansynode mehrmals hingedeutet wurde: nämlich das Prinzip, wonach jede Gemeinde und die ganze Kirchengemeinschaft von Rom sich dort suchen und außerhalb ihrer selbst finden muss, wo das Volk Gottes konkret lebt. Es ist offensichtlich, dass mit der praktischen Durchführung dieses Auftrags vor allem die Laien betraut sind, die in den verschiedenen Bereichen auch tatsächlich leben und tätig sind. Je mehr die Menschen, die in den einzelnen Bereichen täglich zu finden sind und dort ihrer Arbeit nachgehen, zu Hauptdarstellern dieser Mission werden, desto wirksamer wird sie auch sein. Damm habe ich am vergangenen 8. Dezember, dem Hochfest der Unbefleckten Empfängnis und dritten Jahrestag der ersten Verkündung der Stadtmission, einen Brief an alle gläubigen Brüder und 593 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schwestern geschrieben, die in Rom leben und arbeiten, um sie aufzufordem, mutige und konsequente Missionare des Evangeliums zu werden. 3. Auch für die Mission in den unterschiedlichen Lebensbereichen, in ihrer Gesamtheit betrachtet und in allem, was sie mit sich bringt, gilt das, was ich schon in den vergangenen Jahren anlässlich unserer Begegnungen zu euch Priestern gesagt habe: Ihr, meine Lieben, seid die engsten Mitarbeiter der Bischöfe und seid daher in erster Linie mit dem Amt der Verkündigung des Evangeliums an alle Menschen betraut. Die Mission, diese grundlegende Berufung und Aufgabe der Kirche, ist nicht hauptsächlich das Werk von einzelnen Gläubigen, sondern der gesamten Gemeinschaft und deshalb vor allem jener Menschen, die deren Hauptverantwortliche sind. In zahlreichen und bedeutenden Milieus seid ihr Priester kraft eures spezifischen Amtes direkt präsent. So zum Beispiel als Religionslehrer in vielen Schulen, in Pflegeheimen und Gefängnissen als Seelsorger, und in Rom sind noch einige mit sehr guten Ergebnissen in der Arbeiterseelsorge engagiert. Auch möchte ich jene nicht vergessen, die an den „äußersten Fronten“ der Nächstenliebe im Einsatz sind: an der Seite von Menschen in armseligen Verhältnissen oder Jugendlichen in Schwierigkeiten, von Jugendlichen mit Drogenproblemen, Einwanderern und Menschen ohne festen Wohnsitz. An jedem dieser Orte und an der Seite aller dieser unserer Brüder und Schwestern seid ihr aufgerufen, lebendige Zeichen zu sein für die Liebe Gottes, für das Heil, das uns Christus gebracht hat, und für die mütterliche Fürsorge der Kirche. Ihr seid immer und überall Missionare und Evangelisierer, und müsst es auch sein. Und ihr, liebe Ständige Diakone, die ihr eurem Grad entsprechend am geweihten Amt teilhabt und doch bezüglich der Arbeit und der Familie die Lebensbedingungen der Laien teilt, befindet euch in einer besonders günstigen Lage, um innerhalb einer jeweiligen Milieus Zeugnis zu geben und euer Evangelisiemngswerk zu entfalten. Die Mission in den verschiedenen Lebensbereichen stellt für euch eine spezielle Berufüng und eine wertvolle Möglichkeit dar, euer spezifisches Amt zu entfalten. 4. Im Hinblick auf diese Form der Mission beschränkt sich unser Auftrag als geweihte Amtsträger aber nicht auf das, was wir direkt tun können, indem wir im Innern der einzelnen Bereiche tätig werden. Jeder von uns, auch wenn er nicht mit einem solchen Umwelt-Apostolat betraut ist, hat eine grundsätzliche Lehr- und Bildungsaufgabe; dadurch kann und muss er die gläubigen Laien, die zum Zeugnis für Christus berufen sind, in jeder Lebenslage vorbereiten und unterstützen. Hier berühren wir ein höchst wichtiges Thema, das genau die Art und Weise betrifft, wie wir unser Hirtenamt auffassen und ausüben. Der Horizont des kirchlichen Engagements darf nicht reduziert werden auf eine gute Entwicklung der Gemeinde oder irgend einer anderen Einrichtung, die unserer Fürsorge anvertraut ist. Wir müssen vielmehr in Gedanken die ganze Kirche in ihrer wesentlichen, missionarischen Dimension umfassen, die sie in den Dienst der ganzheitlichen Rettung des 594 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen stellt. In diesem Licht wird unser Bildungswerk nicht allein darum besorgt sein, einen Laienstand wachsen zu lassen, der zur Übernahme von Verantwortung in den Pfarreien und der kirchlichen Gemeinschaft fähig ist. Wir sollten uns noch mehr darum bemühen, echte christliche Gewissen zu formen, damit jeder, Laie oder Priester, seinem Leben ein einheitliches Gepräge gibt und in jedem Bereich und jeder Situation ein glaubwürdiges und freudiges Zeugnis für das Evangelium ablegt. Ebenso werden wir versuchen, den gläubigen Laien besser bewusst zu machen, dass die Evangelisierungssendung der Kirche auch sie angeht und ihnen anvertraut ist. Sie vollzieht sich normalerweise durch ihre Tätigkeit und ihr Lebenszeugnis, wie auch durch die Fähigkeit und Bereitschaft, mit der sie Rechenschaft geben über die Hoffnung, die sie als Christgläubige erfüllt und die sie in sich tragen (vgl. 1 Petr 3,15). Von genau dieser missionarischen Spannung müssen auch die Grundelemente der Ausbildung und des spirituellen Wachstums geprägt sein: das Gebet, das uns in die Gegenwart Gottes stellt, die Katechese, die den Glauben nährt und uns hilft, jede Situation mit den Augen des Glaubens zu betrachten, die Buße und Bekehrung des Herzens, die fortschreitende Öffnung für die Liebe Gottes und zu den Brüdern. Nur so wird das Wachstum des Zeugen und Missionars wirklich eins mit dem Wachstum des Christen. 5. Dies ist der Weg, auf dem die christliche Präsenz in unserem geliebten Rom und im neuen Jahrtausend, das nun bald anbricht, wirksamer und überzeugender werden kann. Der Arbeitsplatz ist mitunter das Milieu, wo die Säkularisierung schon am weitesten fortgeschritten scheint; dort von Gott und Jesus Christus zu sprechen kann sich als schwierig und fast fehl am Platze heraussteilen. Aber Gott ist in Wirklichkeit nie ein Fremder, Christus ist nie ein Fremder. Der ewige Sohn Gottes hat „mit Menschenhänden gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen hat er gehandelt, mit einem menschlichen Herzen geliebt“ {Gaudium et spes, Nr. 22); er ist und bleibt - wo immer unsere Menschlichkeit auf dem Spiel steht - der einzige Erlöser des Menschen. Ich erinnere mich, dass ich vor genau zwanzig Jahren in der Fastenzeit die Enzyklika Redemptor hominis veröffentlicht habe. Deshalb soll beim vertrauensvollen Beginn der Mission in den verschiedenen Lebensbereichen in allen Beteiligten das Bewusstsein wach sein, dass es sich um ein Langzeitprojekt handelt. Sie ist ein wesentlicher und unentbehrlicher Teil der Neuevangelisierung, die in der Pastoral der Diözesangemeinschaft immer besser verwurzelt und entwickelt werden muss. 6. Liebe Priester! Der Impuls zur Mission ergibt sich aus dem Feuer der Liebe, das der Herr mit der Gabe seines Heiligen Geistes in unseren Herzen entzündet hat, und kommt zuallererst durch die konkrete Sprache der Liebe zum Ausdruck. So muss die Stadtmission in diesem letzten Vorbereitungsjahr auf das Jubeljahr, das Gottvater gewidmet ist und auf eine Hervorhebung der theologischen Tugend der Liebe abzielt (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 50-51), ihre besondere Sorgfalt 595 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf die Verkündigung des Evangeliums an die Armen richten (vgl. Mt 11,5), um ihre Lebensbedingungen weniger elend und misslich zu machen. In eurem Pastoraldienst bekommt ihr konkrete Beweise dafür, dass in unserer Stadt Arbeitslosigkeit und Armut zunehmen. Es wird daher immer notwendiger, neue Möglichkeiten und Wege auszumachen, damit Rom, auf seine geistliche und bürgerliche Sendung gestützt und unter Einsatz seines im Laufe der Jahrhunderte gewachsenen Erbes an Menschlichkeit, Kultur und Glauben, seine soziale und wirtschaftliche Entwicklung ankurbeln kann - auch im Hinblick auf das Wohl der gesamten italienischen Nation und der Welt (vgl. Letter sul Vangelo del lavoro, Nr. 8). Die Liebe Christi drängt uns also, in jedem Bereich, in dem die Zukunft unserer Stadt konkret vorbereitet wird, präsent zu sein und unsere Vorschläge ein-zubringen. Liebe Priester und Diakone! Ich kenne euer tägliches Engagement, die Mühen und Schwierigkeiten, mit denen ihr oft konfrontiert werdet. Ich möchte euch versichern, dass ich euch in Gedanken und im Gebet stets nahe bin. Die Jungfrau Maria, vollkommenes Beispiel der Liebe zu Gott und zum Nächsten, unterstütze jeden von euch auf seinem Weg, und erwirke für euch alle jene volle Bereitschaft für den Ruf des Herrn, die sie selbst im Augenblick der Verkündung und dann am Fuß des Kreuzes gezeigt hat (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 54). Mit diesen Empfindungen erteile ich euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen, den ich gerne auf eure Pfarreien und auf jene Menschen, denen ihr im Laufe der Stadtmission begegnet, ausdehne. Unter diesen Pfarreien ist die letzte, die ich besucht habe, die St. Fulgentius-Pfarrei, und die nächste wird die vom hl. Raimund Nonnatus sein. Ende August wird das Gedächtnis des hl. Raimund Nonnatus gefeiert; nun bleibt mir noch, die ihm in Rom geweihte Pfarrei zu besuchen. Betlehem - ein Symbol der Friedenshoffnung Grußwort an das Organisationskomitee des „International Forum Betlehem 2000“ vom 19. Februar Herzlich begrüße ich Sie heute morgen, die Mitglieder des Organisationskomitees des Internationalen Forums „Betlehem 2000“. Die Stadt Betlehem weckt Erinnerungen, die weit in die Geschichte des alten Israel zurückreichen, bis zur Gestalt des Königs David (vgl. 1 Sam 16,13). Doch es ist die Geburt Christi, des Sohnes Davids, die Betlehem seinen einzigartigen Platz im Denken und im Herzen der Welt gibt. Das Evangelium des hl. Lukas berichtet, dass bei der Geburt Jesu Engel vom Frieden auf Erden für alle Menschen guten Willens sangen (vgl. Lk 2,14). Und obschon die Geschichte Betlehems seitdem oft von Gewalt gekennzeichnet war, steht die Stadt weiterhin da als Verheißung des Friedens und Zusicherung, dass die menschliche Hoffnung auf Frieden nicht vergeblich ist. 596 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Große Jubiläum als das zweitausendste Jahr nach der Geburt Jesu in Betlehem lädt uns ein, vorwärts zu schauen, voll Hoffnung auf eine Welt sicheren Friedens. Wir alle müssen für eine Zukunft arbeiten, in der es von Seiten der Anbeter des einen Gottes, von Seiten jener, die den Namen Christ, Jude oder Muslim tragen, keine Bedrohung des Friedens mehr geben wird. Insbesondere müssen wir davon überzeugt sein, dass es möglich ist, Frieden im Mittleren Osten aufzubauen. Die in Betlehem gegebene Verheißung des Friedens wird Wirklichkeit werden, wenn die Würde und die Rechte der nach dem Bilde Gottes erschaffenen Menschen (vgl. Gen 1,26) anerkannt und geachtet werden. Praktizierte Ökumene in Dialog und Gebet Grußwort an eine Ökumenische Delegation aus Chicago, angeführt von Francis Kardinal George, Erzbischof von Chicago, und Metropolit Iakovos von Krinis, Griechisch Orthodoxer Bischof in Chicago, vom 19. Febmar Sie sind auf einer Pilgerfahrt des Glaubens zuerst nach Konstantinopel, das dem Andenken an den Apostel Andreas geweiht ist, und jetzt nach Rom, der Stadt des Gedenkens an die Apostel Petrus und Paulus. Seit dem II. Vatikanischen Konzil sind Katholiken und Orthodoxe dahin gelangt, dass wir uns der Einheit des Glaubens, die wir in Christus Jesus besitzen, voller bewusst geworden sind. Wir sind dazu gekommen, dass wir sehen, wie uns „der Herr erlaubt, uns als ,Schwesterkirchen’ wiederzuentdecken“ (vgl. Ut unum sint, Nr. 57). In diesem Prozess waren der regelmäßige Austausch zwischen unseren beiden Kirchen und die Arbeit des theologischen Dialogs wichtig; und auf andere Art helfen gemeinsame Initiativen, wie Ihre Pilgerfahrt, die Verbundenheit der „koinonia“ zu festigen. Da wir uns darauf vorbereiten, das zweitausendste Jahr seit der Geburt unseres Herrn Jesus Christus zu feiern, ruft uns der Heilige Geist noch dringender zur Gemeinschaft auf. Die Missverständnisse der Vergangenheit überwindend, blicken wir voll Hoffnung einer Zukunft entgegen, in der die Liebe unter uns vollkommen sein und die Welt daher erkennen wird, dass wir Jünger Christi sind (vgl. Joh 13,35). Auf Sie alle rufe ich den Schutz der Muttergottes und der großen Schar der Heiligen, der Bürger der heiligen Stadt, des neuen Jerusalem, herab, der Stadt; die „weder Sonne noch Mond [braucht], die ihr leuchten. Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm“ (OJfb 21,23). Gott segne Sie alle! 597 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erzieherischer und politischer Einsatz für die Verteidigung des Lebens in allen Bereichen Schreiben an William Henry Kardinal Keeler vom 20. Februar An meinen ehrwürdigen Bruder Kardinal William Henry Keeler Erzbischof von Baltimore Vorsitzender des Bischofskomitees für Initiativen zugunsten des Lebens Anlässlich eures Treffens in Washington mit so vielen Personen und Gruppen, die sich der Verteidigung des menschlichen Lebens widmen, sende ich Grüße im Herrn und versichere euch meines Gebets für den Erfolg dieser wichtigen Versammlung, die vom Bischofskomitee für Initiativen zugunsten des Lebens und vom Päpstlichen Rat für die Familie gemeinsam organisiert worden ist. Bei der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika im vergangenen Jahr haben die Bischöfe des Kontinents einen eindeutigen Akzent gelegt auf die christliche Pflicht, das menschliche Leben vom Augenblick der Zeugung bis zu dem des natürlichen Todes zu verteidigen und zu fordern, und sie sprachen jenen Menschen, die diese Pflicht mutig und großzügig auf sich genommen haben, ein großes Lob aus (vgl. Ecclesia in America, Nr. 63). Erst vor kurzem haben die Bischöfe der Vereinigten Staaten die Erklärung Living the Gospel of Life: A Challenge to American Catholics [Das Evangelium vom Leben leben: eine Herausforderung für die amerikanischen Katholiken] herausgegeben, welche die Stimme der Synode und die Lehren meiner Enzyklika Evangelium vitae ganz vorzüglich wiedergibt. Eure Versammlung ist ein weiteres Zeichen dafür, dass das Evangelium vom Lehen in den Vereinigten Staaten von Amerika einen fruchtbaren Boden gefunden hat, wo es wachsen und Frucht bringen kann, gerade weil es ein für die Gesellschaft wesentliches Thema beleuchtet, ein Thema, das von so grundlegender Bedeutung ist, dass niemand unbeteiligt bleiben kann. Zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts erleben wir ein merkwürdiges Paradox: Die Heiligkeit des Menschenlebens wird durch einen Aufruf zu Freiheit, Demokratie, Pluralismus, ja sogar Vernunft und Mitleid geleugnet. Die Erklärung der Bischöfe weist darauf hin, dass die Worte von ihrem Sinn losgelöst worden sind (vgl. Living the Gospel ofLife, 11), und was uns bleibt, ist eine Rhetorik, worin die Sprache des Lebens zur Förderung einer Kultur des Todes missbraucht wird. Freiheit wird von Wahrheit getrennt und Demokratie von den sittlichen Werten, die zu ihrem Überleben notwendig sind. Eine irrige Auffassung von Pluralismus verliert das Gemeinwohl aus dem Blickfeld. Die Vernunft lehnt es oft ab, sich den Wahrheiten zu verpflichten, die über die empirische Erfahrung hinausgehen; und ein verkehrter Sinn für Mitleid ist unfähig, die Grenzen und Anforderungen unserer Natur als geschaffene und abhängige Wesen zu erkennen. Stets wird an die Sprache der Menschenrechte appelliert, während das gmndsätzlichste dieser Rechte - 598 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Recht auf Leben - wiederholt missachtet wird. Die Bischöfe haben die Ursache dieses Widerspruchs in der sittlichen Verwirrung ausgemacht, die „die schrittweise Umformung der amerikanischen Kultur gemäß der Kriterien der Nützlichkeit, Produktivität und Rentabilität“ unweigerlich nach sich zieht (vgl. Living the Gospel of Life, 3). Diese Verwirrung ist zuweilen so groß, dass für viele Leute der Unterschied zwischen Gut und Böse von der Mehrheit bestimmt wird und sogar die althergebrachten Zufluchtsstätten des Lebens - Familie, Recht und Medizin - manchmal in den Dienst der Kultur des Todes gestellt werden. Unter diesen Umständen müssen die Katholiken handeln. Das ist eine grundlegende Anforderung nicht nur des Jünger-Seins, sondern auch der Demokratie, die dann gedeiht, wenn „überzeugte Menschen sich mit allen zur Verfügung stehenden ethischen und rechtlichen Mitteln stark für den Fortschritt ihrer Überzeugungen einsetzen“ (vgl. Living the Gospel of Life, 24). Das ist gar nicht einfach in einer Situation, wo zuweilen eine willentliche Verfälschung der Lehre der Kirche und Verachtung gegenüber denen, die sich dafür einsetzen, festzustellen ist. Und trotzdem darf nichts davon eure Perspektive verzerren oder eure Tatkraft herabsetzen. Eure Aktion muss sowohl erzieherischer als auch politischer Art sein, und es muss auf allen Ebenen der katholischen Gemeinschaft eine gründliche Katechese über das Evangelium vom Leben entfaltet werden. Die Katholiken nehmen viel von der Kultur ihres Umfelds in sich auf: Daher muss diese Katechese die vorherrschende Kultur in jenen Bereichen in Frage stellen, wo Menschenwürde und -rechte in Gefahr sind. Die Zielsetzung einer solchen Katechese sind eine gewandelte Auffassung und eine Änderung des Herzens, die die wahre Bekehrung begleiten (vgl. Eph 4,23). Der Aufruf zur Umkehr muss in euren Häusern, Gemeinden und Schulen erschallen - im vollen Vertrauen, dass die Lehre der Kirche über die Unantastbarkeit des Lebens sowohl mit der rechten Vernunft als auch mit dem tiefsten Verlangen des menschlichen Herzens im Einklang steht. Diese Bildungsbemühungen werden den Katholiken immer mehr den Weg ebnen, um einen positiven, öffentlichen Einfluss als Bürger ihres Landes ausüben zu können, und zwar ohne eine falsche Bezugnahme auf die Trennung von Kirche und Staat in einer Weise, welche die christliche Auffassung über die Menschenwürde auf den Bereich der privaten Überzeugung beschränkt. Die Entscheidung zugunsten des Lebens ist nicht eine private Option, sondern eine grundlegende Anforderung einer gerechten und moralischen Gesellschaft. Die Bemühungen zugunsten des Lebens müssen auf allen Gebieten der seelsorgerischen Tätigkeit der Kirche präsent sein. Ich hoffe sehr, dass euer Treffen das Engagement der gesamten katholischen Gemeinschaft zur Umsetzung der Lehren von Living the Gospel of Life anzeigt; dass es helfen wird, die Tätigkeit der daran beteiligten Gruppen besser zu koordinieren, und dass es den Entschluss vieler Leute, ihre großzügigen und unermüdlichen Anstrengungen fortzusetzen, stärken wird. Alle Teilnehmer an der Washingtoner Versammlung empfehle ich dem liebevollen Schutz Marias, Mutter des Erlösers, der der Weg und die Wahrheit und das Leben ist (vgl. Joh 14,6), und spende ihnen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 20. Februar 1999 599 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Papsttelegramm zum Lawinenunglück in Österreich vom 24. Februar Seiner Exzellenz dem Hochwürdigsten Herrn Bischof von Innsbruck, Alois Kothgasser Mit Trauer und Bestürzung hat der Heilige Vater die Nachricht von der Lawinenkatastrophe erhalten, die das Tal von Galtür heimgesucht hat. Er drückt den Angehörigen, die um ihre Lieben trauern oder noch um das Leben eines ihnen Nahestehenden bangen, seine Nähe im Geist aus. Indem er den Toten das ewige Leben erbittet, schließt er auch die Gedanken und Sorgen der Verwandten und Freunde in sein Gebet ein und erfleht für sie Gottes tröstende Kraft. Angelo Kardinal Sodano Staatssekretär Seiner Heiligkeit Schutz für die Unantastbarkeit des Lebens bis zum Tod Ansprache an die Fünfte Generalversammlung der Päpstlichen Akademie für das Leben am 27. Februar 1. Verehrte Mitglieder der Päpstlichen Akademie für das Leben, die Sie anlässlich Ihrer alljährlichen Generalversammlung in Rom zusammengekommen sind, ich heiße Sie herzlich willkommen! Jedem von Ihnen gilt mein herzlicher Gruß. Ich danke Ihrem Präsidenten, Prof. Juan De Dies Vial Correa, für die liebenswürdigen Worte, mit denen er Ihre Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Ich begrüße auch die anwesenden Bischöfe: Msgr. Elio Sgreccia, Vizepräsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, und Msgr. Javier. Lozano Barragan, Präsident des Päpstlichen Rats für die Pastoral im Krankendienst, dem diese Päpstliche Akademie angeschlossen ist. Ein besonderes Gedenken geht an den ersten unvergesslichen Präsidenten der Akademie, Prof. Jerome Lejeune, der vor bald fünf Jahren, am 3. April 1994, von uns gegangen ist. Er hatte sich sehr für die Schaffung dieser Institution eingesetzt, sozusagen als sein geistliches Testament zum Schutz des menschlichen Lebens, ahnte er doch schon die wachsenden Bedrohungen, die sich am Horizont abzeichneten. Ich möchte hier meine Genugtuung zum Ausdruck bringen in Bezug auf die gesamte Tätigkeit präziser Forschung und breit angelegter Information, die diese Päpstliche Akademie in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens in die Wege geleitet und ausgeführt hat. Das von Ihnen für die diesjährige Reflexion gewählte Thema: „Die Würde des Sterbenden“ will das Licht der Lehre und der Gelehrsamkeit auf ein Grenzgebiet lenken, das in gewissem Sinne neu und entscheidend ist. Das Leben der Sterbenden und Schwerkranken ist heute in der Tat einer Reihe von Ge- 600 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fahren ausgesetzt, die einerseits in unmenschlichen Behandlungsmethoden ihren Ausdruck finden, andrerseits in Rücksichtslosigkeit als auch im Aufgeben, das sich bis zur Anwendung von Euthanasie erstrecken kann. 2. Das Phänomen des Aufgebens von Sterbenden, das in den hochentwickelten Gesellschaften Verbreitung findet, hat unterschiedliche Wurzeln sowie vielschichtige Dimensionen, wie Sie in Ihren Untersuchungen dargelegt haben. Es gibt eine sozio-kulturelle Dimension, die im allgemeinen mit „Verdrängung des Todes“ bezeichnet wird: Die Gesellschaften, die auf dem Prinzip des Strebens nach materiellem Wohlstand beruhen, empfinden den Tod als Sinnlosigkeit; in der Absicht, den damit verbundenen Fragen auszuweichen, schlagen sie manchmal eine schmerzlose Vorwegnahme des Todes vor. Die sogenannte „Wohlstandskultur“ trägt oft ein Unvermögen in sich, den Sinn des Lebens in Leidens- und Grenzsituationen, die den Menschen auf dem Weg zum Tod begleiten, zu begreifen. Ein derartiges Unvermögen entsteht verstärkt, wenn es innerhalb eines der Transzendenz gegenüber verschlossenen Humanismus auftritt; es wandelt sich dann nicht selten in einen Verlust der Glaubensüberzeugung vom Wert des Menschen und des Lebens. Auch gibt es eine philosophische und ideologische Dimension: Darin beruft man sich auf die absolute Unabhängigkeit des Menschen, als sei er der Urheber seines Lebens. In dieser Perspektive stützt man sich auf den Grundsatz der Selbstbestimmung und geht so weit, Selbstmord und Euthanasie als paradoxe Formen von Bestätigung und zugleich Zerstörung des eigenen Ichs zu verherrlichen. Ferner existiert eine medizinische und fürsorgerische Dimension: Sie kommt zum Ausdruck in der Tendenz, die Betreuung Schwerkranker einzuschränken, eingewiesen in medizinische Einrichtungen, die nicht immer in der Lage sind, eine individuelle und humane Pflege zu gewährleisten. Daraus folgt, dass der Mensch im Krankenhaus nicht selten von jedem Kontakt mit seiner Familie abgeschnitten und einer Art technologischer Vereinnahmung ausgesetzt ist die ihn in seiner Würde erniedrigt. Schließlich ist das der unterschwellige Druck des sogenannten „Nützlichkeitsdenkens“, das viele entwickelte Gesellschaften auf der Grundlage der Kriterien von Produktivität und Effizienz regelt: Unter diesem Gesichtspunkt werden Schwerkranke und Sterbende, die spezielle Langzeit-Therapien benötigen, unter dem Gesichtspunkt des Kosten-Nutzen-Verhältnisses als Last und Kostenfaktor betrachtet. Ein solches Denken fuhrt demnach zu einer verminderten Unterstützung in der Endphase des Lebens. 3. Das ist das ideologische Umfeld, dem die immer häufigeren Meinungskampag-nen, die auf die Schaffung von Gesetzen zugunsten von Euthanasie und assistiertem Selbstmord abzielen, ihre Anregungen entnehmen. Die diesbezüglich in einigen Ländern schon erreichten Tatbestände, sei es durch Beschluss eines Obersten Gerichts oder durch Abstimmung im Parlament, sind eine Bestätigung für die Ausbreitung bestimmter Überzeugungen. 601 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es handelt sich um das Vordringen jener Kultur des Todes, die auch aus anderen Phänomenen ersichtlich ist; alle sind sie auf irgend eine Weise auf eine Geringschätzung der Menschenwürde reduzierbar: Ich meine hier beispielsweise solche Fälle, in denen Menschen infolge von Hunger, Gewalt, Krieg, mangelnder Kontrolle im Straßenverkehr oder unzureichender Beachtung der Sicherheitsbestimmungen bei der Arbeit ums Leben kommen. Angesichts der neuen Ausdrucksformen der Kultur des Todes ist die Kirche verpflichtet, zu ihrer Liebe zum Menschen zu stehen, ist der Mensch doch „der erste Weg, den die Kirche ... beschreiten muß“ (Redemptor hominis, Nr. 14). Die Kirche hat heute den Auftrag, das Antlitz des Menschen - besonders das Antlitz des Sterbenden - mit dem ganzen Licht ihrer Lehre zu erhellen, mit dem Licht der Vernunft und des Glaubens; sie hat die Pflicht, wie sie es schon zu verschiedenen entscheidenden Anlässen getan hat, alle Kräfte der Gesellschaft und der Menschen guten Willens zu sammeln, damit um den Sterbenden mit neuer Wärme ein Band der Liebe und Solidarität gelegt wird. Die Kirche ist sich bewusst, dass der Augenblick des Todes immer von einer besonderen Dichte menschlicher Empfindungen begleitet ist: Das irdische Leben ist vollendet; die affektiven, familiären und sozialen Bande, die zum Wesen der Person gehören, zerbrechen; im Bewusstsein des Sterbenden und seiner Betreuer kommt es zu einem Konflikt zwischen der Hoffnung auf Unsterblichkeit und jenem Unbekannten, das auch die aufgeklärtesten Geister unruhig stimmt. Die Kirche erhebt ihre Stimme, damit der Sterbende seelisch nicht verletzt wird, sondern mit liebevoller Fürsorge begleitet wird, während er sich vorbereitet, die Schwelle der Zeit zu überschreiten, um in die Ewigkeit einzugehen. 4. „Die Würde des Sterbenden“ hat ihre Wurzeln in seiner Geschöpflichkeit und seiner personalen Berufung zu unsterblichem Leben. Der Blick voller Hoffnung verwandelt die Verwesung unserer sterblichen Hülle. „Wenn sich aber dieses Vergängliche mit Unvergänglichkeit bekleidet und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit, dann erfüllt sich das Wort der Schrift: Verschlungen ist der Tod vom Sieg“ (1 Kor 15,54; vgl. 2 Kor 5,1). Wenn die Kirche die Unantastbarkeit des Lebens also auch bei Sterbenden verteidigt, verfällt sie damit keinerlei Form von Verabsolutierung des physischen Lebens; vielmehr lehrt sie, die wahre Würde der Person als ein Geschöpf Gottes zu achten, und hilft, den Tod zuversichtlich anzunehmen, wenn die physischen Kräfte nicht mehr zu erhalten sind. In der Enzyklika Evangelium vitae schrieb ich: „Sicher ist für den Gläubigen das physische Leben in seinem irdischen Zustand kein Absolutum, so daß von ihm gefordert werden kann, es um eines höheren Gutes willen aufzugeben; ... Kein Mensch darf jedoch willkürlich über Leben oder Tod entscheiden; denn absoluter Herr über eine solche Entscheidung ist allein der Schöpfer, der, ,in dem wir leben, uns bewegen und sind“ (Apg 17,28)“ (.Evangelium vitae, Nr. 47). , Davon leitet sich ein sittlicher Verhaltenskodex gegenüber dem Schwerkranken und Sterbenden ab, der sich einerseits der Euthanasie und dem Freitod (vgl. Evan- 602 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gelium vitae, Nr. 64), andererseits aber auch den Formen des „therapeutischen Übereifers“ widersetzt, die keine eigentliche Unterstützung für das Leben und die Würde des Sterbenden darstellen. Es ist an dieser Stelle der Verweis auf die Verurteilung der Euthanasie angezeigt, verstanden als „eine Handlung oder Unterlassung, die ihrer Natur nach und aus bewußter Absicht den Tod herbeiführt, um auf diese Weise jeden Schmerz zu beenden“, da es sich dabei um „eine schwere Verletzung des göttlichen Gesetzes“ handelt (Evangelium vitae, Nr. 65). Außerdem muss man der Verurteilung des Selbstmords Rechnung tragen, denn Selbstmord ist „aus objektiver Sicht eine schwer unsittliche Tat, weil er verbunden ist mit der Absage an die Eigenliebe und mit der Ausschlagung der Verpflichtungen zu Gerechtigkeit und Liebe gegenüber dem Nächsten, gegenüber den verschiedenen Gemeinschaften, denen der Betreffende angehört, und gegenüber der Gesellschaft als ganzer. In seinem tiefsten Kern stellt der Selbstmord eine Zurückweisung der absoluten Souveränität Gottes über Leben und Tod dar“ (Evangelium vitae, Nr. 66). 5. Die Zeit, in der wir leben, erfordert eine Mobilisierung aller Kräfte christlicher Nächstenliebe und menschlicher Solidarität. Es ist in der Tat notwendig, sich der neuen Herausforderung einer Legalisierung von Euthanasie und „assistiertem Selbstmord“ zu stellen. Zu diesem Zweck ist es nicht ausreichend, dieser Tendenz zum Tod in der öffentlichen Meinung und in den Parlamenten entgegenzuwirken, sondern man muss vielmehr die Gesellschaft und selbst die Einrichtungen der Kirche zu einer würdigen Betreuung des Sterbenden verpflichten. In dieser Hinsicht gilt meine herzliche Ermutigung allen, die Werke und Initiativen zur Pflege von Schwerkranken, chronisch Geisteskranken und Sterbenden ins Leben rufen. Sie sollen sich, falls nötig, auch für die Anpassung schon bestehender Hilfseinrichtungen an neue Bedürfnisse einsetzen, damit kein Sterbender vor dem Tod allein oder ohne Hilfe gelassen wird. Das ist die Lektion, die uns so viele Heilige im Laufe der Jahrhunderte hinterlassen haben, auch in jüngerer Zeit Mutter Teresa von Kalkutta mit ihren lobenswerten Initiativen. Jede Diözesan- und Pfarr-gemeinschaft soll dazu herangebildet werden, sich um ihre Senioren zu sorgen und ihre Kranken zu pflegen und zu besuchen, je nach Notwendigkeit zu Hause als auch in den besonderen Pflegeeinrichtungen. Ein geschärftes Bewusstsein in den Familien und Krankenhäusern wird ebenfalls eine verbreitetere Anwendung „palliativer Behandlungsmethoden“ für Schwerkranke und Sterbende fördern, um die Schmerzsymptome zu lindem und ihnen gleichzeitig geistlichen Beistand durch stete und aufmerksame Betreuung zukommen zu lassen. Neue Einrichtungen müssen geschaffen werden, um die pflegebedürftigen alleinstehenden alten Menschen aufzunehmen; vor allem aber muss eine engmaschige Organisation zur finanziellen und moralischen Unterstützung der häuslichen Pflege aufgebaut werden: Die Familien, die einen Schwerstkranken zu Hause behalten möchten, sind in der Tat vor riesige Opfer gestellt. Die Ortskirchen und Ordensgemeinschaften haben die Gelegenheit, in diesem Bereich Pionierarbeit zu leisten - im Gedenken an das Wort des Herrn über jene 603 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen, die sich zum Wohl der Kranken aufopfem: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“ (Mt 25,36). Maria, die „Mater dolorosa“, die dem sterbenden Jesus am Kreuz beistand, gebe der Mutter Kirche ihren Geist ein, und begleite Sie bei der Erfüllung dieses Auftrags. Ihnen allen spende ich meinen Segen. Geistliche Vorbereitung auf dem Weg zum dritten Jahrtausend Dankeswort am Ende der Exerzitien für die Römische Kurie am 27. Februar Am Ende der geistlichen Exerzitien danken wir Gott, der, wie zum Propheten Elias, so auch zu uns in der Stille gesprochen hat. Diesen tiefempfundenen Dank richte ich vor allem an unseren Exerzitienleiter, Bischof Andre-Mutien Leonard von Namur. Er war in diesen dem aufmerksamen Hören gewidmeten Tagen das willige und fähige Werkzeug des Herrn. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre so umfassend aufgewandte Mühe, diese geistlichen Exerzitien vorzubereiten und in Worten darzubieten. Durch diese heiligen Übungen waren wir gleichsam in das Geheimnis der ewigen Dreifaltigkeit eingetaucht. „Wegzehrung des Menschen auf dem Weg zum dritten Jahrtausend.“ Sie haben uns einen echt biblischen Reiseweg entworfen, reich an Stimmen von Heiligen und geistlichen Lehrern. Auch Texte von Solov’ev haben Sie sprechen lassen und Worte aus seinem „Übermensch und Antichrist“ wiedergegeben: äußerst beeindruckend. So konnten wir, vom Kern der neutestamentlichen Offenbarung ausgehend, das Antlitz Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes betrachten. Auf diese Weise wurde uns geholfen, eine Synthese des theologischen Gehalts zu vollziehen, der den drei Jahren der unmittelbaren Vorbereitung zum nun schon nahe bevorstehenden Großen Jubiläum zugrunde liegt. Passenderweise wurde die Enzyklika Tertio millennio adveniente mehrmals zitiert. Der Herr vergelte Ihnen diese Ihre Mühe, unser lieber Exerzitienleiter! Und nehmen Sie bitte noch eine weitere auf sich. Wir hätten sehr gerne den Text. Ich habe mir unter anderem notiert, dass wir den Text erwarten, weil es unmöglich war, in handschriftlichen Notizen all das festzuhalten, worüber Sie gesprochen haben. Es waren sehr reich erfüllte Stunden, einmalig, wie z.B. dieser Gedanke vom „Bekenntnis Christi“. Meinen Dank möchte ich ausweiten auf alle, die mich in diesen Tagen begleitet haben, die ganze Römische Kurie, vor allem meine Brüder, die Kardinäle, wie auch die Bischöfe und die Beamten der Kurie sowie auf alle, die an diesen Gnadenstunden unmittelbar beteiligt waren; ferner auch auf alle, die uns im Gebet nahe 604 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN waren. Ich wünsche und hoffe, dass, der Weg durch die Fastenzeit für alle reich sei an geistlichen Früchten und dass besonders die Liebe, „das Band, das alles Zusammenhalt und vollkommen macht“ (Kol 3,14), in allen zunehme. Maria, die uns mit ihrem mütterlichen Schutz in diesen Tagen des Gebetes, der Besinnung und des Schweigens begleitet hat, lasse unsere Vorsätze fruchtbar werden und führe uns der vollen Erfüllung des göttlichen Willens in unserem Leben entgegen: „Maria, unsere Hoffnung, sei gegrüßt!“ Abschließend wollen wir das „Pater noster“ singen, und dann erteile ich den Segen. Eine gute Fastenzeit! Christsein an der Jahrtausendwende - Vorbereitung der Laien auf das Große Jubiläum Ansprache vor der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Laien am 1. März Meine Herren Kardinäle, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Eure Vollversammlung, die in diesen Tagen hier in Rom stattfindet, gibt mir die willkommene Gelegenheit zum Treffen mit euch, den Mitarbeitern des Papstes für den Dienst an den Laien in der ganzen Weit. Mein Gruß und mein Dank gelten zuerst dem Präsidenten des Dikasteriums, Kardinal James Francis Stafford, und dem Sekretär, Bischof Stanislaw Rylko; sodann richten sie sich an jedes der Mitglieder und an die Konsultoren des Päpstlichen Rates für die Laien sowie an das gesamte Personal. Bei den Arbeiten eurer Vollversammlung betrachtet ihr den wichtigen Platz, den das Sakrament der Firmung im Leben der Laien einnimmt, als Mittelpunkt. Dieser Gedankengang bildet eine logische Reihenfolge zu eurer vorhergehenden Versammlung, die der Taufe galt. Es ist ja so, wie der Katechismus der Katholischen Kirche lehrt: „Die Firmung vollendet die Taufgnade, (sie verleiht) den Heiligen Geist, um uns in der Gotteskindschaft tiefer zu verwurzeln, uns fester in Christus einzugliedem, unsere Verbindung mit der Kirche zu stärken, uns mehr an ihrer Sendung zu beteiligen und uns zu helfen, in Wort und Tat für den christlichen Glauben Zeugnis zu geben“ (Nr. 1316). Das durch die Taufgnade wiedergebotene „neue Geschöpf“ wird zum Zeugen neuen Lebens im Geist und verkündet die großen Werke Gottes. „Der Geflrmte - so erklärt der hl. Thomas — erhält die Macht, öffentlich den Glauben an Christus wie von Amtes wegen (quasi ex officio) mit Worten zu bekennen“ (Thomas v. Aquin, Summa Theologiae 111,72,5, ad 2; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1305). 605 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. „Die Laien, Bekenner des Glaubens in der Welt von heute.“ Das für eure Vollversammlung gewählte Thema enthält ein ganzes Lebensprogramm: durch das Wort und durch die Werke „Bekenner des Glaubens“ werden. Ist das nicht eine providentielle Einladung für die Laien an der Schwelle des dritten Jahrtausends der christlichen Ära? Am Vorabend des Jubiläums, in diesem besonderen „kairös“, ist die ganze Kirche aufgerufen, demütig vor den Herrn hinzutreten, eine ernste Gewissenserforschung zu halten, den Weg gründlicher Bekehrung wieder aufzunehmen, den Weg der christlichen Reife, der wirklichen Treue zu Christus in Heiligkeit und Wahrheit, den Weg des echten Glaubenszeugnisses. Diese Gewissensprüfung darf auch die Annahme des II. Vatikanischen Konzils - des kirchlichen Ereignisses, das unser Jahrhundert am stärksten gekennzeichnet hat - sowie seine klärende Lehre über die Würde, die Berufung und die Sendung der Laien nicht unberücksichtigt lassen. Das Jubiläumstreffen drängt also jeden christlichen Laien, sich grundlegende Fragen zu stellen: Was habe ich aus meiner Taufe gemacht? Wie entspreche ich meiner Berufung? Was habe ich aus meiner Firmung gemacht? Habe ich die Gaben und die Charismen des Heiligen Geistes Frucht bringen lassen? Ist Christus als das „Du“ immer in meinem Leben anwesend? Mein Festhalten an der Kirche, dem Geheimnis missionarischer Gemeinschaft - so, wie ihr Gründer sie gewollt hat und wie sie in ihrer lebendigen Tradition tatsächlich besteht -, ist es wirklich vollständig und tief? Bin ich in meinem Wählen und Entscheiden der Wahrheit treu, die das kirchliche Lehramt vorlegt? Ist mein Ehe- und Familienleben und mein Berufsleben durchdrungen von dem, was Christus lehrt? Ist mein soziales und politisches Engagement in den Gmndsätzen des Evangeliums und der Soziallehre der Kirche verwurzelt? Was trage ich in den derzeitigen großen Umgestaltungen bei zur Bildung von Lebensgewohnheiten, die für den Menschen und die Inkulturation des Evangeliums angemessener sind? 3. Beim II. Vatikanischen Konzil, dem „großartigen Geschenk des Geistes an die Kirche gegen Ende des zweiten Jahrtausends“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 36), haben wir die Gnade eines neuen Pfingsten erfahren. Zahlreich sind die für die Sendung der Kirche daraus hervorgegangenen Zeichen der Hoffnung. Ich habe nie aufgehört darauf hinzuweisen, sie besonders hervorzuheben und damit Mut zu machen. Ich denke unter anderem an die Wiederentdeckung und Auswertung der Charismen, die eine lebendigere Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Berufungen innerhalb des Gottesvolkes begünstigt haben, an den neuen Elan in der Evangelisierung, an die Förderung der Laien, an ihre Beteiligung und Mitverantwortung im Leben der christlichen Gemeinschaft, an ihr Apostolat und an ihren Dienst in der Gesellschaft. Im Anbruch des dritten Jahrtausends geben diese Zeichen Anlass, eine reife und fruchtbare „Epiphanie“ der Laienschaft zu erwarten. Wie könnte man jedoch zu gleicher Zeit die Tatsache übersehen, dass unglücklicherweise viele Christen die Verpflichtungen ihrer Taufe vergessen, in Gleichgültigkeit dahinleben und dem Kompromiss mit der säkularisierten Welt erliegen? Und wie sollte man nicht die Gläubigen erwähnen, die zwar auf ihre Weise in den 606 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kirchlichen Gemeinschaften aktiv sind, sich aber, angezogen vom Relativismus der heutigen Kultur, schwer tun, die lehramtlichen und moralischen Lehren der Kirche anzunehmen, denen jeder Getaufte zustimmen muss? Ich habe also den Wunsch, die Laien mögen dieser Gewissensprüfung nicht aus-weichen, damit sie, erfüllt von der Wahrheit und Heiligkeit echter Jünger Jesu Christi, die Heilige Pforte des dritten Jahrtausends durchschreiten können. „Ihr seid das Salz der Erde ... Ihr seid das Licht der Welt... So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,13-16). Die Welt hat das Zeugnis „neuer Männer“ und „neuer Frauen“ nötig, die durch Wort und Werk Christus immer stärker gegenwärtig machen. Denn die einzige vollständige und überreiche Antwort auf die den Menschen erfüllende Sehnsucht nach Wahrheit und Herzensglück ist Christus. Er ist der „Eckstein“ am Bau einer menschlicheren Zivilisation. 4. Der Päpstliche Rat für die Laien hat in den letzten Jahren durch seine Initiativen eine bedeutende Rolle für das Reifen der gläubigen Laien gespielt. Gern erinnere ich unter den jüngeren Initiativen an das Welttreffen der Jugend in Paris im August 1997, an die Begegnung zwischen den kirchlichen Bewegungen und den neuen Gemeinschaften am 30. Mai 1998 auf dem Petersplatz, an das Schreiben über ,JDie Würde und die Sendung der alten Menschen in der Kirche und in der Welt“, veröffentlicht anlässlich des von den Vereinten Nationen für das Jahr 1999 erklärten internationalen Jahres der alten Menschen. Das Dokument ist eine Orientierungsgrundlage für die Vorbereitung des Jubiläums der alten Menschen (Menschen der „dritten Lebensphase“). Ich weiß, dass euer Dikasterium schon mit der Vorbereitung der Welttage der Jugend des Jahres 2000 beschäftigt ist und dass es in Zusammenarbeit mit anderen Dikasterien der Römischen Kurie für den Monat Juni dieses Jahres ein Seminar über das Thema: „Die kirchlichen Bewegungen und die neuen Gemeinschaften in der pastoralen Sorge der Bischöfe“ vorbereitet. 5. In der Linie der Lehren des II. Vatikanischen Konzils und des Apostolischen Schreibens Christifideles laici werden im Lauf des Jubiläumsjahres noch weitere, das umfassende und fruchtbare Gebiet der katholischen Laienschaft betreffende Initiativen des Päpstlichen Rates für die Laien zustande kommen. Bei einer von ihnen, die von großer Bedeutung ist, will ich noch einen Augenblick verweilen, nämlich beim „Weltkongress des Laienapostolates“, der für den Monat November 2000 in Rom vorgesehen ist. Dieser Kongress, der für die Teilnehmer vor allem ein Jubiläumserlebnis sein wird, wird dazu dienen können, den Vorstoß der Laien vom II. Vatikanischen Konzil bis zum Großen Jubiläum der Menschwerdung kurz aufzuzeigen. In Kontinuität mit ähnlichen Treffen, die früher stattgefunden haben, wird man das Profil und die Teilziele dieses Kongresses weiter vertiefen müssen. Da er gegen Ende des Jahres 2000 stattfindet, wird er mit all dem bereichert sein, was dieses Gnadenjahr des Herrn bereits erbracht haben wird, und er wird die Laien auf die Aufgaben hinweisen, die sie in den verschiedenen Bereichen der 607 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sendung und des Dienstes am Menschen zu Beginn des dritten Jahrtausends erwarten. 6. Liebe Brüder und Schwestern, ich schließe diese Gedanken ab mit dem Wunsch, die Arbeiten eurer Vollversammlung mögen im Leben der Kirche viele Früchte bringen. Ich begleite die Initiativen eures Dikasteriums für das Große Jubiläum mit meinem Gebet, und die Ergebnisse vertraue ich der Fürsprache der Jungfrau Maria, Mutter Gottes und Mutter der Kirche, an. Euch allen hier Anwesenden, euren Familien und euren Lieben wünsche ich überreiche Gnaden für das Jubeljahr, und ich erteile von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Beitrag der Medien zum Jubiläumsjahr 2000 zielstrebig vorbereiten und angemessen unterstützen Ansprache bei der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel am 4. März Eminenzen, Exzellenzen, liebe Brüder und Schwestern in Christus! Von Herzen heiße ich euch alle, die Mitglieder, Berater, Experten und Mitarbeiter des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel, anlässlich eurer Vollversammlung willkommen. Besonders begrüße ich Kardinal Andrzej Maria Deskur, den emeritierten Präsidenten dieses Rates, sowie Erzbischof John Foley, seinen Nachfolger in diesem Amt. Außerdem freue ich mich über die Anwesenheit von Kardinal Eugenio de Araujo Sales und Kardinal Hyacinthe Thiandoum, die von Anfang an einen so wichtigen Beitrag zur Arbeit dieses Rates geleistet haben. In dieses Jahr 1999 fällt der 35. Jahrestag des Dokumentes In fructibus multis: Damit wurde dem Antrag der Väter des II. Vatikanischen Konzils auf Einrichtung einer besonderen Kommission für die sozialen Kommunikationsmittel seitens des Hl. Stuhls entsprochen. Es stellt also ein Gründungsdokument eures Päpstlichen Rates dar. Die Väter hatten klar erkannt, dass - wenn es zu einem wirklichen „colloquium salutis“ zwischen Kirche und Weit kommen sollte - dann der Nutzung der Medien eine Bedeutung ersten Ranges zuerkannt werden musste, denn schon zur Zeit des Konzils wuchsen die Medien in ihrem technischen Niveau und ihrer Verbreitung, und in unseren Tagen haben sie sogar noch an Einfluss zugenommen. Dies ist auch das 25. Jahr einer der bekanntesten Initiativen eures Rates, nämlich der Femsehübertragung der weihnachtlichen Mittemachtsmesse aus dem Petersdom, die heutzutage eines der meistgesehenen Fernsehprogramme religiöser Art auf der ganzen Welt ist. Ich bin all denen, die ihren Beitrag zu dieser und anderen ähnlichen Sendungen leisten, aufrichtig dankbar, denn solche Übertragungen sind 608 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ein ausgezeichneter Dienst für die Verkündigung des Wortes Gottes und eine besondere Hilfe für den Nachfolger Petri in seinem universalen Auftrag für Wahrheit und Einheit. Solche Jahrestage unterstreichen den Wert einer engen und positiven Zusammenarbeit zwischen Kirche und Medien (vgl. Botschaft zum 33. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, Nr. 3). Diese Zusammenarbeit wird im Jahr 2000 sicherlich einen wichtigen Schritt nach vom tun, wenn nämlich die Gnade des Jubeljahrs in alle Winkel der Erde getragen wird. Der 2000. Jahrestag der Geburt des Herrn wird zwar in Rom und im Heiligen Land besonders sichtbar gefeiert, seine spirituelle Bedeutung erstreckt sich aber auf alle Völker und Orte (vgl. Incarnationis myste-rium, Nr. 2). Große Anerkennung spreche ich daher dem Päpstlichen Rat für all das aus, was er gegenwärtig unternimmt, um den Medien den wahren Charakter des Jubeljahrs als „Gnadenjahr des Herrn“ besser bewusst zu machen und um zu gewährleisten, dass die mit dem Heiligen Jahr verbundenen Feierlichkeiten so weit und so wirksam wie möglich ausgestrahlt werden - auf eine Art und Weise, die die Botschaft des Jubeljahres der Umkehr, der Hoffnung und der Freude zu vermitteln vermag. Ein wesentlicher Aspekt der Kooperation zwischen Kirche und Medien sind die von der Kirche vorgeschlagenen ethischen Überlegungen, ohne welche die potentiell so kreative Welt der sozialen Kommunikation zerstörerische Negativwerte hegen und verbreiten kann. Es ist ermutigend, zu wissen, dass seit der Veröffentlichung des Dokuments Ethik in der Werbung mehrere in der Medienwelt Tätige vorgeschlagen haben, ein ähnliches Dokument herauszugeben, das eine ethische Orientierung in anderen Bereichen der Kommunikation bietet. Auf einem Gebiet, wo kulturelle und wirtschaftliche Zwänge die moralische Anschauung, die alle menschlichen Wirklichkeiten und Beziehungen leiten sollte, manchmal in den Hintergrund drängen, stellt diese Aufgabe eine Herausforderung für diesen Päpstlichen Rat dar. Sie steht auch in völligem Einklang mit dem wesentlichen Auftrag der Kirche zur Verbreitung der Frohen Botschaft des Reiches Gottes. Die Morallehre der Kirche ist das Ergebnis einer langjährigen Tradition ethischer Weisheit, die auf den Herrn Jesus selbst zurückgeht, und durch ihn wiederum auf den Berg Sinai und auf das Geheimnis der Selbstoffenbarung Gottes in der Menschheitsgeschichte. Ohne diesen Glauben und den Gehorsam gegenüber seinen Geboten wird es weder das Verständnis noch die Freude geben, welche die Fülle des Segens Gottes für seine Geschöpfe ausmachen. Daher ermutige ich euch, eure Untersuchung der ethischen Dimension der Medienkultur und der Macht der Medien über das Leben der Menschen und über die Gesellschaft im Allgemeinen fortzusetzen. Ich fordere euch auf, auch in Zukunft eine wirksame Schulung der in der Medienwelt tätigen Katholiken in alten Erdteilen voranzutreiben, damit ihre Arbeit nicht nur professionell fundiert, sondern auch ein Engagement für das Apostolat ist. Eurer steten Zusammenarbeit mit den verschiedenen internationalen katholischen Medienorganisationen kommt im großen Bereich des Auftrags der Kirche zur Evangelisierung eine ganz besondere Bedeutung zu. 609 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich bin zuversichtlich, dass die engagierte Tätigkeit eures Päpstlichen Rates auch weiterhin die im Bereich der sozialen Kommunikationsmittel arbeitenden Katholiken ermutigen und leiten wird und dass sie - besonders in Bezug auf die Feier des Großen Jubeljahres - dazu fuhren wird, dass dieses herausragende kirchliche Ereignis das größtmögliche Publikum erreicht Ich empfehle euch der liebevollen Fürsprache Marias, Sitz der Weisheit und Mutter aller unserer Freuden: Möge sie, die der Welt das Wort gegeben hat, uns lehren, der erlösenden Botschaft ihres Sohnes demütig zu dienen und sie vertrauensvoll zu verkünden. Als Unterpfand der Kraft und des Friedens in Jesus Christus - dem Wort, das Fleisch wurde, damit wir das Leben haben - erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aufrichtiges Bemühen um den Aufbau einer zivilisierten und solidarischen Welt Ansprache an das Informations- und Initiativkomitee für den Frieden (COMIN) am 5. März Wissenschaftlicher Fortschritt, Weltraum-Eroberung, Erleichterung und Schnelligkeit der Kommunikation, größere gegenseitige Kenntnis unter den Völkern, Untergang der Ideologien, die das zwanzigste Jahrhundert beherrscht haben, und immer vollständigere Informationen über die von ihnen verursachten Tragödien haben in unserer Zeit in weitesten Bevölkerungsschichten ein Grauen vor dem Krieg und ein tiefes Verlangen nach Frieden hervorgerufen. Im Zusammenhang damit werden die Konflikte, die leider immer noch verschiedene Regionen des Planeten mit Blut beflecken, als Verstoß gegen die Würde der Person und tiefe Verletzung der berechtigten Wünsche der Männer und Frauen unserer Zeit empfunden. Dieses Empfinden muss beständig unterstützt und ermutigt werden, denn nur aus der Ablehnung jeder Form von Gewaltanwendung und in der aufrichtigen Suche nach einem Zusammenleben, bei dem an die Stelle der von Gewalt diktierten Beziehungen die Kraft der Zusammenarbeit tritt, können die unerlässlichen Voraussetzungen für den Aufbau einer zivilisierten und solidarischen Welt hervorgehen. Dieses überzeugte Streben nach Frieden ist, um zuzunehmen und stärker zu werden, eng mit einigen grundlegenden Bedingungen verbunden. Sie bestehen im Wesentlichen in der Verteidigung der Menschenrechte, ohne die sich die Keime der Instabilität, der Rebellion und der Gewalt unweigerlich vermehren. Diese Rechte -bürgerliche und politische, aber auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle -betreffen alle menschlichen Lebensstufen und müssen in jedem Kontext beachtet werden. Sie bilden zusammen eine Einheit, die entschieden auf alle Aspekte des Wohles der Person und der Gesellschaft hin orientiert ist. Nur wenn sie in ihrer Gesamtheit und Untrennbarkeit verteidigt werden, ist die Förderung des Aufbaus einer friedfertigen Gesellschaft und der integralen Entwicklung der Staaten tatsächlich möglich. 610 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schaffen von Arbeitsplätzen unter humanen Bedingungen Ansprache bei der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften am 6. März Herr Präsident, sehr verehrte Mitglieder der Akademie, meine Damen und Herren! 1. Anlässlich der fünften Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften freue ich mich, Sie hier zu begrüßen. Ich richte meinen herzlichen Dank an Ihren Präsidenten, Herrn Edmond Malinvaux, für die Ansprache, die er soeben im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Mein Dank gilt auch Msgr. Marcelo Sänchez Sorondo und allen anderen Personen, die sich im Laufe des Jahres um die Koordinierung Ihrer Arbeit bemüht haben. Es ist nun schon das dritte Jahr in einer Abfolge, dass Sie Ihre Überlegungen auf das Thema der Arbeit konzentrieren. So weisen Sie auf die Bedeutung hin, die dieser Frage beizumessen ist, und zwar nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene, sondern auch im sozialen Bereich und für die Entwicklung und das Wachstum von Personen und Völkern. Der Mensch muss im Mittelpunkt des Themas „Arbeit“ stehen. 2. Aufgrund der wissenschaftlichen und technologischen Entdeckungen und der Globalisierung der Märkte ist die Gesellschaft vielfältigen Veränderungen unterworfen. Diese Elemente können sich positiv auf die Arbeiter auswirken, denn sie stellen eine Möglichkeit für Entwicklung und Fortschritt dar; sie können aber auch zahlreiche Risiken für die Menschen nach sich ziehen, wenn sie nämlich die Menschen in den Dienst des Wirtschaftsgetriebes und des hemmungslosen Strebens nach Produktivität stellen. Arbeitslosigkeit ist eine Quelle großer Not und kann „zu einem echten sozialen Notstand werden“ (Laborem exercens, Nr. 18). Sie macht die Personen und ganze Familien labil und gibt ihnen ein Gefühl des Ausgeschlossenseins, denn sie haben Mühe, für ihre wesentlichen Bedürfnisse aufzukommen und fühlen sich weder anerkannt noch für die Gesellschaft von Nutzen. Daraus ergibt sich die Spirale von Verschuldung, aus der nur schwer herauszukommen ist und die trotzdem Verständnis seitens der öffentlichen und sozialen Einrichtungen sowie Unterstützung und Solidarität durch die nationale Gemeinschaft erfordert. Ich bin Ihnen für Ihre Suche nach neuen Wegen zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit zu Dank verpflichtet. Es ist unzweifelhaft schwierig, konkrete Lösungen zu finden, denn die Mechanismen der Ökonomie sind recht kompliziert und im Übrigen meist politischer und finanzieller Art. Außerdem hängen viele Dinge von den im steuerlichen und gewerkschaftlichen Bereich gültigen Normen ab. 3. Die Beschäftigung stellt sicherlich eine der wichtigsten Herausforderungen im internationalen Leben dar. Sie setzt eine gesunde Arbeitsteilung und Solidarität zwischen all den Menschen voraus, die im Arbeitsalter und auch arbeitsfähig sind. 611 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In diesem Geist ist es nicht normal, dass verschiedene Berafskategorien sich vor allem darum bemühen, erworbene Vorteile zu erhalten, denn das kann nur unselige Auswirkungen auf die Situation der Arbeitsplätze in einem Land haben. Außerdem fügt die Parallelstruktur der Schwarzarbeit der Wirtschaft einer Nation schweren Schaden zu, denn sie stellt eine Weigerung dar, sich durch Sozialbeiträge und Steuern am Leben der Nation zu beteiligen. Gleichzeitig versetzt sie die Arbeiter, besonders Frauen und Kinder, in einen unkontrollierbaren und inakzeptablen Zustand der Unterwerfung und Dienstbarkeit, und zwar nicht nur in den armen Ländern, sondern auch in den Industriestaaten. Die Behörden haben die Pflicht, alles zu tun, damit alle Menschen hinsichtlich Beschäftigung und Arbeitsgesetzgebung die gleichen Chancen haben. 4. Arbeit ist ein grundlegender Wesenszug für jeden Menschen. Sie trügt zur Entfaltung seines Wesens bei, denn sie ist integrierender Teil seines Alltagslebens. Das Nichtstun gibt keine innerliche Kraft und ermöglicht keine Zukunftsperspektive; es führt nicht nur zu „Erniedrigung und großer Not“ (Tob 3,14), sondern steht auch einem sittlichen Leben entgegen (vgl. Sir 33,29). Darüber hinaus gibt die Arbeit jedem Menschen - durch die rechte Empfindung, der Menschengemeinschaft nützlich zu sein, und durch die Entwicklung brüderlicher Beziehungen -einen Platz in der Gesellschaft und ermöglicht es ihm, sich verantwortlich am Leben der Nation zu beteiligen und zum Schöpfungswerk beizutragen. 5. Unter den Leuten, die von Arbeitslosigkeit schmerzlich betroffen sind, befindet sich auch eine große Anzahl Jugendlicher. Zu dem Zeitpunkt, wenn sie sich für den Arbeitsmarkt bereithalten, haben sie häufig den Eindruck, dass es schwierig für sie sein wird, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden und ihrem wahren Wert entsprechend anerkannt zu werden. In diesem Bereich sind alle Verantwortlichen im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben aufgefordert, ihre Anstrengungen zugunsten der Jugend, die als eines der kostbarsten Güter einer Nation betrachtet werden muss, zu verdoppeln und sich abzusprechen, um eine Berufsausbildung anbieten zu können, die der gegenwärtigen Wirtschaftssituation immer besser angepasst ist, sowie eine Politik auszuarbeiten, die noch zielstrebiger auf Vollbeschäftigung abzielt. So wird den Jugendlichen, die manchmal das Gefühl haben können, dass die Gesellschaft sie nicht wirklich braucht, neues Vertrauen und Hoffnung gegeben; und dies wird die Ungleichheiten zwischen den verschiedenen sozialen Schichten sowie die Phänomene der Gewalt, Prostitution, Drogen und Kriminalität, die gegenwärtig immer weiter zunehmen, deutlich reduzieren. Ich ermutige all jene, die sich für die verstandesmäßige und berufliche Ausbildung der Jugendlichen einsetzen, die jungen Leute zu begleiten, zu unterstützen und ihnen Mut zu machen, damit sie in der Arbeitswelt Fuß fassen können. Ein Arbeitsplatz bedeutet für sie Anerkennung ihrer Fähigkeiten und Bemühungen und eröffnet ihnen eine persönliche, familiäre und soziale Zukunft. Ebenso ist es angezeigt, durch eine gezielte Erziehung und durch die nötigen sozialen Hilfsmaßnahmen auch den Familien, die sich aus beruflichen Gründen in Notlagen befinden, zu hel- 612 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fen und den schlechter verdienenden Personen und Familien beizubringen, ihre Mittel rational einzusetzen und sich nicht von den illusorischen Gütern der Konsumgesellschaft vereinnahmen zu lassen. Überverschuldung ist ein Zustand, dem nur schwer zu entkommen ist. 6. Da die Beschäftigung nicht unbegrenzt zunehmen kann, ist es nötig, auf Grund der menschlichen Solidarität eine Umorganisation und eine bessere Aufteilung der Arbeit in Aussicht zu stellen; dabei darf das erforderliche Teilen der verfügbaren Ressourcen mit den Arbeitslosen nicht vergessen werden. Die wirkungsvolle Solidarität zwischen allen Menschen ist heute wichtiger denn je, besonders für die Langzeitarbeitslosen und ihre Familien, die nicht in ständiger Armut und Not leben können, ohne dass sich die nationale Gemeinschaft mobilisiert. Niemand darf sich damit abfinden, dass manche Menschen keine Arbeit haben. 7. Der Reichtum eines Unternehmens besteht nicht nur aus den Produktionsmitteln, dem Kapital und dem Gewinn, sondern vor allem aus den Menschen, die mit ihrer Arbeit das erbringen, was dann zu Konsumgütem oder Dienstleistungen wird. Aufgrund dieser Tatsache müssen alle Arbeitnehmer - je nach ihrer Rangstufe -ihren Anteil an Verantwortung tragen, um auf diese Weise zum allgemeinen Wohl des Unternehmens und - im Endeffekt - der ganzen Gesellschaft beizutragen (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). Es ist wesentlich, den Menschen Vertrauen zu schenken und ein System zu entwickeln, das den Sinn für Innovation von Seiten der Einzelpersonen und der Gruppen sowie die Anteilnahme und Solidarität hervorhebt (vgl. ebd., Nr. 45) und auf grundsätzliche Weise Beschäftigung und Wachstum fördert. Die Aufwertung der Kompetenzen des Einzelnen ist eine treibende Kraft in der Wirtschaft. Ein Unternehmen einzig und allein unter dem Gesichtspunkt seiner Wirtschaftlichkeit oder Konkurrenzfähigkeit zu betrachten bringt Risiken mit sich und das menschliche Gleichgewicht in Gefahr. 8. Die Untemehmensleiter und Entscheidungsträger müssen sich bewusst werden, dass es absolut notwendig ist, ihr eigenes Wirken auf das menschliche Kapital und auf sittliche Werte zu gründen (vgl. Veritatis splendor, Nm. 99-101), und zwar insbesondere auf die Achtung der Menschen und ihr unveräußerliches Bedürfnis, eine Arbeit zu haben und von dem Lohn ihrer beruflichen Tätigkeit zu leben. Außerdem darf man nicht vergessen: die Qualität der Untemehmensorganisation, die Beteiligung aller an ihrer guten Funktionsweise sowie eine erhöhte Sorgfalt in Bezug auf unbelastete Beziehungen zwischen allen Arbeitnehmern. Ich erhoffe daher eine immer stärkere Mobilisierung der verschiedenen Gestalter des sozialen Lebens und aller Sozialpartner, damit sich jeder in seinem Bereich zum Dienst am Menschen und an der Menschheit verpflichtet und dadurch Entscheidungen getroffen werden, in denen der Mensch, besonders der Schwache und Bedürftige, eine zentrale Stellung einnimmt und wirklich in seiner besonderen Verantwortung anerkannt wird. Die Globalisierung der Wirtschaft und der Arbeit erfordert gleichfalls eine Globalisierung der Verantwortung. 613 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 9. Das Ungleichgewicht zwischen armen und reichen Ländern nimmt immer weiter zu. Die Industrieländer sind zur Gerechtigkeit verpflichtet und tragen eine schwere Verantwortung gegenüber den Entwicklungsländern. Die Gegensätze werden immer krasser. Paradoxerweise wird eine ganze Anzahl von Ländern, die über großen Reichtum sowohl auf als auch unter ihrem Boden verfügen, auf inakzeptable Weise von anderen Ländern ausgebeutet. Dadurch können ganze Bevölkerungsgruppen weder aus den Schätzen des Bodens, der ihnen gehört, noch aus ihrer Arbeit Nutzen ziehen. Diesen Nationen muss die Möglichkeit gegeben werden, sich durch ihre eigenen, natürlichen Ressourcen zu entwickeln, indem sie enger in die Bewegungen der Weltwirtschaft eingebunden werden. 10. Am Anfang einer Erneuerung der Beschäftigungspolitik besteht eine ethische Pflicht und ein Bedürfnis nach grundlegenden Mentalitätsänderungen. Jede wirtschaftliche Entwicklung, die nicht auch den menschlichen und moralischen Aspekt berücksichtigt, neigt dazu, den Menschen zu versklaven. Wirtschaft, Arbeit und Unternehmen stehen in erster Linie im Dienst der Menschen. Strategische Entscheidungen können nicht zum Schaden derjenigen ausfallen, die im Unternehmen arbeiten. Allen unseren Zeitgenossen muss also eine Beschäftigung geboten werden - und zwar dank einer gerechten und verantwortlichen Arbeitsteilung. Zweifellos sollte auch der Zusammenhang zwischen Lohn und Arbeit überprüft werden, um jene manuellen Beschäftigungen aufzuwerten, die oft mühsam sind und als untergeordnet angesehen werden. Die Lohnpolitik setzt in der Tat voraus, dass nicht nur der Ertrag des Unternehmens, sondern auch die Menschen berücksichtigt werden. Eine allzu große Lohnspanne ist ungerecht, denn sie kommt einer Abwertung vieler unentbehrlicher Arbeiten gleich und vertieft die sozialen Ungleichheiten, die Nachteile für alle bringen. 11. Um die Herausforderungen aufhehmen zu können, denen sich die Gesellschaft auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend stellen muss, rufe ich die christliche Gemeinschaft auf, sich immer stärker an der Seite der Personen zu engagieren, die sich für mehr Arbeitsplätze einsetzen, und zusammen mit den anderen Menschen den Weg einer immer menschlicheren Wirtschaft einzuschlagen (vgl. Centesimus annus, Nr. 62)! In diesem Geist danke ich Ihnen für den wertvollen Dienst, den Sie der Kirche leisten, indem sie Ihre besondere Aufmerksamkeit auf die gesellschaftlichen Phänomene richten, die für den Menschen und die gesamte Menschheit so wichtig sind. Ich empfehle Sie der Fürsprache des hl. Joseph, Schutzpatron der Arbeiter, und der sei. Jungfrau Maria, und erteile Ihnen, Ihren Familien und allen Menschen, die Ihnen nahe stehen, gerne meinen Apostolischen Segen. 614 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Pilgerweg des Kreuzes an den Universitäten Ansprache nach dem Rosenkranzgebet am 6. März Einen besonderen Gedanken richte ich an die jungen Leute der Universitäten: an die hier anwesenden und an die durch den Vatikan-Rundfunk mit uns verbundenen. Liebe Universitätsstudenten, ich grüße euch herzlich! Wir haben das Geheimnis der Liebe Gottes, des Vaters, betrachtet, deren erste Zeugin Maria war, und wir haben für alle Studenten der Welt um die Gabe der Versöhnung und der Barmherzigkeit gebetet. Heute Abend teile ich mit euch die Freude über den beginnenden Pilgerweg des Kreuzes in euren Universitäten. Mögt ihr im Kreuz das mehr als alles sprechende Zeichen der Barmherzigkeit des Herrn zu erkennen wissen, das in jeder akademischen Gemeinschaft einen neuen Aufschwung zu Dem auszulösen vermag, der die Grundlage und die Sicherheit allen intellektuellen Forschens ist. Mit uns im Gebet verbunden sind eure Studienkollegen der Universitäten von Buenos Aires, New York, Tschenstochau und Santiago de Compostela. Diese Initiative lässt uns schon vorausschauen auf den Weltjugendtag und das Welttreffen der Universitätsdozenten im Jahre 2000. Bereitet euch, liebe Studenten von Rom, darauf vor, eure Altersgenossen aufzunehmen, die aus allen Teilen der Welt kommen werden. Mit der Hilfe Marias seid Apostel in der Welt der Universität. Diener und Verkünder des Friedens und der Versöhnung Predigt während der Eucharistiefeier zu den Seligsprechungen am 7. März 1. „Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben“ (Joh 4,14). Am heutigen dritten Sonntag der Fastenzeit bildet die Begegnung Jesu mit der Samariterin am Jakobsbrunnen eine einzigartige Katechese über den Glauben. Den Katechumenen, die sich darauf vorbereiten, die Taufe zu empfangen, und allen Gläubigen, die dem Osterfest entgegengehen, zeigt das heutige Evangelium das „lebendige Wasser“ des Heiligen Geistes, das dem inneren Menschen neues Leben gibt und ihn „von oben“ zu neuem Leben geboren werden lässt. Das menschliche Dasein ist ein „Exodus“, ein „Auszug“ aus der Sklaverei ins verheißene Land, aus dem Tod ins Leben. Auf diesem Weg spüren wir manchmal die Dürre und Mühe des Daseins: Elend, Einsamkeit, Sinn- und Hoffnungslosigkeit. Das geht so weit, dass auch wir uns, wie die Israeliten auf der Wanderschaft, manchmal fragen: „Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?“ (Ex 17,7). Auch die vom Leben so geprüfte Frau von Samaria wird oft gedacht haben: „Wo ist der Herr?“ Bis sie eines Tages einen Mann trifft, der ihr, einer Frau, und noch dazu einer Samariterin, was so viel heißt wie: einer doppelt verachteten, die volle Wahrheit sagt. In einem schlichten Zwiegespräch bietet er ihr die Gabe Gottes an: den Heiligen Geist, die Quelle lebendigen Wassers für das ewige Leben. Er offenbart 615 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich ihr als der erwartete Messias und verkündet ihr den Vater, der im Geist und in der Wahrheit angebetet sein will. 2. Die Heiligen sind die „wahren Anbeter des Vaters“: Männer und Frauen, die, wie die Samariterin, Christus begegnet sind und durch Ihn den Sinn des Lebens entdeckt haben. Sie haben in erster Person erfahren, was der Apostel Paulus in der zweiten Lesung sagt: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ {Röm 5,5). Auch in den neuen Seligen hat die Gnade der Taufe in Fülle Frucht getragen. Sie haben so ausgiebig am Brunnen der Liebe Christi getrunken, dass sie innerlich davon umgestaltet und auch ihrerseits zu überfließenden Quellen für den Durst so vieler Brüder und Schwestern wurden, die sie auf dem Weg des Lebens trafen. In spanischer Sprache führ der Papst fort: 3. „Gerecht gemacht aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott... und rühmen uns unserer Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 5,1-2). Heute nimmt die Kirche bei der Seligsprechung der Märtyrer von Motril diese Worte des hl. Paulus auf ihre Lippen. In der Tat haben ja Vincente Soler und seine sechs Gefährten, die Au-gustiner-Rekollekten, sowie der Diözesanpriester Manuel Martin für ihr heroisches Glaubenszeugnis den Zugang zur „Herrlichkeit Gottes“ erhalten. Sie sind nicht für eine Ideologie gestorben, sondern haben aus freien Stücken ihr Leben hingegeben für jemanden, der schon zuvor für sie gestorben war. So gaben sie Christus das Geschenk zurück, das sie von ihm empfangen hatten. Um des Glaubens willen waren diese einfachen Männer des Friedens tätig, fern von politischen Debatten, jahrelang in Missionsgebieten, ertrugen viele Leiden auf den Philippinen, benetzten mit ihren Schweißtropfen die weiten Felder Brasiliens, Argentiniens und Venezuelas und gründeten in Motril und anderen Teilen Spaniens soziale Werke und Erziehungseinrichtungen. Im Glauben sahen sie, als die große Stunde des Martyriums kam, ruhigen Herzens dem Tod entgegen, stärkten die anderen Verurteilten und verziehen ihren Henkern. Wir fragen uns: Wie war das möglich? Der hl. Augustinus antwortet: „Weil der, der im Himmel herrscht, den Geist und die Zunge seiner Märtyrer lenkte und durch sie auf Erden siegte“ {Predigt 329,1-2). Selig ihr, Märtyrer Christi! Mögen alle sich über die Ehre freuen, die diesen Glaubenszeugen zuteil wurde. Gott stand ihnen in ihren Qualen bei und verlieh ihnen die Siegeskrone. Mögen sie allen helfen, die heute in Spanien und in der Welt für Versöhnung und Frieden arbeiten! Das Folgende sagte der Papst in französischer Sprache: 4. Das Volk, das in der Wüste lagerte, litt Durst, wie wir in der ersten Lesung hörten, die dem Buch Exodus entnommen ist (vgl. 17,3). Den Anblick des geistig dürstenden Volkes hatte Nicolas Barre aus dem Minoritenorden vor Augen. Sein Dienst brachte ihn fortwährend mit Menschen in Kontakt, die in der Wüste religiö- 616 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ser Unwissenheit lebten und Gefahr liefen, ihren Durst an der verdorbenen Quelle gewisser Ideen ihrer Zeit zu stillen. Daher empfand er es als Pflicht, geistlicher Lehrer und Erzieher für solche zu werden, die er durch seine Pastoralarbeit erreichen könnte. Um seinen Aktionsradius zu vergrößern, gründete er eine neue Ordensfamilie, die Schwestern vom Kinde Jesus. Sie hatten die Aufgabe, die verlassene Jugend zu evangelisieren und zu erziehen, um ihnen die Liebe Gottes kundzutun, ihnen das göttliche Leben in Fülle zu vermitteln und zum Aufbau ihrer Persönlichkeit beizutragen. Der neue Selige verwurzelte seine Sendung ohne Unterlass in der Betrachtung des Geheimnisses der Menschwerdung, denn Gott löscht den Durst derer, die in vertrauter Freundschaft mit ihm leben. Er hat gezeigt, dass etwas, was für Gott getan wird, notwendig zur Gottverbundenheit führt, und dass der Weg zur Heiligkeit auch über das Apostolat führt. Nicolas Barre lädt jeden ein, auf den Heiligen Geist zu vertrauen, auf ihn, der sein Volk auf dem Weg der Hingabe an Gott leitet, auf dem Weg der Selbstlosigkeit, der Demut und der Beharrlichkeit bis in die härtesten Prüfungen hinein. Eine solche Haltung öffnet für die Freude, auf diesem Weg das machtvolle Handeln des lebendigen Gottes zu erfahren. Dann ging der Papst auf die deutsche Sprache über: 5. Wenn wir schließlich unseren Blick auf die sei. Anna Schäffer richten, dann lesen wir ihr Leben gleichsam als lebendigen Kommentar dessen, was der hl. Paulus im Römerbrief schrieb: „Die Hoffnung aber läßt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (5,5). Je mehr ihr Lebensweg zum Leidensweg wurde, um so stärker wuchs in ihr die Erkenntnis, dass Krankheit und Schwäche die Zeilen sein können, auf denen Gott sein Evangelium schreibt. Ihr Krankenzimmer nennt sie eine „Leidenswerkstatt", um dem Kreuz Christi immer gleichförmiger zu werden. Sie spricht von drei Himmelsschlüsseln, die Gott ihr gegeben habe: „Der größte davon ist aus rohem Eisen und schwer von Gewicht, das ist mein Leiden. Der zweite ist die Nadel und der dritte der Federhalter. Mit all diesen Schlüsseln will ich täglich fest arbeiten, um das Himmelstor öffnen zu können.“ Gerade im größten Schmerz wird Anna Schäffer die Verantwortung bewusst, die jeder Christ für das Heil seiner Mitmenschen hat. Dazu gebraucht sie den Federhalter. Ihr Krankenbett wird die Wiege eines weit gespannten Briefapostolats. Was ihr an Kraft bleibt, verwendet sie für die Anfertigung von Stickereien, um damit anderen eine Freude zu bereiten. Ob auf den Briefen oder bei der Handarbeit, ihr Lieblingsmotiv ist das Herz Jesu als Symbol der göttlichen Liebe. Dabei fällt auf, dass sie die Flammen aus dem Herzen Jesu nicht als Feuerflammen, sondern als Weizenähren darstellt. Der Bezug zur Eucharistie, die Anna Schäffer täglich von ihrem Pfarrer empfangen hat, ist unverkennbar. Das so gedeutete Herz Jesu ist deshalb das Attribut, das die neue Selige bei sich tragen wird. 617 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zum Schluss kam der Papst auf die italienische Sprache zurück: 6. Liebe Brüder und Schwestern, danken wir Gott für das Geschenk dieser neuen Seligen! Trotz der Prüfungen des Lebens haben sie ihr Herz nicht verhärtet, sondern auf die Stimme des Herrn gehört, und der Heilige Geist hat sie mit der Liebe Gottes erfüllt. So wurde es ihnen zur erlebten Erfahrung, dass „die Hoffnung nicht zugrunde gehen läßt“ (Rom 5,5). Sie waren wie Bäume, die an Wasserläufen gepflanzt sind; und haben zur rechten Zeit reichlich Frucht getragen (vgl. Ps 1,3). Darum ruft heute die ganze Kirche, ihr Zeugnis bewundernd: Herr, du bist wahrhaft der Erlöser der Welt, du bist der Fels, aus dem lebendiges Wasser strömt für den Durst der Menschheit! Gib Uns immer, Herr, von diesem Wasser, damit wir den Vater erkennen und ihn in Geist und Wahrheit anbeten. Amen! Zuverlässige Fürsprecher im aufreibenden Lebensalltag Ansprache bei der Sonderaudienz für die zu den Seligsprechungen angereisten Pilger am 8. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der Widerhall der gestrigen Feier, während der ich die Freude hatte, Vincente Soler und sechs seiner Gefährten, Manuel Martin Sierra, Nicolas Barre und Anna Schäffer seligzusprechen, ist in uns noch lebendig. Heute empfange ich euch alle, liebe Pilger, die ihr zu einem so feierlichen Ereignis angereist seid, mit neuer Freude, und ich begrüße euch herzlich. Eure zahlreiche und vielsagende Anwesenheit zeigt, dass die Lehre und das Vorbild dieser wahren Jünger Christi, dieser Zeugen und Lehrmeister der Heiligkeit, den Geist vieler Völker tief geprägt haben, indem sie eine unauslöschliche und fruchtbare Erinnerung hinterließen. Danken wir Gott dafür! In spanischer Sprache sagte der Papst: 2. Mit Freude empfange ich heute die Mitglieder des Ordens der Augusti-ner-Rekollekten und alle anderen Pilger, die in Begleitung ihrer Bischöfe von Andalusien, dem Ort des Martyriums der acht neuen Seligen, und aus anderen Gegenden Spaniens bis nach Rom gekommen sind. Wenn wir von „Martyrium“ sprechen, erinnern wir uns an ein schreckliches, zugleich aber auch bewundernswertes Drama: schrecklich wegen der grausamen Ungerechtigkeit, die es verursacht; schrecklich auch wegen des Blutes, das vergossen wird, und des Schmerzes, den man empfindet; aber dennoch bewundernswert wegen der Unschuld, die willig und ohne Verteidigung die Hinrichtung erträgt und sich freut, die unbesiegbare Wahrheit des Glaubens bezeugen zu können. Das Leben stirbt, der Glauben aber siegt und lebt. Das ist der Martyrertod: ein äußerster 618 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Akt der Liebe und Treue zu Christus, der sich in Zeugnis und Vorbild verwandelt, in eine ewige Botschaft an die gegenwärtige und zukünftige Menschheit. So gestalteten sich die Martyrien der sieben Augustiner-Rekollekten und des Pfarrers von Motril. Sie starben so, wie sie immer gelebt hatten: Jeden Tag ihres Lebens hatten sie für Christus und die Menschen, ihre Brüder, hingegeben. Bewegend sind die Berichte über das Martyrium, vor allem des alten Paters Vincente Soler, der Generalprior des Ordens gewesen war: Im Gefängnis tröstete Pater Soler seine Mitgefangenen und sagte ihnen, dass er in den Missionen noch schlimmere Situationen erlebt und dass der Herr ihm immer geholfen hatte. Er war ein Held der Liebe und gab sich selbst anstelle eines zum Tode verurteilten Familienvaters hin. In seiner letzten Stunde empfahl er der „Virgen de la Cabeza“, Schutzpatronin von Motril, das Schicksal aller Verurteilten. Die neuen Seligen mögen die Kirche, die für das Evangelium arbeitet und leidet, auf ihrem Weg begleiten und die Blüte eines neuen Frühlings des christlichen Lebens in Spanien fördern! In französischer Sprache sagte der Papst: 3. Von Herzen begrüße ich euch, die ihr hierher gekommen seid, um an der Seligsprechung von Pater Nicolas Barre teilzunehmen. Eure Anwesenheit bezeugt eure Verbundenheit mit seiner Person, die ein Geschenk Gottes für die Kirche ist. An euch, die Familie der Schwestern vom Kinde Jesu, richte ich einen ganz besonderen Gruß. In eurem Werk der Erziehung von bedürftigen Kindern und Jugendlichen stellt das Charisma eures Gründers für euch einen Aufruf dar, am menschlichen und geistigen Wachstum der euch anvertrauten Menschen Anteil zu nehmen. Pere Barre wusste, dass es keinen menschlichen Reichtum ohne Ausbildung geben kann, und keine Liebe zu Gott ohne eine Erziehung zur Großzügigkeit. Sein Vorhaben, das ihr so selbstlos, bescheiden und gottergeben weiterführt, ist eine Antwort auf das große menschliche Elend. Ihr schließt euch den Anstrengungen all jener Leute an, die sich darum bemühen, Gott bekannt zu machen, indem sie den Menschen aufrichten. Liebe Schwestern! Ich fordere euch auf, eurem erzieherischen Auftrag, der seinen Ursprung in der Liebe zu Christus und in der Betrachtung Christi hat, treu zu bleiben. Mögt ihr nach dem Beispiel von Nicolas Barre ganz eng mit dem Herrn verbunden sein, euch Ihm vorbehaltlos hingeben und die Jugendlichen zu Gott führen! In deutscher Sprache sagte der Papst: 4. Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Schwestern und Brüder! Euch allen, die ihr aus der Diözese Regensburg zur Seligsprechung von Anna Schäffer nach Rom gekommen seid, gilt mein herzlicher Gruß. Stellvertretend für die Brüder im Bischofsamt heiße ich Friedrich Kardinal Wetter willkommen, der als Erzbischof von München und Freising euer Metropolit ist. Außerdem grüße ich euren Diözesanbischof Manfred Müller und die vielen Priester und Ordensleute, die unter der großen Pilgergruppe sind. 619 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Feier einer Seligsprechung hat immer etwas Erhebendes an sich. Sie ist eine Art Vorgeschmack auf das, was jedem von uns am Ende der Zeiten versprochen ist: Davon dürft ihr im Alltag zehren. Deshalb bitte ich euch: Nehmt etwas von diesen besonderen Tagen in eure Heimat mit! Das Ergebnis dieser Feier muss mehr sein als eine schöne Erinnerung an Rom und ein festes Datum für die Selige im liturgischen Kalender. Anna Schaffer bleibt uns gegenwärtig mit ihrer Lebensbotschaft, die eine feste Stütze ist, wenn es traurige Stunden zu bestehen und dunkle Täler zu durchschreiten gilt. Wie viele Menschen müssen heute mit einer Diagnose leben, die nach menschlichem Ermessen hoffnungslos stimmt! Wie viele sind ans Krankenbett gefesselt, das sie tagaus tagein nicht mehr loslässt! Wie viele leiden unter verzwickten Geschichten, die das Leben geschrieben hat, und unter Bedingungen, in die sie durch Unglück oder Schuld verstrickt wurden! Sicher habt ihr manchen Menschen, der euch nahe steht, im Geiste auf diese Pilgerfahrt mitgenommen. Anna Schäffer, eine Frau aus eurer Heimat, ermutigt euch, eure Angehörigen, Freunde und Bekannten im Gebet vor Gott hinzutragen. Was die neue Selige auf Erden vom Krankenbett aus getan hat, das vollbringt sie jetzt im Himmel noch wirkungsvoller: Unablässig tritt sie bei Gott für uns ein. Dank sei Gott, dass er uns eine mächtige Fürsprecherin geschenkt hat. In italienischer Sprache sagte der Papst: 5. Liebe Brüder und Schwestern! Die Seligsprechung dieser unserer Schutzpatrone im Himmel gehört zum Weg der Fastenzeit, der uns zum Osterfest führt. Ihr Zeugnis sei uns allen eine Ermutigung und Anregung, damit wir diesen Weg der Umkehr und Versöhnung entschlossen gehen, in dem wir treu den Spuren der Seligen folgen, die wir heute besonders ehren. Maria, Königin der Heiligen und Seligen, sei dabei unsere Fürsprecherin. Von Herzen segne ich jeden von euch, eure Familien und die Kirchengemeinschaften, denen ihr angehört. Achtung der Menschenrechte — Leben mit der Schöpfung Ansprache während der Studienwoche der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 12. März Herr Präsident, Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Mit Freude empfange ich Sie anlässlich der Studienwoche der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften über den Beitrag der Wissenschaften zur Weltentwicklung. Mit aufrichtigem Dank an Ihren Präsidenten für seine freundlichen Grußworte verbinde ich meine herzliche Begrüßung an Sie und den Ausdruck meiner 620 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hochschätzung für den Dienst, den Sie der menschlichen Gemeinschaft leisten. Es war Ihr Wunsch, über die großen Risiken nachzudenken, die auf dem ganzen Planeten lasten, und gleichzeitig die möglichen Maßnahmen ins Auge zu fassen, um die Schöpfung am Beginn des dritten Jahrtausends zu schützen. 2. In der heutigen Welt erheben sich mehr und mehr Stimmen mit dem Hinweis auf die zunehmenden Schäden, die von der modernen Zivilisation den Menschen, den Wohngebieten, den Klimaverhältnissen und der Landwirtschaft zugefügt werden. Gewiss, es gibt Elemente, gegen die anzukämpfen schwierig oder unmöglich ist, da sie mit der Natur und deren eigener Autonomie verbunden sind. Man kann jedoch behaupten, dass manchmal menschliche Verhaltensweisen am Ursprung von schweren ökologischen Missverhältnissen stehen, mit besonders unheilvollen und verheerenden Folgen in den verschiedenen Ländern und auf dem ganzen Globus. Erwähnt seien nur die bewaffneten Konflikte, der hemmungslose Wettlauf nach wirtschaftlichem Wachstum, die maßlose Ausnutzung der Ressourcen, die Luft- und Wasserverschmutzung. 3. Es liegt in der Verantwortung des Menschen, die Gefahren für die Schöpfung zu begrenzen durch besondere Achtsamkeit gegenüber der natürlichen Umwelt, durch entsprechende Maßnahmen und Schutzsysteme, die vor allem das Allgemeinwohl und nicht nur die Rentabilität oder besondere Vorteile in Betracht ziehen. Die stete Entwicklung der Völker gebietet es, dass alle sich „in den Dienst der Menschen stellen, um ihnen zu helfen, dieses schwere Problem in seiner ganzen Breite anzupacken und sie von der Dringlichkeit gemeinsamen Handelns zu überzeugen“ (Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, Nr. 1). Unglücklicherweise haben wirtschaftliche und politische Erwägungen und Argumente sehr oft den Vortritt vor der Respektierung der Umwelt und machen in gewissen Zonen der Erde das Leben der Bevölkerung unmöglich oder gefährlich. Damit der Planet morgen bewohnbar sei und alle ihren Platz darauf haben, fordere ich die öffentlichen Obrigkeiten und alle Menschen guten Willens auf, ihr tägliches Verhalten und die Entscheidungen, die getroffen werden müssen, zu hinterffagen. Sie dürfen nicht von endlosem und ungezügeltem Trachten nach materiellen Gütern bestimmt sein ohne Rücksicht auf den Rahmen, in dem wir leben und der so sein muss, dass er die Grundbedürfhisse der jetzigen und der zukünftigen Generationen befriedigen kann. Diese Achtsamkeit bildet einen wesentlichen Aspekt der Solidarität zwischen den Generationen. 4. Die internationale Gemeinschaft ist zur Zusammenarbeit mit den verschiedenen betreffenden Gruppen aufgemfen, damit das persönliche, oft von gesteigertem Konsumdenken gesteuerte Verhalten weder im Wirtschaftsgeflecht noch in den natürlichen Ressourcen und in der Auffechterhaltung des Gleichgewichtes in der Natur Störungen verursacht. „Die reine Anhäufung von Gütern und Dienstleistungen, auch wenn sie zum Nutzen der Mehrheit erfolgt, genügt nicht, um das menschliche Glück zu verwirklichen“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 28). 621 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Gleiche gilt für die Ballung wirtschaftlicher und politischer Kräfte, die ganz speziellen, von Machtzentren ausgehenden Interessen entsprechen und oft auf Kosten der Interessen der internationalen Gemeinschaft handeln. Diese Situation gibt den Weg frei für willkürliche Entscheidungen, gegen die anzukommen oft schwer ist, und setzt damit ganze Gruppen von Menschen schwerwiegenden Nachteilen aus. Die Gleichgewichte erfordern, dass Untersuchungen und Entscheidungen transparent vollzogen werden in der Absicht, dem Allgemeinwohl und der menschlichen Gemeinschaft zu dienen. Mehr denn je ist es wichtig, eine politische, wirtschaftliche und rechtliche Weltordnung aufzustellen, die sich auf klare moralische Regeln stützt, damit das Streben nach dem Gemeinwohl das Ziel der internationalen Beziehungen sei und Erscheinungen der Korruption, die den einzelnen Menschen und den Völkern schwere Wunden beibringen, vermieden werden. Die Schaffung von imgerechten Privilegien und Vorteilen zugunsten der reichsten Länder oder sozialen Gruppen dürfen dabei ebenso wenig geduldet werden wie wirtschaftliche Unternehmungen, die ohne Rücksicht auf die Menschenrechte unternommen werden, Steuerparadiese und rechtsfreie Zonen. Eine solche Ordnung müsste über genügend Autorität bei den nationalen Instanzen verfügen, um zugunsten der am meisten benachteiligten Regionen einzutreten und soziale Programme zu veranlassen, die einzig darauf ausgerichtet wären, diesen Regionen auf dem Weg der Entwicklung zu Fortschritten zu verhelfen. Unter dieser Bedingung wird der Mensch wirklich ein Bruder jedes Menschen und ein Mitarbeiter Gottes in der Verwaltung der Schöpfung sein. 5. Alle, denen eine Verantwortung im öffentlichen Leben übertragen ist, sind auch aufgerufen, eine berufliche und technische Ausbildung zu entwickeln wie auch für Lehr- und Schulungszeiten zu sorgen, besonders für die Jugendlichen, denen sie die Mittel verschaffen sollen, sich aktiv am nationalen Wachstum zu beteiligen. Ebenso ist es wichtig, fähige Gruppen für die Entwicklungsländer auszubilden und zugunsten dieser Länder technologische Transfers vorzunehmen. Diese Förderung der sozialen Gleichgewichte, grundgelegt im Sinn für Gerechtigkeit und verwirklicht im Geist der Weisheit, wird die Achtung der persönlichen Würde der Menschen gewährleisten und es ihnen möglich machen, in Frieden zu leben und sich der Güter zu erfreuen, die ihr Land hervorbringt Darüber hinaus wird eine wohlgeordnete Gesellschaft auch Katastrophen, die sich womöglich ereignen, rascher entgegentreten zu können, um der Bevölkerung zu helfen, besonders den Ärmsten und gänzlich Mittellosen. 6. Ihre Bemühungen, gültige Vorhersagen zu erarbeiten, sind ein wertvoller Beitrag dazu, dass die Menschen, besonders jene, die den Auftrag haben, die Geschicke der Völker zu lenken, voll ihre Verantwortung gegenüber den zukünftigen Generationen wahmehmen und Bedrohungen abwenden, die als Folge von Gleichgültigkeit oder von wirtschaftlichen oder politischen Fehlentscheidungen aufgrund schwerwiegenden Irrtums oder mangels langfristiger Perspektiven entstanden sind. 622 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Für die Strategien, nach denen man Vorgehen müsste, und für die notwendigen nationalen und internationalen Maßnahmen wird das Wohl der Menschen und der Völker das vorrangige Ziel sein müssen, damit alle Völker insgesamt „umfassender an den Früchten der Zivilisation teilnehmen“ (Populorum progressio, Nr. 1) können. Dank einer gerechten Aufteilung der von der internationalen Gemeinschaft bewilligten Gelder und der Darlehen zu niedrigem Zinsfuß ist es wichtig, die auf uneigennützige Solidarität gegründeten Initiativen zu fördern, die imstande sind, gezielte Aktionen korrekt zu unterhalten, die geeignetsten Technologien konkret anzuwenden sowie zu untersuchen, was den Bedürfnissen der örtlichen Bevölkerung entspricht, und so zu vermeiden, dass ausschließlich die großen Gesellschaften und die am meisten fortgeschrittenen Länder Nutzen aus den Wohltaten des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts ziehen. Ich lade also die wissenschaftliche Gemeinschaft ein, ihre Untersuchungen fortzusetzen, die dazu dienen sollen, die Ursachen der mit der Natur und dem Menschen verbundenen Ungleichgewichte besser in Erscheinung treten zu lassen, um ihnen vorzubeugen und Lösungen zur Änderung untragbar werdenden Situationen vorzuschlagen. Diese Initiativen müssen in einer Weltanschauung begründet sein, deren Mittelpunkt der Mensch ist und die diese Verschiedenartigkeit der Geschichts- und Umweltbedingungen zu schätzen weiß und auf die Dauer eine Entwicklung zulässt, die imstande ist, den Bedürfnissen der ganzen Weltbevölkerung zu entsprechen. Es handelt sich vor allem darum, bei der Nutzung der natürlichen Ressourcen immer eine langfristige Perspektive zu haben, um zu vermeiden, dass die jetzt zur Verfügung stehenden Hilfsmittel durch unvernünftige und übermäßige Inanspruchnahme erschöpft werden. 7. Die einzelnen Menschen haben manchmal den Eindruck, dass ihre Einzelentscheidungen, nach dem Maßstab eines Landes oder gar des Planeten oder des Kosmos bemessen, ohne Wirkung bleiben, und das bringt bei ihnen die Gefahr einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber dem unverantwortlichen Verhalten mancher Menschen mit sich. Doch wir müssen uns daran erinnern, dass der Schöpfer dem Menschen seinen Platz in der Schöpfung angewiesen und ihm geboten hat, sie dank seines Geistes und seiner Vernunft im Hinblick auf das Wohl aller zu verwalten. Von daher dürfen wir sicher sein, dass die geringste gute Tat eines Menschen eine geheimnisvolle Auswirkung auf die soziale Umgestaltung und Anteil am Wachstum aller hat. Jeder Mensch ist berufen, sich unaufhörlich dem Schöpfer zuzuwenden. Auf Gmnd des Bundes mit ihm ist jeder zu gründlicher persönlicher Bekehrung in seinem Verhältnis zu den anderen und zur Natur aufgefordert. Das wird zu einer kollektiven Bekehrung und einem harmonischen Leben mit der Schöpfung führen. Selbst bescheidene prophetische Gesten sind für sehr viele eine Gelegenheit, sich Fragen zu stellen und sich auf neue Wege einzulassen. Auf Grund dieser Tatsache ist es notwendig, allen, insbesondere den Jugendlichen, die ein besseres soziales Leben innerhalb der Schöpfung erstreben, eine Erziehung zu den menschlichen 623 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und moralischen Werten zuteil werden zu lassen. Ebenso ist es erforderlich, ihren staatsbürgerlichen Gemeinschaftssinn und ihre Aufmerksamkeit anderen gegenüber zu entwickeln, damit alle sich bewusst werden, was der Einsatz ihres täglichen Verhaltens für die Zukunft ihres Landes und der Erde bedeutet. 8. Zum Abschluss unserer Begegnung bitte ich den Herrn, Sie mit den geistigen Kräften zu erfüllen, deren Sie bedürfen, um ihre Aufgabe im Geist des Dienstes an der Menschheit und im Hinblick auf eine bessere Zukunft auf unserem Planeten fortzusetzen. Allen erteile ich von ganzem Herzen den Apostolischen Segen, ausgeweitet auf alle Ihre Lieben. Position beziehen - Verantwortung von Produzenten und Rezipienten Ansprache an eine Pilgergruppe anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Liboriusblattes am 12. März Liebe Schwestern und Brüder! 1. Ich freue mich, euch im Apostolischen Palast zu empfangen. Sowohl Verantwortliche der Redaktion als auch zahlreiche Leser sind gemeinsam nach Rom gepilgert, um das hundertjährige Bestehen des Liboriusblattes zu begehen. Wenn ich euch vor mir versammelt sehe, fühle ich mich an eine große Familie erinnert. Dieser Vergleich erscheint mir heute besonders treffend, da sich euer Blatt ausdrücklich als Familienzeitschrift versteht. Das betrifft nicht nur die Themen, die dort behandelt werden. Es gilt für Eure Zeitschrift insgesamt: Ob Schreiber oder Leser, ob Produzent oder Konsument - zusammen bildet ihr gleichsam die Familie des Liboriusblattes. Gern nütze ich die Gelegenheit, euch zu Eurer hundertjährigen Familientradition von Herzen zu beglückwünschen. In nicht immer leichter Zeit ist es euch gelungen, das katholische Profil Eurer Zeitschrift zu wahren und zu schärfen. So habt ihr in Deutschland einen wichtigen Platz in der Presselandschaft des 20. Jahrhunderts besetzt. 2. Der dankbare Blick in die Vergangenheit, der ein Familientreffen bestimmt, soll die Perspektive in die Zukunft nicht verstellen. Den Horizont unserer Zeit prägen technische Vernetzung und Globalisierung. In Sekundenschnelle eilen die neuesten Nachrichten um den ganzen Erdball. Informationen, die vor kurzem nur begrenzte Räume erfassten, breiten sich als Lauffeuer über Kontinente hin aus. Leider ist der Preis der Quantität nicht selten eine Einbuße an Qualität. „Öffentliche Meinungen“ werden oft mehr durch Aufmachung und Sensation als vom Inhalt der Nachricht geprägt. Manchmal scheint es, als würde der Wahrheitsgehalt einer Meldung ihrem Marktwert als Ware geopfert. Daran sind nicht nur die Produzenten und Anbieter der Informationen schuld. Eine besondere Verantwortung tragen auch die Leser, Zuschauer und Zuhörer, die sich 624 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in freier und persönlicher Entscheidung der Medien bedienten. Das zu wählen, was wirklich wissenswert und wertvoll ist, fällt schwerer denn je. Als Leser des Liboriusblattes habt ihr eine gute Wahl getroffen. Eure Treue ist eine Verpflichtung für alle, denen die Herausgabe der Zeitung obliegt. Was die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils dazu beschlossen haben, hat von seiner Dringlichkeit nichts eingebüßt: „Um die Leser ganz mit christlichem Geist zu erfüllen, soll auch eine katholische Presse ... gefördert werden, die diesen Namen wirklich verdient“ {Inter mirifica, Nr. 14). 3. Liebe Schwestern und Brüder! Das Liboriusblatt verdient diesen Namen zu Recht. Dafür spreche ich meine Anerkennung aus. Gott begleite eure Zeitung auch über die Schwelle ins dritte Jahrtausend. Der bunte Blätterwald vielfältiger Meinungen ruft förmlich nach einer katholischen Stimme. Möge sie auch weiterhin im Liboriusblatt zu lesen sein! Mit diesem Wunsch spende ich euch gern den Apostolischen Segen. Im Bußsakrament Vergebung und Versöhnung erlangen Ansprache bei der Sonderaudienz für die Apostolische Pönitentiarie am 13. März 1. Herr Kardinal-Pönitentiar, sehr geehrte Prälaten und Offiziale der Apostolischen Pönitentiarie und Pönitentiare der Patriarchalbasiliken Roms, liebe Jungpriester und Priesteramtskandidaten, die ihr den Kurs über das „forum intemum“ (innerer Bereich; vgl. CIC cann. 64 u. 1082) besucht habt, der auch dieses Jahr von der Apostolischen Pönitentiarie organisiert worden ist: Ich empfange euch sehr herzlich zu dieser traditionsreichen Audienz, die mir besonders teuer ist. Mein Dank gilt Kardinal William Wakefield Baum für die Empfindungen, die er in seiner Grußansprache an mich zum Ausdruck gebracht hat, und ich möchte auf die hohe Bedeutung dieser Begegnung hinweisen, denn sie bestätigt - gewissermaßen „fassbar“ - die Verbindung zwischen dem Versöhnungsauftrag des Priesters als desjenigen, der das Bußsakrament spendet, und dem Stuhl Petri. Hat Christus die Befugnis, die Pflicht, die Verantwortung und zugleich das Charisma, die Seelen von der Macht des Bösen, das heißt der Sünde und des Teufels, zu befreien, denn nicht dem Petrus und seinen Nachfolgern - den Brüdern im Bischofsamt und ihren Mitarbeitern, den Priestern - in universaler Weise übertragen? In dieser Vorbereitungszeit auf das Osterfest der Erlösung und auf das Jubiläumsjahr kommt diesem Treffen auch ein Symbolwert zu als gelebte Gemeinschaft in der täglichen Mühe im Dienste der Menschen und ihrer ewigen Rettung. In Anbetracht dieser universalen Bedeutung sehe ich - wenn ich zu euch spreche, die ihr hier im Hause des Papstes versammelt seid - vor meinem geistigen Auge alle Priester der heiligen katholischen Kirche, wo immer sie auch leben und arbeiten, und an alle richte ich meine Botschaft mit großer Herzlichkeit. 625 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Trotz der abwechslungsreichen und harmonischen Vielfalt seiner Inhalte und Zielsetzungen kreist das Jubeljahr vor allem um die Bekehrung des Herzens, die metanoia. Mit diesem Thema beginnt die öffentliche Predigttätigkeit Jesu im Evangelium (vgl. Mk 1,15). Schon im Alten Testament werden denjenigen, die sich bekehren, Rettung und Leben versprochen: „Habe ich etwa Gefallen am Tod des Schuldigen - Spruch Gottes, des Herrn - und nicht vielmehr daran, daß er seine bösen Wege verläßt und so am Leben bleibt?“ (Ez 18,23). Das bevorstehende Große Jubeljahr feiert die Vollendung des zweiten Jahrtausends seit der Geburt Jesu, der in der Stunde seiner ungerechten Verurteilung zu Pilatus sagte: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege“ (Joh 18,37). Und die von Jesus bescheinigte Wahrheit besteht darin, dass Er gekommen ist, um die Welt zu retten, denn sonst wäre sie verloren gewesen: „Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist“ (.Lk 19,10). Der Herr wollte, dass in der Ökonomie des Neuen Testaments die Kirche universale sacramentum salutis sei. Das II. Vatikanische Konzil lehrt: „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott“ (Lumen Gentium, Nr. 1). Es ist nämlich der Wille Gottes, dass die Vergebung der Sünden und die Rückkehr zur Freundschaft mit Gott vom Werk der Kirche vermittelt werden. „Was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ {Mt 16,19), hat Jesus feierlich zu Simon Petrus und in ihm zu allen Päpsten, seinen Nachfolgern, gesagt. Denselben Auftrag hat Er dann auch den Aposteln und in ihnen den Bischöfen, ihren Nachfolgern, gegeben: „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein“ {Mt 18,18). Gleich am Abend des Auferstehungstages wird Jesus dieser Vollmacht durch die Ausgießung des Heiligen Geistes Wirkung verleihen: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ {Joh 20,23). Kraft dieses Mandats können die Apostel und ihre Nachfolger in priesterlicher Liebe von jenem Augenblick an in Demut und Wahrheit sagen: Ich spreche dich los von deinen Sünden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Heilige Jahr - wie es auch sein soll - ein einzigartig wirkungsvolles Kapitel der Heilsgeschichte sein wird. Sie findet ihren Höhepunkt und ihren letzten Sinn in Jesus Christus, denn in Ihm empfangen wir alle „Gnade über Gnade“ {Joh 1,16), und „so wurde es uns gewährt, mit dem Vater versöhnt zu werden“ (Bulle Incarnationis mysterium, Nr. 1). Deshalb vertraue ich darauf und bete darum, dass dank des großherzigen Dienstes der Beichtväter das Jubeljahr allen Gläubigen Gelegenheit gebe zu einem frommen, übernatürlich frohen und aufrichtigen Empfang des Sakramentes der Versöhnung. 3. Sicherlich kennt ihr die detaillierte Analyse des Katechismus der Katholischen Kirche zu diesem höchst wichtigen Thema. Bei diesem Treffen möchte ich jedoch 626 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einige wirklich wesentliche Punkte herausgreifen, die ihr gewiss auch den Gläubigen, die eurer pastoralen Fürsorge anvertraut sind, darlegen werdet. - Durch unseren Herrn Jesus Christus eingesetzt, wie es aus der oben angeführten Stelle des Johannesevangeliums klar hervorgeht, ist die sakramentale Beichte notwendig, um von den nach der Taufe begangenen Todsünden Vergebung zu erlangen. Wenn aber ein Sünder, von der Gnade des Heiligen Geistes berührt, auf Grund übernatürlicher Liebe Schmerz über seine Sünden empfindet, weil sie eine Beleidigung Gottes, des höchsten Gutes, sind, dann wird ihm die Vergebung der Sünden - auch der Todsünden - sofort zuteil. Die Voraussetzung dazu ist, dass er sich vomimmt, diese Sünden sakramental zu beichten, sobald er innerhalb einer angemessenen Zeitspanne die Möglichkeit dazu hat. - Denselben Vorsatz muss ein Büßer fassen, der sich schwerer Sünden schuldig gemacht hat und nur eine Generalabsolution empfängt ohne individuelle Beichte seiner Sünden beim Beichtvater. Dieser Vorsatz ist so notwendig, dass ohne ihn die Absolution ungültig ist, wie in can. 962 § 1 des Codex des kanonischen Rechtes und in can. 721 § 1 des Codex für die Orientalischen Kirchen vorgesehen. - Die lässlichen Sünden können auch außerhalb der sakramentalen Beichte vergeben werden; es ist aber sicherlich höchst nützlich, auch diese Sünden im Sakrament zu beichten. Unter den gebührenden Voraussetzungen erhält man dadurch nämlich nicht nur die Vergebung der Sünden, sondern auch die spezielle Hilfe der sakramentalen Gnade zur künftigen Vermeidung solcher Sünden. Es ist an dieser Stelle angezeigt, das Recht der Gläubigen auf die sakramentale Beichte und Absolution auch nur lässlicher Sünden zu bestätigen. Diesem Recht entspricht die Pflicht für den Beichtvater. Wir dürfen nicht vergessen, dass die so genannte „Devotionsbeichte“ die Schule gewesen ist, die die großen Heiligen geprägt hat. - Wenn man sich einer Todsünde bewusst ist, ist die vorherige sakramentale Beichte nötig, um rechtmäßig und fruchtbringend die Euchariste zu empfangen. Zwar ist die Eucharistie die Quelle jeder Gnade, da sie ja die Vergegenwärtigung des rettenden Opfers von Kalvaria ist; als sakramentale Wirklichkeit jedoch ist sie nicht direkt auf die Vergebung der Todsünden ausgerichtet: Das hat das Konzil von Trient eindeutig und unmissverständlich festgelegt (13. Sitzung, Kap. 7 und entspr. Kanon, DS 1647 und 1655). Dadurch wurde gewissermaßen dem Wort Gottes selbst eine disziplinarische und rechtliche Gestalt gegeben: „Wer also unwürdig von dem Brot ißt und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn. Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer davon ißt und trinkt, ohne zu bedenken, daß es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er ißt und trinkt“ (1 Kor 11,27-29). 4. Das Jubeljahr soll also - dank dem Bußsakrament - auf ganz besondere Weise das Jahr der großen Vergebung und der vollen Versöhnung sein. Gott aber, dem wir für die Versöhnung dankbar sind oder mit dem wir uns zu versöhnen hoffen, ist unser Vater: mein Vater, Vater aller Gläubigen, Vater aller Menschen. Daher erfordert und beinhaltet die Versöhnung mit Gott auch die Versöhnung mit den Brü- 627 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem, denn ohne die letztere wird uns die Vergebung Gottes nicht zuteil. Das hat uns Jesus in dem vollkommenen Gebet des Vaterunser gelehrt: „Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigem.“ Das Bußsakrament setzt eine großzügige, edle und tatkräftige Bruderliebe voraus und muss sie auch nähren. Auf dieser Linie, zu höchster Vollkommenheit erhoben, lädt das Jubeljahr zu einer starken Solidarität ein in „einem wunderbaren Austausch geistlicher Güter, kraft dessen die Heiligkeit des einen den anderen zugute kommt, und zwar mehr als die Sünde des einen den anderen schaden kann. Es gibt Menschen, die geradezu ein Übermaß an Liebe, an ertragenem Leid, an Reinheit und Wahrheit zurücklassen, das die anderen einbezieht und aufrichtet. Es ist die Wirklichkeit der ,Stellvertreterschaft4, auf die sich das ganze Geheimnis Christi gründet“ (Incarna-tionis mysterium, Nr. 10). Durch das Bußsakrament versöhnt und dadurch Christus, dem Herrn und Erlöser, ähnlich gemacht, müssen wir uns „in sein heilbringendes Wirken und insbesondere in sein Leiden einbeziehen. Das besagt die bekannte Stelle aus dem Kolosserbrief. ,Für den Leib Christ, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt1 (1,24)“ (vgl. ebd.). 5. Wenn die von der Sünde verursachten Spaltungen überwunden sind, festigt sich im Bußsakrament die Einheit der Kirche die im Jubeljahr einen ganz erhabenen Ausdruck findet: Auch hier erkennen wir also die wesenseigene Verbindung zwischen dem Jubeljahr und dem Sakrament der Vergebung. Zur sakramentalen Vergebung der Sünde bieten die Barmherzigkeit Gottes und die Vermittlung der Kirche noch ein wertvolles zusätzliches Geschenk an: den Erlass auch der zeitlichen Strafe für die Sünde durch den Ablass. Das schrieb ich in Bezug auf das Jubiläumsjahr in der Verkündigungsbulle: „Die eingetretene Versöhnung mit Gott schließt nämlich nicht aus, daß gewisse Folgen der Sünde zurückgeblieben sind, von denen man geläutert werden muß. Gerade in diesem Bereich gewinnt der Ablaß, durch den das ,Vollgeschenk des göttlichen Erbarmens' zum Ausdruck gebracht wird, an Bedeutung“ (Incamationis mysterium, Nr. 9). Jesus wurde geboren, ja schon im Mutterschoß empfangen, als Priester und Opfer, wie der Heilige Geist uns im Hebräerbrief lehrt (vgl. 10,5-7). Darin sind die Worte des Psalms ausdrücklich auf Jesus angewandt: „An Schlacht- und Speiseopfem hast du kein Gefallen, Brand- und Sühnopfer forderst du nicht. Doch das Gehör hast du mir eingepflanzt; darum sage ich: Ja, ich komme. In dieser Schriftrolle steht, was an mir geschehen ist. Deinen Willen zu tun, mein Gott, macht mir Freude, deine Weisung trag' ich im Herzen“ (Ps 40,7-9). Das Jubeljahr 2000 erinnert unseren Glauben, unsere Hoffnung und unsere Liebe daran, dass das Heil aus der Geburt des ewigen Priesters hervorgeht, der sich aus freiem Willen als Opfer hingab. Die sei. Jungfrau Maria, die dem Wort Gottes die Menschheit des Priesters und Opferlamms geschenkt hat, erlange uns — so gering und arm wir auch sind -, in persönlicher Heiligkeit und in der Ausübung unseres Amtes der Vergebung seine Heilssendung zu leben. So dürfen wir als Werkzeuge Gottes den Sündern die Gnade, die Freude des Herzens und das hochzeitliche Gewand, das den Eintritt ins ewige Leben ermöglicht, zurückgeben. 628 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN All das, worauf ich in diesem Treffen mit euch hingewiesen habe, ist in der kurzen, wunderbaren sakramentalen Absolutionsformel ausgesprochen: „Gott, der barmherzige Vater, hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenke er dir Verzeihung und Frieden.“ Der Apostolische Segen, den ich euch gerne erteile, sei ein wirksames Vorzeichen dieses Friedens sowohl für euch als auch für all jene, die der Herr eurem Amt anvertraut hat oder anvertrauen wird. Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1999 vom 14. März ,^ibba, Vater!“ Liebe Brüder im Priesteramt, meine Begegnung mit euch am Gründonnerstag in diesem dem Großen Jubiläumsjahr 2000 unmittelbar voraufgehenden Jahr steht unter dem Zeichen dieser Anrufung, in der nach Meinung der Exegeten die ipsis-sima vox Iesu, die ureigene Stimme Jesu durchklingt. Diese Anrede birgt das unergründliche Geheimnis des Mensch gewordenen Wortes, das vom Vater in die Welt gesandt wurde zum Heil der Menschheit. Die Sendung des Sohnes Gottes gelangte zur Vollendung, als er durch seine Selbsthingabe unsere Annahme an Kindes Statt verwirklichte und durch das Geschenk des Heiligen Geistes jedem Menschen die Möglichkeit eröffnete, an der Gemeinschaft mit dem dreifältigen Gott teilzuhaben. Im Ostergeheimnis hat sich Gott der Vater durch den Sohn im Heiligen Geist der Armseligkeit jedes einzelnen Menschen angenommen, indem er ihm die Erlösung von der Sünde und die Befreiung vom Tod ermöglicht hat. 1. Bei der Feier der Eucharistie beenden wir das Tagesgebet mit den Worten: „Durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit“. Jesus Christus lebt und herrscht mit dir, Vater! Diese Schlussformel führt sozusagen von unten nach oben: durch Christus im Heiligen Geist zum Vater. Das ist auch die theologische Vorlage, die dem Programm für das Triennium 1997-1999 zugrunde liegt: zuerst das Jahr des Sohnes, dann das Jahr des Heiligen Geistes und jetzt das Jahr des Vaters. Diese aufsteigende Bewegung geht sozusagen von der absteigenden aus, die vom Apostel Paulus im Brief an die Galater beschrieben ist, einem Abschnitt, über den wir in der Liturgie von Weihnachten besonders intensiv nachgedacht haben: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“ {Gal 4,4-5). Hier finden wir die Bewegung nach unten ausgedrückt: Gott der Vater sandte seinen Sohn, um uns in ihm an Kindes Statt anzunehmen. Im Paschamysterium erfüllte Jesus den Plan des Vaters, indem er sein Leben für uns hingab. Der Vater 629 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sandte dann den Geist des Sohnes, um uns über dieses außerordentliche Privileg aufzuklären: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater. Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott“ (Gal 4,6-7). Ist das, was der Apostel schreibt, nicht einzigartig? Er bekräftigt, dass es der Geist ist, der ruft: Abba, Vater! Deijenige, der in der Geschichte von der Vaterschaft Gottes Zeugnis ablegte, war in Wirklichkeit der Sohn Gottes im Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung. Er hat uns gelehrt, Gott in unserem Gebet als „Vater“ anzurufen. Er selbst rief zu ihm: „Mein Vater“, und lehrte uns die liebevolle Bitte: „Vater unser“. Der Apostel Paulus sagt uns aber, dass das, was der Sohn gelehrt hat, gewissermaßen im Herzen dessen, der ihn durch die innere Unterweisung des Heiligen Geistes hört, konkrete Gestalt annehmen soll. Denn nur durch sein Wirken werden wir fähig, Gott in Wahrheit anzubeten und ihn „Abba, Vater“ zu nennen. 2. Liebe Brüder im Priesteramt, ich schreibe euch diese Zeilen im Hinblick auf den Gründonnerstag, an dem ich euch bei der Chrisammesse um eure Bischöfe versammelt sehe. Ich wünsche mir von Herzen, dass ihr euch gemeinsam mit einen Mitbrüdem des Presbyteriums in Einheit mit der ganzen Kirche fühlt, die das Jahr Gottes des Vaters begeht, ein Jahr, das das Ende des 20. Jahrhunderts und des 2. christlichen Jahrtausends ankündigt. Müssen wir Gott nicht danken, wenn wir Rückschau halten und dabei an die Scharen der Priester denken, die in dieser langen Zeitspanne ihr Dasein dem Dienst am Evangelium gewidmet haben und dabei mitunter bis zur Hingabe ihres Lebens gegangen sind? Während wir im Geiste des kommenden Jubiläums die Grenzen und Unterlassungen der vergangenen christlichen Generationen und ihrer Priester bekennen, anerkennen wir mit Freude, dass ein beträchtlicher Teil des unschätzbaren Dienstes, den die Kirche als Wegbegleiterin der Menschheit leistet, dem demütigen und treuen Wirken so vieler Diener Jesu Christi zu verdanken ist. Diese haben sich im Lauf des letzten Jahrtausends mit Hochherzigkeit als Baumeister einer Zivilisation der Liebe eingesetzt. Was sind das für Zeiträume! Wenn man es recht bedenkt, dann kehrt die Zeit, obwohl sie sich vom Anfang immer weiter entfernt, zugleich immer wieder zum Anfang zurück. Darin liegt das Wesentliche: Denn würde die Zeit sich immer nur weiter vom Anfang entfernen, ohne eine klare Zielsetzung zu haben, d. h. gerade die Wiedererlangung des Anfangs, dann wäre unser ganzes Dasein in der Zeit ohne endgültige Ausrichtung. Es wäre sinnlos. Christus, „das Alpha und das Omega ... der ist und der war und der kommt“ (Ofjb 1,8), hat dem Gang des Menschen durch die Zeit Ausrichtung und Sinn verliehen. Er hat von sich selbst gesagt: „Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater“ (Joh 16,28). Und so ist unser Durchgang“ vom Christusereignis durchwoben. Unser Weg ist ein Durchgang“ mit Ihm\ dabei gehen wir in dieselbe Richtung, die Er gegangen ist: zum Vater. 630 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das wird während des Heiligen Triduums noch deutlicher, in den heiligen Tagen, in denen wir durch das Geheimnis seines Leidens, Sterbens und seiner Auferstehung an der Rückkehr Christi zum Vater teilhaben. Denn der Glaube versichert uns, dass dieser Durchgang Christi zum Vater hin, das heißt sein Ostern, kein Ereignis ist, das nur Ihn betrifft. Auch wir sind gerufen, daran teilzuhaben. Sein Ostern ist unser Ostern. So gehen wir mit Christus zum Vater. Wir tun es durch das Paschamysterium, wenn wir die Stunde seines Leidens neu erleben, in der er am Kreuz sterbend ausrief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34), und dann fugte er hinzu: „Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30), „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Diese Worte aus dem Evangelium sind jedem Christen und besonders jedem Priester vertraut. Sie geben Zeugnis von unserem Leben und unserem Sterben. Am Ende eines jeden Tages wiederholen wir im Stundengebet: „In manns tuas, Domine, commendo spiritum menm“. Damit wollen wir uns auf das große Geheimnis des Durchgangs vorbereiten: das existentielle Ostern, wenn Christus durch seinen Tod und seine Auferstehung uns empfangen wird, um uns dem himmlischen Vater zu übergeben. 3. „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand keimt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11,25-27). Ja, nur der Sohn kennt den Vater. Er, der „am Herzen des Vaters ruht“, schreibt Johannes in seinem Evangelium (1,18), er hat uns Kunde von ihm gebracht, sein Antlitz gezeigt und sein Herz enthüllt. Auf die Bitte des Apostels Philippus beim letzten Abendmahl: „Zeig uns den Vater“ (Joh 14,8), antwortete Christus: „Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus? ... Glaubst du nicht, daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist?“ (Joh 14,9-10). Mit diesen Worten bezeugte Jesus das dreifältige Geheimnis seines ewigen Gezeugtseins als Sohn vom Vater, das Geheimnis, das den tiefsten Wesenskem seiner göttlichen Person bildet. Das Evangelium ist eine fortschreitende Offenbarung des Vaters. Als Josef und Maria den zwölfjährigen Jesus im Tempel mitten unter den Lehrern finden und die Mutter sagt: „Kind, wie konntest du uns das antun?“ (Lk 2,48), antwortet er unter Hinweis auf den Vater: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49). Kaum zwölf Jahre alt, hat er schon die Bedeutung des eigenen Lebens, den Sinn seiner Sendung erkannt, die von der ersten bis zur letzten Stunde „dem, was dem Vater gehört“, gelten muss. Sie erreicht ihren Höhepunkt auf Golgota durch den Opfertod am Kreuz, den Christus im Geist des Gehorsams und kindlicher Hingabe annimmt: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst ... (es) geschehe dein Wille“ (Mt 26,39.42). Der Vater nimmt das Opfer des Sohnes an, denn er hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat (vgl. Joh 3,16). Ja, nur der Sohn kennt den Vater, und deshalb kann nur Er ihn offenbaren. 631 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. ,JPer ipsum, et cum ipso, et in ipso „Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit“. An diesem besonderen Tag geistig vereint und sichtbar in den Bischofskirchen versammelt, danken wir Gott für das Geschenk des Priestertums. Wir danken für das Geschenk der Eucharistie, die wir als Priester feiern. Der Lobpreis zum Abschluss des Kanons ist für jede Eucharistiefeier von grundlegender Bedeutung. Sie verdeutlicht in gewissem Sinn die Krönung des Mysterium fidei, den Höhepunkt des eucharistischen Opfers, das heißt den Augenblick, in dem wir durch die Kraft des Heiligen Geistes die Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi vornehmen, wie Er selbst es zum ersten Mal im Abendmahlssaal getan hat. Gerade in dem Augenblick, in dem das Eucharistische Hochgebet den Höhepunkt erreicht, richtet die Kirche in der Person des geweihten Amtsträgers an den Vater die folgenden Worte: „Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit“. Sacrificium laudisl 5. Nachdem die Versammlung feierlich mit „Amen“ geantwortet hat, stimmt der Zelebrant das Gebet des Herrn, das „Vaterunser“, an. Die Abfolge dieser Elemente ist sehr wichtig. Das Evangelium berichtet von den Aposteln, die über das andächtige Zwiegespräch mit dem Vater so erstaunt waren, dass sie ihn baten: „Herr, lehre uns beten“ (LA: 11,1). Daraufhin sprach er zum ersten Mal die Worte, die später das wichtigste und häufigste Gebet der Kirche und aller Christen werden sollten: das „Vaterunser“. Wenn wir im Verlauf der Eucharistiefeier als liturgische Versammlung die gleichen Worte sprechen, erhalten sie eine ganz besondere Ausdruckskraft. Es ist so, als würden wir in diesem Moment bekennen, dass Christus uns sein an den Vater gerichtetes Gebet endgültig und in seiner ganzen Fülle gelehrt hat, als er es durch sein Kreuzesopfer einlöste. Im Eucharistischen Hochgebet kommt der volle Gehalt des von der Kirche gesprochenen „Vaterunser“ zum Ausdruck. Jede der darin enthaltenen Bitten erhält einen besonderen Glanz der Wahrheit. Am Kreuz wird der Name des Vaters in höchstem Maß geheiligt, und das Kommen seines Reiches ist unwiderruflich; im „consum-matum est“ geschieht sein Wille endgültig. Und findet die Bitte „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir sie vergeben ...“ nicht ihre volle Bestätigung in den Worten des Gekreuzigten: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34)? Die Bitte um das tägliche Brot erhält bei der eucharistischen Kommunion ihre besondere Eindringlichkeit, wenn wir unter den Gestalten des „gebrochenen Brotes“ den Leib Christi empfangen. Und erreicht die Bitte „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“ nicht ihre höchste Wirksamkeit in dem Augenblick, wenn die Kirche dem Vater den höchsten Preis der Erlösung und Befreiung vom Bösen darbringt? 6. In der Eucharistie verbindet sich der Priester persönlich mit dem unerschöpflichen Geheimnis Christi und seiner Bitte an den Vater. Er darf täglich in dieses Geheimnis der Erlösung und Gnade eintauchen, wenn er die heilige Messe feiert, die auch ihren Sinn und Wert behält, wenn sie aus guten Gründen ohne die Teilnahme 632 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Volkes, aber immer für das Volk und für die ganze Welt dargebracht wird. Gerade wegen seiner unlöslichen Bindung an das Priestertum Christi ist der Priester Lehrer des Gebetes, und die Gläubigen können zurecht an ihn dieselbe Bitte richten, mit der sich die Jünger einmal an Jesus gewandt hatten: „Lehre uns beten“. Die Eucharistiefeier ist für die Gemeinde die Schule des christlichen Gebets schlechthin. Von der Messe leiten sich vielfältige Wege einer gesunden geistlichen Pädagogik ab. Dazu gehört die Anbetung des allerheiligsten Sakramentes, die eine natürliche Verlängerung der Feier ist. Durch sie können die Gläubigen eine besondere Erfahrung des „Bleibens“ in der Liebe Christi (vgl. Joh 15,9) machen und so immer tiefer in seine Beziehung als Sohn zum Vater eindringen. Gerade in dieser Hinsicht ermutige ich jeden Priester, seine Aufgabe voll Vertrauen und Zuversicht zu erfüllen und die Gemeinde zum wahrhaft christlichen Gebet anzuleiten. Dieser Aufgabe darf er sich nicht entziehen, auch wenn die aus der säkularisierten Mentalität erwachsenen Schwierigkeiten sie ihm manchmal sehr erschweren mögen. Der starke missionarische Auftrieb, den die göttliche Vorsehung der Kirche unserer Zeit vor allem durch das II. Vatikanische Konzil gegeben hat, ruft ganz besonders die geweihten Amtsträger auf den Plan und fordert sie vor allem zur Umkehr auf: sich bekehren, um andere zur Umkehr zu bewegen oder, anders gesagt, die Gotteskindschaft deutlich machen, damit jeder Getaufte die Würde und Freude neu entdeckt, dem himmlischen Vater anzugehören. 7. Am Gründonnerstag erneuern wir, liebe Brüder, das priesterliche Treueversprechen. Damit wollen wir sagen, dass Christus uns wieder durch sein heiliges Priestertum, seine Selbsthingabe und seine Todesangst in Getsemani, durch seinen Opfertod auf Golgota und seine glorreiche Auferstehung umfangen möge. Indem wir in allen diesen Heilsereignissen gleichsam in Christi Fußstapfen treten, entdecken wir seine tiefste Hinwendung zum Vater. Und deshalb findet in jeder Eucharistiefeier die Bitte des Apostels Philippus im Abendmahlssaal sozusagen ihren Widerhall: „Herr, zeige uns den Vater“. Und jedes Mal scheint Christus im Mysterium fidei zu antworten: „Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt? ... Glaubst du nicht, daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist?“ {Joh 14,9-10). An diesem Gründonnerstag, liebe Priester in aller Welt, werden wir uns an die am Weihetag empfangene Salbung mit Chrisam erinnern und voll Dankbarkeit einmütig bekennen: Per ipsum, et cum ipso, et in ipso, est tibi Deo Patri omnipotenti, in unitate Spiritus Sancti, omnis honor et gloria per omnia saecula saeculorum. Amen. Aus dem Vatikan, am 14. März, dem vierten Fastensonntag des Jahres 1999, dem 21. Jahr des Pontifikates. Joannes Paulus PP. II 633 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heute Christus verkünden mit dem Charisma von Pater Franziskus Jordan Ansprache an die Generalkurie der Salvatorianer am 19. März Es ist mir eine große Freude, heute mit euch, den Mitgliedern der Gesellschaft des Göttlichen Heilandes, zusammen zu sein, und ich danke Pater Hoffman für seinen freundlichen Willkommensgruß. Ich grüße euch alle in der Liebe des Erlösers: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Röm 1,7). Heute machen wir eine kurze Pause auf unserem Weg der Fastenzeit und feiern das Fest des hl. Josef, des Gatten der sei. Jungfrau Maria und Patrons der ganzen Kirche. Die Betrachtung von Josefs Haltung, des liebevollen Schutzes und der Fürsorge gegenüber Maria und dem Jesuskind liefert eine Art Rahmen für meinen Besuch bei euch an diesem Nachmittag. Ähnliche Empfindungen fanden sich nämlich bei eurem Gründer, Pater Franziskus Maria vom Kreuz Jordan, an dessen Grab ich gerade gebetet habe, denn er war voller Ergebenheit gegenüber der Mutter unseres Herrn und voller Eifer für Christus und seine Kirche. Dieser Eifer und diese Ergebenheit führten Pater Jordan dazu, bei seiner Rückkehr nach Rom aus dem Heiligen Land zusammen mit zwei weiteren Priestern seine Gelübde abzulegen und den Namen Franziskus Maria vom Kreuz anzunehmen. So entstand die Gesellschaft des Göttlichen Heilandes; sie ist seitdem gewachsen und hat das gnadenreiche Werk seines Apostolats in alle Erdteile gebracht. Es fällt nun euch zu, liebe Brüder und Schwestern, das Werk Pater Jordans, nämlich Christus als Heiland der Welt bekannt zu machen, weiterzuführen. Ja, auf der Schwelle zum dritten christlichen Jahrtausend haben die heutigen Männer und Frauen mehr denn je das Bedürfnis nach diesem Wissen und dieser Wahrheit, die sie befreien wird (vgl. Joh 8,32). „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ {Joh 17,3). Durch das Zeugnis eures Engagements und durch das Beispiel eurer unermesslichen Großherzigkeit und Liebe - wie sie schon vom hl. Josef und von eurem Gründer gezeigt wurden - wird die Welt immer mehr von ihrer Unteijochung durch Sünde und Tod befreit, wird das Evangelium mit größerem Enthusiasmus und größerer Kraft verkündet, wird der Glauben zunehmen und wird die Kirche selbst in Heiligkeit und Gnade wachsen. Diese Ergebnisse sind einem sicher, wenn man sein Leben dafür einsetzt, dass andere den Glauben und die Hoffnung haben. Daher rufe ich auf alle Salvatorianer den Schutz des hl. Josef herab; dies ist am heutigen Tag, der dem Gedenken an den Nährvater unseres Herrn gewidmet ist besonders angezeigt. Durch seine machtvolle Fürsprache bete ich dafür, dass ihr auch in Zukunft ein beredtes und treues Zeugnis für das Charisma von Pater Franziskus Maria vom Kreuz ablegt; dass ihr von einer starken Liebe zu Christus und seiner Kirche und von großer Hingabe an seine selige Mutter erfüllt seid; und dass euer Leben des selbstlosen Dienens - vor allem unter den Jugendlichen und in den 634 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Missionen - auch andere dazu anrege, immer vollkommener am Glauben festzuhalten, damit sie „das Wort Gottes hören und es befolgen“ (Lk 11,28; vgl. Mt 1,24). Der überreiche Segen des allmächtigen Gottes sei allezeit mit euch! Arbeit ist eine Form der Verkündigung Ansprache bei der Sonderaudienz für die Vertreter der Arbeitswelt am Hochfest des hl. Josef, 19. März Liebe Vertreter der Arbeitswelt! 1. Es ist mir eine Freude, euch am Hochfest des hl. Josef, des Bräutigams der hl. Jungfrau Maria und Schutzvaters des Erlösers, in einer Sonderaudienz zu empfangen. Er war Arbeiter wie ihr, ein Schreiner. Niemand kann besser als er eure Probleme verstehen. Sein Festtag ist also für dieses Treffen besonders geeignet. Jeden von euch heiße ich willkommen, und auch die Angehörigen, die euch begleiten, begrüße ich herzlich. In Ehrerbietung begrüße ich den Bürgermeister von Rom und die anwesenden Herren Vorsitzenden und Leiter eurer Betriebe. Ich danke dem Vorsitzenden der ACEA [Azienda Comunale Elettricitä e Acqua: Stromversorgung und Wasserwerke] und der Arbeiterin der AMA [Azienda Muni-cipale Ambiente: Straßenreinigung, Müllabfuhr] für die im Namen aller gesprochenen Grußworte und danke der Musikkapelle der ATAC [Azienda Tramvie e Autobus del Comune di Roma: Städtische Verkehrsmittel] für die festlichen Töne, womit sie unser Treffen begleitet haben. Ich danke auch dem Kardinalvikar Camillo Ruini für seine Worte und möchte der Diözese Rom meine aufrichtige Wertschätzung für den Verlauf der Stadtmission in den Lebens- und Arbeitsbereichen aussprechen. Hier denke ich insbesondere auch an eure Kapläne und an ihren wertvollen Dienst. 2. Vier Jahre sind vergangen, seitdem ich auf dem Spanischen Platz vor der Statue der Immaculata darum gebeten habe, Rom möge sich auf das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend mit einer Stadtmission vorbereiten. Eure heutige Anwesenheit hier ist ein bedeutsames Zeugnis für den zurückgelegten Weg. Die Mission im Arbeitsbereich bildet ja den letzten, aber noch nicht abschließenden Abschnitt der verschiedenen Initiativen, die sich im Lauf dieser Jahre entwickelt haben. Fortschreitend ist man vom Besuch bei den Familien übergegangen zur Begegnung mit denen, die im Arbeitsbereich leben und die gleiche tägliche Mühe teilen. Nach dem Beispiel der ersten Gläubigen können auch wir nicht anders als uns verpflichtet fühlen, die „gute Nachricht“ von Jesus Christus zu verkündigen. Mit dem Apostel Paulus müssen wir jeden Tag wiederholen: „Ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16). Die Mission in den verschiedenen sozialen Lebensbereichen ist eine Herausforderung für die Neuevangelisierung, die am besten entsprechenden Formen und die angemessenen Ausdrucksweisen herauszufinden. Jedem von euch ist die Aufgabe anvertraut, festzustellen, in welcher Weise das Evangelium da, wo ihr arbeitet, 635 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verkündet werden kann. Manchmal, besonders in der direkten Begegnung mit den Menschen, ist eine ausdrückliche Verkündigung erforderlich, bei der man sich nie seines Christseins schämt; in anderen Verhältnissen ist vielleicht Schweigen mehr von Nutzen, um der Kraft des Zeugnisses mehr Raum zu geben. Im einen wie im andern Fall darf man jedenfalls nie vergessen, dass die Mission zum Wesentlichen des christlichen Glaubens gehört. 3. Liebe Arbeiter, eure Anwesenheit ist mir aus verschiedenen Gründen äußerst lieb. An erster Stelle, weil eure Arbeit das Leben der Stadt repräsentiert. Ihr bietet ja einen guten Teil jener Dienste an, die für eine Stadt unverzichtbar sind, damit sie sich mit menschlichen Zügen zeigen kann. Licht, Wasser, Transport, Reinigung ... das alles sind kostbare Elemente für die Bürger. Was wäre das Leben Roms, wenn ihr eurer täglichen Arbeit nicht nachkämt? Im Hinblick auf das Jubiläum sodann, wenn der Zustrom der Besucher in der Stadt noch zunimmt, ist eure Arbeit noch wichtiger, denn mit euren Diensten werdet ihr den Pilgern helfen, das Schöne besser zu erfassen, das der schöpferische Menschengeist im Lauf der Jahrhunderte in unserer Stadt vollbracht hat. Auf diese Weise tragt ihr dazu bei, das Bezaubernde, das jeder Stein in ihr ausstrahlt und das aus ihren tausendjährigen Monumenten spricht, sichtbar zu machen. Unter euch hier sind auch zweihundert Arbeiter des Istituto Nazionale Previdenza Sociale [Nationales Sozialversicherungsinstitut]. Auch euch, liebe Brüder und Schwestern, ist es gegeben, eine äußerst nützliche Aufgabe zu erfüllen, um denen eine angemessene Pension zu sichern, die sich viele Jahre ihres Lebens in der Arbeit eingesetzt haben, sowie auch denen, die sich aus verschiedenen Gründen in schwierigen Lagen oder abseits gestellt fanden. Arbeitet mit Großmut und Eifer, damit die Wartezeiten abgekürzt und die sicherlich nicht besonders reichlichen Hilfsmittel, die der Sozialversicherung zur Verfügung stehen, auf die nützlichste Art für die Allgemeinheit verwendet werden. Heute denke ich in besonderer Weise an die, die noch auf der Suche nach der ersten Arbeitsstelle sind. Viele Jugendliche bringt der Mangel an Beschäftigung in besorgniserregende und manchmal tiefenttäuschende Situationen. Sie sehen in der Tat ihren Weg zur Übernahme einer unmittelbaren Verantwortung in der Gesellschaft verbaut und sind oft genötigt, die Gründung einer Familie hinauszuschieben. Wenn diese Lage länger andauert, wird sie gefährlich und imtragbar. Sie bildet in der Tat eine Barriere zwischen den Menschen und der Gesellschaft und schafft ein Misstrauen, das nicht zur Bildung eines staatsbürgerlichen Bewusstseins beiträgt. 4. Das Fest des hl. Josef gibt mir Anlass, euch hier Anwesenden und durch euch allen Arbeitern und Arbeiterinnen der römischen Diözese diese Erwägungen vorzulegen. Sie sind darauf angelegt, den Wert der Arbeit zu unterstreichen und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Die Stadtmission in den verschiedenen Lebensund Arbeitsgebieten hat die Absicht, alle Gläubigen daran zu erinnern, dass die Aufmerksamkeit gegenüber den Schwächsten und Hilflosesten keinen Stillstand kennen darf: Immer und überall sind wir Christen. Wenn die Pfarrei vorzugsweise der Ort ist, das Wachstum im Glauben durch die Teilnahme am sakramentalen 636 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leben und an den verschiedenen Veranstaltungen der Gemeinschaft zu unterstützen, dann ist es der Arbeitsbereich, wo man bezeugt, was man glaubt, vor allem durch die Äußerungen der Liebe. Manchmal ruft die Arbeit infolge des turnusmäßigen Ablaufs oder durch die Bestimmung der Stunden und der Termine Unmut hervor. Es kann auch Vorkommen, dass manche, besessen von der Aussicht auf Beförderung, dazu gelangen, die eigene Beziehung zu ihren Kollegen zu verfälschen. Dann ist es um die Solidarität geschehen, an die Stelle von Aufrichtigkeit und Freundschaft treten Verdacht und Kritik, und als Folge davon schließt man sich in seinen Individualismus ein. Das ist eine irrige, abwegige Haltung. Für euch soll das nicht so sein: Macht am Arbeitsplatz sichtbar, was der zentrale Inhalt des Glaubens ist, den ihr bekennt: nämlich die Liebe Christi, die allen großmütig und ohne Gegenleistungen zu erwarten entgegengeht. Die Missionare haben euch in den vergangenen Wochen zusammen mit dem Kreuz einen Brief von mir überreicht. Darin habe ich versucht, euch nahe zu sein in eurem nicht leichten, aber immer interessanten Abenteuer der Arbeit, deren Ziel es ist, das schöpferische Werk Gottvaters fortzusetzen. Ich bitte euch alle, Zeugen der Hoffnung zu sein: einer Hoffnung, die auf das Morgen zu blicken weiß - ohne sich von den vielfältigen täglichen Sorgen abhängig machen zu lassen - und sich auf die Sicherheit der Gegenwart Gottes stützt. In dieser Hoffnung stark, werden wir die Schwelle des dritten Jahrtausends überschreiten und in uns die tiefe Überzeugung zur Wirkung bringen, dass wir allen, die wir auf unserem Weg treffen, mit all unseren Kräften Christus verkünden müssen, um ihnen zu helfen, den Sinn des Lebens in der persönlichen Begegnung mit dem Herrn Jesus Christus zu finden. In der Erwartung, euch an der Pfmgstvigil wieder zu empfangen, wenn wir gemeinsam dem Vater für das große Geschenk der Stadtmission danken, segne ich euch und eure Familien von Herzen und bitte den Herrn, dass eure Arbeit auf die Fürsprache des hl. Josef und der Jungfrau Maria für alle eine Quelle echter Brüderlichkeit und des Vertrauens auf das Leben sei. Einheit in Verschiedenheit gemeinsam verwirklichen Ansprache bei der Eröffnung der Ausstellung „Rom - Armenien“ am 24. März 1. Es ist mir eine große Freude, an dieser feierlichen Eröffnung der Ausstellung „Rom - Armenien“ teilzunehmen, die von dem traditions- und ruhmreichen Stuhl von Edschmiadzin und der Botschaft von Armenien beim Hl. Stuhl in Zusammenarbeit mit der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek organisiert worden ist. Seiner Exzellenz Herrn Robert Kocharian, dem Präsidenten der Republik Armenien, der uns zu diesem Anlass mit seiner Anwesenheit beehrt, möchte ich meine Empfindungen aufrichtiger Achtung und Wertschätzung aussprechen. In meinem Dank an Sie, Herr Präsident, für Ihre freundlichen Worte bringe ich den Wunsch zum Ausdruck, dass Armenien auf seinem herausfordernden Weg zum verdienten Wohlstand wachsende internationale Solidarität erfahre und sich der Leitung weit- 637 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sichtiger Staatsmänner erfreuen möge, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, damit alle Bürger dazu ermutigt werden, ihren Beitrag zur Entwicklung der Nation zu leisten. Ein besonderer Grund zur Freude bei diesem festlichen und bedeutungsvollen Anlass ist die Anwesenheit Seiner Heiligkeit Karekin I., Katholikos aller Armenier, in Begleitung Seiner Seligkeit Patriarch Torkom, Erzbischof von Jerusalem, und weiterer prominenter Prälaten, Priester und Laien der Apostolischen Kirche von Armenien. Sie haben die Kirche von Rom auf die schönste Weise ehren wollen, die den Christen gewährt ist: nämlich durch das Zeugnis der Liebe und durch den heiligen Kuss der Gemeinschaft. Ihre Heiligkeit, ich weiß diese taktvolle Geste, die ein neues und wichtiges Kapitel in der Geschichte des gemeinsamen Strebens nach voller Einheit unter den Jüngern Christi eröffnet, sehr zu schätzen. Trotz der Schwierigkeiten dieses Weges wollten Sie und die Sie begleitenden, hochangesehenen Gäste erneut zeigen, wie fest Sie an den ökumenischen Auftrag glauben, dem Sie Ihre ganze Tatkraft unermüdlich gewidmet haben. Noch einmal möchte ich Ihnen danken für Ihre wahrhaft historisch bedeutungsvollen Worte anlässlich Ihres Besuchs in Rom im Dezember 1996. Diese Worte wurden im Monat darauf von Seiner Heiligkeit Aram I., Katholikos des großen Hauses Kilikien, wieder aufgegriffen. Seiner Heiligkeit AramL, Katholikos des großen Hauses Kilikien, sende ich einen herzlichen, brüderlichen Gruß und rufe die Fülle des himmlischen Segens auf sein Amt herab. Sie haben Ihr Volk und Ihre Kirche gelehrt, dass Gemeinschaft ein Muss für die Jünger Christi und eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass die Welt an ihr Zeugnis glaubt (vgl. Joh 17,21). Gemeinschaft ist nicht mit Integration und Verlust der eigenen Identität gleichzustellen. Sie ist vielmehr eine gemeinsame Pilgerreise zum einzigen Herrn, wobei das jeweilige Spezifikum erhalten bleibt und man die Stärke und den Reichtum, der sich aus der Universalität ergibt, dazugewinnt. Möge der Vater allen Segens Ihrer Heiligkeit viele Jahre als Leiter der armenischen Kirche gewähren - in Erwartung der neuen Initiativen, welche die Hoffnung derer wecken, die glauben, dass die Kirche Christi eine ist und dass sie „nur eine einzige und geeinte“ sein kann {Ansprache an das Päpstliche Orientinstitut, in: Insegna-menti XVI, 2 [1993], 1458). Einen herzlichen Gruß richte ich an meinen lieben Bruder, Seine Seligkeit Jean Pierre XVIII. Kasparian, Patriarch der armenischen Katholiken, der ebenfalls heute in Begleitung mehrerer Bischöfe seiner Kirche hierher gekommen ist, um mit uns zusammen zu sein. Die volle Gemeinschaft mit dem Sitz Petri macht diese Kirche einerseits zu einem wesentlichen Bestandteil der katholischen Familie, trennt sie aber andererseits nicht von dem wunderbaren Erbe spirituellen Lebens und Kultur, die dem armenischen Volk so große Ehre macht, sondern verpflichtet sie vielmehr zu einem verstärkten Zeugnis zugunsten der Einheit. 2. Das Thema der Ausstellung und diese Zusammenkunft der höchstrangigen kirchlichen und bürgerlichen Persönlichkeiten, die das armenische Volk vertreten, sind kein alltägliches Ereignis. In der Tat besitzt es einen hohen Symbolwert: Es 638 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bezeugt die Offenheit, die Bereitschaft zur Begegnung und die kulturelle Leistung, die die ganze Geschichte des armenischen Volkes geprägt haben. Trotz Widerstand und sogar offener Verfolgung haben sich die Armenier nicht in sich selbst verschlossen, sondern betrachteten es als lebensnotwendig - nicht nur für ihr eigenes Überleben, sondern auch für eine echte Entwicklung -, sich an einem offenen und verständigen Austausch mit anderen Völkern zu beteiligen. Von anderen übernahmen sie bereichernde Elemente und verschmolzen sie im Tiegel ihrer eigenen, unverwechselbaren Einzigartigkeit. Sie haben immer Initiative und Mut bewiesen, allzeit unterstützt von der Kraft des Evangeliums, das ihre Geschichte geprägt und ihrem Leben eine solide Grundlage gegeben hat. Die armenische Diaspora war zwar eine sehr schmerzliche Erfahrung, aber auch ein Zeichen dieser dynamischen Vitalität, die auch in der heutigen Zeit beispielhaft bleibt. Und wenn dieses Festhalten am Evangelium - wie es oft geschehen ist - auch die Hingabe des eigenen Lebens um der Treue zum christlichen Glauben willen nach sich zog, zeigten die Armenier durch ihr Martyrium, welche Wunder der Stärke die Gnade in jenen wirken kann, die sie annehmen. Die Weltkirche kann nur ihre stete und tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck bringen für dieses Opfer, das zuweilen als lebender Schild zum Schutz der westlichen Christenheit diente und sie vor Gefahren bewahrte, die sich als sehr gravierend hätten erweisen können. 3. Die Beziehung zwischen Armenien und Rom ist älter als das Christentum; allerdings wurde das Christentum bald zum Hauptgrund dieser Beziehung. Viele Jahrhunderte lang blieb das Verhältnis von den Missverständnissen und Uneinigkeiten, die zwischen dem Abendland und der griechischen Welt auftraten, verschont und war von aufrichtigem Wohlwollen geprägt. Die Botschaften, die Armenien nach Rom entsandte, wurden als Bestätigung eines reinen und konsequenten Glaubens aufgenommen. Zu zahlreichen Anlässen schickten die Päpste liturgisches Gerät als Geschenk an die armenischen Katholiken als Zeichen brüderlicher Wertschätzung, und es ist bedeutsam, dass Mitra und Hirtenstab auch heute noch zum liturgischen Gewand der armenischen Prälaten gehören. Das armenische Königreich Kilikien war ein bevorzugter Treffpunkt für Lateiner, Griechen und Syrer: Hier blühte eine bemerkenswerte Verpflichtung zu ökumenischer Brüderlichkeit. Die Gemeinschaft zwischen der armenischen Kirche jener Gegend und der Kirche von Rom erreichte eine Intensität, die vielleicht nirgendwo sonst in gleichem Maße zustande kam. Trotz erheblicher Schwierigkeiten war der kulturelle Austausch fruchtbar und vorteilhaft. Die Tatsache, dass er keine bleibenden Früchte brachte, ist zum Teil auf die Unnachgiebigkeit mancher Menschen zurückzuführen, die vielleicht nicht in der Lage waren, den Wert einer solch provi-dentiellen Gelegenheit richtig einzuschätzen. Auf römischer Seite ergab sich dieser Mangel an Verständnis teilweise aus den tragischen inneren Konflikten in der Westkirche und aus dem Auftreten neuer kirchenrechtlicher und theologischer Vorstellungen, die das Verständnis des antiken spirituellen Erbes aus dem Osten erschwerten. Für uns ist dies alles heute ein Grund zu großem Bedauern; es zwingt 639 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN uns, die Möglichkeiten, die der Heilige Geist durch seinen Aufruf zur Gemeinschaft allen Jüngern Christi gibt, nicht zu übersehen. 4. Die in der „Sala Regia“ ausgestellten Gegenstände - vom Fragment der Arche Noah aus Edschmiadzin bis hin zu den archäologischen Funden aus dem antiken Kilikien - sind nicht einfache Erinnerungsstücke; sie sind Zeichen der großen Dinge, die Gott für das armenische Volk getan hat. Sie sind eine Einladung zu einer immer tieferen Selbstkenntnis und einer immer größeren Selbstachtung. Wenn schon in jenen fernen Zeiten erleuchtete und mutige Menschen wie Nerses Shnorhali und Nerses von Lambron die Welt mit einer bewundernswerten Balance zwischen Liebe zu ihrer eigenen Kultur und Aufgeschlossenheit gegenüber den Kulturen anderer Völker in Erstaunen versetzten und das auch heute noch tun, muss ihr Beispiel - und später das gleichermaßen leuchtende Vorbild von Abt Mechthiar von Sebaste - eine Lektion und Inspiration für uns alle in der Gegenwart sein. In längst vergangenen Zeiten zeigten heiligmäßige Armenier großen Eifer für die Einheit der Kirche unter Achtung der Würde aller und des besonderen Charakters eines jeden. Sie waren ihren Zeiten voraus und verkündeten Werte, die nicht zur Gänze verstanden wurden. Nun sind diese Werte zu einem Teil unseres universalen Erbes geworden, und wir dürfen ihnen daher nicht nachstehen. Wir müssen den Mut zu heiligen Taten aufbringen, die Vorurteile und Klischeevorstellungen überwinden. Gemeinsam auf den Spuren Christi: Möge dies die Hoffnung und das Gebet aller Christen auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend und zum 1700. Jubiläum der Taufe Armeniens sein. Möge Gott Ihr Volk überall auf der Welt, wo immer es für den Glauben und die Lehren der Väter Zeugnis ablegt, allzeit segnen und beschützen. Die heiligen Märtyrer und die verehrten Hirten der armenischen Kirche mögen im Himmel unsere Fürsprecher bei Maria, der Mutter der Liebe, sein. Konkrete Zusammenarbeit zu einer Sendung Ansprache bei der Audienz für Seine Heiligkeit Karekin I., Katholikos aller Armenier, am 25. März „Lobe den Herrn, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen“ (Ps 103,1). Ja, ich lobe den Herrn, der uns diesen Moment der Gnade und der brüderlichen Begegnung schenkt. Es ist eine große Freude, Sie, Ihre Heiligkeit, und Seine Seligkeit, Msgr. Torkom Manoogian, sowie alle weiteren angesehenen Persönlichkeiten, die Sie begleiten, in diesen Tagen begrüßen zu können. Ich freue mich über die Darbietung einer so beeindruckenden Ausstellung über die armenische Geschichte und Kultur in den Museen des Vatikans. Wir können darin 640 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ein ganz vom christlichen Glauben durchdrungenes Erbe bewundern! Dank seiner Treue zu den eigenen Wurzeln und seiner Standhaftigkeit in der Not konnte das armenische Volk sein vielfältiges Leid in eine Quelle der Kreativität und Tatkraft verwandeln. Laut Überlieferung hat die armenische Kirche den Glauben von den Aposteln Thaddäus und Bartholomäus empfangen. Es war allerdings der missionarischen Tätigkeit des hl. Gregorios1 des Erleuchters zu verdanken, dass sich das Evangelium in den ersten Jahren des 4. Jahrhunderts beim armenischen Volk verbreiten konnte. Seit jenen fernen Zeiten hat der christliche Glaube nie aufgehört, das armenische Volk in seinen tiefen Überzeugungen und seinem Alltagsleben zu erleuchten und zu inspirieren. Bald werden die Christen das große Geheimnis des Leidens, des Todes und der Auferstehung Christi feiern. „Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen, daß Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn“ (Röm 6,8-9). Wir werden das Mysterium unserer Erlösung besingen und feiern. Unser Glaube an Jesus Christus ist die Grundlage unseres Lebens, unserer Sendung und der Bande brüderlicher Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen. Ich freue mich über die Fortschritte bei unserer gemeinsamen Suche nach Einheit in Christus, dem fleisch-gewordenen Wort Gottes; sie sind das Ergebnis unserer ökumenischen Beziehungen und unseres theologischen Dialogs. Die beklagenswerten Uneinigkeiten der Vergangenheit dürfen das Leben und Zeugnis unserer Kirchen nicht weiter negativ beeinflussen. Das Große Jubeljahr 2000 und der 1700. Jahrestag der Gründung der armenischen Kirche fordern uns nachdrücklich zu einem gemeinsamen Zeugnis für unseren Glauben an Jesus Christus auf. Die katholische Kirche und die armenische Kirche haben - insbesondere nach dem II. Vatikanischen Konzil — enge Beziehungen entwickelt. Seit jenem denkwürdigen Tag im Jahr 1971, als der Katholikos Vasken I. und Papst Paul VI. sich mit einer Geste voller brüderlicher Freundschaft umarmten, haben sich weitere erfolgreiche Begegnungen ereignet. Es ist mir außerdem ein Anliegen, Ihrer Heiligkeit ganz besonders für das zu danken, was Sie unternommen haben und unternehmen, damit die Einheit der Christen Wirklichkeit wird. In diesem Geist, der uns beseelt, müssen wir wünschen, dass überall, wo katholische und armenische Gläubige Zusammenleben, sie diese brüderlichen Gesten durch Initiativen in den verschiedenen Bereichen des Dienstes für die Menschen fortsetzen. Wir dürfen nicht die kleinste Gelegenheit versäumen, um unsere konkrete Zusammenarbeit in dieser einzigartigen Sendung, die Christus uns anvertraut hat, zu vertiefen und zu erweitern! Ihre Heiligkeit, ich freue mich sehr über die Einladung nach Armenien, die auch der Präsident der Republik an mich gerichtet hat, und ich danke Ihnen, dass Sie den Wunsch geäußert haben, mein Gastgeber in Ihrem Patriarchat von Edschmiad-zin zu sein, um unsere Beziehungen zu festigen und die Einheit unter den Christen zu bestätigen. Ich bete zum Herrn, er möge mir diesen Besuch erlauben. Ich danke Ihnen, dass Sie diese Reise nach Rom unternommen haben, denn sie ist ein Aus- 641 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN druck christlicher Brüderlichkeit mit hohem Symbolwert, und ich wünsche Ihnen gute Gesundheit, damit Sie Ihrer Kirche lange Zeit dienen können. Ich bitte den Heiligen Geist um seine Unterstützung, damit wir immer Diener der Menschen seien und damit wir den Weg der Einheit gehen, zu dem Christus uns einlädt. Ich bete zum Herrn, er möge die armenische Kirche, ihre Hirten und Gläubigen segnen. Ich bitte die sei. Jungfrau Maria, deren Name - wie der hl. Gregorios, der Erleuchtete, sagte - alle Heilsmysterien enthält, Ihre Gemeinschaften mit ihrer mütterlichen Fürsorge zu begleiten. Der Herr offenbare Ihnen sein Antlitz, und bewahre Sie im Frieden! Die Liebe Christi gibt dem Leben einen Sinn Antworten auf Fragen bei der Begegnung mit Jugendlichen der Diözese Rom am 25. März Liebe Jugend, willkommen im Vatikan, in der Aula Paul VI. Ich heiße alle willkommen, die in der Aula sind, und alle, die draußen im Regen stehen. Es scheint aber nicht sehr stark zu regnen. Jedenfalls sind die, die draußen stehen, stärker als der Regen. Erste Frage: Heiligkeit, in Ihrer Botschaft zum Weltjugendtag 1999 haben Sie uns, zusammen mit der ganzen Kirche, eingeladen, uns „an Gott Vater zu wenden und voll Dankbarkeit und Bewunderung die erstaunliche Offenbarung Jesu aufzunehmen: ,Der Vater liebt euch!'“ Und weiter haben Sie uns versichert: „Nie wird seine Liebe von euch weichen, nie wird der Bund des Friedens mit euch wanken “ (vgl. O.R. dt., 22J.99, S. 10). Ja, dessen sind wir gewiss. Manchmal jedoch fällt es uns etwas schwer, zu verstehen, wie denn der Vater uns liebt: Wenn wir dem Leiden gegenüberstehen und dem Tod von Jugendlichen gleich uns, wenn Naturkatastrophen unschuldige Menschen dahinraffen, wenn — schlimmer noch — der Mensch die Torheit des Krieges zu spüren bekommt. Wir stehen tatsächlich am Ende eines Jahrhunderts, das tief von Kriegen und Hass unter den Völkern gezeichnet ist. Auch heute, und gerade in diesen Stunden, gehen Hass und Krieg in den uns so nahen Gebieten von Ex-Jugoslawien weiter. Heiligkeit, können Sie uns verstehen helfen, wie der Vater nicht aufhört, uns zu lieben, auch wenn wir dem Leiden rechtschaffener und unschuldiger Menschen begegnen, wenn viele unserer Altersgeführten von zerstörenden Elementen, wie der Drogenabhängigkeit, mitgerissen werden und wenn die Menschen auf Grund von Hass und Krieg einander töten? Liebe Jugendliche! Das große Problem, das ihr mir vorlegt, hat seine Wurzeln im Herzen des Menschen selbst. Ich höre in der Frage, die mir ein Vertreter von euch gestellt hat, ein Echo des Einwandes, den wir in Dostojewski]s „Legende vom Großinquisitor“ 642 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lesen: „Wie kann ich an Gott glauben, wenn er den Tod eines imschuldigen Kindes zuläßt?“ Im Leben eines jeden Tages sehen wir, ja greifen fast mit Händen das Problem des Bösen. Die großen Überlegungen zu diesem Problem scheinen nicht unmittelbar zu überzeugen, vor allem dann nicht, wenn man Krankheit und Leid in erster Person erfährt oder vom Tod eines nahe stehenden lieben Menschen betroffen wird. Doch ich entziehe mich nicht der Herausforderung, die in dieser Frage steckt. Ich möchte an erster Stelle auch meinerseits eine herausfordernde Frage an euch stellen: Ihr fragt mich, wie soll man die Liebe des Vaters verstehen angesichts von Hass, Zwietracht, Zerstömng der Persönlichkeit auf vielerlei Weise und Tod? Ganz zu Recht wurde eben der Konflikt erwähnt, der Jugoslawien mit Blut befleckt und der so viel Sorge bereitet wegen seiner Opfer und der Folgen, die daraus für Europa und für die ganze Welt entstehen können. Ich wünsche von Herzen, dass die Waffen so bald wie möglich schweigen und dass der Dialog und die Verhandlungen wieder aufgenommen werden, damit endlich mit dem Beitrag aller ein gerechter und dauerhafter Friede in der ganzen Balkanregion zustande kommt. Meinerseits sage ich zu euch: Warum sich fragen: Wo bleibt denn die Liebe Gottes? - ohne dass man sich die Verantwortung klarmacht, die der Sünde der Menschen zukommt? Warum schließlich sollten wir Gott für schuldig halten, wenn hingegen die in ihren Entscheidungen freien Menschen verantwortlich sind? Die Sünde ist keine abstrakte Theorie. Man kann vielmehr ihre Folgen feststellen. Das Böse, worüber ihr mich um eine Erklärung bittet, hat seinen Grund in der Sünde und in der Weigerung, nach den Weisungen Gottes zu leben. Sie lässt das Leben in die Brüche gehen, und es kommt so weit, dass man das Gute ablehnt. Dann verschließt man sich in Hass, Eifersucht und Egoismus, ohne sich darüber klar zu werden, dass solche Verhaltensweisen in die Einsamkeit führen und dem Leben seinen wahren Sinn nehmen. Trotz alledem könnt ihr sicher sein, dass die Liebe des Vaters nie nachlässt. Gott selbst hat ja mit uns Leid und Tod teilen wollen. Daran müssen wir uns in dieser Fastenzeit und in der Heiligen Woche wieder erinnern. Und das, was von Ihm gelebt wurde, ist auch erlöst und gerettet worden. Das Böse wird durch die Kraft der Liebe besiegt, wie der Apostel Paulus mit voller Überzeugung betont: „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? ... All das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat“ (Röm 8,35.37). Das also ist der Weg, dem man folgen muss, um das Böse zu besiegen: wachsen in der Liebe des Vaters, der sich uns in Jesus Christus offenbart hat. Zweite Frage: Heiliger Vater, in Ihrer Botschaft steht eine kräftige Aufforderung zu Umkehr und zum Empfang des Bußsakramentes. Wir fragen Sie: Von wo muss der Wunsch ausgehen, sich zu bekehren? Es wird uns oft gesagt, wir müssten uns bekehren, aber manchmal empfinden wir kein Bedürfnis dazu und sehen die Notwendigkeit dazu 643 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht ein: Können Sie uns erklären, warum? Ferner bitten wir Sie um ein Wort über das Bußsakrament, denn es ist nicht immer leicht, es als den Ort zu sehen, an der sich der Weg der Rückkehr zum Vater vollzieht, von dem man sich durch die Sünde entfernt hat. Es stimmt, heute wird im Allgemeinen die Notwendigkeit zur Bekehrung nicht so empfunden wie in früherer Zeit. In Wirklichkeit besteht jedoch eines der grundlegenden Erfordernisse, um zu einer vollen, reifen Persönlichkeit heranzuwachsen, darin, dass man sich in Frage stellt. Der Mensch kommt auf dem mühsamen Weg der Selbsterkenntnis nur voran durch einen beständigen Bekehrungs- und Erneue-rungsprozess, nur wenn er seinen Willen beherrscht und fähig ist, das Böse zu meiden und das Gute zu tun. Das Leben ist, so können wir sagen, eine beständige Veränderung. Dies erlebt ihr als persönliche Erfahrung in erster Person. Stimmt es denn nicht, dass, wenn ihr einen Menschen liebt, ihr alles tut, nur um seine Liebe zu gewinnen? Kommt es dann nicht etwa vor, dass es euch gelingt, euch zu ändern, sogar in Ausdrucks- und Verhaltensweisen, von denen ihr nie gedacht hättet, sie ändern zu können? Wenn nicht ein Akt der Liebe zugrunde liegt, kann man unmöglich begreifen, dass man sich ändern muss. Dasselbe geschieht im geistigen Leben, besonders durch das Sakrament der Versöhnung, das genau auf dieser Linie liegt. Es ist in der Tat das wirksame Zeichen der Barmherzigkeit Gottes, der allen entgegengeht. Es ist das Zeichen der Liebe des Vaters, der, obschon der Sohn fortgegangen ist und sein Hab und Gut verschwendet hat, bereit ist, ihn mit offenen Armen wieder aufzunehmen und einen ganz neuen Anfang zu machen. In der Beichte erleben wir ganz persönlich das Wesentliche der Liebe Gottes: Er kommt uns entgegen in der Art und Weise seines größten Wohlwollens: in Vergebung und Barmherzigkeit. Damit will ich nicht sagen, dass der Weg der Bekehrung leicht sei. Jeder weiß, wie schwierig es ist, seine Fehler einzugestehen. Man hat tatsächlich stets Gründe genug bei der Hand, nur um seine Fehler nicht zuzugeben. Auf diese Weise aber erfahrt man nicht die Gnade Gottes, seine Liebe, die umgestaltet und konkret werden lässt, was unmöglich zu sein scheint. Wie kann man ohne die Gnade Gottes ins tiefste Innere seiner selbst eindiingen und begreifen, dass es notwendig ist, sich zu bekehren? Die Gnade ist es, die das Herz umwandelt und es die Liebe des Vaters konkret und nahe empfinden lässt. Vergesst dann aber auch nicht, dass niemand imstande ist, den ändern zu verzeihen, wenn er nicht zuerst selbst die Erfahrung gemacht hat, dass ihm verziehen wurde. Die Beichte erscheint in dieser Weise als der Hauptweg, um wirklich frei zu werden und Verstehen von Seiten Christi, Vergebung durch die Kirche und Versöhnung mit unseren Brüdern und Schwestern zu erfahren. 644 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dritte Frage: Heiligkeit, Sie erinnern uns an die Worte aus dem ersten Brief des Johannes: „ Wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht" (1 Joh 4,20). Mit anderen Worten: Sie lassen uns verstehen, dass aus der Liebe zum Vater Taten der Liebe, der Vergebung, des Friedens und der Solidarität gegenüber den Brüdern und Schwestern hervorgehen müssen. Hinsichtlich dieser Notwendigkeit, zu lieben und zu vergeben, stimmen wir ganz mit Ihnen überein, und wir werden alles daran setzen, dies besonders als Zeichen unserer Bekehrung zu tun, wenn wir durch die Heilige Pforte des Jahres 2000 gehen. Einigen unter uns fällt es jedoch schwer, zu sehen, wie die Kirche zu lieben und zu verzeihen versteht. Können Sie uns über dieses so wichtige Thema Aufschluss geben? Sie selbst sind ja ein Zeuge für die Vergebung, haben Sie doch auch dem zu vergeben gewusst, der Ihnen physisch Böses zugefügt hat, und Sie haben den Mut gehabt, für die Sünden der Kirche um Vergebung zu bitten. Auch diese eure dritte Frage findet ihre Antwort im Licht der Liebe. Ich möchte euch ganz offen sagen, dass die Vergebung das größte Wort im Munde dessen ist, der wirklich liebt. Die Vergebung ist das vornehmste Zeichen für die Fähigkeit, nach der Weise Gottes zu lieben, der, eben weil er uns liebt, uns beständig verzeiht. Im Hinblick auf das nun schon nahe Jubiläum, die günstige Gelegenheit zur Bitte um Vergebung und Nachlass der Strafe, wollte ich, dass die Kirche, gestärkt durch die Lehre Jesu, des Herrn, als erste wieder diesen Weg ständiger Bekehrung ginge. Es ist der ihr eigene Weg bis zu dem Tag, an dem sie vor den Herrn hintreten wird. Darum habe ich geschrieben, dass die kirchliche Gemeinschaft an der Schwelle des dritten Jahrtausends sich „mit stärkerer Bewußtheit der Schuld ihrer Söhne und Töchter“ annehmen soll (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 33). Der Weg zur Heiligen Pforte ist ein wahrer Pilgerweg für den, der sein Leben ändern und sich von ganzem Herzen zum Herrn bekehren will. Wenn er diese Tür durchschreitet, darf er nicht die Bedeutung vergessen, die sie hat. Die Heilige Pforte weist hin auf den Eintritt ins neue Leben, das Christus uns anbietet. Und das Leben ist, wie ihr gut wisst, keine Theorie, sondern alle Tage etwas Konkretes. Das Leben ist ein Ganzes aus Taten, Worten, Verhaltensweisen und Gedanken: Teile, aus denen unser Dasein sich zusammensetzt, und die uns kenntlich machen als das, was wir sind. Liebe Jungen und Mädchen der Diözese Rom, ich danke euch für das Versprechen, das ihr mir gegeben habt, nämlich: das ständige Bemühen, dass auch ihr lebendige Zeichen der Versöhnung und Verzeihung sein wollt. Es bieten sich, besonders in eurem Alter, viele Gelegenheiten, Zeugnis für aufrichtige, selbstlose Freundschaft zu geben. Macht diese Gelegenheiten noch zahlreicher, und die Freude, das Geschenk der Gegenwart Christi, wird in euch zunehmen. Ihr seid berufen, diese Freude an die weiterzugeben, die ihr kennt, und sie mit ihnen zu teilen. Jesus ist der einzige Erlöser der Welt; Er ist das Leben, das dem Dasein jedes Mannes und jeder Frau echten Sinn gibt. 645 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Jugendliche, werdet nie müde, in berechtigter Neugier und Lembegierde Fragen zu stellen. Es ist ganz recht, dass ihr in eurem Alter, wenn die Welt euch immer mehr in den Blick kommt, von dem Wunsch erfüllt seid, stets Neues und Interessantes kennen zu lernen. Bewahrt euch diesen Wunsch, das Leben zu begreifen. Liebt das Leben; es ist das Geschenk und die Sendung, die Gott euch anvertraut, um mit Ihm zum Heil der Welt zusammenzuarbeiten. Zum Abschluss des Treffens sagte der Papst: Meine Lieben! 1. Am Ende dieses Zusammenseins, das nun zu einem jährlichen Treffen mit der Jugend der Diözese Rom geworden ist, möchte ich euch für eure so zahlreiche und lebhafte Teilnahme danken. Ich danke eurem Vertreter, der mich eingangs begrüßt hat, und den Freunden, die mir in euer aller Namen wesentliche Fragen gestellt haben, um sagen zu können: „Credo“, nämlich: Ich glaube, dass der Vater mich liebt! Und ich danke auch denen, die auf verschiedene Weise dazu beigetragen haben, dass dieser festliche und besinnliche Nachmittag zustande kommen konnte. Insbesondere danke ich auch Frau Caterina Muntoni für das eindrucksvolle Zeugnis der Vergebung, das wir eben gehört haben. Wir versichern sie unseres Naheseins und unseres Gebetes für ihren grausam ermordeten Bruder, und wir bitten den Herrn um das Geschenk zahlreicher Priesterberufungen für die Kirche: Menschen, die wie Don Graziano sich mit großem Edelmut für die Sache des Evangeliums und den Dienst an den Brüdern zu verschwenden verstehen. 2. Ehe wir uns mit dem Gebet, das Jesus uns gelehrt hat, an den Vater wenden, möchte ich euch an ein Treffen und eine wichtige Aufgabe erinnern. Wahrscheinlich habt ihr schon verstanden, welches Treffen ich meine: Es handelt sich um den XV. Weltjugendtag, der vom 15. bis 20. August des Jahres 2000 hier in Rom stattfinden und das Thema haben wird: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Niemand soll bei diesem Treffen fehlen, das eine „Zeit der Gnade“ für die Jugendlichen sein soll. Eine Zeit der Gnade für euch und für alle eure Altersgefährten, die ihr zu Hause, in euren Pfarren und Schulen, in Ordenshäusem und Zeltstädten und wo sonst noch eure Phantasie es euch eingibt als Gäste aufnehmen werdet. Zeit der Gnade für die Kirche Roms: Sie wird aus der Anwesenheit zahlreicher Jungen und Mädchen, die hierher kommen werden, um zu Beginn des neuen Jahrtausends das Glaubenszeugnis mit euch zu teilen, großen geistlichen und pastoralen Nutzen ziehen. Ich vertraue euch eine doppelte Aufgabe an: zunächst die, zur Teilnahme am Weltjugendtag auch eure jungen Freunde und Freundinnen einzuladen, die dem Glauben vielleicht gleichgültig gegenüberstehen, die aber, gerade weil sie jung sind, auf der Suche nach der Wahrheit und dem Guten sind. 646 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Jubiläumsfeier der Jugendlichen wird auch für sie eine Gnadenzeit sein und vielleicht wie es bei ähnlichen Gelegenheiten schon der Fall war - ein günstiger Moment, um Christus und seiner Kirche näher zu kommen. Ich vertraue euch diese eure Altersgefährten an. Ferner vertraue ich euch die Aufgabe an, die Gäste, die von weither kommen, hochherzig aufzunehmen. Ich weiß, was alles von der Diözese Rom und dem Italienischen Komitee für den Weltjugendtag unter der Leitung des Päpstlichen Rates für die Laien getan wird, und ich freue mich mit ihnen über die gut angelaufene Arbeit. Aber dieses Werk ist auf die Mitarbeit und den Eifer aller angewiesen: Priester und Ordensleute, Erwachsene und Jugendliche der Pfarrgemeinden, Ordensgemeinschaften, Studentenseelsorge und Bewegungen und Vereinigungen der Diözese. Ich wünsche und hoffe, dass viele Familien ihr Haus den Jugendlichen aus aller Welt öffnen, damit diese das Herz, das große Herz der Römer kennen lernen. Ich bin überzeugt, dass die römische Jugend der französischen Jugend in Paris, der Jugend in den Philippinen, den Amerikanern in Denver und all den anderen nicht nachsteht, auch nicht den jungen Polen in Tschensto-chau. Das Wort „Roma“ wird, umgekehrt gelesen, zum Wort „Amor“ (Liebe). Mögen doch alle diese „Amor“, diese römische Liebe, spüren! 3. Um euch auf den Empfang dieser eurer Altersgefahrten aus vielen Ländern der Welt vorzubereiten, seid selbst darauf bedacht, die vielen Orte christlicher Heiligkeit und Spiritualität, die Rom hütet, neu zu entdecken. So werdet ihr imstande sein, die Freunde, die kommen werden, dorthin zu begleiten und zusammen mit ihnen den Glauben zu vertiefen, der durch die Jahrhunderte von Generationen gläubiger Menschen weitergegeben wurde. Manche haben diesen Glauben um den Preis ihres Blutes verteidigt und bezeugt. Es ist der Glaube von gestern, heute und immer, und durch euch wird er auch im neuen Jahrtausend voranschreiten. Heute erlebt ihr ein glückliches Zusammentreffen, insofern der Jugendtag Roms mit dem Hochfest der Verkündigung des Herrn zusammenfallt. Ich möchte euch sagen, dass dieses Hochfest, dieses Geheimnis, den Horizont für die ganze Menschheit aufgetan hat, weil in der Verkündigung Gott selbst sein Kommen angekündigt hat, das Kommen seines Sohnes, seinen Eintritt in die Geschichte des Menschen. Und so erinnert uns das Fest der Verkündigung an diese großartige Eröffnung von Horizonten in der Geschichte des Schicksals der Menschheit. Es trifft sich also wirklich gut, dass euer Treffen in Rom gerade an diesem Hochfest stattfindet. Und nun noch ein letztes Wort. Aus einem bestimmten Grund beten wir dreimal am Tag den Angelus. Das ist nicht einfach Tradition, sondern eine tief fundierte Praxis. Wir beten dreimal am Tag den Angelus, um uns an den Horizont zu erinnern, den die Verkündigung uns geöffnet hat: „Angelus Domini nuntiavit Mariae, et Verbum caro factum est“ - „Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft, und das Wort ist Fleisch geworden.“ Diese Worte sprechen wir, um daran zu denken, welche Aussicht unser Leben hat. Eine von Gott selbst gegebene Aussicht. Eine Perspektive, in die der Mensch gewordene Sohn Gottes eintritt. Das gibt wahrhaftig Grund zu großem Vertrauen. 647 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und ihr jungen Leute müsst Vertrauen haben. Darum sage ich euch auch: Sucht, wenn es möglich ist, den „Engel des Herrn“ zu beten. Jugoslawien - Dialog wiederaufnehmen Eben wurde der Konflikt erwähnt, der in Jugoslawien zu Blutvergießen führt und große Besorgnis verursacht wegen der Opfer und der Folgen, die für Europa und die ganze Welt aus ihm erwachsen können. Ich wünsche von Herzen, dass baldmöglichst die Waffen schweigen und der Dialog und Verhandlungen wiederaufgenommen werden, um mit dem Beitrag aller endlich zu einem gerechten und dauerhaften Frieden in der ganzen Balkanregion zu gelangen. Christus - Herr der Geschichte - durch Überwinden von Leid und Tod Predigt am Palmsonntag - XIV. Weltjugendtag -, 28. März 1. „Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). Die Feier der Karwoche beginnt mit dem „Hosanna“ an diesem Palmsonntag und findet ihren Höhepunkt im „Crucifige!“ am Karfreitag. Das ist aber kein Widerspruch; es ist vielmehr der Kern des Geheimnisses, das die Liturgie verkündigen möchte: Jesus hat sich freiwillig dem Leiden ausgeliefert, er wurde nicht von Mächten erdrückt, die größer waren als er (vgl. Joh 10,18). Er selbst hat den Willen des Vaters erforscht und verstanden, dass seine Stunde gekommen war, er hat sie im freiwilligen Gehorsam des Sohnes und mit unendlicher Liebe zu den Menschen angenommen. Jesus hat unsere Sünden ans Kreuz getragen, und unsere Sünden haben Jesus ans Kreuz gebracht: Er wurde wegen unserer Sünden zermalmt (vgl. Jes 53,5). David, der nach dem Verantwortlichen der Missetat suchte, von der ihm Natan erzählt hatte, erhält vom Propheten folgende Antwort: „Du selbst bist der Mann“ (2 Sam 12,7): Dieselbe Antwort gibt die Heilige Schrift auch uns, wenn wir uns fragen, durch wen Jesus zu Tode gekommen ist: „Du selbst bist der Mann.“ Der Prozess und das Leiden Jesu gehen nämlich in der heutigen Welt weiter und werden von jedem Menschen wiederholt, der sich der Sünde hingibt und dadurch den Aufschrei wiederauflegt: „Nicht diesen, sondern Barabbas! Ans Kreuz mit ihm!“ 2. Wenn wir auf Jesus in seinem Leiden schauen, sehen wir - wie in einem Spiegel - die Leiden der Menschheit und unser persönliches Geschick. Obwohl Christus frei von jeder Sünde war, hat er trotzdem all das, was der Mensch nicht ertragen konnte, auf sich genommen: die Ungerechtigkeit, das Böse, die Sünde, den Hass, das Leid und schließlich den Tod. In Christus, dem erniedrigten und leiden- 648 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Menschensohn, liebt Gott alle Menschen, in ihm vergibt er allen und schenkt der menschlichen Existenz ihren letztendlichen Sinn. Wir sind heute morgen hier, um diese Botschaft von diesem uns liebenden Vater zu empfangen. Wir können uns fragen: Was will Er von uns? Er will, dass wir auf Jesus schauen und bereit sind, ihm in seinem Leiden nachzufolgen, um die Auferstehung mit ihm zu teilen. In diesem Augenblick kommen uns die Worte Jesu an seine Jünger in den Sinn: „Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke, und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werde“ (Mk 10,39); „Wer mein Jünger sein will, der ... nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ (Mt 16,24—25). Das „Hosanna“ und das „Crucifige“ werden so zum Maß einer Art, das Leben, den Glauben und das Zeugnis des Christen aufzufassen: Man soll weder bei Niederlagen den Mut verlieren noch sich der Siege rühmen, denn der einzige Sieg ist - wie für Christus - die Treue zur Sendung, die man vom Vater erhalten hat. „Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen“ (Phil 2,9). 3. Beim ersten Teil der heutigen Feier haben wir den triumphalen Einzug Jesu in Jerusalem nacherlebt. Wer hatte an jenem schicksalsträchtigen Tag die Eingebung, dass Jesus von Nazaret, der Meister, der mit Vollmacht redete (vgl. Lk 4,32), (in Wirklichkeit) der Messias, der Sohn Davids, der erwartete und versprochene Erlöser war? Es war das Volk, und darunter waren die Jugendlichen die begeistertsten und aktivsten, die auf diese Weise gewissermaßen zu „Herolden“ des Messias wurden. Sie verstanden, dass damals die Stunde Gottes schlug, die ersehnte und gesegnete Stunde, auf die das Volk Israel jahrhundertelang gewartet hatte. Sie wedelten mit Palm- und Ölzweigen und zeigten so den Triumph Jesu an. In gedanklicher Kontinuität mit jenem Ereignis wird seit nunmehr vierzehn Jahren der Weltjugendtag durchgeführt In dessen Verlauf bekennen und verkünden die mit Ihren Hirten versammelten Jugendlichen freudig Ihren Glauben an Christus, sie stellen sich Fragen über ihre tiefsten Sehnsüchte, sie erfahren die kirchliche Gemeinschaft, sie bestätigen und erneuern Ihren Einsatz für die dringende Aufgabe der Neuevangelisierung. Sie suchen den Herrn im Mittelpunkt des Ostergeheimnisses. Das Mysterium des glorreichen Kreuzes wird für sie zum großen Geschenk und gleichzeitig zum Zeichen eines reifen Glaubens. Mit seinem Kreuz, dem universalen Symbol der Liebe, leitet Christus die Jugendlichen der Welt in der großen „Versammlung“ des Reiches Gottes, welche die Herzen und Gesellschaften verändert. Wie sollten wir dem Herrn nicht danken für die Weltjugendtage, die gerade hier, auf dem Petersplatz, im Jahr 1985 begonnen haben, die dem „Kreuz des Heiligen Jahres“ gefolgt und ihre Reise durch die ganze Welt gemacht haben, wie eine lange Wallfahrt zum neuen Jahrtausend? Wie sollte man Gott der den jungen Menschen die Geheimnisse seines Reiches offenbart hat (vgl. Mt 11,25), nicht loben für alle 649 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Früchte des Guten und des christlichen Zeugnisses, die aus dieser gelungenen Initiative hervorgegangen sind? Der heutige Weltjugendtag ist der letzte vor dem wichtigen Termin des Jubeljahres, der letzte in diesem Jahrhundert und in diesem Jahrtausend: Daher kommt ihm eine besondere Bedeutung zu. Durch den Beitrag aller möge er eine eindrucksvolle Erfahrung des Glaubens und der kirchlichen Gemeinschaft sein. 4. Damals riefen die Jugendlichen von Jerusalem: „Hosanna dem Sohn Davids!“ (Mt 21,9). Ihr Jugendlichen, meine Freunde: Wollt auch ihr, wie eure Altersgenossen in jenen fernen Zeiten, Jesus als Messias, Retter, Meister, Leiter und Freund eures Lebens anerkennen? Denkt daran: Nur Er weiß wirklich, was in jedem Menschen ist (vgl. Joh 2,25); nur Er lehrt den Menschen, sich dem Geheimnis zu öffnen und Gott mit dem Namen des Vaters, „Abba“, anzusprechen; nur Er macht ihn zu selbstloser Liebe gegenüber seinem Mitmenschen fähig, den er als „Bruder“ und „Schwester“ annimmt und anerkennt. Liebe Jugendliche! Geht Christus, der eure Jugend glücklich macht, mit Freude entgegen. Sucht und findet ihn, indem ihr an seinem Wort und seiner geheimnisvollen Gegenwart in der Kirche und den Sakramenten festhaltet. Lebt mit ihm in der Treue zu seinem Evangelium: Es ist fordernd bis hin zum Opfer, das ist wahr, aber es ist zugleich die einzige Quelle der Hoffnung und des wahren Glücks. Liebt ihn im Antlitz des Bruders, der Gerechtigkeit, Hilfe, Freundschaft und Liebe benötigt. Auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend ist dies eure Stunde. Die heutige Welt eröffnet euch neue Wege und ruft euch auf, Träger des Glaubens und der Freude zu sein. Das bringen auch die Palm- und Ölzweige zum Ausdruck, die ihr heute in den Händen haltet: Sie sind das Symbol eines neuen Frühlings der Gnade, der Schönheit, der Güte und des Friedens. Der Herr Jesus ist bei euch und begleitet euch! 5. Jedes Jahr tritt die Kirche mit der Karwoche in banger Erwartung in das Ostergeheimnis ein, wenn sie des Todes und der Auferstehung des Herrn gedenkt. Und eben aufgrund dieses Ostergeheimnisses, aus dem sie hervorgegangen ist, kann sie mit den Worten und Werken ihrer Söhne und Töchter vor der Welt verkünden: „Jesus Christus ist der Herr, zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil 2,11). Ja! Jesus Christus ist der Herr! Er ist der Herr der Zeit und der Geschichte; der Erlöser und Retter des Menschen. Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! Hosanna! Amen. Für konkrete Friedensbemühungen ist immer der richtige Zeitpunkt Worte nach der Eucharistiefeier am Palmsonntag Mein Dank gilt sodann der Region Apulien, welche die Olivenbäume gespendet hat, mit denen der Petersplatz geschmückt ist, und die Zweige, die beim Gottesdienst an diesem Vormittag Verwendung fanden. Mögen diese Zweige das Symbol 650 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jenes Friedens sein, den die Volksgruppen der Balkanregion ersehnen! An diesem Tag wollen wir inständig zum „Friedensfürsten“ beten, der so wehrlos vor uns hintritt, dass er alle, die zu einer Waffe greifen, inspiriere! Mögen auch in jenem Teil Europas Geschwisterlichkeit und Verständnis den Sieg über die Kräfte des Hasses davontragen! Der Papst steht auf der Seite des leidenden Volkes und ruft allen zu: Es ist immer Zeit für den Frieden! Es ist niemals zu spät, einander zu treffen und zu verhandeln. Auf Deutsch sagte der Papst: Einen herzlichen Gruß richte ich an die Pilger aus den Ländern deutscher Sprache. Besonders grüße ich die Jugendlichen: Begleitet den Herrn auf seinem Weg auf Ostern zu! Auf Wiedersehen beim Weltjugendtreffen im nächsten Jahr! Förderung der Einheit Europas und Beachtung der Menschenrechte Ansprache bei der Audienz für die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates am 29. März Herr Präsident, meine Damen und Herren! 1. Mit Freude begrüße ich die Mitglieder des Vorstands der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sowie die Mitglieder der verschiedenen parlamentarischen Ausschüsse: für Politische Angelegenheiten, für Recht und Menschenrechte, für Migrationen, Flüchtlinge und Demographie. Besonders begrüße ich Ihren Präsidenten, Lord Russell Johnston, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Mein herzlicher Gruß gilt auch dem Sekretär der Versammlung, Herrn Bruno Haller. Dieses Jahr feiern Sie den 50. Jahrestag der Gründung des Europarats. Die in den vergangenen fünfzig Jahren geleistete Arbeit war ein ausgezeichneter Dienst für die Völker Europas. Auch wenn die Schwierigkeiten, denen man auf dem Weg zur Demokratie und zu den Menschenrechten begegnet, gewaltig waren und bleiben, haben Sie den Kurs gehalten, der von Anfang an in der Satzung des Europarates festgeschrieben worden war: die europäischen Völker auf der Grundlage ihres gemeinsamen Erbes an Werten näher zusammenbringen. 2. Im Laufe dieser fünfzig Jahre haben die sittlichen und geistigen Werte ihre Fruchtbarkeit und Fähigkeit, die Gesellschaft zu verändern, unter Beweis gestellt. Das haben die Ereignisse gezeigt, die sich vor bald zehn Jahren in Europa zugetragen haben. Sie müssen auch heute der Sockel sein, auf dem der Aufbau des europäischen Vorhabens fortgesetzt werden muss. 651 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In erster Linie soll daran erinnert werden, dass es kein gerechtes politisches, wirtschaftliches und soziales Leben geben kann ohne Achtung eines jeden - mit allen Folgen, die sich bezüglich der Menschenrechte, der Freiheit, Demokratie und Solidarität daraus ergeben. Diese Werte sind tief im europäischen Bewusstsein verwurzelt und stellen die stärksten Sehnsüchte der europäischen Bürger dar. Sie sollen jedes Projekt beseelen, das die edle Zielsetzung hat, die Völker dieses Kontinents zu einen. Ihre Bemühungen zur Umsetzung dieser Werte und dieser Erwartungen in Rechtsgrund-sätze, Achtung der Freiheiten und demokratischer Fortschritt sind von wesentlicher Bedeutung. Wenn Sie den Menschen und seine unveräußerliche Würde stets in den Mittelpunkt Ihrer Überlegungen und Entscheidungen stellen, werden Sie einen beständigen Beitrag zum Aufbau Europas leisten und dem Menschen sowie der gesamten Menschheit dienen. 3. An dieser Stelle möchte ich den Konflikt erwähnen, der sich vor unserer Tür, im Kosovo, abspielt und der ganz Europa verwundet. Ich bitte nachdrücklich darum, dass alles getan werde, damit der Frieden in dieser Gegend wieder hergestellt wird und die Zivilbevölkerung brüderlich in ihrer Heimat leben kann. Als Antwort auf Gewalt ist weitere Gewalt nie ein zukunftsträchtiger Weg, um aus einer Krise herauszufinden. Man muss also die Racheakte und Waffen zum Schweigen bringen, um für die Parteien verbindliche Verhandlungen in die Wege zu leiten in dem Wunsch, so bald wie möglich eine Einigung zu erreichen, die die verschiedenen Völker und Kulturen achtet; sie sind zum Aufbau einer gemeinsamen Gesellschaft berufen, in der die Grundrechte respektiert werden. Ein solches Vorgehen kann dann als neues und für den Aufbau Europas vielversprechendes Element in die Geschichte eingehen. 4. Im übrigen schließe ich mich der Meinung des Europarats an in seiner Forderung, dass das grundlegendste aller Rechte, nämlich das Recht auf Leben für jede Person, im gesamten europäischen Raum anerkannt und die Todesstrafe abgeschafft wird. Dieses erste und unantastbare Recht auf Leben beinhaltet nicht nur, dass jeder Mensch überleben kann, sondern dass er unter gerechten und würdigen Bedingungen leben kann. Insbesondere: Wie lange müssen wir noch darauf warten, dass das Recht auf Frieden in ganz Europa als Grundrecht anerkannt und von allen Verantwortlichen des öffentlichen Lebens in die Praxis umgesetzt wird? Viele Menschen sind gezwungen, in Angst und Unsicherheit zu leben. Ich freue mich über die Bemühungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und anderer europäischer Organisationen, damit dieses Recht auf Frieden Anwendung findet und um die Leiden der von Krieg und Gewalt heimgesuchten Völker zu lindem. Die Menschenrechte müssen sich auch auf das Sozialleben auswirken. Diesbezüglich ist beachtenswert, dass der Europarat seit dem zweiten Gipfel von Straßburg (1997) der Gesellschaft einen neuen Impuls gegeben hat. 652 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. In diesem Geist ist es wichtig, die Realisierung einer ernsthaften Familienpoli-tik, welche die Rechte der Eheleute und Kinder gewährleistet, nicht zu vernachlässigen. Das ist für den sozialen Zusammenhalt und die Stabilität besonders nötig. Ich fordere die nationalen Parlamente auf, ihre Anstrengungen zu verdoppeln, um die grundlegende Zelle der Gesellschaft, nämlich die Familie, zu unterstützen und ihr den ihr gebührenden Platz einzuräumen; sie ist der allererste Ort der Sozialisierung und auch ein Kapital an Sicherheit und Vertrauen für die kommenden Generationen Europas. Ich freue mich auch über die Entfaltung einer neuen Solidarität zwischen den europäischen Völkern, denn dieser Kontinent ist eine Einheit, reich an einer großen kulturellen und menschlichen Vielfalt - trotz der künstlichen ideologischen Hindernisse, die im Laufe der Zeit aufgebaut wurden, um diesen Erdteil zu entzweien. 6. Eure Versammlung hat kürzlich folgende Erklärung abgegeben: „Demokratie und Religion sind nicht unvereinbar, im Gegenteil... Aufgrund ihres sittlichen und ethischen Engagements, der von ihr verteidigten Werte, ihres kritischen Bewußtseins und ihrer Ausdrucksformen in der Kultur, kann die Religion ein wertvoller Partner der demokratischen Gesellschaft sein“ (vgl. Recommandation 1396 (1999), Nr. 5). Der Hl. Stuhl schätzt diese Empfehlung, denn sie räumt dem spirituellen Leben und dem Einsatz der Religionen im Sozialleben und im Dienst für den Menschen den Platz ein, der ihnen zukommt. Dies erinnert daran, dass die Religionen einen besonderen Beitrag zum europäischen Aufbau zu leisten haben und dass sie eine Triebfeder für die Verwirklichung einer engeren Verbindung zwischen den Völkern sind. Zum Abschluss unseres Treffens ermutige ich Sie, Ihren Auftrag weiterzuführen, damit das zukünftige Europa in erster Linie ein Europa der Bürger und der Völker sei. Sie werden gemeinsam eine gerechtere und brüderlichere Gesellschaft aufbauen, aus der Gewalt und Ablehnung der grundsätzlichen Würde jedes Menschen gebannt sind. Ich empfehle Sie der Fürsprache der hll. Benedikt, Kyrill und Methodius, der Patrone Europas, und erteile Ihnen, Ihren Familien und allen, die Ihnen lieb sind, sehr gerne den Apostolischen Segen. 653 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Priestertum - Auftrag zum Dienst am Heil der Menschen Predigt während der Chrisam-Messe am Gründonnerstag, 1. April 1. „Er liebt uns und hat uns von unseren Sünden erlöst durch sein Blut; er hat uns zu Königen gemacht und zu Priestern vor Gott, seinem Vater. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen“ (Offt> 1,5-6). Christus, der Priester des Neuen und Ewigen Bundes, ist durch sein Blut in das himmlische Heiligtum eingetreten, nachdem er ein für alle Mal die Erlösung von den Sünden der ganzen Menschheit bewirkt hat. Auf der Schwelle des Heiligen Triduums treffen sich die Priester aller Teilkirchen der Welt mit ihren Bischöfen zur feierlichen Chrisam-Messe, bei der sie ihre priesterlichen Versprechen erneuern. Auch die Priesterschaft der Kirche in Rom versammelt sich vor dem großen Tag, an dem die Liturgie daran erinnert, wie Christus durch sein Blut der einzige und ewige Priester wurde, um ihren Bischof. An jeden von euch, liebe Brüder im Priesteramt, richte ich meinen herzlichen Gruß; ein besonderer Gruß gilt dem Kardinalvikar und den konzelebrierenden Kardinälen, den Weihbischöfen und den anderen anwesenden Bischöfen. Ich freue mich sehr, mit euch an diesem Tag zusammenzukommen. Für uns, die geweihten Diener, hat er den Duft der heiligen Salbung, mit der wir nach dem Bild Dessen geweiht wurden, der der Geweihte des Vaters ist. „Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch alle, die ihn durchbohrt haben“ (iOffb 1,7). Morgen wird die Liturgie des Karfreitags für uns das vergegenwärtigen, wovon die eben verkündeten Worte der Offenbarung des Johannes sprechen. An diesem hochheiligen Tag vom Leiden und Sterben Christi werden alle Altäre abgedeckt und sind von großem Schweigen umgeben: Am Tag des jährlichen Gedenkens an das eine Opfer, das in blutiger Weise von Christus, dem Priester, auf dem Altar des Kreuzes dargebracht wurde, wird keine Messe gefeiert. 2. „Er hat uns zu Priestern gemacht“ (Ojfb 1,6). Christus hat nicht nur persönlich das Erlösungsopfer vollbracht, das die Sünden der Welt hinwegnimmt und das ein vollkommenes Lob zur Ehre des Vaters ist. Er hat auch das Priestertum als Sakrament des Neuen Bundes eingesetzt, damit das eine Opfer, das er dem Vater in blutiger Weise dargebracht hat, in der Kirche beständig auf unblutige Weise unter den Gestalten von Brot und Wein erneut vollzogen werden könne. Der Gründonnerstag eben ist der Tag, an dem wir in besonderer Weise des Priestertums gedenken, das Christus beim Letzten Abendmahl gestiftet und untrennbar mit dem eucharisti-schen Opfer verbunden hat. „Er hat uns zu Priestern gemacht.“ Er hat uns zu Teilhabern an seinem einzigen Priestertum gemacht, damit auf allen Altären der Welt und zu allen Zeiten der Geschichte das blutige, unwiederholbare Opfer von Kalvaria vergegenwärtigt werden kann. Der Gründonnerstag ist das große Fest der Priester. Heute Abend werden wir wiederum, dem in den Evangelien uns übermittelten Verlauf der österlichen Ereignisse folgend, das Gedächtnis der Einsetzung des eucharistischen Opfers begehen. 654 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die feierliche Liturgie des heutigen Morgens ist hingegen eine einzige Danksagung an Gott von uns allen, die wir, dank eines Geschenkes, das zugleich ein Geheimnis ist, zutiefst teilhaben am Priestertum Christi. Jeder von uns macht sich die Worte des Psalmisten zu eigen: „Misericordias Domini in aeternum cantabo.“ „Von den Taten deiner Huld, o Herr, will ich ewig singen“ (Ps 89/88,2). 3. Wir wollen uns dieses großen Geschenkes wieder neu bewusst werden. Wir wollen es gewissermaßen neu empfangen, um es auf einen weiteren Dienst auszurichten. Dieses unser Weihepriestertum ist ja ein Dienstamt, ein einzigartiger und besonderer Dienst. Wir dienen Christus, damit sein einziges und unwiederholbares Priestertum immer in der Kirche zum Wohl der Gläubigen leben und wirken kann. Wir dienen dem christlichen Volk, unseren Brüdern und Schwestern, die durch unseren sakramentalen Dienst immer tiefer der Erlösung Christi teilhaft werden können. Heute kann jeder von uns mit Christus besonders intensiv die im Evangelium verkündeten Worte des Propheten Jesaja wiederholen: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Lk 4,18-19). 4. „Ein Gnadenjahr des Herrn!“ Meine Lieben, wir stehen jetzt nahe vor der Schwelle eines außerordentlichen Gnadenjahres, jenes Großen Jubiläums, in welchem wir die zwei Jahrtausende seit der Menschwerdung des Herrn feiern. Der heutige Gründonnerstag ist der letzte vor dem Jahr Zweitausend. Ich freue mich, dass ich heute den Priestern der ganzen Welt im Geist den Brief darbieten kann, den ich zu diesem Anlass an sie gerichtet habe. In dem Jahr, das Gott dem Vater geweiht ist, muss die Vaterschaft eines jeden Priesters als Widerschein der Vaterschaft des himmlischen Vaters deutlicher erkennbar werden, damit das christliche Volk und alle Menschen jeder Rasse und Kultur die Liebe spüren, die Gott zu ihnen hegt, und dass sie ihr treu folgen. Für alle soll das bevorstehende Jubiläumsereignis die gegebene Gelegenheit sein, die barmherzige Liebe Gottes als starke geistige Energie zu erfahren, die das Herz des Menschen erneuert. Bei dieser festlichen Eucharistiefeier wollen wir den Herrn bitten, die Gnade des Großen Jubiläums möge in allen Gliedern des Leibes Christi, der Kirche, und in besonderer Weise in den Priestern, voll zur Reife kommen. Das nun schon nahe Heilige Jahr ruft uns, die geweihten Diener, insgesamt auf, uns vollkommen zur Verfügung zu stellen für das Geschenk des Erbarmens, das Gott der Vater jedem Menschen in Fülle zuwenden will. Der Vater sucht solche Priester (vgl. Joh 4,23)! Möge er sie finden, erfüllt von seiner heiligen Salbung, um unter den Armen die gute Nachricht des Heils zu verbreiten. Amen. 655 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eucharistie — Geheimnis des Glaubens und Quelle des Lebens Predigt während der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag, 1. April 1. ,yldoro te devote, latens Deltas, / Quae sub his figuris vere latitasC „Gottheit tief verborgen, betend nah ich dir. / Unter diesen Zeichen bist du wahrhaft hier“ (vgl. Gotteslob, Nr. 546). Wieder erleben wir an diesem Abend das Letzte Abendmahl, bei dem der göttliche Erlöser in der Nacht, in der er verraten wurde, uns das eucharistische Opfer seines Leibes und Blutes als Gedächtnis seines Todes und seiner Auferstehung hinterließ: das Sakrament huldvollen Erbarmens, Zeichen der Einheit und Band der Liebe (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 47). Die Lesungen dieser Feier sprechen alle von Riten und Flandlungen, die dazu bestimmt sind, den Heilsplan Gottes in die Geschichte einzuprägen. Das Buch Exodus überliefert das Priesterdokument, das die Vorschriften für die Feier des jüdischen Pascha festlegt. Der Apostel Paulus übermittelt der Kirche im Ersten Brief an die Korinther das älteste Zeugnis über das neue christliche Pascha-Abendmahl: den Ritus des Neuen und Ewigen Bundes, den Jesus vor seinem Leiden im Abendmahlssaal einsetzte. Und schließlich fasst der Evangelist Johannes, vom Heiligen Geist erleuchtet, den tiefen Sinn des Opfers Christi in der „Fußwaschung“ zusammen. Es ist das Pascha des Herrn, das seine Wurzeln in der Geschichte des Volkes Israel hat und seine Vollendung in Jesus Christus, dem zu unserem Heil geopferten Lamm Gottes, findet. 2. Die Kirche lebt von der Eucharistie. Durch den Dienst der Apostel und ihrer Nachfolger in einer ununterbrochenen, vom Abendmahlssaal ausgehenden Kette, finden die Worte Christi immer neu ihre Verwirklichung auf dem Weg der Kirche, um den Menschen jeder Generation das Brot des Lebens anzubieten: „Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! ... Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!“ (7 Kor 11,24—25). Weil die Eucharistie die sakramentale Darstellung des Kreuzesopfers ist, bildet sie den Höhepunkt des Erlösungswerkes: Sie verkündet und verwirklicht jenes Geheimnis, das die Quelle des Lebens für jeden Menschen ist. Denn jedes Mal, wenn wir von diesem Brot essen und aus diesem Kelch trinken, verkünden wir den Tod des Herrn bis er kommt (vgl. 7 Kor 11,26). Nach der Wandlung ruft der Priester aus: „Mysterium fideil“, und die Versammelten antworten: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Ja, heute ist es uns gegeben, in besonderer Weise zu begreifen, dass das „Geheimnis des Glaubens“ wahrhaft groß ist und dass seine Tiefe durch die schlichten 656 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eucharistischen Symbole - Brot und Wein, Tisch und geschwisterliches Mahl - nur noch erhabener wird. 3. „ O memoriale mortis Domini! Panis vivus, vitam praestans homini! “ „Denkmal, das uns mahnet an des Herren Tod! Du gibst uns das Leben, o lebendig Brot“ (vgl. Gotteslob, Nr. 546). Der Tod des Gottessohnes wird für uns zur Quelle des Lebens. Das ist das Ostergeheimnis! Das ist die neue Schöpfung! Die Kirche bekennt diesen Glauben mit den Worten des Thomas von Aquin und betet: „Pie Pellicane, Iesu Domine, Me immundum mnnda tuo sanguine, Cuius una stilla salvum facerre Totum mundum quit ab omni scelere. “ „Gleich dem Pelikane starbst du, Jesu mein, Wasch in deinem Blute mich von Sünden rein. Schon ein kleiner Tropfen sühnet alle Schuld, Bringt der ganzen Erde Gottes Heil und Huld“ (ebd.). Lebenspendende Macht des Todes Christi! Reinigende Kraft des Blutes Christi, die die Vergebung der Sünden für die Menschen jeder Zeit und jedes Ortes erwirkt. Hoch erhabenes Erlösungsopfer, worin alle Opfer des alten Gesetzes Erfüllung finden! 4. Dieses Geheimnis der Liebe, „unbegreiflich“ für den Menschen, bietet sich ganz und gar im Sakrament der Eucharistie an. Das christliche Volk ist eingeladen, heute Abend bis in die Nachtstunden hinein in schweigender Anbetung davor zu verweilen: „Iesu, quem velatum nunc aspicio, Oro.fiat illud quod tarn sitio: U,t te revelata cernens facie, Visu sim beatus tuae gloriae. " „Jesus, den verborgen jetzt mein Auge sieht, Stille mein Verlangen, das mich heiß durchglüht: Laß die Schleier fallen einst in deinem Licht, Daß ich selig schaue, Herr, dein Angesicht. Amen.“ (ebd.) Das ist der Glaube der Kirche. Das ist der Glaube eines jeden von uns vor dem hocherhabenen eucharistischen Geheimnis. Ja, genug der Worte. Es bleibe die Anbetung. In Schweigen. „Ave, verum Corpus, natum de Maria Virgine ... “. „Wahrer Leib, o sei gegrüßet, den Maria uns gebar, Du hast unsre Schuld gebüßet sterbend auf dem Kreuzaltar.“ „ O Iesu dulcis, o Iesu pie, o Iesu, Fili Mariae! “ Amen. 657 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebet zur Einführung des Kreuzwegs am Kollosseum, Karfreitag, 2. April Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Lasset uns beten: Heiliger Vater, du Freund der Kreaturen, seit Ewigkeit hast du uns in deinem Wort geliebt und gedacht. Du wolltest, dass wir dein Gesicht erkennen im Antlitz deines eingeborenen Sohnes, der aus der Jungfrau Maria geboren ist. In ihm hast du unsere Leiden mitgetragen; In allem ist er wie wir in Versuchung geführt worden, aber er hat nicht gesündigt. In ihm hast du die Grenze des Schmerzes und des Todes angenommen. Das, was zerstört war, hast du wieder aufgerichtet. In ihm hat sich deine Barmherzigkeit ausgebreitet von Generation zu Generation für alle Zeit. Heiliger Vater, schau auf dein Volk. Nachdem es das Gedächtnis des Leidens und Sterbens seines Herrn gefeiert hat, geht es in Erwartung der Auferstehung den Kreuzweg nach. Wir stehen in Gemeinschaft mit dem Schmerzensschrei deines Sohnes, dessen Echo in dem Schrei widerhallt, der von den unzähligen Kreuzen der Männer und Frauen aller Zeiten kommt. Wir stehen in Gemeinschaft mit seiner aufopferungsvollen Liebe, die er in seiner Passion zur Erfüllung bringt: In der dramatischen Zeit des Leidens und Sterbens Möge das vertrauensvolle Gespräch mit dir, Vater, niemals enden. Wir sprechen mit dir als Söhne im Geist deines Sohnes, der mit dir lebt und herrscht in Ewigkeit. Das Dunkel des Kreuzes birgt in sich die Fackel des Lichtes Schlussworte nach dem Kreuzweg am 2. April 1. „In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum“, „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Dies sind die Worte, dies ist der letzte Ruf Christi am Kreuz. Es ist das Wort, welches das Mysterium der Passion beendet und das Geheimnis der Befreiung durch den Tod eröffnet und das sich in der Auferstehung verwirklichen wird. Es ist ein gewichtiges Wort. Im Bewusstsein seiner Bedeutung hat es die Kirche in die Liturgie des Stundengebetes aufgenommen und beendet es 658 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jeden Tag mit diesen Worten: „In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum.“ Heute möchten wir diese Worte auf die Lippen der Menschheit legen, am Ende des zweiten Jahrtausends, am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Jahrtausende sprechen nicht, die Jahrhunderte sprechen nicht. Aber der Mensch spricht, Tausende sprechen, Milliarden Menschen, die den Raum ausgefüllt haben, der sich zwanzigstes Jahrhundert nennt, diesen Raum, der sich zweites Jahrtausend nennt. Wir wollen heute diese Worte Christi auf die Lippen all derer Menschen legen, die Bürger unseres zwanzigsten Jahrhunderts, unseres zweiten Jahrtausends geworden sind, weil diese Worte, dieser Leidensruf Christi, sein letztes Wort, nicht nur schließt: Dieses Wort öffnet. Es bedeutet eine Öffnung auf die Zukunft hin. „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Dieses Wort öffnet. Wir wünschen am Ende dieses Karfreitages, an der Vigil von Ostern 1999, dass dieses Wort - „In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum“, „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ - auch das letzte Wort für jeden von uns ist, jenes, welches uns die Ewigkeit eröffnen wird. 2. „Christus factus est pro nobis oboediens usque ad mortem, mortem autem cru-cis“ [Christus war für uns gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz] (Antiphon des Breviers; vgl. Phil 2,8). Mit diesen Worten fasst die Liturgie des Karfreitags zusammen, was sich vor 2000 Jahren auf Golgota ereignet hat. Der Evangelist Johannes, ein Augenzeuge, schildert das qualvolle Geschehen des Leidens Christi. Er berichtet von dessen schwerem Todeskampf, von den letzten Worten: „Es ist vollbracht“ (Joh 19,30) und von dem Stich in die Seite durch die Lanze eines römischen Soldaten. Aus der durchstoßenen Brust des Erlösers floss Blut und Wasser heraus als deutlicher Beweis seines Todes (vgl. Joh 19,34) und als letztes Geschenk seiner barmherzigen Liebe. 3. Unter Berücksichtigung des Zeugnisses von Johannes erstaunt noch mehr, was der Prophet Jesaja in dem Lied vom Gottesknecht sagt. Er schreibt einige Jahrhunderte vor Christus, und seine Worte erscheinen in vollkommener Übereinstimmung mit denen des vierten Evangelisten. Sie stellen ein wahres „Evangelium des Kreuzes“ dar: „Er wurde verachtet und gemieden, ein Mann voller Schmerzen,... Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. ... Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen.... Er wurde vom Land der Lebenden abgeschnitten und wegen der Verbrechen seines Volkes zu Tode getroffen. Bei den Ruchlosen gab man ihm sein Grab ... Nachdem er so vieles ertrug, erblickte er das Licht. Er sättigt sich an Erkenntnis. Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht; er lädt ihre Schuld auf sich“ (53,3.5.6.8-9.11). Diese Betrachtungen, so reich an Einzelheiten, versetzen in Erstaunen, weil es Worte eines Mannes sind, der nicht mit seinen eigenen Augen das „Drama von Golgota“ sehen konnte, da er viel früher gelebt hat. In ihnen ist die Theologie des Kreuzesopfers Christi im voraus angedeutet. In ihnen ist in einer erstaunlichen 659 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verbindung das ganze „mysterium passionis et resurrectionis“ [Geheimnis des Leidens und der Auferstehung], die in das große „mysterium paschale“ [Ostergeheimnis] zusammenfließen. 4. Die prophetischen Worte des Buches Jesaja klingen heute Abend am Ende der „Via Crucis“, hier am Kolosseum, in unserem Herzen wieder, eine bedeutsame Erinnerung an das Leiden und das Martyrium vieler Gläubigen, die ihre Treue zum Evangelium mit Blut bezahlt haben. Sie nehmen teil am Leiden Jesu „im Todeskampf bis zum Ende der Welt“ (B. Pascal, Gedanken, 610; nach der endgültigen Ausgabe übertragen von Wolfgang Rüttenauer. Einführung von Romano Guardini, o.O. u. o.J. Stuttgart/Eschwege, S. 300). „Verachtet und gemieden“ ist Christus in dem Menschen, der im Kosovokrieg verhöhnt und getötet wurde und überall dort, wo die Kultur des Todes triumphiert; „zermalmt wegen unserer Sünden“ ist der Messias unter den Opfern von Hass und Bösartigkeit zu jeder Zeit und an jedem Ort. „Verirrt wie Schafe“ scheinen manchmal die Völker zu sein, die geteilt und die gezeichnet sind von Verständnislosigkeit und Teilnahmslosigkeit. Am Horizont dieses Szenarios von Leid und Tod leuchtet jedoch die Hoffnung für die Menschheit: „Nachdem er so vieles ertrug, erblickte er das Licht. ... Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht.“ Das Kreuz in der Nacht des Schmerzes und der Bestürzung ist eine Fackel, welche die Erwartung des neuen Tages der Auferstehung lebendig hält. Zum Kreuz Christi schauen wir mit Zuversicht an diesem Abend, während wir durch das Kreuz der Welt die barmherzige Liebe des Vaters zu jedem Menschen zurufen wollen. 5. Ja, heute ist der Tag der Barmherzigkeit und der Liebe; der Tag, an dem sich die Erlösung der Welt vollzogen hat, weil die Sünde und der Tod durch den heilbringenden Tod des Erlösers besiegt worden sind. Göttlicher, gekreuzigter König, das Geheimnis deines ruhmreichen Todes möge in der Welt frohlocken. Lass uns nicht den Mut und die Kühnheit der Hoffnung verlieren angesichts der Dramen der Menschheit und jeder ungerechten Situation, welche die menschliche Kreatur demütigt, die durch dein kostbares Blut erlöst wird. Im Gegenteil, lass uns mit ganzer Kraft an diesem Abend ausmfen: Dein Kreuz ist Sieg und Rettung, „quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum“ [weil du durch dein heiliges Kreuz die Welt erlöst hast], weil du mit deinem Blut und deinem Leiden die Welt erlöst hast. 660 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auferstehung Christi ist die Hoffnung der Welt Predigt bei der Feier der Ostemacht am Karsamstag, 3. April 1. „Der Stein, den die Bauleute verwarfen, ist zum Eckstein geworden“ (Ps 118,22). In dieser Nacht spricht die Liturgie zu uns durch die Fülle und den Reichtum des Wortes Gottes. Diese nächtliche Feier ist nicht nur die Mitte des Kirchenjahres, sondern gleichsam sein Urbild. Denn in ihr entfaltet sich das ganze sakramentale Leben. Der Tisch, um den die Kirche in dieser Nacht ihre Söhne und Töchter, vor allem die Taufanwärter, versammelt, ist reich und festlich gedeckt. Liebe Katechumenen, ich wende mich zuerst an euch, die ihr in Kürze aus Wasser und Geist wiedergeboren werdet (vgl. Joh 3,5). Mit großer Freude grüße ich euch und zugleich eure Herkunftsländer: Albanien, Kap Verde, China, Frankreich, Marokko und Ungarn. Durch die Taufe werdet ihr Glieder des Leibes Christi und voll berechtigt, an seiner geheimnisvollen Gemeinschaft teilzuhaben. Möge euer Leben ständig in dieses Ostergeheimnis eingetaucht bleiben, so dass ihr stets authentische Zeugen der Liebe Gottes seid. 2. Nicht nur ihr, liebe Katechumenen, sondern alle Getauften sind in dieser Nacht zur tiefen Glaubenserfahrung dessen eingeladen, was wir soeben in der Lesung gehört haben: „Wißt ihr denn nicht, daß wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? ... Wir wurden mit ihm begraben ... und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ (Rom 6,3—4). Christsein bedeutet, persönlich am Tod und an der Auferstehung Christi teilzuhaben. Diese Teilhabe wird auf sakramentale Weise durch die Taufe bewirkt, auf der sich die christliche Existenz eines jeden von uns wie auf einem festen Fundament aufbaut. Und deshalb hat uns der Antwortpsalm zum Dank aufgefordert: „Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig ... Die Rechte des Herrn ... wirkt mit Macht! Ich werde nicht sterben, sondern leben, um die Taten des Herrn zu verkünden“ (Ps 118,1-2.16-17). In dieser heiligen Nacht wiederholt die Kirche dieses Danklied und bekennt die Wahrheit über Christus, der gestorben ist und begraben wurde, aber am dritten Tage auferstand (vgl. Credo). 3. „Als eine Nacht des Wachens zur Ehre des Herrn gilt sie ... in allen Generationen“ (Ex 12,42). Diese Worte aus dem Buch Exodus bilden den Abschluss des Berichtes über den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Einen besonderen Klang erhalten sie in der Ostemacht, da sie zur vollen Bedeutung gelangen. Denken wir in diesem Jahr, das Gott dem Vater gewidmet ist, nicht unwillkürlich daran, dass diese Nacht, die Ostemacht, die lange „Nachtwache des Vaters“ ist? 661 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese „Nacht des Wachens“ Gottes umfasst das ganze österliche Triduum. Ganz besonders aber „wacht“ der Vater am Karsamstag, während der Sohn im Grab liegt. Das Geheimnis des Sieges Christi über die Sünde der Welt ist gerade in diesem Wachen des Vaters verborgen. Er „wacht“ über die ganze Sendung des Sohnes auf Erden. Sein unendliches Mitleiden erreicht den Elöhepunkt in der Stunde des Leidens und Sterbens: In der Stunde, da der Sohn verlassen wird, damit die Kinder gerettet werden; da der Sohn verachtet und geschmäht wird, damit die Kinder wiedergefunden werden; da der Sohn stirbt, damit die Kinder das Leben erlangen. Das Wachen des Vaters begründet die Auferstehung des Sohnes. Auch in der Todesstunde wird die Liebesbeziehung in Gott nicht geschmälert. Der Heilige Geist, der vom gekreuzigten und sterbenden Jesus ausströmt, erhellt die Finsternis des Bösen, er macht Christus lebendig und setzt ihn ein als Sohn Gottes in Macht und Herrlichkeit (vgl. Röm 1,4). 4. „Der Stein, den die Bauleute verwarfen, ist zum Eckstein geworden“ (Ps 118,22). Welchen Glanz erhält diese vom Psalmisten besungene Wahrheit im Licht der Auferstehung Christi. Der Menschensohn, der zu einem schändlichen Tod Verurteilte, Gekreuzigte und Auferstandene, er ist für das Leben der Kirche und eines jeden Christen zum Eckstein geworden. „Das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder“ (Ps 118,23). Das hat sich in dieser heiligen Nacht ereignet. Die Frauen konnten es feststellen, als sie „am ersten Tag der Woche, früh morgens, als es noch dunkel war“ (Joh 20,1), zum Grab gekommen waren, um den Leichnam des Herrn zu salben, und das Grab leer fanden. Sie hörten die Stimme des Engels: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden“ (vgl. Mt 28,1-5). So erfüllten sich die prophetischen Worte des Psalmisten: „Der Stein, den die Bauleute verwarfen, ist zum Eckstein geworden.“ Das ist unser Glaube. Das ist der Glaube der Kirche, und wir rühmen uns, ihn an der Schwelle zum dritten Jahrtausend bekennen zu dürfen. Denn Christi Ostern ist die Hoffnung der Welt, gestern, heute und in Ewigkeit Amen! 662 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Brief an die Künstler vom 4. April An alle, die mit leidenschaftlicher Hingabe nach neuen „Epiphanien“ der Schönheit suchen, um sie im künstlerischen Schaffen der Welt zum Geschenk zu machen. „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut“ {Gen 1,31). Der Künstler, Abbild des Schöpfergottes 1. Besser als ihr Künstler, geniale Baumeister der Schönheit, vermag niemand intuitiv etwas von dem Pathos zu erfassen, mit dem Gott am Anfang der Schöpfung auf das Werk seiner Hände blickte. Ein Nachschwingen jenes Gefühls hat sich unendliche Male in den Blicken niedergeschlagen, mit welchen ihr als Künstler jeden Zeitalters, vom Staunen über die geheimnisvolle Macht der Klänge und Worte, der Farben und Formen gebannt, das Werk eurer Eingebung bewundert und darin gleichsam das Echo jenes Geheimnisses der Schöpfung wahrgenommen habt, an dem Gott, der alleinige Schöpfer aller Dinge, euch in gewisser Weise teilnehmen lassen wollte. Es schienen mir daher keine Worte geeigneter als jene aus dem Buch Genesis, um sie an den Anfang meines Briefes an euch zu stellen, fühle ich mich doch durch Erfahrungen verbunden, die weit in die Vergangenheit zurückreichen und mein Leben unauslöschlich geprägt haben. Mit diesem Schreiben möchte ich den Weg jenes fruchtbaren Gespräches der Kirche mit den Künstlern einschlagen, das in der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche nie abgerissen ist und an der Schwelle zum dritten Jahrtausend eine noch größere Zukunft hat. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Dialog, der uns nicht nur von historischen Umständen und praktischen Erwägungen aufgenötigt wird, sondern in dem eigentümlichen Wesen sowohl der religiösen Erfahrung wie des künstlerischen Schaffens verwurzelt ist. Der Anfang der Bibel stellt uns Gott gleichsam als das beispielhafte Modell jedes Menschen vor, der ein Werk hervorbringt: Im Künstler spiegelt sich sein Bild als Schöpfer. Besonders offenkundig wird diese Beziehung im Polnischen durch die sprachliche Verwandtschaft zwischen den Worten stwörca [Schöpfer] und twörca [Künstler]. Worin liegt der Unterschied zwischen „Schöpfer“ und „Künstler“? Wer (etwas) erschafft, schenkt das Sein selbst, bringt etwas aus dem Nichts hervor - ex nihilo sui et subiecti, sagt man im Lateinischen —, und das ist im strengen Sinn die Vorgehensweise, die nur dem Allmächtigen zukommt. Der Künstler hingegen verwendet etwas bereits Vorhandenes, dem er Gestalt und Bedeutung gibt. Das ist die charakteristische Handlungsweise des Menschen als Ebenbild Gottes. Nachdem es nämlich in der Bibel geheißen hatte, dass Gott Mann und Frau „als sein Abbild“ 663 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schuf (vgl. Gen 1,27), wird hinzugefügt, dass er ihnen die Aufgabe übertrug, über die Erde zu herrschen (vgl. Gen 1,28). Es war der letzte Schöpfungstag (vgl. Gen 1,28-31). An den vorangegangenen Tagen hatte Jahwe das Universum geschaffen und damit gleichsam den Rhythmus der kosmischen Evolution bestimmt. Am Ende schuf er den Menschen als erhabenste Frucht seines Planes; ihm unterwarf er die sichtbare Welt als unermessliches Feld, auf dem er seiner Erfindungsgabe Ausdruck verleihen sollte. Gott hat also den Menschen ins Dasein gerufen und ihm die Aufgabe übertragen, Künstler zu sein. Im „künstlerischen Schaffen“ erweist sich der Mensch mehr denn je als „Abbild Gottes“. Er verwirklicht diese Aufgabe vor allem dadurch, dass er die wunderbare „Materie“ des eigenen Menschseins gestaltet und dann auch eine kreative Herrschaft über das ihn umgebende Universum ausübt. Der göttliche Künstler kommt dem menschlichen Künstler liebevoll entgegen und gibt ihm einen Funken seiner überirdischen Weisheit weiter, indem er ihn dazu beruft, an seiner Schöpfungskraft teilzuhaben. Selbstverständlich handelt es sich dabei um eine Teilhabe, die den unendlichen Abstand zwischen Schöpfer und Geschöpf unangetastet lässt, wie Kardinal Nikolaus von Kues unterstrich: „Die schöpferische Kunst, die die glückselige Seele erlangen wird, ist der Wesenheit nach nicht jene Kirnst, die Gott ist, sondern deren Mitteilung und Teilhabe“. <311> <311> Dialogus de ludo globi, lib. II: Philosophisch-Theologische Schriften, Wien 1967, III, S. 332. Je mehr sich daher der Künstler seiner „Gabe“ bewusst ist, um so mehr fühlt er sich dazu gedrängt, auf sich selbst und auf die ganze Schöpfung mit Augen zu blicken, die sich betrachtend zu vertiefen und zu danken vermögen, wahrend er seinen Lobeshymnus zu Gott emporrichtet. Nur so kann er sich selbst, seine Berufung und seine Sendung in letzter Tiefe erfassen. Die besondere Berufung des Künstlers 2. Nicht alle sind im eigentlichen Sinne des Wortes zu Künstlern berufen. Nach Aussage der Genesis wird jedoch jeder Mensch mit der Aufgabe betraut, Baumeister des eigenen Lebens zu sein: Er soll aus seinem Leben gleichsam ein Kunstwerk, ein Meisterstück machen. Es ist wichtig, den Unterschied, aber auch den Zusammenhang zwischen diesen zwei Seiten des menschlichen Tims zu erheben. Der Unterschied ist augenfällig. Denn das eine ist die Anlage, der es der Mensch verdankt, Urheber seiner Handlungen zu sein, für deren moralischen Wert er verantwortlich ist. Das andere ist die Anlage, auf Grund welcher er Künstler ist, d. h. gemäß den Ansprüchen der Kunst zu handeln versteht, indem er die für sie spezifischen Vorschriften getreu annimmt. <312> Deshalb ist der Künstler fähig, Objekte herzustellen, aber das sagt an und <312> Die sittlichen Tugenden und darunter besonders die Besonnenheit lassen den Menschen nach dem Kriterium des sittlich Guten und des sittlich Bösen handeln: gemäß der recta ratio agibilium (des richtigen Kriteriums des Verhaltens). Die Kunst hingegen wird in der Philosophie als recta ratio factibilium (das richtige Kriterium der Realisierung) definiert. 664 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für sich noch nichts über seine moralischen Dispositionen aus. Denn hier handelt es sich nicht darum, sich selbst und seine eigene Persönlichkeit zu gestalten, sondern nur darum, operative Fähigkeiten nutzbringend anzuwenden und den mit dem Verstand konzipierten Ideen ästhetische Gestalt zu geben. Doch wenn der Unterschied zwischen diesen beiden Dispositionen, der moralischen und der künstlerischen, wesentlich ist, so ist der Zusammenhang zwischen beiden nicht weniger wichtig. Sie bedingen sich gegenseitig zutiefst. Beim Gestalten eines Werkes bringt der Künstler in der Tat sich selber soweit zum Ausdruck, dass seine Schöpfung einen einzigartigen Widerschein seines Seins, dessen also, was er ist und wie er es ist, darstellt. Das findet zahllose Bestätigungen in der Geschichte der Menschheit. Denn wenn der Künstler ein Meisterwerk gestaltet, ruft er nicht nur sein Werk ins Leben, sondern durch das Werk enthüllt er gewissermaßen auch seine eigene Persönlichkeit. In der Kunst findet er eine neue Dimension und ein einzigartiges Ausdrucksmittel für sein geistiges Wachstum. Durch die Werke, die er geschaffen hat, spricht und kommuniziert der Künstler mit den anderen. Die Kunstgeschichte ist darum nicht nur eine Geschichte von Werken, sondern auch von Menschen. Die Kunstwerke sprechen von ihren Urhebern, machen uns mit deren Innerstem bekannt und offenbaren den echten Beitrag, den die Künstler der Kulturgeschichte geben. Die Berufung des Künstlers im Dienst an der Schönheit 3. Ein bekannter polnischer Dichter, Cyprian Norwid, schreibt: „Die Schönheit ist dazu da, für das Werk zu begeistern, / das Werk, um aufblühen zu lassen“. <313> Das Thema Schönheit gehört zu einem Gespräch über die Kunst. Ich deutete es bereits an, als ich Gottes gefälligen Blick auf das Schöpftmgswerk hervorhob. Bei der Feststellung, dass alles, was er geschaffen hatte, gut war, sah Gott auch, dass es schön war. <314> Die Beziehung zwischen gut und schön regt zum weiteren Nachdenken an. Die Schönheit ist gleichsam der sichtbare Ausdruck des Guten, so wie das Gute die metaphysische Voraussetzung der Schönheit ist. Das haben die Griechen richtig verstanden, die durch Verschmelzung der beiden Begriffe eine Wendung prägten, die beide umfasst: „kalokagathia“, das heißt „das Schön-Gute“. Platon schreibt darüber: „Die Macht des Guten entflieht in die Natur des Schönen“. <315> Durch sein Leben und Tun legt der Mensch sein Verhältnis zum Sein, zur Wahrheit und zum Guten fest. Der Künstler erlebt eine besondere Beziehung zur Schönheit. Es ist sehr treffend, wenn man sagt, die Schönheit ist die vom Schöpfer durch das Geschenk des „künstlerischen Talentes“ an ihn gerichtete Berufung. Und mit Sicherheit ist auch das ein Talent, das nach der Logik des Gleichnisses von den <313> Promethidion: Bogumil, v. 185—186: Pisma wybrane, Warszawa 1968, vol. 2, p. 216. <314> Diesen Aspekt drückt die griechische Übersetzung der Septuaginta eindrucksvoll aus, wenn sie das Wort tob (gut) des hebräischen Textes mit kalön (schön) wiedergibt. ^ Philebos, 65 A. 665 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Talenten, wie es die Frohe Botschaft erzählt (vgl. Mt 25,14-30), Früchte bringen soll. Flier berühren wir einen wesentlichen Punkt. Wer in sich diesen göttlichen Funken der künstlerischen Berufung - zum Dichter, zum Schriftsteller, zum Maler, zum Bildhauer, zum Architekten, zum Musiker, zum Schauspieler... - spürt, nimmt gleichzeitig die Verpflichtung wahr, dieses Talent nicht zu vergeuden, sondern es zu entfalten, um es in den Dienst des Nächsten und der ganzen Menschheit zu stellen. Der Künstler und das Gemeinwohl 4. Die Gesellschaft braucht tatsächlich Künstler ebenso, wie sie Wissenschaftler, Techniker, Arbeiter, Fachleute, Glaubenszeugen, Lehrer, Vater und Mütter benötigt. Durch jene sehr erhabene Kunstform, die „Erziehungskunst“ heißt, sollen diese das Wachstum des einzelnen und die Entwicklung der Gemeinschaft gewährleisten. Die Künstler indes haben in dem umfassenden Kulturpanorama jeder Nation ihren eigenen Platz. Solange sie bei der Ausführung wirklich wertvoller und schöner Werke ihrer Eingebung folgen, bereichern sie ja nicht nur das Kulturgut jeder einzelnen Nation und der ganzen Menschheit, sondern leisten auch einen qualifizierten sozialen Dienst zum Nutzen des Gemeinwohls. Wahrend die unterschiedliche Berufung jedes Künstlers den Bereich seines Dienstes bestimmt, verweist sie auf die Aufgaben, die er zu übernehmen, die harte Arbeit, der er sich zu unterziehen, und die Verantwortung, der er sich zu stellen hat. Ein Künstler, der sich all dessen bewusst ist, weiß auch, dass er tätig sein muss, ohne sich von eitler Ruhmsucht oder von der Begierde nach oberflächlicher Popularität, geschweige denn von einer persönlichen Gewinnrechnung beherrschen zu lassen. Es gibt also eine Ethik, ja eine „Spiritualität“ des künstlerischen Dienstes, die auf ihre Weise zum Leben und zum Wiedererstehen eines Volkes beiträgt. Genau darauf scheint Cyprian Norwid anspielen zu wollen, wenn er sagt: „Die Schönheit ist dazu da, für das Werk zu begeistern, / das Werk, um aufblühen zu lassen“. Die Kunst vor dem Geheimnis des fleischgewordenen Wortes 5. Das Gesetz des Alten Testaments enthält ein ausdrückliches Verbot, den unsichtbaren und aussprechlichen Gott mit Hilfe „eines geschnitzten oder gegossenen Bildnisses“ (Dtn 27,15) darzustellen, da Gott jede materielle bildliche Darstellung übersteigt: „Ich bin der ,Ich-bin-da“‘ (Ex 3,14). Im Geheimnis der Menschwerdung jedoch hat sich der Sohn Gottes persönlich sichtbar gemacht: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ (Gal 4,4). Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden; dieser ist „der Mittelpunkt, 666 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN auf den man sich beziehen muß, um das Rätsel vom menschlichen Dasein, der geschaffenen Welt und von Gott selber begreifen zu können“. <316> Diese grundlegende Offenbarung Gottes als Geheimnis stand als Ermutigung und Herausforderung für die Christen auch auf der Ebene des künstlerischen Schaffens. Daraus erwuchs ein Erblühen von Schönheit, das eben von hier, aus dem Geheimnis der Menschwerdung, seinen Lebenssaft zog. Denn durch sein Menschwerden hat der Sohn Gottes in die Geschichte der Menschheit den ganzen evangelischen Reichtum der Wahrheit und des Guten eingeführt und damit auch eine neue Dimension der Schönheit enthüllt: Davon ist die evangelische Botschaft bis zum Rand voll. <316> JOHANNES PAUL II., Enzyklika Fides et ratio, 14. September 1998, Nr. 80: 445 91(1999)67. Die Heilige Schrift ist so gleichsam zu einem „unermeßlichen Wortschatz“ (P. Claudel) und „Bilderatlas“ (M. Chagall) geworden, aus welchen die christliche Kultur und Kunst geschöpft haben. Selbst das im Licht des Neuen Testaments ausgelegte Alte Testament hat unerschöpfliche Inspirationsströmungen offenbar werden lassen. Von den Berichten über die Schöpfung, den Sündenfall, die Sintflut, die Reihe der Patriarchen, den Auszug aus Ägypten bis hin zu den vielen Episoden und Personen der Heilsgeschichte hat der biblische Text die Phantasie von Malern, Dichtem, Musikern, Bühnenschriftstellem und Filmemachern angeregt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Eine Gestalt wie die des Hiob mit ihrer brennenden und stets aktuellen Problematik des Schmerzes weckt immer wieder das philosophische wie auch das literarische und künstlerische Interesse. Und was soll ich erst vom Neuen Testament sagen? Von der Geburt bis Golgota, von der Verklärung bis zur Auferstehung, von den Wundertaten bis zu den Lehrreden Christi und weiter bis zu den Ereignissen, die in der Apostelgeschichte erzählt oder von der Offenbarung des Johannes unter eschatologischem Aspekt dargestellt werden, ist das Wort der Bibel unzählige Male Bild, Musik und Dichtung geworden, die durch die Sprache der Kirnst das Geheimnis des „fleischgewordenen Wortes“ wachrufen. In der Kulturgeschichte bildet all das ein reiches Kapitel des Glaubens und der Schönheit. Nutzen davon trugen vor allem die Gläubigen für ihre Gebets- und Lebenserfahrung. In Zeiten mit geringer Alphabetisierung boten die bildlichen Bibeldarstellungen geradezu eine konkrete katechetische Glaubensvermittlung. <317> Aber für alle, ob gläubig oder nicht, bleiben die an der Heiligen Schrift inspirierten Kunstwerke ein Widerschein des unergründlichen Geheimnisses, das die Welt umgibt und in ihr wohnt. <317> Dieses pädagogische Prinzip wurde vom hl. Gregor dem Großen 599 in einem Brief an Bischof Serenus von Marseille in kompetenter Weise formuliert: „Die Malerei wird in den Kirchen verwendet, damit die Analphabeten wenigstens, wenn sie auf die Wände schauen, das lesen, was sie in den Codices nicht zu entziffern in der Lage sind” (Epistulae, IX, 209: CCL 140A, 1714). 667 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein fruchtbares Bündnis zwischen Evangelium und Kunst 6. In der Tat geht jede künstlerische Intuition über das hinaus, was die Sinne wahrnehmen, und bemüht sich, indem sie die Wirklichkeit durchdringt, deren verborgenes Geheimnis zu deuten. Die Intuition entspringt aus der Tiefe der menschlichen Seele, dort, wo das Bestreben, seinem Leben einen Sinn zu geben, einhergeht mit der flüchtigen Wahrnehmung der Schönheit und der geheimnisvollen Einheit der Dinge. Eine von allen Künstlern geteilte Erfahrung ist die von dem unüberwindlichen Unterschied, der zwischen dem noch so gelungenen Werk ihrer Hände und der am Höhepunkt des schöpferischen Aktes wahrgenommenen überwältigenden Vollkommenheit der Schönheit besteht: Alles, was sie in dem, was sie malen, meißeln, schnitzen und schaffen, auszudrücken vermögen, ist nur ein Schimmer jenes Glanzes, der für einige Augenblicke vor ihrem geistigen Auge aufleuchtete. Der Glaubende wundert sich darüber nicht: Er weiß, dass er für einen Augenblick an jenem Abgrund an Licht stehen durfte, der in Gott seine Urquelle hat. Muss man sich vielleicht wundem, wenn der Geist davon so überwältigt ist, dass er sich nur mit Gestammel ausdrücken kann? Niemand ist mehr als der wahre Künstler dazu bereit, seine Grenze zu erkennen und sich die Worte des Apostels Paulus zu eigen zu machen, wonach „Gott nicht in Tempeln wohnt, die von Menschenhand gemacht sind. Daher dürfen wir nicht meinen, das Göttliche sei wie ein goldenes oder silbernes oder steinernes Gebilde menschlicher Kunst und Erfindung“ (vgl. Apg 17,24.29). Wenn schon die innerste Wirklichkeit der Dinge immer ,jenseits“ der Fähigkeit zu menschlicher Durchdringung liegt, wie viel mehr gilt das für Gott in den Tiefen seines unergründlichen Geheimnisses! Von anderer Natur ist die Glaubenserkenntnis: Sie setzt eine persönliche Begegnung mit Gott in Jesus Christus voraus. Doch auch diese Erkenntnis kann aus der künstlerischen Intuition Nutzen ziehen. Ausdrucksvolles Vorbild einer sich im Glauben erhöhenden ästhetischen Betrachtung sind zum Beispiel die Werke des Beato Angelico. Nicht weniger vielsagend ist in diesem Zusammenhang der ekstatische Lobgesang, den der hl. Franz von Assisi, nachdem er auf dem Monte della Vema die Wundmale Christi empfangen hatte, auf einem Blättchen (chartula) zweimal wiederholte: „Du bist Schönheit... Du bist Schönheit!“. <318> Der heilige Bonaventura kommentiert: „Er betrachtete in den schönen Dingen über den Schönsten und, während er den in die Geschöpfe eingeprägten Spuren folgte, jagte er überall dem Geliebten nach“. <319> ° Lodi di Dio altissimo, V. 7 u. 10, in: Fonti Francescane, n. 261, Padua 1982, S. 177. <319> Legenda maior, IX, 1, in: Fonti Francescane, n. 1162, a.a.O., S. 911. Eine ähnliche Annäherung kann man in der orientalischen Spiritualität feststellen, wo Christus als „der Schönste, von größerer Schönheit als alle Sterblichen“ <320> bezeichnet wird. Makarios der Große erläutert die verklärende und befreiende Schönheit des Auferstandenen so: „Die Seele, die von der unsagbaren Schönheit <320> Enkomia der Matutin vom Karsamstag. 668 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der strahlenden Herrlichkeit des Antlitzes Christi voll erleuchtet wurde, ist vom Heiligen Geist erfülltsie ist ganz Auge, ganz Licht, ganz Angesicht“. Jede echte Form von Kunst ist, jeweils auf ihre Art, ein Zugang zur tiefsten Wirklichkeit des Menschen und der Welt. Als solcher stellt sie eine sehr wertvolle Annäherung an den Glaubenshorizont dar, wo das menschliche Dasein und seine Geschichte ihre vollendete Deutung finden. Genau deshalb musste ja die Fülle der Wahrheit, wie sie in den Evangelien entfaltet ist, von Anfang an das Interesse der Künstler wecken, die auf Grund ihrer Natur für alles empfänglich sind, was die innere Schönheit der Wirklichkeit offenbart. Die Anfänge 7. Die Kunst, der das Christentum in seiner Anfangszeit begegnete, war die reife Frucht der klassischen Welt, brachte deren ästhetische Gesetze zum Ausdruck und gab gleichzeitig ihre Werte weiter. Wie im Bereich des Lebens und Denkens, so verlangte der Glaube von den Christen auch auf dem Gebiet der Kunst ein Unterscheidungsvermögen, das die automatische Übernahme dieses Erbes nicht gestattete. Die Kirnst christlicher Inspiration begann daher im Stillen, in engem Zusammenhang mit dem Bedürfnis der Glaubenden Zeichen zu erarbeiten, mit denen man auf der Grundlage der Schrift die Geheimnisse des Glaubens und zugleich einen „Symbolkodex“ ausdrücken kann, mit dessen Hilfe die Glaubenden sich besonders in den schweren Zeiten der Verfolgung zu erkennen geben und zu identifizieren vermochten. Wer erinnert sich nicht an jene Symbole, die auch die ersten Anzeichen einer Mal- und Bildhauerkunst waren? Der Fisch, die Brote, der Hirt riefen das Geheimnis wach und wurden fast unmerklich zum Konzept einer neuen Kirnst. Als durch den Erlass Kaiser Konstantins den Christen gewährt wurde, sich in voller Freiheit zu äußern, wurde die Kunst zu einem bevorzugten Weg der Glaubensbekundung. Eine erste Blüte begann mit dem Bau imposanter Basiliken, wobei die architektonischen Gesetze des antiken Heidentums aufgegriffen und zugleich den Erfordernissen des neuen Kultes angepasst wurden. Muss man nicht wenigstens die alte Petersbasilika und die alte Lateranbasilika erwähnen, die Konstantin selbst errichten ließ? Oder als Beispiel für die prachtvolle byzantinische Kunst die auf Wunsch von Kaiser Justinian errichtete Hagia Sophia in Konstantinopel? Während die Architektur den heiligen Raum schuf, führte allmählich das Verlangen, sich in das Geheimnis zu vertiefen und es den einfachen Menschen auf unmittelbare Art und Weise anzubieten, zu den Anfangsäußerungen der Mal- und Bildhauerkunst. Zugleich entstanden die ersten Versuche einer Wort- und Tonkunst, und wenn Augustinus unter die vielen Themen seines Schaffens auch ein De musica aufnahm, so wurden Hilarius, Ambrosius, Prudentius, Ephram der Syrer, Gregor von Nazianz, Paulinus von Nola - um nur einige Namen zu nennen - zu 11 Homilie I, 2: PG 34, 451. 669 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Initiatoren einer christlichen Poesie, die häufig nicht nur einen hohen theologischen, sondern auch literarischen Wert erreicht. Ihr dichterisches Programm verwertete von den Klassikern überkommene Formen, schöpfte aber aus dem reinen Lebenssaft des Evangeliums, wie es der heilige Dichter aus Nola treffend aussprach: „Unsere einzige Kunst ist der Glaube, und Christus ist unser Gesang“. <321> Einige Zeit später schuf Gregor der Große mit der Sammlung „Antiphonarium“ seinerseits die Voraussetzung für die organische Entwicklung jener Kirchenmusik, die so originell war, dass sie nach ihm benannt wurde. Der gregorianische Gesang mit seinen inspirierten Modulationen sollte in den kommenden Jahrhunderten zur typischen melodischen Ausdrucksform des Glaubens der Kirche während der liturgischen Feier der heiligen Geheimnisse werden. So verband sich das „Schöne“ mit dem „Wahren“, damit die Seelen auch auf dem Wege über die Kunst vom Sinnlichen her zum Ewigen hin mitgerissen würden. „Atnobis ars unafides etmusica Christus”: Carmen 20,31- CCL 203, 144. Auf diesem Weg blieben schwierige Abschnitte nicht aus. Gerade im Zusammenhang mit dem Thema, wie das christliche Geheimnis dargestellt werden könne, erlebte die Antike eine erbitterte Auseinandersetzung, die unter dem Namen „Bilderstreit“ in die Geschichte einging. Der in der Frömmigkeit des Gottesvolkes bereits verbreitete Bilderkult wurde zum Gegenstand einer gewalttätigen Protestbewegung. Das 787 in Nicäa abgehaltene Konzil, das die Zulässigkeit der Bilder und ihrer Verehrung beschloss, war nicht nur für den Glauben, sondern gerade auch für die Kultur ein historisches Ereignis. Das entscheidende Argument, auf das sich die Bischöfe beriefen, um den Streit beizulegen, war das Geheimnis der Menschwerdung: Wenn der Sohn Gottes in die Welt der sichtbaren Wirklichkeiten eingetreten ist, indem er durch sein Menschsein eine Brücke zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren schlug, darf man analog annehmen, dass eine Darstellung des Geheimnisses in der Logik des Zeichens als sinnlich wahrnehmbare Evokation des Geheimnisses verwendet werden kann. Das Bild wird nicht um seiner selbst willen verehrt, sondern verweist auf den Gegenstand, den es darstellt. <322> Vgl. JOHANNES Paul II., Apostolisches Schreiben Duodecimum Saeculum, 4. Dezember 1987, Nm. 8-9: AAS 80(1988)247-249. Das Mittelalter 8. Die nachfolgenden Jahrhunderte waren Zeugen einer großartigen Entfaltung der christlichen Kunst. Im Osten ging die Blüte der Ikonenkunst weiter, gebunden an gewichtige theologische und ästhetische Regeln und getragen von der Überzeugung, dass die Ikone in gewissem Sinn ein Sakrament sei: Denn analog zu dem, was in den Sakramenten geschieht, macht sie das Geheimnis der Menschwerdung in deren einem oder anderem Aspekt gegenwärtig. Eben darum kann man die Schönheit der Ikone vor allem im Inneren einer Kirche genießen, wo Lampen brennen und im Halbschatten unzählige Lichtreflexe hervorrufen. Dazu schreibt 12 13 670 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Pavel Florenskij: „Das Gold, das im diffusen Tageslicht fremd, schwer und nichtig anmutet, lebt durch das flackernde Licht einer Lampe oder einer Kerze wieder auf, da es von Myriaden Funken — bald hier, bald da — erstrahlt und andere, nicht irdische Lichter ahnen läßt, die den Himmelsraum erfüllen“. <323> <323> Laprospettiva rovesciata eä altri scritti, Rom 1984, S. 63. Im Abendland gehen die Künstler, auch in Abhängigkeit von den in der kulturellen Umwelt ihrer Zeit vorhandenen Grundüberzeugungen, von den verschiedensten Gesichtspunkten aus. Zu den Kunstschätzen, die sich im Laufe der Jahrhunderte angehäuft haben, zählt eine reiche Fülle sakraler Kunstwerke hoher Inspiration, die auch den heutigen Betrachter mit Bewunderung erfüllen. An erster Stelle stehen die großartigen Kirchenbauten, bei denen sich die Zweckmäßigkeit immer mit der Eingebung verbindet und diese letztere sich vom Sinn für das Schöne und von der Intuition des Mysteriums inspirieren lässt. Daraus entstehen die in der Kunstgeschichte wohlbekannten Baustile. Kraft und Schlichtheit des romanischen Stils, wie sie in den Kathedralen oder in den Klosteranlagen zum Ausdruck kommen, führen nach und nach zu den schlanken Linien und zur herrlichen Pracht der Gotik. In diesen Formen steckt nicht nur der geniale Geist eines Künstlers, sondern die Seele eines Volkes. An dem Spiel von Licht und Schatten, an den bald massiven, bald schlanken Formen sind sicher bautechnische Überlegungen, aber auch Spannungen der Gotteserfahrung, die „schreckliches“ und „faszinierendes“ Geheimnis ist, beteiligt. Wie soll man in wenigen Andeutungen und für die verschiedenen Ausdrucksformen der Kunst die schöpferische Kraft der langen Jahrhunderte des christlichen Mittelalters zusammenfassen? Wenn auch in den immer vorhandenen Grenzen des Menschlichen, hatte sich eine ganze Kultur mit dem Evangelium vollgesogen, und dort, wo das theologische Denken die Summa des hl. Thomas hervorbrachte, bearbeitete die kirchliche Kunst die Materie für die Anbetung des Geheimnisses, wahrend ein so wunderbarer Dichter wie Dante Alighieri „das heilige Epos, / nach dem sowohl Himmel wie Erde gegriffen hat“ <324> verfassen konnte - die er selbst als Divina Commedia [Göttliche Komödie] bezeichnete. <324> Paradiso XXV, 1-2. Humanismus und Renaissance 9. Das fruchtbare kulturelle Klima, aus dem die außerordentliche künstlerische Blüte des Humanismus und der Renaissance erwächst, hat bedeutsame Auswirkungen auch auf die Art der Beziehung der Künstler dieser Zeit zur religiösen Thematik. Natürlich sind die Inspirationen ebenso vielfältig, wie es ihre Stile oder wenigstens jene der größten unter ihnen sind. Aber es ist nicht meine Absicht, Dinge zu erwähnen, die euch Künstlern nur zu gut bekannt sind. Wenn ich euch aus diesem Apostolischen Palast schreibe, der auch eine auf der Welt wohl einzigartige Schatzkammer von Meisterwerken ist, möchte ich mich vielmehr zur Stimme der größten Künstler machen, die hier die Fülle ihrer oft von großer spiri- 671 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tueller Tiefe durchdrungenen genialen Begabung ausgegossen haben. Von hier aus spricht Michelangelo, der in der Sixtinischen Kapelle von der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht das Drama und Geheimnis der Welt zusammengestellt hat, indem er Gottvater, dem Richter Christus und dem Menschen auf seinem mühseligen Weg von den Ursprüngen bis ans Ziel der Geschichte ein Gesicht gegeben hat. Von hier aus spricht der feinfühlige und tiefsinnige Genius eines Raffael, der in der Vielfalt seiner Gemälde, und das besonders in der „Disputa“ der Stanza della Segnatura, auf das Geheimnis der Offenbarung des dreieinigen Gottes hinweist, der in der Eucharistie zum Weggefährten des Menschen wird; damit wirft er ein Licht auf die Fragen und Erwartungen des menschlichen Denkens. Von hier aus, von der imposanten, dem Apostelfürsten geweihten Basilika, von den Kolonnaden, die von ihr wie zwei geöffnete Arme ausgehen, als wollten sie die Menschheit umgreifen, sprechen auch - um nur die größten zu nennen - ein Bramante, ein Ber-nini, ein Borromini, ein Mademo, indem sie den Sinn des Geheimnisses plastisch darstellen, das die Kirche zu einer universalen, gastfreundlichen Gemeinschaft, zur Mutter und Weggefährtin für jeden Menschen macht, der auf der Suche nach Gott ist. In diesem außergewöhnlichen Komplex, wo sie Höhen unvergänglichen Wertes sowohl in ästhetischer wie auch religiöser Hinsicht erreichte, hat die sakrale Kunst einen Ausdruck einzigartiger Wirkungskraft gefunden. Was sie unter dem Impuls des Humanismus und der Renaissance und der darauffolgenden Tendenzen in Kultur und Wissenschaft immer mehr kennzeichnet, ist ein wachsendes Interesse für den Menschen, die Welt und die Wirklichkeit der Geschichte. Diese Aufmerksamkeit stellt an und für sich überhaupt keine Gefahr für den christlichen Glauben dar, dessen Mittelpunkt das Geheimnis der Menschwerdung und somit die Aufwertung des Menschen durch Gott bildet. Das zeigen uns gerade die größten Künstler, die oben erwähnt wurden. Man braucht nur daran zu denken, wie Michelangelo in seinen Gemälden und Skulpturen der Schönheit des menschlichen Körpers Ausdruck verleiht. <325> Vgl. Johannes Paul II., Predigt während der hl. Messe anlässlich der Beendigung der Restaurierung der Fresken von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle, 8. April 1994: Insegnamenti 171 (1994), 899-904. Auch im neuen Klima der letzten Jahrhunderte, wo ein Teil der Gesellschaft dem Glauben gegenüber scheinbar gleichgültig geworden ist, riss übrigens die religiöse Kirnst nicht ab. Diese Feststellung gewinnt an Gewicht, wenn wir von den bildenden Künsten zur Betrachtung der großartigen Entwicklung übergehen, die innerhalb derselben Zeitspanne die Kirchenmusik erlebt hat, die für die liturgischen Bedürfnisse komponiert wurde oder auch nur an religiöse Themen gebunden war. Neben den unzähligen Künstlern, die sich ihr umfassend gewidmet haben - es seien wenigstens Pier Luigi da Palestrina, Claudio Monteverdi und Tomäs Luis de Victoria genannt -, haben uns bekanntlich auch auf diesem Gebiet viele große Komponisten - von Händel bis Bach, von Mozart bis Schubert, von Beethoven bis Berlioz, von Liszt bis Verdi - Werke höchster Inspiration geschenkt. 16 672 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf einen neuen Dialog zu 10. Es trifft freilich zu, dass sich in der Moderne neben diesem christlichen Humanismus, der nicht aufgehört hat, sich in Kultur und Kunst auszudrücken, zunehmend auch eine Form von Humanismus durchgesetzt hat, für den die Abwesenheit Gottes und häufig der Widerstand gegen ihn charakteristisch ist. Dieses Klima hat bisweilen, zumindest im Sinn eines verminderten Interesses vieler Künstler für religiöse Themen, zu einer gewissen Distanz zwischen der Welt der Kunst und jener des Glaubens geführt. Ihr wisst jedoch, dass die Kirche weiterhin eine hohe Achtung für den Wert der Kunst als solcher genährt hat. Diese hat nämlich, wenn sie echt ist, auch jenseits ihrer typisch religiösen Ausdrucksformen eine innere Nähe zur Welt des Glaubens, so dass sogar in den Situationen eines größeren Abrückens der Kultur von der Kirche gerade die Kunst weiter eine Art Brücke zur religiösen Erfahrung hin darstellt. Als Suche nach dem Schönen, Frucht einer das Alltägliche übersteigenden Einbildungskraft, ist sie ihrer Natur nach eine Art Anruf an das Mysterium. Selbst wenn er die dunkelsten Tiefen der Seele oder die erschütterndsten Seiten des Bösen ergründet, wird der Künstler gewissermaßen zur Stimme der universalen Erlösungserwartung. Man begreift also, warum die Kirche am Dialog mit der Kunst in besonderer Weise festhält und den Wunsch hat, dass in unserer Zeit ein neues Bündnis mit den Künstlern zustande komme, wie es mein ehrwürdiger Vorgänger Paul VT. in seiner beschwörenden Ansprache an die Künstler während der Begegnung in der Sixtinischen Kapelle am 7. Mai 1964 wünschte. <326> Von dieser Zusammenarbeit erhofft sich die Kirche eine neue „Epiphanie“ der Schönheit für unsere Zeit und entsprechende Antworten auf die Anliegen der christlichen Gemeinschaft. <326> Vgl. AAS 56(1964)438-444. Im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils 11. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Grundlagen gelegt für die Erneuerung der Beziehung zwischen Kirche und Kultur mit unmittelbaren Auswirkungen auch für die Welt der Kunst. Es ist eine Beziehung, die sich im Zeichen der Freundschaft, der Öffnung und des Dialogs darstellt. In der Pastoralkonstitution Gaudium et spes haben die Konzilsväter die „große Bedeutung“ der Literatur und der Künste im Leben des Menschen hervorgehoben: „Denn sie bemühen sich um das Verständnis des eigentümlichen Wesens des Menschen, seiner Probleme und seiner Erfahrungen bei dem Versuch, sich selbst und die Welt zu erkennen und zu vollenden; sie gehen darauf aus, die Situation des Menschen in Geschichte und Universum zu erhellen, sein Elend und seine Freude, seine Not und seine Kraft zu schildern und ein besseres Los des Menschen vorausahnen zu lassen“. <327> <327> Nr. 62. 673 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf diesem Fundament haben die Väter zum Abschluss des Konzils ein Grußwort und einen Appell an die Künstler gerichtet: „Diese Welt - so sagten sie in der wir leben, hat Schönheit nötig, um nicht in Verzweiflung zu verfallen. Die Schönheit legt, wie die Wahrheit, die Freude in das Herz des Menschen und ist eine kostbare Frucht, die dem zeitlichen Verschleiß widersteht, die Generationen verbindet und sie in der Bewunderung miteinander in Kommunikation treten läßt!“. <328> Genau in diesem Geist tiefer Achtung vor der Schönheit hatte die Konstitution über die Heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium an die historische Freundschaft der Kirche zur Kunst erinnert. Als sie im Besonderen von der sakralen Kunst als der „höchsten Form“ religiöser Kirnst sprach, hatte die Konstitution nicht gezögert, das Wirken der Künstler als „edlen Dienst“ anzusehen, wenn ihre Werke in der Lage sind, in gewisser Weise die unendliche Schönheit Gottes widerzuspiegeln sowie Geist und Sinn der Menschen auf ihn hinzulenken. <329> Auch ist es dem Beitrag der Künstler zu verdanken, dass „das Wissen um Gott besser verdeutlicht und die evangelische Botschaft dem Geist der Menschen zugänglicher“ wird. <330> Im Licht des eben Gesagten kann die Äußerung von P. Marie Dominique Chenu nicht überraschen, wonach selbst der Theologiehistoriker unvollständige Arbeit leisten würde, wenn er den literarischen wie auch bildnerischen Kunstwerken nicht die gebührende Aufmerksamkeit erwiese; stellen sie doch auf ihre Weise „nicht nur ästhetische Illustrationen, sondern richtige theologische ,Orte‘ dar“. <331> <328> Botschaft an die Künstler, Dezember 1965: AAS 58(1966)13. <329> Vgl. Nr. 122. <330> II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium etspes, Nr. 62. <331> La teologia nel XII secolo, Jaca Book, Mailand 1992, S. 9. Die Kirche braucht die Kunst 12. Um die Botschaft weiterzugeben, die ihr von Christus anvertraut wurde, braucht die Kirche die Kunst. Denn die Kirche soll die Welt des Geistes, des Unsichtbaren, die Welt Gottes wahrnehmbar, ja, so weit als möglich, faszinierend machen. Sie muss also das an sich Unaussprechliche in bedeutungsvolle Formeln übertragen. Nun besitzt die Kunst die eigentümliche Fähigkeit, den einen oder anderen Aspekt der Botschaft herauszugreifen und ihn in Farben, Formen, Töne umzusetzen, welche die Intuition des Betrachters oder Hörers begünstigen. Und das geschieht, ohne die Botschaft ihrer transzendenten Bedeutung zu berauben und ihr den Nimbus eines Geheimnisses zu nehmen. Die Kirche braucht im besonderen Leute, die all das auf literarischer und bildnerischer Ebene dadurch zu verwirklichen vermögen, dass sie mit den unendlichen Möglichkeiten der Bilder und ihrer symbolischen Bedeutungen arbeiten. Christus selbst hat der Entscheidung entsprechend, in der Menschwerdung selbst zur Ikone des imsichtbaren Gottes zu werden, in seiner Verkündigung umfassend von Bildern Gebrauch gemacht. 674 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ebenso braucht die Kirche Musiker. Wie viele Kirchenkompositionen sind im Laufe der Jahrhunderte von Menschen geschaffen worden, die zutiefst vom Sinn des Geheimnisses erfüllt waren! Unzählige Gläubige haben ihren Glauben von Melodien genährt, die im Herzen anderer Glaubender entstanden und Teil der Liturgie oder zumindest eine äußerst wirksame Hilfe für ihre würdevolle Gestaltung geworden sind. Im Gesang erfahrt sich der Glaube als überschwengliche Freude, Liebe und zuversichtliche Erwartung des rettenden Eingreifens Gottes. Die Kirche braucht Architekten, weil sie Räume benötigt, wo das christliche Volk sich versammeln und die Heilsgeheimnisse feiern kann. Nach den furchtbaren Zerstörungen des letzten Weltkrieges und der Expansion der Großstädte hat sich eine neue Architektengeneration an den Erfordernissen des christlichen Gottesdienstes versucht und damit die Kraft der Inspiration bestätigt, die das religiöse Thema auch gegenüber den architektonischen Kriterien unserer Zeit besitzt. Nicht selten wurden nämlich Gotteshäuser errichtet, die zugleich Orte des Gebetes und echte Kunstwerke sind. Braucht die Kunst die Kirche? 13. Die Kirche braucht also die Kunst. Kann man auch sagen, dass die Kunst die Kirche braucht? Die Frage mag provokant erscheinen. Tatsächlich aber hat sie, wenn sie richtig verstanden wird, ihre legitime und tiefgehende Begründung. Der Künstler sucht immer nach dem verborgenen Sinn der Dinge; seine quälende Sorge ist, dass es ihm gelinge, die Welt des Unaussprechlichen auszudrücken. Sieht man da nicht, welch große Inspirationsquelle für ihn jene Art von seelischer Heimat sein kann, wie sie die Religion darstellt? Werden etwa nicht im religiösen Bereich die wichtigsten persönlichen Fragen gestellt und die endgültigen existentiellen Antworten gesucht? In der Tat gehört die religiöse Frage zu den von den Künstlern jeder Epoche am meisten behandelten Themen. Die Kirche hat stets an deren kreative Fähigkeiten appelliert, damit sie die Botschaft des Evangeliums und ihre konkrete Anwendung im Leben der christlichen Gemeinschaft darstellen. Diese Zusammenarbeit war eine Quelle gegenseitiger geistiger Bereicherung. Nutzen gezogen hat daraus schließlich das Verständnis vom Menschen, seines authentischen Bildes und seiner Wahrheit. Zutage getreten ist auch die besondere Verbindung, die zwischen Kunst und christlicher Offenbarung besteht. Das soll nicht heißen, dass der geniale menschliche Geist nicht auch in anderen religiösen Umfeldern anregende Eindrücke gefunden hat. Man denke nur an die antike, besonders die griechische und römische Kunst und an die noch immer blühende Kunst der ältesten orientalischen Kulturen. Es ist jedoch wahr, dass das Christentum kraft des zentralen Dogmas von der Fleischwerdung des Wortes Gottes dem Künstler einen Horizont anbietet, der besonders reich an inspirierenden Motiven ist. Welche Verarmung wäre für die Kunst ein Aussetzen des unerschöpflichen Stromes des Evangeliums! 675 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Appell an die Künstler 14. Mit diesem Brief wende ich mich an euch, ihr Künstler auf der ganzen Welt, um euch meine Wertschätzung zu versichern und beizutragen zur Wiederanknüpfung einer noch nützlicheren Zusammenarbeit zwischen Kunst und Kirche. Meinerseits lade ich dazu ein, die Tiefe der geistlichen und religiösen Dimension wiederzuentdecken, wie sie zu allen Zeiten für die Kirnst in ihren edelsten Ausdrucksformen charakteristisch war. Aus dieser Perspektive appelliere ich an euch Künstler des geschriebenen und gesprochenen Wortes, des Theaters und der Musik, der bildenden Künste und der modernen Technologien der Kommunikation. Besonders wende ich mich an euch christliche Künstler: Ich möchte einen jeden daran erinnern, dass das seit jeher bestehende Bündnis zwischen Evangelium und Kunst über die funktionalen Erfordernisse hinaus die Aufforderung ein-schließt, mit schöpferischer Intuition in das Geheimnis des menschgewordenen Gottes und zugleich in das Geheimnis des Menschen einzudringen. Jeder Mensch ist in einem gewissen Sinn sich selbst unbekannt. Jesus Christus offenbart nicht nur Gott, sondern „er macht dem Menschen den Menschen selbst voll kund“. <332> In Christus hat Gott die Welt mit sich versöhnt. Alle Glaubenden sind aufgerufen, davon Zeugnis zu geben; aber an euch Männern und Frauen, die ihr euer Leben der Kunst gewidmet habt, liegt es, mit dem Reichtum eurer genialen Begabung zu sagen, dass in Christus die Welt erlöst wird: erlöst wird der Mensch, erlöst wird der menschliche Leib, erlöst wird die ganze Schöpfung, die, wie der hl. Paulus geschrieben hat, „sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes wartet“ (Röm 8,19). Sie erwartet die Offenbarung der Söhne Gottes auch durch die Kunst und in der Kunst. Das ist eure Aufgabe. Vom Kontakt mit den Kunstwerken erwartet sich die Menschheit aller Zeiten - auch die heutige -, über ihren Weg und ihre Bestimmung aufgeklärt zu werden. <332> II. VAT. Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium etspes, Nr. 22. Schöpfergeist und künstlerische Inspiration 15. In der Kirche ist häufig die Anrufung des Heiligen Geistes zu vernehmen: Veni, Creator Spiritus ... - „Komm, Heilger Geist, der Leben schafft, erfülle uns mit deiner Kraft. Dein Schöpferwort rief uns zum Sein: nun hauch uns Gottes Odem ein“. <333> <333> Hymnus bei der Vesper zum Pfingstfest. Auf den Heiligen Geist, „den Hauch“ [ruah], weist bereits das Buch Genesis hin: „Die Erde war wüst und leer, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser“ (1,2). Welch große Ähnlichkeit besteht zwischen den Worten „Hauch - Hauchen“ und „Einhauchung“, Inspiration! Der Geist ist der geheimnisvolle Künstler des Universums. Im Ausblick auf das dritte Jahrtausend möchte ich allen Künstlern wünschen, dass sie reichlich das Geschenk jener schöp- 676 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ferischen Inspirationen empfangen können, von denen jedes echte Kunstwerk seinen Anfang nimmt. Liebe Künstler, ihr wisst sehr wohl: Es gibt viele innere und äußere Anregungen, die euer Talent inspirieren können. Jede echte Inspiration jedoch enthält etwas von dem Rauschen jenes „Hauches“, mit dem der Schöpfergeist von Anbeginn das Schöpfungswerk durchdrang. Während er über die geheimnisvollen Gesetze wacht, die das Universum lenken, trifft der göttliche Hauch des Schöpfergeistes mit dem Geist des Menschen zusammen und stimuliert dessen schöpferische Begabung. Er erreicht den menschlichen Geist durch eine Art innere Erleuchtung, welche die Anlage des Guten und des Schönen miteinander verbindet, und weckt in ihm die Kräfte des Verstandes und des Herzens, während er ihn dazu befähigt, eine Idee zu konzipieren und ihr im Kunstwerk Gestalt zu geben. Man spricht dann zu Recht, wenngleich in analoger Weise, von „Gnadenmomenten“, weil der Mensch die Möglichkeit hat, eine Erfahrung des ihn übersteigenden Absoluten zu machen. Die „Schönheit“, die rettet 16. An der Schwelle des dritten Jahrtausends wünsche ich euch allen, liebe Künstler, dass ihr mit besonderer Intensität von diesen schöpferischen Inspirationen erreicht werdet. Die Schönheit, die ihr an die Generationen von morgen weitergebt, möge so beschaffen sein, dass sie in ihnen das Staunen weckt! Angesichts der Heiligkeit des Lebens und des Menschen, angesichts der Wunder des Universums ist die einzig angemessene Haltung die des Staunens. Aus diesem Staunen heraus wird jene Begeisterung entspringen können, von der Norwid in dem Gedicht spricht, auf das ich mich am Anfang bezogen habe. Solche Begeisterung brauchen die Menschen von heute und morgen, um sich den entscheidenden Herausforderungen, die sich am Horizont ankündigen, zu stellen und sie zu bewältigen. Ihr ist es zuzuschreiben, dass sich die Menschheit nach jeder Verwirrung wieder auflichten und ihren Weg neu aufhehmen kann. Genau in diesem Sinn hat man mit tiefer intuitiver Erkenntnis gesagt, dass „die Schönheit die Welt retten wird“. <334> <334> F. DOSTOJEWSKI!, Der Idiot, III. Teil, Kap. V. Die Schönheit ist Chiffre des Geheimnisses und Hinweis auf das Ewige. Sie ist Einladung, das Leben zu genießen und von der Zukunft zu träumen. Deshalb vermag die Schönheit der geschaffenen Dinge nicht zu befriedigen und weckt jene heimliche Sehnsucht nach Gott, die ein so leidenschaftlicher Liebhaber des Schönen wie der hl. Augustinus mit unvergleichlichen Worten einzufangen wusste: „Spät hab ich dich geliebt, du Schönheit, ewig alt und ewig neu, spät hab ich dich geliebt!“. <335> <335> „Sero te amavi/ Pulchritudo tarn antiqua et tarn nova, sero te amavil”: Confessiones 10,27,38: CCL 27, 251. 677 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich wünsche euch Künstlern der Welt, dass eure vielfältigen Pfade alle zu jenem unendlichen Ozean der Schönheit fuhren mögen, wo das Staunen zu trunkener Bewunderung und unsagbarer Freude wird. Ich wünsche euch, dass das Geheimnis des auferstandenen Christus, dessen Betrachtung sich die Kirche in diesen Tagen mit Freude hingibt, eure Arbeit inspiriere. Es begleite euch die heilige Jungfrau Maria, die „Tota Pulchra“, die unzählige Künstler dargestellt haben und die der große Dante im Strahlenkranz des Paradieses betrachtet als „Schönheit und Freude, die allen anderen Heiligen vor Augen stand“. <336> <336> Paradiso XXXI, 134-135. „Aus dem Chaos taucht die Welt des Geistes auf1. Aus den Worten, die Adam Mickiewicz in einem Augenblick großen Leidens für die polnische Heimat schrieb, <337> leite ich einen Wunsch für euch ab: Eure Kirnst trage dazu bei, die wahre Schönheit herauszustellen, die als eine Art Widerschein des Geistes Gottes die Materie verwandle und dem Inneren der Menschen den Sinn für das Ewige erschließe. <337> Oda do mlodosci, 69: Wybörpoezji, Wroclaw 1986, vol. 1, p. 63. Das wünsche ich euch aus ganzem Herzen! Aus dem Vatikan, am 4. April, Ostersonntag 1999. Joannes Paulus PP. II 678 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In Solidarität die Kultur des Hasses und der Gewalt überwinden Botschaft vor dem Segen Urbi et Orbi am Ostersonntag, 4. April 1. „Haec est dies quam fecit Dominus. “ „Das ist der Tag, den der Herr gemacht.“ Wir lesen im Buch Genesis, dass am Anfang die Schöpfungstage waren, in denen Gott „Himmel und Erde und ihr ganzes Gefüge vollendete“ (2,1). Er schuf den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis, und am siebten Tag ruhte er (vgl. 2,2). Im Verlauf der Ostemacht hörten wir diese eindrucksvolle Erzählung, die uns zum Anfang des Universums zurückfuhrt, als Jahwe den Menschen zum Verwalter der Schöpfung einsetzte und ihn seines Lebens teilhaftig machte. Er schuf den Menschen, damit er der Lebensfülle lebe. Aber die Sünde gewann die Oberhand, und mit ihr trat der Tod in die menschliche Geschichte ein. Durch die Sünde wurde der Mensch gleichsam von den Schöpfungstagen abgeschnitten. 2. Wer konnte die Verbindung zwischen Erde und Himmel, zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer wiederherstellen? Die Antwort auf diese Frage, die dem Menschen keine Ruhe lässt, kommt von Christus, der die Ketten des Todes zerbrach und über die Menschen den Glanz seines Lichtes erstrahlen ließ. Deshalb dürfen wir heute morgen der Welt zurufen: Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat. Es ist ein neuer Tag: Christus ist in die menschliche Geschichte hingetreten und hat ihren Lauf geändert: Es ist das Geheimnis der neuen Schöpfung, deren staunende Zeugen wir durch die Liturgie in diesen Tagen wurden. Durch seinen Opfertod am Kreuz hat Christus die Verdammnis der alten Schuld aufgehoben und die Gläubigen der Liebe des Vaters zugeführt. ,,Felix culpa quae tantum ac talem meruit habere Redemptorem!“ „O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden!“ So heißt es im Osterlob. Indem er den Tod auf sich nahm, hat Christus den Tod besiegt. Durch seien Tod hat er Adams Sünde getilgt. Sein Sieg ist der Tag unserer Erlösung. 3. „Haec est dies quam fecit Dominus. “ Der Tag, den der Herr gemacht, ist ein Tag des Staunen. Nach dem Sabbat kamen in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche „Maria aus Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen“ {Mt 28,1). Als erste fanden sie das Grab leer. Als bevorzugte Zeuginnen der Auferstehung des Herrn überbrachten sie den Aposteln die Nachricht. Dann liefen Petrus und Johannes zum Grab, und sie sahen und glaubten. Christus hat sie als seine Jünger erwählt, mm werden sie seine Zeugen. So vollendet sich ihre Berufung: Zeugen zu sein für das erstaunlichste Geschehen der Geschichte, das leere Grab und dann die Begegnung mit dem Auferstandenen. 679 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. „Haec est dies quam fecit Dominus. “ Das ist der Tag, an dem jeder Gläubige, wie die Jünger, aufgerufen ist, die überraschende Neuheit des Evangeliums zu verkünden. Aber wie kann diese Botschaft der Freude und Hoffnung ankommen, wenn Trauer und Tränen viele Teile der Welt überfluten? Wie kann man vom Frieden sprechen, wenn man Volksgruppen zur Flucht zwingt, wenn man Menschen veijagt und ihnen das Dach über dem Kopf abbrennt? Wie kann man vom Frieden sprechen, wenn der Himmel vom Donner des Krieges erbebt, wenn über den Wohnhäusern das Zischen der Geschosse widerhallt und ein Feuermeer von Bomben die Städte und Dörfer zerstört? Genug des grausamen Blutvergießens der Menschen! Wann wird die teuflische Spirale der Rache und irrsinnigen Brudermorde endlich brechen? 5. Vom auferstandenen Herrn erflehe ich das kostbare Geschenk des Friedens vor allem für die gemarterte Erde des Kosovo, wo Tränen und Blut sich weiter vermischen in einem dramatischen Szenarium von Hass und Gewalt. Ich denke an die Ermordeten, an die Obdachlosen, an die getrennten Familien, an die weit zerstreuten Flüchtlinge. Die Solidarität aller möge sich mobilisieren, damit endlich wieder die Brüderlichkeit und der Frieden das Wort haben! Kann es uns kalt lassen, wenn ein Strom leidender Männer und Frauen aus dem Kosovo an unsere Türen klopft und um Hilfe fleht? An diesem heiligen Tag spüre ich die Pflicht, aus tiefem Kummer einen Aufruf an die Regierenden der Bundesrepublik Jugoslawien zu richten: Sie mögen die Öffnung eines humanitären Korridors gestatten, der es ermöglicht, den Bevölkerungsgruppen Hilfe zu bringen, die an der Grenze des Kosovo versammelt sind. Für das Werk der Solidarität darf es keine Grenzen geben; Korridore der Hoffnung sind immer nötig. 6. Ich denke auch an die Gebiete in Afrika, wo besorgniserregende Kriegsherde immer noch nicht gelöscht sind; an die Völker Asiens, wo gefährliche soziale Spannungen nicht nachlassen; an die Länder Lateinamerikas, die bemüht sind, auf dem mühsamen und steinigen Weg für größere Gerechtigkeit und Demokratie voranzuschreiten. Angesichts dieser andauernden Zeichen des Krieges, dieser vielen schmerzlichen Niederlagen des Lebens ermutigt uns Christus, der Sieger über Sünde und Tod, nicht aufzugeben. Der Frieden ist möglich, der Frieden ist Pflicht, der Frieden ist vorrangige Verantwortung aller! Möge das heraufziehende dritte Jahrtausend den Anbruch einer neuen Ära schauen, in der die Achtung für jeden Menschen und die brüderliche Solidarität unter den Völkern mit Gottes Hilfe die Kultur des Hasses, der Gewalt und des Todes überwinden. 680 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. An diesem Tag ruft die Kirche auf dem ganzen Erdkreis zur Freude auf: „Erschienen ist der freudenreiche Tag, den wir alle ersehnt haben. Heute ist Christus erstanden. Halleluja, halleluja!“ (Polnisches Lied aus dem 17. Jh.). „Haec est dies quam fecit Dominus: Exultet et laetemur in ea. “ „Das ist der Tag, den der Herr gemacht, laßt uns jubeln und seiner uns freun.“ Ja heute ist der Tag des Jubels und der Freude. Maria freut sich, nachdem sie auf Golgota mit dem heilbringenden Kreuz des Sohnes verbunden wurde. „Regina caeli, laetare. “ Mit dir, Mutter des Auferstandenen, dankt die Kirche Gott für das Wunder des neuen Lebens, das Ostern jedes Jahr für Rom und die ganze Welt, Urbi et Orbi, bereithält! Christus ist das neue Leben: Er, der Auferstandene! Gewalt löst keine Konflikte Botschaft an Alexij II., Patriarch von Moskau und ganz Russland, vom 18. April An Seine Heiligkeit Alexij II., Patriarch von Moskau und ganz Rußland! Es ist mir zur Kenntnis gelangt, dass Ihre Heiligkeit in sehr naher Zukunft nach Belgrad reisen wird, in die Hauptstadt jenes Landes, das Schauplatz eines bewaffneten Konflikts ist, der unsagbares menschliches Leid verursacht. Es haben mich höchst besorgniserregende Berichte über die Situation in der Bundesrepublik Jugoslawien erreicht, und ich selbst bin von dieser Angelegenheit tief beunruhigt. Daher tröstet mich der Gedanke, dass Ihre Heiligkeit sich dorthin begeben und dem ehrwürdigen Patriarchen Pavle und der serbischen Kirche einen Besuch abstatten wird, um auf diese Weise die österliche Friedensbotschaft zu verkünden und die christliche Solidarität mit allen Opfern von Verfolgung und Gewalt, die diese Gegend leider schon seit allzu langer Zeit geprägt haben, zum Ausdruck zu bringen. Es ist meine feste Hoffnung, dass die Menschen, die Sie treffen werden, die von Ihnen überbrachte Botschaft aufhehmen und darin den einzigen Weg zur Wiederherstellung von Frieden und Stabilität erkennen, damit jeder Mensch, was immer seine ethnische, religiöse oder politische Zugehörigkeit auch sein mag, harmonisch mit den anderen Zusammenleben kann. Alle, die sich zum Evangelium des Friedens bekennen, haben die Pflicht, einmütig zu verkünden, dass jede Art von Gewalt, ethnischer Säuberung, Deportation der Bevölkerung und Ausschluss von Völkern aus dem Sozialleben nicht als Mittel zum Erreichen von annehmbaren Lösungen für solche Probleme anzusehen sind, die nur durch das Gesetz beachtende Vorgehensweisen beigelegt werden können. Allzu oft scheint Gewalt die einfachste Formel für die Lösung schwieriger Situationen zu sein. 681 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihnen im Gebet verbunden, bitte ich den auferstandenen Herrn, seinen Segen über jene auszugießen, die jetzt sogar der grundlegendsten Mittel beraubt sind, und den Frieden in dieser geliebten Region, die schon zu lange gelitten hat, herrschen zu lassen. Möge Ihr Besuch sich als fruchtbar erweisen und uns allen helfen, bei einem solchen menschlichen Drama Trost bringen zu können! Die Gnade und der Frieden unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes seien mit Ihnen (vgl. 2 Kor 13,13)! Aus dem Vatikan, am 18. April 1999 Joannes Paulus PP. II Glaubwürdige Verkünder der Osterbotschaft durch praktizierte Nächstenliebe Predigt bei der Heiligsprechung von Marcellin Benoit Champagnat, Giovanni Calabria und Agostina Livia Pietrantoni am 18. April 1. „Und als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen. Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn“ (L& 24,30-31). Vorhin haben wir diese Worte aus dem Lukasevangelium wieder einmal gehört: Sie berichten von der Begegnung Jesu mit den zwei Jüngern auf ihrem Weg ins Dorf Emmaus am Auferstehungstag selbst. Dieses unerwartete Treffen flößt Freude in die Herzen der beiden traurigen Wanderer ein und entzündet in ihnen eine neue Hoffnung. Das Evangelium berichtet, dass sie - als sie ihn erkannt hatten - noch in derselben Stunde aufbrachen und nach Jerusalem zurückkehrten (vgl. Lk 24,33). Sie empfanden das Bedürfnis, die Apostel darüber zu informieren, „was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach“ (Lk 24,35). Der Wunsch, für Jesus Zeugnis abzulegen, ergibt sich im Herz der Glaubenden aus der persönlichen Begegnung mit ihm. So ist es bei den drei neuen Heiligen geschehen, die ich heute mit Freude zur Ehre der Altäre erhebe: Marcellin Benoit Champagnat, Giovanni Calabria und Agostina Livia Pietrantoni. Sie haben ihre Augen für die Zeichen der Gegenwart Christi geöffnet: Sie haben ihn in der Eucharistie verehrt und empfangen, ihn in ihren bedürftigen Brüdern und Schwestern geliebt und die Spuren seines Heilsplans in den Ereignissen des täglichen Lebens erkannt. Es brannte ihnen das Herz, wenn sie sein Wort hörten und seine Gesellschaft pflegten. Welch unbeschreibliche Faszination übt die geheimnisvolle Gegenwart des Herrn in den Menschen aus, die ihn aufnehmen! Das ist die Erfahrung der Heiligen. Es ist dieselbe spirituelle Erfahrung, die auch wir machen können, die wir auf den Straßen der Welt zur himmlischen Heimat unterwegs sind. Auch 682 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN uns kommt der Auferstandene mit seinem Wort entgegen, und im Sakrament des eucharistischen Brotes, das zur Rettung der ganzen Menschheit gebrochen wird, offenbart er uns seine unendliche Liebe. Mögen die Augen unseres Geistes sich seiner Wahrheit und Liebe öffnen, so wie es bei Marcellin Benoit Champagnat, Don Giovanni Calabria und Sr. Agostina Livia Pietrantoni geschehen ist. 2. „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloß?“ (Lk 24,32). Dieses brennende Verlangen nach Gott, das den Emmausjüngem innewohnte, zeigte sich ganz deutlich auch bei Marcellin Champagnat, einem Priester, der von der Liebe zu Jesus und Maria eingenommen war. Dank seines unerschütterlichen Glaubens blieb er Christus trotz aller Schwierigkeiten treu - inmitten einer Welt, die den Sinn für Gott manchmal verloren zu haben schien. Auch wir sind aufgefordert, unsere Kraft auf der Betrachtung des auferstandenen Christus zu schöpfen, indem wir uns am Beispiel der Jungfrau Maria orientieren. Der hl. Marcellin verkündete das Evangelium mit einem wahrhaft brennenden Herzen. Er hatte ein Gespür für die geistigen und erzieherischen Bedürfnisse seiner Zeit, vor allem für religiöse Unkenntnis und für die Situationen der Verlassenheit, die sich vor allem bei der Jugend fanden. Sein Sinn für Seelsorge ist für die Priester vorbildlich: Sie sind berufen, die Frohbotschaft zu verkünden, sollen aber auch echte Erzieher für die Jugendlichen sein, die nach dem Sinn ihres Daseins suchen, indem sie jeden von ihnen auf dem Weg begleiten und ihnen die Heilige Schrift erschließen. Pater Champagnat ist darüber hin aus ein Beispiel für Eltern und Erzieher: Er hilft ihnen, voller Hoffnung auf die Jugendlichen zu schauen und sie mit einer vollkommenen Liebe zu lieben, die eine wahrhafte menschliche, sittliche und geistige Formung fordert. Marcellin Champagnat lädt uns auch ein Missionare zu sein, um Jesus Christus bekannt zu machen und die Liebe zu ihm zu wecken, wie es die Maristenbrüder bis in die fernen Länder von Asien und Ozeanien getan haben. Mit Maria als Leiterin und Mutter ist der Christ Missionar und Diener der Menschen. Bitten wir den Herrn um ein genauso brennendes Herz wie das des hl. Marcellin Champagnat, damit wir ihn erkennen und seine Zeugen sein können. 3. „Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen“ (Apg 2,32). „Dafür sind wir alle Zeugen“: Es ist Petrus, der hier im Namen der Apostel spricht. In seiner Stimme erkennen wir auch die unzähliger anderer Jünger, die im Laufe der Jahrhunderte ihr Leben zu einem Zeugnis für den gestorbenen und auferstandenen Herrn gestaltet haben. Diesem Chor schließen sich die heute kanonisierten Heiligen an, darunter auch Don Giovanni Calabria, ein beispielhafter Zeuge der Auferstehung. In ihm erstrahlen brennender Glaube, aufrichtige Liebe, Opferbereitschaft, Liebe zur Armut, Eifer für die Seelen und Treue zur Kirche. Im Jahr des Vaters, das uns zum Großen Jubeljahr 2000 hinführt, sind wir eingeladen, die Tugend der Nächstenliebe bestmöglich herauszustellen. Das gesamte irdische Dasein Giovanni Calabrias war ein lebendes Evangelium, von Liebe überflie- 683 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ßend: Liebe zu Gott und Liebe zu den Brüdern, vor allem den ärmsten. Quellen seiner Nächstenliebe waren das grenzenlose Vertrauen und die kindliche Hingabe, die er über dem himmlischen Vater hegte. Vor seinen Mitarbeitern wiederholte er gerne die Worte aus dem Evangelium: „Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ {Mt 6,33). 4. Das evangeliumsgemäße Ideal der Nächstenliebe, vor allem gegenüber den Kleinen, Kranken und Verlassenen, hat auch Agostina Livia Pietrantonti, zu den Gipfeln der Heiligkeit geführt. In der Schule der hl. Jeanne-Antide Thouret erzogen, hatte Sr. Agostina verstanden, dass die Liebe zu Jesus einen selbstlosen Dienst für die Brüder fordert. In ihrem Antlitz, und besonders in dem der Bedürftigen, strahlt nämlich das Antlitz Christi. „Gott allein“ war der „Kompass“, der ihr für alle Entscheidungen ihres Lebens als Orientierungshilfe diente. „Du sollst lieben“, dieses erste und grundlegende Gebot, das an den Beginn der Lebensregel der Töchter der Liebe gestellt wurde, war die Quelle der Inspiration für die Gesten der Solidarität dieser neuen Heiligen, der innerliche Ansporn, der ihr im Hinschenken ihrer selbst an die anderen als Stütze diente. Im ersten Petrusbrief, den wir vor kurzem gehört haben, steht zu lesen, dass die Erlösung,glicht um einen vergänglichen Preis ... nicht um Silber und Gold“ erfolgt ist, „sondern mit dem kostbaren. Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“ (7 Petr 1,18-19). Schwester Agostina Livia Pietrantoni war sich des unendlichen Wertes des Blutes Christi, das für uns vergossen wurde, bewusst, und dieses Bewusstsein brachte sie dazu, auf die Liebe Gottes mit einer gleichermaßen großzügigen und bedingungslosen Liebe zu antworten, die im bescheidenen und treuen Dienst an den „lieben Armen“, wie sie zu sagen pflegte, zum Ausdruck kam. Sie war zu jedem Opfer bereit, und als heldenhafte Zeugin der Nächstenliebe bezahlte sie den Preis der Treue zur Liebe mit ihrem Blut. Mögen ihr Vorbild und ihre Fürsprache einen neuen apostolischen Elan für die Gemeinschaft der Töchter der Liebe bewirken, deren 200. Gründungsjubiläum dieses Jahr gefeiert wird. 5. „Bleib doch bei uns; denn es wird bald Abend, der Tag hat sich schon geneigt“ (Lk 24,29). Die beiden müden Wanderer bitten Jesus, in ihrem Haus haltzumachen und ihr Mahl mit ihnen zu teilen. Bleib bei uns, auferstandener Herr! Das ist auch unser täglicher Wunsch. Wenn du bei uns bleibst, ist unser Herz in Frieden. Begleite uns auf unserem persönlichen und kirchlichen Weg, wie du die Jünger nach Emmaus begleitet hast. Öffne unsere Augen, damit wir die Zeichen deiner unerfasslichen Gegenwart erkennen können. Mach uns folgsam, damit wir deinem Geist zuhören. So werden wir, jeden Tag von deinem Leib und Blut genährt, dich erkennen können und dir in unseren Brüdern dienen. 684 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maria, Königin der Heiligen, hilf uns, am Glauben und an der Hoffnung auf Gott festzuhalten (vgl. I Petr 1;21). Heiliger Marcellin Benoit Champagnat, hl. Giovanni Calabria und hl. Agostina Livia Pietrantoni, bittet für uns! Der Weg des Dialoges ist immer möglich Schreiben an den Erzbischof von Belgrad, Franc Perko, vom 19. April An den verehrten Bruder Msgr. Franc Perko, Erzbischof von Belgrad und Präsident der Bischofskonferenz von Jugoslawien Mit tiefem Schmerz verfolge ich Tag für Tag das Verschlimmern der tragischen humanitären Lage in den verschiedenen Regionen Jugoslawiens und vor allem im Kosovo. Mit besonderer Zuneigung bin ich weiter den Hirten und Gläubigen der katholischen Gemeinschaften wie auch allen Menschen guten Willens ganz nahe, die bemüht sind, denen zu helfen, die im gegenwärtigen Augenblick am meisten leiden, weil sie der Zuneigung ihrer Lieben beraubt, mit Gewalt aus ihren Häusern entfernt und zu Unrecht gezwungen sind, weit entfernt von ihrem eigenen Land zu leben. Zugleich möchte ich Ihnen, verehrter Bruder, und allen Bischöfen Jugoslawiens versichern, dass der Apostolische Stuhl mit seinem Einsatz für den Frieden fortfahren wird, damit der auf so tragische Weise geprüften Bevölkerung, insbesondere des Kosovo, weitere Leiden erspart bleiben. Schließlich seien alle Verantwortlichen des nationalen und des internationalen Lebens daran erinnert, dass der Weg des Dialogs immer möglich ist und dass dieser Weg stets dahin fuhren kann, ehrenhafte Lösungen unter den Parteien zu finden in der Achtung vor den Männern und Frauen eines Landes, die alle Kinder des einen Vaters im Himmel sind. Das ist in dieser tragischen Stunde auch das Gebet der ganzen Kirche, die euch mehr denn je nahe ist und mit einer Stimme zum Herrn fleht, dass er bald über eurem geliebten Land den Stern des Friedens aufgehen lasse in der Achtung vor den Rechten jedes Geschöpfes Gottes. In diesem Sinn sende ich Ihnen, verehrter Bruder, wie auch allen Bischöfen Jugoslawiens meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 19. April 1999 Joannes Paulus PP. II 685 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Friede ist tägliche Verpflichtung für alle Grußworte bei der Audienz für die Teilnehmer am Kolloquium der „Gorbatschow-Stiftung“ am 22. April Herr Präsident, meine Damen und Herren! 1. Mit großer Freude heiße ich diese berühmte Versammlung von Friedensnobelpreisträgem willkommen, die hier in Rom zu einer wichtigen Studientagung über die politischen Herausforderungen des neuen Jahrhunderts zusammengekommen sind. Insbesondere grüße ich Seine Exzellenz Michail Gorbatschow, den Präsidenten der Stiftung für soziale, wirtschaftliche und politische Forschung, die diesen internationalen Gedankenaustausch organisiert hat. Ich danke ihm herzlichst für die im Namen aller an mich gerichteten Worte. 2. Die Sache des Friedens steht im Mittelpunkt des politischen Lebens. Ihr Treffen findet daher zu einem ganz besonders tragischen Zeitpunkt für Europa statt. Keineswegs dürfen wir zögern, den dringenden Aufruf zur Beendigung der ethnischen Konflikte auf dem Balkan und der bewaffneten Auseinandersetzungen zu erneuern und für die Wiederaufnahme des Dialogs und die Achtung der Würde aller Menschen und Gemeinschaften im Namen der menschlichen Grundrechte zu plädieren! Ebenso können wir die menschlichen Tragödien in zahlreichen anderen Teilen der Welt, insbesondere in Afrika und Asien, nicht ignorieren. Ihre bedeutende Arbeit, die Sie im Namen des Friedens und der Versöhnung geleistet haben, geben Ihnen fortwährende Verantwortung im Kampf um die Anerkennung des unermesslichen Wertes jedes Menschen, die Gewissensbildung und die Förderung brüderlicher und friedlicher Koexistenz zwischen Menschen und Völkern. Dieses Treffen, an dem Sie, Menschen unterschiedlicher kultureller und nationaler Abstammung teilnehmen, zeigt, dass Frieden nur dann verwirklicht werden kann, wenn wir über eine auf Rasse, Religion, Nationalismus oder generell auf die Ausgrenzung anderer eingeschränkte Sicht des Menschen und der Gesellschaft hinausgehen. Friedensbemühungen erfordern Offenheit für das Leben und die Erfahrungen unserer Brüder und Schwestern und aufrichtiges Bemühen zur Achtung ihrer Würde und Freiheit. 3. Auf der Schwelle des neuen Jahrtausends soll die Menschheit ermutigt werden, mit Entschlossenheit den Weg zu wahrem und dauerhaftem Frieden zu gehen und sich für den Aufbau einer Zivilisation einzusetzen, die auf dem Wunsch nach einer die Verschiedenheit der Völker, ihrer Geschichte, Kulturen und geistigen Traditionen achtenden Koexistenz begründet ist. Globalisierung darf nicht zu neuen Antagonismen führen, sondern vielmehr zum Verwerfen bewaffneter Konflikte, engstirniger nationalistischer Einstellungen und jeder Art von Gewalttätigkeit. Das ist die Voraussetzung für die Entwicklung wahrer Solidarität, die jedem bewusst machen wird, dass Frieden die Annahme von Verschiedenheit erfordert, die 686 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zurückweisung jeder Aggressivität gegenüber anderen und das Verlangen, durch Dialog und Zusammenarbeit eine stets gerechtere und brüderlichere Gesellschaft aufzubauen. Frieden ist keine vage Idee oder ein Traum; vielmehr handelt es sich um eine Realität, die Tag für Tag mildem Einsatz aller sorgfältig aufgebaut werden muss. Das Bemühen um Frieden ist eines der edelsten Ziele, für das sich der Mensch in seiner oder ihrer Nation und in der internationalen Gemeinschaft einset-zen kann. Diejenigen, die versuchen, für die Sache des Friedens einzutreten, sollten intensiv unterstützt werden, denn Ziel ihrer Bemühungen ist die Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen, die Verwirklichung einer Gesellschaft, in der jede Person seinen oder ihren Platz hat, in der alle ein friedliches und einträchtiges Leben führen und die von ihrem Schöpfer erhaltenen Gaben für ihre persönliche Entfaltung und zum Wohl aller einsetzen können. 4. Grundlage der menschlichen Würde ist für den Christen jene Liebe, die Gott ausnahmslos jedem einzelnen entgegenbringt; und wahrer Frieden ist ein Geschenk, das uns immerfort angeboten und zuteil wird. Trotz der Gewalttätigkeit und der zahlreichen Bedrohungen des Lebens, die unserer Welt widerfahren, verkündet die Kirche in diesem Jahr, das die Katholiken Gott, dem barmherzigen Vater, gewidmet haben, eine Botschaft der Hoffnung für die Zukunft der Menschheit. Mit großer Dringlichkeit fordert sie alle Menschen guten Willens auf, entschlossen am Aufbau einer „Zivilisation der Liebe teilzuhaben, die sich auf die universalen Werte des Friedens, der Solidarität, der Gerechtigkeit und der Freiheit gründet“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 52), und auch angesichts der Hindernisse und Niederlagen nicht den Mut zu verlieren. Möge Gott Ihnen und Ihren Familien seinen Segen spenden und Sie in Ihrem Bemühen um Frieden, Versöhnung und Brüderlichkeit unter den Völkern führen. Überzeugende Antworten auf Fragen der Sinnsuche Ansprache bei der Sonderaudienz für die Mitarbeiter der Zeitschrift „La Civiltä Cattolica“ am 22. April Liebe Brüder! 1. Mit Freude heiße ich jeden von euch herzlichst willkommen und danke euch für diesen Besuch zur Feier des hundertfünfzigjährigen Bestehens von „La Civiltä Cattolica“. Gemeinsam mit euch möchte ich dem „Vater der Gestirne“, von dem ,jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt“ (vgl. Jak 1,17), für das Gute danken, das in den vergangenen anderthalb Jahrhunderten im Dienst des katholischen Glaubens und des Hl. Stuhls getan worden ist. „La Civiltä Cattolica“, heute die älteste unter den in Italien veröffentlichen Zeitschriften, wurde von meinem verehrten Vorgänger, Papst Pius IX., gegründet, der ihr am 12. Februar 1866 mit Breve Gravissimum supremi ein besonderes Statut verlieh. Er bestimmte, dass die „mit aller Kraft und ohne Unterlaß der Verteidi- 687 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gung des katholischen Glaubens, seiner Lehre und seiner Rechte“ dienende Zeitschrift von einem besonderen Redaktionskollegium herausgegeben werden sollte, das, vom Generaloberen der Gesellschaft Jesu ernannt, in einem eigenen Haus gemeinsam leben und arbeiten sollte. Auch nach Pius IX. erhielt die von der Zeitschrift geleistete Arbeit die Hochachtung und Anerkennung der römischen Päpste, die weiterhin bereit waren, ihr Statut anzuerkennen. Wie ich bereits am 5. April 1982 bei der Audienz für euer Kollegium betonte, können wir wohl angesichts des langen Wegs sagen, den die Zeitschrift zurückgelegt hat, dass „La Civiltä Cattolica“, „die als Einrichtung stets im Dienst des Papstes und des Hl. Stuhls gestanden ist“, „trotz des Wechsels der Menschen, des Ablaufs der Geschehnisse und der Geschichte treu geblieben ist“ {Ansprache an das Redaktionskollegium der Jesuitenzeitschrift „La Civiltä Cattolica“, 5. April 1982; in: O. R. dt, Nr. 22,28. Mai 1982). 2. Wenn man die einhundertfünfzig Jahre eurer Zeitschrift zurückverfolgt, werden eine Vielzahl unterschiedlicher Positionen deutlich, die sowohl durch den Wandel der geschichtlichen Umstände als auch durch die Persönlichkeiten der einzelnen Autoren bedingt sind. Doch in dem breiten und komplexen Panorama der seit 1850 bis heute die Kirche und Italien betreffenden religiösen, sozialen und politischen Angelegenheiten trifft man in „La Civiltä Cattolica“ auf ein nie fehlendes festes Element: die volle, wenn auch manchmal nicht unproblematische Zustimmung zu den Lehren und Anweisungen des Hl. Stuhls und Liebe und Verehrung für die Person des Papstes. Wie bereits eure Vorgänger werdet gewiss auch ihr diesen besonderen Aspekt weiterhin als eine Sache der Ehre und als Daseinsberechtigung eurer Zeitschrift betrachten. Ferner bin ich überzeugt, dass vor allem in schwierigen Zeiten, die nie im Leben der Kirche fehlen, der Apostolische Stuhl in euch kompetente und treue Mitarbeiter finden wird. Unter den Verdiensten der Zeitschrift möchte ich die große Bereitschaft betonen, mit der sie die vom II. Vatikanischen Konzil eingeleitete kirchliche Erneuerung aufgenommen hat und ihre Bemühungen, die Ereignisse, die behandelten Fragen und die Dokumente einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Bemerkenswert ist auch der Einsatz, mit dem sie sich in den darauf folgenden Jahren um die Vertiefung der Konzilsdokumente bemüht hat mit dem Ziel, eine bessere Aufnahme der in ihnen enthaltenen Lehre und der von ihnen erhofften Erneuerung des christlichen Lebens zu ermöglichen. 3. Angesichts der gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen im Hinblick auf das neue Jahrtausend möchte ich euch heute auffordem, die Dringlichkeit der Wiederbelebung des Geistes und der Lehren des Konzils zum Ausdruck zu bringen, insbesondere im Hinblick auf Themen wie Christologie, Ekklesiologie und das kirchliche Lehramt, die Rolle der Laien und die besondere Stellung des Christentums im interreligiösen Dialog, Religionsfreiheit, interkulturelle Beziehungen und Ökumene, Massenmedien und ihr problematischer Einfluss auf die Mentalität und das Verhalten des modernen Menschen. 688 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es handelt sich hier um ein breites Aktionsfeld, das jeden von euch anspomt, weiterhin „für den überlieferten Glauben zu kämpfen, der den Heiligen ein für allemal anvertraut ist“ (vgl. Jud 3). Die tiefgreifenden Veränderungen überall in der heutigen Welt erfordern mutige Initiativen für die Erziehung zu einem überzeugten und reifen Glauben, der dem Leben Sinn geben kann, damit wir fähig sind, den Angriffen einer oft säkularisierten Kultur standzuhalten und denjenigen überzeugende Antworten zu geben, die, auch wenn sie nicht glauben, auf der Suche nach Gott sind. Diese der gesamten Kirche gebührende Aufgabe verlangt von jedem von euch, als Mitgliedern der Gesellschaft Jesu, „deren wesentliche Aufgabe die Verteidigung und Verbreitung des Glaubens ist“ (vgl. Julius HL, Apostolisches Schreiben Exposcit debitum, 21. Juli 1550, 1), stets intensiveren und mutigeren Einsatz „für die Lehre der christlichen Wahrheit“ (vgl. ebd.), in voller Treue und Übereinstimmung mit dem kirchlichen Lehramt. Heute muss sich der christliche Glaube mit nichtchristlichen Kulturen auseinander-setzen, mit dem Fortschritt der Wissenschaften, mit von Immanentismus und Agnostizismus geprägten Philosophien, die sich durch die Ablehnung der Metaphysik hervortun und die Fähigkeit der menschlichen Vernunft in Frage stellen, die Wahrheit zu erkennen. In Fides et ratio habe ich heraussteilen wollen, wie sehr dieses Misstrauen gegenüber der menschlichen Vernunft die Annahme des Glaubens erschwert und der gleichen Vernunft den Beitrag der Offenbarung für eine tiefere Erkenntnis des Geheimnisses vom Menschen, seines Ursprungs, seiner spirituellen Natur und seines Schicksals vorenthält. In diesem Kontext hat „La Civiltä Cattolica“ die Aufgabe, zur Überwindung der Kluft beizutragen, die Glaube und moderne Kultur, Glaube und moralisches Verhalten trennt, unter spezieller Berücksichtigung der in Veritatis splendor und Evangelium vitae behandelten Probleme, jene wesentlichen Aspekte, an denen die Treue der Gläubigen zu der in der authentischen Tradition der Kirche bewahrten Lehre Jesu gemessen wird. 4. Ferner möchte ich daran erinnern, dass eure Zeitschrift stets mit besonderer Sorgfalt die kirchliche Lehre befolgt hat und die Initiativen des Lehramtes für die Verbreitung, Vertiefung und Erneuerung dieses grundlegenden Instruments der Evangelisiemng unterstützt hat. Das heutige Umfeld lässt stets deutlicher erkennen, dass die sozialen, finanziellen und wirtschaftlichen Probleme durchaus nicht unbeteiligt sind an der Evangelisierung und der Würde des Menschen. Die sozialen Ungerechtigkeiten, die dominierende Rolle des Geldes, eine unkontrollierte globale Wirtschaft können die persönliche Würde ganzer Völker und Kontinente verletzen und die Annahme der Botschaft des Evangeliums erschweren. Daher bestärke ich euch zur Fortsetzung eurer lobenswerten Arbeit für die Vertiefung und Verbreitung der kirchlichen Lehre, der die Veränderungen in der Gesellschaft und in der Welt der Arbeit stets größere Aktualität und Dringlichkeit verleihen. Die Rolle der Kirche, zu deren Festigung und Verbreitung ihr berufen seid, ist die Verkündigung des „Evangeliums der Liebe und des Friedens“ durch die Förderung von Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und des Bewusstseins vom gemeinsamen 689 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schicksal aller Menschen - unerlässliche Voraussetzungen für den Aufbau wirklichen Friedens unter den Völkern. 5. Liebe Patres und Publizisten, macht euch den langen und lobenswerten Weg von „La Civiltä Cattolica“ zunutze, und setzt euren wertvollen kirchlichen Dienst in besonderer und anhänglicher Übereinstimmung mit dem Hl. Stuhl und dem Papst fort, mit dem ihr als Mitglieder der Gesellschaft Jesu durch einen besonderen Treueid verbunden seid. Der Jungfrau, Mutter der Kirche und Patronin der Gesellschaft, vertraue ich eure tägliche Arbeit an. Möge sie von ihrem Sohn einen tiefen Geist des Glaubens für jeden einzelnen von euch erwirken. Möge ihre Mittlerschaft euch ermöglichen, die Ereignisse in der Geschichte der Menschheit mit der Weisheit des Evangeliums zu ergründen und in der Geschichte die „Zeichen der Zeit“ zu erkennen. Möge sie euch helfen, mit hochherzigem Einsatz für jene Aufgabe zu arbeiten, die die Kirche euch durch die römischen Päpste anvertraut hat. Mit diesen Wünschen erteile ich eurem Leiter, jedem einzelnen von euch und euren Mitarbeitern von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen als Zeichen meiner steten Zuneigung. Kunst als Weg zur Transzendenz Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung: „Paul VI., ein Licht für die Kunst“ am 23. April Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofsamt, sehr verehrte Damen und Herrn! 1. Mit großer Freude heiße ich heute alle willkommen, die bei der Eröffnung der im Mailänder Dom begonnenen und nun von den Vatikanischen Museen im „Brac-cio di Carlo Magno“ untergebrachten Ausstellung „Paul VI., ein Licht für die Kunst“ anwesend sind. Insbesondere danke ich Kardinal Edmund Casimir Szoka für die herzlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Die dank der Großzügigkeit zahheicher Personen heute gestartete hervorragende Initiative wird uns für einige Wochen die Besichtigung verschiedener Kunstwerke in Erinnerung an meinen verehrten Vorgänger, den Diener Gottes, Paul VI., ermöglichen, nun, etwa hundert Jahre nach seiner Geburt und zum 25. Jahrestag der von ihm gegründeten Sammlung moderner sakraler Kunst. An diese beiden Ereignisse erinnerte unlängst die Ausstellung „Papst Paul VI. und die Sammlung religiöser Kunst des 20. Jahrhunderts“, die im Januar 1998 in Würzburg eröffnet wurde, dann nach Paderborn kam und schließlich im darauf folgenden Juli in Regensburg zu Ende ging. Zweck dieser Ausstellung ist es, die große Liebe des unvergesslichen Papstes für die Kunst und ihre Bedeutung für sein Amt als Nachfolger Petri zu verdeutlichen. 690 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Beispiel hierfür ist die bereits erwähnte Sammlung moderner sakraler Kunst, die am 23. Juni 1973 eröffnet wurde. Die schwierige Aufgabe, über siebenhundert Werke - Geschenke von Künstlern und Sammlern - in wenigen verfügbaren Räumen der Vatikanischen Paläste unterzubringen, löste man damals durch die Renovierung ehemaliger Lagerräume und Wohnungen. Die 55 für die Sammlung benutzten Säle winden in einen Rundgang eingegliedert, der auch den Kembereich der alten Papstgemächer, von Nikolaus III. bis Sixtus V., einschließt. Dieser Rundgang führt von den Stanzen Raffaels im Appartamento Borgia, den von Pinturic-chio und seiner Schule von 1492 bis 1495 mit Fresken ausgeschmückten Wohn-räumen Alexanders VI., bis zur Sixtinischen Kapelle; so verbindet sich die Schönheit der Kunst mit dem suggestiven Rahmen der Geschichte. 2. Hier muss erwähnt werden, dass die Eröffnung dieser interessanten Sammlung eine Initiative besiegelte, die am 7. Mai 1964 mit der Begegnung zwischen Paul VI. und einer Gruppe von Künstlern begonnen hatte. Bei jener Gelegenheit wurden die Gründe und Ursachen einer, wie er es auszudrücken pflegte, „getrübten Freundschaft“ zwischen der Kirche und den Künstlern aufmerksam erwogen und zusammengefasst. Diesbezüglich sagte er mit großer Deutlichkeit: „Wir müssen euren Stimmen jene Freiheit und Ausdruckskraft lassen, zu der ihr fähig seid“ (vgl. Paul VI., Ansprache an die Künstler, 7. Mai 1964). Seinem Aufruf für ein besseres Einverständnis zwischen Kirche und Kunst folgten zahlreiche Künstler, Sammler, private und öffentliche Einrichtungen. In verschiedenen Nationen wurden Ausschüsse gegründet, die der kompetenten Koordinierung von Msgr. Pasquale Macchi, seinem damaligen Privatsekretär, unterstanden. 3. Dank sei dem Herrn, der mir heute Gelegenheit gibt, auch mit meiner Stimme den Respekt, die Hochachtung und das Vertrauen meines verehrten Vorgängers für die Künstler in aller Welt zu bezeugen. Ihnen habe ich einen speziellen Brief gewidmet, der heute veröffentlicht wird. Mit ihm „möchte ich den Weg jenes fruchtbaren Gesprächs der Kirche mit den Künstlern einschlagen, das in der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche nie abgerissen ist und an der Schwelle zum dritten Jahrtausend eine noch größere Zukunft hat“ (Brief an die Künstler, Nr. 1). Dieser Dialog ist nicht lediglich eine Antwort auf historische Umstände oder funktionelle Gründe, sondern entspringt vielmehr dem Wesen der religiösen Erfahrung selbst und des künstlerischen Schaffens. Alle, die „mit leidenschaftlicher Hingabe neue ,Epiphanien' der Schönheit suchen, um sie als Ausdruck des künstlerischen Schaffens der Welt zu schenken“ möchte ich erneut an die Aufforderung des II. Vatikanischen Konzils erinnern: „Verschließt euren Geist nicht dem Hauch des göttlichen Geistes!“ Diese Aufforderung erhält in der gegenwärtigen liturgischen Zeit noch aktuellere Bedeutung. Das bevorstehende Pfingstfest ermutigt uns, die Herzen dem belebenden Wirken des Schöpfergeistes zu öffnen. Wohl ist das Genie des Künstlers fähig, auch abgesehen vom Glauben hervorragende Werke zu schaffen, dennoch lässt sich nicht leugnen, dass, wenn dieses na- 691 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN türliche Talent durch die innige und intensiv gelebte Gemeinschaft mit Gott vervollständigt wird, die aus ihr hervorgehende Botschaft um so reicher und tiefgründiger ist. So war es während der herrlichen Blütezeit der mittelalterlichen Kathedralen; gleiches gilt für die Werke Giottos, Beato Angelicos, Michelangelos, für die Poesie Dantes und die Prosa Manzonis, für die Musik Pierluigi da Palestrinas und Johann Sebastian Bachs - um nur einige zu nennen. 4. Wenn wir uns den Meisterwerken der Kunst - welcher Epoche auch immer -nähern, öffnet sich unsere Seele dem geheimnisvollen Zauber des Transzendenten, denn jeder wirklich künstlerische Ausdruck birgt das mysteriöse und einzigartige Licht des Göttlichen. Verehrte Herren, liebe Freunde, jeder Mensch dürstet nach dem Unendlichen, und die Kunst ist einer der Wege, die zu ihm hinführen. Es ist mein aufrichtiger Wunsch, dass „eure vielfältigen Pfade alle zu jenem unendlichen Ozean der Schönheit führen mögen, wo das Staunen zu trunkener Bewunderung und unsagbarer Freude wird“ (Brief an die Künstler, Nr. 16). Möge diese Ausstellung einem zweifachen Ziel dienen: Möge sie uns einerseits zu einem besseren Verständnis des Wertes der Kunst im Kontext der Neuevangelisierung verhelfen und andererseits die bedeutende Rolle Pauls VI. für die Förderung des künstlerischen Schaffens, als Beitrag zur Verbreitung des Evangeliums, hervorheben. In diesem Sinne segne ich alle hier Anwesenden und diejenigen, die zur Verwirklichung dieser interessanten Ausstellung beigetragen haben. Fest der Katholischen Schulen Worte an die Teilnehmer des „Frühlingsmarathons“ am 24. April Euch allen, die ihr an diesem traditionellen, von der Vereinigung der Katholischen Schulen Roms organisierten „Frühlingsmarathon“ teilnehmt, gilt mein herzlicher Gruß. ... Vor allem grüße ich euch, meine lieben Jungen und Mädchen, die ihr die eigentlichen Hauptpersonen des „Frühlingsmarathons“ seid. Der Ausdruck „Frühling“ verweist auf das Erwachen der Natur und die Freude am Leben; das Wort „Marathon“ lässt sodann an die Dynamik der Veränderung und des Wachstums denken. Es sind die typischen Merkmale der Jugend. Möge eure sympathische Kundgebung, die eine Botschaft der Zuversicht und Geschwisterlichkeit auf die Straßen trägt, beitragen zur Verwirklichung einer Welt, aus der die Gewalt verbannt sei und wo Solidarität und Friede herrschen. Eure Initiative bringt mir auch die zahlreichen Probleme, die die Katholische Schule betreffen, zu Bewusstsein. Mit stetem Interesse verfolge ich ihr erzieherisches Wirken, und meine Hoffnung ist, dass ihre gerechten Erwartungen bei den Verantwortlichen aufmerksames Gehör und günstige Aufnahme finden zum Wohl der gesamten zivilen und kirchlichen Gemeinschaft. Guten Marathonlauf! Allen erteile ich meinen Segen. 692 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Vater beruft zum ewigen Leben Botschaft zum 36. Weltgebetstag für geistliche Berufe am 25. April 1999, 4. Sonntag der Osterzeit, vom 1. Oktober 1998 Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! Die Feier des Weltgebetstags für geistliche Berufe, die am 25. April 1999, dem vierten Sonntag der Osterzeit, stattfinden soll, stellt eine wiederkehrende Einladung dar, über einen grundlegenden Aspekt des Lebens der Kirche nachzudenken: die Berufung zum Weihe- und Dienstamt und zum Ordensleben. Auf dem Weg der Vorbereitung auf das Große Jubiläum erweitert das Jahr 1999 „den Horizont des Gläubigen gemäß der Sichtweite Christi selbst: der Sichtweite des ,Vaters im Himmel ‘ (vgl. Mt 5,45)“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 49) und lädt ein, über die Berufung nachzudenken, die den wahren Horizont eines jeden menschlichen Herzens ausmacht: das ewige Leben. Genau in diesem Licht offenbart sich die ganze Bedeutung der Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben, mit denen der himmlische Vater, von dem , jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt“ (Jak 1,17), weiterhin seine Kirche reich macht. Spontan entspringt dem Herzen ein Loblied: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“ (Eph 1,3) für das Geschenk unzähliger Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben in seinen verschiedenen Formen auch in diesem Jahrhundert, das sich seinem Ende zu neigt. Gott erweist sich weiterhin als Vater durch Männer und Frauen, die, angetrieben von der Kraft des Heiligen Geistes, in Wort und Tat, manchmal bis hin zum Martyrium, ihre vorbehaltlose Hingabe im Dienst an den Brüdern unter Beweis stellen. Durch das Weiheamt der Bischöfe, Priester und Diakone gibt Er die fortwährende Garantie der sakramentalen Gegenwart Christi, des Erlösers (vgl. Christifideles laici, Nr. 22), und lässt dank ihres entscheidenden Dienstes die Kirche wachsen in der Einheit eines Leibes und der Verschiedenheit der Berufungen, Dienste und Charismen. In Fülle hat er seinen an Kindes Statt angenommenen Söhnen und Töchtern den Geist eingegossen und in den verschiedenen Formen geweihten Lebens seine Vaterliebe offenbart, mit der er die ganze Menschheit erreichen will. Es ist eine Liebe, die geduldig wartet. Mit einem Fest feiert sie die Heimkehr des in die Fremde Fortgezogenen. Sie erzieht und bessert. Sie stillt in jedem Menschen den Hunger nach Liebe. Immer wieder weist der Vater hin auf Horizonte ewigen Lebens, die das Herz auch in Schwierigkeiten, Schmerz und Tod für die Hoffnung öffnen, besonders durch die, die alles verlassen, um Christus nachzufolgen, und sich ganz für die Verwirklichung seines Reiches einsetzen. Im Jahr 1999, das dem himmlischen Vater gewidmet ist, möchte ich alle Gläubigen einladen, über die Berufungen zum Priesteramt und zum Ordensleben nachzudenken, geleitet von dem Gebet, das Jesus selbst uns gelehrt hat, das „Vater unser“. 693 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1. „Vater unser im Himmel“ Gott als Vater anrufen bedeutet, in seiner Liebe die Quelle des Lebens zu erkennen. Im himmlischen Vater entdeckt der Mensch, der berufen ist, sein Kind zu sein, dass er „erwählt (ist) vor der Erschaffung der Welt, (um) heilig und untadelig zu leben vor Gott“ (Eph 1,4). Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert daran, dass „Christus ... eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund [macht] und [ihm seine höchste Berufung] erschließt“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Für den Menschen ist die Treue zu Gott die Garantie für die Treue zum eigenen Wesen und so auch für die volle Verwirklichung des eigenen Lebensentwurfs. Jede Berufung hat ihre Wurzel in der Taufe wenn der Christ, „wieder geboren aus Wasser und Geist“ (vgl. Joh 3,5), Anteil erhält an jenem Gnadenereignis, das Jesus am Ufer des Jordan als „geliebten Sohn“ offenbarte, an dem der Vater sein Wohlgefallen hat (Lk 3,22). Der Taufe entspringt für jede christliche Berufung die Quelle der wahren Fruchtbarkeit. Daher ist es notwendig, Katechumenen und junge Menschen mit besonderer Sorgfalt auf die Wiederentdeckung der Taufe und auf die Verwirklichung einer echten Kindschaftsbeziehung zu Gott hinzuführen. 2. „Geheiligt werde dein Name“ Die Berufung, „heilig zu sein, wie er heilig ist“, (vgl. Lev 11,44), wird Wirklichkeit, wenn man Gott den Platz einräumt, der ihm zusteht. In unserer säkularisierten und doch von der Suche nach dem Heiligen faszinierten Zeit herrscht ein besonderes Bedürfnis nach Heiligen, die dadurch, dass sie in ihrer Existenz intensiv die Vorrangstellung Gottes leben, seine liebevolle und fürsorgende Gegenwart erfahrbar machen. Die Heiligkeit, ein Geschenk, das unaufhörlich zu erflehen ist, stellt die wertvollste und wirksamste Antwort auf den Hunger nach Hoffnung und Leben in der heutigen Welt dar. Die Menschheit braucht heilige Priester und geweihte Menschen, die täglich die Ganzhingabe ihrer selbst an Gott und den Nächsten lieben; Väter und Mütter, die fähig sind, daheim ihr Zeugnis für die Gnade des Ehesakraments zu geben und so in ihrer Umgebung wieder die Sehnsucht wachrufen, den Plan des Schöpfers für die Familie in die Tat umzusetzen; junge Menschen, die persönlich Christus entdeckt haben und davon so fasziniert wurden, dass sie auch ihre Altersgenossen für das Evangelium begeistern. 3. „Dein Reich komme“ Heiligkeit ruft nach dem „Reich Gottes“. Jesus hat dieses Reich symbolisch im großen Freudenmahl dargestellt, das jedem angeboten, aber nur für die bestimmt ist, die bereit sind, das „Hochzeitsgewand“ der Gnade anzuziehen. Die Anrufung „dein Reich komme“ fordert zur Umkehr auf und erinnert daran, dass der irdische Alltag des Menschen vor und über allem anderen von der tagtäglichen Suche nach dem Reich Gottes geprägt sein muss. Es ist eine Anrufung, die einlädt, die Welt der vergänglichen Worte zurückzulassen, um großherzig, trotz 694 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aller Schwierigkeiten und Hindernisse, den Auftrag anzunehmen, zu dem der Herr ruft. Den Herrn zu bitten, „dein Reich komme“, heißt auch, das Haus des Vaters als Wohnung zu wählen und nach dem Stil des Evangeliums zu leben und zu arbeiten und im Geiste Jesu zu lieben. Es heißt entdecken, dass das Reich ein „kleines Samenkorn“ ist, versehen mit ungeahnter Lebensfülle, aber dauernd der Gefahr ausgesetzt, verworfen und zertreten zu werden. Mögen alle, die zum Priestertum oder zum Ordensleben berufen sind, den Samen des Rufes, den Gott in ihr Herz gelegt hat, mit großherziger Bereitschaft aufnehmen können. Indem er sie Christus mit imgeteiltem Herzen nachzufolgen heißt, lädt sie der Vater ein, fröhliche und freimütige Apostel des Reiches zu sein. In der großherzigen Antwort auf die Einladung werden sie jenes wahre Glück finden, nach dem ihr Herz sich sehnt. 4. „Dein Wille geschehe“ Jesus hat gesagt: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen“ (Joh 4,34). Mit diesen Worten offenbart er, dass der Entwurf der persönlichen Existenz eingeschrieben ist in einen fürsorglichen Plan des Vaters. Um ihn zu entdecken, ist es notwendig, eine allzu irdische Deutung des Lebens aufzugeben und das Fundament und den Sinn der eigenen Existenz in Gott festzumachen. Die Berufung ist vor allem Geschenk Gottes: sie ist nicht Wählen, sondern Erwähltwerden; sie ist Antwort auf eine Liebe, die vorausgeht und begleitet. Wer sich bereit dem Willen Gottes anheim stellt, für den wird das Leben zum empfangenen Gut, das aufgrund seiner Natur danach strebt, sich in Opfer und Gabe zu verwandeln. 5. „Unser tägliches Brot gib uns heute“ Jesus machte den Willen seines Vaters zu seiner täglichen Nahrung (vgl. Joh 4,34) und lud die Seinen ein, das Brot zu kosten, mit dem der Hunger des Geistes gestillt wird: das Brot des Wortes und der Eucharistie. Nach dem Beispiel Maria muss man lernen, das Herz zur Hoffnung zu erziehen und es für jenes „Unmögliche“ Gottes zu öffnen, das vor Freude und Dankbarkeit jubeln lässt. Denen, die großherzig auf die Einladung des Herrn antworten, werden auf diese Weise die freudigen und traurigen Ereignisse im Leben zum Gegenstand vertrauter Unterredung mit dem Vater. Sie werden zur Gelegenheit, immer wieder die eigene Identität als die von geliebten Kindern zu entdecken, die dazu berufen sind, mit einer eigenen und besonderen Rolle am großen Heilswerk für die Welt teilzunehmen, das durch Christus begonnen und nun seiner Kirche anvertraut ist 6. „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigem“ Vergebung und Versöhnung sind das große Geschenk, das seit dem Augenblick in die Welt eingebrochen ist, in dem Jesus, gesandt vom Vater, das „Gnadenjahr des Herrn“ (Lk4,19) für eröffnet erklärte. Er wurde zum „Freund der ... Sünder“ (Mt 11,19), gab sein Leben „zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,28) und sandte 695 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schließlich seine Jünger in jeden Winkel der Erde, um Buße und Vergebung zu verkünden. Im Wissen um die menschliche Gebrechlichkeit hat Gott dem Menschen den Weg der Barmherzigkeit und der Vergebung bereitet als Erfahrung, die sich mitteilen lässt, - man erlangt Vergebung, wenn man vergibt. So sollen in dem von der Gnade erneuerten Leben die echten Züge der wahren Kinder des einzigen himmlischen Vaters sichtbar werden. 7. „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“ Das christliche Leben ist ein ständiger Prozess der Befreiung vom Bösen und von der Sünde. Im Sakrament der Versöhnung werden Gottes Macht und seine Heiligkeit als neue Kraft geschenkt, die zur Freiheit, zu lieben, hinfiihrt und das Gute triumphieren lässt. Der Kampf gegen das Böse, den Christus unermüdlich geführt hat, ist heute der Kirche und jedem Christen anvertraut, je nach Berufung, Charisma und Dienst eines jeden. Eine grundlegende Rolle kommt denen zu, die zum Dienst- oder Weiheamt erwählt wurden: Bischöfe, Priester und Diakone. Doch einen unersetzlichen und spezifischen Beitrag leisten auch die Institute des geweihten Lebens. Ihre Mitglieder machen „in ihrer Weihe und Ganzhingabe die liebende und heilbringende Gegenwart Christi sichtbar, der vom Vater geheiligt und in die Welt gesandt wurde“ (Vita consecrata, Nr. 76). Wie sollte man nicht unterstreichen, dass die Förderung der Berufüngen zum geweihten Dienstamt und zum Ordensleben ein gemeinsames, übereinstimmendes Bemühen der ganzen Kirche und der einzelnen Gläubigen werden muss? Ihnen trägt der Herr auf: „Bittet... den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ {Mt 9,38). Dessen bewusst, wenden wir uns einmütig im Gebet an den himmlischen Vater, den Geber alles Guten: 8. Guter Vater, in Christus, deinem Sohn offenbarst du uns deine Liebe, umarmst du uns als deine Kinder und schenkst du uns die Möglichkeit, in deinem Willen die Züge unseres wahren Antlitzes zu entdecken. Heiliger Vater, du rufst uns dazu auf, heilig zu sein, wie du heilig bist. Wir bitten dich, lass es deiner Kirche nie an heiligen Dienern und Aposteln fehlen, die durch das Wort und die Sakramente den Weg zur Begegnung mit dir eröffnen. Barmherziger Vater, schenke der verirrten Menschheit Männer und Frauen, die mit dem Zeugnis eines nach dem Bild deines Sohnes umgestalteten Lebens freudig mit den übrigen Brüdern und Schwestern dem himmlischen Vaterland zugehen. Unser Vater, mit der Stimme deines Heiligen Geistes und im Vertrauen auf die mütterliche Fürbitte Mariens rufen wir inständig zu dir: sende deiner Kirche Priester, die mutige Zeugen deiner unendlichen Güte sind. Amen. Aus dem Vatikan, am 1. Oktober 1998, dem Gedenktag der hl. Theresia vom Kinde Jesus, Kirchenlehrerin. Joannes Paulus PP. II 696 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN Priestersein - Leben im Geheimnis des Kreuzes Predigt bei der Priesterweihe in St. Peter am 25. April 1. „Ich bin der gute Hirt... Ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich“ [Ruf vor dem Evangelium]. Auch der heutige Sonntag, der traditionsgemäß nach dem Guten Hirten benannt ist, gehört zum liturgischen Weg der Osterzeit, den wir in diesen Wochen gehen. Jesus bezieht dieses im Alten Testament verwurzelte Gleichnis, das in der christlichen Überlieferung so wichtig ist, auf sich selbst (vgl. Joh 10,6). Christus ist der Gute Hirt, der durch den Tod am Kreuz sein Leben für die Schafe hingibt. So entsteht eine tiefe Gemeinschaft zwischen dem Guten Hirten und seiner Herde. Jesus - so schreibt der Evangelist - „ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und fuhrt sie hinaus ... und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme“ (Joh 10,3^1). Hirte und Schafe sind durch eine gefestigte Gewohnheit, eine wirkliche Kenntnis und eine gegenseitige Zugehörigkeit miteinander verbunden: Er sorgt für sie; sie vertrauen ihm und folgen ihm treu. Wie tröstend klingen daher die Worte, die wir soeben im Antwortpsalm wiederholt haben: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen“ (Ps 23,1). 2. Einem schönen Brauch gemäß habe ich seit mehreren Jahren die Freude, die neuen Priester gerade am Sonntag des Guten Hirten zu weihen. Heute sind es 31. Sie werden ihren Enthusiasmus und ihre frische Energie dem Dienst an der Gemeinde von Rom und der Universalkirche widmen. Zusammen mit dem Kardinal-Vikar, den Weihbischöfen, den Priestern der Diözese und allen Anwesenden danke ich dem Herrn für dieses große Geschenk. Besonders teile ich eure Freude, liebe Weihekandidaten, und die eurer Ausbilder, Familien und der vielen Freunde, die bei diesem so wichtigen und bewegenden Ereignis um euch sind; es wird euch euer ganzes Leben lang in wacher Erinnerung bleiben. Wenn ich von einen Ausbildern spreche, gehen meine Gedanken in diesem Augenblick zu Msgr. Plinio Pascoli, den der Herr vor wenigen Tagen zu sich gerufen hat. Viele Jahre lang war er Rektor des Römischen Seminars und dann Weihbischof. Sein ganzes, langes Leben hatte er der Förderung von Berufungen und der Priesterausbildung gewidmet. Möge sein Vorbild ein weiterer Ansporn für alle sein, die Bedeutung des Geschenks des Priestertums zu begreifen. 3. Liebe Weihekandidaten! Durch die jahrhundertealte und stimmungsvolle sakramentale Geste der Handauflegung und durch das Weihegebet werdet ihr zu Priestern, um mit neuer und tieferer Würde Diener der Christenheit nach dem Abbild des Guten Hirten zu sein. Ihr werdet an der Sendung Christi selbst beteiligt, indem ihr den Samen des Wortes Gottes aus vollen Händen ausstreut. Der Herr hat euch berufen, damit ihr Verwalter seiner Barmherzigkeit und Spender seiner Geheimnisse seid. 697 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Eucharistie, Ursprung und Höhepunkt des christlichen Lebens, wird die kristallklare Quelle sein, die eure priesterliche Spiritualität unaufhörlich nährt. Daraus könnt ihr anregende Kraft für euren täglichen Dienst, apostolischen Elan für das Werk der Evangelisierung und geistigen Trost in den unvermeidlichen Zeiten der Schwierigkeit und der inneren Zerrissenheit schöpfen. Wenn ihr an den Altar tretet, wo das Kreuzesopfer erneuert wird, werdet ihr den Reichtum der Liebe Christi immer weiter entdecken und lernen, ihn im Leben umzusetzen. 4. Meine Lieben! Es ist überaus bedeutsam, dass ihr das Sakrament der Priesterweihe an diesem Sonntag des Guten Hirten empfangt, an dem wir den Weltgebetstag für geistliche Berufe begehen. In der Tat wird die Sendung Christi im Laufe der Geschichte durch das Werk der Hirten, denen er die Sorge um seine Herde anvertraut hat, fortgesetzt. Wie er es bei den ersten Jüngern getan hat, so wählt sich Jesus auch heute neue Mitarbeiter aus, die durch den Dienst am Wort und der Sakramente und durch den Dienst der Nächstenliebe für seine Herde sorgen sollen. Die Berufung zum Priestertum ist ein großes Geschenk und ein großes Geheimnis: in erster Linie ein Geschenk des göttlichen Wohlwollens, da es eine Frucht der Gnade ist; außerdem auch ein Geheimnis, denn die Berufung ist mit den Tiefen des menschlichen Gewissens und der menschlichen Freiheit verbunden. Mit ihr der Berufung beginnt ein Dialog der Liebe, der die Persönlichkeit des Priesters Tag um Tag formt, und zwar durch eine fortschreitende Bildung, die in der Familie begonnen hat, im Seminar weitergeführt wurde und sich dann auf das ganze Leben erstreckt. Nur dank dieses ununterbrochenen, asketischen und pastoralen Weges kann der Priester zum lebendigen Abbild Jesu, des Guten Hirten, werden, der sich selbst für die ihm anvertraute Herde hingibt. Mir kommen schon jetzt die Worte in den Sinn, die ich nachher an euch richten werde, wenn ich euch die Gaben für das eucharistische Opfer überreiche: „Stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes“. Ja, liebe Weihekandidaten, dieses Geheimnis, das ihr spenden werdet, ist letztendlich Christus selbst, der durch die Vermittlung des Heiligen Geistes ein Quell der Heiligkeit und ein unaufhörlicher Aufruf zur Heiligung ist. Erlebt dieses Geheimnis: Lebt Christus, seid Christus! Möge jeder von euch mit Paulus sagen können: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). 5. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr zu dieser Feier zusammengekommen seid! Beten wir dafür, dass diese 31 neuen Priester ihrem Auftrag treu bleiben, ihr „Ja“ zu Christus jeden Tag erneuern und Zeichen seiner Liebe zu jedem Menschen seien. Bitten wir den Herrn an diesem Weltgebetstag für geistliche Berufe auch darum, großherzige Seelen anzusprechen, die bereit sind, sich ganz in den Dienst für das Reich Gottes zu stellen. Maria, Mutter Christi und der Kirche, dir vertrauen wir diese unsere Brüder an, die heute die Priesterweihe empfangen. Mit ihnen empfehlen wir dir auch die Priester von Rom und der ganzen Welt. Du, Mutter Christi und der Priester, mögest diese deine Söhne in ihrem Dienst und Leben begleiten. Amen! 698 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN UNO-Initiativen für den Kosovo Botschaft an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, vom 27. April An Seine Exzellenz Herrn Kofi Annan, Generalsekretär der Organisation der Vereinten Nationen Mir wurde mitgeteilt, dass Sie sich anschicken, nach Europa zu reisen, um mit den politischen Verantwortlichen den besten Weg in Betracht zu ziehen, damit der Gewalt ein Ende gesetzt werde, welche die Bevölkemng der Bundesrepublik Jugoslawien auf so dramatische Weise heimsucht. Aus diesem Anlass möchte ich Ihnen meine Solidarität im Gebet bekunden und Ihrer Mission vollen Erfolg wünschen. Der Hl. Stuhl begrüßt in hohem Maß die Tatsache, dass der Organisation der Vereinten Nationen ihre gesamte Bedeutung in der Behandlung einer Krise zukommt, welche die ganze internationale Gemeinschaft herausfordert. Es ist in der Tat dringend erforderlich, dass das Recht und die Institutionen sich Gehör verschaffen und nicht mehr vom Lärm der Waffen übertönt werden. Wie Sie wissen, war mir seit den ersten Augenblicken der Kosovo-Krise daran gelegen; ohne Zögern meine Überzeugung auszudrücken, dass allein aufrichtige, duldsame und realistische Verhandlungen in der Lage seien, eine angemessene Antwort auf die berechtigten Bestrebungen der betroffenen Volksgruppen hervorzubringen, und ich habe alle in diese Richtung unternommenen Anstrengungen ermutigt. Angesichts der Deportation einer verängstigten Bevölkemng, der Übergriffe jeder Art und der Bombenangriffe des letzten Monats kann ich heute nur alle ermutigen, die wie Sie und mit Ihnen versuchen, den Weg des Dialogs wieder aufzunehmen, um die Ausarbeitung eines Friedensplanes zu erreichen und so einem menschlichen Drama, welches das Gewissen aller herausfordert, ein Ende zu setzen. Meine aufrichtige Anerkennung gilt auch allen Organisationen und allen freiwilligen Helfern, die sich selbstlos einsetzen, um so vielen Brüdern und Schwestern in Menschlichkeit Trost zu bringen. Auch die katholische Kirche ist vor Ort anwesend und bemüht sich, allen zu helfen, die sie erreichen kann. Diese humanitäre Aktion ist unersetzbar, sie muss fortgesetzt, verstärkt und ausgeweitet werden. Mit allen Glaubenden bin ich überzeugt, dass der Kette von Hass und Gewalt nur durch die Kraft der Brüderlichkeit, des Rechtes und der Gerechtigkeit Einhalt geboten werden kann. Herr Generalsekretär, viele blicken auf Sie und schenken Ihnen ihr Vertrauen. Deshalb empfehle ich Sie Gott im Gebet, damit Ihnen in reichem Maß Mut und Scharfblick gegeben werden. Aus dem Vatikan, 27. April 1999 Joannes Paulus PP. II 699 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Alle Initiativen zu Eintracht und Freundschaft nutzen Schreiben an die Bischöfe von Äthiopien und Eritrea, 27. April An meine verehrten Brüder, die Bischöfe von Äthiopien und Eritrea! Voll Vertrauen auf den Herrn grüße ich von Herzen den emeritierten Erzbischof von Addis Abeba, Kardinal Paulos Tzadua, und die Hirten der Kirche in Äthiopien und Eritrea. Durch den erneuten Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Äthiopien und Eritrea ist es euch kaum möglich, in eurer eigenen Heimat zusammenzutreffen; daher habt ihr euch hier in Rom zu einer gemeinsamen Bischofskonferenz versammelt. Von den Reflexionen und Vorschlägen eures Ad-limina-Besuchs im September 1997 ausgehend, seid ihr nun bemüht, eure Zusammenarbeit auf vielen gemeinsamen Gebieten für das Wohl eurer Ortskirchen zu intensivieren. Die Gründung des unabhängigen eritreischen Staates und die darauf folgende Zeit des Friedens und der Freundschaft waren nach Jahrzehnten bewaffneter Aufstände Zeichen der Hoffnung. Dieser Übergang von militärischer Aggression zu brüderlicher Eintracht ermutigte andere afrikanische Nationen, und auch die Kirche teilte ihrerseits die Befriedigung eurer Völker und Regierungen hinsichtlich der neuen Aussichten auf gegenseitiges Einvernehmen und Fortschritt. Daher hätte der Ausbruch der Feindseligkeiten im vergangenen Frühling wohl kaum Anlass zu tieferem Schmerz sein können, wie ich bei verschiedenen Gelegenheiten, auch in meinen Aufrufen zur Wiederaufnahme der Verhandlungen und Wiederherstellung der Eintracht betont habe. Als Bischöfe und Hirten der katholischen Kirche in Äthiopien und Eritrea seid ihr nun dabei, eine an euren Klems, eure Ordensleute und Laien wie auch an alle Äthiopier und Eritreer guten Willens gerichtete Botschaft des Friedens vorzubereiten. Die gesamte Kirche steht auf eurer Seite und unterstützt jede Friedensinitiative und alle Bemühungen zur Wiederherstellung von Einheit und Brüderlichkeit. Krieg bringt nichts als Tragödien und Verzweiflung, fordert unschuldige Opfer, zerstört Leben und Häuser, Familien und Völker. Nachdrücklich möchte ich das wiederholen, was ich so oft bereits betont habe: Wir müssen jede Alternative zum Krieg wahmehmen. Gott hat seine Kinder mit Intelligenz und Kreativität gesegnet und ihnen so die Möglichkeit gegeben, Spannungen und Konflikte zu lösen und eine Gesellschaft aufzubauen, deren Fundament die Achtung für die unveräußerliche Würde jeder menschlichen Person ist. Ich weiß, dass die Katholiken des östlichen und lateinischen Ritus in Äthiopien und Eritrea diese Überzeugungen teilen, und zweifellos empfinden ebenso auch die Mitglieder anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften eurer beiden Länder. Gleichermaßen erdulden eure moslemischen Brüder und Schwestern und die Anhänger der traditionellen afrikanischen Religion die Prüfüngen und das Leid dieses Augenblicks und sehnen sich wie ihr nach Frieden und Sicherheit. Es ist eure Pflicht, liebe Brüder, auf diese gemeinsamen Empfindungen aufzubauen und jede Initiative zur Wiederherstellung jener Eintracht und Freundschaft 700 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu fordern, die früher die gegenseitigen Beziehungen eurer Länder kennzeichneten. Die katholische Kirche in aller Welt wird euch bei dieser Aufgabe unterstützen und keine Mühe scheuen, ihrerseits für Solidarität und das friedliche Zusammenleben unter den Völkern einzutreten. Mit dem nun unmittelbar bevorstehenden Großen 2000-jährigen Jubiläum der Geburt unseres Erlösers Jesus Christus bekräftigen wir unsere Überzeugung, dass „Christus, der für alle starb und auferstand, dem Menschen durch seinen Geist Licht und Kraft schenkt, damit er seiner höchsten Berufung nachkommen kann“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 10). Daher möchte ich euch auffordem, eure Herzen der Eingebung des Heiligen Geistes zu öffnen und die mutigen Führer jener Menschen zu sein, die Gott eurer pastoralen Sorge anvertraut hat. Inspiriert in ihnen die Heiligkeit des Lebens, die Kenntnis des Evangeliums, denn es allein macht sie zu Zeugen der Wahrheit, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und eines universalen guten Willens, den grundlegenden Elementen zum Aufbau des Friedens. Mein Gebet gilt euren Ländern und den für ihre Führung Verantwortlichen, damit ihre Herzen zum Weg des Dialogs und des Friedens finden mögen. Erneut rufe ich die internationale Gemeinschaft zu Hilfeleistungen auf, die die Unabhängigkeit einer Länder und die Würde eurer Völker voll respektieren. Eine konkrete Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, ist die sofortige Verwirklichung des von der Organisation der Afrikanischen Einheit vorgeschlagenen und von euren Regierungen bereits gebilligten Friedensplans. Ich vertraue die Kirche in Äthiopien und Eritrea der Fürsprache Marias, der Mutter des Erlösers, an, die das fleischgewordene Wort, das Licht der Nationen, vor zweitausend Jahren in die Welt brachte. Möge sie für euch, die Hirten, und die Priester, die Ordensleute und Christgläubigen eurer Teilkirchen den Trost der Gnade, die Kraft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe erwirken, die euch alle in der gegenwärtigen schwierigen Situation stärken werden. Möge Jesus Christus, der eine Erlöser der Welt, „derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8) stets Hoffnung und Ermunterung für euch sein. Als Pfand meiner Sorge für euch und in tiefer Solidarität erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. 701 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wahrheit des Wortes Gottes statt Unverbindlichkeiten menschlicher Meinungen Botschaft zum dreißigjährigen Bestehen der Katholischen Bibelfoderation vom 1. Mai An Bischof Wilhelm Egger, Präsident der Katholischen Bibelfoderation In der Liebe Jesu, des Herrn, grüße ich Sie, die Mitglieder des Exekutivkomitees, den Verwaltungsrat und die Koordinatoren der Subregionen der Katholischen Bibelfoderation, bei Ihrer Versammlung in Rom zur Feier des dreißigsten Jahrestages der Föderation. Es ist ein Anlass, Gott für alles zu danken, was die Föderation getan hat, um das, durchzuführen, was das Zweite Vatikanische Konzil im Blick hatte mit dem Wunsch: „Der Zugang zur Heiligen Schrift muß für die an Christus Glaubenden weit offenstehen“ (Dei Verbum, Nr. 22). In der Tat bestand eine der vielen Früchte des Konzils darin, dass unter den Katholiken Bibelkenntnis und die Liebe zur Bibel zugenommen und zu einem vertieften Sinn für die Gegenwart Gottes in ihrem Leben geführt haben. Ich hoffe inständig, dass Sie und Ihre Kollegen weiterhin alles Ihnen Mögliche tun, um sicherzustellen, dass die unerschöpflichen Schätze des Wortes Gottes mehr und mehr für die Gläubigen Christi verfügbar sind, um sie besser für die Herausforderungen zu rüsten, die ihrem Glauben entgegentreten. Als Papst Paul VI. vor dreißig Jahren die Gründungsmitglieder der Föderation empfing, machte er deutlich, dass die Bischöfe die Hauptverantwortung dafür haben, den Gläubigen zu einem gesunden Schriftverständnis zu verhelfen. Er betonte, wie gut und notwendig es ist, dass Körperschaften wie die Ihre sich anbieten, um den Bischöfen bei dieser Aufgabe behilflich zu sein. Was mein ehrwürdiger Vorgänger damals sagte, gilt heute nicht weniger. Ohne ein fundiertes Verständnis der Schrift wird es nicht die Fülle christlichen Gebetes geben, die mit der Erfahrung beginnt, auf Gottes Wort zu hören. Noch wird es jene machtvolle christliche Predigt geben, die aus der Praxis entspringt, auf das Wort Gottes zu hören, und die den Gläubigen das Ohr für das öffnet, was der Prediger selbst zuerst gehört hat Auch wird ohne diese Voraussetzung keine christliche Theologie möglich sein, welche die große Wahrheit des Wortes Gottes ausspricht statt Unverbindlichkeiten menschlicher Meinungen. Die Föderation, die den Bischöfen hilft, den Weg echt biblischen Betens und Predigens sowie biblischer Theologie zu lehren, steht damit nicht am Rand der lebendigen christlichen Pastoral, sondern ganz in deren Mitte. Und das ist ein Grand zu großer Dankbarkeit. Ich fordere Sie auch auf, weiterhin den ökumenischen Dialog zu pflegen. Er ergibt sich, wenn Menschen verschiedener religiöser Richtungen die Schrift studieren und sich darüber austauschen. Heute ist es für alle Christen lebenswichtig, die gemeinsame Quelle der Bibel tiefer zu erforschen. Sind wir doch auf der Suche nach 702 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Einheit, die der klare Wille des Herrn ist und die die Welt, wenn sie glauben soll, so notwendig braucht. Ich vertraue Sie alle Maria, der Mutter des menschgewordenen Wortes, an und rufe über die Föderation eine neue Ausgießung der Gaben des Heiligen Geistes herab, dessen Atem den Heiligen Text erfüllt. Von Herzen erteile ich meinen Apostolischen Segen. Glaubwürdiger Verkünder der Berufung zur Heiligkeit Predigt bei der Seligsprechung von Pater Pio da Pietrelcina am 2. Mai „Singet dem Herrn ein neues Lied!“ 1. Die Aufforderung des Eröffnungsverses bringt die Freude so vieler Gläubiger zum Ausdruck, die seit langer Zeit die Erhebung zur Ehre der Altäre von Pater Pio da Pietrelcina erwarten. Dieser bescheidene Kapuziner hat die Welt mit seinem ganz dem Gebet und dem Anhören der Brüder gewidmeten Leben in Staunen versetzt. Zahllose Menschen sind zum Kloster von San Giovanni Rotondo gereist, um ihn dort zu treffen, und auch nach seinem Tod ist dieser Pilgerstrom nicht abgerissen. Als ich Student hier in Rom war, hatte ich selbst einmal Gelegenheit, ihn persönlich kennen zu lernen, und ich danke Gott, der mir heute die Möglichkeit gibt, ihn in das Buch der Seligen einzutragen. Heute morgen rufen wir uns die wesentlichen Inhalte seiner spirituellen Erfahrung in Erinnerung, geleitet von den Texten der Liturgie dieses fünften Sonntags der Osterzeit, in die der Ritus seiner Seligsprechung eingebettet ist. 2. „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott, und glaubt an mich!“ (Joh 14,1). Im Abschnitt aus dem Evangelium, der soeben verlesen wurde, hörten wir diese Worte Jesu an seine Jünger, die eine Ermutigung brauchten. In der Tat hatte der Hinweis auf seinen baldigen Weggang sie tief bestürzt. Sie fürchteten sich, verlassen zu sein und allein zu bleiben. Der Herr aber ermutigte sie mit einem klaren Versprechen: „Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten“; und dann „komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin“ (Joh 14,2-3). Auf diese Zusicherung erwidern die Apostel durch Thomas: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?“ (Joh 14,5). Diese Bemerkung ist zutreffend. Jesus weicht der darin enthaltenen Frage nicht aus. Seine Antwort wird durch die Jahrhunderte wie ein klares Licht für die kommenden Generationen bestehen: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6). Der „Platz“, den Jesus vorbereiten möchte, ist im Haus des Vaters. Dort kann der Jünger auf ewig mit dem Meister sein und an dessen Freude teilhaben. Zu diesem Ziel gibt es allerdings nur einen Weg: Christus, dem der Jünger Schritt für Schritt 703 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ähnlicher werden muss. Genau darin besteht die Heiligkeit: Nicht mehr der Christ selbst lebt, sondern Christus lebt in ihm (vgl. Gal 2,20). Ein anspruchsvolles Ziel, begleitet von einem gleichermaßen tröstenden Versprechen: „Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen, und er wird noch größere vollbringen, denn ich gehe zum Vater“ {Joh 14,12). 3. Wir hören die Worte Christi, und unsere Gedanken gehen zu dem bescheidenen Kapuzinerpater aus dem Gargano. Wie deutlich haben diese Worte doch im sei. Pio da Pietrelcina Gestalt angenommen! „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Seid gläubig...“ Was war das Leben dieses demütigen Sohnes des hl. Franziskus, wenn nicht ein stetes Bemühen um den Glauben, gestärkt durch die Hoffnung auf den Himmel, wo man mit Christus zusammen sein kann? „Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten ... damit auch ihr dort seid, wo ich bin.“ Welch anderes Ziel hatte die harte Askese, der sich Pater Pio schon in frühester Jugend unterworfen hatte, wenn nicht eine fortschreitende Identifizierung mit dem göttlichen Meistertum „dort zu sein, wo er war“? Wer sich nach San Giovanni Rotondo aufmachte, um an seiner Messe teilzunehmen, ihn um Rat zu bitten oder bei ihm zu beichten, erkannte in ihm ein lebendiges Abbild des leidenden und auferstandenen Christus. Im Gesicht von Pater Pio erstrahlte das Licht der Auferstehung. Sein von den Wundmalen gezeichneter Körper zeigte jene enge Verbindung zwischen Tod und Auferstehung, von der das Ostergeheimnis geprägt ist. Die Teilnahme an der Passion nahm für den Seligen aus Pietrelcina ganz besonders durchdringende Züge an: Die einzigartigen Gaben, die ihm zuteil wurden, und die innerlichen und mystischen Schmerzen, die diese Gaben begleiteten, ließen für ihn ein ergreifendes und ständiges Erleben der Leiden des Herrn in der unerschütterlichen Gewissheit zu, dass „der Kalvarienberg der Berg der Heiligen ist“. 4. Nicht weniger schmerzlich, und in menschlicher Hinsicht vielleicht noch herber, waren die Prüfungen, die er - man würde fast sagen infolge seiner einzigartigen Charismen - über sich ergehen lassen musste. In der Geschichte der Heiligkeit kommt es manchmal vor, dass der Auserwählte — aufgrund eines besonderen Zulassens Gottes - auf Unverständnis stößt. In einem solchen Fall wird der Gehorsam für ihn zum Schmelztiegel der Läuterung, zum Weg fortschreitender Annäherung an Christus, zur Stärkung der wahren Heiligkeit. In diesem Zusammenhang schrieb der neue Selige an einen seiner Oberen: „Mir liegt allein daran, euch zu gehorchen, denn der gute Gott hat mich mit dem bekannt gemacht, was ihm am liebsten und für mich das einzige Mittel ist, auf Heil zu hoffen und den Sieg zu erringen“ (vgl. Epistl, S. 807). Als das „Gewitter“ über ihn hereinbrach, machte er die Ermahnung aus dem ersten Petrusbrief, die wir eben gehört haben, zu seiner Lebensregel: „Kommt zu Christus, dem lebendigen Stein“ (vgl. 1 Petr 2,4). Auf diese Weise wurde auch er zum 704 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „lebendigen Stein“, zum Aufbau des geistigen Hauses, das die Kirche ist. Und dafür wollen wir heute Gott danken. 5. „Laßt euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen“ (1 Petr 2,5). Wie zutreffend erscheinen doch diese Worte in Bezug auf die außerordentliche Erfahrung von Kirche, die um den neuen Seligen gewachsen ist! Viele haben durch eine direkte oder indirekte Begegnung mit ihm den Glauben wiedergefunden. Nach seiner Weisung sind überall auf der Welt die „Gebetsgruppen“ entstanden. Denen, die zu ihm kamen, empfahl er die Heiligkeit und sagte ihnen wiederholt: „Es scheint, daß Jesus keine andere Sorge hat als die Heiligung eurer Seelen“ (vgl. Epistll, S. 155). Wenn die göttliche Vorsehung gewollt hat, dass er wirkte, ohne je sein Kloster zu verlassen, sozusagen zu Füßen des Kreuzes „verwurzelt“, dann hat dies sicher seine Bedeutung. Der göttliche Meister musste ihn eines Tages, als er unter besonders schweren Prüfungen litt, trösten und sagte zu ihm: „Unter dem Kreuz lernt man lieben“ (vgl. EpistL, S. 339). Ja, das Kreuz Christ ist die höchste Schule der Liebe. Noch mehr: Es ist der „Quell“ der Liebe selbst. Vom Schmerz geläutert führte die Liebe dieses treuen Jüngers die Herzen der Menschen zu Christus und zu seinem fordernden Evangelium des Heils. 6. Gleichzeitig ergoss sich seine Liebe wie Balsam auf die Schwächen und Leiden seiner Brüder. So verband Pater Pio seine Sorge um die Seelen mit dem Offensein für das menschliche Leid: In San Giovanni Rotondo setzte er sich für die Gründung eines Krankenhauses ein, das er „Casa Sollievo della Sofferenza“ nannte. Er wollte, dass es ein erstklassiges Krankenhaus sei, vor allem aber lag ihm daran, dass dort eine wirklich „humane“ Medizin angewendet werde, bei der die Beziehung zum Kranken von besonderer Fürsorge und herzlicher Aufnahme geprägt ist. Er wusste sehr wohl, dass Kranke und Leidende nicht nur eine korrekte Anwendung therapeutischer Maßnahmen brauchen, sondern auch und vor allem ein menschliches und geistiges Klima, das es ihnen ermöglicht, in der Begegnung mit der Liebe Gottes und mit der Fürsorge der Brüder sich selbst wiederzufinden. Mit der „Casa Sollievo della Sofferenza“ wollte er beweisen, dass die „gewöhnlichen Wunder“ Gottes sich durch unsere Nächstenliebe vollziehen. Man muss zum Teilen und zum großherzigen Dienst an den Brüdern bereit sein und dabei alle verfügbaren Hilfsmittel der medizinischen Wissenschaft und der Technik einsetzen. 7. Das Echo, das diese Seligsprechung in Italien und auf der ganzen Welt hervorgerufen hat, ist ein Zeichen dafür, dass der Ruf von Pater Pio, Sohn Italiens und des hl. Franz von Assisi, sich inzwischen in allen Erdteilen verbreitet hat Gerne begrüße ich alle, die sich hier versammelt haben, beginnend bei den höchsten Vertretern des italienischen Staates, die an dieser Feier teilnehmen: den Präsidenten der Republik, den Präsidenten des Senats, den Ministerpräsidenten, der die offizielle Delegation leitet, sowie zahlreiche weitere Minister und Persönlichkeiten. Italien ist fürwahr würdig vertreten! Aber auch viele Gläubige anderer Nationen haben sich hier eingefunden, um Pater Pio ihre Ehrerbietung zu erweisen. 705 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Allen, die aus nah und fern gekommen sind, gilt mein herzlicher Gruß, begleitet von einem besonderen Gruß an die Kapuzinerpatres. Vielen Dank an alle! 8. Ich möchte mit den Worten aus dem Evangelium dieser hl. Messe abschließen: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott.“ Diese Aufforderung Christi spiegelt sich wider in dem Rat, den der neue Selige so gerne gab: „Sinkt voll Vertrauen auf das göttliche Herz Jesu, wie ein Kind in die Arme der Mutter.“ Möge diese Einladung als Quelle des Friedens, der Freude und Zufriedenheit auch in unser Herz dringen. Warum sollten wir Angst haben, wenn Christus für uns der Weg und die Wahrheit und das Leben ist? Warum sollten wir nicht auf Gott vertrauen, der Vater, unser Vater, ist? „Santa Maria delle Grazie“, die der bescheidene Kapuziner aus Pietrelcina mit steter und inniger Verehrung anrief, helfe uns, unsere Augen immer auf Gott gerichtet zu halten. Sie nehme uns bei der Hand und führe uns dazu, mit all unserer Kraft jene übernatürliche Nächstenliebe zu erstreben, die aus der durchbohrten Seite des Gekreuzigten strömt. Und du, sei. Pater Pio, richte deinen Blick aus dem Himmel auf uns, die wir uns auf diesem Platz einfanden, und auf jene, die im Gebet auf dem Platz vor dem Lateran oder in San Giovanni Rotondo versammelt sind. Sei der Fürsprecher aller, die sich überall auf der Welt diesem Ereignis im Geiste anschließen und ihre Bitten zu dir erheben. Komm jedem von ihnen zu Hilfe und schenke jedem Herzen Frieden und Trost. Amen! Wirken von Pater Pio im Dienst am Heil der Menschen Ansprache bei der Sonderaudienz für die zur Seligsprechung von Pater Pio da Pietrelcina angereisten Pilger am 3. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude treffe ich erneut auf diesem Platz mit euch zusammen, auf dem gestern ein von euch seit langem erwartetes Ereignis in Erfüllung gegangen ist: die Seligsprechung von P. Pio da Pietrelcina. Heute ist der Tag der Danksagung. Eben ist die von meinem Staatssekretär, Angelo Kardinal Sodano, zelebrierte heilige Eucharistiefeier zu Ende gegangen. Ihn wie auch alle anderen Kardinäle und Bischöfe, die zahlreichen Priester und Gläubigen grüße ich von ganzem Herzen. Meine besondere Zuneigung gilt euch, liebe Kapuziner, wie auch den anderen Mitgliedern der großen Franziskanerfamilie, die den Herrn für jene Wunder preisen, die er in dem demütigen Pater aus Pietrelcina, dem beispielhaften Jünger des Pove-refo von Assisi, gewirkt hat. Viele von euch, liebe Pilger, sind Mitglieder der von P. Pio gegründeten Gebetsgruppen: herzlichst grüße ich euch wie auch alle anderen Gläubigen, die, zum Ausdruck ihrer Ergebenheit für den neuen Seligen, bei diesem frohen Anlass dabei 706 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN waren. Einen ganz besonderen Gruß richte ich schließlich an alle Kranken, die im Herzen und im Wirken von Pater Pio einen bevorzugten Platz einnahmen: ich danke euch für eure wertvolle Anwesenheit. 2. Nach der göttlichen Vorsehung hat die Seligsprechung von Pater Pio am Vorabend des Großen 2000jährigen Jubiläums stattgefunden, am Ende eines dramatischen Jahrhunderts. Welche Botschaft richtet der Herr mit diesem Ereignis großer spiritueller Bedeutung an die Gläubigen und die gesamte Menschheit? Das im Leben und in der physischen Gestalt selbst zum Ausdruck kommende Zeugnis von Pater Pio lässt darauf schließen, dass diese Botschaft mit dem wesentlichen Gedanken des nunmehr unmittelbar bevorstehenden Jubiläums übereinstimmt: Jesus Christus ist der einzige Erlöser der Welt. In ihm, in der Fülle der Zeiten, ist das Erbarmen Gottes Fleisch geworden, um der durch die Sünde zu Tode verletzten Menschheit das Heil zu schenken. „Durch seine Wunden seid ihr geheilt“ (1 Petr 2,24), sagt der sei. Pater Pio, dessen Leib von diesen Wunden gezeichnet war, mit den Worten des Apostels Petrus. In seinem fast ausschließlich in San Giovanni Rotondo verbrachten sechzigjährigen Ordensleben widmete er sich vollkommen dem Gebet, dem Dienst der Versöhnung und der spirituellen Führung, wie der Diener Gottes, Papst Paul VI., deutlich hervorgehoben hat: „Welch hohes Ansehen hat Pater Pio genossen! Warum wohl? ... Weil er in Demut Messe las, von morgens bis abends Beichte hörte und die Wundmale unseres Herrn am Körper trug. Er war ein Mann des Gebets und des Schmerzes“ (20. Februar 1971). Ganz in Gott versunken, stets das Leiden Jesu an sich tragend, war er das gebrochene Brot für die nach der Vergebung Gottvaters hungernden Menschen. Seine Wundmale waren, wie die des hl. Franz von Assisi, Wirken und Zeichen des göttlichen Erbarmens, das durch das Kreuz Christi die Welt erlöst hat. Diese offenen und blutenden Wunden sprachen von der Liebe Gottes für alle Menschen, insbesondere für die körperlich und geistig kranken. 3. Und was können wir von seinem Leben sagen, diesem unablässigen mit den Waffen des Gebets ausgetragenen geistigen Kampf, gänzlich auf die alltäglichen heiligen Handlungen der Beichte und der Messe ausgerichtet? Die Eucharistiefeier war Mittelpunkt jedes Tages, das innigste Anliegen jeder Stunde, der Augenblick der engsten Gemeinschaft mit Jesus, Priester und Opfer zugleich. Er fühlte sich berufen, am Todeskampf Christi, an dem bis an das Ende der Welt dauernden Todeskampf, teilzuhaben. Meine Lieben, in unserer Zeit in der wir noch immer glauben, Konflikte mit Gewalt und Unterdrückung lösen zu können, und nicht selten der Versuchung erliegen, die brutale Macht der Waffen zu missbrauchen, wiederholt Pater Pio das, was er einst sagte: „Krieg, welch ein Grauen! Jesus leidet in jedem verwundeten Menschen.“ Auch dürfen wir nicht ignorieren, dass seine beiden Werke - „La Casa Sollievo della Sofferenza“ und die Gebetsgruppen - 1940 gegründet wurden, als sich in Europa die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs abzeichnete. Er blieb nicht 707 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN untätig, sondern antwortete in seinem abgelegenen Kloster auf dem Gargano mit dem Gebet und Werken der Barmherzigkeit, mit Liebe zu Gott und dem Nächsten. Und vom Himmel aus erinnert er heute alle daran, dass das der wahre Weg zum Frieden ist. 4. Die Gebetsgruppen und „La Casa Sollievo della Sofferenza“: zwei bedeutende „Geschenke“, die uns Pater Pio hinterlassen hat. Das von ihm zur Betreuung mittelloser Patienten geplante und verwirklichte Krankenhaus war von Anfang an als eine allen zugängliche medizinische Einrichtung geplant, die mit ihrer Ausstattung dennoch anderen Krankenhäusern keineswegs nachstand. Im Gegenteil, Pater Pio schaffte für sie die modernsten wissenschaftlichen und technologischen Instrumente an, um sie zu einem Ort wahrer Aufnahme, liebevoller Achtung und wirksamer Behandlung für jeden kranken Menschen zu machen. Ist das nicht wirklich ein Wunder der Vorsehung, das sich im Geist des Gründers fortsetzt und entwickelt? Die Gebetsgruppen waren für ihn wie strahlende Lichter der Erleuchtung und Liebe in aller Welt. Viele Seelen sollten sich ihm im Gebet anschließen: „Betet“, sagte er, „betet mit mir zum Herrn, denn die ganze Welt braucht das Gebet. Und betet jeden Tag, wenn die Einsamkeit des Lebens schwer auf euch lastet, betet gemeinsam zum Herrn, denn auch Gott braucht unser Gebet.“ Er wollte ein Heer betender Menschen schaffen, Personen, die kraft des Gebets „Sauerteig“ in der Welt sein würden. Und heute dankt ihm die gesamte Kirche für dieses wertvolle Erbe, bewundert die Heiligkeit dieses ihres Sohnes und fordert alle auf, seinem Beispiel folgen. 5. Liebe Brüder und Schwestern, das Zeugnis von Pater Pio hat einen starken Rückbezug zur übernatürlichen Dimension, nicht zu verwechseln mit „Wundersucht“, einer Abweichung, die er stets entschieden gemieden hat. Vor allem sollten Priester und Ordensleute seinem Beispiel folgen. Er lehrt die Priester fügsame und selbstlose Werkzeuge der göttlichen Gnade zu werden, welche die Menschen an der Wurzel ihrer Übel heilt und ihren inneren Frieden wieder herstellt. Altar und Beichtstuhl waren die wesentlichen Pole seines Lebens: die charismatische Intensität, mit der er die göttlichen Geheimnisse feierte, ist ein durchaus willkommenes Zeugnis, um die Priester vor der Versuchung zur Gewohnheit zu bewahren und ihnen zu helfen, Tag für Tag den ihren Händen anvertrauten unerschöpflichen Reichtum spiritueller, moralischer und sozialer Erneuerung wieder zu entdecken. Den Ordensleuten, insbesondere der Franziskanerfamilie, bietet er ein Zeugnis einzigartiger Treue. Franziskus war sein Taufname, und Zeit seines Klosterlebens war er in Armut, in Keuschheit und Gehorsam der würdige Jünger des seraphischen Vaters. In absoluter Treue befolgte er die strenge Regel des Kapuzinerordens und widmete sich hingebungsvoll dem Leben der Buße. Er fand keinen Gefallen am Schmerz, vielmehr wählte er ihn als Weg der Sühne und Läuterung. Wie der Pove-rello von Assisi strebte auch er nach Gleichförmigkeit mit Jesus Christus in dem Wunsch nur „zu lieben und zu leiden“, um an dem mühsamen und anspruchsvollen 708 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erlösungswerk des Herrn teilzuhaben. „Feste, konstante und eiserne“ Treue (Epist. 1,488) war der höchste Ausdruck seiner bedingungslosen Liebe zu Gott und der Kirche. Welch großer Trost ist es, Pater Pio, der lediglich „ein armer Mönch des Gebets“ sein wollte, an unserer Seite zu wissen: Bruder Christi, Bruder des hl. Franz, Bruder der Leidtragenden, Bruder jedes einzelnen von uns. Möge uns sein Beistand auf dem Weg des Evangeliums fuhren und stets zu hingebungsvolleren Jüngern Christi machen! Das möge die Jungfrau Maria, die er in tiefer Ergebenheit geliebt und zu lieben gelehrt hat, für uns erwirken. Möge ihre Fürsprache, die wir voll Vertrauen anru-fen, das für uns erflehen. Mit diesen Wünschen ereile ich euch, den hier anwesenden Pilgern, und allen, die im Geiste an diesem freudigen Anlass teilhaben, von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Europa muss die gemeinsamen Werte wieder entdecken, die seine Identität prägten und Bestandteil seiner Geschichte sind Botschaft zum 50. Jahrestag der Gründung des Europarats vom 5. Mai An Herrn Jänos Martonyi, Außenminister der ungarischen Republik und Vorsitzender des Ministerkomitees des Europarats Als die europäischen Völker nach dem 2. Weltkrieg, jenem großen Konflikt, der sechs Jahre lang den ganzen Kontinent verwüstete, mit dem Wiederaufbau ihres Lebens begannen, fand der Wunsch nach einer neuen europäischen Ordnung seinen ersten politischen und kollegialen Ausdruck in der Gründung des Europarats, dessen Verfassungsurkunde am 5. Mai 1949 in London unterzeichnet wurde. Der Rat gehört somit zu den ältesten europäischen Institutionen und diente als erste Einrichtung der Schaffung einer auf geistigen und moralischen Werten, dem gemeinsamen Erbe der europäischen Völker, gegründeten neuen Einheit unter den Völkern des Kontinents. Die Gründungsmitglieder des Europarats erklärten, dass diese Werte „die wahre Quelle individueller und politischer Freiheit und die Grundlage des Rechtsstaates“ sind (Präambel des Statuts von 1949) und somit das Fundament eines neuen politischen Projekts für Europa bilden. Diese edle Sichtweise festigte und konkretisierte sich durch die Abfassung der Europäischen Konvention für Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Wahrung und Verwirklichung einem unabhängigen europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anvertraut wurde, dessen paneuropäische Zuständigkeit noch immer ein nie dagewesener Grundsatz ist. Er bekräftigt, dass - in den von der Konvention 709 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN behandelten Fällen - die Achtung der Menschenrechte die nationale Oberhoheit übertrifft und nicht sozialpolitischen Zwecken untergeordnet oder durch nationale Interessen beeinträchtigt werden darf. Der Gerichtshof hat bewiesen, dass die Konvention ein wirksames Instrument zum Schutz individueller Rechte gegen den Missbrauch staatlicher Macht ist. Der Geist europäischer Demokratie konnte 1949 durch die Errichtung der ersten beratenden Parlamentarischen Versammlung weiterhin gefestigt werden. In diesem für die damalige Zeit einzigartigen Beratungsorgan traten die gewählten Vertreter aus den Parlamenten der Mitgliedstaaten des Europarats zusammen. Mit besonderer Freude erinnere ich mich an meinen Besuch beim Europarat in Straßburg von 1988. In meiner dort gehaltenen Ansprache brachte ich den Gründern der europäischen Bewegung meine Anerkennung zum Ausdruck. Ihrem Weitblick war es ja gelungen, sich über nationale Grenzen, alte Rivalitäten und historische Feindseligkeiten hinwegzusetzen und ein neues politisches Projekt in Angriff zu nehmen, das den europäischen Nationen ermöglichen würde, ein durch unverzichtbare Werte wie Vergebung, Frieden, Gerechtigkeit, Zusammenarbeit, Hoffnung und Brüderlichkeit gefestigtes „gemeinsames Heim“ aufzubauen. Hier möchte ich mm wiederholen, was ich damals bereits gesagt habe: Europa muss jene gemeinsamen Werte wieder entdecken und wahmehmen, die seine Identität geprägt haben und Bestandteil seiner Geschichte sind. Mittelpunkt unseres gemeinsamen europäischen Erbes - religiöser, rechtlicher und kultureller Natur - ist die einzigartige und imveräußerliche Würde der menschlichen Person. Dem reichen geschichtlichen Erbe Ausdruck gebend, machte der Europarat die Verkündigung und Verteidigung der Menschenrechte zur Grundlage seiner politischen Initiativen. In der Erklärung von Budapest verpflichten Sie sich zum Aufbau dieses Größeren Europas ohne Grenzen und bekräftigen „den Primat der menschlichen Person bei der Festlegung von [Ihren] politischen Richtlinien“ (vgl. Nr. 3). Der Europarat hat seine Türen auch den neuen mittel- und osteuropäischen Demokratien geöffnet. Als ich mich zuletzt unmittelbar an die Mitglieder des Europarats wandte, zählte die Organisation 21 Nationen; heute sind 41 Mitgliedstaaten im Europarat vertreten. Das 50jährige Jubiläum der Gründung des Europarats fällt mit dem zehnten Jahrestag der dramatischen Ereignisse von 1989 zusammen. Von den Idealen und Grundsätzen ausgehend, die das gemeinsame Erbe der europäischen Staatenfamilie bilden, gaben sie den Weg zur Wiedervereinigung dieses Kontinents frei. Es waren die „Waffen der Wahrheit und der Gerechtigkeit“ (Centesimus annus, Nr. 23) - die Wahrheit über den Menschen und die Gerechtigkeit, nach der alle Menschen verlangen - die, durch friedlichen Protest unterstützt, jene politischen Systeme zu Fall brachten, deren fremde Ideologie die Völker Europas getrennt hatte. Der Grundirrtum des Totalitarismus war anthropologischer Natur (vgl. ebd., Nr. 13). Das Wohl des Menschen war der sozialpolitischen Ordnung untergeordnet, was bedeutete, dass die menschliche Person nicht mehr als moralisches Subjekt existierte. Dieses irrige Konzept von der menschlichen Person führte zu einer schweren Ent- 710 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Stellung der Zielsetzung und Funktion des Gesetzes, das, anstatt ein Instrument des Dienstes zu sein, zu einem Instrument der Unterdrückung wurde. Mit eingehend vorbereiteten Hilfsprogrammen zur Entwicklung und Festigung der demokratischen Stabilität der kürzlich unabhängig gewordenen Staaten bemühte sich der Europarat in den vergangenen zehn Jahren, dieser Entstellung abzuhelfen und die grundlegenden Voraussetzungen für die wirkliche Demokratie zu schaffen. Angesichts der begrenzten Möglichkeiten heutiger Gesellschaftsformen, politische Freiheit, soziale Gleichberechtigung und Solidarität zu gewährleisten, ist es meine aufrichtige Hoffnung, dass es dem Europarat gelingen wird, seinen Mitgliedern und dem ganzen Kontinent zu helfen, den neuen Herausforderungen auf kreative Art und Weise zu begegnen. Ebenso wie ich Ihre Bemühungen zur Beseitigung der für die politische Zerrissenheit verantwortlichen Ursachen schätze, werden Sie zweifellos auch meinen innigen Wunsch und meine ständige Hoffnung für die Überwindung der religiösen Spaltungen in der europäischen Familie achten, insbesondere in einer Zeit, in der die Kirche einen fruchtbaren Dialog mit anderen religiösen Gemeinschaften fuhrt, die ihrerseits ebenfalls zum reichen geistigen und kulturellen Erbe Europas beigetragen haben. In vollem Bewusstsein teile ich zutiefst die Sorge des Europarates angesichts der tragischen und gewaltsamen Ereignisse auf dem Balkan und insbesondere im Kosovo. Ich bitte Sie inständig, lassen Sie sich nicht entmutigen, sondern setzen Sie Ihre lobenswerten Bemühungen fort, um den Verletzungen der menschlichen Grundrechte und der Missachtung der menschlichen Würde ein Ende zu bereiten. Es ist notwendig, annehmbare Wege zu finden, die, das Gesetz und die Geschichte achtend, den Bedingungen für den Aufbau einer positiven Zukunft der von dem gegenwärtigen Konflikt betroffenen Nationen entsprechen. Halten Sie fest an Ihrem edlen Vorsatz, eine auf der Priorität der Menschenrechte, auf demokratischen Gmndsätzen und Rechtstaatlichkeit aufgebaute neue europäische Ordnung schaffen zu wollen. Nach Beendigung des verheerenden Krieges wird der Europarat jene europäische Institution sein, die sich am besten für den Aufbau einer neuen politischen Kultur in Südosteuropa eignet. Er wird Brennpunkt der Versöhnung zwischen den Völkern sein. Deren physische, moralische und geistige Kraft durch Gewalttätigkeit und Zerstörung vergeudet worden ist. Von Herzen grüße ich den Präsidenten des Ministerkomitees und den Generalsekretär des Europarates, die in Budapest versammelten Außenminister und Vertreter der Mitglied- und Anwärterstaaten wie auch die Vertreter der Beobachterstaaten und alle höheren Beamten des Europarates. Ich bete, dass Gott Ihre Bemühungen zur Festigung und Stärkung der Einheit unter den Völkern Europas reichlich segne. Aus dem Vatikan, am 5. Mai 1999 711 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fachliche Kompetenz und geistliches Leben Ansprache während der Audienz für die Schweizergarde anlässlich der Vereidigung der Neugardisten am 5. Mai Herr Kommandant, liebe Gardisten, liebe Angehörige und Freunde der Schweizergarde! 1. Seit den Anfängen der Schweizergarde verbindet euch mit dem heutigen Tag eine ungebrochene Tradition, die euch an den besonderen Einsatz zum Wohl und Leben der Nachfolger des hl. Petrus erinnert. So ist es auch in diesem Jahr für mich eine besondere Freude, euch zusammen mit euren Eltern, Angehörigen und Freunden im Apostolischen Palast zu empfangen. Einen besonderen Willkommensgruß entbiete ich den neuen Rekruten, die durch die Ablegung des Treueeides in euer Korps eingegliedert werden. Dadurch verpflichten sie sich, einige Jahre ihres Lebens einer sehr ehrenhaften und verantwortungsvollen Aufgabe im Herzen der Weltkirche zu widmen. 2. Liebe Rekruten, ihr habt euch zu einem zutiefst kirchlichen Dienst entschlossen und wollt dadurch der Welt gegenüber „Farbe bekennen“. Dafür gilt euch mein aufrichtiger Dank. Ihr tut euren Dienst nicht als Einzelkämpfer, sondern als Gemeinschaft. An einem Festtag wie heute von vielen umgeben und getragen zu sein, ist ein Segen. Diese Gemeinschaft im Alltag zu leben, bedeutet aber immer auch eine Herausforderung. Wenn junge Menschen - wie die Mitglieder der Schweizergarde — gewillt sind, eine gewisse Wegstrecke miteinander zurückzulegen, dann dürfen sie ihre Hoffnungen und Sorgen, ihre Erwartungen und Nöte im Spiegel der Gemeinschaften anschauen, die am Anfang der Kirche standen. Die Lebensverhältnisse unter den Menschen, selbst unter Jesu Jüngern, waren in biblischer Zeit kaum anders als in unseren Tagen. Denn die Heilige Schrift verschweigt nicht, wie sich einige Gefolgsleute mit Paulus zunächst auf den Weg machten, sich aber später wieder von ihm trennten, um ihre eigenen Wege zu gehen. Auch herrschte wohl nicht immer vollkommene Harmonie, zu unterschiedlich waren die Charaktere, Temperamente und Interessen. Dennoch ging von den Jüngern, die sich von Jesus in Dienst nehmen ließen, eine anziehende und einladende Kraft aus. Paulus, der wie kaum ein anderer erfahren durfte, wie Gott auf den krummen Zeilen des Lebens gerade zu schreiben vermag, legte in seinen Schriften immer wieder dar, wie sehr Gott seinem Volk nahe blieb und es im Auf und Ab seiner Geschichte, in der Spannung von Treue und Versagen nie im Stich ließ. Die endgültige Erfüllung dieser bleibenden Zusage Gottes an die Menschen hat er uns in seinem Sohn geschenkt, den er der Welt „der Verheißung gemäß als Retter gesandt hat“ (Apg 13,23). 712 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Liebe Gardisten, von der Zuwendung Gottes in Jesus Christus mit eurer jugendlichen Freude und Frische Zeugnis zu geben, dazu möchte ich euch ermutigen. Dieses Zeugnis faltet sich besonders in zwei Richtungen aus: Zum einen bekundet ihr durch euren Schritt in die Schweizergarde den Willen, euren Dienst in besonderer Weise auf den Papst hin auszurichten, dem die Hirtensorge für die ganze Herde anvertraut ist (vgl. Joh 21,16). Zum anderen bezeugt ihr durch euren Einsatz in den vielfältigen Aufgabenbereichen eurer Truppe vor den Menschen, in wessen Dienst ihr steht und welche Beweggründe euch in eurem Tun erfüllen. 4. Damit berühre ich einen Gedanken, der mir sehr am Herzen liegt. Eure Bemühungen um Ausbildung und Dienstordnung, um fachliche Eignung und professionelle Kompetenz sind wichtig. Mindestens so wichtig aber ist es, dass ihr die Zeit in Rom als einmalige Chance nützt, um das Profil eures Christseins zu schärfen. Ich denke in erster Linie an euer geistliches Leben, das sich der Frage nach dem Plan stellen muss, den Gott mit jedem einzelnen von euch hat. Zugleich erinnere ich daran, wie wichtig ein Umgang miteinander ist, der Brüdern entspricht, die den Namen „Christen“ tragen - sei es im Dienst oder in der Freizeit. Das ehrliche brüderliche Gespräch kann zwar manchmal anstrengend und fordernd sein; wenn es jedoch wahrhaftig und ehrlich geführt wird, lässt es die Beteiligten miteinander und aneinander zu reifen Persönlichkeiten heranwachsen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich es nicht versäumen, euch, lieben Neugardisten, eine gesegnete Zeit in der Ewigen Stadt zu wünschen. Die schon länger dienenden Gardisten und die Verantwortlichen in der Leitung des Korps bitte ich, sich um ein Netz des Vertrauens zu bemühen, von dem sich alle Mitglieder der Schweizergarde auch in schwierigen Augenblicken gehalten und getragen wissen. Gleichzeitig hoffe ich, dass während eurer Dienstzeit in Rom die Verbindung zu euren lieben Eltern, Verwandten und Freunden in der Heimat lebendig bleibt. Alle sollen sich mit euch über die einzigartige Möglichkeit freuen, neue und fruchtbare Lebenserfahrungen machen zu dürfen. Auf die Fürsprache der Jungfrau Maria und eurer heiligen Patrone Bruder Klaus, Martin und Sebastian erteile ich euch sowie allen, die zur Feier der Vereidigung nach Rom gekommen sind, von Herzen den Apostolischen Segen. 713 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glückwunschtelegramm an den neuen Präsidenten der Republik Italien vom 13. Mai Seiner Exzellenz Carlo Azeglio Ciampi gewählter Präsident der Italienischen Republik Via XX Settembre 97, 00187 Roma Exzellenz, wollen Sie bitte meine herzlichsten Glückwünsche zu Ihrer schon im ersten Wahlgang mit großer Mehrheit erfolgten Wahl zum Präsidenten der Italienischen Republik entgegennehmen. In aller Herzlichkeit wünsche ich Ihnen vollen Erfolg in Ihrer hohen Aufgabe als höchster Garant der nationalen Einheit. Ich rufe auf Sie den steten göttlichen Beistand herab für erleuchtetes und wirksames Handeln zur Förderung des Allgemeinwohls, ausgerichtet an den echten bürgerlichen und christlichen Werten des italienischen Volkes. In diesem Sinn sende ich Ihnen und Ihrer sehr geehrten Frau Gemahlin den Apostolischen Segen, den ich gern auf das ganze italienische Volk ausweite. Joannes Paulus PP. II Das missionarische Bewusstsein des Volkes Gottes fördern Ansprache während der Sonderaudienz für die Leiter der Päpstlichen Missionswerke am 14. Mai Herr Kardinal, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Nationaldirektoren, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Päpstlichen Missionswerke! 1. Mit Freude richte ich an jeden von euch meinen herzlichen Gruß, angefangen mit Kardinal Jozef Tomko, Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Ich danke ihm für die Worte, die er in eurem Namen gesprochen hat. Ich grüße Erzbischof Charles A. Schleck, Beigeordneter Sekretär der Kongregation und Präsident der Päpstlichen Missionswerke, die Generalsekretäre der Werke und in besonderer Weise euch, liebe Nationaldirektoren, die ihr in erster Person die Bürde der missionarischen Animation und Kooperation in euren Ländern trägt. Mein herzlicher Gruß erstreckt sich auf alle eure Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, denen es am Herzen liegt, vom Eifer für das Evangelium angetrieben, die Liebe des himmlischen Vaters jedem Menschen und in jeder Lebenslage zu verkünden. 714 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Wenn ich euch willkommen heiße, möchte ich in diesen Gruß auch alle ein-schließen, die für die Sendung der Kirche zur Ausbreitung des Evangeliums arbeiten, beten und leiden. Es sind sehr viele: vom apostolischen Personal, das sich diese Sendung fürs ganze Leben zur Aufgabe gemacht hat und das weiterhin das Beispiel für die größte Hingabe an die Sache des Evangeliums bleibt, bis zu den Menschen, die sich in den verschiedenen Lebenslagen, auch still und ungenannt, für die missionarische Animation und Mitarbeit einsetzen. Überbringt ihnen meinen Dankesgruß und ein Wort der Ermutigung, stets die Mission „ad gentes“ zu unterstützen. Sie ist notwendig für die Verkündigung des Evangeliums an alle, die Christus, den einzigen Erlöser des Menschengeschlechtes, noch nicht kennen. Ich denke besonders an jene, die mitten in Schwierigkeiten aller Art treu dort ausharren, wohin sie der Geist Gottes geführt hat, manchmal bis zur Hingabe des eigenen Lebens. Wir danken Gott für dieses ihr hochherziges Zeugnis. Wir wissen ja: „Sanguis martyrum, semen christianorum“ [Das Blut der Märtyrer ist Same der Christen], Mit ihrem rückhaltlos dargebotenen Leben bezeugen diese Brüder und Schwestern der Welt, die nicht selten den echten Werten gegenüber skeptisch ist, die grenzenlose und ewige Liebe Gottes, des Vaters. 3. Dieses unser Treffen findet in unmittelbarer Nähe zum Großen Jubiläum des Jahres Zweitausend statt, in welchem wir die Feier des Heiles begehen, das der Vater allen Menschen angeboten hat. Das lässt uns spontan noch einmal daran denken: „Die Sendung Christi, des Erlösers, die der Kirche anvertraut ist, ist noch weit davon entfernt, vollendet zu sein. Ein Blick auf die Menschheit insgesamt am Ende des zweiten Jahrtausends zeigt uns, daß wir uns mit allen Kräften für den Dienst an dieser Sendung einsetzen müssen“ (Redemptoris missio, Nr. 1) in Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters, „daß alle Menschen gerettet werden“ (7 Tim 2,4). Eure Versammlung, die in diesem Jahr das Thema hat: „Die missionarische Zusammenarbeit im Jahre Zweitausend: Animation, Berufe, Personal, geistige und materielle Hilfe“, wurde durch die Veranstaltung passender Pastoraltage vorbereitet. Dabei habt ihr euch dem Studium der Instruktion Cooperatio missio-nalis gewidmet, die am vergangenen 1. Oktober veröffentlicht wurde. Dieses Dokument kommt auf die bleibende Gültigkeit der Mission ad gentes zurück und bietet praktische Normen, die geeignet sind, den Initiativen der Päpstlichen Missionswerke und anderer, der Kongregation für die Evangelisierung der Völker bei-geordneten Stellen so gut wie möglich Orientierung zu vermitteln. 4. Die ganze Kirche „hat den Auftrag erhalten, den allgemeinen Heilsplan zu verwirklichen, der von Ewigkeit her aus der ,Quelle der Liebe1, nämlich der Liebe Gottes, des Vater“, entspringt (Cooperatio missionalis, Nr. 1). Der Apostel Paulus erklärt, dass er Gott mit ganzem Herzen ehrt „im Dienst [der Verkündigung] des Evangeliums von seinem Sohn“ (Röm 1,9). In der Tat ist die Verkündigung der bedingungslosen Liebe Gottes zu allen Menschen eine Aufgabe, die aus dem Wissen um ihren absoluten Heilswert hervorgeht. Nur wenn der Mensch diese Liebe anerkennt und sich ihr anheimgibt, kann er der Wahrheit gemäß leben (vgl. Gau- 715 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dium et spes, Nr. 19,1)- So ist also zu verstehen, warum „die missionarische Verkündigung ... vorrangig den Dienst ausmacht, den die Kirche jedem Menschen und der ganzen Menschheit erweisen kann“ (Redemptoris missio, Nr. 2). Diese Liebe des Vaters, offenbart vom und im menschgewordenen Sohn, drängt die Kirche zur Mission. Um mit ihr zusammenzuarbeiten, empfangen die Christen den Heiligen Geist, „die Hauptperson für die ganze kirchliche Sendung: sein Werk leuchtet großartig auf in der Mission ad gentes“ (ebd., Nr. 21). 5. Euch, den Mitgliedern des Oberen Rates der Päpstlichen Missionswerke, wie auch euren Mitarbeitern kommt die Hauptverantwortung für die missionarische Belebung und die missionarische Bildung des Volkes Gottes zu. Darum ermutige ich euch, mit neuer Kraft diese Aufgabe Weiterzufuhren. Dass ihr sie bereits mit großem Edelmut wahmehmt, beweist unter anderem das ständige Anwachsen eures zentralen Solidaritätsfonds, der hauptsächlich aus kleinen Beiträgen von vielen Menschen - den „armen Witwen“ des Evangeliums -gebildet wird, die Opfer bringen von dem, was sie zum Leben notwendig haben. Dieser Fonds macht pastorale Tätigkeiten in jenen Kirchen möglich, denen es an materiellen Mitteln oder an genügend apostolischem Personal fehlt. Auf eure Aufgabe als Direktoren der Päpstlichen Missionswerke und auf eure persönliche Hingabe kann also nicht verzichtet werden. Folgendes wird von euch verlangt: „das Volk Gottes über die allgemeine Mission der Kirche informieren und bilden, Missionsberufe pflegen, auf die Zusammenarbeit bei der Evangelisierung hinwirken“ (Redemptoris missio, Nr. 83) in wirklich universalem Geist, in dem Bewusstsein, dass die Päpstlichen Missionswerke die ganze Welt als Horizont haben. Die Universalität ist der bedeutendste und charakteristische Vorzug dieser Werke, die auf diese Weise an der Sorge des Papstes für alle Kirchen teilhaben (vgl. 2 Kor 11,28). Ich vertraue euch und euren Dienst der aufmerksamen Hilfe Marias, Mutter der Kirche und Stern der Evangelisierung, an. Ich versichere euch eines ständigen Gebetsgedenkens und erteile jedem von euch von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen, den ich gerne auf alle eure Mitarbeiter in der missionarischen Animation ausweite. 716 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Praktizierte Nächstenliebe nach dem Vorbild des sei. Don Orione Botschaft an die „Piccole Suore Missionarie della Caritä“ [Kleine Missions-schwestem der Nächstenliebe] am 15. Mai Liebe Schwestern! Am Ende des IX. Generalkapitels habt ihr mit dem Nachfolger Petri Zusammentreffen wollen, um dem Geist eures Gründers, des sei. Luigi Orione, entsprechend, die treue Zustimmung zur Kirche jeder Einzelnen von euch und der gesamten Ordensfamilie zu bekräftigen. Ich danke euch für diesen Besuch und für die Bedeutung, die er zum Ausdruck bringen will. Von Herzen gratuliere ich Schwester Maria Ortensia Turati, die ihr für die kommenden sechs Jahre als Leiterin eures Instituts bestätigt habt. Ihr wie auch dem neuen Generalrat wünsche ich viel Erfolg für ihren apostolischen Dienst, um die Kongregation zu stets größeren und wirksameren Initiativen der Nächstenliebe zu führen. Während des heute zu Ende gehenden Generalkapitels habt ihr über das Thema „Verwurzelt in Christus einer neuen Einheit des Lebens entgegen, für ein stets missionarischeres Institut“ nachgedacht. Sicherlich haben euch diese Tage des intensiven Gebets, der aufmerksamen Reflexion und des brüderlichen Dialogs erlaubt, nach vom zu schauen, über die Schwelle des dritten Jahrtausends hinaus, um auf der Spur der Nächstenliebe Don Oriones die hochherzige und prophetische Antworten erfordernden Erwartungen und Dringlichkeiten hervorzuheben. Damit sich euer nunmehr in vielen Ländern der Welt vertretenes Werk mit dem ihm eigenen Charisma weiter ausbreiten kann, müsst ihr vor allem fest in Christus „verwurzelt“ bleiben. Schaut auf Don Orione und sein Beispiel immerwährender Einheit mit Jesus, mit ihm, den er in der Eucharistie verherrlicht, im Geheimnis seines Kreuzes geliebt und dem er mit unermüdlicher Hingabe für die Ärmsten der Armen gedient hat. Möget ihr dem Beispiel Don Oriones folgend Christus treu bleiben! Möge Christus Mittelpunkt eures Herzens und all eurer guten Werke sein. So werdet ihr überall Missionarinnen seines Evangeliums der Nächstenliebe sein und den heilsamen Trost des göttlichen Erbarmens um euch herum verbreiten. Eurem Charisma entsprechend seid ihr Missionarinnen der Nächstenhebe, nämlich Verkünderinnen Gottes, der reinen Liebe. Lasst euch bei der Verwirklichung dieser schwierigen Aufgabe vom Heiligen Geist zu einer stets tieferen Einheit mit Gott und untereinander führen: Dies ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Erfüllung eines stets mutigen und treuen Apostolats. Möge euch durch unablässiges Beten und Beschaulichkeit jene Erleuchtung und Kraft zuteil werden, um wahre Missionsschwestem der Nächstenliebe zu sein. Arm, klein und demütig, dem Wunsch Don Oriones gemäß, um effektiv die Verhältnisse derer teilen zu können, die am Rande der Gesellschaft leben. Aber seid auch gut vorbereitet, um in ange- 717 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN messener Form den spirituellen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit entgegen zu treten. Die im Namen eures gemeinsamen Gründers realisierte konstante Zusammenarbeit mit den „Söhnen der Göttlichen Vorsehung“, die Öffnung gegenüber den Laien, die ihr zu Recht intensivieren wollt, um euren Aktionsradius zu erweitern, eine den veränderten Anforderungen unserer Zeit entsprechende Ausbildung und eine permanente und tiefgehende Eingliederung in die Ortskirchen werden euer Institut durch Werke der Nächstenliebe insbesondere für die Armen, in dem Wunsch, sie zur Begegnung mit Christus zu führen, wahrhaft „missionarischer“ machen. Liebe Schwestern, ich versichere euch meiner Fürsprache beim Herrn und vertraue alle Entscheidungen und Anträge des Generalkapitels der Muttergottes, der Mutter des Guten Rates, an. Möge sie eure Schritte lenken und eure mühevolle Arbeit unterstützen. Möge Don Orione vom Himmel aus über euch und alle Institutionen eurer verdienstvollen Kongregation wachen. In diesem Sinne spende ich euch, euren Mitschwestem, insbesondere den kranken und leidenden, den Anwärterinnen und Novizinnen, euren Familien und allen, die eurer Fürsorge anvertraut sind, von ganzem Herzen meinen Segen. Aus dem Vatikan, am 15. Mai 1999 Die Medien; eine freundschaftliche Stütze für die, die auf der Suche nach Gott-Vater sind Botschaft zum 33. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 16. Mai, vom 24. Januar Liebe Schwestern und Brüder! 1. Wir nähern uns dem Großen Jubiläum zum Gedenken an die Geburt Jesu Christi, des fleischgewordenen Gotteswortes, vor zweitausend Jahren: Die Feier dieses Jubeljahres wird uns das Tor zum dritten christlichen Jahrtausend öffnen. In diesem letzten Vorbereitungsjahr wendet sich die Kirche Gott unserem Vater zu, indem sie über das Geheimnis seines unendlichen Erbarmens nachdenkt. Er ist der Gott, von dem alles Leben kommt und zu dem es zurückkehren wird; Er ist der Eine, der von der Geburt bis zum Tod mit uns geht als unser Freund und Weggefährte. Für den diesjährigen Welttag der sozialen Kommunikationsmittel habe ich als Thema gewählt: „Die Medien: eine freundschaftliche Stütze für die, die auf der Suche nach Gott-Vater sind.“ Das Thema schließt zwei Fragen ein: Wie könnten die Medien mehr mit Gott als gegen ihn arbeiten? Und wie könnten die Medien ein freundschaftlicher Begleiter für jene sein, die nach Gottes liebender Gegenwart in ihrem Leben suchen? Das Thema beinhaltet auch eine Tatsachenbehauptung und einen Grund zur Dankbarkeit: Die Medien ermöglichen nämlich mitunter denjeni- 718 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen, die auf der Suche nach Gott sind, sowohl das Buch der Natur, das heißt den Bereich der Vernunft, als auch das Buch der Offenbarung, die Bibel, also den Bereich des Glaubens, auf ganz neue Weise zu lesen. Schließlich enthält das Thema eine Einladung und eine Hoffnung: dass sich die Verantwortlichen für die Welt der Sozialen Kommunikationsmittel dahingehend engagieren mögen, bei der Sinnsuche, die das eigentliche Herzstück menschlichen Lebens darstellt, mehr behilflich zu sein, als sie zu behindern. 2. Mensch sein heißt auf die Suche gehen. Und wie ich in meiner jüngsten Enzyklika Fides et ratio unterstrichen habe, ist alles menschliche Suchen letzten Endes ein Suchen nach Gott: „Glaube und Vernunft sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt. Das Streben, die Wahrheit zu erkennen und letztlich Ihn selbst zu erkennen, hat Gott dem Menschen ins Herz gesenkt, damit er dadurch, daß er Ihn erkennt und liebt, auch zur vollen Wahrheit über sich selbst gelangen könne“(eM., Nr. 1) Das Große Jubiläum wird eine Verherrlichung Gottes sein, der das Ziel alles menschlichen Suchens ist, eine Verherrlichung des unendlichen Erbarmens, das alle Männer und Frauen ersehnen - auch wenn sie oft erleben müssen, dass ihre Pläne von der Sünde durchkreuzt werden, die - wie der hl. Augustinus sagt - darin besteht, dass man zwar nach dem Richtigen sucht, aber am falschen Ort (vgl. Bekenntnisse, Nr. 38). Wir sündigen, wenn wir Gott dort suchen, wo Er nicht gefunden werden kann. Das diesjährige Thema zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel meint daher, wenn es von jenen spricht, „die auf der Suche nach dem Vater sind“, jeden Mann und jede Frau. Alle sind auf der Suche, auch wenn nicht alle an der richtigen Stelle suchen. Das Thema anerkennt den außerordentlichen Einflug der Medien in der heutigen Kultur und damit deren besondere Verantwortung dafür, Zeugnis zu geben von der Wahrheit über das Leben, über die Würde des Menschen, über den wahren Sinn unserer Freiheit und gegenseitigen Abhängigkeit. 3. Die Kirche möchte auf dem Weg menschlichen Suchens den Medien behilflich sein, da sie sich bewusst ist, dass jede Form der Zusammenarbeit allen zugute kommen wird. Zusammenarbeit bedeutet auch, dass wir einander besser kennen lernen. Durch gegenseitige Missverständnisse, die Furcht und Misstrauen hervorru-fen, können die Beziehungen zwischen der Kirche und den Medien gelegentlich beeinträchtigt werden. Es stimmt, dass Kirchenkultur etwas anderes ist als Medienkultur; ja, in bestimmten Punkten unterscheiden sie sich in der Tat stark voneinander. Es gibt jedoch keinen Grund, warum Unterschiede die Freundschaft und den Dialog unmöglich machen sollten. Sind es doch bei vielen Freundschaften gerade die Unterschiede, die zu Kreativität und zum Bemühen um einen Brückenschlag ermutigen. Die kirchliche Kultur des Gedächtnisses kann die Medienkultur der flüchtigen, vergänglichen „Neuigkeiten“ [Nachrichten] davor bewahren, zu einer Vergesslichkeit zu werden, die alle Hoffnung untergräbt; und die Medien können der Kirche helfen, das Evangelium in seiner ganzen fortbestehenden Frische und Originalität 719 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in der Alltagswirklichkeit des Lebens der Menschen zu verkündigen. Die kirchliche Kultur der Weisheit kann die Informationskultur der Medien davor bewahren, zu einer sinnlosen Anhäufung von Fakten zu werden; und die Medien können der Weisheit der Kirche helfen, aufmerksam zu bleiben für das Aufgebot des heute zu Tage tretenden neuen Wissens. Die kirchliche Kultur der Freude kann die Unterhaltungskultur der Medien davor bewahren, zu einer seelenlosen Flucht vor Wahrheit und Verantwortung zu werden; und die Medien können der Kirche zu einem besseren Verständnis verhelfen, um mit den Menschen in einer Weise in Kontakt zu treten, die Anklang findet und sogar Freude bereitet. Das sind hur einige Beispiele dafür, wie eine engere Zusammenarbeit in einem tieferen Geist der Freundschaft beiden, der Kirche und den Medien, helfen kann, den Männern und Frauen unserer Zeit bei ihrer Suche nach Sinnerfüllung zu dienen. 4. Mit der explosionsartigen Entwicklung der Informationstechnologie hat die Möglichkeit zur Kommunikation zwischen einzelnen und Gruppen überall auf der Welt nie da gewesene Dimensionen erreicht. Doch paradoxerweise können gerade die Kräfte, die zu besserer Kommunikation zu führen vermögen, wachsende Ichbezogenheit und Entfremdung herbeifuhren. Wir befinden uns also in einer Zeit sowohl der Bedrohung wie der Verheißung. Kein Mensch guten Willens wünscht, dass die Bedrohung in einer Weise die Oberhand gewinnt, die zu noch mehr menschlichem Leid fuhren würde - am allerwenigsten am Ende eines Jahrhunderts und Jahrtausends, die mehr als ihren Anteil am Leid hatten. Wir wollen statt dessen mit großer Hoffnung dem neuen Jahrtausend entgegensehen im Vertrauen darauf, dass es sowohl in der Kirche wie in den Medien Menschen geben wird, die zur Zusammenarbeit bereit sind, um sicherzustellen, dass die Verheißung über die Bedrohung, die Kommunikation über die Entfremdung die Oberhand gewinnt. Das wird gewährleisten, dass die Welt der Medien, während sie den Menschen an das Gedächtnis gebundene „Neuigkeiten“, an Weisheit gebundene Information und an Freude gebundene Unterhaltung bietet, immer mehr zu einem freundlichen Begleiter für alle Menschen wird. Es wird auch eine Welt gewährleisten, wo die Kirche und die Medien zum Wohl der Menschheit Zusammenarbeiten können. Das ist gefordert, wenn die Macht der Medien nicht eine zerstörende Kraft, sondern eine schöpferische Liebe sein soll, eine Liebe, welche die Liebe Gottes widerspiegelt, „der ein Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4,6). Mögen alle, die in der Welt der Sozialen Kommunikationsmittel arbeiten, die Freude der göttlichen Begleitung erfahren, so dass ihnen das Wissen um die Freundschaft Gottes ermöglicht, sich aller Männer und Frauen freundschaftlich anzunehmen auf ihrem Weg zum Haus des Vaters, dem zusammen mit dem Sohn und dem Heiligen Geist Ehre, Lobpreis und Dank in Ewigkeit sei. Aus dem Vatikan, am 24. Januar 1999, Fest des hl. Franz von Sales. Joannes Paulus PP. II 720 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nächstenliebe — reflektierte und praktizierte Christusnachfolge Predigt bei der Eucharistiefeier am Sonntag der Nächstenliebe, 16. Mai 1. „Ich schaue Gottes Güte im Land der Lebenden“ (Ps 21126,4). Diese Worte des Antwortpsalms sind ein Echo auf die bewegenden Zeugnisse, die der Eucharistiefeier vorausgegangen sind und die das Leitthema dieses Welttreffens „Versöhnung in der Nächstenliebe“ eindringlich illustriert haben. In jeder Lage, auch in einer sehr dramatischen, macht der Christ sich den Ruf des Psalmis-ten zu eigen: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich furchten? ... Mein Herz denkt an dein Wort: ,Sucht mein Angesicht!1 Dein Angesicht, Herr, will ich suchen. Verbirg nicht dein Gesicht vor mir“ (Ps 27/26,1.8-9). Dieser Ruf flößt Mut ein, er gibt der Hoffnung Nahrung und drängt dazu, alle Energie dafür aufzubieten, dass das Angesicht des Herrn als Licht in unser Dasein strahle. Das Angesicht des Herrn suchen heißt also, die volle Gemeinschaft mit ihm ersehnen; es heißt, ihn über alles und mit allen Kräften, lieben: Der konkreteste Weg, ihm zu begegnen, ist aber der, den Menschen zu lieben, in dessen Gesicht das Antlitz des Schöpfers aufleuchtet. Auf diesem Platz wurde soeben Zeugnis abgelegt für Geschehnisse, in denen Wunder aufschienen, von Gott gewirkt durch den hochherzigen Dienst vieler Männer und Frauen, die ihr Leben zu einem Geschenk der Liebe an die anderen machen, einem Geschenk, das nicht zurückgehalten wird, selbst dem gegenüber nicht, der es nicht annimmt. Diese unsere Brüder und Schwestern bezeugen durch ihr Beispiel, zusammen mit vielen anderen Freiwilligen in jedem Winkel der Erde, dass die Liebe zum Nächsten der Weg ist, um zu Gott zu gelangen und seine Anwesenheit auch in unserer so zerstreuten und gleichgültigen Welt erkennen zu lassen. 2. „Ich schaue Gottes Güte im Land der Lebendigen.“ Auf das Wort Gottes gestützt, hört die Kirche nicht auf, die Güte des Herrn zu verkünden. Wo Hass ist, verkündet sie die Liebe und die Vergebung; wo Krieg ist, die Versöhnung und den Frieden; wo Einsamkeit ist, Aufnahmebereitschaft und Solidarität. Sie setzt in allen Gegenden der Erde das Gebet Christi fort, das im heutigen Evangelium aufklingt: „Daß alle dich, den einzigen, wahren Gott erkennen, und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (vgl. Joh 17,3). Der Mensch hat es heute mehr denn je nötig, Gott zu erkennen, um ihm in vertrauensvoller Hingabe die Schwäche seiner verwundeten Natur anheim zu geben. Er empfindet, manchmal sogar unbewusst, das Bedürfnis, Beweise der göttlichen Liebe zu erfahren, die wieder zu neuem Leben aufblühen lässt. Durch die verschiedenen Formen des Apostolats, die sie mit alten und neuen Arten geistiger und materieller Armut in Berührung bringen, ist jede kirchliche Gemeinschaft berufen, diese Begegnung mit dem „einzigen wahren Gott“ und dem, den er gesandt hat, Jesus Christus, zu fordern. 721 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es bewegt und drängt sie die Erkenntnis, dass „den anderen helfen“ nicht einfach darin besteht, materielle Unterstützung und Hilfe anzubieten, sondern dass es vor allem heißt, den anderen durch das Zeugnis der eigenen Verfügbarkeit die Erfahrung der göttlichen Güte nahe zu bringen, die sich besonders nachhaltig in menschlicher Vermittlung durch geschwisterliche Nächstenliebe zeigt. 3. Ich freue mich, euch, liebe Brüder und Schwestern, heute an dem vom Päpstlichen Rat Cor Unum veranstalteten „Tag der Nächstenliebe“ in großer Zahl zu empfangen. Sehr gern feiere ich die Eucharistie mit euch und für euch und denke dabei an alle „Zeugen der Nächstenliebe“, die sich in jedem Teil der Welt im Kampf gegen die leider noch zahlreichen offenkundigen und versteckten Formen von Ungerechtigkeit und Elend einsetzen. Ich denke hier an die unzählbaren Erscheinungsformen des Freiwilligendienstes, das sein Handeln am Evangelium inspiriert: an Ordensinstitute und Verbände christlicher Caritas, an Organisationen zu menschlicher Förderung und missionarischem Dienst, an Gruppen zivilen Einsatzes und Organisationen mit sozialer, erzieherischer und kultureller Tätigkeit. Eure Tätigkeiten umfassen jeden Bereich des menschlichen Daseins, und eure Hilfe gelangt zu zahllosen Menschen, die sich in Schwierigkeiten befinden. Jedem von euch spreche ich meine Hochschätzung und meine Ermutigung aus. Mein Dank gilt Erzbischof Paul Josef Cordes und seinen Mitarbeitern des Päpstlichen Rates Cor Unum, die dieses Treffen angeregt haben. Es findet im Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend statt, im Jahr, das dem himmlischen Vater geweiht ist, der reich ist an Güte und Erbarmen. Ich danke allen, die ihr Zeugnis dargeboten haben, und allen, die an dieser so bedeutungsvollen Versammlung teilnehmen. Ich möchte im Übrigen jeden von euch ermutigen, diese edle Sendung fortzusetzen. Als Kinder der Kirche sieht sie euch dort am Werk, wo der Mensch leidet und in Entbehrungen lebt. Bringt allen, denen ihr begegnet, den Trost der christlichen Solidarität. Verkündet und bezeugt mit Entschiedenheit Christus, den Erlöser des Menschen. Er ist die Hoffnung, die den Weg der Menschheit erhellt. Das Zeugnis der Heiligen, insbesondere das des hl. Vinzenz von Paul, des Patrons aller karitativen Vereinigungen, sporne euch an und unterstütze euch. 4. Es ist tröstlich, festzustellen, wie in unserer Zeit die Hilfen des freiwilligen Dienstes sich vervielfachen. Sie bringen Menschen verschiedener Herkunft, Kultur und Religion in humanitären Unternehmungen zusammen: Im Herzen steigt spontan der Wunsch auf, dem Herrn für diese zunehmende Bewegung menschlicher Achtung, großherziger Menschenliebe und teilnehmender Solidarität zu danken. Der Christ ist bemfen, zu dieser umfassenden humanitären Aktion seinen besonderen Beitrag zu leisten. Er weiß, dass in der Heiligen Schrift der Aufruf zur Nächstenliebe verbunden ist mit dem Gebot, Gott von ganzem Herzen, mit ganzer Seele und aller Kraft zu lieben (vgl. Mk 12,29-31). Wie sollte man nicht diese göttliche Quelle des Dienstes an den Brüdern hervorheben? Ja, die Liebe zum Nächsten entspricht dem Gebot und dem Beispiel Christi 722 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nur dann, wenn sie sich mit der Liebe zu Gott verbindet. Jesus, der sein Leben für die Sünder hingibt, ist das lebendige Zeichen der Güte Gottes. In gleicher Weise lässt der Christ durch seine großherzige Hingabe die Brüder und Schwestern, mit denen er in Berührung kommt, die erbarmende und vorsorgliche Liebe des himmlischen Vaters erfahren. Die höchste Offenbarung der göttlichen Liebe ist gewiss die Vergebung, die aus der Feindesliebe hervorgeht. In dieser Hinsicht sagt Jesus, dass es kein besonderes Verdienst ist, den zu lieben, der unser Freund ist und uns Gutes erweist (vgl. Mt 5,46—47). Ein wirkliches Verdienst hat deijenige, der seinen Feind liebt Aber wer hätte die Kraft, einen so erhabenen Gipfel zu erreichen, wenn er nicht von der Liebe Gottes gestützt würde? In diesem Augenblick zeichnen sich vor unseren Augen die edlen Gestalten heroischer Diener der Liebe ab, die in diesem unserem Jahrhundert in der Erfüllung des größten Gebotes Christi den Brüdern sterbend das Leben dargeboten haben. Wenn wir das annehmen, was sie uns lehren, sind wir zugleich aufgefordert, ihren Spuren zu folgen in dem Bewusstsein, dass der Christ seine Liebe zu Jesus in der Hingabe seiner selbst an den andern zum Ausdruck bringt. Denn das, was er für den Geringsten der Brüder tut, das tut er für seinen Herrn (vgl. Mt 25,31^16). 5. „Sie alle verharrten einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu ...“ (Apg 1,14). Das Bild des Freiwilligendienstes ist gewiss das des Guten Samariters, der sich unverzüglich über die Wunden des unbekannten Reisenden beugt, der auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho von Räubern überfallen wurde (vgl. Lk 10,30-37). Neben diesem Bild, das wir stets betrachten müssen, bietet uns die Liturgie des heutigen Sonntags noch ein anderes an: Im Abendmahlssaal verweilen die Apostel und Maria in gemeinsamem Gebet in der Erwartung, den Heiligen Geist zu empfangen. Aktion setzt Kontemplation voraus: aus ihr entspringt sie, und von ihr nährt sie sich. Man kann nicht den Brüdern und Schwestern Liebe schenken, wenn man nicht zuvor aus der echten Quelle der göttlichen Liebe schöpft, und das geschieht nur in einem längeren Verweilen im Gebet, im Hören auf das Wort Gottes, in der Anbetung der Eucharistie, die Quelle und Gipfelpunkt des christlichen Lebens ist. Gebet und aktiver Einsatz bilden ein lebenswichtiges, untrennbares und fruchtbares Begriffspaar. Liebe Brüder und Schwestern; mögen diese beiden „Ikonen der Liebe“ jede eurer Tätigkeiten und euer ganzes Leben inspirieren. Maria, die „Jungfrau des Anhörens“, erlange vom Heiligen Geist für jeden die Gabe der Nächstenliebe. Sie mache alle zu Bildnern einer Kultur der Solidarität und Erbauern der Zivilisation der Liebe. Amen. 723 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dialog mit den Orthodoxen verstärken Schreiben an Edward Idris Kardinal Cassidy vom 20. Mai Meinem verehrten Bruder Kardinal Edward Idris Cassidy Präsident des Päpstlichen Rats für die Förderung der Einheit der Christen „Die Liebe hört niemals auf <338> (7 Kor 13,8). Dieses deutliche und überzeugte Wort des Apostels beseelt und stützt das Engagement der katholischen Kirche in ihren Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen und stellt außerdem sogar eine grundsätzliche Orientierung für den theologischen Dialog dar. <338> „Öffne Christus, deinem Erlöser, die Tür!“ Diese Aufforderung, die in den drei Jahren der Vorbereitung auf das Große Jubiläum erklungen ist, hat unsere Stadtmission gekennzeichnet. Wir danken Gott für dieses außerordentliche Ereignis, das ein Akt der Liebe zur Stadt und zu jedem ihrer Bewohner war. Die Stadtmission hat tatsächlich in den christlichen Gemeinden einen geistlichen Weg vorbereitet. Er war getragen von Gebet und bereitwilligem Hören auf das Gotteswort. Sie hat ferner jenen Sinn für kirchliche Gemeinschaft zunehmen lassen, den die römische Synode als unverzichtbare Bedingung für die Neuevangelisierung bezeichnete. Die ganze Diözesangemeinschaft hat sich in ihren verschiedenen Diensten, Beru-füngen und Charismen im Einklang aufgemacht, um ihren je eigenen Beitrag an Gebet, Verkündigung, Zeugnis und Dienst anzubieten. Gemeinsam haben wir die Erfahrung gemacht, „Volk Gottes in Mission“ zu sein. Wegen des Krieges im Balkan ist es leider nicht möglich gewesen, die vorgesehene Vollversammlung der „Internationalen Gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche in ihrer Gesamtheit“ durchzuführen, die für den Monat Juni in Baltimore geplant war. Mit aufrichtigem Bedauern entschieden beide Seiten einvemehmlich, dieses Treffen auf das nächste Jahr zu verschieben, denn ein für den Dialog so wichtiges Ereignis muss sich auf die Anwesenheit aller Beteiligten stützen können und in einem Klima ablaufen, das zur Schaffung der nötigen Voraussetzungen für ein abgeklärtes Streben nach der Wahrheit geeignet ist. Wenn einerseits die Verschiebung der Vollversammlung dieser Kommission verdeutlicht hat, dass die Gegebenheiten der Geschichte auch dem theologischen Dialog ihre Bedingungen auferlegen können, so spornt sie doch andererseits zu der entschlosseneren Absicht an, diesen Weg weiterzugehen - dem Willen des Herrn gehorsam und im Vertrauen auf die stete Unterstützung durch den Heiligen Geist. Auf der Schwelle zum nunmehr dritten Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung müssen die ökumenischen Bemühungen von einem neuen und brennenden Eifer beseelt sein. Wer Hand an dieses Werk legt, ist aufgerufen, entschlossen nach seiner Erfüllung zu streben, ohne vor den Schwierigkeiten haltzumachen. In den letzten Jahren hat sich der Dialog zwischen den Mitgliedern der Gemischten Kommission mit einem schwierigen Problem auseinandergesetzt, das von den historischen Gegebenheiten und von den im zweiten christlichen Jahrtausend entstandenen Spaltungen verursacht wurde. Ich möchte Sie, verehrter Bruder, und die Kommissionsmitglieder einladen, mit großem Feingefühl und Verständnis über die gegenwärtigen Beziehungen zwischen den orthodoxen Kirchen und den katholischen Ostkirchen nachzudenken - in dem Bewusstsein, dass diese letzteren vor der katholischen Kirche dieselbe Würde aller anderen Kirchen besitzen, die in voller Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom sind, dass sie dieselben Rechte genießen und dieselben Verpflichtungen haben (vgl. Orientalium Ecclesiarum, Nr. 3). Man wird zum Abschluss dieser delikaten Phase des Dialogs kommen müssen und sich dafür einsetzen, mit Geduld, brüderlichem Geist und Wahrheitsliebe nach ei- 724 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nem gemeinsamen Verständnis zu suchen, das der Kommission die Wiederaufnahme ihres ursprünglichen theologischen Programms ermöglicht. Nicht nur darf der Dialog nicht Stillstehen, sondern er muss mit neuer Intensität weitergehen, damit das Zeugnis der Anhänger Christi in der heutigen Welt, auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend, noch heller leuchtet. Ich fordere daher diesen Päpstlichen Rat auf, nach Mitteln und Wegen zu suchen, um die Beziehungen zu jeder der orthodoxen Kirchen so herzlich und konstruktiv wie möglich zu gestalten und die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, damit der theologische Dialog die aus der sakramentalen Struktur der Kirche stammenden ekklesiologischen und kanonistischen Folgerungen ziehen kann. Mein Wunsch ist, dass diese Bemühungen zu einer schrittweisen Überwindung der noch bestehenden Schwierigkeiten führe und den Jüngern Christi dabei helfe, entschlossen den Weg zur vollen Gemeinschaft zu gehen. Wenn ich diese meine Wünsche Ihnen als Vorsitzenden des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen äußere, so möchte ich dadurch noch einmal die entschiedene Absicht des Hl. Stuhls zur beharrlichen Fortsetzung des katholisch-orthodoxen Dialogs in Liebe und Wahrheit zum Ausdruck bringen. Der Heilige Geist erleuchte und leite den Weg und nähre die Hoffnung, die auf dem Gebet des Herrn für seine Jünger fußt: „Ut unum sint“. Ich bitte um die mütterliche Fürsprache der Theotokos, damit sie das unternommene Werk unterstütze, und sende Ihnen gerne den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 20. Mai 1999 Der Heilige Geist - Urheber und Seele der Mission Predigt bei der Feier der Pfmgstvigil zum Abschluss der römischen Stadtmission auf dem Petersplatz am 22. Mai <339> <339> „Öffne Christus, deinem Erlöser, die Tür!“ Diese Aufforderung, die in den drei Jahren der Vorbereitung auf das Große Jubiläum erklungen ist, hat unsere Stadtmission gekennzeichnet. Wir danken Gott für dieses außerordentliche Ereignis, das ein Akt der Liebe zur Stadt und zu jedem ihrer Bewohner war. Die Stadtmission hat tatsächlich in den christlichen Gemeinden einen geistlichen Weg vorbereitet. Er war getragen von Gebet und bereitwilligem Hören auf das Gotteswort. Sie hat ferner jenen Sinn für kirchliche Gemeinschaft zunehmen lassen, den die römische Synode als unverzichtbare Bedingung für die Neuevangelisierung bezeichnete. Die ganze Diözesangemeinschaft hat sich in ihren verschiedenen Diensten, Beru-füngen und Charismen im Einklang aufgemacht, um ihren je eigenen Beitrag an Gebet, Verkündigung, Zeugnis und Dienst anzubieten. Gemeinsam haben wir die Erfahrung gemacht, „Volk Gottes in Mission“ zu sein. 725 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich empfinde es als Pflicht, denen zu danken, die sich auf verschiedene Weise an dieser bedeutenden pastoralen Initiative beteiligt haben. Vor allem Ihnen, Herr Kardinalvikar, die Sie voll Eifer die Mission geleitet haben, in enger Zusammenarbeit mit den Weihbischöfen, denen mein herzlicher Gruß gilt. Hier möchte ich auch an die anderen Bischöfe erinnern, die ihre geschätzte Mitarbeit angeboten haben, und unter ihnen den verstorbenen Msgr. Clemente Riva. In Dankbarkeit denke ich an euch, liebe Missionare, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und vor allem Laien, denen als ersten die Gnade der Mission zum. Nutzen wurde. Der hochherzige Einsatz, womit ihr euch vorbereitet und das Evangelium in die Häuser und die Arbeitsbereiche der Stadt gebracht habt, hat im alltäglichen Leben unserer städtischen Bevölkerung neue Wege der Evangelisierung und der christlichen Präsenz geöffnet. Der Heilige Geist hat euch Schritt für Schritt geführt. Er hat euch die rechten Worte zur Verkündigung Christi eingegeben und hat euch in den Augenblicken unvermeidlicher Schwierigkeiten gestärkt. Wir danken Gott für das, was er getan hat, als er bei jeder Gelegenheit Zeichen seines Erbarmens und seiner Liebe erkennen ließ. Das Große Jubiläum, das nun vor der Tür steht, spornt uns an, dieses missionarische Bemühen mit dem gleichen Schwung fortzusetzen, um das durch die Mission Erreichte zu festigen und auszudehnen. So werden wir den vielen Pilgern, die nächstes Jahr nach Rom kommen, das Gesicht unserer Kirche zeigen können als das Gesicht einer einladenden und offenen Kirche, erneuert im Glauben und reich an Werken der Nächstenliebe. 2. Damit dies geschehen kann, ist es notwendig, dass das so glücklich begonnene missionarische Werk sich festigt und entfaltet. Die einzelnen Menschen und die Familien, die in ihren Häusern und an ihren Arbeitsplätzen aufgesucht wurden, müssen weiterhin gestützt werden. Andere, mit denen in diesen Jahren aus verschiedenen Gründen kein Kontakt aufgenommen werden konnte, müssen noch erreicht werden. Durch die Zusammenarbeit der kirchlichen Vereinigungen, Bewegungen und Gruppen sollen darum der jährliche Besuch bei den Familien und die noch weiter zu verbreitenden Bibelkreise die Seele der Pfarrpastoral sein. Die Feier des Gotteswortes soll die verschiedenen Strecken des Glaubensweges der Pfarrgemein-schaften deutlich machen, vor allem in den besonderen Festzeiten des liturgischen Jahres. Die Liebe zu den Armen und Leidenden begleite als sichtbares Zeichen das Wort, das den Herrn verkündigt. So mache es dessen lebendige Anwesenheit durch das tägliche Zeugnis der Bruderliebe deutlich. Unter den im Arbeits- und Studienbereich, im Bereich menschlicher Fürsorge und Pflege und an Unterhaltungsstätten tätigen Christen, die besucht und auf das Evangelium hin angesprochen wurden, muss die Gemeinschaft bestärkt werden. Der Keim der Neuheit des Evangeliums, in der Mission ausgesät, muss überall wachsen und Frucht bringen, auch da, wo noch keine geeigneten missionarischen Initiativen angeregt werden konnten. Zu diesem Zweck erweist sich unser Zeugnis als um so dringender. In der Tat ist keine Realität für das Evangelium undurchdringlich; 726 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vielmehr ist der auferstandene Christus dort schon überall geheimnisvoll anwesend durch seinen Heiligen Geist. 3. Ein so umfassendes apostolisches Unternehmen erfordert ein Wirken von Bildung und Katechese, das dem ganzen Volk Gottes gilt, damit dieses sich lebendiger seiner missionarischen Berufung bewusst wird und darauf vorbereitet ist, immer und überall von seinem Glauben an Christus Rechenschaft abzulegen. Aufgabe der Pfarreien, der Ordensgemeinschaften, der Vereinigungen, Bewegungen und Gruppen ist es, für diese Bildung zu sorgen und Glaubens- und Gebetskurse und Wege praktischer christlicher Erfahrung bereitzustellen, die reich sind an theologischem, geistlichem und kulturellen Gehalt. In erster Linie ergeht an euch, liebe Priester, dieser Auftrag: Seid weise Führer und aufmerksame Glaubenslehrer eurer Gemeinden. Ihr, liebe Ordensmänner und Ordensfrauen, die ihr so viel zur Mission beigetragen habt, unterstützt sie weiterhin mit eurem Gebet, mit der Heiligkeit des Lebens und mit den euch eigenen Charismen in den vielfältigen Bereichen des Apostolats, in dem ihr tätig seid. Ihr, liebe Laien, seid berufen, in der Stadt und all ihren Bereichen eine große, bleibende missionarische Bewegung ins Leben zu rufen. Lasst in den Familien wie in der umfassenden, vielschichtigen Welt der Arbeit und der Kultur, in der Schule und in der Universität, in den Gesundheitseinrichtungen, in den Massenmedien und in eurer Freizeitbeschäftigung euren Beitrag nicht fehlen, damit die Verkündigung des Evangeliums sich in der ganzen Gesellschaft auswirken kann. Und wie könnten wir den Beitrag vergessen, den die Kranken mit der Aufopferung ihrer Leiden und die klausurierten Ordensleute mit ihrem beständigen Gebet zur Stadtmission zu leisten berufen sind? An alle und an jede und jeden ergeht mein Dank für ihre äußerst nützliche geistliche Hilfe. 4. Im Blick auf diese drei Jahre Stadtmission wird man leicht gewahr, dass das Wort Gottes reichlich ausgesät wurde. Damit diese göttliche Saat nicht verloren geht, sondern im Leben und in der täglichen Pastoral feste Wurzeln schlägt und Frucht bringt, wird es nötig sein, eine entsprechende Reflexion zu fordern, die alle kirchlichen Komponenten einbezieht und mit einer geeigneten Zusammenkunft endet. Ich denke an ein großes Treffen, das dazu dienen wird, auf der Grundlage der Erfahrung mit der Stadtmission die tragenden Linien für einen dauernden Evangelisierungs- und Missionseinsatz zu entwerfen.,Kirche in Mission“ sein: das ist für Rom und für die ganze Welt die große Herausforderung der nächsten Jahre. Diese Aufgabe übertrage ich euch, liebe Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien und in besonderer Weise euch, den Bewegungen und neuen Gemeinschaften. Dabei erinnere ich mich an das Treffen vor einem Jahr, an der Pfingstvi-gil hier auf diesem Platz. Es ist notwendig, sich gelehrig für das Wirken des Heiligen Geistes zu öffnen und in Dankbarkeit und Gehorsam die Gaben entgegenzunehmen, die er unaufhörlich zum Wohl der ganzen Kirche austeilt. Heute Abend 727 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wiederholt Christus jedem von euch: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Meine Lieben, das Evangelium, das Christus uns anvertraut hat, ist das Evangelium des Friedens! Wie könnten wir es nur für uns behalten, vor allem in diesem Augenblick, da Unterdrückung und Krieg Zerstörung und Tod in der nahen Balkanregion säen? Der Geist treibt uns an, Verkündiger des Friedens zu sein und für den Frieden in Gerechtigkeit und Versöhnung zu wirken. In dieser Hinsicht möchte ich, dass am kommenden Fronleichnamsfest aus der Kirche Roms sich ein einmütiger Ruf um den Frieden erhebe. Darum fordere ich euch alle auf, Klerus, Ordensleute und Laien, euch mit mir am Donnerstag, den 3. Juni, in St. Johannes im Lateran zu vereinen, um an der Messe und der Fronleichnamsprozession teilzunehmen, in der wir gemeinsam um das Geschenk des Friedens für den Balkan flehen werden. Der Fronleichnamstag sei dieses Jahr gekennzeichnet von einem eindringlichen Gebet um den Frieden. 5. „Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen, und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe!“ Komm, Heiliger Geist! Der Ruf, der in der Liturgie dieser Pfingstvigil ertönt, erfüllt uns mit Freude und Hoffnung. Heiliger Geist, du bist der Urheber und die Seele der Mission, erwecke in der Kirche von Rom viele Missionare unter den Jugendlichen, den Erwachsenen und den Familien, und gieße jedem das unauslöschliche Feuer deiner Liebe ein. Geist, du „Licht der Herzen“, zeige die neuen Wege für die Stadtmission und die Weltmission im dritten Jahrtausend, das bald beginnt. „Unübertrefflicher Tröster“, stehe den Mutlosen bei, bestärke die Begeisterung derer, die die Freude der Evangelisierung erfahren haben, lass in jedem Gläubigen den Wunsch und den Mut erstarken, täglich im eigenen Lebens- und Arbeitsbereich ein Missionar des Evangeliums zu sein. „Lieber Gast der Seelen“, öffne das Herz jedes Menschen, jeder Familie, jeder Ordens- und Pfarrgemeinschaft, damit die mittellosen Pilger, die an den Jubiläumsfeiern teilnehmen, mit Großmut aufgenommen werden. Das wird in der Tat eine der schönsten und ergiebigsten Früchte der Stadtmission sein: die praktische Ausübung jener römischen Nächstenliebe, die eine Frucht des Glaubens ist und immer mit der Feier der Heiligen Jahre Hand in Hand gegangen ist. Heilige Gottesmutter Maria, die du seit Pfingsten mit der Kirche wachst in der Anrufung des Heiligen Geistes, bleibe bei uns mitten in diesem einzigartigen Abendmahlssaal. Dir, die wir als Madonna del Divino Amore verehren, vertrauen wir die Früchte der Stadtmission an, auf dass durch deine Fürbitte die Diözese Rom der Welt ein zuverlässiges Zeugnis für Christus, unsem Herrn, gebe. 728 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heilige als Wegweiser zur Einheit Ansprache beim Empfang einer bulgarischen Delegation aus Anlass des Festes der hll. Kyrill und Method am 24. Mai Herr Ministerpräsident, Exzellenzen, liebe Fremde! Mit Freude empfange ich Ihre Delegation aus Bulgarien. Wie alljährlich kommt eine solche Abordnung nach Rom, um die hll. Kyrill und Method zu ehren, deren Andenken in Ihrem Land und in der ganzen Region sehr lebendig ist. Da heute katholische und orthodoxe geistliche Hirten hier anwesend sind, sehen wir deutlich, daß das Erbe der Brüder von Saloniki ... tiefer und stärker ist und bleibt als irgendeine Spaltung“ (Slavorum Apostoli, Nr. 25). Es wird sichtbar, dass die beiden Traditionen, die westliche und die östliche, im Schoß der einzigen Kirche Christi entstanden sind. In der Tat haben die hll. Kyrill und Method dazu beigetragen, den christlichen Glauben und die christliche Kultur in der slawischen Welt zu begründen und auszubreiten. Dem Nachfolger des Petrus treu verbunden, haben sie den verschiedenen Völkern ein reiches Erbe geschenkt, und diese alle waren eifrig bemüht, es im Lauf der Jahrhunderte zu bewahren, namentlich dank der aktiven Anwesenheit der monastischen Strömungen und der Volksfrömmigkeit. Möge die Verehrung der hll. Kyrill und Method, denen Sie sich durch Ihre Anwesenheit in Rom tief verbunden zeigen, dazu beitragen, den Glauben Ihres Volkes noch größer werden zu lassen und ebenso die Brüderlichkeit in Christus und die Solidarität gegenüber allen Menschen! Bei der Verkündigung des Evangeliums wussten die heiligen Brüder die wahren menschlichen und moralischen Werte und die kulturellen Verschiedenheiten zu achten. Sie ließen jedem Volk seine Eigenart und bahnten der Einheit zwischen verschiedenen Kulturen den Weg. Sie setzten alles daran, ihren Zeitgenossen zum Bewusstsein zu bringen, dass sie Menschen mit offener Einstellung sein sollten, bereit, alle anzunehmen. Damit haben sie gewissermaßen schon den Anstoß zu einem vereinigten Europa und einem tiefgründenden Frieden zwischen den Bewohnern des Kontinents gegeben. In der Respektierung der Verschiedenheiten, die durchaus kein Hindernis für die Einheit sind, ließen sie die Grundlagen zu einer neuen Kunst des Zusammenlebens sichtbar werden. Ich möchte wünschen und hoffen, diese großen Heiligen Ihres Landes mögen Vorbilder menschlichen und christlichen Lebens für alle Bulgaren sein, die berufen sind, sich an der Seite ihrer Brüder in dieser Region immer mehr für die Sache des Friedens und der Versöhnung einzusetzen und auf diese Weise einen bedeutenden Beitrag zum Aufbau des Europas der Nationen zu leisten. Unser Gespräch abschließend, danke ich Ihnen sehr für Ihren liebenswürdigen Besuch und verbinde damit meine besten Wünsche für Ihre Delegation. Bitte wollen Sie meine herzlichen Wünsche auch an die Obrigkeiten und das bulgarische Volk 729 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN übermitteln und sie des inständigen Gebetes des Bischofs von Rom versichern. Ich vertraue Sie alle der Fürsprache der hll. Kyrill und Method an und bitte den Herrn, Ihnen Glück und Segen zu gewähren. Ausrichtung von Lehre und Forschung am Geheimnis des Kreuzes Ansprache bei der Audienz für Mitglieder der Universität vom Hl. Kreuz am 29. Mai Sehr geehrte akademische Autoritäten und Dozenten, geschätzte Mitarbeiter der Verwaltung, liebe Studenten! 1. Mit Freude empfange ich euch anlässlich des fünfzehnjährigen Bestehens der Hochschule vom Hl. Kreuz, der am vergangenen 15. Juli der Titel „Päpstliche Universität“ verliehen wurde. Danke für euren Besuch! Ganz herzlich begrüße ich jeden von euch, liebe Professoren, Studenten, Mitarbeiter der Verwaltung und technisches Personal. Mein besonderer Dank gilt dem Großkanzler, Msgr. Javier Echevarria, Prälat des Opus Dei, für die Worte, die er freundlicherweise im Namen aller an mich gerichtet hat. Eure Universität, die aus dem apostolischen Engagement des sei. Josemaria Esc-rivä hervorgegangen ist, hat sich zur Aufgabe gemacht, die Wahrheit in intellektueller Rechtschaffenheit und Achtung vor der Offenbarung zu suchen und zu fordern. Als solche fühlt sie sich als Dienerin der Kirche, die in dieser unserer Zeit und in der Perspektive des dritten Jahrtausends zu einem mutigeren missionarischen Einsatz aufgerufen ist. 2. Anerkennend habe ich zur Kenntnis genommen, dass eure Universität eine Fakultät für Institutionelle Soziale Kommunikation organisiert hat; damit wollte sie einem ausdrücklichen Bedürfnis der heutigen Welt gerecht werden, nämlich: mit professioneller Kompetenz und kirchlichem Sinn die Welt der öffentlichen Meinung und der modernen Massenmedien zu einem immer besseren Verständnis des Reichtums, der aus dem Leben der Kirche strömt, hinzuführen. Diese Fakultät hat die Aufgabe der fachlichen Ausbildung von Personen, die befähigt werden, mit den Bischofskonferenzen und anderen kirchlichen Einrichtungen zusammenzuarbeiten, um in den Medien korrekte Information über die Kirche weiterzugeben. Diese Initiative trägt den gegenwärtigen Anforderungen im Bereich der Kommunikation Rechnung. Ich wünsche von Herzen, dass diese eure Bemühungen die Verbreitung und Inkulturation des Evangeliums als frohe Botschaft wahrer Befreiung auf allen Ebenen des gesellschaftlichen und bürgerlichen Lebens zu fördern vermögen. Außerdem möchte ich an die Angliederung an eure Universität des „Istituto Supe-riore di Scienze Religiöse all’Apollinare“ [Hochschulinstitut für Religionswissen- 730 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schäften im Palazzo S. Apollinare] erinnern, das Kardinal Pietro Palazzini mit großem Weitblick vor einigen Jahren gegründet hatte. Mit seiner besonderen Methodik des Fernstudiums bietet dieses Institut den Verantwortlichen für Religionsunterricht an den Schulen, Katechese in den Gemeinden und verschiedene Formen des Apostolats die Möglichkeit akademischer und kirchlicher Ausbildung. 3. Das Wappen eurer Universität ist abgeleitet von einer Zeichnung des sei. Jose-maria Escrivä und erinnert an den Sinn eurer Arbeit. Das zentrale Element ist ein griechisches Kreuz, dessen Balken in Pfeilspitzen enden. So scheint das Kreuz in alle Richtungen hin gespannt zu sein, als wolle es die ganze Menschheit und das gesamte Universum umfassen. Neben dem Kreuz stehen die Worte „Jesus Christus, Deus Homo“. Eine wahrhaft bedeutende Zusammenfassung der Ausrichtung eurer Lehr- und Forschungstätigkeit! Das Kreuz ist die höchste Offenbarung des Geheimnisses des menschgewordenen Wortes, „perfectus Deus, perfectus homo“ [vollkommener Gott und vollkommener Mensch] (vgl. Glaubensbekenntnis Oui-cumque; in: Denzinger-Hünermann, S. 50). In seiner unaussprechlichen Liebe offenbart der gekreuzigte Christus die unendliche Barmherzigkeit des Vaters zu den Menschen aller Zeiten auf erschütternde Weise. Die Weisheit des Kreuzes ist ein Licht, das den Sinn des menschlichen Daseins erleuchtet. Zu Recht nennt der hl. Augustinus das Kreuz Lehrstuhl des göttlichen Meisters: „Lignum illud ubi erant fixa membra morientis, etiam cathedra fuit ma-gistri docentis [Jenes Kreuz, an dem die Glieder des Sterbenden angeheftet waren, (ist) auch ein Lehrstuhl des lehrenden Meisters gewesen] {In Ioann. Ev. 119, 22: CCL 36,658; in: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 19, Kempten/München 1914, S. 343). Von diesem Lehrstuhl herab erhalten wir die erhabenste Lektion der Liebe Gottes zu uns. Die Grenzen der Wissenschaft werden paradoxerweise überwunden vom Glauben an den Gott-Menschen, der ans Kreuz geschlagen und vom Vater auferweckt wurde. Unsere Aufgabe ist es nun, uns nicht von diesem Lehrstuhl abzusetzen. Nur so können wir „lux in Cruce, gaudium in Cruce, requies in Cruce“ finden, wie der sei. Josemaria Escrivä so gern sagte: das Licht, die Freude und die Ruhe, welche aus dem Heilsplan hervorgehen. Nur wenn sich das theologische Denken durch den Heiligen Geist in das Geheimnis Christi eintauchen lässt, kann es von Weisheit erstrahlen und den Sinn des Kreuzes als Weg des Heils für den Menschen, als Läuterung des Herzens und des Geistes vollkommen verstehen. 4. In dieser Zeit, in der wir manchmal Zeugen einer Zersplitterung des Wissens sind oder auch eines verbreiteten Misstrauens gegenüber der Fähigkeit des Verstandes, zur Wahrheit zu gelangen, hielt ich es für angebracht, die jüngste Enzyklika Fides et ratio zu veröffentlichen. Dieser Text sollte besonders von denen, die an Fakultäten kirchlicher Wissenschaften tätig sind, eingehend studiert werden. Wie Veritatis splendor, mit der diese Enzyklika in gedanklichem Zusammenhang steht, ist auch Fides et ratio eine nützliche Orientierungshilfe für die Arbeit derer, die sich dem Studium der Theologie, der kirchlichen Wissenschaften und der Philosophie widmen. In Christus, Gott und Mensch, erstrahlt die vollkommene Har- 731 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN monie von Natur und Gnade. Dieses wunderbare Gleichgewicht hat im Laufe der Jahrhunderte zahllose Früchte der Erkenntnis gebracht. Die verschiedenen Wissensbereiche benötigen auch heute noch das Licht der Theologie, begleitet von einer Wissenschafts-Philosophie mit wirklich metaphysischer Tragweite. Die Betrachtung der Vereinigung von Menschlichem und Göttlichem in Christus, insbesondere im gekreuzigten Christus, wird euch bei der Integration der verschiedenen Kategorien von Wissen, bei der Pflege der fachübergreifenden Zusammenarbeit und bei der Öffnung für die Wahrheit in ihrer Gesamtheit sicher eine Hilfe sein. Bei dieser Aufgabe kann euch zudem der hl. Thomas von Aquin ein guter Lehrmeister sein, denn in seinem Denken „haben der Anspruch der Vernunft und die Kraft des Glaubens zur höchsten Zusammenschau gefunden, zu der das Denken je gelangt ist. Er hat es verstanden, das radikal Neue, das die Offenbarung gebracht hat, zu verteidigen, ohne je den typischen Weg der Vernunft zu demütigen (Fides et ratio, Nr. 78). 5. Meine Lieben! Ich ermutige euch, euer Bemühen zum Vertiefen der Glaubenslehre, das vom ständigen Streben nach Heiligkeit belebt sein soll, fortzusetzen. Möge denen, die eure Universität besuchen, geholfen werden, die Herausforderungen der heutigen Kultur und Gesellschaft an den Glauben anzunehmen; möge ihnen geholfen werden, Apostel der Neuevangelisierung zu sein, dem Heiligen Geist folgsam und treu dem Lehramt der Kirche. Maria, Sitz der Weisheit, beschütze euch allezeit und sei sicherer Hafen für die Menschen, die dem Streben nach der Wahrheit ihr Leben widmen. Mit diesen Empfindungen segne ich euch von ganzem Herzen. Heute, am Vorabend des Dreifaltigkeitssonntags, wollen wir dieses Geheimnis unseres Glaubens durch das abschließende Gebet des , Angelus Domini“ verehren. Heimsuchung Mariens Worte bei der Abschlussfeier des Marienmonats in den Vatikanischen Gärten am 31. Mai Mit dieser stimmungsvollen Feier in den Vatikanischen Gärten beschließen wir den Monat Mai, der in diesem Jahr besonders dem Gebet für den Frieden gewidmet war. Das heutige Fest Mariä Heimsuchung bietet uns diesbezüglich eine recht bedeutsame Anregung für die Meditation: Es führt uns die Heilige Jungfrau vor Augen, wie sie, das menschgewordene Wort in sich tragend, ihre ältere Cousine aufsucht, die kurz vor der Niederkunft steht. Wir erkennen in Maria das Vorbild der Kirche, die mit den Werken der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe den Frieden Christi, des Erlösers, in die Welt trägt. Wie viele Söhne und Töchter der Kirche haben in diesen zweitausend Jahren an den vielfachen Fronten der Solidarität Zeugnis von der Liebe des himmlischen Vaters gegeben! Es ist so etwas wie eine große „Heimsuchung“, die die ganze Welt umfasst und das Geheimnis Gottes ausstrahlt, der sich an den Menschen als 732 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nächster erweist und sich ihrer materiellen und moralischen Verletzungen annimmt. Indem sie das tut, wird die Kirche jeden Tag zur Friedensstifterin mit dem Mut und der Demut der allerseligsten Maria, Magd des Gottes des Friedens. Auf sie blicken wir, liebe Brüder und Schwestern, wenn wir hier vor dieser Grotte beten, die Lourdes und die anderen Stätten in Erinnerung ruft, wo eine besondere „Heimsuchung“ der Gottesmutter in der Geschichte stattgefunden hat. Im Besuch Marias erweist sich die väterliche Fürsorge Gottes, der sein Volk nicht verlässt; ja, gerade den Geringsten und Verstoßenen seine Sorge zuwendet. In seinem großen Erbarmen hat Gott sein Volk aufgesucht und erlöst! Hierin liegt der Gmnd für jedes Jubiläum und speziell das kommende 2000-Jahrjubiläum der Menschwerdung. Wir wollen heute Abend alle unsere Pläne und Anliegen Maria, Jungfrau der Heimsuchung und Königin des Friedens, anvertrauen. Amen. Eindeutiger Schutz für geborenes und ungeborenes Leben Schreiben an die deutschen Bischöfe vom 3. Juni Den verehrten Mitbrüdem im Bischofsamt in Deutschland Gruß und Apostolischen Segen 1. Im Schreiben vom 11. Januar 1998 habe ich euch in meiner Verantwortung als oberster Hirte der Kirche einige Richtlinien für das künftige Verhalten in der schwierigen Frage der rechten Zuordnung der katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen zur staatlich geregelten Beratung gemäß dem Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz vom 21. August 1995 vorgelegt. Ich habe euch eingeladen, Beratung und Hilfe für schwangere Frauen in Not nicht nur unverändert fortzuführen, sondern nach Möglichkeit noch zu verstärken. Gleichzeitig habe ich euch um der Klarheit unseres Zeugnisses für die Unantastbarkeit jedes menschlichen Lebens willen eingeladen, in den kirchlichen oder der Kirche zugeordneten Beratungsstellen keine Bescheinigung mehr ausstellen zu lassen, die nach dem Gesetz die notwendige Voraussetzung für die straffreie Durchführung der Abtreibung darstellt. Bischof Karl Lehmann, der Vorsitzende eurer Bischofskonferenz, hat am 6. Februar 1998 im Namen von euch allen mitgeteilt, dass es eure gemeinsame feste Absicht ist, dieser meiner dringlichen Bitte zu entsprechen. Wie schon damals, so möchte ich euch heute nochmals für diese Entscheidung danken, die ebenso Ausdruck eurer tiefen Einheit mit dem Nachfolger Petri wie eures unbedingten Einstehens für den Schutz des ungeborenen Lebens ist. Um die zwei Aspekte meiner Bitte richtig miteinander in Einklang zu bringen, habt ihr eine Arbeitsgruppe eingesetzt, deren Ergebnisse am 22. und 23. Februar 1999 der Vollversammlung der Bischöfe vorgelegt wurden. Bischof Lehmann hat mir mit Schreiben vom 12. März 1999 die Ergebnisse der Arbeitsgruppe mitgeteilt und mich über die Beschlüsse der Vollversammlung informiert. Gerne anerkenne ich 733 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den großen Einsatz, mit dem ihr in Zusammenarbeit mit vielen Fachleuten nach Lösungen gesucht habt. Ich danke euch dafür, dass ihr mehrmals deutlich auf die Bedeutung der Einheit untereinander und mit dem Hl. Stuhl hingewiesen habt, um eine glaubwürdige Lösung zu finden und die entstandenen Polarisierungen unter den Gläubigen zu überwinden. In den vergangenen Wochen habe ich die in eurer Antwort enthaltenen Gesichtspunkte in Studium und Gebet vor dem Herrn erwogen und möchte euch nun meine Entscheidung vorlegen. 2. Der von der Mehrheit eurer Bischofskonferenz bevorzugte Lösungsvorschlag verbindet einen umfänglichen Beratungs- und Hilfeplan mit einer Neuformulierung der Beratungsbescheinigung, für die die Arbeitsgruppe drei Varianten zur Wahl stellt. Der Plan bietet eine Reihe von Elementen, die eindeutig auf das Wohl der schwangeren Frauen und den Schutz der ungeborenen Kinder ausgerichtet sind. Die Integration von Beratung und Hilfsangebot sowie vor allem die verbindlichen Zusagen über Unterstützungen, Hilfen und Vermittlungen machen das Ziel der kirchlichen Beratungstätigkeit - Unterstützung der Frauen in Konfliktsituationen sowie Verteidigung des Lebensrechtes der ungeborenen Kinder - in der Gesellschaft eures Landes noch klarer als bisher verständlich. Die vielfältigen Beratungsund Hilfsangebote sollen dazu beitragen, dass noch mehr Frauen in Not sich an die kirchlichen oder der Kirche zugeordneten Beratungsstellen wenden und die Kirche auf wirksame Weise in der Schwangerenberatung präsent bleibt. 3. Die Einbindung des „Beratungs- und Hilfeplans“ in die gesetzliche Konfliktberatung wirft freilich ernste Fragen auf. Die Bescheinigung, die den Frauen am Ende der Beratung ausgestellt wird, hat gewiss eine zusätzliche Funktion erhalten; sie dokumentiert die Ausrichtung der kirchlichen Beratung auf das Leben und bildet eine Garantie für die Gewähr der zugesagten Hilfen. Entscheidend für die Wertung des Vorschlags ist die Frage, ob der am Ende stehende Text weiterhin die Verwendung des Scheins als Zugang zur Abtreibung gestattet. Wäre dies der Fall, so stünde er im Widerspruch zu meinem eingangs erwähnten Schreiben und zur gemeinsamen Erklärung des Ständigen Rates eurer Bischofskonferenz vom 26. Januar 1998, meiner Bitte Folge zu leisten und in Zukunft nicht mehr einen „Schein solcher Art“ ausstellen zu lassen. Dass der Text, besonders in den Varianten 2 und 3, in dieser Hinsicht zumindest unklar bleibt, ist wohl auch der Gmnd, dass ihm die einmütige Zustimmung der Bischöfe versagt geblieben ist. Die Variante 1 des Vorschlags kommt eurem und meinem Willen zu einem „anderen Schein“ am nächsten. Damit die rechtliche und moralische Qualität dieses Dokuments unzweideutig wird, ersuche ich euch, im Text selbst klarzustellen, dass der Schein, der die kirchliche Beratung bestätigt und Anrecht auf die zugesagten Hilfen gibt, nicht zur Durchführung straffreier Abtreibungen gemäß StGB § 218 (1) verwendet werden kann. Dies soll dadurch erfolgen, dass in der brieflichen Bescheinigung, die den Frauen im Rahmen des „Beratungs- und Hilfeplans“ ausgehändigt wird, im Sinn der Variante 1 nur das Ziel der Beratung und Hilfe erwähnt und am Ende der Satz 734 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hinzugefugt wird: „Diese Bescheinigung kann nicht zur Durchführung straffreier Abtreibungen verwendet werden.“ Durch diesen notwendigen Zusatz werden die katholischen Beraterinnen und die Kirche, in deren Auftrag die Beraterinnen handeln, aus einer Situation befreit, die mit ihrer Grundauffassung in der Frage des Lebensschutzes und dem Ziel ihrer Beratung in Konflikt steht. Der unbedingte Einsatz für jedes ungeborene Leben, dem sich die Kirche von Anfang an verpflichtet weiß, lässt keine Zweideutigkeiten oder Kompromisse zu. Hier muss die Kirche in Wort und Tat immer und überall mit ein und derselben Sprache sprechen. Ich hoffe, dass diese Lösung auch hilft, die Einheit in eurer Bischofskonferenz in dieser wichtigen Frage zurückzugewinnen und die entstandenen Spannungen in der katholischen Öffentlichkeit zu überwinden. 4. Liebe Mitbrüder! Ich weiß, dass ihr alle seit Jahren das Lebensrecht der ungeborenen Rinder verteidigt und keine Mühe scheut, um den Frauen in schwierigen Situationen im Geist des Evangeliums mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ich danke euch für dieses Bekenntnis zum Evangelium des Lebens. Ich möchte noch einmal unterstreichen, dass ich euren guten Willen kenne und schätze und darauf vertraue, dass ihr in der Öffentlichkeit die der kirchlichen Haltung zugrunde liegenden Werte weiterhin unerschrocken darlegen werdet. Zugleich bitte ich euch, um der Würde des Lebens und der Klarheit des kirchlichen Zeugnisses willen meine Entscheidung in der Frage einmütig anzunehmen und innerhalb dieses Jahres in die Praxis umzusetzen. Dabei werdet ihr Wege finden, den „Beratungs- und Hilfeplan“ nicht nur jenen Frauen anzubieten, die sich aufgrund ihrer Situation ein Leben mit dem Kind kaum oder gar nicht vorstellen können, sondern auch den anderen schwangeren Frauen, die in Not sind und Hilfe brauchen. Es drängt mich, bei dieser Gelegenheit den vielen Menschen in eurem geschätzten Land zu danken, die in der einen oder anderen Weise dazu beitragen, das in eurer Verfassung verankerte Recht auf Leben zur Geltung zu bringen. Einen besonders wertvollen Dienst leisten die Beraterinnen, die den schwangeren Frauen in Not beistehen und sich für das Leben der ungeborenen Kinder einsetzen. Ihnen und allen, die öffentlich oder im Verborgenen dem Leben dienen, sage ich meinen aufrichtigen Dank. Ich vertraue darauf, dass die katholischen Gläubigen -zusammen mit vielen anderen Christen und Menschen guten Willens - in Einheit mit den Bischöfen und mit mir als dem obersten Hirten der Kirche den Kampf um das Leben aller Menschen, der geborenen wie der ungeborenen, der alten wie der jungen, der kranken wie der gesunden, mutig fortsetzen und keine Mühe scheuen, „daß in unserer Zeit, die allzu viele Zeichen des Todes aufweist, endlich eine neue Kultur des Lebens als Frucht der Kultur der Wahrheit und der Liebe entstehen möge“ (Evangelium vitae, Nr. 77). Ich empfehle euch und alle Gläubigen, die eurer Hirtensorge anvertraut sind, Maria, der Mutter des Herrn, und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 3. Juni 1999, dem Hochfest des Leibes und Blutes Christi. Joannes Paulus PP. II 735 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eucharistie - Sakrament des Friedens als Fülle des Lebens Predigt während der Eucharistiefeier am Fronleichnamsfest, 3. Juni 1. Lauda, Sion, Salvatorem\ Deinem Heiland, deinem Lehrer, ... Sion, stimm ein Loblied an! Lobe deinen Erlöser, christliche Gemeinde Roms, vereint vor der Kathedralbasi-lika, die Christus, dem Erlöser, und seinem Vorläufer, Johannes dem Täufer, geweiht ist! Lobe ihn, denn „er verschafft deinen Grenzen Frieden und sättigt dich mit bestem Weizen“ {Antwortpsalm 147,14). Das Hochfest Fronleichnam ist ein Lob- und Dankfest. An diesem Tag versammelt sich das christliche Volk um den Altar, um das eucharistische Geheimnis zu betrachten und anzubeten, das Gedächtnis des Opfers Christi, der allen Menschen das Heil und den Frieden geschenkt hat. In diesem Jahr sind unsere festliche Eucharistiefeier und daran anschließend die herkömmliche Prozession, die von diesem Platz hier nach Santa Maria Maggiore fuhren wird, mit einem besonderen Anliegen verbunden: sie wollen ein einmütiges, tief bekümmertes Flehen um den Frieden sein. Wenn wir den Leib dessen anbeten, der unser Haupt ist, wie sollten wir uns da nicht solidarisch mit seinen Gliedern verbunden fühlen, die unter dem Krieg zu leiden haben? Ja, liebe Brüder und Schwestern, Römer und Pilger, heute Abend wollen wir gemeinsam um den Frieden beten. Wir wollen besonders um den Frieden in den Balkanländem beten. Das Wort Gottes, das wir eben gehört haben, erleuchtet und leitet uns. 2. In der ersten Lesung erklang der Befehl des Herrn: „Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich geführt hat“ {Dtn 8,2). „Du sollst daran denken ...!“. Das ist das erste Wort. Nicht eine Einladung ist das, sondern ein Befehl, den der Herr an sein Volk richtet, ehe er es ins verheißene Land führt. Er befiehlt ihm, nicht zu vergessen. Um den Frieden zu haben, der die Verknüpfung aller von Gott verheißenen Güter ist, ist es vor allem nötig, das in der Vergangenheit Erfahrene nicht zu vergessen, sondern es sich zunutze zu machen. Auch aus den Irrtümem kann man eine nützliche Lehre ziehen, um den eigenen Weg besser zu orientieren. Wenn wir auf dieses Jahrhundert und das zu Ende gehende Jahrtausend blicken, wie sollten wir uns da nicht die schrecklichen Prüflingen in Erinnerung rufen, die die Menschheit zu erdulden hatte? Wir dürfen sie nicht vergessen, sondern müssen sie im Gedächtnis behalten. Hilf uns, o Gott, unser Vater, die rechten Lehren aus dem zu ziehen, was wir erlebt haben, und aus dem, was die erlebt haben, die uns vorausgegangen sind! 3. Die Geschichte spricht immer wieder vom großen Verlangen nach Frieden, aber auch von immer wiederkehrenden Enttäuschungen, die die Menschheit unter Blut und Tränen zu erleiden hatte. Genau am heutigen Tag, dem 3. Juni, starb vor 36 Jahren Johannes XXIII., der Papst der Enzyklika Pacem in terris. Was für ein 736 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einstimmiger Lobeshymnus erfolgte auf dieses Dokument, das die großen Linien zum Aufbau eines wahren Friedens in der Welt entwarf! Aber wie oft musste man in diesen Jahren noch den Ausbruch kriegerischer Gewalt im einen oder anderen Teil der Erde erleben! Der gläubige Mensch jedoch gibt sich nicht geschlagen. Er weiß, dass er immer mit der Hilfe Gottes rechnen kann. Vielsagend klingen in dieser Hinsicht die Worte Jesu beim Letzten Abendmahl: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch“ (Joh 14,27). Heute wollen wir diese Worte noch einmal aufnehmen und sie in ihrer Tiefe begreifen. Im Geist gehen wir in den Abendmahlssaal, um Christus zu betrachten, der uns unter den Gestalten von Brot und Wein seinen Leib und sein Blut schenkt und so im Sakrament das Opfer von Kalvaria vorausnimmt. In dieser Weise also hat er uns den Frieden geschenkt. Der hl. Paulus bemerkt dazu: „Er ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile und riß die trennende Wand der Feindschaft nieder, ... durch das Kreuz“ (Eph 2,14.16). Indem er sich selbst hingab, hat Christus uns den Frieden geschenkt. Sein Friede ist nicht der Friede der Welt, der oft durch Listen und Kompromisse, wenn nicht gar durch Unterdrückung und Gewalttätigkeiten zustande kommt. Der Friede Christi ist Frucht des Ostems Christi: nämlich Frucht seines Opfers, das die Wurzel des Hasses ausmerzt und die Menschen mit Gott und untereinander versöhnt. Er ist der Siegespreis seiner Überwindung der Sünde und des Todes, seines friedenstiftenden, mit den Waffen der Wahrheit und der Liebe ausgetragenen Kampfes gegen das Böse der Welt. 4. Nicht von ungefähr ist gerade dies das Grußwort auf den Lippen des auferstandenen Christus. Den Aposteln erscheinend zeigt er zuerst an seinen Händen und seiner Seite die Zeichen des harten durchgefochtenen Kampfes, und dann grüßt er sie mit dem Wunsch: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19.21.26). Diesen seinen Frieden übermittelt er den Jüngern als kostbarstes Geschenk, das sie nicht eifersüchtig verborgen halten, sondern durch das Zeugnis weiter verbreiten sollen. Wenn wir heute Abend, meine Lieben, die Eucharistie, das Sakrament Christi, der unser Ostern ist, in Prozession tragen, dann tragen wir durch die Straßen der Stadt die Verkündigung jenes Friedens, den Er hinterlassen hat und den die Welt nicht geben kann. Unterwegs wollen wir uns über unser persönliches Zeugnis für den Frieden befragen. Es genügt ja nicht, vom Frieden zu sprechen, wenn man sich dann nicht auch bemüht, im Herzen friedfertige Gedanken zu hegen und sie in den täglichen Beziehungen zu den Mitmenschen zum Ausdruck zu bringen. Wir werden die Eucharistie in der Prozession tragen und unser bekümmertes Flehen zum Friedensfürsten erheben für die uns benachbarten Balkanländer, wo schon zu viel unschuldiges Blut vergossen wurde und der Würde und den Rechten der Menschen und der Völker zu viele Beleidigungen zugefügt wurden. Unser Gebet hat heute Abend den Trost, dass sich endlich Aussichten auf Hoffnung eröffnet zu haben scheinen. 737 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt“ {Joh 6,51). Im Text des Evangeliums, das wir eben gehört haben, haben uns diese Worte Jesu geholfen, zu verstehen, welches die Quelle des wahren Friedens ist. Christus ist unser Friede, das „Brot“, das für das Leben der Welt hingegeben wurde. Er ist das „Brot“, das Gott der Vater bereitet hat, damit die Menschheit das Leben habe und es in Fülle habe (vgl. Joh 10,10). Gott hat seinen Sohn nicht verschont, sondern er hat ihn zum Heil für alle hingegeben als Brot, von dem man isst, um das Leben zu haben. Die Sprache Christi ist eindeutig: Um das Leben zu haben, genügt es nicht, an Gott zu glauben, sondern man muss von Ihm leben (vgl. Jak 2,14). Darum ist das Wort Mensch geworden, ist gestorben und auferstanden und hat uns seinen Geist geschenkt; darum hat Es uns die Eucharistie hinterlassen, damit man von Ihm leben könne, wie Es vom Vater lebt. Die Eucharistie ist das Sakrament des Geschenkes, zu welchem Christus sich selbst für uns gemacht hat: Sie ist das Sakrament der Liebe und des Friedens, der die Fülle des Lebens ist. 6. „Lebendiges Brot, das Leben gibt!“ Herr Jesus, vor dir, der du unser Ostern und unser Friede bist, verpflichten wir uns, uns ohne Gewalt den Gewalttätigkeiten des Menschen gegen den Menschen zu widersetzen. Christus, zu deinen Füßen niedergeworfen, wollen wir heute das Brot der Hoffnung mit unseren verzweifelten Brüdern und Schwestern teilen; das Brot des Friedens mit unsem von „ethnischer Säuberung“ und Krieg gequälten Brüdern und Schwestern; das Brot des Lebens mit unseren Brüdern und Schwestern, die Tag für Tag durch Zerstörung und Tod bringende Waffen bedroht sind. Christus, mit den unschuldigen und wehrlosesten Opfern wollen wir das lebendige Brot deines Lebens teilen. „Für sie bringen wir dieses Opfer des Lobes dar, und sie selber weihen es dir“ (Römischer Mess-Kanon), auf dass du, Christus, geboren von der Jungfrau Maria, der Königin des Friedens, für uns Quelle des Lebens, der Liebe und des Friedens seiest, mit dem Vater und dem Heiligen Geist. Amen. 738 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebet zur Feier des Großen Jubiläums des Jahres 2000 vom 3. Juni 1. Sei gepriesen, Vater, in deiner unendlichen Liebe hast du uns deinen eingeborenen Sohn geschenkt. Er hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist im reinsten Schoß der Jungfrau Maria. Zu Betlehem wurde er geboren vor 2000 Jahren. Unser Weggefährte geworden, hat er der Geschichte einen neuen Sinn gegeben: Sie ist ein gemeinsamer Weg in den Ängsten und Leiden, in der Treue und in der Liebe. Sie führt zum neuen Himmel und zur neuen Erde, wo der Tod überwunden ist und du alles in allem sein wirst. Lob und Ehre sei dir, dem einzigen und höchsten Gott, der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. 2. Durch deine Gnade, Vater, werde das Jubeljahr eine Zeit radikaler Umkehr und freudiger Rückkehr zu dir: eine Zeit, in der die Menschen sich versöhnen und die Völker ihre Eintracht wiederftnden; eine Zeit, in der man die Lanzen in Winzermesser umschmiedet und dem Getöse der Waffen Gesänge des Friedens folgen. Vater, lass uns das Jubeljahr so leben, dass wir der Summe des Geistes gehorchen und Christus in Treue nachfolgen. Gib, dass wir unablässig auf das Wort hören und aus den Quellen der Gnade schöpfen. Lob und Ehre sei dir, dem einzigen und höchsten Gott, der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. 3. Trage, Vater, mit der Kraft des Heiligen Geistes die Kirche, die sich für die Neuevangelisierung einsetzt. Lenke unsere Schritte auf den Straßen der Welt, damit wir durch unser Leben Christus verkündigen. Richte unseren irdischen Pilgerweg auf die Stadt des Lichtes aus. Schenke den Jüngern Jesu Ausstrahlung durch ihre Liebe zu den Armen und Bedrückten; lass sie solidarisch sein mit den Bedürftigen und großzügig in den Werken der Barmherzigkeit; gegenüber den Brüdern und Schwestern seien sie nachsichtig, um selbst Nachlass und Vergebung zu erlangen. Lob und Ehre sei dir, dem einzigen und höchsten Gott, der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. 4. Vater, reinige das Gedächtnis der Jünger deines Sohnes und gib, dass sie ihre Schuld erkennen. Lass sie eins sein, damit die Welt glaube. Der Dialog unter den Anhängern der großen Religionen weite sich. Mögen alle Menschen die Freude entdecken, deine Söhne und Töchter zu sein. In die Fürsprache Mariens, der Mutter der Kirche, sollen die Apostel und christlichen Märtyrer einstimmen, die Gerechten aus allen Völkern und zu allen Zeiten, damit das Heilige Jahr für jeden Einzelnen und für die Kirche ein Anlass werde, neue Hoffnung zu schöpfen und sich im Heiligen Geist zu freuen. Lob und Ehre sei dir, dem einzigen und höchsten Gott, der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. 5. Dir, dem allmächtigen Vater, dem Ursprung des Alls und des Menschen, durch Christus, der lebt und herrscht über Zeit und Geschichte, im Heiligen Geist, der die ganze Welt heiligt, sei Lob, Ehre und Herrlichkeit heute und in alle Ewigkeit. Amen. 739 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Neue Gemeinschaften - Zeichen kirchlicher Reife Botschaft an die Verantwortlichen von 40 neuen Bewegungen und geistlichen Gemeinschaften anlässlich des Internationalen Kongresses in Speyer vom 3. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Die Liebe Gottes, des Vaters, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ Mit diesen Worten grüße ich euch alle, die ihr am Internationalen Kongress der neuen Bewegungen und kirchlichen Gemeinschaften teilnehmt, der in diesen Tagen in Speyer stattfindet. Einen besonderen Gruß richte ich an Bischof Anton Schiembach, der euch großzügig in seiner Diözese aufgenommen hat, an Kardinal Miroslav Vlk und an die anderen Bischöfe und Priester, die den Bewegungen nahe stehen und euch in diesen Tagen begleiten. Ein herzlicher Gedanke geht an die Initiatoren dieses Kongresses: Chiara Lubich, Andrea Riccardi und Salvatore Mar-tinez. Ihr Vertreter der verschiedenen Bewegungen und neuen Gemeinschaften habt ein Jahr nach dem Treffen, das der Päpstliche Rat für die Laien an der Pfingstvigil 1998 auf dem Petersplatz organisiert hatte, erneut Zusammenkommen wollen. Jenes Ereignis war ein großes Geschenk für die ganze Kirche. In einer Atmosphäre des innigen Gebets haben wir die Gegenwart des Heiligen Geistes erfahren können. Diese Gegenwart wurde fassbar durch das „gemeinsame Zeugnis“ der tiefen Eintracht und Einheit unter Achtung der Andersartigkeit eines jeden, das die Bewegungen zu geben vermochten. Es war eine bedeutsame Epiphanie der Kirche, reich an den Charismen und Gaben, die der Geist der Kirche unablässig schenkt: 2. Jede Gabe des Herrn, das wisst ihr wohl, appelliert an unsere Verantwortung; sie muss sich in die Verpflichtung zu einem Auftrag verwandeln, den es treu zu erfüllen gilt Dies ist im Übrigen auch die gmndlegende Motivation der Tagung in Speyer. Ihr möchtet auf der Schwelle zum Großen Jubiläum der Erlösung das hören, was der Geist den Gemeinden sagt (vgl. Offt> 2,7) und so direkt und gemeinsam mit den anderen Bewegungen eure Verantwortung für das an jenem 30. Mai 1998 erhaltene Geschenk übernehmen. Der Samen, so reichlich ausgestreut, darf nicht verloren gehen, sondern er muss innerhalb eurer Gemeinschaften, in den Pfarreien und Bistümern Frucht bringen. Es ist schön und freut mich, zu sehen, dass die Bewegungen und neuen Gemeinschaften das Bedürfnis empfinden, in der kirchlichen Gemeinschaft zusammenzugehen, und sich mit konkreten Gesten darum bemühen, die erhaltenen Gaben auszutauschen, sich in schwierigen Situationen gegenseitig zu unterstützen und zusammenzuarbeiten, um die Herausforderungen der Neuevangelisierung gemeinsam aufzunehmen. Das sind beredte Zeichen jener kirchlichen Reife, von der ich hoffe, dass sie jeden Bestandteil und jede Untergliedemng der Gemeinschaft „Kirche“ immer stärker prägen wird. 740 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Im Laufe der Jahre konnte ich feststellen, wie wichtig die Früchte der Bekehrung, der spirituellen Wiedergeburt und der Heiligkeit sind, die die Bewegungen ins Leben der Ortskirchen einbringen. Durch die Dynamik dieser neuen kirchlichen Vereinigungen haben viele Christen die in der Taufe wurzelnde Berufung neu entdeckt und sich mit außerordentlicher Großzügigkeit der Evangelisierungssendung der Kirche gewidmet. Für nicht wenige von ihnen war dies der Anlass zur Wiederentdeckung der Bedeutung des Gebets, während das Wort Gottes zu ihrem täglichen Brot und die Eucharistie zum Mittelpunkt ihres Daseins wurde. In der Enzyklika Redemptoris missio erinnerte ich „an eine Neuheit in der jüngsten Zeit in nicht wenigen Kirchen: an die große Entfaltung von ,kirchlichen Bewegungen4, die von einer starken missionarischen Kraft geprägt sind. Wenn sie sich in Demut in das Leben der Ortskirchen einfugen und von Bischöfen und Priestern herzlich in die Diözesan- und Pfarrstrukturen aufgenommen werden“ - schrieb ich -, „bilden diese Bewegungen ein wahres Gottesgeschenk für die Neuevangelisierung und die Missionsarbeit im eigentlichen Sinn des Wortes. Ich empfehle daher, sie zu propagieren und einzubeziehen, um vor allem unter den Jugendlichen dem christlichen Leben und der Evangelisierung aus einer pluralistischen Sicht der Vereins- und Ausdrucksformen wieder neue Kraft zu verleihen“ (Nr. 72). Ich wünsche euch von Herzen, dass der Kongress in Speyer für jeden von euch und für alle eure Bewegungen eine Gelegenheit zum Wachstum in der Liebe Christi und seiner Kirche sei gemäß der Weisungen des Apostels Paulus, der uns auffordert, „nach den höheren Gnadengaben“ zu streben (i Kor 12,31). Maria, Mutter der Kirche, empfehle ich die Arbeit eurer Tagung; ich begleite euch mit meinem Gebet und erteile jedem von euch und euren Familien einen besonderen Segen. Aus dem Vatikan, am 3. Juni 1999 Joannes Paulus PP. II 741 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vaterschaft Gottes und Vaterschaft in der Familie Ansprache bei der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 4. Juni Meine Herren Kardinäle, verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt verehrte Mitglieder des Päpstlichen Rates für die Familie, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude empfange ich euch anlässlich der XTV. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie und des in theologischer und in pastoraler Hinsicht bedeutenden Studientreffens zum Thema: „Vaterschaft Gottes und Vaterschaft in der Familie.“ Von ganzem Herzen grüße ich alle Anwesenden, insbesondere diejenigen, die erstmalig an einem Treffen eures Dikasteriums teilnehmen; und danke dem Präsidenten, Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, für seine freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Das von euch für diese Plenarversammlung gewählte Thema der Vaterschaft bezieht sich auf das dem Vater unseres Herrn Jesus Christus gewidmete dritte Vorbereitungsjahr des Großen Jubiläums. Es lohnt sich, über dieses Thema nachzudenken, da die Figur des Vaters im familiären Bereich heute mehr und mehr im Hintergrund steht und teilweise gar nicht vorhanden ist. Durch die Vaterschaft Gottes, „nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf Erden benannt wird“ (Eph 3,15), erhält die menschliche Vater- und Mutterschaft ihren Sinn, ihre Würde und Bedeutung. „Die menschliche Elternschaft hat, obwohl sie jener anderer Lebewesen in der Natur biologisch ähnlich ist, an sich wesenhaft und ausschließlich eine ,Ähnlichkeit' mit Gott, auf die sich die Familie gründet, die als menschliche Lebensgemeinschaft, als Gemeinschaft von Personen, die in der Liebe vereint sind (communio personarum), verstanden wird“ (Gratissimam sane, Nr. 6). 2. Noch ist in uns das Echo des vor wenigen Tagen gefeierten Pfingstfestes lebendig, das uns veranlasst, voll Zuversicht die Worte des hl. Paulus zu verkünden: „Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes“ (Röm 8,14). Der Heilige Geist ist nicht nur die Seele der Kirche (vgl. Lumen Gentium, Nr. 7), sondern auch die der Familie, der kleinen Hauskirche. Für jede familiäre Gemeinschaft muss er die innere Quelle jener Vitalität und Lebenskraft sein, die die Flamme der ehelichen Liebe im gegenseitigen Sich-Schenken der Eheleute nie verlöschen lässt. Es ist der Heilige Geist, der uns zum himmlischen Vater führt und uns anregt, voll Vertrauen und Begeisterung zu beten: „Abba, Vater!“ (Röm 8,15; Gal 1,6). Die christliche Familie muss sich als Gebetsgemeinschaft auszeichnen, die sich in kindlicher Vertrautheit an Gott wendet und ihn liebevoll „Vater unser“ nennt. Der Heilige Geist hilft uns, das Antlitz des Vaters als Vorbild der familiären Vaterschaft zu entdecken. Seit einiger Zeit ist die Institution der Familie wiederholten 742 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Angriffen ausgesetzt, die um so gefährlicher und verfänglicher sind, da sie den unersetzlichen Wert der auf der Ehe begründeten Familie missachten. Man versucht sogar, sie durch zweifelhafte Alternativen zu ersetzen, deren gesetzliche Anerkennung befürwortet wird. Wenn aber Gesetze, die der Familie, dem grundlegenden Gut der Gesellschaft, dienen sollten, sich gegen sie richten, sind sie von beunruhigender zerstörerischer Wirkung. In verschiedenen Ländern versucht man, der Gesellschaft „nichteheliche Verbindungen“ aufzuzwingen, unterstützt durch eine Reihe von Rechtswirkungen, die die eigentliche Bedeutung der Institution Familie gefährden. Kennzeichnende Eigenschaften dieser „freien Verbindungen“ sind ihre Unbeständigkeit und das Fehlen einer unwiderruflichen Verpflichtung, die Rechte und Pflichten bewirkt und die Würde von Mann und Frau achtet. Man will hingegen einem von jeder definitiven Bindungsform weit entfernten Vorhaben rechtlichen Wert geben. Wie kann man unter solchen Voraussetzungen auf eine wirklich verantwortungsvolle Zeugung hoffen, die nicht nur Leben schenken will, sondern auch jene Formung und Erziehung einschließt, die allein die Familie in all ihren Dimensionen gewährleisten kann? Solche Einstellungen sind eine große Gefahr für den Sinn der menschlichen Vaterschaft, der familiären Vaterschaft. Das geschieht auf verschiedene Art und Weise, wenn die Familie nicht auf einer festen Grundlage aufgebaut ist. 3. Die von der Kirche verkündete Wahrheit über Ehe und Familie stützt sich nicht nur auf in der Offenbarung enthaltene Elemente, sondern berücksichtigt auch die Forderungen des Naturgesetzes, der Grundlage des wahren Wohls der Gesellschaft und ihrer Mitglieder. Es ist durchaus nicht unwesentlich für die Entwicklung der Kinder, in einer familiären Umgebung zur Welt zu kommen und erzogen zu werden, in der die Eltern in einem treuen ehelichen Bund vereint sind. Auch andere Formen der Verbindung und des Zusammenlebens zwischen Mann und Frau sind durchaus vorstellbar, aber - trotz verschiedener gegenteiliger Meinungen - stellt keine von ihnen eine echte rechtliche Alternative zur Ehe dar, sondern trägt vielmehr zu ihrer Schwächung bei. Bei den „rechtlichen Verbindungen“ zeigt sich eine mehr oder weniger markante gegenseitige Verantwortungslosigkeit, ein widersinniges Streben nach Unabhängigkeit im Rahmen einer Beziehung die doch eigentlich von wechselseitiger Natur sein sollte. Das, was in nichtehelichen Beziehungen fehlt, ist im Wesentlichen die vertrauensvolle Bereitschaft, eine gemeinsame Zukunft zu teilen, die von der Liebe ausgeht und auf ihr begründet ist und deren Gewährleistung die besondere Rechtsverpflichtung ist. Mit anderen Worten: Es fehlt gerade dieses Recht, nicht in seiner äußerlichen Dimension, lediglich als eine Reihe von Rechtsnormen, sondern in seiner authentischeren anthropologischen Dimension zur Gewährleistung des menschlichen Zusammenlebens und dessen Würde. Wenn „nichteheliche Verbindungen“ das Recht auf Adoption beanspruchen, missachten sie außerdem eindeutig das vorrangige Wohl des Kindes und die unerlässlichen Voraussetzungen für eine angemessene Erziehung. Ferner sind „freie Verbindungen“ zwischen Homosexuellen eine bedauernswerte Entstellung dessen, was 743 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eine Liebes- und Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau in einem dem Leben offenen gegenseitigen Sich-Hingeben sein sollte. 4. Heute verbreitet sich insbesondere in den wohlhabenderen Ländern einerseits die Angst vor der Elternschaft und andererseits die Gleichgültigkeit gegenüber dem Recht der Kinder, in einem Umfeld totaler menschlicher Hingabe aufzuwachsen, die unverzichtbare Voraussetzung für ihre unbeschwerte und harmonische Entwicklung. So wird ein vermeintliches Recht auf Vater- oder Mutterschaft um jeden Preis geltend gemacht, das man durch Eingriffe technischer Natur zu verwirklichen versucht, die mit einer Reihe von moralisch nicht vertretbaren Manipulationen verbunden sind. Eine weitere Charakteristik unseres heutigen kulturellen Kontextes ist die Tendenz vieler Eltern, auf ihre Rolle zu verzichten und lediglich die Freunde ihrer Kinder zu sein, die sie weder ermahnen noch zurechtweisen, auch dann nicht, wenn - in aller Liebe und Zärtlichkeit - solche Maßnahmen für die Erziehung in der Wahrheit notwendig wären. Demnach muss daraufhingewiesen werden, dass die Erziehung der Kinder eine heilige Pflicht, die gemeinsame Aufgabe der Eltern, von Vater und Mutter, ist, die Wärme, Nähe, Dialog und Beispielhaftigkeit erfordert. Eltern haben den Auftrag, im familiären Bereich den guten himmlischen Vater zu verkörpern, das einzige Vorbild, an dem wir uns inspirieren sollten. Dem Willen Gottes entsprechend, zeichnet sich die Vater- und Mutterschaft durch die innige Teilhabe an der Macht des Schöpfergottes aus, und demzufolge hat diese Beziehung eine ihr eigene Gegenseitigkeit. In diesem Zusammenhang betonte ich in dem Schreiben an die Familien: „Die Mutterschaft schließt notwendig die Vaterschaft, und umgekehrt, die Vaterschaft notwendig die Mutterschaft ein: sie ist Frucht der Dualität, die dem Menschen vom Schöpfer ,am Anfang1 geschenkt wurde“ (Gratissimam sane, Nr. 7). Auch aufgrund dessen ist die Beziehung zwischen Mann und Frau Mittelpunkt der gesellschaftlichen Verbindungen: Als Quelle neuen Lebens verbinden sie die „ein Fleisch“ gewordenen Ehegatten und durch sie die jeweiligen Familien. 5. Liebe Brüder und Schwestern, ich danke euch für euren Einsatz zur Verteidigung der Familie und ihrer Rechte und versichere euch meiner steten Unterstützung im Gebet. Möge Gott die Bemühungen deijenigen krönen, die sich in allen Teilen der Welt dieser Aufgabe widmen. In diesem Sinne möchte ich die Gelegenheit wahmehmen und die Familien erneut herzlichst zur Teilnahme am dritten Weltfamilientreffen auffufen, das im Kontext des Großen Jubeljahres 2000 in Rom stattfinden wird. Diese Einladung richte ich auch an Vereinigungen und Bewegungen, insbesondere an die im Dienst für das Leben und für die Familie. Im Licht des Mysteriums von Nazaret werden wir gemeinsam Vaterschaft und Mutterschaft im Rahmen des von mir für diesen Anlass gewählten Themas vertiefen: „Kinder, Frühling der Familie und der Gesellschaft“. Groß und edel ist die 744 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aufgabe der Väter und Mütter, die als Mitarbeiter des himmlischen Vaters durch den Akt der Liebe an der Geburt neuer Menschen, Kinder Gottes, teilhaben. Möge die Madonna, Mutter des Lebens und Königin der Familie, jedes Heim nach dem Vorbild der Familie von Nazaret, Ort des Friedens und der Liebe, gestalten. Möge auch mein Segen euch Trost spenden, den ich von Herzen allen Anwesenden und jenen erteile, die sich überall in der Welt für das Wohl der Familie einsetzen. Missionarischer Eifer für die Kirche auf der Schwelle des dritten Jahrtausends Botschaft an die Teilnehmer des vom Päpstlicher Rat für die Laien veranstalteten Studienseminars über die kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften am 19. Juni Meine Herren Kardinäle, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Aus Ländern aller Kontinente kommend, habt ihr euch hier in Rom eingefunden, um gemeinsam über euer Hirtenamt im Hinblick auf die kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften nachzudenken. Erstmalig tritt auf Initiative des Päpstlichen Rates für die Laien, in Zusammenarbeit mit der Kongregation für die Glaubenslehre und der Kongregation für die Bischöfe, eine solch bemerkenswerte und qualifizierte Gruppe von Bischöfen zusammen, um gemeinsam jene kirchlichen Realitäten zu erörtern, die ich aufgrund ihrer amegenden Beiträge zum Leben des Gottesvolkes ohne weiteres als „providentielle“ bezeichnet habe (vgl. Ansprache bei der Begegnung mit den kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften, Nr. 7; O.R. dt., Nr. 24., 12.6.1998, S. 8). Allen danke ich für ihre Anwesenheit und ihren Einsatz auf diesem wichtigen pastoralen Sektor. Ferner möchte ich den Organisatoren, dem Päpstlichen Rat für die Laien, der Kongregation für die Glaubenslehre und der Kongregation für die Bischöfe, zu dieser für die kirchliche Sendung in der heutigen Welt zweifellos nützlichen Initiative herzlichst gratulieren. Das Seminar, dem ihr euch in diesen Tagen gewidmet habt, lässt sich ohne weiteres mit einem mir sehr teuren apostolischen Projekt verbinden, dem Resultat meines Treffens mit den Vertretern von über fünfzig dieser Bewegungen und Gemeinschaften auf dem Petersplatz am 30. Mai des vergangenen Jahres. Zweifellos werden die Ergebnisse eurer Reflexion bald erkennbar sein und dazu beitragen, dass jenes Projekt und jenes Treffen noch reichere Früchte für das Wohl der ganzen Kirche hervorbringen werden. 2. Das Konzilsdekret über den Hirtendienst der Bischöfe beschreibt den eigentlichen Kem des bischöflichen Amtes folgendermaßen: „Bei der Erfüllung ihrer Aufgabe zu lehren, sollen sie den Menschen die Frohbotschaft Christi verkünden; das 745 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hat den Vorrang unter den hauptsächlichen Aufgaben der Bischöfe. In der Kraft des Geistes sollen sie die Menschen zum Glauben rufen oder im lebendigen Glauben stärken. Das Geheimnis Christ sollen sie ihnen unverkürzt vorlegen, jene Wahrheiten nämlich, deren Unkenntnis gleichbedeutend ist mit Unkenntnis Christi“ (Christus Dominus, Nr. 12). Das Bestreben jedes Hirten, die Menschen zu erreichen und ihre Herzen, ihre Intelligenz, ihre Freiheit, ihr Verlangen nach Glückseligkeit anzusprechen, entspringt der Sorge Christi für den Menschen, seinem Mitleid mit denjenigen, die er als Schafe bezeichnete, die keinen Hirten haben (vgl. Mk 6,34 und Mt 9,36), und entspricht dem apostolischen Eifer des hl. Paulus: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (/Kor 9,16). In der heutigen Zeit zeigen sich die Herausforderungen der Neuevangelisierung oft auf dramatische Art und Weise und drängen die Kirche, insbesondere ihre Hirten, nach neuen, den Anforderungen unserer Zeit besser entsprechenden Formen der Verkündigung und Missionstätigkeit zu suchen. Zu den dringendsten pastoralen Aufgaben zählt heute in erster Linie die Aufmerksamkeit für die Gemeinden, die sich in stärkerem Maße der mit den christlichen Initiationssakramenten verbundenen Gnade bewusst sind - Grundlage der Berufung, in allen Bereichen des Lebens Zeugen des Evangeliums zu sein. Die dramatische Wirklichkeit unserer Zeit drängt die Gläubigen in den täglichen Begegnungen und freundschaftlichen Beziehungen zu einem konkreten christlichen Leben und Zeugnis für einen von der Freude des Mitteilens erleuchteten Glaubensweg. Eine weitere nicht zu unterschätzende pastorale Dringlichkeit ist der Aufbau christlicher Gemeinden-Strukturen einer echten Aufnahme für alle, die den speziellen Anforderungen jeder Person mit steter Aufmerksamkeit begegnen. Ohne solche Gemeinschaften wird es stets schwieriger werden, im Glauben zu wachsen und der Versuchung zu widerstehen, gerade jenen Glauben zu einer bruchstückhaften und gelegentlichen Erfahrung zu machen, der hingegen das gesamte menschliche Leben inspirieren sollte. 3. In diesen Kontext reiht sich das Thema eures Seminars über die kirchlichen Bewegungen ein. Wenn ich am 30. Mai 1998 auf dem Petersplatz in Anspielung auf die Blüte der kirchlichen Charismen und Bewegungen nach dem II. Vatikanischen Konzil von einem „neuen Pfingsten“ gesprochen habe, dann wollte ich mit diesem Ausdruck in der Entwicklung der Bewegungen und neuen Gemeinschaften auf ein Zeichen der Hoffnung für die Missionstätigkeit der Kirche hinweisen. Aufgrund der Verweltlichung, die in vielen Seelen den Glauben geschwächt oder sogar erlöscht und den Weg für irrationale Überzeugungen geebnet hat, steht die Kirche in vielen Teilen der Welt einer mit der ursprünglichen Situation vergleichbaren Umgebung gegenüber. Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Bewegungen und neuen Gemeinschaften, wie jedes Werk, das - auch wenn es von Gott ausgeht sich in der menschlichen Geschichte entwickelt, in diesen Jahren nicht immer nur rein positiv beurteilt worden sind. Wie ich am 30. Mai 1998 betonte, „hat ihre imerwartete und teilweise sogar bahnbrechende Neuheit ... natürlich Fragen, Unbehagen und Spannungen 746 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nach sich gezogen und manchmal zu Überheblichkeit und Anmaßung einerseits und zu nicht wenigen Vorurteilen und Vorbehalten andererseits geführt“ (vgl. ebd., 6; O.R. dt., Nr. 24, 12.6.1998, S. 8). Aber in ihrem gemeinsamen Zeugnis an jenem Tag vor dem Nachfolger Petri und zahlreichen Bischöfen sah und sehe ich den Anfang „eines neuen Abschnitts: den der kirchlichen Reife. Das bedeutet nicht, daß alle Probleme gelöst sind. Es ist vielmehr eine Herausforderung, ein Weg, den wir gehen sollen“ (vgl. ebd.). Dieser Weg verlangt von den Bewegungen eine stets festere Einheit mit den Hirten, die Gott auserwählt und geweiht hat, um sein Volk im Glanz des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu vereinigen und zu heiligen, denn „kein Charisma dispensiert von der Rückbindung an die Hirten der Kirche und von der Unterordnung unter sie“ (vgl. Christifideles laici, Nr. 24). Es ist somit die Pflicht der Bewegungen, im Bereich der Gemeinschaft und Sendung der Ortskirchen ihren charismatischen Reichtum auf demütige und hochherzige Art und Weise zu teilen. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, euch, deren Aufgabe es ist, die Authentizität der Charismen zu prüfen und über ihren geeigneten Gebrauch im kirchlichen Bereich zu entscheiden, rufe ich zu großzügiger Vaterschaft und langmütiger Liebe (vgl. 1 Kor 13,4) gegenüber diesen Realitäten auf, denn jedes Werk der Menschen braucht Zeit und Geduld für seine notwendige und unerlässliche Läuterung. Mit klaren Worten nimmt das II. Vatikanische Konzil hierzu Stellung: „Das Urteil über ihre Echtheit und ihren geordneten Gebrauch steht bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und das Gute zu behalten (vgl. 1 Thess 5,12 u. 19-21)“ (Lumen Gentium, Nr. 12), damit alle Charismen in ihrer Verschiedenheit und Komplementarität zum Gemeinwohl beitragen (vgl. ebd., Nr. 30). Liebe Brüder, ich bin überzeugt, dass durch eure aufmerksame und herzliche Bereitschaft, auch dank nützlicher, dem Gebet, der Reflexion und Freundschaft gewidmeter Treffen, eure Autorität nicht nur entgegenkommender, sondern auch anspruchsvoller, eure Weisungen wirksamer und gezielter und euer Amt, das euch zur Förderung der Charismen ihrem „allgemeinen Nutzen“ entsprechend an vertraut worden ist, fruchtbarer werden wird. Eure erste Aufgabe ist es, die Augen der Herzen und des Geistes zu öffnen, um die vielfältigen Formen der Präsenz des Geistes in der Kirche zu erkennen, sie zu prüfen und alle in Wahrheit und Liebe zur Einheit zu fuhren. 4. Während meiner Begegnungen mit den kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften habe ich wiederholt die enge Verbindung zwischen ihrer Erfahrung und der Realität der Teilkirchen und der Gesamtkirche hervorgehoben, deren Frucht und missionarischer Ausdruck sie sind. Im vergangenen Jahr habe ich vor den Teilnehmern des vom Päpstlichen Rat für die Laien organisierten internationalen Kongresses der kirchlichen Bewegungen öffentlich „ihre Bereitschaft festgestellt, ihre Tatkraft zum Dienst für den Stuhl Petri und die Ortskirchen einzusetzen (Botschaft an den Weltkongress der kirchlichen Bewegungen, 27. Mai 1998, 2; O.R. dt., Nr. 24, 12.6.1998, S. 7). Zu den wesentlichen Erfolgen der Bewegungen 747 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gehört ihre Fähigkeit, in zahlreichen Christgläubigen, Männern und Frauen, Erwachsenen und Jugendlichen, jenen lebhaften missionarischen Eifer zu wecken, der unerlässlich ist für die Kirche auf der Schwelle des dritten Jahrtausends. Dieses Ziel kann allerdings nur dort erreicht werden, wo „sie sich in Demut in das Leben der Ortskirchen einfügen und von Bischöfen und Priestern herzlich in die Diöze-san- und Pfarrstrukturen aufgenommen werden“ (Redemptoris missio, Nr. 72). Welche konkrete Bedeutung hat das für das Apostolat und die pastorale Arbeit? Das war eine der wesentlichen Fragen eures Seminars. Wie kann diese besondere Gabe empfangen werden, die der Geist der Kirche in unserer heutigen Zeit bietet? Wie können wir sie mit all ihrer Tragweite, ihrer Fülle, mit all der ihr eigenen Dynamik entgegennehmen? Als Hirten habt ihr die Verantwortung, auf diese Fragen in angemessener Form zu antworten. Eure große Aufgabe ist es, die Gabe des Geistes nicht ungenützt zu lassen, sondern sie im Dienst für das gesamte christliche Volk stets fruchtbringender zu machen. Von ganzem Herzen hoffe ich, dass euer Seminar vielen Bischöfen als Quelle der Ermutigung und Inspiration für ihr Hirtenamt dienen wird. Möge Maria, die Braut des Heiligen Geistes, euch helfen, das zu hören, was der Geist der Kirche heute zu sagen hat (vgl. Offb 2,7). Mit brüderlicher Solidarität werde ich euch beistehen, mein Gebet wird euch begleiten; von Herzen segne ich euch und das, was die göttliche Vorsehung eurer Hirtensorge anvertraut hat. Aus dem Vatikan, am 18. Juni 1999 Joannes Paulus PP. II Mitarbeiter an Frieden und Versöhnung im Dienst an den Menschen — Änderung sozialer Verhältnisse durch gewandelte Mentalität Botschaft an die Teilnehmer der 16. Generalversammlung von „Caritas Intemationalis“ am 19. Juni, vom 2. Juni Liebe Freunde! 1. Während in Rom ihre 16. Generalversammlung stattfindet, feiert „Caritas Inter-nationalis“ den 50. Jahrestag ihrer Gründung. Zu diesem erfreulichen Anlass schließe ich mich gerne der Freude und dem Dank ihrer Mitglieder an, die überall auf der Welt die Liebe Christi und seiner Kirche zu den Ärmsten bezeugen und die für die ganze christliche Gemeinschaft eine bedeutende Erinnerung an die Forderung des Evangeliums nach Nächstenliebe sind. Im Namen der Kirche bin ich der Caritas für ihr großzügiges Engagement dankbar; im Laufe der vergangenen vier Jahre fand es seinen Ausdruck in der besonderen 748 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sorge um jene Menschen, die in Situationen immer schwererer Armut leben, speziell um die Flüchtlinge und die Zwangsverschleppten, und zwar überall dort, wo diese Notlage spürbar ist, so zum Beispiel in Nordkorea; heute sind es der Balkan und die vom Krieg heimgesuchten afrikanischen Länder, die ihre besondere Fürsorge erfahren. Andererseits hat die Caritas durch verschiedene Initiativen bereitwillig auf den Aufruf reagieren wollen, den ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente geäußert hatte, nämlich „das Jubeljahr als eine passende Zeit hinzustellen, um unter anderem an eine Überprüfung, wenn nicht überhaupt an einen erheblichen Erlaß der internationalen Schulden zu denken, die auf dem Geschick vieler Nationen lasten“ (Nr. 51). 2. Das 50-jährige Jubiläum der Caritas ist eine vorzügliche Gelegenheit, um sich mit ihrer Identität vertieft auseinanderzusetzen, indem man über die Werte und Grundsätze nachdenkt, die ihre Tätigkeit leiten, sowie über ihren Auftrag innerhalb der Kirche und über die Glaubensanschauung, die sie beseelt. In der Betrachtung der Gestalt Christi und in der Meditation über die Botschaft des Evangeliums nehmt ihr immer mehr an der Sendung des Heilands teil, der gekommen ist, um den Armen eine gute Nachricht zu bringen, den Gefangenen die Entlassung und den Blinden das Augenlicht zu verkünden, die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen (vgl. Lk 4,18-19). So zeigt ihr, dass das Reich Gottes, das in der Person Christi schon jetzt unter uns gegenwärtig ist, sich konkret offenbart und trotzdem immer jenseits von uns selbst und unseren Bemühungen zu seiner Verkündigung und Aufnahme bleibt. 3. Unter den Zeichen der Offenbarung des Gottesreiches habt ihr eure Aufmerksamkeit für die kommenden Jahre vor allem auf die Versöhnung gelenkt, die eine der aufrichtigsten Ausdrucksformen der Nächstenliebe ist. In einer Welt, die soviel Spaltungen und Trennungen erlebt, sowohl zwischen den Einzelpersonen als auch zwischen den menschlichen Gemeinschaften, ist es mir ein Herzensanliegen, dass alle Jünger Christi lernen, die Zeichen der Hoffnung immer besser zu erkennen. Sie sollen Erbauer des Friedens und der Versöhnung sein, damit unsere Menschheit immer mehr zu einer Welt der Brüderlichkeit und Solidarität werde, wo jeder in seiner Würde als Kind desselben Vaters anerkannt ist, ein friedliches Leben führen und die erhaltenen Gaben entfalten kann. Die Verwirklichung dieses Ideals erfordert eine Bekehrung der Herzen und auch -zuweilen sogar radikale — Veränderungen in der Gesellschaft. In der Enzyklika Sollicitudo rei socialis schrieb ich: „Das von allen so sehr ersehnte Ziel des Friedens wird gewiß mit der Verwirklichung der sozialen und internationalen Gerechtigkeit erreicht werden, aber auch mit der Übung jener Tugenden, die das Zusammenleben fordern und das Leben in Einheit lehren, um gemeinsam, im Geben und Nehmen, eine neue Gesellschaft und eine bessere Welt zu schaffen“ (Nr. 39). Um einen besonderen Beitrag zu leisten zur Veränderung der Herzen und Mentalitäten und zur Verwandlung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die den Menschen und die Gemeinschaft zerstören, damit daraus gerechte Strukturen 749 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN werden, die das Reich Gottes verkünden, fordere ich euch auf, eure Bemühungen zugunsten einer Erziehung zur Gerechtigkeit und Solidarität zu entfalten, die auf der Soziallehre der Kirche gründet. In der Tat sind diese Werte typische Merkmale der Neuheit des Reiches und Zeichen seiner Verkündigung an alle Menschen, vor allem an die Armen. 4. Ich wollte, dass dieses Vorbereitungsjahr auf das Große Jubeljahr, das Gottvater gewidmet ist, eine Gelegenheit zur Herausstellung der theologischen Tugend der Liebe mit ihrem doppelten Gesicht als Liebe zu Gott und Liebe zu den Schwestern und Brüdern sei (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 50). In dieser Hinsicht wird ein intensives spirituelles Leben es den Mitgliedern der Caritas ermöglichen, sich daran zu erinnern, dass Ursprung und Ziel ihres Engagements sich in Gott finden. Im Gebet sollen sie sich vom barmherzigen Vater anziehen lassen, in ihm ein Vorbild des Mitleids mit allen Leidenden finden und von ihm die Kraft zum Weitermachen erhalten - trotz aller Rückschläge und Enttäuschungen. Mögen alle auf diese Weise zu immer eifrigeren Zeugen des Evangeliums der Liebe werden. 5. Nun da die Mandatszeit von Herrn Luc Trouillard als Generalsekretär ausläuft, möchte ich ihm meinen aufrichtigen Dank für seinen selbstlosen und fachkundigen Einsatz aussprechen. Ich empfehle jedes Mitglied von „Caritas Intemationalis“ dem Schutz und der mütterlichen Unterstützung der Jungfrau Maria, Mutter Christi und Mutter der Menschen, und ermutige euch herzlich zur Weiterführung eures Engagements für den Auftrag der Kirche im Dienst der bedürftigen und leidgeprüften Menschen. Von ganzem Herzen spende ich euch den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 2. Juni 1999 Joannes Paulus PP. II 750 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Seid immer mehr in der Welt, aber immer weniger von der Welt Botschaft an die Priester, die im Heiligen Land am Vierten Internationalen Vorbereitungskongress auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 teilnahmen, vom 19. Juni „Seid immer mehr in der Welt, aber immer weniger von der Welt. Wisset euch den andern immer mit demütigem Stolz als das zu zeigen, was ihr seid.“ Liebe Priester! 1. In tiefer Zuneigung und lebendiger Freude wende ich mich an euch, die ihr im Heiligen Land am Vierten Internationalen Vorbereitungskongress auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 teilnehmt. Wir stehen kurz vor dem Neubeginn eines neuen Jahrtausends, des dritten seit der Fleischwerdung des Wortes. Etliche Herausforderungen zeichnen sich am Horizont für uns ab, doch weil wir auf Ihn bauen können, der die Welt besiegt hat und der uns versichert hat, dass er bei uns ist bis zum Ende der Zeiten (vgl. Mt 28,19-20), haben wir keinen Grund, uns vor der unbekannten Zukunft zu fürchten. Vielmehr furchten wir, nicht die Zeugen Christi zu sein, welche die zeitlichen Umstände von uns abverlangen. Die einzige Frage, die uns daher beunruhigen muss, ist die Frage nach der Treue, denn wir sollten jeden Tag einen Neuanfang setzen und unsere Identität erneuern. Identität ist nämlich Wahrheit: Wahrheit des Daseins, von der auch die Wahrheit des Handelns kommt, ja die Wahrheit unseres Seelsorgeamtes. 2. Jesus steht vor uns und fragt uns wie einst die Apostel: „Und ihr, was sagt ihr, wer ich bin?“ Heute herrscht diesbezüglich sehr viel Verwirrung. Schließlich laufen die Antworten darauf hinaus, Christus zumindest in der Praxis mit einem Erleuchteten, mit einem weisen Sittenlehrer oder mit einem faszinierenden Menschenfreund zu identifizieren. Die Identität Jesu ist nicht ein Problem unter vielen, sondern sie stellt eine grundlegende Frage dar, weil nämlich von der Antwort auf diese Frage die gesamte Anschauung hinsichtlich des Menschen, der Gesellschaft, der Geschichte, des Lebens, des Todes und all dessen, was jenseits von Leben und Tod existiert, abhängt. Was die Kirche und nichts desto weniger uns anbelangt, so steht und fällt alles im Verhältnis zum Glauben an Jesus von Nazaret. „Und ihr - an dieser Stelle stellt Jesus auch an uns diese Frage - was glaubt ihr, wer ich bin?“ Wir kennen die Antwort, die Simon Petrus in der Gegend von Cäsarea Philippi im Namen aller Apostel gab: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“! So hatte Petrus geantwortet, und so hat er im Laufe der Jahrhunderte auch durch seine Nachfolger geantwortet. So antwortet er auch heute aus Rom im Namen von euch allen: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“! Das ist die Identität Christi, und diese Identität liegt auch der unsrigen zu Grunde. 751 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Liebe Priester! Ihr seid ontologisch auf Christus als den Priester, das Haupt und den Hirten hin ausgerichtet, daher darf man wahrhaftig im Einklang mit der gesamten Tradition sagen, dass jeder Priester ein „alter Christus“ ist. Auf diese eure Ontologie gründet auch die daraus resultierende Deontologie. Christus wünschte sein einziges Priestertum unbedingt mit den Menschen zu teilen. Daher sagte er im Abendmahlssaal zu seinen Aposteln: „Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen“. So nahm er das Brot, dankte, brach es und reichte es ihnen mit den Worten: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,15-19). Diese Worte aus dem Mund unseres Herrn bedeuten, dass er die Macht erteilt und damit auch die Pflicht auferlegt, das, was sich im Abendmahlssaal ereignet hat, durch alle Geschichtsepochen hindurch zu erneuern und zu vergegenwärtigen. Auf diese Weise ist Christus durch euch Priester immerzu sakramental gegenwärtig in seiner Kirche (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 7). Ihr handelt „im Namen und in der Person Christi“ (vgl. Lumen Gentium, Nr: 28 ). Ihr seid es, die mit Vollmacht das Evangelium verkünden. Christus spricht durch euch. Das ereignet sich so, dass „Christus Christus verkündet“. Wer bringt die Eucharistie dar? Ihr, aber nicht alleine, denn durch euch handelt Christus selbst. „Derselbe, der sich selbst damals am Kreuze opferte, opfert sich jetzt durch den Dienst der Priester“ (Conc. Trid., See. XXII, 17 sett. 1562, Doctr. De ss. Missae sacrificio, can. 2, zitiert aus: DS, S. 563, Kap. 2; vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Konst. Sacrosanctum Concilium, Nr. 7). Wer erteilt die Absolution fiir begangene Schuld? Ihr Priester, aber wiederum nicht alleine, sondern es ist Christus, der durch euch vergibt. Ihr seid die „Verwalter von Geheimnissen Gottes“ (1 Kor 4,1). Durch die Weihe seid ihr im ontologischen Sinn Zeugen Christi im Dienst des Wortes und der Sakramente; gleichzeitig seid ihr auch das reelle Zeugnis Christi, des einzigen Priesters. Im Moment der Weihe habt ihr eine neue Seinsweise empfangen. Ihr seid durch das priesterliche Mal gezeichnet, welches ein wirklich geistiges und unauslöschliches Zeichen ist. Ein solches Mal trennt euch jedoch nicht von der Menschheit, im Gegenteil, es stellt euch in deren Mittelpunkt, damit ihr euch zu deren Dienst zur Verfügung stellen könnt. In der Tat reiht euch dieses priesterliche Mal in das Priestertum Christi ein, er ist „der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte“ (Gaudium et spes, Nr. 10), „das Alpha und das Omega“ (ebd., Nr. 45) der sichtbaren und unsichtbaren Wirklichkeit. 4. Liebe Priester! Wie könnten die heilenden Wasser der Erlösung zu allen Generationen fließen, wenn ihr nicht wärt? Aus der Klarheit und Sicherheit eurer Identität erwächst das Bewusstsein eurer absoluten Unersetzlichkeit in der Kirche und in der Welt. Durch euch fährt der Gute Hirt fort die Völker aller Kulturen, aller Kontinente und aller Zeiten zu lehren, zu heiligen, zu leiten und zu lieben. Deshalb steht auch nur euch der Titel des Hirten zu und da es kein Heil außer in Christus gibt und Er bis an die Enden der Erde verkündet werden muss, ist es unmöglich, die Schwelle des Dritten Jahrtausends zu überschreiten, ohne aus der Berufungsseelsorge eine Prio- 752 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rität zu machen. Wenn die Welt nicht ohne Christus auskommt, kommt sie auch nicht ohne seine Priester aus. Liebe Priester, verkündet allen aus dem Land, in dem das Wort Fleisch geworden ist, aus dem Land, das Er durchwandert hat, eingetaucht in die Luft, die Er eingeatmet hat und erleuchtet von der Sonne, die Seine Schritte beschienen hat, wer Jesus von Nazaret ist. Sagt ihnen, dass es nur in Ihm die vollkommene Selbstverwirklichung des Menschen gibt, dass nur in Ihm der wahre Fortschritt besteht, dass es nur in Ihm volle Gerechtigkeit und Frieden gibt, nur in Ihm ist Freude ohne Schatten, nur in Ihm wahre und volle Menschlichkeit, die ihre Krönung im ewigen Heil findet. Durch eure Anwesenheit sagt ihr bereits, wer der Priester ist, was seine Identität ist, zeigt ihr eure Unersetzlichkeit, die Notwendigkeit der umfassenden Entfaltung eines Seelsorgeamtes innerhalb des zum Bischof gehörigen allernächsten Presbyteriums. Gebt euch Mühe, damit ihr zu verstehen gebt, dass der absolute Mittelpunkt innerhalb der Gemeinschaft die Eucharistie und somit im Verhältnis dazu die Person des Priester ist. Dort, wo es an Priestern mangeln sollte, dort sollte man diese nicht einfach nur ersetzen wollen, sondern die ganze Gemeinschaft sollte dort noch inständiger durch persönliches und gemeinsames Gebet, durch Buße und die spezifische Heiligkeit der Priester um Berufungen flehen. 5. Liebe Priester! In voller Erfüllung meines petrinischen „munus“ [Dienstes] möchte ich euch in diesem Glauben an die Identität Christi und an eure Identität als „alteri Christi“ stärken. Empfindet einen heiligen Stolz, dass ihr euch „berufen“ fühlt, und seid im Bewusstsein der menschlichen Gebrechlichkeit besonders demütig ob dieser großen Würde. Dank euch Priestern werden alle erleuchtet, die zu euch kommen, denn ihr seid gleichsam wie eine Lampe, und ihr gebt wie das Salz dem Leben einen Geschmack, aufgrund dessen, was ihr tut und besonders aufgrund dessen, was ihr seid. Aufrichtig möchte ich meinen tiefen Dank all den Priestern zum Ausdruck bringen, die wegen ihrer Treue zur eigenen Identität und Mission immer noch in den verschiedensten Situationen zu leiden haben. Danke für euren Schweiß, danke für eure Kraft, danke für eure Tränen und für euer Lächeln. Gott sei Dank, dass es euch gibt! Auch jenen Priestern gilt der Dank, die während der zweitausend Jahre die Treue zur eigenen Identität und Mission bis hin zum Martyrium bewahrt haben, die sich wie wertvolle Weihrauchkömer im brennenden Feuer der pastoralen Nächstenliebe verzehrt haben und nun unsere Fürsprecher im Glanz der himmlischen Kirche sind, welche ohne Falte und ohne Makel ist. Danke für ein so bewundernswertes Beispiel! Mein Dank für das Geschenk des Priestertums wird zum Te Deum, er wird aber auch zum Aufruf an euch, dass ihr immer mehr in der Welt und immer weniger von der Welt seid, damit ihr vor allen immer in demütigem Stolz auftretet und vom gebotenen äußeren Zeichen dessen geprägt seid, was ihr seid: Es ist das Zeichen 753 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Dienens ohne Unterlass, des Dienstes, der kein Alter kennt, und es ist in euer „Sein“ eingeschrieben. Der Jungfrau Maria, die uns in einzigartiger Weise als Mutter des ewigen Hohenpriesters zur Seite gestellt wurde, empfehle ich in kindlichem Vertrauen gerne einen jeden Einzelnen von euch an. In ihre gefalteten Hände lege ich für jeden die demütige Bitte, ausdauernd zu sein und ich überlasse es ihr, den Brüdern wenigstens einen zu hinterlassen, der das Erbe des einzigen Priestertums weiterfuhrt, das von der Liebe in uns lebt und ihrer dringend bedarf. Euch alle segne ich und mit euch alle Seelen, die der ewige Hohepriester euch anvertraut hat und denen ihr auf eurem Weg noch begegnen werdet! Aus dem Vatikan, am 19. Juni 1999. Joannes Paulus PP. II Weltweiter Dienst am Nächsten in der Liebe Christi Grußwort zur 900-Jahr-Feier des Ritterordens vom Hospital des hl. Johannes zu Jerusalem — Souveräner Malteser-Ritterorden - am 24. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zum Fest des hl. Johannes des Täufers, eures hl. Schutzpatrons, habt ihr euch zu einer feierlichen Messe in der Petersbasilika versammelt. Ich richte meinen Willkommensgruß an jeden von euch und grüße den gesamten Ritterorden vom hl. Johannes zu Jerusalem, auch Souveräner Malteser-Ritterorden genannt, der in diesen Tagen sein Generalkapitel abgehalten hat. Besonders begrüße ich den Fürst und Großmeister, Fra Andrew Bette, den „Kardinalpatron“, Pio Laghi, den Prälaten, Msgr. Donato de Bonis, den Großkanzler und alle Würdenträger des vor kurzem erneuerten Souveränen Rates. Ihnen allen spreche ich meine besten Wünsche für ihre Arbeit im Dienst für Gott, die Kirche und den Orden aus. Seit über neunhundert Jahren bietet euer verdienter Orden der Welt sein Zeugnis — treu seinem Motto: „Tuitio fidei, obsequium pauperum“ [Schutz des Glaubens, Dienst an den Armen], das dem Gebot des Evangeliums zur Gottes- und Nächstenliebe entspricht. 2. Ihr seid davon überzeugt, dass die Verteidigung und das Zeugnis des Glaubens die Grundlage der Evangelisierung darstellen, und wollt euren Beitrag leisten, damit die Botschaft des Evangeliums auch das bevorstehende dritte Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung erleuchte. Im Hinblick darauf fühlt ihr euch verpflichtet, eure Treue zu Christus in die Tat umzusetzen durch das Zeugnis der 754 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe, das zum Dienst für die Brüder, und speziell für die Armen, wird: eben das, was ihr zu Recht als „Obsequium pauperum“ [Dienst an den Armen] bezeichnet. Diese Liebe zu den Letzten wird von eurer Präsenz an der Seite der Kranken, Leidenden, Erdbebenopfer und Flüchtlinge stichhaltig bewiesen. Sie qualifiziert euren religiösen und souveränen Orden als wertvolle Einrichtung, die die Last der Leiden des Menschen auf ihre Schultern nimmt. Haltet fest an eurer Treue zu Christus, zur Kirche und zu den Armen. Vergegenwärtigt euch stets die Worte Christi: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12), und weiter: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ {Mt 25,40). Ich wünsche euch, eure verdienstvolle Tätigkeit noch zu verstärken, und erbitte für jeden von euch den mütterlichen Schutz der himmlischen Patronin, der sei. Jungfrau Maria vom Berg Phileremos, die euch immer - sowohl in der Heimat als auch im Exil - begleitet hat. Es unterstütze euch auch der Schutzheilige des Ordens, der hl. Johannes der Täufer, Verkünder der Gegenwart Christi in der Weltgeschichte. Mit diesen Empfindungen erteile ich gerne den Apostolischen Segen dem Großmeister, euch hier Versammelten und dem ganzen Souveränen Malteser-Ritterorden, besonders den Kranken und Leidenden, um die ihr euch überall auf der Welt kümmert. Zielstrebige Bildungsarbeit in Seelsorgebereichen der Zukunft Ansprache an die Versammlung der „Union der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen“ (ROACO) am 24. Juni Herr Kardinal, verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Mitglieder und Freunde der „Union der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen“! 1. Mit Freude heiße ich euch anlässlich dieser Versammlung zur Koordinierung der Hilfeleistung für die Christen der orientalischen Kirchen herzlichst willkommen. Von Herzen grüße ich Kardinal Achille Silvestrini, Präfekt der Kongregation für die orientalischen Kirchen und Präsident der Union der Hilfswerke für die orientalischen Kirchen, und danke ihm für die in eurem Namen an mich gerichteten Worte. Ferner gilt mein Gruß dem Sekretär, dem Untersekretär, den Mitarbeitern des Dikasteriums für die orientalischen Kirchen wie auch den Verantwortlichen der Agenturen und allen hier Anwesenden. Eure 1968 begonnenen halbjährigen Versammlungen sind stets besser strukturiert, und dank wachsender Beteiligung und Koordinierung verzeichnen sie heute eine bewährte operative Wirksamkeit. Bekanntlich habt ihr euch in den letzten Jahren 755 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN intensiv mit der Methode befasst, die euch ermöglicht, eure Tätigkeit in enger Zusammenarbeit mit den orientalischen katholischen Kirchen auszuüben, denen zu dienen ihr beabsichtigt. Eure Initiative ist somit eine wertvolle Hilfe für den Papst, dem ihr Gelegenheit gebt, seine Aufgabe, den Vorsitz in der „universalen Liebe“ zu fuhren, mit größerer Sorgfalt zu erfüllen. Auch euch, den Verantwortlichen der Agenturen, möchte ich für die Arbeit danken, die ihr unter der Leitung der Kongregation für die orientalischen Kirchen leistet. Durch euren Einsatz lindert ihr Notstände, belebt sozialpastorale Initiativen, helft den von Konflikten gespaltenen Ländern, steht ihr vielen von Armut und zahlreichen Formen der Ausgrenzung betroffenen Personen bei. 2. Insbesondere unterstützt ihr das Evangelisierungswerk der orientalischen katholischen Gemeinden. Auf der Schwelle des Großen Jubiläums sind die Gläubigen aufgerufen, den Glauben auf intensivere Art und Weise zu leben in dem Bewusstsein, „der Sauerteig und die Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gesellschaft“ zu sein (Gaudium et spes, Nr. 40). Neben dem Zeugnis des Glaubens kann der Dienst der Liebe nicht fehlen: Für die Verkündigung des Evangeliums der Hoffnung ist das Evangelium der Liebe unerlässlich. Unter den Zeichen des Jubeljahres ist das der „Heiligen Pforte“. Der Hinweis auf die Pforte erinnert an die Verantwortung jedes Gläubigen, die Schwelle der Barmherzigkeit zu überschreiten (vgl. Incarnationis mysterium, Nr. 8). „Pforte“ und „Schwelle“ sind Zeichen dieser Liebe, „die uns die Augen für die Bedürfnisse derer öffnet, die in Armut und am Rand der Gesellschaft leben ... und eine neue Kultur der Solidarität und Zusammenarbeit schafft, in der alle ihre Verantwortung für ein Wirtschaftsmodell übernehmen, das jedem Menschen diente (vgl. ebd., Nr. 12). Durch eure hochherzige Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der Brüder der orientalischen Kirchen erfüllt die gesamte kirchliche Gemeinschaft ihren universalen pastoralen Auftrag. Die Schaffung einer konkreten Mitverantwortung dient zur Überwindung egoistischer Partikularismen und gibt uns das Gefühl, für das gleiche, große Schicksal unterschiedlicher Völker bestimmt zu sein, in denen das Evangelium Vertrauen und Hoffnung auf eine neue Menschheit geweckt hat. 3. Mit dem Jubiläum werden Jerusalem, Nazaret, Betlehem und das ganze Heilige Land, in dem der Sohn Gottes Fleisch geworden ist aus der Jungfrau Maria, zum Mittelpunkt des kirchlichen Lebens. Ich weiß, dass ihr den heiligen Stätten bereits ganz besondere Aufmerksamkeit schenkt und euch der Ängste und Sorgen der örtlichen christlichen Gemeinden annehmt. Vor allem möchte ich euch nahe legen, die Erwartungen der Jugend nicht zu enttäuschen und den christlichen Familien zu helfen, trotz sozioökonomischer Schwierigkeiten und prekärer örtlicher Verhältnisse die Hoffnung auf ein Heim und auf Arbeit nicht aufzugeben. Auch durch die traditionelle Kollekte für das Heilige Land zeigt die Weltkirche ihre aufmerksame Fürsorge für die an den heiligen Orten der Erlösung lebenden 756 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Brüder. Nachdrücklich möchte ich zu diesem Werk der Liebe für die Christen jener Gebiete ermutigen in der Gewissheit, dass eure Bemühungen um Hilfeleistungen aus allen Teilen der Welt von den Hirten und den Gläubigen der orientalischen katholischen Kirchen und der lateinischen Gemeinde im Heiligen Land mit Dankbarkeit aufgenommen werden. Klerus und Gläubige zeigen ihre Bereitschaft zusammenzuarbeiten, pastorale Initiativen und Projekte zu planen, im Einklang mit anerkannten Prioritäten der Evangelisierung, der Nächstenliebe und Erziehungsaufgabe. Ein primäres Anliegen ist die Ausbildung gereifter und verantwortungsbewusster Laien, die zu einem mutigen Zeugnis des Glaubens befähigt sind. Während des Jubiläums werden unzählige Pilger als Besucher der heiligen Stätten des Glaubens Gelegenheit haben, nicht nur Augenblicke des Gebets und der Gemeinschaft zu teilen, sondern auch die von euch angeregten Werke zur Unterstützung der Katechese, der pastoralen Animation und karitativer Initiativen kennen zu lernen. 4. Liebe Brüder und Schwestern, mit Wohlwollen sehe ich den fürsorglichen Eifer, mit dem ihr den an euch gerichteten Anfragen begegnet. Durch mich danken euch jene Gemeinden, die sich durch den Dienst der Kongregation für die orientalischen Kirchen und der Union der Hilfswerke für die orientalischen Kirchen in ihren Bemühungen um eine entschlossenere Wiederbelebung des apostolischen Eifers bestärkt fühlen. Möge die Mutter Gottes, die heilige Maria, die „vom Tag der jungfräulichen Empfängnis an ihre Mutterschaft voll gelebt und sie auf Golgota zu Füßen des Kreuzes gekrönt hat“ (Incarnationis mysterium, Nr. 14), euch in euren Vorhaben bestärken und stets „allen den Weg zeigen, der zum Sohn führt“. Mit diesen Wünschen erteile ich euch, den kirchlichen Gemeinden, denen ihr angehört, den Organisationen, deren Vertreter ihr seid, und jenen Initiativen, für die ihr euch unablässig einsetzt, von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Wallfahrtsorte - Stätten der Begegnung und der Sinnsuche Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs am 25. Juni Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude empfange ich euch zum Abschluss der Arbeiten der „Plenarversammlung“ des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs. Alle grüße ich von ganzem Herzen, und mit aufrichtiger Hochachtung für euren Einsatz im Dienst des Hl. Stuhls danke ich euch für diesen Besuch. Insbesondere gilt mein Dank dem Präsidenten dieses Päpstlichen Rates, 757 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Msgr. Stephen Fumio Hamao, für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. In den vergangenen Tagen habt ihr über die Bedeutung nachgedacht, die die Wallfahrten zu den verschiedenen Sanktuarien im kirchlichen Leben einnehmen. Diese Gebetsstätten sind, wie ich bereits betonte, „Meilensteine, die diesem Weg der Kinder Gottes über die Erde die Richtung weisen“ {Predigt an die Gläubigen in Corientes, Argentinien, 9. April 1987; in: DAS 1987, S. 538 f.). Ihre reiche Realität weist sie aus als ein großes Geschenk Gottes an seine Kirche und die gesamte Menschheit. 2. Der Mensch sehnt sich nach der Begegnung mit Gott, und die Wallfahrten machen ihn mit dem Gedanken an jenen Hafen vertraut, den er auf seiner religiösen Suche erreichen will. Gemeinsam mit dem Psalmisten wird der Gläubige dort seinem Durst und Hunger nach dem Herrn Ausdruck geben: „Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir. Nach dir schmachtet mein Leib wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser. Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum ... Denn deine Huld ist besser als das Leben“ (Ps 63,2-4). Diese „Oasen des Geistes“ bieten der kirchliches Gemeinschaft somit ein ganz besonders günstiges Klima, um das Wort Gottes zu vertiefen und die Sakramente zu feiern, insbesondere das der Buße und der Eucharistie. In ihnen haben wir ferner die Möglichkeit, nützliche Glaubenserfahrungen zu machen und durch Werke der Nächstenliebe und den Dienst an den Notleidenden unsere Liebe zu den Brüdern zu bezeugen. Überall in der Welt haben Bischöfe daher die Sanktuarien stets als Zentren tiefer Spiritualität gefordert, an denen die Gläubigen nicht nur ihren Glauben festigen, sondern sich auch der mit ihm verbundenen Pflichten im gesellschaftlichen Bereich tiefer bewusst werden und sich zu konkreten Hilfeleistungen verpflichtet fühlen, damit die Welt allmählich jenes Reich der Gerechtigkeit und des Friedens werde, auf das die erleuchteten Worte Jesajas hinweist: „Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen ... Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist“ (2,3^1; 11,9). Frieden und Solidarität unter den Menschen entspringen im Grunde der Versöhnung zwischen Gott und den Menschen. Daher muss der Pilger in den Sanktuarien eine konkrete Gelegenheit des Gebets und der Ruhe finden, um die Begegnung mit Gott und die tiefe Erfahrung seiner zärtlichen Liebe zu fordern. Vor allem die von schmerzlichen und ungerechten Situationen geprüften Migranten, Flüchtlinge und Evakuierte brauchen diese Erfahrung; auch Seeleute, das Personal der zivilen Luftfahrt, Nomaden und Zirkusleute verlangen nach ihr, all jene, die aus verschiedenen Gründen von denen getrennt sind, die ihnen nahe stehen, finden in ihr geistlichen Trost. 758 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Die Menschen kommen in unterschiedlicher innerer Haltung zum Sanktuarium. Viele Gläubige suchen es auf, um intensive Augenblicke der Kontemplation, des Gebets und tiefer spiritueller Erneuerung zu erleben. Andere besuchen die Sanktuarien gelegentlich zu bedeutenden Anlässen. Wieder andere suchen sie auf, um Ruhe zu finden, aus kulturellem Interesse oder lediglich aus Neugier. Es ist Aufgabe des für die diözesanen Heiligtümer zuständigen Bischofs und der Bischofskonferenz auf nationaler Ebene, mit Hilfe geeigneter pastoraler Richtlinien auf angemessene Art und Weise den Erwartungen jedes einzelnen zu entsprechen. Wesentlich ist, dass alle das erbarmende Wirken Gottes erfahren, der seinen Kindern sein eigenes Leben und die Gabe des Heils zuteil werden lässt. Im Heiligtum hallen die Worte Christi an die „Kleinen“ und die „Armen“ der Welt wider: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ (Mt 11,28). Wenn die Möglichkeit besteht, Kinder und Jugendliche zu empfangen, sollte das die Verantwortlichen für die Wallfahrtspastoral bestärken, in Zusammenarbeit mit der gesamten Kirchengemeinde einen noch qualifizierteren und ihrem Alter entsprechenden Dienst zu leisten. 4. Liebe Brüder und Schwestern, wir gehen dem Großen 2000-jährigen Jubiläum entgegen. Im Kontext des Jubeljahres wird die Wallfahrt zu einem außerordentlich wertvollen Zeichen jenes Wegs, zu dem der Christ berufen ist, und jener Einsatzbereitschaft, mit der er das Jubeljahr feiern soll (vgl. Incamationis mysterium, Nr. 7). Während ich jedem von euch herzlichst für den Einsatz und die pastorale Fürsorge danke, die eure tägliche Arbeit zum Ausdruck bringt, vertraue ich eure Bemühungen der tätigen Fürsprache der Jungfrau Maria an, ihr, die in den zahlreichen Sanktuarien verehrt und angerufen wird, die in allen Teilen der Welt Zeugen ihrer mütterlichen Präsenz unter den Jüngern Christi sind. Die gemeinschaftliche und persönliche Begegnung mit Maria, dem „Leitstern der Evangelisierung“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 82), ermutigt die Gläubigen, so wie auch sie Verkünder jener „großen Werke“ zu werden, die Gott immerfort in seiner Kirche verwirklicht. Möge die mütterliche Gegenwart Marias in dem Volk Gottes spürbar sein, das nun die Schwelle des dritten Jahrtausends überschreitet. Mit diesen Wünschen erteile ich allen Anwesenden und denen, die ihnen nahe stehen, von Herzen meinen Apostolischen Segen. 759 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinsam die Wege der Heiligung und Einheit finden Ansprache bei der Begegnung mit der Delegation des Patriarchats von Konstantinopel unter Leitung des Metropoliten von Efesos am 28. Juni Liebe Brüder in Christus! 1. „Alles, was für unser Leben und unsere Frömmigkeit gut ist, hat seine göttliche Macht uns geschenkt; sie hat uns den erkennen lassen, der uns durch seine Herrlichkeit und Kraft berufen hat!“ (2 Petr 1,3). Dieses Glaubensbekenntnis aus dem zweiten Petrusbrief inspiriert heute unser Treffen, liebe Brüder, die ihr anlässlich des Festes der hll. Petrus und Paulus vom Ökumenischen Patriarchen, Seiner Heiligkeit Bartholomaios I., gesandt seid. Eure Anwesenheit ist für mich und für die Römische Kirche ein Grund zur Freude, jener tiefen Freude, die von der brüderlichen Gemeinschaft kommt. Ich weiß, dass dieselbe Empfindung auch Seine Heiligkeit den Ökumenischen Patriarchen beseelt, wenn er die Delegation der Kirche von Rom jedes Jahr im Phanar empfangt zum Fest des hl. Andreas, des Bruders Petri, also jenes Apostels, der den Aufruf des Herrn als erster hörte. Diese zwei freudigen Anlässe im Jahr einen uns und machen das Bilden einer erweiterten Gebetsversammlung möglich, die vom Herrn und seinem Geist die Gabe der Einheit erfleht. 2. Alles, was für unser Leben und unsere Frömmigkeit gut ist, hat Gott uns geschenkt. Wir haben die göttlichen Gaben durch die Vermittlung der Apostel erhalten und sind eingeladen, sie den Menschen von Generation zu Generation weiterzugeben. Gemeinsam wollen wir Gott loben, und gemeinsam wollen wir sein Wort und seine tätige Kraft verkünden, welche die Welt erneuern, lebendig machen und nähren können. Zusammen wollen wir die Menschen mit demjenigen bekannt machen, der uns berufen hat, damit sie das empfangen, was für ihr Leben und ihre Frömmigkeit gut ist. Auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft war für diesen Frühling eine Vollversammlung der Internationalen Gemischten Kommission für den Theologischen Dialog geplant. Die traurige Lage auf dem Balkan, die uns so schmerzlich berührt, hat uns gezwungen, im gegenseitigen Einvernehmen dieses Treffen auf den Juni des nächsten Jahres zu verschieben. Das sollte sich allerdings weder negativ auf die Fortsetzung der Forschung auswirken noch unser Engagement schwächen oder die brüderlichen Beziehungen bei ihrer Entwicklung und Vertiefung aufhalten. Das schwere Erbe der Vergangenheit und die Spannungen, die sich von Zeit zu Zeit zwischen den Völkern ergeben, behindern manchmal das Wirken der Kirchen, denn diese leben in einem geschichtlichen und kulturellen Umfeld, dem sie Rechnung tragen müssen. Und doch ist es Gott selbst, der uns zur Einheit aufruft Christus hat den Vater inständig gebeten, die Einheit der Seinen möge ein Zeichen sein, das die Welt zum Glauben einlädt, und gleichzeitig die Voraussetzung für eine wahre Erneuerung und das Unterpfand des Friedens. 760 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Suche nach der Einheit und der vollen Gemeinschaft muss vom Gebet aller unterstützt werden. Der Herr erleuchte die Hirten und Theologen, damit sie zusammen die Wege der Heiligung und Einheit finden und damit sie diese allen Menschen mit jener Kraft und Überzeugung vorzustellen vermögen, die sich aus dieser Gewissheit ergibt: „An Christus glauben heißt, die Einheit wollen; die Einheit wollen heißt, die Kirche wollen; die Kirche wollen heißt, die Gnadengemeinschaft wollen, die dem Plan des Vaters von Ewigkeit her entspricht“ (Ut unum sint, Nr. 9). 3. Das dritte Jahrtausend ist nahe. Gott hat uns alles geschenkt, was für unser Leben und unsere Frömmigkeit gut ist, und das Heilige Jahr gibt uns die Gelegenheit, eine gemeinsame und umfassende Verherrlichung zum Herrn hinaufsteigen zu lassen und zusammen um seine Unterstützung zu bitten, damit wir fähig sind, seine Herrlichkeit und Wirkkraft mit einer einzigen Stimme zu verkünden. Das ist der Herzenswunsch der katholischen Kirche und des Bischofs von Rom, damit sich ein großes, einmütiges Dankgebet zum Herrn erhebt, gepaart mit der festen Absicht, gemeinsam den Willen Gottes zu tun. Auf Anregung Seiner Heiligkeit Bartholo-maios I. habe ich darum gebeten, dass im Kalender der römischen Feierlichkeiten für das Jahr 2000 auch ein Gebets- und Fasttag festgelegt wird, und zwar am Vortag des Festes der Verklärung unseres Herrn Jesus Christus. Auf diese Weise wollte ich nicht nur unsere Absicht, uns den Initiativen unserer Brüder im Glauben anzuschließen, zum Ausdruck bringen, sondern auch unseren Wunsch, sie an den unsrigen beteiligt zu sehen. Wir müssen also zusammen dem Herrn danken in einem Geist der Brüderlichkeit und des ökumenischen Engagements. An alle, die sich einstimmen, im Glauben das Große Jubiläum zu feiern Brief über die Pilgerfahrt zu den Stätten, die mit der Heilsgeschichte verbunden sind vom 29. Juni 1. Nach Jahren der Vorbereitung stehen wir nun an der Schwelle des Großen Jubiläums. Viel ist in diesen Jahren in der ganzen Kirche unternommen worden, um dieses Gnadenereignis vorzubereiten. Wie kurz vor einer Reise, so ist jetzt der Augenblick für die letzten Vorbereitungen gekommen. Das Große Jubiläum besteht ja nicht in einer Reihe von Aufgaben, die zu erledigen sind. Vielmehr soll es zu einer großen Erfahrung und zu einem inneren Erlebnis werden. Die äußeren Initiativen sind insofern sinnvoll, als sie den tieferen Einsatz ausdrücken, der das Herz der Menschen anrührt. Gerade auf diese innere Dimension wollte ich alle hinweisen. Dazu sollte sowohl das Apostolische Schreiben Tertio millennio adve-niente als auch die Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums Incamationis mys-terium dienen. Beide Dokumente sind sehr wohlwollend und auf breiter Basis aufgenommen worden. Die Bischöfe haben daraus wichtige Hinweise entnommen; 761 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN über die Themen, die für die einzelnen Vorbereitungsjahre vorgeschlagen wurden, hat man ausführlich nachgedacht Für all das möchte ich dem Herrn Dank sagen und den Bischöfen und dem ganzen Volk Gottes meine aufrichtige Anerkennung aussprechen. Da mm das Jubiläum unmittelbar bevorsteht, ist es mir ein Anliegen, Gedanken vorzulegen, die mit meinem Wunsch Zusammenhängen, persönlich - wenn Gott es will - eine besondere Jubiläumswallfahrt zu unternehmen. Dabei möchte ich an einigen Stätten innehalten, die mit der Fleischwerdung des Wortes Gottes in einzigartiger Weise verbunden sind - dem Ereignis also, auf das sich das Heilige Jahr 2000 direkt bezieht! Meine Betrachtung führt daher an die „Stätten“ Gottes, in jene Räume, die er sich auserwählt hat, um unter uns „zu wohnen“ (Joh 1,14; vgl. Ex 40,34-35; 1 Kön 8,10-13) und auf diese Weise dem Menschen eine direkte Begegnung mit ihm zu ermöglichen. So ergänze ich gewissermaßen die Überlegungen von Tertio millennio advenienie, wo vor dem Hintergrund der Heilsgeschichte die Sichtweise von der grundlegenden Bedeutung der „Zeit“ beherrschend war. Tatsächlich ist aber bei der konkreten Verwirklichung des Geheimnisses der Menschwerdung die Dimension des „Raumes“ nicht weniger wichtig als die der Zeit. 2. Auf den ersten Blick könnte das Reden von bestimmten „Räumen“ in Bezug auf Gott eine gewisse Unsicherheit auslösen. Steht etwa der Raum nicht ebenso wie die Zeit ganz unter Gottes Herrschaft? Denn alles ist aus seinen Händen hervorgegangen, und es gibt keinen Ort, an dem man Gott nicht begegnen könnte: „Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner. Denn er hat ihn auf Meere gegründet, ihn über Strömen befestigt“ (Ps 24,1-2). Gott ist in jedem Winkel der Erde gleichermaßen anwesend, so dass man die ganze Welt als „Tempel“ seiner Gegenwart betrachten kann. Das schließt jedoch Folgendes nicht aus: Wie der Rhythmus der Zeit von den kai-rol als einzigartigen Zeitpunkten der Gnade bestimmt sein kann, so ist es möglich, dass in ähnlicher Weise auch der Raum von besonderen Heilstaten Gottes gekennzeichnet ist. Diese intuitive Erkenntnis findet sich übrigens in allen Religionen, in denen es nicht nur heilige Zeiten, sondern auch heilige Räume gibt, wo die Begegnung mit dem Göttlichen intensiver erlebt werden kann, als das gewöhnlich in der Unermesslichkeit des Universums geschehen mag. 3. Im Vergleich zu dieser allgemeinen religiösen Tendenz bietet die Bibel ihre besondere Botschaft an, wenn sie das Thema vom „heiligen Raum“ in den Horizont der Heilsgeschichte stellt. Sie warnt einerseits vor den Gefahren, die der Definition dieses Raumes innewohnen, wenn damit die Natur vergöttlicht wird; man denke in diesem Zusammenhang an die heftige Polemik, mit der die Propheten im Namen der Treue zu Jahwe gegen den Götzendienst ankämpften. Andererseits schließt die Bibel eine kultische Nutzung des Raumes nicht aus, sofern diese die Besonderheit des Wirkens Gottes in der Geschichte Israels vollkommen zum Ausdruck bringt. So wird der heilige Raum allmählich auf den Tempel von Jerusalem „konzent- 762 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN riert“, wo der Gott Israels verehrt werden und sich eine Art Begegnung mit ihm ereignen soll. Auf den Tempel sind die Augen des Israelpilgers gerichtet und groß ist seine Freude, wenn er den Ort erreicht, wo Gott wohnt: „Ich freute mich, als man mir sagte: ,Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern.1 Schon stehen wir in deinen Toren, Jerusalem!“ (Ps 122,1-2). Im Neuen Testament findet diese „Konzentration“ des heiligen Raumes ihren Höhepunkt in Christus, der nun der personifizierte neue „Tempel“ ist (vgl. Joh 2,21), in dem „die ganze Fülle Gottes“ wohnt {Kol 2,9). Mit seinem Kommen ist die Gottesverehrung dazu bestimmt, die materiellen Tempel radikal zu überwinden, um zur Anbetung im Geist und in der Wahrheit“ {Joh 4,24) zu werden. In Christus sieht dann das Neue Testament auch die Kirche als „Tempel“ an (vgl. 1 Kor 3,17); dasselbe gilt sogar von jedem Jünger Christ, da der Heilige Geist in ihm wohnt (vgl. 1 Kor 6,19; Rom 8,11). Dies alles schließt offensichtlich nicht aus, dass die Christen Kultstätten haben können, wie die Kirchengeschichte es ja zeigt. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass sie funktionalen Charakter hatten. Denn sie dienten dem gottesdienstlichen und gemeinschaftlichen Leben der Gemeinde. Man war sich bewusst, dass sich Gottes Gegenwart ihrem Wesen entsprechend nicht auf eine Stätte hin begrenzen lässt, da sie alle Orte durchdringt und in Christus die Fülle ihres Ausdrucks und ihrer Ausstrahlung findet. Das Geheimnis der Menschwerdung Gottes umschreibt also die universale Erfahrung des „heiligen Raumes“ neu. Denn einerseits schränkt es diese Erfahrung ein, andererseits hebt es mit neuen Begriffen ihre Bedeutung hervor. Der Bezug zum Raum ist nämlich in der „Fleischwerdung“ des Wortes (vgl. Joh 1,14) selbst enthalten. Gott hat in Jesus Christus die der menschlichen Natur eigenen Wesensmerkmale angenommen, die notwendige Zugehörigkeit des Menschen zu einem bestimmten Volk und einem bestimmten Land eingeschlossen. „Hic de Virgine Maria Iesus Christus natus est“ Diese Inschrift, die in Betlehem an der Stelle angebracht ist, wo der Überlieferung nach Jesus geboren wurde, hat ihre ganz besondere Ausdruckskraft: „Hier wurde von der Jungfrau Maria Jesus Christus geboren.“ Die physische Konkretheit des Landes und seine geographischen Koordinaten werden eins mit der Wahrheit des menschlichen Fleisches, das vom Wort angenommen wurde. 4. Deshalb empfinde ich im Blick auf zweitausend Jahre Menschwerdung Gottes den tiefen Wunsch, persönlich zu den wichtigsten Orten zu pilgern, wo nach dem Zeugnis des Alten und des Neuen Testamentes die Taten Gottes geschehen sind, um schließlich im Geheimnis von Christi Menschwerdung, von seinem Leiden und Sterben und von seiner Auferstehung zu gipfeln. Diese Orte haben sich bereits unauslöschlich in mein Gedächtnis eingeprägt, seitdem ich im Jahr 1965 Gelegenheit hatte, das Heilige Land zu besuchen. Es war ein unvergessliches Erlebnis. Noch heute lese ich immer wieder gern die Seiten, die ich, innerlich tief angerührt, damals niederschrieb. „Ich bin hier angekommen, an diesen Orten, die Du ein für allemal mit Dir, mit Deinem Sein erfüllt hast... Oh, du Ort! Wie oft, wie oft hast du dich gewandelt, ehe du von Seinem Ort zu meinem geworden bist! Als Er dich 763 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zum ersten Mal erfüllte, warst du noch kein äußerlicher Ort, du warst nur der Schoß Seiner Mutter. Zu wissen, daß die Steine, über die ich in Nazaret gehe, dieselben sind, die ihr Fuß berührte, als sie noch Dein Ort war, einzigartig auf der Welt. Dir zu begegnen durch einen Stein, der vom Fuß Deiner Mutter berührt worden ist! Oh Du Ort, Heiliges Land - welchen Raum nimmst du in mir ein! So darf ich dich nicht mit Füßen treten, ich muß niederknien. Auf diese Weise soll ich heute bezeugen, daß du ein Ort der Begegnung gewesen bist. Ich falle auf die Knie - und bringe so mein Siegel an. Du wirst hier mit meinem Siegel bleiben - du wirst bleiben -, und ich werde dich mitnehmen. Ich werde dich in mir in den Ort eines neuen Zeugnisses verwandeln. Ich gehe weg als ein Zeuge, der durch die Jahrtausende hindurch Zeugnis ablegen soll“ (Karol Wojtyla, Poezje. Poems, Wydawnictwo Literacki, Krakow 1998, S. 169). Als ich diese Worte vor mehr als dreißig Jahren niederschrieb, hätte ich mir nicht gedacht, dass ich das Zeugnis, zu dem ich mich damals verpflichtete, heute als Nachfolger Petri, bestellt zum Dienst an der ganzen Kirche, abgeben würde. Es ist ein Zeugnis, das mich in eine lange Kette von Menschen einreiht, die sich seit zweitausend Jahren in jenem Land, das mit Recht „heilig“ genannt wird, auf die Suche nach den „Fußspuren“ Gottes begeben haben. Diesen Fußspuren sind sie gleichsam nachgegangen auf den Steinen, in den Bergen und an den Gewässern, wo sich das Erdenleben des Gottessohnes abspielte. Aus der Antike ist das Reisetagebuch der Pilgerin Egeria bekannt. Wie viele Pilger, wie viele Heilige sind ihrem Weg im Laufe der Jahrhunderte gefolgt. Zwar haben die historischen Umstände den eigentlich friedlichen Charakter der Wallfahrt ins Heilige Land erschüttert, so dass sie ein Aussehen annahm, das sich entgegen der Absicht nicht mit dem Bild des Gekreuzigten vereinbaren ließ. Doch die Herzen derer, die sich ihres Christseins am bewusstesten waren, strebten nur danach, in jenem Land dem lebendigen Andenken Christi zu begegnen. Und die Vorsehung wollte es, dass es neben den Brüdern der Ostkirchen für die Kirche des Abendlandes vor allem die Söhne des hl. Franz von Assisi - des Heiligen der Armut, der Sanftmut und des Friedens - waren, die den berechtigten christlichen Wunsch nach Schutz der Stätten, in denen unsere geistlichen Wurzeln liegen, in einer Weise umsetzen sollten, die dem Evangelium ursprünglich entsprach. 5. In diesem Geist möchte ich, so Gott will, anlässlich des Großen Jubiläumsjahres 2000 noch einmal die Spuren der Heilsgeschichte in dem Land nachgehen, in dem sie ihren Lauf genommen hat. Ausgangspunkt werden einige typische Stätten des Alten Testamentes sein. Damit möchte ich deutlich machen, dass sich die Kirche ihrer unauflöslichen Bande zum alten Bundesvolk bewusst ist Abraham ist auch für uns schlechthin der „Vater im Glauben“ (vgl. Röm 4; Gal 3,6-9; Hebr 11,8-19). Im Johannesevangelium lesen wir, was Christus einmal auf ihn hin sagte: „Euer Vater Abraham jubelte, weil er meinen Tag sehen sollte. Er sah ihn und freute sich“ (8,56). So ist denn der erste Abschnitt der Reise, die ich unternehmen möchte, eng mit Abraham verbunden. Ich würde mich nämlich, wenn es Gottes Wille ist, gern nach 764 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ur in Chaldäa, dem heutigen Tal al Muqayyar im südlichen Irak, begeben - in die Stadt also, wo nach biblischem Bericht Abraham das Wort des Herrn vernahm. Dieses Wort entriss ihn seinem Land, seinem Volk und in gewissem Sinn sich selbst, um ihn zum Werkzeug eines Heilsplans zu machen, der das künftige Bundesvolk und alle Völker der Welt umfasste: „Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein ... Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen“ (Gen 12,1-3). Mit diesen Worten beginnt der große Weg des Gottesvolkes. Auf Abraham blicken nicht nur alle, die sich stolz in seine leibliche Nachkommenschaft einreihen können, sondern auch alle - und ihre Zahl geht ins Unendliche die sich ihrer „geistlichen“ Herkunft von ihm bewusst sind, weil sie seinen Glauben teilen und sich wie er vorbehaltlos dem Heilswirken des Allmächtigen überlassen. 6. Die wechselvolle Geschichte des Volkes Abrahams hat sich durch die Jahrhunderte hindurch entfaltet und viele Orte des Vorderen Orients berührt. Ein zentrales Ereignis war der Exodus, als das Volk Israel nach erlittener harter Knechtschaft unter der Führung des Mose zum Land seiner Freiheit aufbrach. Drei Ereignisse sind es, die den Rhythmus jenes Zuges bestimmen: alle verbunden mit Orten in den Bergen, die vom Geheimnis umwoben sind. In der Vorbereitungszeit taucht zunächst der Berg Horeb auf, den die Bibel sonst auch Sinai nennt. Dort empfing Mose die Offenbarung des Namens Gottes als Zeichen seines Geheimnisses und seiner wirksamen heilbringenden Gegenwart: „Ich bin der ,Ich-bin da“‘ (Ex 3,14). Wie an Abraham, so erging auch an Mose der Anruf, dem Plan Gottes zu vertrauen und sich an die Spitze seines Volkes zu stellen. Auf diese Weise begann das dramatische Geschehen der Befreiung, das Israel als grundlegende Erfahrung für seinen Glauben in Erinnerung bleiben sollte. Auf dem Zug durch die Wüste gab wiederum der Sinai den Schauplatz ab, an dem der Bund zwischen Jahwe und seinem Volk geschlossen wurde. Dieser Berg bleibt somit eng mit dem Geschenk des Dekalogs verbunden, der zehn „Worte“ also, die Israel zu einem Leben in voller Annahme des Willens Gottes verpflichteten. In Wirklichkeit haben diese „Worte“ die Tragpfeiler des allgemeinen Moralgesetzes Umrissen, das jedem Menschen ins Herz geschrieben ist; Israel jedoch hat sie im Rahmen eines gegenseitigen Treuebündnisses empfangen. Darin hat das Volk versprochen, Gott zu lieben und der von ihm beim Auszug aus Ägypten vollbrachten Wundertaten zu gedenken. Gott seinerseits versicherte das Volk seines ewigen Wohlwollens: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus“ (Ex 20,2). Gott und sein Volk verpflichteten sich gegenseitig. Wenn in der Vision vom brennenden Dombusch der Berg Horeb als Ort des „Namens“ und des „Planes“ Gottes vor allem der „Berg des Glaubens“ war, so wurde er jetzt für das Volk, das durch die Wüste zog, zum Ort der Begegnung und des Bundes, gleichsam zum „Berg der Liebe“. Wie oft im Laufe der Jahrhunderte sollten die Propheten in der Treulosigkeit des Bundesvolkes, die sie anklagten, eine 765 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Art „eheliche“ Untreue sehen: Das Volk als Braut hatte seinen Bräutigam, Gott, regelrecht verraten (vgl. Jer 2,2; Ez 16,1 —43). Am Ende des Auszugs aus Ägypten kommt noch einmal eine Anhöhe in den Blick, der Berg Nebo, von dem aus Mose auf das verheißene Land schauen durfte (vgl. Dtn 32,49). Zwar war Mose die Freude nicht vergönnt, seinen Boden berühren zu können, doch hatte er die Gewissheit, es nunmehr erreicht zu haben. Sein Blick vom Nebo ist das Symbol der Hoffnung. Von jenem Berg aus konnte er feststellen, dass Gott seine Versprechungen gehalten hatte. Was indes die endgültige Erfüllung des verheißenen Planes anbelangt, musste er sich noch einmal voll Vertrauen der göttlichen Allmacht überlassen. Es wird mir wahrscheinlich nicht möglich sein, auf meiner Pilgerfahrt alle diese Orte aufzusuchen. Aber ich möchte, wenn es dem Herrn gefällt, wenigstens Station machen in Ur, wo Abraham herkommt, und auch das berühmte Katharinen-Kloster besuchen; es liegt am Sinai - dem Bundesberg, der gleichsam das ganze Geheimnis des Exodus umgreift und damit ein bleibendes Paradigma für den neuen Exodus ist, der auf Golgota erfüllt und vollendet wird. 7. Wenn diese und ähnliche Wegstrecken des Alten Testamentes für uns so reich an Bedeutung sind, dann liegt es auf der Hand, dass uns das Jubiläumsjahr als feierliches Gedenken der Fleischwerdung des Wortes einlädt, vor allem an den Orten innezuhalten, wo sich das Leben Jesu abspielte. Es ist mein inständiger Wunsch, mich zunächst nach Nazaret zu begeben, in die Stadt, die mit dem eigentlichen Ereignis der Menschwerdung Gottes verbunden ist; hier ist Jesus auch aufgewachsen, seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen (vgl. Lk 2,52). Hier vernahm Maria den Gruß des Engels: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir!“ (Lk 1,28). Hier sprach sie ihr fiat zu der Botschaft, die sie dazu berief, Mutter des Erlösers zu werden und, vom Heiligen Geist überschattet, in ihrem Schoß den Sohn Gottes zu empfangen. Muss da nicht der Weg weiter nach Betlehem führen, wo Christus zur Welt kam und ihn die Hirten und die Magier stellvertretend für die ganze Menschheit anbeteten! In Betlehem ist auch zum ersten Mal jener Wunsch nach Frieden aufgeklungen, den die Engel verkündet hatten und der von Generation zu Generation bis herauf in unsere Tage widerhallen sollte. Von besonderer Bedeutung wird der Aufenthalt in Jerusalem sein, dem Ort des Kreuzestodes und der Auferstehung Jesu Christi. Sicher gibt es noch zahlreiche andere Orte, die an das Erdenleben des Erlösers erinnern. Viele von ihnen würden einen Besuch verdienen. Könnte man zum Beispiel den Berg der Seligpreisungen oder den Berg der Verklärung oder das Gebiet von Cäsarea Philippi vergessen? In dieser Gegend hat Jesus dem Petrus die Schlüssel des Himmelreiches anvertraut und ihn zum Grundstein seiner Kirche eingesetzt (vgl. Mt 16,13-19). Man kann sagen: Im Heiligen Land, von Norden nach Süden, erinnert alles an Christus. Aber ich werde mich auf die Orte beschränken müssen, die am symbolträchtigsten sind, und Jerusalem fasst sie in gewisser Weise alle zusammen. Hier will ich mich, wenn es Gott gefällt, ins Gebet versenken und dabei 766 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die ganze Kirche im Herzen tragen. Hier werde ich mich betrachtend in die Stätten vertiefen, wo Christus sein Leben gab, um es dann in der Auferstehung wieder zu ergreifen und uns mit seinem Geist zu beschenken. Hier will ich noch einmal die herrliche, tröstliche Gewissheit ausrufen, dass „Gott die Welt so sehr geliebt [hat], dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). 8. Unter den Jerusalemer Stätten, die am innigsten mit dem Erdenleben Christi verbunden sind, nimmt der Besuch im Abendmahlssaal einen unverzichtbaren Platz ein. Dort hat Jesus die Eucharistie eingesetzt, Quelle und Höhepunkt des Lebens der Kirche. Hier waren der Überlieferung nach die Apostel mit Maria, der Mutter Christi, im Gebet versammelt, als es am Pfmgsttag zur Ausgießung des Heiligen Geistes kam. Damals begann die letzte Etappe des Weges der Heilsgeschichte, die Zeit der Kirche. Sie ist der Leib und die Braut Christi, das Volk auf der Pilgerschaft durch die Zeit und dazu berufen, Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit zu sein (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). So soll der Besuch im Abendmahlssaal eine Rückkehr zu den Ursprüngen der Kirche selbst sein. Der Nachfolger des Petrus, der in Rom an dem Ort lebt, wo der Apostelfiirst den Märtyrertod erlitten hat, muss immer wieder dorthin zurückkehren, wo Petrus am Pfmgsttag unter der berauschenden Kraft des Geistes begonnen hat, mit fester Stimme die „gute Nachricht“ zu verkünden, dass Jesus Christus der Herr ist (vgl. Apg 2,36). 9. Es ist schlüssig, dass der Besuch der heiligen Stätten, an denen der Erlöser auf Erden gelebt hat, den Zugang zu den Stätten erschließt, die für die entstehende Kirche bedeutsam waren und den missionarischen Aufschwung der ersten christlichen Gemeinde erlebt haben. Wenn wir dem Bericht des Lukas in der Apostelgeschichte folgen, wären es sehr viele. Aber besonders gern würde ich betrachtend auch in zwei Städten verweilen, die in besonderer Weise mit der Geschichte des Völkerapostels Paulus verbunden sind. Ich denke zunächst an Damaskus - den Ort, der an seine Bekehrung erinnert. Der künftige Apostel reiste ja als Verfolger der Christen in jene Stadt, als Christus selbst seinen Weg durchkreuzte: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ (Apg 9,4). Von dort hat der Eifer des Paulus, den nunmehr Christus für sich gewonnen hatte, unaufhaltsam immer weitere Kreise gezogen und den Großteil der damals bekannten Welt erreicht. Vielen Städten hat Paulus das Evangelium gebracht. Es wäre schön, insbesondere Athen zu besuchen, wo er im Areopag eine glänzende Rede gehalten hat (vgl. Apg 17,22-31). Wenn man an die Rolle denkt, die Griechenland bei der Gestaltung der antiken Kultur spielte, begreift man, dass jene Rede des Paulus gewissermaßen als das Symbol für die Begegnung des Evangeliums mit der Kultur des Menschen gelten kann. 10. Obwohl ich mich ganz dem göttlichen Willen überlasse, würde ich mich freuen, wenn sich dieser Plan wenigstens in seinen wesentlichen Punkten verwirklichen lässt. Sowohl ihrem Wesen nach als auch im Hinblick auf ihre Zielsetzun- 767 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen handelt es sich um eine ausschließlich religiöse Pilgerfahrt. Es würde mir leid hm, wenn jemand dieses Vorhaben anders deuten sollte. Schon jetzt vollziehe ich diese Reise im geistlichen Sinne, denn sich auch nur in Gedanken an diese Stätten zu begeben heißt, das Evangelium gleichsam noch einmal zu lesen und die Wege noch einmal nachzugehen, die die Offenbarung selbst genommen hat. Wenn wir uns im Geist des Gebets in dem Raum, der vom Wirken Gottes besonders geprägt ist, von einem Ort zum anderen und von einer Stadt zur anderen bewegen, hilft uns das nicht nur, um unser Leben als Weg zu erfahren. Es vermittelt uns auch plastisch die Vorstellung von einem Gott, der uns vorausgegangen ist und vor uns hergeht. Er hat sich selbst auf den Straßen der Menschen auf den Weg gemacht. Er ist ein Gott, der uns nicht von oben betrachtet, sondern unser Weggefährte geworden ist. Die Wallfahrt zu den heiligen Stätten wird so zu einer außerordentlich bedeutsamen Erfahrung, die in gewisser Weise auch von jeder an, deren Jubiläumswallfahrt geweckt wird. Denn die Kirche kann ihre Wurzeln nicht vergessen. Mehr noch: An diese Wurzeln muss sie ständig zurückkehren, um sich in vollkommener Treue an Gottes Plan zu halten. Deswegen habe ich in der Bulle Incarnationis mysterium geschrieben, „dass das Jubiläum, das gleichzeitig im Heiligen Land, in Rom und in allen über die Welt verstreuten Teilkirchen begangen wird, gleichsam zwei Zentren haben wird: einerseits die Stadt, in der nach dem Willen der Vorsehung der Stuhl des Nachfolgers Petri steht, und andererseits das Heilige Land, in dem der Sohn Gottes durch die Annahme unserer fleischlichen Gestalt von einer Jungfrau namens Maria als Mensch geboren wurde“ (Nr. 2). Während diese Liebe zum Heiligen Land Ausdruck für das Gedenken ist, zu dem sich die Christen verpflichtet fühlen, will sie zugleich die tiefe und bleibende Beziehung ehren, die die Christen mit dem jüdischen Volk verbindet, dem Christus dem Fleisch nach entstammt (vgl. Rom. 9,5). Einen weiten Weg hat man in diesen Jahrzehnten, besonders nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, zurückgelegt, um einen fruchtbaren Dialog mit dem Volk aufzubauen, das Gott als erstes dazu erwählt hat, seine Verheißungen und den Bund zu empfangen. Das Jubiläumsjahr soll eine weitere Gelegenheit dazu sein, dass das Bewusstsein der uns einigenden Bande wächst. Es soll einen Beitrag leisten zur endgültigen Behebung von Miss-und Unverständnis, das leider im Laufe der Jahrhunderte das Verhältnis zwischen Christen und Juden sehr oft bitter getrübt hat. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass das Heilige Land auch den Anhängern des Islam lieb und teuer ist; auch sie zollen ihm besondere Verehrung. Ich habe die lebendige Hoffnung, dass mein Besuch an den heiligen Stätten auch eine Gelegenheit zur Begegnung mit ihnen bieten möge, damit bei aller Klarheit des Zeugnisses die Beweggründe wachsen, um einander kennen und schätzen zu lernen sowie um im Bemühen zusammenzuwirken, den Wert des religiösen Einsatzes und die Sehnsucht nach einer Gesellschaft zu bezeugen, die dem Plan Gottes besser entspricht und jeden Menschen sowie die Schöpfung achtet. 768 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 11. Auf diesem Weg in den Räumen, die Gott erwählt hat, um sein Zelt unter uns aufzuschlagen, hege ich den großen Wunsch, mich als Pilger und Bruder nicht nur bei den katholischen Gemeinschaften, denen ich mit besonderer Freude begegnen werde, willkommen fühlen zu dürfen, sondern auch bei den anderen Kirchen, die ununterbrochen an den heiligen Städten gelebt und diese in Treue und Liebe zum Herrn gehütet haben. Diese Pilgerfahrt, die ich anlässlich des Jubiläums ins Heilige Land unternehmen möchte, wird mehr als jede andere von der Sehnsucht geprägt sein, die Jesus in seinem Gebet an den Vater ausgedrückt hat: Alle Jünger sollen eins sein (vgl. Joh 17,21). Diese Bitte erhält eine noch größere Dringlichkeit in der außergewöhnlichen Stunde, die das neue Jahrtausend eröffnet. Deshalb wünsche ich mir, dass alle Glaubensbrüder und -schwestem sich dem Heiligen Geist öffnen und in meinen Schritten, die ich als Pilger in das Land setze, das Christus durchwandert hat, einen Lobpreis auf die Erlösung sehen, die wir alle empfangen haben. Ich wäre glücklich, wenn wir uns an den Stätten unseres gemeinsamen Ursprungs versammeln könnten, um Christus zu bezeugen, der unsere Einheit ist (vgl. Ut unurn sint, Nr. 23), und um unseren gegenseitigen Einsatz zu unterstreichen, die volle Gemeinschaft wiederherzustellen. 12. So bleibt mir nur, die ganze christliche Gemeinschaft herzlich einzuladen, sich in Gedanken auf den Weg zur Jubiläumswallfahrt zu begeben. Man kann sie in den vielfältigen Formen unternehmen, auf die ich in der Verkündigungsbulle hingewiesen habe. Natürlich werden sie nicht wenige in der Weise erleben, dass sie sich auch konkret zu jenen Orten aufmachen, die eine besondere Bedeutung in der Heilsgeschichte bekommen haben. Wir alle sollen uns jedenfalls auf jene innere Reise einlassen, die darauf abzielt, uns von dem zu lösen, was in uns und um uns gegen das Gesetz Gottes verstößt. Wir sollen zu einer vollkommenen Christusbegegnung befähigt werden, indem wir unseren Glauben an ihn bekennen und uns von der Fülle seiner Barmherzigkeit beschenken lassen. Im Evangelium zeigt sich uns Jesus stets als einer, der unterwegs ist. Es scheint, dass es ihn drängt, von einem Ort zum anderen zu wandern, um anzukündigen: Das Reich Gottes ist nahe. Er verkündigt und beruft. Dem Ruf in die Nachfolge haben die Apostel bereitwillig geantwortet (vgl. Mk 1,16-20). Wir fühlen uns alle angesprochen von seiner Stimme, von seiner Einladung, von seinem Aufruf zu einem neuen Leben. Das sage ich vor allem den jungen Menschen, vor denen sich das Leben auftut wie ein Weg voller Überraschungen und Verheißungen. Ich sage es allen: Folgen wir den Spuren Christi! Die Reise, die ich im Jubiläumsjahr unternehmen möchte, möge für den Weg der ganzen Kirche stehen. Sie sehnt sich danach, immer bereiter für die Stimme des Geistes zu sein, um Christus, dem Bräutigam, entschlossen entgegenzugehen: „Der Geist und die Braut aber sagen: Komm!“ (Offb 22,17). Aus dem Vatikan, am 29. Juni, dem Fest der hll. Petrus und Paulus, des Jahres 1999, im 21. Jahr meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. II 769 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ökumenisches Engagement verstärken - Fehler der Vergangenheit vergessen Predigt am Hochfest der hll. Apostel Petrus und Paulus am 29. Juni 1. „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Petrus macht sich zum Sprecher der Apostelgruppe und verkündet seinen Glauben an Jesus von Nazaret, den erwarteten Messias und Erlöser der Welt. Als Antwort auf sein Glaubensbekenntnis vertraut ihm Christus den Auftrag an, das sichtbare Fundament zu sein, auf dem die gesamte Gemeinschaft der Gläubigen ruhen wird: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16,18). Dieser Glaube hat sich im Laufe der Jahrhunderte auf der ganzen Erde verbreitet durch das Amt und das Zeugnis der Apostel und ihrer Nachfolger, und diesen Glauben verkünden wir heute, wenn wir der Apostelfürsten Petrus und Paulus feierlich gedenken. Nach alter und ehrwürdiger Tradition feiert die christliche Gemeinschaft Roms, die die Ehre hat, die Gräber dieser beiden Apostel, dieser „Säulen“ der Kirche, zu hüten, sie beide in einem einzigen liturgischen Fest und verehrt sie zugleich als ihre himmlischen Schutzpatrone. 2. Petrus, der Fischer aus Galiläa, wurde zusammen mit seinem Bruder Andreas von Jesus zu Beginn seines öffentlichen Wirkens berufen, um „Menschenfischer“ zu werden (vgl. Mt 4,18-20). Er war Zeuge der wichtigsten Augenblicke des öffentlichen Auftretens Jesu, wie die Verklärung (vgl. Mt 17,1) und das Gebet in Getsemani kurz vor der Passion (vgl. Mt 26,36-37). Nach dem Ostergeschehen übertrug Christus ihm die Aufgabe, die Schafe Gottes in seinem Namen zu weiden (vgl. Joh 21,15-17). Seit dem Pfingsttag regiert Petrus die Kirche: Er wacht über ihre Treue zum Evangelium und leitet ihre ersten Kontakte mit der Welt der Heiden. Sein Amt kommt ganz besonders in jenen entscheidenden Momenten zum Ausdruck, die das Wachstum der apostolischen Kirche prägen. Er ist es nämlich, der den ersten vom Heidentum Bekehrten in die Gemeinschaft der Gläubigen aufhimmt (vgl. Apg 10,1-48), und es ist ebenfalls der, der bei der Versammlung in Jerusalem über das Problem der Befreiung von den Pflichten, die sich aus dem jüdischen Gesetz ergeben, ein maßgebliches Wort spricht (vgl. Apg 15,7-11). Die geheimnisvollen Pläne der göttlichen Vorsehung werden den Apostel Petrus bis nach Rom führen, wo er sein Blut als äußerstes Zeugnis des Glaubens und der Liebe zum göttlichen Meister vergießen wird (vgl. Joh 21,18-19). So wird er den Auftrag erfüllen, Zeichen der Treue zu Christus und der Einheit des ganzen Gottesvolkes zu sein. 3. Paulus, der ehemalige Verfolger der gerade entstandenen Kirche, wird auf dem Weg nach Damaskus von der Gnade Gottes berührt und zum unermüdlichen Apostel der Völker. Während seiner Missionsreisen wird er nicht aufhören, den 770 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gekreuzigten Christus zu predigen und Scharen von Gläubigen in verschiedenen Städten Asiens und Europas für die Sache des Evangeliums zu gewinnen. Seine intensive Tätigkeit hinderte den „Völkerapostel“ nicht an einer breitangelegten Betrachtung über die Botschaft des Evangeliums: Er wog sie gegen die verschiedenen Situationen ab, mit denen er im Laufe seiner Predigttätigkeit in Kontakt kam. Das Buch der Apostelgeschichte beschreibt die lange Reise, die ihn von Jerusalem zuerst nach Syrien und Kleinasien, dann nach Griechenland und zuletzt nach Rom führt. Hier, im Herzen der damals bekannten Welt, krönt er sein Zeugnis für Christus mit dem Martyrium. Er selbst bestätigt in der zweiten Lesung, die wir vor kurzem gehört haben, dass die ihm vom Herrn übertragene Sendung darin besteht, die Botschaft des Evangeliums zu den Heiden zu tragen: „Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Heiden sie hören“ (2 Tim 4,17). 4. Nach inzwischen festem Brauch übergibt der Papst an diesem Tag, der dem Andenken der Apostel Petrus und Paulus gewidmet ist, den im Laufe des letzten Jahres ernannten Metropolitan-Erzbischöfen das Pallium als Zeichen ihrer Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri. Es ist daher für mich eine große Freude, euch, geliebte Brüder im Bischofsamt, die ihr aus verschiedenen Teilen der Welt zu diesem freudigen Anlass nach Rom gekommen seid, hier zu empfangen. Mit euch möchte ich die christlichen Gemeinschaften grüßen, die eurer pastoralen Fürsorge anvertraut sind: Unter eurer weisen Leitung sind sie dazu berufen, ein mutiges Zeugnis der Treue zu Christus und zu seinem Evangelium zu geben. Die Gaben und Charismen jeder Gemeinschaft sind ein Reichtum für alle, und sie fließen zusammen in einem einzigen Lobgesang an Gott, Quelle allen Heils. Unter diesen Gaben ist eine der wichtigsten sicherlich die der Einheit, die von der heutigen Übergabe des Palliums sehr gut symbolisiert wird. 5. Das Streben nach Einheit unter allen Christen wird darüber hinaus von der Anwesenheit der Delegierten des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel unterstrichen; sie sind gekommen, um die Freude der heutigen Liturgie zu teilen und um die Apostel und Schutzheiligen der Kirche in Rom zu verehren. An sie richte ich meinen ehrerbietigen Gruß, und durch sie grüße ich den Ökumenischen Patriarchen, Bartholomaios I. Die Apostel Petrus, Paulus und Andreas, die ein Werkzeug der Gemeinschaft unter den ersten Christengemeinden gewesen sind, mögen mit ihrem Beispiel und mit ihrer Fürsprache alle Jünger Christi auf ihrem Weg zur vollen Einheit unterstützen. Das bevorstehende Jubiläum des Jahres 2000 lädt uns ein, uns das Gebet für die Einheit zu eigen zu machen, das Jesus am Vorabend seiner Passion an den Vater richtete (vgl. Joh 17,20-23). Wir sind aufgerufen, unser Flehen mit konkreten Zeichen zu begleiten, die den Fortschritt der Christen zur vollen Gemeinschaft fordern. Aus diesem Grunde habe ich darum gebeten, dass im Kalender für das Jahr 771 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2000 ein Tag des Betens und Fastens eingeführt wird, und zwar am Tag vor dem Fest der Verklärung Jesu, so wie es Seine Heiligkeit Bartholomaios I. vorgeschlagen hat: Diese Initiative soll ein konkreter Ausdruck sowohl unseres Willens, uns den Initiativen der Brüder der Orthodoxen Kirchen anzuschließen, als auch des Wunsches, dass sie an unseren eigenen teilnehmen, sein. Der Flerr möge durch die Fürsprache der Apostel Petrus und Paulus dafür sorgen, dass sich das ökumenische Engagement in den Herzen der Gläubigen verstärkt, damit sie die in der Vergangenheit begangenen Fehler vergessen und zur vollen Einheit, wie Christus sie gewollt hat, gelangen. 6. „All meinen Ängsten hat mich der Herr entrissen“ (Kehrvers zum Antwortpsalm). Bei ihrer apostolischen Sendung haben die hll. Petrus und Paulus sich mit Schwierigkeiten aller Art auseinandersetzen müssen. Diese haben aber ihre missionarische Tätigkeit nicht geschwächt, sondern ihren Eifer sogar noch gestärkt zum Wohl der Kirche und zum Heil der Menschen. Sie konnten jede Prüfung bestehen, denn sie hatten ihr Vertrauen nicht auf menschliches Vermögen, sondern auf die Gnade Gottes gesetzt, der - wie die Lesungen der heutigen Feier bestätigen - seine Freunde aus allem Übel befreit und sie für sein Reich rettet (vgl. Apg 12,11; 2 Tim 4,18). Dieses Vertrauen zu Gott muss auch uns stützen. Ja, der „Herr befreit seine Freunde“. Dieses Bewusstsein muss uns angesichts der vielen Widrigkeiten, denen man bei der Verkündigung des Evangeliums im täglichen Leben begegnet, Mut machen. Die heiligen Schutzpatrone Petrus und Paulus mögen uns unterstützen und für uns jene missionarische Hingabe erwirken, die sie zu Zeugen Christi bis zu den Grenzen der damals bekannten Welt machte. Heilige Apostel Petrus und Paulus, „Säulen der Kirche Gottes, bittet für uns! Und du, Königin der Apostel, die die Stadt Rom mit dem schönen Titel „Salus populi romani“ verehrt, nimm das christliche Volk auf seinem Weg zum dritten Jahrtausend in deinen Schutz. Unterstütze jede aufrichtige Bemühung, die auf die Förderung der Einheit der Christen abzielt, und wache über den Weg der Jünger deines Sohnes Jesus. Amen! Aufgabe kirchlicher Erneuerung gemeinsam angehen Botschaft an Seine Heiligkeit Karekin I., Katholikos und Oberster Patriarch aller Armenier vom 29. Juni An Seine Heiligkeit Karekin I. Katholikos - Oberster Patriarch aller Armenier 1. Da mein offizieller Besuch nach Armenien und zur Armenischen Apostolischen Kirche auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden musste und die Umstände mir nicht erlaubt haben, am Ende meines Pastoralbesuchs in Polen mit Eurer Heiligkeit zusammenzutreffen, möchte ich Sie mit diesem Schreiben meiner geistigen 772 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nähe in dieser schwierigen, von gesundheitlichen Problemen gezeichneten Zeit versichern, in der Sie ein bewegendes Zeugnis für den leidenden Christus ablegen. Diese Botschaft übergebe ich dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Edward Idris Cassidy, mit dem Auftrag, Eurer Heiligkeit meine Gefühle tiefer Hochachtung und brüderlicher Zuneigung persönlich zu überbringen. Mit Dankbarkeit erinnere ich mich an die beiden Besuche, die Sie mir als Katholikos und Oberster Patriarch aller Armenier in Rom abgestattet haben, und von Herzen grüße ich alle Mitglieder der Heiligen Synode und die gesamte Armenische Apostolische Kirche, der ich meine allerbesten Wünsche entbiete. 2. Von Herzen habe ich mir gewünscht, Armenien zu besuchen, wo der christliche Glauben im Schatten des Ararat tiefe Wurzeln schlagen und gedeihen konnte. Der von den Aposteln Bartholomäus und Thaddäus gegründete und auch durch den Beitrag der Kirchen in Kappadozien, Edessa und Antiochien geforderte christliche Glaube formte die armenische Kultur, die ihrerseits wiederum dazu beigetragen hat, den christlichen Glauben auf neue und einzigartige Weise zu bereichern. In diesen Tagen feiert die armenische Liturgie das Andenken der hll. Übersetzer Sahak und Mashtots. Die Entwicklung eines nationalen Alphabets durch den Mönch Mashtots war ein bedeutender Schritt für das Entstehen einer neuen christlichen Kultur in Armenien. Vor einigen Monaten hatte ich die Ehre, gemeinsam mit Eurer Heiligkeit im Vatikan eine der armenischen Geschichte und Kultur gewidmete Ausstellung zu eröffnen. Welch herrliches, von christlicher Spiritualität durchtränktes Erbe! Diese der Lehre Christi folgenden Völker brauchen ihre Identität nicht aufzugeben. Im Gegenteil, die Taufe hilft ihnen, den ihrer Nation eigenen besonderen Charakter zu wahren. Voll Ungeduld warte ich darauf, dass die Umstände mir erlauben, aus erster Hand jene außerordentliche Kreativität zu erleben, die das armenische Volk im Laufe der Jahrhunderte charakterisiert und geformt hat. Im Schatten des Ararats lebend, waren die Armenier stets ein „Grenzvolk“. Diese geographische Situation hat sie tief geprägt. Aus dem missionarischen, spirituellen, liturgischen und kulturellen Erbe der gesamten christlichen „oikoumene“ schöpfend, entwickelte die armenische apostolische Kirche ihre eigene Identität, die sich durch den Geist großer Offenheit gegenüber den unterschiedlichen kirchlichen Traditionen der Nachbarvölker auszeichnete. Im Laufe der Jahrhunderte widmete sie sich einem direkten und fruchtbaren Austausch mit den syrischen, byzantinischen und lateinischen Traditionen. Dieser Geist der Offenheit erlaubte ihr auch, die benachbarten Kirchen in Zeiten der Prüfung und der Not zu unterstützen und zu fordern. Der gegenwärtige Beitrag der armenischen apostolischen Kirche für die ökumenische Bewegung gründet auf einer langen Tradition der Offenheit und des brüderlichen Austauschs. 3. Im Christentum waren Ost und West nie vollkommen von einander getrennt, stets hat es Zeitpunkte der Interaktion und Felder gegenseitiger Bereicherung zwi- 773 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen ihnen gegeben. Heiligkeit, ich schließe mich Ihrem Gebet an, dass das theologische und spirituelle Erbe unserer jeweiligen Traditionen auch weiterhin unserer gegenseitigen Bereicherung dienen und wir der Lehre des hl. Paulus entsprechend leben können: „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allem“ (1 Kor 12,4—6). Obwohl viele ökumenische Bestrebungen im Laufe der Jahrhunderte scheiterten, haben der Geist und die Prinzipien, die sie inspirierten, keineswegs ihren Wert verloren. Wie könnten wir hier die Bemühungen von Katholikos Nerses Schnorhali zur Förderung der Gemeinschaft zwischen der armenischen und der byzantinischen Kirche unerwähnt lassen? Seine Briefe an den byzantinischen Kaiser sind ein ökumenisches Zeugnis ersten Ranges, das auch heute noch fähig ist, uns auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft zwischen der katholischen und der armenischen apostolischen Kirche zu inspirieren. Die wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung der vollkommenen Gemeinschaft ist, wie Katholikos Nerses Schnorhali in einem seiner Briefe betonte, die Wahrheit des Glaubens an die Liebe. Möge es uns gelingen, unsere volle Gemeinschaft eben in der Wahrheit des Glaubens an die Liebe neu zu entdecken! Das, Eure Heiligkeit, ist mein Wunsch und der der gesamten katholischen Kirche. Der Besuch Kardinal Cassidys in meinem Namen zur Überbringung dieser Botschaft ist eine Bestätigung dieser Hoffnung. 4. Seit dem II. Vatikanischen Konzil haben die katholische und armenische apostolische Kirche neue und tiefere Bande der Gemeinschaft gefordert. Als Papst Paul VI. und Katholikos Vazken I. den Friedenskuss austauschten, besiegelten sie eine neue Phase der Beziehung zwischen unseren Kirchen. Das war am 9. Mai 1971. Wie viel erfolgreiche Begegnungen und Austauschinitiativen haben uns seit jenem denkwürdigen Tag einander nähergebracht! Vor allem möchte ich Eurer Heiligkeit für all das danken, was Sie getan haben und tun, um den Wunsch der Christen nach voller Einheit zu realisieren. Seit der Zeit, in der Sie als Beobachter am II. Vatikanischen Konzil teilnahmen, haben Sie unermüdlich für eine vollere Gemeinschaft unserer beiden Kirchen gearbeitet. Als Sie im Dezember 1996 Rom besuchten, Unterzeichneten wir eine gemeinsame Erklärung, in der wir voll Freude betonten, dass „die jüngsten Entwicklungen der ökumenischen Beziehungen und die im Geist christlicher Liebe und Gemeinsamkeit geführten theologischen Gespräche viele Mißverständnisse beseitigt haben, die ein Erbe der Kontroversen und Meinungsverschiedenheiten der Vergangenheit waren“. Mögen diese erfreulichen Entwicklungen uns bestärken, auch weiterhin nach den besten Wegen zur Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen zu suchen, damit wir fähig sind, gemeinsam die Liebe Gottes zu bezeugen. 5. Eine entscheidende Frage auf dem Weg zu voller Gemeinschaft betrifft das Amt des Bischofs von Rom. Seit meiner Wahl zum Nachfolger Petri habe ich versucht, 774 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieses Amt als wirksamen Dienst für die Gemeinschaft aller Kirchen auszuüben. Von der Sendung Petri inspiriert, habe ich mich stets bemüht - und werde mich auch weiterhin bemühen ein Diener der Einheit zu sein. Aber die Erfüllung dieses Dienstes an der Einheit betrifft uns alle. Daher schrieb ich in meiner Enzyklika Ut unurn sint: „Der Heilige Geist schenke uns sein Licht und erleuchte alle Bischöfe und Theologen unserer Kirchen, damit wir ganz offensichtlich miteinander die Formen finden können, in denen dieser Dienst einen von den einen und anderen anerkannten Dienst der Liebe zu verwirklichen vermag“ (Nr. 95). Mögen wir nun mit Hilfe des Heiligen Geistes fähig sein, uns gemeinsam mit größtem Takt und viel Geduld und Liebe für die Wiederherstellung der ungeteilten Kirche einzusetzen. Dort, wo heute kein Weg zu sein scheint, wird uns die Zukunft zweifellos neue Möglichkeiten zeigen. In dieser Hinsicht wäre es wünschenswert, wenn sich die armenische apostolische Kirche ebenso wie die katholische Kirche zur Entwicklung neuer Formen pastoraler Zusammenarbeit untereinander verpflichten würden. Diese Kooperation könnte uns helfen, neue Werke zur gegenseitigen Annäherung zu finden, und zur graduellen Überwindung noch bestehender Spannungen beitragen. 6. Heiligkeit, auch Sie stehen angesichts des tiefen gesellschaftlichen und politischen Wandels, der sich in den vergangenen zehn Jahren in Armenien vollzogen hat, vor der umfangreichen Aufgabe der kirchlichen Erneuerung. Die armenische apostolische Kirche ist nicht die einzige, die dieser Herausforderung gegenübersteht. Die Errichtung einer neuen, dem hl. Gregor des Erleuchters geweihten Kathedrale im Zentrum von Yerevan ist ein ausdrucksvolles Symbol der neuen Kraft eurer Kirche. Möge der Herr die zahlreichen Initiativen der armenischen apostolischen Kirche segnen und euch jene Solidarität aller Kirchen zugute kommen lassen, zu der der hl. Paulus aufruft: „Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ (Gal 6,2). 7. Bei verschiedenen Gelegenheiten haben Sie, Heiligkeit, die innere Kraft und Standhaftigkeit als besondere Eigenschaften des armenischen Volkes und der armenischen apostolischen Kirche hervorgehoben. Ein durchaus bedeutsames Zeichen sind die überall in Armenien auffindbaren „khatchkar“, jene massiven Steine, die das glorreiche Kreuz des Erlösers symbolisieren. Stets sind sie im Laufe eurer ganzen Geschichte gemeißelt und überall dort aufgestellt worden, wo Armenier ihren Erlöser preisen oder anrufen wollten. Diese „khatchkar“ sind ein besonderes Symbol der Prüfüngen und Demütigungen geworden, die das armenische Volk erdulden musste. Und wie viel hat es vor allem am Anfang dieses Jahrhunderts erdulden müssen! Täglich habt ihr das Kreuz Christi erfahren müssen. Aber wie die Jungfrau Maria am Fuß des Kreuzes ist auch das armenische Volk trotz aller Not treu geblieben. Das Kreuz Christi war euer Stolz und eure Kraft. Möge der Anbruch eines neuen Tages den ruhmreichen „khatchkar“-Symbolen in ganz Armenien neue Bedeutung 775 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geben und die versöhnende und erhabene Macht des Erlösers stets glanzvoller erscheinen lassen. Möge die Jungfrau Maria, Mutter Christi und Mutter der Kirche, alle Gläubigen in ihrem Vertrauen auf Gott und in ihrer Verpflichtung zum christlichen Zeugnis unterstützen. Heiligkeit, im Gebet stets eng mit Ihnen verbunden, lobe und preise ich denjenigen, der die Seinen stets zur Einheit aufruft; unseren einen Herrn und Erlöser Jesus Christus! Rom, den 29. Juni 1999, am Fest der hll. Apostel Petrus und Paulus Joannes Paulus PP. II Das neue Marienheiligtum — Erfüllung eines alten Gelübdes Predigt bei der Eucharistiefeier zur Einweihung des „Santuario del Divino Amore“ in Rom am 4. Juli 1. „Heute ist ein heiliger Tag zur Ehre des Herrn“ (Neh 8,10). Die Worte, die wir in der ersten Lesung gehört haben, passen gut zu dem Ereignis, das wir gerade in diesem „Santuario del Divino Amore“ [Heiligtum von der Göttlichen Liebe] erleben, an dem die Einwohner von Rom und Latium so sehr hängen. Ja, dieser Tag ist dem Herrn geweiht, und deshalb ist dieser Tag besonders reich an Festlichkeit und Freude. Der Herr hat uns in seinem Haus versammelt, um uns das Geschenk seiner Gegenwart noch intensiver spüren zu lassen. Wie das jüdische Volk, so nehmen auch wir - den Berichten des Nehemia folgend - sein Wort auf mit dem Ruf, Amen, Amen“ und werfen uns mit ganzem Herzen vor ihm nieder, um unsere tiefe Ergebenheit in seinen Willen deutlich zu machen. Auch wir wiederholen mit dem Antwortpsalm: „Deine Worte, Herr, sind Geist und Leben!“ Das Wort Gottes erleuchtet den Weiheritus für diese neue Marienkirche, wo den Gläubigen, die sich vor allem während des Großen Jubeljahres im Gebet hier versammeln werden, Beistand gewährt wird, sich dem erneuernden Wirken des Heiligen Geistes zu öffnen. Alles an diesem Ort muss daher auf die Begegnung mit dem Herrn einstimmen; alles muss die Gläubigen ermutigen, ihren Glauben zu bekennen an Christus gestern, heute und in Ewigkeit. 2. „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Das ist das Glaubensbekenntnis des Apostels Petrus, das wir im heutigen Evangelium gehört haben. Jesus antwortet dem Petrus und überträgt ihm die Aufgabe, das ganze geistliche Gebäude seiner Kirche zu stützen: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16,18). Das Gotteshaus, in dem wir uns befinden und das nun für den Gottesdienst geweiht wird, ist ein Zeichen jener anderen Kirche, die aus lebendigen Steinen besteht, 776 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nämlich aus den Christgläubigen, die vom geistlichen ,.Zement“ der Liebe auf wunderbare Weise verbunden werden. Durch das Wirken des Heiligen Geistes stehen die Gaben und Charismen jedes Gliedes der kirchlichen Gemeinschaft nicht im Widerspruch zueinander, im Gegenteil: Sie bereichern die Harmonie des einzigartigen, geistlichen Bauwerks des Leibes Christi. Auf diese Weise stellt die Kirche aus Steinen die innere Gemeinschaft derer dar, die sich hier versammeln, um sich vom Wort Gottes belehren zu lassen, wie uns in der ersten Lesung berichtet wird: „Das ganze Volk lauschte auf das Buch des Gesetzes“ (Neh 8,3). Hier werden die Gläubigen die Sakramente empfangen insbesondere das Sakrament der Versöhnung und die Eucharistie - und ihre Verehrung für die Muttergottes von der Göttlichen Liebe noch intensiver zum Ausdruck bringen können. 3. „Die Freude am Herrn ist eure Stärke“ (Neh 8,10). So begrüßte Nehemia die Versammlung der Israeliten, die an einem einzigen Ort zusammengekommen waren, um den Bund mit Gott zu erneuern. Mit denselben Worten möchte ich heute euch alle begrüßen, die ihr euch in diesem Marienheiligtum eingefunden habt. Ich danke euch, liebe Brüder und Schwestern, für eure so zahlreiche Anwesenheit Herzlich grüße ich den Kardinalvikar. Ihm gilt mein Dank für die Empfindungen, die er zu Beginn der Feier mir gegenüber ausgesprochen hat. Mit ihm begrüße ich die Kardinäle, die Bischöfe, die Priester und die hier anwesenden Rektoren anderer Marienheiligtümer. Ich begrüße den Rektor und Pfarrer dieses Heiligtums, Don Pasquale Silla, der so viel getan hat, damit dieser Tag endlich kommen konnte, und alle Söhne und Töchter der Muttergottes von der Göttlichen Liebe, die mit Umsicht und Tatkraft für diesen Ort sorgen. Sie setzen das verdienstvolle Werk ihres Gründers, Don Umberto Terenzi, fort: Mit Beharrlichkeit verfolgte er das Ziel eines neuen Hauses für die sei. Jungfrau an diesem Ort, ebenjenes, das wir heute einweihen. Ein besonderer Gedanke geht an die Pfarrangehörigen dieser Wallfahrtspfarrei: Sie sind die direkten Zeugen dafür, wie sehr das römische Volk die „Madonna del Divino Amore“ liebt und oft herkommt, um sie als Pilger im Vertrauen auf ihre Fürsprache zu besuchen. Schließlich begrüße ich die Planer und Ausführenden dieses Werkes: P. Costantino Ruggeri und den Architekten Luigi Leoni, zusammen mit allen Wohltätern, den Bauunternehmern und der Arbeiterschaft. 4. Mit der Einweihung dieses neuen Heiligtums wird heute ein Gelöbnis teilweise eingelöst, das die Römer 1944 auf Ersuchen von Papst Pius XII. der Muttergottes von der Göttlichen Liebe machten, als die alliierten Truppen zum entscheidenden Schlag auf das von den Deutschen besetzte Rom ansetzten. Vor dem Bild der „Madonna del Divino Amore“ erflehten die Römer am 4. Juni jenes Jahres die Rettung Roms und versprachen Maria, ihr moralisches Verhalten zu bessern, das neue Gotteshaus von der Göttlichen Liebe zu bauen und ein Werk der Nächstenliebe in Castel di Leva zu errichten. An demselben Tag, nur eine gute Stunde nach 777 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Verlesung des Gelöbnisses, verließ das deutsche Heer Rom, ohne Widerstand zu leisten. Dann marschierten die alliierten Streitkräfte durch die „Porta San Giovanni“ und die „Porta Maggiore“ in die Stadt ein, wo sie vom römischen Volk mit großem Jubel begrüßt wurden. Heute ist das Heiligtum Wirklichkeit geworden, und auch das Werk der Nächstenliebe nähert sich seiner Fertigstellung: ein Altenheim nicht weit von hier. Aber das Gelöbnis der Römer beinhaltete ein Versprechen an die sei. Jungfrau Maria, das immer gilt und das viel schwieriger zu realisieren ist, nämlich eine Besserung des moralischen Verhaltens, also die ständige Verpflichtung, das eigene Leben zu erneuern und dem Leben Christi immer ähnlicher zu gestalten. Liebe Brüder und Schwestern! Das ist die Aufgabe, zu der das heilige Bauwerk, das heute Gott geweiht wird, uns aufruft. Diese Mauern, die den geweihten Raum umgeben, in dem wir versammelt sind, und - noch mehr - der Altar, die großen, farbigen Fenster und die anderen religiösen Symbole, stellen sich als Zeichen der Gegenwart Gottes unter seinem Volk dar: eine Gegenwart, auf reale Weise in der Eucharistie offenbart, die jeden Tag gefeiert und im Tabernakel aufbewahrt wird; eine Gegenwart, die sich in der Spendung der Sakramente als lebendig und lebenspendend erweist; eine Gegenwart, die man im Gebet und in der Sammlung ständig erfahren kann. Diese Gegenwart sei für alle ein steter Aufruf zur Bekehrung und zur brüderlichen Versöhnung! 5. „Komm, ich will dir die Braut zeigen, die Frau des Lammes ...erfüllt von der Herrlichkeit Gottes“ (Offt> 21,9.11). Die große Vision des himmlischen Jerusalem, mit der das Buch der Offenbarung abschließt, lädt uns ein, unseren Blick von der Schönheit und architektonischen Harmonie dieses neuen Gotteshauses zum Glanz der himmlischen Kirche, Fülle der Liebe und der Gemeinschaft mit der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, zu erheben, denn zu ihr strebt von Anfang an her die ganze Heilsgeschichte. Das II. Vatikanische Konzil sagt, dass Maria Abbild und Erstlingsffucht des himmlischen Jerusalem ist, zu dem wir unterwegs sind. „Wie die Mutter Jesu, im Himmel schon mit Leib und Seele verherrlicht, Bild und Anfang der in der kommenden Weltzeit zu vollendenden Kirche ist, so leuchtet sie auch hier auf Erden in der Zwischenzeit bis zur Ankunft des Tages des Herrn (vgl. 2 Petr 3,10) als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voran“ (Lumen Gentium, Nr. 68). Maria wenden wir vertrauensvoll unsere Herzen zu und rufen auf alle ihren mütterlichen Schutz herab. Dir, Mutter der Göttlichen Liebe, empfehlen wir die Diözesangemeinschaft, die Weiterführung der vor wenigen Wochen abgeschlossenen Stadtmission sowie diese geliebte Stadt Rom mit ihren Problemen und Möglichkeiten, ihren Ängsten und Hoffnungen. Dir empfehlen wir die Familien, die Kranken, die alten und einsamen Menschen. In deine Hände legen wir die Früchte des Heiligen Jahres und besonders die Erwartungen und Hoffnungen der Jugendlichen, die im Jubeljahr zum 15. Weltjugendtag nach Rom kommen. 778 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dir schließlich vertrauen wir die Bitte an, die ich schon bei meinem ersten Besuch in diesem Heiligtum an dich richtete: Möge sich die Zahl der Arbeiter für die Ernte des Herrn durch deine Fürsprache vervielfachen, und mögen die Jugendlichen das Geschenk der Berufüng zum Priestertum und zum geweihten Leben, die die Welt heute so notwendig braucht, in ihrer ganzen Schönheit zu würdigen wissen. Amen! Das benediktinische Charisma erneuern und vertiefen Botschaft zur 1500-Jahrfeier der Abtei Subiaco vom 7. Juli An den geliebten Bruder Dom Mauro Meacci, Abt von Subiaco 1. Mit Freude habe ich davon Kenntnis genommen, dass die große monastische Familie der Benediktiner mit besonderen Feierlichkeiten an den Zeitpunkt erinnern will, als der hl. Benedikt vor 1500 Jahren in Subiaco mit jener „scola dominici ser-vitii“ [Schule für den Dienst des Herrn] den Anfang machte, die im Verlauf der Jahrhunderte eine unzählbar große Schar von Männern und Frauen „per ducatum Evangelii“ [unter der Führung des Evangeliums] zu einer innigeren Verbindung mit Christus geführt hat. Ich möchte in Gedanken an der Danksagung teilnehmen, die der ganze Mönchsorden, entstanden aus dem Glauben und aus der Liebe des hl. Ordensgründers, dem Herrn für die großen Gaben darbringt, mit denen der Orden seit den Anfängen seiner Geschichte reich ausgestattet wurde. Schon mein verehrter Vorgänger, der hl. Gregor d. Gr., Benediktinermönch und berühmter Biograph des hl. Benedikt, lud dazu ein, in einem Umfeld von großem Glauben an Gott und von intensiver Liebe zu seinen Geboten, die die Ursprungsfamilie des Heiligen aus Norcia beseelte, die Voraussetzungen für eine umfassende Beschreibung des Lebens zu schaffen, das bestimmt war, „Christus zu suchen und ihm zu dienen, den einzigen und wahren Retter“ (vgl. Präfation der Messe am Festtag des hl. Benedikt). Diese geistige Anspannung, durch die Lebenserfahrungen intensiviert und entfaltet, führte den jungen Mann sehr bald dazu, den Verlockungen der Wissenschaft und der Güter der Welt zu widerstehen, um sich nur noch dämm zu bemühen, die Weisheit des Kreuzes zu erwerben und sich einzig auf Christus hin auszurichten. Von Norcia nach Rom, von Affile nach Subiaco wurde der geistliche Weg Benedikts von dem einzigen Wunsch geleitet, Christus zu gefallen. Diese Sehnsucht festigte sich und nahm in den drei Jahren zu, die er in „Sacro Speco“ verbracht hat. Damals legte er ,jene festen Grundlagen christlicher Vollkommenheit, auf denen er künftig einen mächtigen Bau von erhabener Höhe aufrichten konnte“ (Pius XII. Fulgens radiatur, 21. März 1947). Diese lange und innige Vereinigung mit Christus veranlasste ihn, weitere Brüder um sich zu sammeln, um diese „hohen Pläne und Absichten zu verwirklichen, zu 779 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN denen er durch göttliche Eingebung gerufen wurde“ (ebd.). Bereichert durch das göttliche Licht wurde Benedikt zur Leuchte und zum Führer für die armen Hirten bei ihrer Glaubenssuche und für die fromme Bevölkerung, die es nötig hatte, auf dem Weg des Herrn begleitet zu werden. Nach einem letzten Zeitraum der Einsamkeit und der harten Prüfungen vor 1500 Jahren - gründete der kaum Zwanzigjährige in Subiaco, nicht weit von „Speco“ entfernt, das erste Benediktinerkloster. Auf diese Weise war das Weizenkom auserwählt, sich im Boden von Subiaco zu verbergen und in Buße für die Liebe zu Christus zu vergehen - der Anfang für ein neues Modell geweihten Lebens. Es hat sich in Ähren reich an Früchten gewandelt. 2. Die kleine und dunkle Grotte von Subiaco wurde so die Wiege des Benediktinerordens, von der ein strahlendes Leuchten des Glaubens und der Zivilisation ausging. Durch die Beispiele und durch die Taten der geistlichen Söhne des hl. Ordensgründers, an den der dort aufgestellte Marmorstein erinnert, erreichte es den Westen, den europäischen Orient und die anderen Kontinente. Der Ruf seiner Heiligkeit zog Scharen junger Menschen auf ihrer Suche nach Gott an, die er in seiner praktischen Veranlagung in zwölf Klöster aufteilte. Hier in einem Umfeld der Einfachheit im Geiste des Evangeliums, von lebendigem Glauben und von tätiger Nächstenliebe, erhielten der hl. Plazidus und der hl. Maurus ihre Prägung, erste funkelnde Edelsteine der monastischen Familie von Subiaco, die Benedikt selbst „zum Dienst des Allmächtigen“ erzog. Um seine Mönche vor den Folgen einer wilden Verfolgung zu schützen und nachdem er die Ordnung der bestehenden Klöster mit der Bestellung von geeigneten Oberen gefestigt hatte, nahm Benedikt einige Mönche mit sich und ging nach Cas-sino, wo er das Kloster von Montecassino gründete, das bald Wiege der Verbreitung des westlichen Mönchtums und Zentrum der Evangelisierung und des christlichen Humanismus wurde. Auch in dieser Zeit erwies sich Benedikt als ein Mann des Glaubens ohne Zögern: Er vertraute auf Gott, hoffte wie Abraham gegen alle Hoffnung und glaubte, dass der Herr trotz der von Neid und Gewalt der Menschen errichteten Hindernisse fortfahren werde, sein Werk zu segnen. 3. Im Mittelpunkt der monastischen Erfahrung des hl. Benedikt steht ein einfaches Prinzip, typisch für den Christen, das der Mönch in seiner ganzen Radikalität übernimmt: die Einheit des eigenen Lebens um Gottes Vorrang aufzubauen. Dieses „tendere in unum“ [Streben zum Einen], erste und fundamentale Bedingung für den Eintritt in das monastische Leben, muss die verbindende Verpflichtung der Existenz des Einzelnen und der Gemeinschaft begründen. Es ist übersetzt mit „conversato morum“ [klösterlicher Lebenswandel], und bedeutet Treue zum konkret im täglichen Gehorsam gelebten Lebensstil. Das Streben nach der Einfachheit im Geiste des Evangeliums erfordert eine ständige Prüfung und Anstrengung. Es heißt „die Wahrheit zu tun“, die beständig aufstrebt zu dem Ursprungsgeschenk der göttlichen Berufung, die zu Beginn der eigentlichen religiösen Erfahrung steht. 780 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Verpflichtung, die das benediktinische Leben begleitet, wurde besonders von den Gedenkfeiern der Gründung des Klosters vor 1500 Jahren herausgefordert, die in den Rahmen des, Großen Jubiläums des Jahres 2000 fallen. Das Buch Levitikus schreibt vor: „Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig, und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus! Es gelte euch als Jubeljahr. Jeder von euch soll zu seinem Grundbesitz zurückkehren, jeder soll zu seiner Sippe heimkehren“ (Lev 25,10). Die Einladung, zum wirklichen „Erbe“, zur eigenen Familie zurückzukehren, ergibt sich für die monastische benediktinische Gemeinschaft ganz aktuell. Sie ist berufen, das Jubiläum ihrer 15 Jahrhunderte und das des Eieiligen Jahres als günstige Zeitpunkte einer erneuerten Zuwendung zu dem „Erbe“ des hl. Ordensgründers und einer Vertiefung seines ursprünglichen Charismas zu erleben. 4. Das Beispiel und die Regel des hl. Benedikt bieten bedeutsame Hinweise, um das Geschenk, das diese Jahresfeiern ausmacht, in seiner Fülle zu empfangen. Sie laden vor allem zu einem Zeugnis der beharrlichen Treue zum Wort Gottes ein, meditiert und angenommen in der „lecto divina“ [betrachtende Lesung der Heiligen Schrift], Dies setzt die Wahrung der Stille und eine Haltung demütiger Anbetung Gottes voraus. Das Wort Gottes offenbart tatsächlich seine Tiefen dem, der aufmerksam in Schweigen und in Demut gegenüber dem geheimnisvollen Wirken des Geistes ist. Die Vorschrift der Regel zur Stille, in der die Zeiten festgelegt sind, zu denen das menschliche Wort schweigen muss, richtet sich an einem Stil aus, der zu einer großen Mäßigung in der verbalen Kommunikation führt. Wenn dies in einem tiefen Sinn erfahren und erlebt wird, erzieht es langsam zur Verinnerlichung. Dadurch öffnet sich der Mönch einer wirklichen Erkenntnis Gottes und des Menschen. Die große Stille in den Klöstern hat eine einzigartige symbolische Kraft, das in Erinnerung zu rufen, was wirklich wichtig ist: die absolute Verfügbarkeit Samuels (vgl. 1 Sam 3) und seine bedingungslose Liebe zum Vater. Alles Übrige ist nicht verdrängt, es ist in seiner tiefen Wirklichkeit aufgenommen und im Gebet vor Gott getragen worden. Dies ist die Schule der „lecto divina“, die die Kirche von den Klöstern erwartet: In ihr sucht man nicht so sehr Lehrer der Bibelexegese, die auch woanders zu finden sind, sondern mehr Zeugen eines demütigen und festen Glaubens in das Wort in der wenig auffallenden Sprachebene des Alltags. So wurde die „vita bonorum“ [Leben der Güter] zu „viva lectio“ [lebendigen Lesung], verständlich auch für den, der enttäuscht ist von der „Inflation“ menschlicher Worte, der Wesentlichkeit und Wirklichkeit in der Beziehung zu Gott sucht und der bereit ist, die Botschaft aufzunehmen die aus einem Leben hervorgeht, in dem sich die Freude an der Schönheit und an der Ordnung mit der Anspruchslosigkeit verbindet. Die benediktinische Regel legt fest, einen großen Raum im täglichen Zeitplan für das Leben mit dem Wort bereitzuhalten. Diese Lebensweise wird es nicht daran fehlen lassen, unbeschwerte Zuversicht zu erwecken, indem sie vorgetäuschte Geborgenheit ausschließt und den lebendigen Sinn für die uneingeschränkte Herr- 781 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaft Gottes in der Seele verwurzelt. Der Mönch ist so geschützt vor gefälligen und zweckbestimmten Interpretationen der Schrift und wird in die immer tiefere Erkenntnis der menschlichen Anfälligkeit eingeführt, in der die Macht Gottes aufleuchtet. 5. Neben dem Hören des Wortes Gottes gibt es die Verpflichtung zum Gebet. Das benediktinische Kloster ist vor allem Ort des Gebetes, in dem Sinn, dass in ihm alles organisiert ist, um die aufmerksamen und verfügbaren Mönche der Stimme des Geistes zu überlassen. Aus diesem Grund macht das ganze Gebet des „Göttlichen Offiziums“, das seine Mitte in der Eucharistie hat und den monastischen Tagesablauf festlegt, das „opus dei“ [Gottesdienst] aus, in dem „dum cantamus iter facimus ut ad nostrum cor veniat et sui nos amoris gratia accendat“ [während wir singen, wir den Weg bereiten, damit er in unser Herz komme und die Gnade seiner Liebe uns entzünde]. Durch das Wort der Heiligen Schrift nimmt der Benediktinermönch sein Gespräch mit Gott auf. Dabei hilft ihm die würdevolle Schönheit der römischen Liturgie, in der eben dieses Wort mit Feierlichkeit gesprochen oder in Monodien, die Früchte des in ihnen enthaltenen Reichtums an geistlicher Einsicht sind, gesungen wird. Dieses Wort hat einen absolut überlegenen Anteil gegenüber anderen Liturgien, bei denen das auffallendste Element die hervorragenden poetischen Kompositionen sind, auf dem Stamm des biblischen Textes blühend. Dieses Beten mit der Bibel verlangt einen Aufstieg der Entäußerung seiner selbst. Diese lässt zu, dass man in Einklang mit den Empfindungen ist, die ein anderer auf die Lippen legt und im Herzen entstehen lässt „ut mens nostra concordet voci nostrae“ [dass Herz und Stimme in Einklang sind]. Im Leben behauptet sich so der Vorrang des Wortes, der herrscht, nicht weil es nötig wäre Druck auszuüben, sondern weil er diskret und vertrauensvoll anzieht und fasziniert. Einmal angenommen, untersucht und entscheidet das Wort, bietet klare Wahlmöglichkeiten und führt so, durch den Gehorsam, in die „historia Salutis“ [Heilsgeschichte] ein, zusammengefasst im Ostern des dem Vater gehorsamen Christus. Dieses Gebet, „memoria dei“ [Gedächtnis an Gott], ist es, das konkret die mögliche Einheit des Lebens trotz vielfacher Aktivitäten zurückgibt. Diese werden nach der Lehre Cassians nicht bloßgestellt, sondern beständig auf ihren Mittelpunkt zurückgeführt. Und mit der Ausdehnung des täglichen liturgischen Gebetes durch das persönliche, freie und stille Gebet der Brüder wird im Kloster eine Atmosphäre der Sammlung geschaffen. Dadurch finden die feierlichen Momente selbst ihre volle Wahrheit und so wird das Kloster „eine Schule des Gebetes“. Das heißt, es wird ein Ort, an dem eine Gemeinschaft, die intensiv die Begegnung mit Gott in der Liturgie und zu den verschiedenen Zeitpunkten des Alltags lebt, denjenigen Hinführung anbietet, die das Bild des lebendigen Gottes nach den Wundertaten des trinitarischen Lebens suchen. 6. Das Gebet, das in der Liturgie die Stunden des Tages einteilt und zur persönlichen und stillen Anbetung der Brüder wird, bildet ersten Ausdruck und Quelle der 782 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einheit der monastischen Gemeinschaft, die ihr Fundament in der Einheit des Glaubens hat. Von jedem Mönch fordert man einen echten Blick des Glaubens auf sich und auf seine Gemeinschaft: Durch diesen trägt jeder seine Brüder mit und fühlt sich von ihnen mitgetragen - nicht nur von denen, mit denen er lebt, sondern auch von denen, die ihm vorausgegangen sind und mit ihren Stärken und Schwächen der Gemeinschaft ihre unverwechselbare Gestalt gegeben haben - und zusammen mit ihnen fühlt man sich von Christus getragen, der das Fundament ist. Wenn diese tiefe Eintracht fehlt und sich sogar Gleichgültigkeit oder Rivalität ausbreitet, beginnt jeder Bruder sich als „einer unter vielen“ zu fühlen, mit dem Risiko, der Illusion zu verfallen, seine Verwirklichung in Eigeninitiativen zu finden, die ihn dazu bringen, Zuflucht in Beziehungen zur Außenwelt zu suchen, statt in der vollen Anteilnahme am gemeinsamen Leben und Apostolat. Heute ist es dringender als je zuvor, das brüderliche Leben innerhalb der Gemeinschaft zu pflegen, in der man einen Stil der Freundschaft verwirklicht, die nicht weniger echt ist, weil sie jenen Abstand einhält, der die Freiheit des anderen bewahrt. Die Kirche erwartet dieses Zeugnis von allen Ordensleuten, aber an erster Stelle von den Mönchen. 7. Ich wünsche von Herzen, dass die Feierlichkeiten aus Anlass des Beginns des monastischen Lebens in Subiaco vor 1500 Jahren für diese Gemeinschaft und für den ganzen Benediktinerorden eine erneute Gelegenheit der Treue zum Charisma des hl. Ordensgründers, des Feuers im gemeinschaftlichen Leben, im Hören des Wortes Gottes und im Gebet und der Verpflichtung zur Verkündigung des Evangeliums nach der eigenen Tradition der Kongregation von Subiaco sind. Möge sich jede benediktinische Gemeinschaft eine ihr eigene gut abgestimmte Identität vorlegen, gleichsam „eine Stadt auf dem Berg“, getrennt von der umliegenden Welt, aber offen und einladend für die Armen, für die Pilger und für jene, die auf der Suche sind nach einem Leben von größerer Treue zum Evangelium! Mit diesen Wünschen, die ich der Fürsprache der Heiligsten Jungfrau anvertraue, die in diesem Kloster und in allen benediktinischen Gemeinschaften so inständig verehrt und angerufen wird, erteile ich Ihnen und den Mönchen von Subiaco von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 7. Juli 1999 Joannes Paulus PP. II 783 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maria - ein lebendiges Bild für die Kirche aller Zeiten Predigt in Castel Gandolfo am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel, 15. August 1. „Magnificat anima mea Dominum“ [Meine Seele preist den Herrn.] (Lk 1,46). Die in der Geschichte pilgernde Kirche vereint sich heute zum Loblied der Heiligen Jungfrau Maria; sie bringt ihre Freude zum Ausdruck und lobt Gott, weil die Mutter des Herrn im Triumph in die Herrlichkeit des Himmels eintritt. Im Geheimnis ihrer Aufnahme in den Himmel wird die erfüllte und endgültige Bedeutung der Worte offenbar, die sie selbst zu Anna sprach, als sie auf die Begrüßung Elisabets antwortete: „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan“ {Lk 1,49). Die Jungfrau von Nazaret, durch den österlichen Sieg Christi über den Tod mit dem Geheimnis des Gottessohnes vereint, hat auf einzigartige Weise die heilenden Wirkungen geteilt. Sie hat ihrem „Ja“ zum göttlichen Willen vollkommen entsprochen und intensiv am Sendungsauftrag Christi Anteil genommen. Sie ist als Erste nach ihm in der Vollkommenheit ihres menschlichen Wesens mit Leib und Seele in die Seligkeit eingetreten. Das „Ja“ von Maria ist Freude für all jene, die sich in der Finsternis und im Schatten des Todes befanden. Durch sie ist tatsächlich der Herr über das Leben in die Welt gekommen. Die Gläubigen jubeln und verehren sie als Mutter der von Christus erlösten Kinder. Vor allem heutzutage sehen sie sie als „Zeichen des Trostes und der sicheren Hoffnung“ (Präfatio) für jeden Menschen und für jedes Volk auf dem Weg in die ewige Heimat. Liebe Brüder und Schwestern, richten wir unseren Blick auf die Jungfrau, die wir in der Liturgie anrufen als diejenige, welche die Fesseln der Unterdrückten sprengt, den Blinden das Licht zurückgibt, jedes Übel von uns femhält und alles Gute für uns wünscht (vgl. Hymnus der Zweiten Vesper). 2. „Magnificat anima mea Dominum!“ Die kirchliche Gemeinschaft erneuert durch das heutige Fest das Dankeslied Mariens: Sie tut dies als Volk Gottes und empfiehlt den Gläubigen, sich zum Chor für das Lob des Herrn zu vereinen. Dazu forderte seit den ersten Jahrhunderten schon Ambrosius auf: „In jeder [Seele] sei Marias Seele, daß sie ,groß mache den Herrn4, in jeder sei der Geist Marias, daß er,frohlocke in Gott4“, (Ambrosius, Exp. Ev. Luc. II, 26; in: Bibliothek der Kirchenväter, Ambrosius, Bd. 2, Kempten/München 1915, S. 65). Die Worte des „Magnifikat“ sind wie das geistliche Vermächtnis der jungfräulichen Mutter. Deswegen stellen sie mit gutem Recht die Erben derer dar, die sich als ihre Kinder erkennen. Sie entscheiden sich, sie in ihrem Haus aufzunehmen, wie es der Apostel Johannes getan hat, dem sie am Fuß des Kreuzes als Mutter direkt von Jesus anvertraut wurde (vgl. Joh 19,27). 784 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. „Signum magnum paruit in caelo.“ [Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel.] (Offb 12,1). Der Bericht der Offenbarung, der eben verkündet wurde, bestätigt in der Darstellung des „großen Zeichens“ der „Frau, mit der Sonne bekleidet“ (Offb 12,1), dass „sie schwanger [war] und vor Schmerz in ihren Geburtswehen [schrie]“ (Offb 12,2). Maria trägt - wie wir im Evangelium gehört haben - den durch das Wirken des Heiligen Geistes empfangenen Erlöser im Schoß, als sie zu ihrer Kusine ging, um ihr zu helfen. Beide Mariendarstellungen, die im Evangelium historisch beschriebene und jene verdunkelte im Buch der Offenbarung, symbolisieren die Kirche. Die Tatsache, dass die Umstände der Schwangerschaft, wie dann die Geburt, die Bedrohungen des Drachen und der Raub des Neugeborenen „zu Gott und zu seinem Thron“ COffb 12,5) in der Sichtweise des Apostels Johannes betrachtet, auch zur „himmlischen“ Kirche gehören, ist sehr bedeutsam und am heutigen Hochfest ein Grund zur tiefen Reflexion. Wie der auferstandene und in den Himmel aufgefahrene Christus für immer in sich, in seinem glorreichen Leib und in seinem erbarmungsvollen Herzen die Wunden des erlösenden Todes trägt, so trägt seine Mutter in Ewigkeit den „Schmerz in ihren Geburtswehen“ mit sich (Offb 12,2). Und wie der Sohn durch seinen Tod nicht aufhört, die zurückzunehmen, die von Gott als Adoptivkinder geschaffenen wurden, so fährt die neue Eva fort, von Generation zu Generation den neuen Menschen zur Welt zu bringen, „nach dem Bild Gottes geschaffen in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24). Es handelt sich um die eschatologische Mutterschaft der Kirche, gegenwärtig und wirksam in der Jungfrau. 4. Im gegenwärtigen, historischen Augenblick, am Ende eines Jahrtausends und am Vorabend eines neuen epochalen Horizontes, erscheint diese Dimension des Geheimnisses Mariens mehr als zuvor bedeutsam zu sein. Die Madonna, aufgenommen unter die Heiligen in die göttliche Herrlichkeit, ist ein sicheres Zeichen der Hoffnung für die Kirche und für die ganze Menschheit. Die Herrlichkeit der Mutter ist Grund unermesslicher Freude für alle ihre Söhne; eine Freude, welche die Breitenwirkung von Empfindungen kennt, die typisch für die Volksfrömmigkeit sind, auch wenn sie sich nicht auf diese beschränkt. Es ist sozusagen eine theologische Freude, die tief im Ostergeheimnis begründet ist. In diesem Sinn ist die Jungfrau „causa nostrae laetitiaea“ - Ursache unserer Freude. Im Himmel aufgenommen, zeigt Maria den Weg zu Gott, den Weg in den Himmel, den Weg zum Leben. Sie zeigt ihn ihren im Namen Christi getauften Kindern und allen Menschen guten Willens. Vor allem eröffnet sie ihn den kleinen und armen Menschen, die von der göttlichen Barmherzigkeit bevorzugt sind. Den Einzelnen und den Völkern enthüllt die Königin der Welt die Macht der Liebe Gottes, dessen Pläne die Hochmütigen zerstreuen, die Mächtigen stürzen, die Nied- 785 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rigen erhöhen, die Hungernden mit Gaben beschenken und die Reichen leer ausgehen lassen (vgl. Lk 1,51-53). 5. „Magnificat anima mea Dominum!“ In dieser Hinsicht hilft uns die Jungfrau des „Magnificat“, besser den Wert und den Sinn des bevorstehenden Großen Jubiläums zu erfassen in einer jetzt günstigen Zeit, in der die universale Kirche sich zum Chor vereint, um das wundervolle Geschehen der Menschwerdung zu loben. Der Geist des „Magnifikat“ ist der Geist des Jubiläums: Im prophetischen Gesang ist die Stimme Mariens tatsächlich voller Jubel, der ihr das Herz erfüllt, weil Gott, ihr Heiland, die Menschheit aus ihrer Knechtschaft geführt hat (vgl. Lk 1,4-48). So sei auch der Geist der Kirche und der jedes Christen. Beten wir, dass das Große Jubiläum ganz ein „Magnifikat“ sei, das die Erde und den Himmel in einem Chor des Lobes und des Dankes vereint. Amen! Trinitarische Berufung in Kirche und Welt des neuen Jahrtausends Ansprache an die Trinitarische Familie zum 800-jährigen Gründungsjubiläum am 26. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine Freude, euch zu so einem wichtigen Anlass wie diesem begegnen zu können: Dieses Jahr feiert ihr den 800. Gründungstag des Ordens der Heiligsten Dreifaltigkeit und den 400. Jahrestag seit seiner Reformierung. Daher hat sich die Gemeinschaft der Trinitarier, die ihre Wurzeln im Projekt ihres Gründers, des hl. Johannes von Matha, hat und vom selben Charisma lebt, zu Recht beschlossen, ihre Generalversammlung einzuberufen, um zusammen über gemeinsame Probleme und mögliche Lösungswege an der Schwelle zum neuen Jahrtausend nachzudenken. Ich begrüße den Generalminister des Ordens und danke ihm für die freundlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Neben ihm begrüße ich die Verantwortlichen der verschiedenen, zur Gemeinschaft der Trinitarier gehörenden Institute, wie auch die Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, die aus allen Teilen der Welt zur Generalversammlung zusammengekommen sind. Sie ist eine besonders günstige Zeit zur Intensivierung des Prozesses der Treue zum Geschenk des Geistes, das der Gründer erhielt, und zu eurer aktiveren Eingliederung in die vom II. Vatikanischen Konzil gewünschte Erneuerung, damit ihr bessere Antworten auf die Bedürfnisse und Fragestellungen der heutigen Welt finden könnt. 2. Im Laufe der vergangenen acht Jahrhunderte und durch unterschiedliche geschichtliche Ereignisse hindurch hat sich die Gemeinschaft der Trinitarier, von 786 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem ursprünglichen, auf die Verherrlichung der Dreifaltigkeit und auf den Einsatz zur Erlösung des Menschen hingeordnete Charisma beseelt und belebt, in Kirche und Welt durch die Entfaltung verschiedener Institute und Laienverbände entwickelt und verbreitet. Die einzelnen Organismen erkennen sich im Namen der Dreifaltigkeit, der sie ganz besonders geweiht sind, und im hl. Johannes von Matha, den sie als ihren gemeinsamen Vater verehren. Alle haben Anteil an demselben Charisma der Verherrlichung der Dreifaltigkeit und des Einsatzes zur Erlösung des Menschen, indem sie sich Werken der Barmherzigkeit und Befreiung zugunsten der Armen und Sklaven unserer Zeit widmen. Heute besteht die Gemeinschaft der Trinitarier nicht nur aus Ordensmännem, sondern auch aus Ordensfrauen sowohl des kontemplativen als auch des aktiven (Or-dens-)Lebens. Diese letzteren sind in verschiedene Kongregationen gegliedert: Es gibt Trinitarierinnen von Valence, Rom, Valencia, Madrid, Mallorca und Sevilla. Dazu kommt das Säkularinstitut der Trinitarischen Oblatinnen und der Säkular-, Drittorden der Trinitarier, sowie mehrere Bruderschaften und Trinitarische Laienverbände, die die säkulare Dimension des trinitarischen Geistes in der Welt bezeugen. Sie alle fordere ich erneut dazu auf, das ursprüngliche Charisma mit hochherziger Treue zu leben, denn es ist auch in der heutigen Welt von außerordentlicher Aktualität. Der Mensch unserer Zeit hat es nötig, dass ihm das Heil im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit verkündet und dass er vor nicht weniger gefährlichen, weil weniger sichtbaren Ketten als den damaligen gerettet wird. Die Gemeinschaft der Trinitarier wird deshalb gut daran tun, auf die flehentlichen Bitten zu hören, die die Opfer moderner Formen von Sklaverei zum Himmel erheben, um konkrete Antworten auf ihre sehnsuchtsvollen Erwartungen zu finden. In euren Überlegungen und eurem Engagement werdet ihr unterstützt von den vielen Brüdern und Schwestern, die euch vorangegangen sind und die euch leuchtende Vorbilder der Tugend und Heiligkeit in der Verwirklichung des Charismas hinterlassen haben: Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, deren Namen oft mit Blut ... in das Buch der Heiligen eingeschrieben sind und die im Zeugnis der trinitarischen Tradition leben. 3.1m Lichte dieses heldenhaften Zeugnisses möchtet ihr konkrete Projekte für euren Eintritt ins neue Jahrtausend ausarbeiten. Insbesondere habt ihr euch zur Einrichtung eines internationalen Organs der Gemeinschaft der Trinitarier entschlossen, im Hinblick auf eine wirksamere Intervention zur Verteidigung der Menschen, die aufgrund ihres religiösen Glaubens und der Treue zu ihrem Gewissen oder zu den Werten des Evangeliums verfolgt oder diskriminiert werden. Diesem neuen Organ habt ihr den Namen „Solidarieta Intemazionale Trinitaria“ gegeben in der Absicht, die ganze Gemeinschaft in den Dienst zugunsten vieler Leidenden und Unglücklichen einzubeziehen, die sich in ihrem Elend nach einer „Epiphanie“ des Erlösers Christus sehnen. Ein weiteres sehr wichtiges Projekt betrifft eine neue Gründung im Sudan, die ihr als Ausdruck der erlösenden und barmherzigen Sendung, die eurem Orden eigen 787 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ist, geplant habt. Neben dem Apostolat der Mission und der Befreiung hat sich die Initiative den interreligiösen Dialog zwischen Christentum und Islam vorgenommen, gemäß der Richtlinien des II. Vatikanischen Konzils, die in späteren Dokumenten des Lehramts wiederaufgenommen und entwickelt worden sind. 4. Das Große Jubeljahr der Menschwerdung ist für die gesamte Gemeinschaft der Trinitarier ein weiterer Impuls zur Vertiefung der Meditation über das Geheimnis der Dreifaltigkeit, denn darin erkennt sie den Kem ihrer eigenen Spiritualität. Wenn sie aus dieser nicht versiegenden Quelle schöpft, wird sie sich sicherlich für die Entwicklung aller Kapazitäten der trinitarischen Weihe einsetzen und diese mit neuer Fülle bereichern. Aus diesem starken Erleben der Dreifaltigkeit ... wird ein erneuertes Engagement der Befreiung von jeder Form von Unterdrückung hervorgehen. Das außerordentliche Generalkapitel, das in diesen Tagen zu Ende gegangen ist, hat das Thema Domus Trinitatis et Captivorum in den Mittelpunkt eurer Überlegungen gestellt. Im ursprünglichen Geist des Vorhabens des hl. Johannes de Matha - das auch in unseren Tagen verdient, zur Geltung gebracht zu werden - muss in dieser Domus die Dynamik der Liebe herrschen, die ihre Quelle im Geheimnis der Dreifaltigkeit hat und sich hin zu den von Gott Privilegierten, nämlich Sklaven und Armen, ausdehnt. Der Geist des Vaters und des Sohnes, der Liebe ist, treibt euch dazu, euch zum Geschenk der Liebe für die Mitmenschen zu machen. Einheit und Nächstenliebe werden das beste Zeugnis eurer trinitarischen Berufung in der Kirche sein. Seit Jahrhunderten betet ihr jeden Tag zur seligen Jungfrau mit diesen schönen Worten ...: ,/lve, Filia Dei Patris, Ave, Mater Dei Filii, Ave, Sponsa Spiritus Sancti, Sacrarium Sanctissimae Trinitatis sie führe euch immer tiefer in die verinnerlichte Kontemplation des Geheimnisses ein und helfe euch, die Tage des Heiligen Jahres als eine Zeit erneuerter Hoffnung und abgeklärter Freude im Geist zu erleben. Mit diesen Wünschen erteile ich euch und allen Mitgliedern der Gemeinschaft der Trinitarier von ganzem Herzen einen besonderen apostolischen Segen. 788 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ehe und Familie — Themen interdisziplinärer Forschung Ansprache an die Teilnehmer der Internationalen Studienwoche des Päpstlichen Instituts „Johannes Paul II.“ für Studien über Ehe und Familie am 27. August Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofsamt, sehr verehrte Damen und Herren! 1. Mit großer Freude heiße ich Sie alle, die Sie an der Internationalen, vom Päpstlichen Institut für Studien über Ehe und Familie organisierten Studienwoche teilnehmen, heute willkommen. Zuerst begrüße ich Msgr. Angelo Scola, Rektor Magnificus der Päpstlichen Lateranuniversität und Vorsitzender dieses Instituts, und danke ihm für die Worte, die er zu Beginn unseres Treffens an mich gerichtet hat. Zusammen mit ihm grüße ich Msgr. Carlo Caffarra, Erzbischof von Ferrara, und seinen Vorgänger, den Kardinalvikar Camillo Ruini, den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Familie, Alfonso Kardinal Lopez Trujillo, die anwesenden Bischöfe, die hochgeschätzten Dozenten, die mir verschiedene interessante Überlegungen vorgetragen haben, und alle anderen, die in verschiedenen Ämtern zum Erfolg dieser Tagung beitragen. Ich begrüße euch alle, liebe Mitglieder der Lehrkörper der verschiedenen Zweigstellen des Instituts, die ihr euch für eine umfassende Betrachtung der Grundlagen des göttlichen Plans von Ehe und Familie hier in Rom versammelt habt. Ich danke euch für euer Engagement und für den Dienst, den ihr der Kirche leistet. 2. Seit seiner Gründung vor achtzehn Jahren hat das Institut für Studien über Ehe und Familie sich vertieft mit dem Plan Gottes für Person, Ehe und Familie befasst, wobei theologische, philosophische und wissenschaftliche Überlegungen mit einem beständigen Einsatz für die Seelsorge [,,ura animarum“] kombiniert wurden. Diese Verbindung zwischen Denken und Leben, zwischen Theologie und Pastoral ist in der Tat entscheidend. Wenn ich auf meine eigenen Erfahrungen zurückblicke, kann ich unschwer erkennen, wie hilfreich meine Arbeit mit den Jugendlichen in der Universitätsseelsorge von Krakau mir in meiner Meditation über die grundlegenden Aspekte des christlichen Lebens gewesen ist. Das tägliche Zusammenleben mit den jungen Menschen, die Möglichkeit, sie in ihren Freuden und Mühen zu begleiten, und ihr Wunsch nach vollständiger Erfüllung der Berufung, die der Herr an sie gerichtet hatte, halfen mir zu einem immer tieferen Verständnis der Wahrheit, dass der Mensch in der Liebe, das heißt in der Selbsthingabe, wächst und reift und dass er eben im Tausch für dieses Hinschenken die Möglichkeit zur Selbsterfüllung bekommt. Eine der erhabensten Ausdrucksformen dieses Prinzips ist die Ehe: Sie ist „eine weise Einrichtung des Schöpfers, um den Plan seiner Liebe in der Menschheit zu verwirklichen. Durch die gegenseitige Hingabe, die Eheleuten ausschließlich eigen ist, streben sie nach der Gemeinschaft ihres menschlichen Seins im Hinblick auf die gegenseitige personale Vervollkommnung, um mit Gott 789 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN an der Zeugung und Erziehung neuen Lebens mitzuwirken“ {Humanae vitae, Nr. 8). 3. Im Rahmen dieser Eingebung mit ihrer tiefen Einheit zwischen der von der Kirche verkündeten Wahrheit und den konkreten Lebensentscheidungen und -erfahrungen hat euer Institut in diesen Jahren einen lobenswerten Dienst geleistet. Mit seinen Abteilungen in Rom an der Päpstlichen Lateranuniversität, in Washington, Mexiko-Stadt und Valencia, mit den akademischen Zentren in Cotonou [Beruft], Salvador do Bahia [Brasilien] und Changanacherry [Indien], deren Eingliederungsprozess ins Institut schon begonnen hat, und mit der bevorstehenden Eröffnung des Zentrums in Melbourne [Australien] wird das Institut über eigene Einrichtungen in fünf Kontinenten verfügen. Für diese Entwicklung wollen wir dem Herrn danken, während wir mit der gebührenden Dankbarkeit an jene Menschen denken, die ihren Beitrag zur Realisierung dieses Werks geleistet haben und leisten. 4. Jetzt möchte ich mit euch den Blick in die Zukunft richten, und zwar ausgehend von einer aufmerksamen Untersuchung der Prioritäten, die sich der Sendung der Kirche - und daher auch eurem Institut - heute und in diesem Bereich stellen. Im Vergleich zur Situation vor achtzehn Jahren, als euer akademischer Weg begann, ist die Herausforderung der säkularisierten Einstellung gegenüber der Wahrheit über Person, Ehe und Familie in gewissem Sinne noch radikaler geworden. Es handelt sich nicht mehr nur um ein Infragestellen einzelner sittlicher Normen auf dem Gebiet der Sexual- und Familienethik. Dem Bild von Mann-Frau, das der natürlichen Vernunft und besonders dem Christentum eigen ist, stellt sich eine alternative Anthropologie entgegen. Sie leugnet das in die Körperlichkeit eingeprägte Faktum, dass der Geschlechtsunterschied identifizierenden Charakter für eine Person besitzt; in dieser Konsequenz gerät die Auffassung der auf die unauflösliche Ehe zwischen Mann und Frau gegründeten Familie - als natürliche und grundlegende Zelle der Gesellschaft - in eine Krise. Vaterschaft und Mutterschaft werden nur als Privatangelegenheit angesehen, die auch durch die Anwendung biomedizinischer Methoden, die vom Vollzug der ehelichen Sexualität losgelöst sein können, zu verwirklichen sind. Auf diese Weise wird eine unannehmbare „Trennung von Freiheit und Natur“ gefordert, wo doch diese beiden „tatsächlich harmonisch miteinander verknüpft und ... einander zutiefst verbunden“ sind (Veritatis splendor, Nr. 50). In Wirklichkeit ist die geschlechtliche Kennzeichnung der Körperlichkeit ein integrierender Bestandteil des ursprünglichen Plans Gottes, wonach Mann und Frau als Abbild und Gleichnis Gottes geschaffen (vgl. Gen 1,27) und dazu berufen sind, eine treue und freiheitliche, unauflösliche und fruchtbare personale Gemeinschaft zu realisieren - als Widerschein des Reichtums der dreifältigen Liebe (vgl. Kol 1,15-20). Vaterschaft und Mutterschaft sind außerdem nicht einfach ein Vorhaben der menschlichen Freiheit, sondern vorrangig eine in die eheliche Liebe eingeprägte 790 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dimension der Berufung, die als einzigartige Verantwortung vor Gott gelebt werden soll. Dabei sollen die Kinder als Gottesgeschenk angenommen werden (vgl. Gen 4,1) in Verehrung der Vaterschaft Gottes, „nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird“ (Eph 3,15). Das Ausschließen der körperlichen Vermittlung im Zeugungsakt - als der Raum verstanden, in dem ein neues Menschenleben entstehen kann - bedeutet gleichzeitig, die Fortpflanzung herabzuwürdigen: von einem Mitwirken mit dem Schöpfergott zu einer technisch gesteuerten „Re-Produktion“ eines Exemplars einer bestimmten Gattung, wobei die einzigartige Würde, die nur ein Kind besitzen kann, verloren geht (vgl. Donum vitae, II B/5). Denn nur wenn die wesentlichen Eigenheiten des Zeugungsakts, als persönliches körperliches und auch geistiges Geschenk der Eheleute, in ihrer Gesamtheit eingehalten werden, wird gleichzeitig auch die Person des Kindes geachtet und sein Ursprung von Gott, der Quelle jedes Geschenks, zum Ausdruck gebracht. Wenn man hingegen den eigenen Körper, die darin verankerte Geschlechtsverschiedenheit und sogar die Zeugungsfahigkeit einfach als mindere biologische Daten behandelt, die manipuliert werden dürfen, fuhrt dies zu einer Leugnung der Grenzen und der Berufung, die in der Körperlichkeit enthalten sind; so äußert sich eine Anmaßung, die - jenseits der subjektiv verfolgten Absichten — die Nichtanerkennung des eigenen Daseins als Geschenk Gottes zum Ausdruck bringt. Im Lichte dieser hochaktuellen Probleme bestätige ich mit noch größerer Überzeugung, was ich schon im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio lehrte: „Die Zukunft der Menschheit geht über die Familie!“ (Nr. 84). 5. Angesichts dieser Herausforderungen hat die Kirche keine andere Wahl, als ihren Blick auf Christus, Erlöser des Menschen und Fülle der Offenbarung, zu richten. Wie ich schon in der Enzyklika Fides et ratio schrieb: „Die christliche Offenbarung ist der wahre Leitstern für den Menschen zwischen Bedingtheiten der immanentistischen Denkweise und den Verengungen einer technokratischen Logik“ (Nr. 15). Diese Orientierung wird uns durch die Offenbarung der Grundlage der Wirklichkeit geboten: der Vater, der die Wirklichkeit geschaffen hat und sie zu jeder Zeit im Sein erhält. Zu Beginn des dritten Jahrtausends wird eure Aufgabe darin bestehen, den Plan Gottes über Person, Ehe und Familie mit neuem Elan und noch vertiefter zu ergründen. Ich möchte an dieser Stelle einige Gesichtspunkte für diese Vertiefung vorschlagen. Der erste betrifft die Grundlage im engeren Sinne, das heißt das Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit als eigentliche Quelle des Seins und daher letztendlicher Angelpunkt der Anthropologie. Im Lichte des Geheimnisses der Dreifaltigkeit offenbart der Geschlechtsunterschied seine volle Natur als Kennzeichen der Gesamtpersönlichkeit. Der zweite Blickwinkel, den ich euch unterbreiten möchte, betrifft die Berufung von Mann und Frau zur Gemeinschaft. Auch sie wurzelt im Geheimnis der Dreifaltigkeit, sie wird uns vollkommen offenbart in der Menschwerdung des Gottes- 791 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sohnes, worin Menschennatur und Gottesnatur in der Person des Wortes vereint sind, und sie fugt sich historisch in die sakramentale Dynamik der christlichen Heilsökonomie ein. Das hochzeitliche Geheimnis von Christus als Bräutigam der Kirche kommt nämlich auf ganz besondere Weise durch die sakramentale Ehe, als fruchtbare Lebens- und Liebesgemeinschaft, zum Ausdruck. So integriert sich die Theologie der Ehe und der Familie - dies ist der dritte Denkanstoß, den ich euch anbieten möchte - in die Betrachtung des Geheimnisses der Dreifaltigkeit; sie lädt alle Menschen zum Hochzeitsmahl des Lammes ein, das sich im Ostermahl erfüllt hat und das der menschlichen Freiheit ständig in der sakramentalen Wirklichkeit der Kirche angeboten wird. Außerdem können die Überlegungen über Person, Ehe und Familie vertieft werden durch eine eingehende Beobachtung der Beziehung zwischen Person und Gesellschaft. Die christliche Antwort auf das Scheitern der individualistischen und kollektivistischen Anthropologie erfordert einen ontologischen Personalismus, der in einer Analyse der wichtigsten Beziehungen innerhalb der Familie wurzelt. Rationalität und Beziehungsfahigkeit der menschlichen Person, Einheit und Verschiedenheit in Gemeinschaft und die wesenseigene Polarität Mann - Frau, Geist -Körper und Individuum - Gemeinschaft sind zusammengehörende und untrennbare Dimensionen. Die Betrachtung über Person, Ehe und Familie lässt sich also letzten Endes in die Soziallehre der Kirche integrieren und wird zu einer ihrer stärksten Wurzeln. 6. Diese und andere Perspektiven für die künftige Arbeit des Instituts sollen gemäß der doppelten Dimension der Methode entwickelt werden, die auch aus einer Begegnung ersichtlich ist. Es ist einerseits unabdingbar, von der Einheit des Planes Gottes von Person, Ehe und Familie auszugehen. Nur dieser einheitliche Ausgangspunkt wird es ermöglichen, dass die dem Institut aufgetragene Lehre nicht ein einfaches Nebeneinanderstellen von Aussagen der Theologie, der Philosophie und der Humanwissenschaften zu diesem Thema ist. Aus der christlichen Offenbarung ergibt sich eine entsprechende Anthropologie und eine sakramentale Anschauung von Ehe und Familie, die in einen Dialog mit den Forschungsergebnissen von philosophischen Überlegungen und Humanwissenschaften zu treten vermag. Diese ursprüngliche Einheit liegt auch der Zusammenarbeit zwischen Dozenten verschiedener Fachbereiche zugrunde und ermöglicht eine interdisziplinäre Forschung und Lehre, die das „Unum“ von Person, Ehe und Familie zum Gegenstand haben; dieses wird dann von verschiedenen und einander ergänzenden Gesichtspunkten und mit spezifischen Methodologien vertieft. Andererseits soll auf die Wichtigkeit der drei Themenbereiche hingewiesen werden, in denen alle dem Institut vorgeschlagenen „Curricula“ der Studien konkret organisiert sind. Alle drei Bereiche sind für die Vollständigkeit und Folgerichtigkeit eurer Forschungs-, Lehr- und Studientätigkeit notwendig. Denn wie könnte man in der Tat von der Betrachtung des „Phänomens Mensch“ in den Darstellungsweisen der verschiedenen Wissenschaften absehen? Wie könnte man auf die 792 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Untersuchung der Freiheit verzichten, Angelpunkt jeder Anthropologie und Zugang zu grundlegenden ontologischen Fragestellungen? Wie könnte man ohne eine Theologie auskommen, worin Natur, Freiheit und Gnade im Lichte des Geheimnisses Christi als artikulierte Einheit betrachtet werden? Das ist der Punkt, an dem eure gesamte Arbeit zusammenläuft, denn „tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf ‘ (Gaudium et spes, Nr. 22). 7. Das Novum des Päpstlichen Instituts für Studien über Ehe und Familie liegt nicht nur in Forschungsinhalt und -methode, sondern es kommt auch in seiner rechtlich-institutionellen Beschaffenheit zum Ausdruck: In gewisser Hinsicht stellt das Institut nämlich ein „Unikum“ innerhalb der akademischen Einrichtungen der Kirche dar. Denn es handelt sich um ein einziges Institut (mit einem einzigen Großkanzler und einem einzigen Präsidenten), das aber gleichzeitig in den verschiedenen Kontinenten durch die Rechtsform der Abteilung gegliedert ist. Vor uns haben wir also eine rechtlich-institutionelle Umsetzung der normalen Gemeinschaftsdynamik zwischen der Universalkirche und den Teilkirchen. Auf diese Weise lebt das Institut ganz vorbildlich die doppelte - römische und universale -Dimension, welche die akademischen Einrichtungen der Ewigen Stadt prägt, darunter insbesondere die Päpstliche Lateran Universität, wo sich der Hauptsitz des Instituts befindet und die in Artikel 1 der Satzung als „Päpstliche Universität mit Sonderstatus“ bezeichnet wird. Wenn wir auf das Institut und seine Geschichte schauen, können wir erkennen, wie fruchtbar das Prinzip der Einheit in der Vielfältigkeit ist! Es konkretisiert sich nicht allein in einer einheitlichen lehramtlichen Ausrichtung, die Forschung und Lehre Wirksamkeit verleiht, sondern es äußert sich vor allem in einer nachhaltigen Gemeinschaft zwischen Dozenten, Studenten und zuständigem Personal, und zwar sowohl innerhalb der einzelnen Abteilungen als auch im gegenseitigen Austausch zwischen den Abteilungen, trotz ihrer großen Unterschiedlichkeit. So leistet ihr euren Beitrag zur Bereicherung des Lebens der Kirchen und letztendlich sogar der „Katholizität“ selbst! 8. Der Sohn Gottes hat Glied einer menschlichen Familie werden wollen, damit die Menschen als Mitglieder der Kirche an seinem eigenen Leben Anteil haben. Aus diesem Grunde stellt die heilige Familie von Nazaret als „Ur-Hauskirche“ (Re-demptoris custos, Nr. 7) ein hervorragendes Leitbild für die Arbeit des Instituts dar. Sie weist ganz eindeutig auf die Einfügung der Familie in die Sendung des menschgewordenen und erlösenden Wortes hin und erleuchtet sogar die Sendung der Kirche. Maria, Jungfrau, Braut und Mutter, beschütze die Dozenten, die Studenten und die Belegschaft eures Instituts. Sie begleite und unterstütze eure Betrachtungen und eure Arbeit, damit die Kirche Gottes in euch eine stete und wertvolle Hilfe finde bei ihrem Auftrag, allen Menschen die Wahrheit Gottes über Person, Ehe und Familie zu verkünden. Euch allen gilt mein Dank und mein Segen. 793 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Kampf gegen den Analphabetismus - eine Verpflichtung zur Entwicklung von Menschen und Völkern Botschaft an den Generaldirektor der UNESCO vom 28. August An Herrn Federico Mayor Zaragoza, Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur 1. Anlässlich des dreiunddreißigsten, von der UNESCO veranstalteten Internationalen Tages der Alphabetisierung lege ich Wert darauf, meine Ehrerbietung den Männern und Frauen zu erweisen, die im Lauf der Jahre ihren Brüdern und Schwestern behilflich waren, die Grundelemente des Wissens zu erwerben. Insbesondere gebührt eine Ehrenbezeigung den Lehrpersonen, die in allen Kontinenten mit ausdauernder Tüchtigkeit auf die Ausbildung der Jugendlichen und der Erwachsenen bedacht sind. Ich möchte auch an die Sendung erinnern, die zahlreiche Laien, Ordensmänner und Ordensfrauen als Pioniere der Volksunterweisung erfüllt haben und die, ihre Aufgaben in Verstandes und Gewissensbildung wahmehmend, Zeugen Christi waren. 2. Es ist angebracht, die erstrangige Rolle anzuerkennen, die in den letzten Jahrzehnten die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur - in Verbindung mit anderen internationalen Organisationen gespielt hat. Sie hat ihre Anstrengungen vervielfacht, um der bedenklichen Lage des Analphabetismus in der Welt entgegenzutreten. Indem sie jedem den Zugang zu einer Allgemeinbildung eröffnet, bietet die UNESCO dem Menschen die Möglichkeit zu einem seiner Würde entsprechenden Leben, so dass er seine Zukunft selbst in die Hand nehmen und seine Verantwortung in der Gesellschaft ausüben kann. Der Kampf gegen das Analphabetentum ist der notwendige Weg zur Entwicklung der Menschen und Völker, denen so das Rüstzeug zu Reflexion und Analyse vermittelt wird und die auf diese Weise befähigt werden, sich leichter gegen sektiererische, integristische und totalitäre Ausführungen zur Wehr zu setzen. Es ist also überaus wünschenswert, das Begonnene erfolgreich weiterzuführen, und dazu bedarf es einer immer intensiveren Koordinierung der nationalen und internationalen Bemühungen. 3. Vor dem nahen Beginn des dritten Jahrtausends lade ich alle Völker zum Zusammenschluss im Kampf gegen das Analphabetentum ein, das für einen bedeutenden Teil der Menschheit, insbesondere für Frauen und Mädchen, eine schwere Behinderung darstellt. Bis vor kurzem nämlich waren zwei Drittel der Analphabeten Frauen, und 70 Prozent der Kinder ohne Schulbildung sind Mädchen. Wichtig ist es auch, die Ungleichheit auf diesem Gebiet zu überwinden. Darin besteht ja auch eines der Ziele der UNESCO, wie es in der Präambel der Konvention heißt: „Allen den vollen und gleichen Zugang zur Erziehung, das ungehinderte Streben 794 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nach der objektiven Wahrheit und den freien Austausch der Gedanken und des Wissens sicherstellen.“ Solch ein Unternehmen des Kampfes gegen das Analphabetentum setzt den Einsatz des Lehrkörpers voraus, und dessen Funktion muss gebührend anerkannt werden. Dementsprechend müssen diejenigen, die diese bedeutende Tätigkeit ausüben, sich darin geachtet fühlen und wissen, dass sie bei der Vermittlung von Kenntnissen, Grundwerten und Existenzgrundlagen unterstützt werden. Die Schule ist aufgerufen, mehr und mehr für Kinder - gleich welcher Herkunft und welcher sozialen Stellung - zugänglich zu werden, mit ganz besonderer Aufmerksamkeit gegenüber den Ärmeren, den Opfern der Gewalt und des Krieges, den Flüchtlingen und Vertriebenen. Sie muss immer mehr darum besorgt sein, in angemessener Erziehung und Aufmerksamkeit gegenüber den örtlichen Kulturen die Talente der Schüler zu entfalten und ihr Bewusstsein zu wecken. Ebenso muss sie sich der jungen Menschen annehmen, die für das Schulsystem nicht geeignet sind. 4. Die Kirche ihrerseits möchte die ihr von Christus übertragene Sendung fortsetzen und sich an der Jugend- und Erwachsenenbildung beteiligen, Seite an Seite mit den Männern und Frauen guten Willens. Die katholische Schule ist ein ausgesuchtes Werkzeug, das den Kindern gestattet, zusätzlich zum Unterricht auch eine religiöse und katechetische Ausbildung zu erhalten, die ihnen helfen wird, ihren Glauben zu vertiefen und Christus zu entdecken, der dem Menschen helfen will, voll und ganz erwachsen zu werden. In einer Gesellschaft, die nach Sinn sucht, ist die katholische Schule berufen, mit Klarheit und Festigkeit die christliche Botschaft zu verbreiten in Achtung vor denen, die ihre Überzeugung nicht teilen, aber dennoch aus ihren Lehrmethoden Nutzen ziehen möchten. In dem Bestreben, ihren Beitrag zur Verbindung zwischen dem Evangelium und den Kulturen zu leisten, stellt die katholische Schule das Wissen in den Horizont des Glaubens, damit es zu einer Lebensweisheit werde, die die Menschen zum wahren Glück führe, das Gott allein geben kann. 5. Beim Nahen eines neuen Zeitalters freue ich mich über das von der UNESCO in Zusammenarbeit mit allen Mitgliedstaaten vollbrachte Werk. Auf Sie, Herr Generaldirektor, und auf alle, die durch die Teilnahme an der Sendung der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur im Dienst der Menschheit stehen, rufe ich den Beistand des göttlichen Segens herab. Castel Gandolfo, den 28. August 1999 Joannes Paulus PP. II 795 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Geiste des hl. Franziskus den 15. Weltjugendtag in Rom vorbereiten Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer des Ersten Internationalen Kongresses der „Jugend nach Assisi“ in Castel Gandolfo am 28. August Liebe Jugendliche! 1. Mit aufrichtiger Freude wende ich mich an euch am Ende eures ersten Internationalen Kongresses unter dem Thema „Jugend nach Assisi“, den ihr in Form eines Pilgerweges durchgeführt habt. Ihr habt die Spuren des hl. Franz von Assisi wieder aufgenommen. Willkommen! Ich grüße euch alle herzlich. Mein Dank gilt jedem von euch für den Beitrag, den ihr zum Gelingen der Veranstaltung geleistet habt. Ich danke dem Generalminister der Minoriten für die freundlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Besonders gilt meine Anerkennung den Minoriten, die euch diese einzigartige Pilgerfahrt als Zeit der Erfahrung vor dem Jubiläum angeboten haben. Sie soll Vorbereitung für den 15. Weltjugendtag im Jahre 2000 sein, der ungefähr in einem Jahr in Rom stattfmdet. Ihnen wünsche ich, dass sie stets ihre Weihe als Geschenk erfahren können, das der Herr der Kirche, getreu der vom „Poverello“ von Assisi dem Orden übertragenen Lebensweise, macht. 2. Liebe Jungen und Mädchen, der Weg, der euch an die der marianischen und franziskanischen Spiritualität so verbundenen Orte geführt hat, wurde von Augenblicken des Gebetes, der Buße und von Begegnungen zur Betrachtung begleitet. In Padua, in Loreto und in Assisi habt ihr Gelegenheit gehabt, bedeutende Heiligtümer des Glaubens in Italien zu besichtigen, und eure heutige Station in Rom vollendet euren geistlichen Weg. Euch leitet die Frage: „Warum, Franziskus, geht dir die Welt nach?“ Nachdem ihr Lehren und Zeugnisse gehört habt, bin ich sicher, dass ihr nützliche Anregungen für eure erneuerte Zuneigung zum Evangelium empfangen konntet. Ihr seid heute gekommen, um nach dem Beispiel des hl. Franziskus dem Papst zu begegnen, um eure Treue zur Kirche zu bekräftigen. Der Heilige sagte über die Kirche: „Die Bande der Liebe und des Friedens wird sie in uns unverletzt erhalten. ... Die heilige Beobachtung des reinen Evangeliums wird unter ihren Augen stets blühen, und sie wird nicht dulden, daß der Wohlgeruch des Lehens auch nur auf eine Stunde entschwinde“ (2 Cel XVI, 24; Thomas von Celano, Leben und Wunder des heiligen Franziskus von Assisi, Einführung, Übersetzung, Anmerkungen: Engelbert Grau OFM, Franziskanische Quellenschriften, Bd. 5, 4. neubearbeitete Auflage, Dietrich Coelde Verlag, Werl 1988, S. 244). Danke für euren Besuch! Ihr habt mir eine Regel für ein Leben im Geiste des Evangeliums überreicht, die ihr zu praktizieren beabsichtigt, wie es der hl. Franziskus bei meinem verehrten Vorgänger Honorius III. getan hat, und, damit verbunden, einen finanziellen Beitrag geleistet, die Frucht eures Bußtages. Auch dafür danke ich euch herzlich. 796 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Jetzt endet eure Erfahrung, und bei eurer Rückkehr nach Hause könnt ihr euren Altersgenossen erzählen, wie viel ihr in diesen Tagen erfahren habt. Diese Pilgerfahrt ist sicherlich eine günstige Gelegenheit für eine Begegnung mit Gott und mit euch selbst gewesen. Sie hat euch die Möglichkeit gegeben, das Angesicht Gottes (vgl. Ps 27,8) und seine liebenswürdige Heiligkeit zu betrachten und auf die heilende Macht seiner Gnade und seiner Barmherzigkeit zu vertrauen. Zeigt euch dem Herrn für die Begleitung durch geduldige Lehrer dankbar, die euch geistlich Schritt für Schritt geführt haben, und jetzt, da ihr wieder den Weg in andere Richtungen geht, bewahrt euch ein folgsames Herz im Hören auf Gott. Wenn ihr wieder euren normalen Beschäftigungen nachgeht, verbreitet das Licht um euch, das euren Geist erhellt hat. Liebt und folgt Christus! Wenn der Weg schwierig ist und euch manchmal die Müdigkeit überfallt, ruht euch im Schatten des Gebets aus. Im Gespräch mit Gott werdet ihr Frieden und Stärkung finden. Die „Zeugen“, die ihr besser kennengelemt und mehr schätzen gelernt habt, werden euch Wegbegleiter sein. In der ihm geweihten Basilika in Padua seid ihr dem hl. Antonius begegnet, einem Mann des Evangeliums, der den Weg einer geduldigen und eifrigen Suche nach Gott zurücklegte. Im Heiligen Haus in Loreto hat euch das im Zuhören demütige Herz Mariens, „die Jungfrau, zur Kirche gemacht“, wie sie der hl. Franziskus gern nannte, den menschgewordenen Christus vorgestellt. (B. VM. 1; Gruß an die selige Jungfrau Maria, in: Die Schriften des heiligen Franziskus von Assisi, Einführung, Übersetzung, Anmerkungen: Lothar Hardick OFM und Engelbert Grau OFM, Franziskanische Quellenschriften, Bd. 1, 9. Auflage, Dietrich Coelde Verlag, Werl 1994, S. 128). In Assisi hat euch Franziskus, freies und betendes Herz, barmherzig und brüderlich belehrt, für alle Menschen und für alle Kreaturen ein Mitgefühl zu empfinden; der Einladung der Schrift folgend, darüber nachzudenken: „Schaut auf das Ende ihres Lebens, und ahmt ihren Glauben nach! Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit!“ (Hehr 13,7-8) 4. Liebe Jugendliche, dieser euer Weg der Begegnungen, der beeindruckende Orte und Themen des Glaubens berührt hat, kann als vorweggenommener Weltjugendtag betrachtet werden, der zu Gottes Gefallen im nächsten Jahr hier in Rom stattfindet. Ich lade euch schon jetzt alle ein, daran teilzunehmen. Im Herzen des Heiligen Jahres 2000 wird er tatsächlich eine außergewöhnliche Gelegenheit für euch Jugendliche sein: Christus braucht euch als Mitwirkende nach seinem universalen Heilsplan für den Aufbau des neuen Jahrtausends. Es ist sicher eine anspruchsvolle Aufgabe, das Evangelium zu leben; aber nur mit Christus ist es möglich, wirkungsvoll die Kultur der Liebe aufzubauen. Möge euch Maria begleiten, Stern des Weges; mögen euch der hl. Antonius, der hl. Franziskus und die hl. Klara schützen. Ich meinerseits bleibe euch nahe im Gebet. Bevor ich euch jetzt entlasse, segne ich euch mit den dem hl. Franziskus so lieben Worten der Schrift, die ihr sicher oft gehört habt: „Der Herr möge euch segnen und euch behüten, er zeige euch sein Angesicht und erbarme sich eurer. Er wende sein Antlitz euch zu und schenke euch seinen Frieden“ (vgl. Num 6,21-26; Die Schrif- 797 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten des heiligen Franziskus von Assisi, Einführung, Übersetzung, Anmerkungen: Lothar Hardick OFM und Engelbert Grau OFM, Franziskanische Quellenschriften, Bd. 1, 9. Auflage, Dietrich Coelde-Verlag, Werl 1994, S. 210). Massakern ein Ende setzen Botschaft an die Bischöfe von Ost-Timor vom 9. September Exzellenzen Bischof Carlos F. Ximenes Belo SDB, Apostolischer Administrator von Dili; Bischof Basilio Do Nascimento, Apostolischer Administrator von Baucau Mit großer Betrübnis erreichen mich stündlich immer tragischere Nachrichten aus dem geschätzten Land Ost-Timor. Ich bin tief betroffen, dass sich die aus der kürzlichen Volksbefragung hervorgegangenen Hoffnungsschimmer in den Terror von heute ausgeartet haben, den nichts und niemand rechtfertigen kann. In diesen Stunden des Leidens möchte ich Ihnen beiden, dem Klerus, den Seminaristen, den Ordensleuten und den Gläubigen der zwei Diözesen diesen Ausdruck meiner geistlichen Nähe übermitteln, während ich im Gebet derjenigen gedenke, die verstorben sind, der Verletzten, der Flüchtlinge, der Verschleppten und all derer, die in Not sind. Ich rufe jedermann auf, festzuhalten an der Hoffnung auf den Sieg des Kreuzes, gerade jetzt in dieser leidvollen Zeit der Passion. Entschieden missbillige ich die Gewalt, die erbittert auch gegen die Gemeinschaft und den Besitz der katholischen Kirche entfesselt wurde. Ich beschwöre die für so viele Akte der Ruchlosigkeit Verantwortlichen, ihre mörderischen und zerstörerischen Vorhaben aufzugeben. Es ist ebenso mein von Herzen kommender Wunsch, dass sobald wie möglich Indonesien und die internationale Gemeinschaft dem Gemetzel ein Ende setzen und erfolgreiche Wege finden, den rechtmäßigen Bestrebungen der Bevölkerung von Timor entgegenzukommen. Mit diesen Empfindungen, glühenden Wünschen und als ein Zeichen göttlichen Trostes spende ich euch und euren christlichen Gemeinschaften von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 9. September 1999 Joannes Paulus PP. II 798 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Soziallehre der Kirche — ihre Aktualität in unserer Zeit Ansprache bei der Sonderaudienz für die Mitglieder der Stiftung „Centesimus Annus - Pro Pontifice“ am 10. September Verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Es ist mir eine Freude, Sie wieder zu treffen, liebe Mitglieder der Stiftung „Centesimus Annus - Pro Pontifice“, die Sie hier mit Ihren Angehörigen zusammengekommen sind. Ich grüße Erzbischof Agostmo Cacciavillan, Präsident der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls, dem ich für seine freundlichen an mich gerichteten Worte danke. Mit ihm grüße ich auch Erzbischof Claudio Maria Celli, Sekretär dieser Verwaltung, Msgr. Daniele Rota und Don Massimo Magagnin, die Nationalassistenten, und die anderen anwesenden Priester. Schließlich richte ich ein herzliches Willkommen an Sie alle, die Sie an diesem Treffen teilnehmen. Das letzte Mal, als Sie sich getroffen haben, war erst im letzten Februar. Sie haben aber das Bedürfnis verspürt, sich im Hinblick auf das bevorstehende Jahr 2000 erneut zu begegnen. Das Jubiläum stellt tatsächlich ein großes kirchliches Ereignis dar, zu dem Ihre Stiftung zur Mitarbeit aufgerufen ist, um innerhalb der Jubiläumsveranstaltungen der Arbeitswelt den Bereich der im Finanzwesen Tätigen vorzubereiten. Ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft und freue mich mit Ihnen, dass Sie - im Hinblick auf dieses Ereignis - in angemessener Weise beschlossen haben, das Thema „Ethik und Finanzwesen“ zu vertiefen. Ich weiß von Ihrer Absicht, einen internationalen Kongress über das Thema am Vortag des Jubiläumstages zu veranstalten. Mit Freude sehe ich ein derart wichtiges Ereignis und wünsche, dass es reichlich Früchte bringt. Heute haben Sie sich viel Zeit genommen, um Erzbischof Miroslav Marusyn, Sekretär der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, anzuhören. Er hat zu Ihnen über meine letzte apostolische Reise nach Rumänien und über die vielen geistigen und materiellen Notwendigkeiten gesprochen, die das Leben der orientalischen Kirchengemeinschaften prägen. 2. Sehr geehrte Damen und Herren! In Ihren täglichen Erfahrungen können Sie feststellen, wie im Inneren des durchdringenden Phänomens der Globalisierung, die den augenblicklichen geschichtlichen Zeitpunkt bestimmt, ein wesentlicher und folgenreicher Aspekt jener der sogenannten „Finanzierung“ der Wirtschaft ist. In den wirtschaftlichen Beziehungen haben die finanziellen schon bei weitem die realen Transaktionen übertroffen, so sehr, dass der Bereich des Finanzwesens schon autonom ist. Dieses Phänomen stellt auch unter dem ethischen Aspekt neue und nicht leichte Fragen. Eine von diesen betrifft das Problem der Beziehung zwischen dem hervor- 799 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gebrachten Reichtum und der Arbeit, bedingt durch die Tatsache, dass es heutzutage möglich ist, schnell große Reichtümer ohne jeden Zusammenhang mit einer bestimmten Quantität an verrichteter Arbeit zu schaffen. In der Enzyklika Centesimus annus (Nr. 58), die sich mit der Frage der „Intemati-onalisierung der Wirtschaft“ beschäftigt, habe ich auf die Notwendigkeit hingewiesen, „internationale Kontroll- und Leistungsorgane, die die Wirtschaft auf das Gemeinwohl hinlenken“, zu fördern und dabei zu beachten, dass auch die ökonomische Freiheit nur ein Teil der menschlichen Freiheit ist. Die finanzielle Tätigkeit kann nach eigenem Charakter nur darauf ausgerichtet sein, dem Gemeinwohl der menschlichen Gesellschaft zu dienen. Man fragt sich jedoch, welche Wertkriterien die Entscheidungen der Berufstätigen auch jenseits der Bedürfnisse eines funktionierenden Marktes lenken sollen - in einem Augenblick wie diesem, in dem ein normativer und dem internationalem Recht angepasster Rahmen fehlt. Und außerdem: Welche Behörden sind geeignet, solche Richtlinien auszuarbeiten und vorzugeben sowie deren Einhaltung zu überwachen? Ein erster Schritt steht den Berufstätigen selbst zu, die sich darum bemühen könnten, einen ethischen oder einen an dieses Verhalten gebundenen Kodex für diesen Bereich auszuarbeiten. Die Verantwortlichen der internationalen Gemeinschaft sind aufgerufen, geeignete rechtliche Maßnahmen in die Wege zu leiten, um den- gefährlichen Situationen entgegenzutreten, die - wenn sie nicht „gelenkt“ werden - nicht nur im ökonomischen, sondern auch im sozialen und politischen Bereich verheerende Folgen haben könnten. Die Schwächsten wären sicherlich die ersten, die am meisten einbüßen müssten. 3. Die Kirche, die die Lehrerin der Einheit ist und mit den Menschen durch ihre Berufung unterwegs ist, fühlt sich verpflichtet, vor allem gegenüber den Ärmsten die Rechte mit beständiger Sorge zu schützen. Mit ihrer Soziallehre bietet sie ihre Hilfe für die Lösung dieser Probleme an, die in verschiedenen Bereichen das Leben der Menschen berühren. Sie weiß, dass „zwar Wirtschaft und Moral, jede in ihrem Bereich, ihren eigenen Gesetzen unterstehen. Dennoch ist es ein Irrtum zu behaupten, die wirtschaftliche und die sittliche Ordnung seien so sehr voneinander verschieden und einander fremd, daß die erstere in keiner Weise von der letzteren abhänge“ (Pius XI., Quadragesimo anno, 42; in: Summa Pontificia, Bd. 2, hg. von Amand Reuter, Abensberg 1978, S. 652 f.). Die Herausforderung erweist sich als hart wegen der Komplexität der betreffenden Phänomene und wegen der Schnelligkeit, mit der sie entstehen und sich entwickeln, schwierig. Die Christen, die im Innern des ökonomischen und besonders des finanziellen Bereichs arbeiten, sind aufgerufen, gangbare Wege festzulegen, um dieser Pflicht zur Gerechtigkeit nachzukommen. Diese ist für sie wegen ihrer kulturellen Ausrichtung eindeutig, aber auch für jeden anderen nachvollziehbar, der den Menschen und das Gemeinwohl in den Mittelpunkt eines jeden sozialen Projekts stellen will. 800 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ja, jede Ihrer Tätigkeiten im finanziellen und administrativen Bereich muss immer zum Ziel haben, niemals die Würde des Menschen zu verletzen. Deshalb müssen Strukturen und Systeme geschaffen werden, die das Gemeinwohl, die Gerechtigkeit und die Solidarität unterstützen. 4. Schließlich muss erreicht werden, dass die Prozesse der Globalisierung von Markt und Kommunikation nicht durch sich selbst eine negative ethische Nebenbedeutung besitzen. Daher ist eine Haltung der gesamten und aprioristischen Ablehnung ihnen gegenüber nicht gerechtfertigt. Dennoch können die grundsätzlich als fortschrittlich erscheinenden Faktoren besonders zum Nachteil der Ärmsten sein. Tatsächlich bringen sie schon ambivalente oder eindeutig negative Folgen mit sich. Deshalb geht es darum, den Wendepunkt in einer Weise wahrzunehmen, dass er dem Gemeinwohl zum Vorteil gereicht. Die Globalisierung wird viele positive Folgen haben, wenn sie von einem starken Sinn für Absolutheit, für die Würde aller Menschen sowie von dem Grundsatz, dass die Güter der Erde für alle bestimmt sind, unterstützt werden kann. In dieser Richtung bleibt Raum, auch im Innern eines der Spekulation ausgesetzten Bereichs aufrichtig und konstruktiv zu arbeiten. Dazu reicht es nicht aus, örtliche Gesetze oder nationale Bestimmungen zu beachten. Notwendig ist ein Sinn für globale Gerechtigkeit sowie Verantwortung, die auf dem Spiel stehen. Man muss die strukturelle, gegenseitige Abhängigkeit der Beziehungen zwischen den Menschen auf der anderen Seite der nationalen Grenzen zu Kenntnis nehmen. In der Zwischenzeit ist es angebracht, die Projekte der „Finanzethik“, des Kleinkredits und des „ausgeglichenen und solidarischen Handels“ zu unterstützen und zu fordern. Sie sind für alle erreichbar und besitzen einen positiven und auch erzieherischen Wert im Hinblick auf die globale Verantwortung. 5. Wir leben am Ausgang eines Jahrhunderts, das auch auf diesem Gebiet schnelle und grundlegende Veränderungen kennengelemt hat. Die bevorstehenden Feierlichkeiten des Großen Jubiläums im Jahre 2000 stellen eine besondere Gelegenheit dar, um ausführlich über diese Problematik nachzudenken. Deshalb bin ich Ihrer Stiftung „Centesimus Annus - Pro Pontifice“ dankbar, die ihre Arbeit im Blick auf das große Jubiläumsereignis ausgerichtet und die von mir im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente aufgezeigte Perspektive berücksichtigt hat. Ich habe tatsächlich geschrieben, dass „in einer Welt wie der unseren, die von so vielen Konflikten und unerträglichen sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten gezeichnet ist, der Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden ein tauglicher Gesichtspunkt der Vorbereitung und Feier des Jubeljahres ist“ (Nr. 51). Sie haben verstanden, meine Lieben, dass das Jubiläumsjahr Sie einlädt, Ihren besonderen und qualifizierten Beitrag zu leisten, bis das Wort Christi, der gekommen ist, den Armen die Frohe Botschaft zu verkünden (vgl. Lk 4,18), Bestätigung finden kann. 801 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bei dieser Aufgabe ermutige ich Sie herzlich mit dem Wunsch, dass durch das Jubiläum „eine neue Kultur internationaler Solidarität und Zusammenarbeit [entstehe], in der alle - besonders die reichen Länder und der private Bereich - ihre Verantwortung für ein Wirtschaftsmodell übernehmen, das jedem Menschen dient“ (Incarnationis mysterium, Nr. 12). Mit diesem Empfindungen wünsche ich von ganzem Herzen, dass die Stiftung wachse, um so eine immer wirksamere Zusammenarbeit mit dem Hl. Stuhl und der Kirche im Wirken für die Neuevangelisierung und bei der Errichtung der Kultur der Liebe anzubieten. Jedes Ihrer Projekte und jede Ihrer Initiativen vertraue ich Maria, der Mutter der Hoffnung, an. Möge mein Segen Sie begleiten und unterstützen, den ich Ihnen und allen Ihnen nahestehenden Menschen gerne erteile. Habt keine Angst vor der Aufgabe, die euch erwartet: Eure Hoffnung und eure Jugendlichkeit werden euch helfen Botschaft an die israelische und palästinensische Jugend für den Frieden in Nahost vom 22. September Liebe israelische und palästinensische Jugend! Vor einigen Wochen war rund um die Welt die Stimme der Hoffnung und Genugtuung zu hören, als eure Führer ein historisches Übereinkommen Unterzeichneten. Nun blicken die Menschen überall voll Vertrauen und Erwartung auf dieses Abkommen und hoffen, dass es sich immer mehr festigen und zu einem wirksamen und dauernden Frieden führen wird. Ihr jungen Leute und all jene, die ihr vertretet, müsst als erste die Hoffnungen eurer Völker und der ganzen Welt verwirklichen. Die Entscheidungen, die ihr für euch selbst und hinsichtlich eurer Berufung in der Gesellschaft trefft, werden die Friedensaussichten heute und morgen bestimmen. Liebe junge Israelis und Palästinenser, Juden, Muslime und Christen, ich wiederhole euch gegenüber heute die Einladung, die ich anlässlich des Weltfriedenstages 1985 an alle jungen Menschen richtete. Darin betonte ich die Rolle, die die Jugend in den Bemühungen um die Förderung des Friedens zu spielen berufen ist. An der Schwelle des neuen Jahrtausends müsst ihr dahin kommen, klarer zu sehen, dass die Zukunft des Friedens, und daher die Zukunft der ganzen Menschheit, von den grundlegenden Entscheidungen abhängt, die eure Generation treffen wird. In einigen Jahren wird eure Generation dafür verantwortlich sein, wie sich das Geschick eurer Völker, eurer Nationen und der Welt insgesamt gestalten wird. Es ist ein moralischer Imperativ, dass ihr eine neue Gesellschaft aufzubauen helft, eine neue Zivilisation, die immer fester auf gegenseitiger Achtung, Brüderlichkeit und dem Geist der Zusammenarbeit beruht. Niemand von uns ist allein auf der Welt; jeder von uns bildet einen lebenswichtigen Teil im großen Mosaik der gesamten Menschheit. 802 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Habt keine Angst vor der Herausforderung, die euch erwartet: Eure Hoffnung und eure Jugendlichkeit werden euch in dieser anspruchsvollen Aufgabe beistehen. Aber ihr werdet sie nur erfüllen können, wenn es euch gelingt, eure eigenen Herzen von dem Frieden durchdringen zu lassen, den ihr euren Völkern und der Welt zu bringen beabsichtigt - nicht mehr einen Frieden, der nur auf Verträgen und Übereinkommen beruht, so edelmütig und notwendig diese auch sein mögen, sondern einen Frieden, der im Innern jedes Menschen seinen Ursprung hat. Das ist unbedingt erforderlich, wenn der Friede fest und dauerhaft sein soll. Zum Schluss sage ich in besonderer Weise zu euch, was ich zu den jungen Menschen der Welt in der oben erwähnten Botschaft sagte: „Die Zukunft des Friedens liegt in euren Herzen. Um Geschichte so, wie ihr es könnt und müsst, zu gestalten, müßt ihr sie von den falschen Wegen befreien, denen sie jetzt folgt. Um dies zu tun, müßt ihr Menschen sein mit einem tiefen Vertrauen in den Menschen und einem tiefen Vertrauen in die Größe menschlicher Berufung - einer Berufung, der man mit Respekt vor der Wahrheit sowie vor der Würde und den unantastbaren Rechten der menschlichen Person entsprechen muß.“ Ihr wisst, dass ich, wenn Gott will, vorhabe, auf eine Pilgerreise ins Heilige Land zu gehen und den Spuren der Heilsgeschichte zu folgen. So Gott will, werden wir also das Glück haben, uns auf eurem eigenen Boden wieder zu begegnen. Ich bin voll Zuversicht, dass ihr bis dahin euer Unternehmen begonnen habt und dass wir zusammen seine ersten Früchte werden sehen können. „Good-bye“ bis dahin, „Auf Wiedersehen!“, und möge Gott eurem Bemühen reichen Segen schenken! Aus dem Vatikan, 22. September 1999 Joannes Paulus PP. II Chancen und Risiken uneingeschränkter Kommunikation Botschaft an Herrn Paolo Scandaletti, Präsident des Italienischen Katholischen Presseverbands (UCSI) vom 22. September 1. Der 40. Gründungstag des Italienischen Katholischen Presseverbands bietet mir die willkommene Gelegenheit, einen herzlichen Gmß an Sie und alle Mitglieder dieser Vereinigung zu richten. Gerne verbinde ich das mit dem Ausdruck meiner Wertschätzung für den Dienst, den UCSI durch den Einsatz qualifizierter Fachleute auf dem weiten Gebiet der Sozialkommunikation, insbesonders im Bereich der Presse, für die Evangelisierung leistet. In diesem Zusammenhang weiß ich wohl, mit welcher Gewissenhaftigkeit der UCSI versucht, zur Verbreitung der christlichen Werte durch eine wirksame und engmaschige Aktion in Tageszeitungen und Zeitschriften beizutragen. Mein Lob gilt daher den katholischen Journalisten, die zum UCSI gehören, für den apostoli- 803 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Eifer, der ihre tägliche Arbeit belebt: Das mutige Glaubenszeugnis, das jeder von ihnen im Bereich der Massenmedien gibt, ist ein wertvoller Dienst zum Schutz und zur Förderung des wahren Wohls der Person und der Gemeinschaft, 2. Die unaufhaltsame Entwicklung der sozialen Kommunikationsmittel beeinflusst Menschen und öffentliche Meinung immer stärker. Dies erhöht die Verantwortung der Personen, die direkt auf diesem Gebiet tätig sind, denn sie werden dadurch dazu veranlasst, Entscheidungen zu treffen, die sich an der Wahrheitssuche und am Dienst für das Gemeinwohl orientieren. Deshalb soll darauf hingewiesen werden, dass in breiten Schichten der heutigen Gesellschaft eine starke Erwartung nach Gutem zu bemerken ist, die allerdings in Zeitungen oder in Radio- und Femsehnachrichten nicht immer ausreichend zur Geltung kommt. Dort folgen nämlich die Parameter zur Bewertung der Ereignisse eher kommerziellen als sozialen Kriterien. Die Tendenz geht dahin, dem „Aufsehenerregenden“ und „Sensationellen“ den Vorrang zu geben über anderen Aspekten, die allerdings dabei helfen könnten, die Geschehnisse in der Welt besser zu verstehen. Die Gefahr, die sich dabei ergibt, ist eine Verzerrung der Wahrheit. Um Abhilfe zu schaffen, ist es dringend geboten, dass die im Bereich der Information engagierten Christen sich zusammen mit allen Menschen guten Willens für eine größere Achtung der Wahrheit einsetzen. Durch die Herausstellung von Themen wie Frieden, Ehrlichkeit, Leben, Familie, und durch eine weniger starke Betonung negativer Ereignisse könnte man die Entstehung eines neuen Humanismus, der die Tore für die Hoffnung öffnet, unterstützen. In der Botschaft zum XXXIIL Tag der sozialen Kommunikationsmittel schrieb ich: „Die kirchliche Kultur der Weisheit kann die Informationskultur der Medien davor bewahren, zu einer sinnlosen Anhäufung von Fakten zu werden; und die Medien können der Weisheit der Kirche helfen, aufmerksam zu bleiben für das Angebot des heute zu Tage tretenden neuen Wissens“ (24.1.1999, Nr. 4). Unter diesem Gesichtspunkt erscheint Information immer mehr als unverzichtbarer Wert, als soziales Gut, dessen gerechte Verteilung unter allen Benutzern zu gewährleisten wesentlich ist. 3. Die digitale Revolution, von der die Welt der Information dieses ausgehenden Jahrtausends geprägt ist, hat zu einem neuen Verständnis der Kommunikation geführt. Die bisher bekannten Paradigmen sind verändert: Es gibt nicht mehr nur Quellen, die Informationen verbreiten können, und Empfängergruppen, die Nachrichten aufhehmen können. Ein Netz untereinander verbundener Computer ermöglicht eine hierarchische Gleichstellung zwischen Sendern und Empfängern von Nachrichten, mit gegenseitigem Nachrichtenaustausch. Diese einzigartige Gelegenheit besitzt ein beispielloses kulturelles Potential mit Auswirkungen auf die soziale und politische Ordnung zugunsten der Schwächeren und weniger Wohlhabenden. Sie läuft jedoch Gefahr, jede ihrer Möglichkeiten nicht vollständig zum Ausdruck zu bringen, wenn den Benutzern nicht gleiche Rechte im Hinblick auf den Zugang zu den Informationsnetzen eingeräumt werden. 804 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Strömungen der Kommunikation sind in der Lage, die traditionellen Schranken von Raum und Zeit aufzuheben, sie überschreiten die Grenzen und entgehen praktisch jeder Form von Zensur. Die Unmöglichkeit einer Kontrolle fuhrt zu wahren Überflutungen mit Nachrichten, die der Einzelne de facto nicht verifizieren kann. Es droht also die Entstehung eines auf die großen Informationskonzeme gegründeten Systems. Diese sind - sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene - in der Lage, in einer Situation vollkommener„Deregulierung“ zu arbeiten und schaffen auf diese Weise Bedingungen der Überlegenheit und daher der kulturellen Unterwerfung. 4. Der Hinweis auf die individuelle Verantwortung der Personen, die im Bereich der Sozialkommunikation tätig sind, reicht allein nicht aus, um eine Führung dieses komplizierten Verwandlungsprozesses zu gewährleisten. Es ist der Einsatz durch die Regierungsbehörden erforderlich. Insbesondere aber ist ein allgemeines Bewusstwerden seitens der Benutzer erforderlich. Sie müssen in die Lage versetzt werden, ihre Situation als passive Empfänger von Nachrichten, die ihre Häuser überfluten und ihre Familien einbeziehen, abzulehnen. Die Massenmedien bergen nicht selten das Risiko, den Platz von Erziehungseinrichtungen einzunehmen. Dabei zeigen sie kulturelle Vorbilder und Verhaltensmuster, die nicht immer positiv sind und denen gegenüber vor allem die Jugendlichen schutzlos sind. Es ist also unerlässlich, allen Menschen eine angemessene kulturelle Ausstattung für einen „Dialog“ mit den Medien an die Hand zu geben, um die Entscheidungen zur Information in eine positive Richtung zu lenken, die der Achtung des Menschen und seines Gewissens Rechnung trägt. Diese Probleme von hoher moralischer Relevanz rufen die Kirche und die Laienverbände auf den Plan, sowohl auf zentraler Ebene als auch in den unterschiedlichen Gliederungen der Diözesen und Gemeinden. Die Pastoral der Kommunikation erweist sich als immer wichtigerer Bezugspunkt sowohl für diejenigen, die mit den Medien arbeiten als auch für die, die sie benutzen. Daher ermutige ich Sie, Ihre apostolische Aktion zu verstärken im Bewusstsein um Ihre Verantwortung in Kirche und Gesellschaft. 5. Die vierzigjährige Geschichte des Italienischen Katholischen Presseverbandes belegt, dass - auch in diesem besonderen Sektor kulturellen Wirkens - die Mitarbeit der Laien gesucht und durch eine neue seelsorgerische Aufmerksamkeit gestärkt werden muss. In Italien hat die Tradition des katholischen Pressewesens ein unbestreitbares Gewicht gehabt in der Formung mehrerer Generationen von Gläubigen, die von lebendigem Glauben beseelt sind. Wie viele Journalisten haben eine tiefe Spur hinterlassen, und wie viele andere sind auch heute noch mit Opfergeist und Kompetenz im Bereich der Medien tätig! Angesichts der Entwicklung der sogenannten „Medienkultur“, fugt sich die auch in jüngster Zeit wieder aufgenommene Idee eines Komitees für Ethik in den Medien, das über mögliche Manipulationen der Information wachen soll, in die Kulturtradition der Soziallehre der Kirche ein. Sie bestätigt außerdem den Grundsatz, 805 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wonach - auch in der Welt der sozialen Kommunikation - nicht alles, was technisch machbar ist, auch sittlich zulässig ist. Wir gehen auf das Große Jubeljahr 2000 zu. Ich weiß, dass Sie zur Vorbereitung auf dieses einzigartige Ereignis und unter der Leitung der Hirten Ihrer Diözesen sich mit den Paulusbriefen beschäftigen und mit den bedeutendsten Abschnitten aus der Heiligen Schrift auseinandersetzen. Das ist die beste Methode, sich auf den Eintritt ins neue Jahrtausend zu rüsten in der tiefen Überzeugung, dass jeder Mitarbeiter der sozialen Kommunikation, wenn er seinen Auftrag ernsthaft und bewusst ausfuhrt, aktiv beteiligt ist am großen Heilsplan, den das Jubeljahr uns in seiner eindrucksvollsten Wirklichkeit erneut vor Augen stellt. Das bevorstehende Heilige Jahr wecke in allen Mitgliedern des Verbandes den erneuerten Wunsch, Christus und seinem Reich zu dienen. Mit diesen Empfindungen rufe ich auf jeden von euch den mütterlichen Schutz Marias herab, und ich spende Ihnen, Herr Präsident, und allen Mitgliedern dieser verdienten Organisation den Apostolischen Segen als Unterpfand reicher Gnade des Himmels. Aus Castel Gandolfo, 22. September 1999 Förderung einer Synthese zwischen Glaube und Kultur Ansprache beim Welttreffen der Beauftragten der Bischofskonferenzen für die Universitätsseelsorge am 25. September Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofsamt liebe Brüder und Schwestern! 1. Diese Sonderaudienz anlässlich des Welttreffens der Beauftragten der Bischofskonferenzen für die Universitätsseelsorge ist für mich ein Anlass zur Freude, denn sie bietet mir unter anderem die Gelegenheit, euch meine aufrichtige Dankbarkeit für die Arbeit auszusprechen, die ihr im akademischen Umfeld eurer jeweiligen Nationen leistet. Ich begrüße Kardinal Pio Laghi, dem ich für die edlen Worte, mit denen er die gemeinsamen Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat, danken möchte. Außerdem grüße ich Kardinal Paul Poupard und die anderen anwesenden Bischöfe, zusammen mit den akademischen Autoritäten, die sich hier eingefunden haben. Meinen Gruß dehne ich auch auf euch alle aus, die ihr eure Energien in einem so wichtigen Bereich wie dem der Universität einsetzt. Dieses Welttreffen stellt sicherlich eine nützliche Bereicherung für euch alle dar, denn es ermöglicht euch einen gewinnbringenden Erfahrungsaustausch auf der Ebene der Ortskirchen. Darüber hinaus gibt es euch die Möglichkeit, gemeinsam die Heiligjahrfeier der Universitätsangehörigen vorzubereiten, zu dem nächstes 806 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jahr zahlreiche Vertreter von Universitäten und schulischen Einrichtungen aus der ganzen Welt in Rom Zusammenkommen werden. Ich weiß, dass ihr euch sorgfältig und gründlich auf diesen Termin vorbereitet. In dieser Hinsicht möchte ich meine lebhafte Genugtuung äußern in Bezug auf die Hilfe, die die Kongregation für das Katholische Bildungswesen zusammen mit dem Päpstlichen Rat für die Kultur und der Diözese Rom bereitgestellt hat, um die Universitätsangehörigen auf das Große Jubeljahr aufmerksam zu machen und vorzubereiten. Ich empfehle es euch und allen, die in der Universitätsseelsorge tätig sind: Es sind Anregungen zur Vertiefung und Vorschläge zur Durchführung, die gemäß der Kreativität der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten Antwort finden werden, um dann erneut - mit Freude und Enthusiasmus - in der gemeinsamen Feier des Weltjugendtages und, vor allem, in der Heilig-Jahr-Feier der Universitätslehrer im kommenden Jahr zusammenzufließen. 2. Das Thema, das ihr gewählt habt, nämlich: „Die Universität für einen neuen Humanismus“, stellt sich mutig an den heiklen Kreuzungspunkt zwischen der Dynamik des Wissens und dem Wort des Evangeliums. Ich bin sicher, dass dieses Thema, eurer Sorge und der Sorge der katholischen und kirchlichen Universitäten anvertraut, reiche Früchte bringen wird. Ihr beabsichtigt, die gesamte Universitätsgemeinschaft in all ihren mannigfaltigen Gliederungen (Studenten, Dozenten, Verwaltungspersonal) und in ihrer Besonderheit als bevorzugter Ort zur Ausarbeitung und Weitergabe der Kultur einzubeziehen: Im Evangelium findet sich die Grundlage einer Anschauung der Welt und des Menschen, die nicht aufhört, kulturelle, humanistische und ethische Wertigkeiten freizusetzen, die wiedemm die ganze Auffassung des Lebens und der Geschichte beeinflussen können. So bestätigt sich die zuweilen von dispersiven und pragmatischen Schüben in Frage gestellte ursprüngliche Berufung der Universität, nämlich, eine Stätte zu sein, die reich an Bildung und „humanitas“ ist und im Dienst der Lebensqualität steht, gemäß der umfassenden Wahrheit des Menschen auf seinem Weg durch die Geschichte. Es ist eine Kultur des Menschen und für den Menschen, die sich in den verschiedenen Wissensgebieten, in den Arten und Formen der Sittenstruktur und in der rechten und harmonischen Ordnung der Gesellschaft ausbreitet und sie durchdringt. Diesbezüglich gibt es nicht wenige Probleme, mit denen sich die Universitätspasto-ral in ihren täglichen Aktivitäten messen muss. Infolge der tiefen Veränderungen, die sich in diesem letzten Abschnitt des Jahrtausends ereignet haben, sind neue Probleme aufgetaucht. Ihnen liegt die ständige Auseinandersetzung der Beziehungen zwischen Glauben und Vernunft, zwischen Glauben und Kultur und zwischen Glauben und wissenschaftlichem Fortschritt zugrunde. Im akademischen Bereich ist das Auftreten neuen Wissens oder neuer kultureller Strömungen immer - sei es direkt oder indirekt - mit den großen Fragen über den Menschen verknüpft, über den Sinn seines Seins und Tuns, über den Wert des Gewissens, über die Deutung der Freiheit. Aus diesem Grand haben die katholischen Intellektuellen die vorrangige Aufgabe, eine neue und lebendige Synthese zwischen Glauben und Kultur zu 807 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fördern, ohne jedoch zu vergessen, dass in ihrer vielfältigen Ausbildungstätigkeit Christus, der einzige Erlöser der Welt, immer der zentrale Bezugspunkt bleibt. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Mit eurem Leben und eurer Arbeit verkündet ihr die große Nachricht: „Ecce natus est nobis Salvator mundi!“ Auf dieses Geheimnis konzentriert sich die Jubiläumsfeier, die jeden Gläubigen einlädt, sich zum unermüdlichen Verkünder dieser freudigen Wahrheit zu machen. Um diesen apostolischen Auftrag zu erfüllen, muss er sich aber willig vom Wort Gottes leiten lassen. Das geht aus dem apostolischen Testament des hl. Paulus an die Ältesten von Ephesus hervor: „Und jetzt“ - so sagte er - „vertraue ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade an“ (Apg 20,32). Der Apostel vertraut die Ältesten dem Wort an in der Überzeugung, dass sie vom Wort Gottes getragen werden, noch bevor sie Träger des Wortes sind, und zwar deshalb, weil das Gotteswort mächtig und wirksam ist. Als lebendige und kraftvolle Wirklichkeit (vgl. Hebr 4,12) hat es die Macht, zu retten (vgl. Jak 1,21), das Erbe in der Gemeinschaft der Geheiligten zu verleihen (Apg 20,32) und die Weisheit, die zur Rettung führt, zu vermitteln (vgl. 2 Tim 3,15.17), denn „es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt“ (Röm 1,16). In dieser Hinsicht betont das II. Vatikanische Konzil, dass das Evangelium die Kraft besitzt, Leben und Kultur ständig zu erneuern, sie zu reinigen und zu erheben (vgl. Gaudium et spes, Nr. 58). Die Feststellung der Unzulänglichkeit der eigenen Kräfte angesichts der auftretenden Schwierigkeiten darf uns nicht entmutigen. Das war auch das Drama des hl. Paulus, der sich jedoch der Macht des Evangeliums bewusst war und deshalb den Korinthern gegenüber bekräftigte: ,.Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen; so wird deutlich, daß das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt“ (2 Kor 4,7). 4. Jede apostolische Aktion im Rahmen der Universität muss auf eine persönliche Begegnung der Jugendlichen, der Dozenten und aller, die sich innerhalb der akademischen Welt bewegen, mit Christus abzielen. Zu diesem Zweck erweist sich ein besonderer Seelsorgedienst an der Universität als besonders nützlich: Er bemüht sich, die verschiedenen kirchlichen Einrichtungen, die auf diesem Gebiet aktiv sind, anzuregen und zu koordinieren, von der Kaplanei bis zu den Kollegien, von den Pfarrgruppen bis zu den Fakultätsgruppen. Der Horizont der Evangelisierung der Kultur ist nämlich nicht auf die Grenzen des Universitätsgeländes beschränkt: Er umspannt die gesamte kirchliche Tätigkeit und wird umso wirksamer, je mehr er sich in eine organische Seelsorge einzufügen vermag. In diesem Zusammenhang ist es wünschenswert, dass an jeder Hochschule eine Kaplanei als Herz der Universitätsseelsorge entsteht. Sie soll ein Antriebszentrum für die Ausbildung und die evangelisierungsspezifischen kulturellen Initiativen sein. Ihre Aufgabe wird es sein, einen offenen und ehrlichen Dialog mit den verschiedenen Teilen der Universität zu pflegen, indem sie geeignete Wege im Hinblick auf die Suche nach einer persönlichen Begegnung mit Christus aufzeigt. 808 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auch die Organisation von wichtigen Initiativen auf nationaler Ebene wird sich als nützlich erweisen, so zum Beispiel die Beratende Versammlung für die Universitätsseelsorge bei der Bischofskonferenz und der „Tag der Universität“, mit Gebet, Reflexion und anderen Programmpunkten. Es wäre weiterhin angebracht, dass in Zusammenarbeit mit den pastoralen Organen der Bischofskonferenzen eine Koordinierungsstelle für die Universitätsseelsorger jedes Kontinents eingerichtet würde, wie es in Europa schon der Fall ist, um in solch einem Zusammenwirken den vielfältigen Reichtum der lokalen Initiativen zu verstärken. 5. Liebe Brüder und Schwestern! Die Kirche lädt euch ein, Evangelisatoren der Kultur zu sein. Der erleuchtete und vom Wort Gottes geleitete Gläubige fürchtet sich nicht davor, sich mit dem menschlichen Denken zu messen. Im Gegenteil: Er nimmt es als passend an in der Gewissheit der Transzendenz der offenbarten Wahrheit, die alle menschlichen Bemühungen erleuchtet und aufwertet. Weisheit und Wahrheit kommen von Gott: Wo man sich um ehrliche Überlegungen bemüht und wo eine selbstlose Leidenschaft für die Wahrheit existiert, dort tut sich schon ein Weg auf, der zu Christus, dem Retter der Menschen, führt. Liebe Brüder und Schwestern! Ihr könnt gewiss sein: In diesem anspruchsvollen missionarischen Auftrag seid ihr nicht allein. Christus geht mit euch! Seid also mutig in der Verkündigung und im Zeugnis für Christus: Diese Verkündigung hat die Kraft und Macht, die Zuhörer aufzurütteln, zu verwundern und sie zu persönlicher Stellungnahme dazu herauszufordem (vgl. Lk 2,34—35). Ich erbitte den Schutz Marias, „Sedes sapientiae“, für euch, für eure akademischen Gemeinschaften und für jene, denen ihr in eurem täglichen Dienst begegnet; ich versichere euch eines besonderen Gebetsgedenkens und erteile jedem von ganzem Herzen meinen Segen. Lebendige Steine und regsame Glieder der Kirche Ansprache bei der Segnung der restaurierten Fassade des Petersdoms am 30. September Meine Herren Kardinäle und verehrte Brüder im Bischofsamt, Herr Präsident der Republik Italien, Herr Ministerpräsident, meine Herren Botschafter beim Hl. Stuhl und in Italien, sehr geehrte Herren vom Leitungsgremium und Techniker der E.N.I., meine Damen und Herren! 1. Heute steht die Fassade der Vatikanischen Basilika im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit. Seit Jahrhunderten ist sie Zeugin großer Ereignisse, die ihre Spur in der Geschichte hinterlassen haben. Wir sind hier versammelt, um den glücklichen Abschluss der Restaurierungsarbeiten zu feiern, mit denen Ingenieure, Architekten, Marmorfacharbeiter, Steinmetzen, Stukkateure, Schmiede und andere Handwerker mehr als zwei Jahre lang beschäftigt waren. Ihrer mit großer Meister- 809 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schafit und Sachkenntnis durchgefiihrten Arbeit ist es zu verdanken, dass die Vatikanische Basilika, so schön schon in ihrem Inneren, sich nun in der ganzen majestätisch feierlichen Schönheit ihrer Fassade darbietet, mit der Mademo sie auszustatten wusste. Meinen herzlichen Gruß richte ich an alle Anwesenden - und besonders auch an den Kardinal Erzpriester, der das gemeinsame Empfinden vortrefflich zum Ausdruck gebracht hat. Denen, die ihre ganze Tatkraft dafür eingesetzt haben, diesem architektonischen Meisterwerk seine ursprüngliche Pracht zurückzugeben, möchte ich meine tiefempfundene Dankbarkeit aussprechen. Der Dank gilt in besonderer Weise der E.N.I., Ente Nazionale Idrocarburi [Staatsuntemehmen für Brennstoffe], die mit edelmütiger Großzügigkeit das Werk der Restaurierung ermöglicht und die modernsten technischen Verfahren dabei angewandt hat. 2. Während wir bewundernd vor dem eindrucksvollen Ergebnis dieser Arbeiten stehen, steigt im Herzen spontan der Wunsch auf, den Herrn zu loben, der dem Menschen die Fähigkeit gegeben hat, die Materie zu beherrschen und zu veredeln, indem er das Siegel des Geistes in sie einprägte. Wie viel Mühe hat das Werk gekostet, das wir hier bewundern! Die mit ungezählten Hammer- und Meißelschlägen bearbeiteten und dann mit äußerster Sorgfalt und Geduld geglätteten Marmorstücke sind schön zusammengefügt worden, um den Giebel der Fassade zu zieren. In einer Abwandlung der Vision vom Tempel Gottes kann man die verschiedenen Elemente als Symbol und Bild der vielfältigen Gaben und Charismen deuten, mit denen der göttliche Künstler die Kirche, seine mystische Braut, hat schmücken wollen. 3. Der bewundernde Blick, den wir heute Abend zu den architektonischen Strukturen der Fassade erheben, nimmt den der zahllosen Pilger voraus, die während des nun schon nahen Heiligen Jahres aus allen Teilen der Welt hierherkommen werden. Vor der Herrlichkeit und der ausgewogenen, maßvollen Festigkeit in der Struktur dieser beeindruckenden Basilika werden sie etwas von der Begeisterung der Pilger früherer Zeiten nachempfinden können angesichts dieses Gotteshauses, das der Glaube der Vorfahren „zu Ehren des Apostelfürsten“ errichtete, wie die Widmungsinschrift besagt, die Papst Paul V. im Jahre 1614 anbringen ließ. Für Petrus und für sein glorreiches Grab wurde diese Kirche erbaut und mit der Kuppel Michelangelos gekrönt. Papst Clemens VIII. weihte sie, dem Gedanken seines Vorgängers Sixtus V. Ausdruck gebend, „sancti Petri gloriae“, zur Ehre des hl. Petrus. Das bestätigen die zahlreichen Darstellungen des Apostels, die in jedem Teil des Gebäudes in Erscheinung treten. Auch an dieser Fassade fehlt sie nicht. Im Hochrelief des Mailänders Ambrogio Bonvicino sehen wir das Bild des Petrus, der von Christus die Schlüssel empfängt. 4. So setzt gewissermaßen der Apostel Petrus seine Sendung als „Stellvertreter der Liebe Christi“ fort und bekennt demütig, aber fest seinen Glauben. „Und jede Zunge, die den Herrn bekennt, macht sich - wie Leo d. Gr. sagt - die in diesem 810 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ausspruch enthaltene Lehre zu eigen“ (Sermones 3,3; Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 54, München 1927, S. 9). So versteht man leicht, wie unsere Freude angesichts dieses restaurierten Meisterwerks nicht nur ein ästhetischer Genuss sein sollte, sondern sich für das innerlich Faszinierende der dargestellten geistigen Wirklichkeit öffnen müsste. Petrus erinnert uns und alle, die heute Abend geistig um sein Grab versammelt sind, daran, wie er eines Tages im Jahr 63 oder 64 von Rom aus an die Christen von Kleinasien schrieb, denen er das Evangelium verkündet hatte: „Laßt euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um ... geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen“ (7 Petr 2,5). Liebe Brüder und Schwestern, lasst uns diese Einladung annehmen; lebendige Steine zu sein, regsame Glieder des geistigen Gebäudes, das heißt: der Kirche. Das nahe bevorstehende Jubiläum möge uns bereit finden, unseren Glauben mit noch hochherzigerer Hingabe zu verkünden und zu bezeugen. Die Restaurierungsarbeiten erinnern uns daran, dass jeder Gläubige, jeder von uns, zu beständiger Bekehrung und zu einer mutigen Überprüfung des Lebens aufgerufen ist, um Christus in einer tiefen Weise begegnen zu können und in den vollen Genuss der Früchte des Heiligen Jahres zu kommen. So sei es für alle. Mit diesem Wunsch rufe ich die Fürbitte Marias und der hll. Apostel Petrus und Paulus auf alle Anwesenden herab und auf alle, die auf verschiedene Weise zu diesem außerordentlichen Werk der Restaurierung beigetragen haben. Allen erteile ich gern den Apostolischen Segen. Krebsbekämpfung und Dienst am Leben Ansprache beim Siebten Kongress der Internationalen Vereinigung für gynäkologische Krebserkrankungen am 30. September Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Mit großer Freude heiße ich Sie, die Teilnehmer des Siebten Kongresses der Internationalen Vereinigung für gynäkologische Krebserkrankungen, willkommen. Ich danke Herrn Professor Mancuso für seine Begrüßungsworte wie auch Ihnen allen für das, was Sie leisten, um jenen zu dienen, die Ihr ärztliches Fachwissen benötigen, insbesondere die an Krebs erkrankten Frauen. In der medizinischen Praxis werden Sie mit den grandlegenden Realitäten des menschlichen Lebens konfrontiert - Geburt, Leid und Tod. Sie teilen die Probleme Ihrer Patienten und ihre größten Sorgen und Ängste. Sie versuchen, Hoffnung zu geben und, wo möglich, Heilung zu bringen. Diejenigen, die sich chirurgischen Eingriffen unterziehen müssen, werden nie das Ärzte- und Pflegepersonal vergessen, das sie empfangen, untersucht und behandelt hat. Unweigerlich werden wir an die Worte des Evangeliums erinnert: „Kommt her, die ihr von meinem Vater ge- 811 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN segnet seid, ... ich war krank, und ihr habt mich besucht; ... Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ {Mt 25,34.36.40). 2. Ärzte sind Hüter und Diener des menschlichen Lebens. In meiner Enzyklika Evangelium vitae betonte ich die menschliche Bedeutung und den ethischen Aspekt des Arztberufs, der heute gewissermaßen an einer Art Scheideweg steht: „In dem heutigen kulturellen und sozialen Umfeld, in dem die Wissenschaft und die ärztliche Kunst Gefahr laufen, die ihnen eigene ethische Dimension zu verlieren, können sie bisweilen stark versucht sein, zu Urhebern der Manipulation des Lebens oder gar zu Todesvollstreckem zu werden. Angesichts dieser Versuchung ist ihre Verantwortung heute enorm gewachsen und findet ihre tiefste Inspiration und stärkste Stütze gerade in der dem Ärzteberuf innewohnenden, unumgänglichen ethischen Dimension“ (Nr. 89). Hüter und Diener des Lebens: Das ist die Wahrheit über das, was Sie in Ihrer ärztlichen Arbeit sind. Ihre Sorge als Gynäkologen gilt den Müttern und ihren ungeborenen Kindern, von der Empfängnis an bis zur Geburt. Für das Kind ist die Zeit der Schwangerschaft stets mit Gefahren und Unsicherheit verbunden, aber wenn die Mutter an Krebs erkrankt, drohen seiner Gesundheit zusätzliche ernste Gefahren und die erschreckende Möglichkeit, die Mutter zu verlieren. Sie wissen sehr wohl, wie schwierig und dramatisch eine solche Situation vor allem dann sein kann, wenn die Frau durch die Gesellschaft und durch die Familie gedrängt wird, zur Besserung ihres eigenen Zustands das in ihr heranwachsende neue Leben zu beenden. Bei Ihren Bemühungen, wahre „Diener des Lebens“ zu sein, werden Sie zweifellos Erleuchtung und Ermutigung in der kirchlichen Lehre finden, der Frucht von zweitausend Jahren katholischen moralischen Denkens hinsichtlich dessen, was Gott über das Menschsein offenbart hat. 3. Während heute in der Gesellschaft die starke Tendenz besteht, jedes geringste Anzeichen von Gefährdung oder Beunruhigung als einen für Gynäkologen und Geburtshelfer ausreichenden Grund zur Rechtfertigung der Abtreibung zu betrachten, selbst dann, wenn wirksame Behandlungsformen angewandt werden können, so ermöglichen die auf Ihrem Gebiet erzielten Fortschritte in zunehmendem Maße sowohl den Schutz des mütterlichen Lebens wie auch den des Kindes. Wir müssen diese Fortschritte dankbar zur Kenntnis nehmen und weitere medizinische Entwicklungen fordern, die zu einer steten Einschränkung der erwähnten dramatischen Fälle führen. Wir alle sind uns der qualvollen Realität bewusst, mit der Familien und auch Gynäkologen konfrontiert werden, wenn sie vor dem Problem einer von Krebs bedrohten Schwangerschaft stehen. Dank sei Gott für all Ihre Bemühungen zur Bekämpfung dieser stets häufiger auftretenden besonderen Krebserkrankung bei Frauen. Die für wissenschaftliche Forschung verantwortlichen staatlichen Behörden müssen durch angemessene Finanzierungsformen für die Förderung und Unterstützung der Krebsforschungsarbeit auf allen Sektoren sorgen. Obwohl insbesondere auf dem Gebiet der Krebsbekämpfung häufig über die wachsenden Kosten 812 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Gesundheitspflege gesprochen wird, hat man den Eindruck, dass zu wenig für Gesundheitserziehung und Krebsvorsorge getan und ausgegeben wird. Ferner sollte unbedingt mit aller Klarheit darauf hingewiesen werden, dass bestimmte Verhaltensweisen, einschließlich ein gewisses Sexualverhalten, wie auch Umweltverschmutzung und ihre Auswirkungen auf den menschlichen Organismus krebs-fördemd sein können. 4. In Anbetracht Ihrer Rolle im Dienst am Leben muss unbedingt auf die Bedeutung Ihrer primären Verpflichtung hingewiesen werden, wenn junge Mütter an Krebs erkranken und der Gefahr eines frühzeitigen Todes ausgesetzt sind. In solchen Fällen wird der eher mit neugeborenem Leben vertraute Gynäkologe oder Geburtshelfer tiefe Anteilnahme mit dem Schmerz anderer und vielleicht sogar Frustration und Hilflosigkeit empfinden. Erlöschendes Leben ist keineswegs weniger wertvoll als beginnendes. Daher verdient der sterbende Mensch größte Achtung und liebevolle Fürsorge. Im tiefsten Kern haben Tod und Geburt eine gewisse Gemeinsamkeit: beides sind kritische und schmerzhafte Momente des Übergangs in ein neues Leben, das reicher als das vorherige ist. Der Tod ist ein Exodus, der uns ermöglicht, das Antlitz Gottes zu sehen, der die Quelle des Lebens und der Liebe ist; ebenso wird es dem Neugeborenen möglich, die Gesichter der Eltern zu erkennen. Aus diesem Grund spricht die Kirche vom Tod als einer zweiten Geburt. Heute stehen viele Fragen hinsichtlich der Pflege krebskranker Patienten zur Diskussion. Vernunft und Glaube erfordern, jeder Versuchung zu widerstehen, dem Leben des Kranken durch absichtliches Unterlassen oder aktives Eingreifen ein Ende zu setzen, da „Euthanasie eine schwere Verletzung des göttlichen Gesetzes ist, insofern es sich um eine vorsätzliche Tötung einer menschlichen Person handelt“ {Evangelium vitae, Nr. 65). Nichts, nicht einmal der Wunsch des Kranken -der in den meisten Fällen ein Hilferuf ist - kann die Verkürzung des Lebens recht-fertigen, das in den Augen Gottes wertvoll ist und auch in den letzten Leidenstagen ein großes Geschenk der Liebe für die Familie sein kann. Im Hinblick auf die hier und dort auftauchenden Vorschläge für eine gesetzliche Regelung von Euthanasie und Beihilfe zum Selbstmord möchte ich betonen, dass „die Selbstmordabsicht eines anderen zu teilen und ihm bei der Ausführung durch die sogenannte ,Beihilfe zum Selbstmord1 behilflich zu sein heißt, Mithelfer und manchmal höchstpersönlich Täter eines Unrechts zu werden, das niemals, auch nicht wenn darum gebeten worden sein sollte, gerechtfertigt werden kann“ {ebd., Nr. 66). Ebensowenig kann die sogenannte „freie Entscheidung“ des Sterbenden gefordert oder gerechtfertigt werden, wenn das in der Tat bedeutet, dass ein Arzt zur frühzeitigen Beendigung des Lebens beiträgt, das die eigentliche Grundlage jeder freien und verantwortlichen Handlung ist. Das, was wir heute zur Behandlung von Krebskranken brauchen, sind wirksame und allgemein zugängliche Therapieformen, Schmerzlinderung und normale Unterstützung. Wirkungslose Behandlungen oder solche, die zu einer Verschärfung des Leidens führen, sollten ebenso vermieden werden wie die Anwendung außer- 813 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gewöhnlicher und besonderer Behandlungsmethoden. Von wesentlicher Bedeutung ist die menschliche Unterstützung des sterbenden Menschen, denn „die Bitte, die bei der äußersten Konfrontation mit dem Leid und dem Tod besonders dann aus dem Herzen des Menschen kommt, wenn er versucht ist, sich in seine Verzweiflung zurückzuziehen und in ihr unterzugehen, ist vor allem Bitte um Begleitung, um Solidarität und um Beistand in der Prüfung“ (ebd., Nr. 67). 5. Liebe Freunde, während das zwanzigste Jahrhundert und das zweite Jahrtausend des christlichen Zeitalters ihrem Ende zugehen, sind Sie als Männer und Frauen nach Rom gekommen, um die großartige Arbeit fortzusetzen, die Ihre Vorgänger in diesem Jahrhundert und diesem Jahrtausend geleistet haben. Das zwanzigste Jahrhundert war Zeuge großer menschlicher Katastrophen, aber zu seinen Errungenschaften gehören auch die außerordentlichen Fortschritte der medizinischen Forschung und Behandlung (vgl. Fides et ratio, Nr. 106). In diesem Licht und um so mehr, wenn wir tausend Jahre zurückschauen, müssen wir jenen Beifall spenden, die den Weg gewiesen haben, und Gott preisen, denn er ist die Quelle aller Erleuchtung und Heilung. So zurückblicken bedeutet, in aller Demut erkennen, dass wir einen durch den Einblick und die Aufopfemng anderer gezeichneten Weg gehen! In Anbetracht unserer Erfolge geben wir an diesem Wendepunkt erneut unserer Hoffnung Ausdruck, dass, wenn Gott will, die Macht des Todes überwunden werden kann. Sie stehen nicht allein vor der großen Aufgabe der Krebsbekämpfung und des Dienstes am Leben. An Ihrer Seite ist die gesamte menschliche Familie; die Kirche in aller Welt schaut mit Hochachtung auf Sie. Auch ich werde im Gebet Ihrer besonders gedenken und Ihre edle Arbeit der Fürsprache der Mutter Christi, Salus infirmorum - Heil der Kranken - anvertrauen. Ich bitte für Sie alle die Gnade und den Frieden ihres Sohnes, der die Kranken heilte und die Toten auferweckte. Sie und alle, die Ihnen nahestehen, empfehle ich dem liebevollen Schutz des allmächtigen Gottes. Brief an die alten Menschen vom 1. Oktober Meine Lieben Brüder und Schwestern! „ Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, sind es achtzig, Das Beste daran sind nur Mühsal und Beschwer, rasch geht es vorbei, wir fliegen dahin “ (Ps 90,10) 1. Siebzig Jahre waren zu der Zeit, als der Psalmist diese Worte schrieb, ein stattliches Alter, das nicht viele überschritten haben; heutzutage kommt es dank der medizinischen Fortschritte sowie der verbesserten sozialen und wirtschaftlichen Ver- 814 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hältnisse in vielen Gegenden der Welt zu einer beträchtlichen Verlängerung der Lebensdauer. Doch es lässt sich nicht leugnen: Die Jahre verfliegen; obwohl das Leben von Mühsal und Beschwerden gezeichnet ist, ist es als Geschenk zu schön und zu wertvoll, als dass wir dessen müde sein könnten. Auch ich bin mittlerweile alt geworden. So verspüre ich den Wunsch, mit euch alten Menschen ins Gespräch zu kommen. Ich tue dies vor allem aus der Dankbarkeit heraus, die ich Gott für die Gaben und Möglichkeiten schulde, mit denen er mich bis zum heutigen Tag reichlich beschenkt hat. In meiner Erinnerung ziehen die Etappen meines Lebens vorüber, das mit der Geschichte eines langen Stücks dieses Jahrhunderts verflochten ist. Vor meinem inneren Auge gewinnen die Gesichter unzähliger Personen Konturen, von denen mir einige besonders teuer sind: Erinnerungen an gewöhnliche und außergewöhnliche Ereignisse, an frohe Augenblicke ebenso wie an Begebenheiten, die von Leid gezeichnet sind. Doch sehe ich, wie sich über allem Gottes väterliche Hand ausbreitet. Mit Umsicht und Erbarmen „sorgt er bestmöglich für alles, was ins Dasein gerufen ist“. <340> Er erhört uns, wann immer wir etwas erbitten, das seinem Willen entspricht (vgl. 1 Joh 5,14). Mit dem Psalmisten sage ich zu ihm: „Gott, du hast mich gelehrt von Jugend auf, und noch heute verkünde ich dein wunderbares Walten. Auch wenn ich alt und grau bin, o Gott, verlaß mich nicht, damit ich von deinem machtvollen Arm der Nachwelt künde, den kommenden Geschlechtern von deiner Stärke“ (Ps 71,17-18). Hl. Johannes von Damaskus, Darstellung des rechten Glaubens, 2, 29. Meine Gedanken wenden sich voller Zuneigung euch allen zu, liebe Senioren jeder Sprache und Kultur. An euch richte ich diesen Brief in dem Jahr, das die Organisation der Vereinten Nationen zu Recht den alten Menschen gewidmet hat, um die ganze Gesellschaft auf die Lage derjenigen aufmerksam zu machen, die infolge der Last des Alters oft mit vielfältigen und schwierigen Problemen fertig werden müssen. Wertvolle Überlegungen zu diesem Thema hat schon der Päpstliche Rat für die Laien vorgelegt. <341> Mit dem vorliegenden Schreiben möchte ich lediglich ausdrü-cken, dass ich euch geistlich nahe bin. Denn von Jahr zu Jahr fühle ich, wie in mir das Verständnis für diesen Lebensabschnitt immer mehr wächst. Damit geht auch das Bedürfnis einher, in unmittelbareren Kontakt zu meinen Altersgenossen zu treten. Ich möchte mit ihnen über gemeinsame Erfahrungen nachdenken und alles unter den Blick Gottes stellen, der uns mit seiner Liebe umfängt und uns mit seiner Vorsehung stützt und leitet. Vgl. Die Würde des alten Menschen und sein Auftrag in Kirche und Welt, Vatikanstadt 1998. 2. Liebe Brüder und Schwestern! Wenn wir mit unseren Gedanken in die Vergangenheit zurückkehren und gleichsam eine Bilanz zu ziehen versuchen, dann liegt das in unserem Alter nahe. Diese Rückschau erlaubt uns eine gelassenere und sachlichere Beurteilung von Personen und Situationen, denen wir auf unserem Weg begegnet sind. Im Laufe der Zeit verschwimmen die scharfen Konturen der 1 2 815 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ereignisse, und ihre schmerzhaften Kanten erscheinen in milderem Licht. Leider gibt es im Leben eines jeden Menschen reichlich Kummer und Leid. Manchmal handelt es sich um Probleme und Schmerzen, in denen die seelische und körperliche Belastbarkeit auf eine harte Probe gestellt wird. Sogar der Glaube kann erschüttert werden. Doch die Erfahrung lehrt uns, dass mit der Gnade des Herrn gerade die täglichen Mühen oft den Menschen erst reifen lassen und den Charakter stärken. Über die einzelnen Ereignisse hinaus macht man sich besonders Gedanken über die Zeit, die unerbittlich verrinnt. „Unwiederbringlich entflieht die Zeit“, urteilte der antike lateinische Dichter. <342> Der Mensch ist in die Zeit eingetaucht: In die Zeit wird er hineingeboren, in ihr lebt und stirbt der Mensch. Mit der Geburt wird ein Datum gesetzt, das erste seines Lebens, und mit dem Tod ein weiteres und letztes: Die beiden Daten markieren Alpha und Omega, Anfang und Ende seiner irdischen Geschichte, wie es die christliche Tradition dadurch unterstreicht, dass sie diese Buchstaben des griechischen Alphabets in die Grabsteine einmeißelt. <342> Vergil, „Fugit irreparabile tempus“, Georgica, ffl, 284. Wenngleich die Existenz eines jeden von uns so begrenzt und zerbrechlich ist, tröstet uns doch der Gedanke, dass wir kraft der Geistseele über den Tod hinaus leben. Der Glaube eröffnet uns darüber hinaus eine „Hoffnung, die nicht zugrunde gehen läßt“ (Rom 5,5): Er eröffnet uns die Aussicht auf die Auferstehung am Ende der Zeiten. Nicht umsonst wendet die Kirche in der feierlichen Ostemacht eben diese Buchstaben auf Christus an, der lebendig ist gestern, heute und in Ewigkeit: „Er ist Anfang und Ende, Alpha und Omega. Sein ist die Zeit und die Ewigkeit“. <343> Auch wenn die Geschichte des Menschen der Zeit unterworfen ist, wird sie von Christus in den Horizont der Unsterblichkeit gerückt. Er „ist Mensch unter den Menschen geworden, um den Anfang mit dem Ende, das heißt den Menschen mit Gott zu vereinen“. <344> <343> Vgl. Liturgie der Ostemacht. <344> Hl. Irenaus von Lyon, Adversus haereses, 4,20,4. Ein kompliziertes Jahrhundert auf dem Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft 3. Wenn ich mich an die alten Menschen wende, bin ich mir bewusst, zu Personen und über Personen zu reden, die einen langen Weg hinter sich haben (vgl. Weish 4,13). Ich spreche zu meinen Altersgenossen. Deshalb fallt es mir nicht schwer, nach einer Analogie in meinem persönlichen Leben zu suchen. Unser Leben, liebe Brüder und Schwestern, ist von der Vorsehung in dieses zwanzigste Jahrhundert hineingestellt worden. Dieses Jahrhundert hat von der Vergangenheit ein komplexes Erbe empfangen und war so Zeuge zahlreicher, außergewöhnlicher Ereignisse. Wie viele andere Zeiten der Geschichte hat auch dieses Jahrhundert Licht und Schatten erlebt. Nicht alles war finster. Viele positive Aspekte haben das Negative 816 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aufgewogen oder sind gar aus ihm erwachsen, weil das kollektive Gewissen gut darauf reagiert hat. Es stimmt jedoch, dass es unglaubliche Leiden gegeben hat, die das Leben von Millionen und Abermillionen Menschen betroffen haben. Das zu vergessen, wäre ebenso ungerecht wie gefährlich! Man denke nur an die Konflikte, die auf verschiedenen Kontinenten ausbrachen und aufgrund territorialer Zwistigkeiten oder infolge des Hasses unter ethnischen Gruppen entstanden sind. Als nicht weniger schwerwiegend dürfen die Bedingungen extremer Armut gelten, von der breite Schichten der Gesellschaft auf der Südhälfte des Erdballs betroffen sind, ganz zu schweigen von der beschämenden Rassendiskriminierung und der systematischen Verletzung der Menschenrechte in vielen Nationen. Was soll man schließlich sagen im Hinblick auf die großen Weltkonflikte? In der ersten Hälfte des Jahrhunderts gab es derer gleich zwei. Damit verbunden war eine nie zuvor gekannte Zahl von Toten und Zerstörungen. Der Erste Weltkrieg mähte Millionen von Soldaten und Zivilisten dahin. So viele Menschenleben an der Schwelle des Jugend- oder gar Kindesalters wurden dahingerafft. Und was soll ich erst sagen vom Zweiten Weltkrieg? Nach wenigen Jahrzehnten relativen Friedens in der Welt ist er besonders über Europa hereingebrochen. Dieser Weltkrieg war tragischer als der vorhergehende und hatte schreckliche Folgen für das Leben der Nationen und Kontinente. Es war der totale Krieg, eine unvorstellbare Mobilisierung des Hasses, die sich auf brutale Weise auch auf der wehrlosen Zivilbevölkerung entlud und ganze Generationen vernichtet hat. Der Tribut, der an den verschiedenen Fronten dem Kriegswahnsinn gezollt wurde, geht ins Unermessliche, und ebenso grauenhaft waren die Massaker in den Vernichtungslagern, die in der Tat zum Golgota unseres Zeitalters geworden sind. Auf der zweiten Hälfte des Jahrhunderts lastete über viele Jahre hinweg der Alptraum des Kalten Krieges. Ost und West standen sich als zwei große ideologische Machtblöcke gegenüber, was mit einem irrsinnigen Rüstungswettlauf verbunden war. Ständig stand die Drohung eines Atomkrieges im Raum, der zur Auslöschung der Menschheit hätte führen können. <345> Im letzten, jetzt zu Ende gehenden Jahrzehnt haben sich auf der Weltbühne rasche und wichtige Veränderungen vollzogen, angefangen vom Zusammenbruch der unterdrückerischen totalitären Regime in Europa. Dies geschah in einem gewaltlosen Kampf, der nur von den Waffen der Wahrheit und der Gerechtigkeit Gebrauch machte. <346> So wurde ein mühsamer, aber fruchtbarer Prozess des Dialogs und der Versöhnung in Gang gebracht, der ein von mehr Entspannung und Solidarität geprägtes Zusammenleben zwischen den Völkern zum Ziel hat. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus, Nr. 18. Vgl. ebd., Nr. 23. Zu viele Nationen sind indes noch weit davon entfernt, die Wohltaten des Friedens und der Freiheit genießen zu dürfen. Großes Bangen hat in den vergangenen Monaten der gewaltsame Konflikt ausgelöst, der auf dem Balkan ausgebrochen war. Dieses Gebiet war bereits in den vorausgegangenen Jahren Schauplatz eines 6 7 817 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN furchtbaren Krieges mit ethnischem Hintergrund. Es kam zu neuerlichem Blutvergießen, zu weiteren Zerstörungen, erneut wurde Hass geschürt. Da sich endlich die Gewalt der Waffen gelegt hat, beginnt man nunmehr, im Ausblick auf das neue Jahrtausend an den Wiederaufbau zu denken. Unterdessen flammen indes auch in anderen Kontinenten zahlreiche Kriegsherde weiter auf und entladen sich manchmal in Massakern und Gewalttaten, die bei den Medien nur allzu schnell in Vergessenheit geraten. 4. Wenn uns diese Erinnerungen und schmerzlichen aktuellen Geschehnisse auch traurig stimmen, können wir dennoch nicht unterschlagen, dass unser Jahrhundert vielfältige positive Signale am Horizont erscheinen sah, aus denen sich gleichzeitig Hoffnung für das dritte Jahrtausend schöpfen lässt. Es gibt zwar viele Widersprüche, besonders was die Achtung vor dem Leben jedes Menschen anbelangt. Doch ist das Bewusstsein für die allgemeinen Menschenrechte gewachsen, die sich in feierlichen, für die Völker verbindlichen Erklärungen niedergeschlagen haben. Es hat sich gleichermaßen das Bewusstsein vom Selbstbestimmungsrecht der Völker herausgebildet im Rahmen der nationalen und internationalen Beziehungen, die vom Geist der Wertschätzung gegenüber kultureller Eigenheiten und gleichzeitig von der Achtung der Minderheiten geleitet sind. Der Zusammenbruch totalitärer Systeme wie jener in Osteuropa ließ die umfassende Wahrnehmung wachsen, wie wertvoll Demokratie und freier Markt sind. Dennoch ist die enorme Herausforderung geblieben, Freiheit und soziale Gerechtigkeit miteinander zu verbinden. Als großartiges Gottesgeschenk darf man auch werten, dass die Religionen mit immer größerer Entschlossenheit einen Dialog anstreben, der sie für die Welt zu einem wesentlichen Baustein des Friedens und der Einheit machen soll. Was soll man dazu sagen, dass die Würde der Frau im allgemeinen Bewusstsein mehr und mehr anerkannt wird? Zweifellos liegt noch ein weiter Weg vor uns, aber die Linie ist vorgezeichnet. Grund zur Hoffnung liegt außerdem in der intensiven Ausweitung der Kommunikationsmittel, die es dank der modernen Technologie möglich machen, die herkömmlichen Grenzen zu überwinden. So geben sie uns das Gefühl, Weltbürger zu sein. Auf einem weiteren wichtigen Bereich hat sich ein Reifeprozess ereignet, was die neue Sensibilität für die Umwelt anzeigt, die Unterstützung verdient. Hoffnungsschimmer sind auch die großen Fortschritte der Medizin und der zum Wohl des Menschen angewandten Wissenschaften. Es gibt also viele Gründe, weshalb wir Gott danken dürfen. Denn trotz allem liegen in dieser Jahrhundertwende große Möglichkeiten für Frieden und Fortschritt. Aus den Prüfungen, die unsere Generation durchgemacht hat, erstrahlt ein Licht, das die Jahre unseres Alters zu erleuchten vermag. Auf diese Weise bestätigt sich ein Grundsatz, der dem christlichen Glauben lieb und teuer ist: „Nicht nur, daß Leiden und Sorgen die Hoffnung nicht zerstören, sie sind sogar ihr Fundament“. <347> Hl. Johannes Chrysostomos, Kommentar zum Römerbrief, 9, 2. 818 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN So hat es eine besondere Bedeutung, dass wir zu einer Zeit innehalten, da sich das Jahrhundert und das Jahrtausend ihrem Ende zuneigen. Ein neues Zeitalter der Menschheit dämmert herauf. Da halten wir inne, um über die Tatsache der schnell dahineilenden Zeit nachzudenken, nicht um uns mit einem unerbittlichen Schicksal abzufinden, sondern um den uns noch verbleibenden Lebensjahren Sinn und Wert zu verleihen. Der Herbst des Lebens 5. Was ist das Alter? Manchmal nennt man es den Herbst des Lebens - wie das schon Cicero tat <348> - und folgt damit der Analogie, die von den Jahreszeiten und Phasen nahegelegt wird, die in der Natur aufeinanderfolgen. Es genügt, die Veränderungen der Landschaft im Laufe des Jahres zu beobachten: Es erzählen die Berge und das flache Land, die Wiesen, Täler und Wälder, die Bäume und Pflanzen. Es besteht eine große Ähnlichkeit zwischen dem Biorhythmus des Menschen und den Kreisläufen der Natur, in die er eingebunden ist. <348> Vgl. Cato maior, seu De senectute, 19, 70. Gleichzeitig unterscheidet sich jedoch der Mensch von jeder anderen Wirklichkeit, die ihn umgibt. Denn er ist Person. Geformt nach dem Bild und Gleichnis Gottes, ist er ein Subjekt, das mit Bewusstsein und Verantwortung ausgestattet ist. Doch auch in seiner geistigen Dimension erlebt der Mensch die Aufeinanderfolge verschiedener Phasen, die alle gleich vergänglich sind. Der hl. Ephräm der Syrer hat das Leben gern mit den Fingern einer Hand verglichen. Einerseits wollte er damit hervorheben, dass die Länge des Lebens nicht über die einer Handbreite hinausreicht; andererseits verstand er den Vergleich als Hinweis darauf, dass so wie jeder Finger auch jede Lebensphase ihre Eigenart hat: „Die Finger stellen die fünf Stufen dar, auf denen der Mensch vorwärtskommt“. <349> 19 Aus dem Sermo Vanitas vanitatum, 5-6. Wenn also Kindheit und Jugend die Periode sind, in der sich die Persönlichkeit des Menschen herausbildet, in der er auf die Zukunft hin lebt und, während er sich der eigenen Möglichkeiten bewusst wird, Pläne für das Erwachsenenalter schmiedet, hat auch das Alter sein Gutes. Denn während es - wie der hl. Hieronymus bemerkt - das heftige Aufwallen der Leidenschaften dämpft, „erhöht es die Weisheit und erteilt reiferen Rat“. <350> Das Alter ist gleichsam die Hoch-Zeit jener Weisheit, die im allgemeinen Frucht der Erfahrung ist, weil „die Zeit eine große Lehrmeisterin ist“. <351> Das Gebet des Psalmisten ist ja bekannt: „Unsere Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz“ (Ps 90,12). <350> „Äuget sapientiam, dat maturiora consilia“, Commentaria in Amos, 2, Prol. <351> Corneille, Sertorius, a. II, sc. 4, b. 717. 819 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die alten Menschen in der Heiligen Schrift 6. „Die Jugend und das dunkle Haar sind Windhauch“, stellt Kohelet fest (11,10). Die Bibel unterlässt es nicht, bisweilen mit unverblümtem Realismus auf die Hinfälligkeit des Lebens und auf die unerbittlich enteilende Zeit hinzuweisen: „Windhauch, Windhauch ..., Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch“ (Koh 1,2): Wer kennt nicht die strenge Mahnung des antiken Weisen? Besonders wir verstehen sie: wir alten Menschen, durch Erfahrung belehrt. Trotz dieses nüchternen Realismus bewahrt die Schrift eine sehr positive Sicht vom Wert des Lebens. Der Mensch bleibt immer nach dem „Bild Gottes“ geschaffen (vgl. Gen 1,26), und jedes Lebensalter hat seine eigene Schönheit und seine Aufgaben. Gerade das fortgeschrittene Alter findet im Worte große Beachtung, die so weit geht, dass langes Leben als Zeichen göttlichen Wohlwollens gesehen wird (vgl. Gen 11,10-32). Mit Abraham, an dessen Gestalt das Privileg der Betagtheit besonders hervorsticht, nimmt dieses Wohlwollen die Züge einer Verheißung an: „Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen“ {Gen 12,2-3). An seiner Seite ist Sara, die Frau, die sieht, wie ihr Körper zwar altert, doch die an ihrem bereits verwelkten Leib die Kraft Gottes als Ausgleich der menschlichen Unzulänglichkeit erlebt. Mose ist schon ein betagter Mann, als Gott ihm den Auftrag erteilt, das auserwählte Volk aus Ägypten herauszufiihren. Die großen Taten, die er im Auftrag des Herrn für Israel vollbringt, fallen nicht in seine Jugendjahre, sondern in die Zeit seines Alters. Unter den weiteren Beispielen alter Menschen in der Bibel möchte ich Tobit nennen, der sich mit Bescheidenheit und Mut anstrengt, Gottes Gesetz zu erfüllen, den Armen zu helfen und seine Blindheit geduldig zu ertragen, bis er das entschlossene Eingreifen des Engels Gottes erfuhr (vgl. Tob 1-2). Auch möchte ich noch Eleasar erwähnen, dessen Martyrium ein Zeugnis einzigartiger Hochherzigkeit und Tapferkeit ist (vgl. 2 Makk 6,18-31). 7. Das Neue Testament, das vom Licht Christi durchdrungen ist, führt uns ebenfalls bemerkenswerte hochbetagte Gestalten vor Augen. Das Lukasevangelium beginnt mit der Vorstellung eines Ehepaares „in vorgerücktem Alter“ (1,7): Elisabet und Zacharias, die Eltern Johannes des Täufers. Ihnen wendet sich der Herr in seiner Barmherzigkeit zu (vgl. Lk 1,5-25.39-79): dem alten Zacharias wird die Geburt eines Sohnes angekündigt. Er selbst verschweigt es nicht: „Ich bin ein alter Mann, und auch meine Frau ist in vorgerücktem Alter“ {Lk 1,18). Während Marias Besuch ruft ihre betagte Verwandte Elisabet, erfüllt vom Heiligen Geist: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“ {Lk 1,42); und bei der Geburt Johannes des Täufers stimmt Zacharias den Hymnus des Benedictus an. Ein wunderbares Ehepaar in vorgerücktem Alter, tief erfüllt vom Geist des Gebets! 820 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Als Maria und Josef Jesus in den Tempel bringen, um ihn, den Erstgeborenen, nach dem Gesetz dem Herrn zu weihen, begegnen sie dort dem alten Simeon, der schon lange auf den Messias gewartet hat. Er nimmt das Kind in seine Arme und preist Gott mit den Worten Nunc dimittis...: „Nun läßt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden“ (Lk 2,29). An seiner Seite treffen wir Anna, eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und hatte bei dieser Gelegenheit die Freude, Jesus zu schauen. Der Evangelist merkt an: Anna „pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten“ (Lk 2,38). Ein alter Mann ist auch Nikodemus, ein führendes Mitglied des Hohen Rates. Er suchte Jesus bei Nacht auf, um von keinem gesehen zu werden. Ihm offenbart der göttliche Meister, dass er der Sohn Gottes und gekommen sei, die Welt zu retten (vgl. Joh 3,1-21). Wir werden Nikodemus bei der Bestattung Christi wieder begegnen: Er bringt eine Mischung aus Myrrhe und Aloe mit, überwindet die Angst und gibt sich als Jünger des Gekreuzigten aus (vgl. Joh 19,38^40). Wie trostvoll sind diese Zeugnisse! Sie erinnern uns daran, dass der Herr Menschen jeden Alters bittet, ihre Talente einzubringen. Der Dienst am Evangelium ist keine Frage des Alters! Und was soll man vom alt gewordenen Petrus sagen, der dazu berufen wurde, seinen Glauben durch das Martyrium zu bezeugen? Zu ihm hatte Jesus eines Tages gesagt: „Als du noch jung warst, hast du dich selbst gegürtet und konntest gehen, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und dich fuhren, wohin du nicht willst“ (Joh 21,18). Das sind Worte, die mich als Nachfolger Petri unmittelbar berühren. Sie lassen in mir das starke Bedürfnis aufkommen, meine Hände den Händen Christi entgegenzustrecken und seinem Gebot zu gehorchen: „Folge mir nach!“ (Joh 21,19). 8. Der 92. Psalm fasst die glänzenden Zeugnisse alter Menschen, die wir in der Bibel finden, gleichsam zusammen: „Der Gerechte gedeiht wie die Palme, er wächst wie die Zedern des Libanon; ... Sie tragen Frucht noch im Alter und bleiben voll Saft und Frische; sie verkünden: Gerecht ist der Herr“ (13.15-16). Der Apostel Paulus stimmt dem Psalmisten zu, wenn er im Brief an Titus schreibt: „Die älteren Männer sollen nüchtern sein, achtbar, besonnen, stark im Glauben, in der Liebe, in der Ausdauer. Ebenso seien die älteren Frauen würdevoll in ihrem Verhalten ...; sie müssen fähig sein, das Gute zu lehren, damit sie die jungen Frauen dazu anhalten können, ihre Männer und Kinder zu lieben“ (2,2-5). Im Licht dessen, was die Bibel lehrt, und in der Wahl der Worte, die sie auszeichnet, stellt sich somit das Alter als „günstige Zeit“ vor, um das Abenteuer des Menschen zu vollenden. Das Alter gehört in den Plan, den Gott mit jedem Menschen hat. Es ist der Zeitraum, in dem alles zusammenläuft, damit der Mensch den Sinn des Lebens besser erfassen und zur „Weisheit des Herzens“ gelangen kann. „Ehrenvolles Alter besteht - wie das Buch der Weisheit darlegt - nicht in einem langen Leben und wird nicht an der Zahl der Jahre gemessen. Mehr als graues Haar 821 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bedeutet für die Menschen die Klugheit, und mehr als Greisenalter wiegt ein Leben ohne Tadel“ (4,8-9). Das Alter stellt die entscheidende Etappe der menschlichen Reife dar und ist Ausdruck des göttlichen Segens. Hüter eines kollektiven Gedächtnisses 9. In der Vergangenheit hegte man große Achtung vor den alten Menschen. Der lateinische Dichter Ovid schrieb in diesem Zusammenhang: „Groß war einst die Hochachtung vor einem weißhaarigen Haupt“. <352> Einige Jahrhunderte früher mahnte der griechische Dichter Phokylides: ,Achte die weißen Haare: Erweise dem weisen Alten dieselbe Ehrerbietung, die du deinem Vater entgegenbringst“. <353> Und heute? Wenn wir die gegenwärtige Situation genauer anschauen, dann stellen wir fest, dass bei einigen Völkern das Alter geachtet wird und in hohem Wert steht; bei anderen hingegen ist das wegen einer Geisteshaltung, die unmittelbare Nützlichkeit und Produktivität des Menschen an den ersten Platz stellt, weit weniger der Fall. Auf Grund dieser Haltung wird das sogenannte dritte oder vierte Lebensalter oft abgewertet, und die alten Menschen selbst müssen sich Ragen, ob ihr Dasein noch zu etwas nütze sei. <352> ..Magna fiiit quondam capitis reverentia cani“, Fasti, Hb. V, v. 57. <353> Lehrsprüche, XLII. Man geht sogar soweit, mit zunehmender Eindringlichkeit die Euthanasie als Lösung für schwierige Situationen vorzuschlagen. Der Begriff Euthanasie hat leider in diesen Jahren für viele Menschen jenes Merkmal des Schreckens verloren, das er natürlich bei denen wachruft, die für die Achtung vor dem Leben empfänglich sind. Sicher kann es Vorkommen, dass in Fällen schwerer Krankheiten, die mit unerträglichen Leiden einhergehen, die davon heimgesuchten Menschen versucht sind, ganz aufzugeben. Dann kann es geschehen, dass ihre Angehörigen oder Pfleger sich von einem missverstandenen Mitleid dazu veranlasst fühlen, den „sanften Tod“ für eine vernünftige Lösung zu halten. In diesem Zusammenhang muss man daran erinnern, dass das Sittengesetz den Verzicht auf sogenannten „therapeutischen Übereifer“ <354> billigt und nur jene Behandlungen verlangt, die zu den normalen Erfordernissen ärztlicher Betreuung gehören. Aber die Euthanasie als direkte Herbeiführung des Todes ist etwas ganz anderes! Sie bleibt imgeachtet der Absichten und Umstände eine in sich schlechte Handlung, eine Verletzung des göttlichen Gesetzes, eine Beleidigung der Würde der menschlichen Person. <355> <354> Vgl. Johannes Paul II, Enzyklika Evangelium vitae, Nr. 65. <355> Vgl. ebd. 10. Man muss dringend die richtige Perspektive wiedergewinnen, aus der das Leben in seiner Ganzheit gesehen wird. Und diese richtige Perspektive ist die Ewigkeit, deren maßgebende Vorbereitung das Leben in jeder seiner Phasen ist. Auch dem Alter kommt in diesem fortschreitenden Reifungsprozess des Menschen 822 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf dem Weg zur Ewigkeit seine Rolle zu. Aus dieser Reifung soll eben auch die soziale Gruppe, zu welcher der alte Mensch gehört, Nutzen ziehen können. Menschen im vorgerückten Alter helfen uns, mit mehr Weisheit auf die irdischen Angelegenheiten zu schauen, weil sie durch die Wechselfalle des Lebens erfahren und reif geworden sind. Sie sind Hüter des kollektiven Gedächtnisses und daher bevorzugte Interpreten jener Gesamtheit von gemeinsamen Idealen und Werten, die das Zusammenleben in der Gesellschaft tragen und leiten. Wollte man die alten Menschen ausschließen, würde der Anschein erweckt, als sollte im Namen einer gedächtnislosen Modernität die Vergangenheit, in die sich die Wurzeln der Gegenwart einsenken, abgelehnt werden. Dank ihrer reifen Erfahrung sind die Senioren dazu imstande, den Jungen wertvolle Ratschläge und Lehren zu erteilen. Die Seiten menschlicher Gebrechlichkeit, die am sichtbarsten mit dem Alter Zusammenhängen, werden in diesem Licht zu einem Hinweis auf die gegenseitige Abhängigkeit und notwendige Solidarität, die die Generationen miteinander verbinden. Denn jeder Mensch braucht den anderen und wird durch die Gaben und Charismen aller bereichert. Treffend klingen in diesem Zusammenhang die Überlegungen eines Dichters, der mir viel bedeutet. Er schreibt: „Ewig ist nicht allein die Zukunft, nicht sie allein! ... Ja, auch die Vergangenheit ist das Zeitalter der Ewigkeit: Alles bereits Geschehene wird einst nicht so zurückkehren, wie es früher war ... Es wird als Idee zurückkehren, es wird nicht als es selbst zurückkehren“. <356> <356> C. Norwid, Nie tylko przysz_o ..., Post scriptum, I, w. l^t. „Ehre deinen Vater und deine Mutter“ 11. Warum also sollen wir nicht weiterhin dem alten Menschen jenen Respekt zollen, auf den die gesunden Traditionen vieler Kulturen auf jedem Erdteil Wert gelegt haben? Für die Völker der Region, die der biblische Einfluss erreichte, wurde immer der Bezug zum Gebot des Dekalogs hergestellt: „Ehre deinen Vater und deine Mutter“; eine Pflicht übrigens, die allgemein anerkannt wird. Der vollen, konsequenten Anwendung dieses Gebotes entsprang nicht nur die Liebe der Kinder zu ihren Eltern; es wurde auch das starke Band hervorgehoben, das zwischen den Generationen besteht. Wo das Gebot angenommen und treu befolgt wird, wissen die alten Menschen, dass sie nicht Gefahr laufen, als nutzlose, im Weg stehende Last angesehen zu werden. Das Gebot lehrt noch etwas: Denen, die uns vorausgegangen sind, gebührt Achtung für all das Gute, das sie getan haben, „Vater und Mutter“ deuten auf die Vergangenheit hin, auf die Verbindung zwischen den Generationen, die Voraussetzung, die überhaupt die Existenz eines Volkes erst ermöglicht. Nach den zwei in der Bibel vorgelegten Fassungen (vgl. Ex 20,2-17; Dtn 5,6—21) nimmt dieses göttliche Gebot auf der zweiten Tafel, auf der die Pflichten des Menschen gegenüber sich selbst und gegenüber der Gesellschaft entfaltet sind, den ersten Platz ein. Es 823 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ist ferner das einzige Gebot, mit dem eine Verheißung verbunden ist: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt“ {Ex 20,12; vgl. Dtn 5,16). 12. „Du sollst vor grauem Haar aufstehen, das Ansehen eines Greises ehren“ {Lev 19,32). Den alten Menschen Ehre entgegenzubringen, das umfasst eine dreifache Verpflichtung ihnen gegenüber: Annahme, Beistand und Wertschätzung ihrer Eigenschaften. In vielen Kreisen geschieht das fast selbstverständlich, wie aus alter Gewohnheit. Anderswo, besonders in den wirtschaftlich wohlhabenderen Nationen, muss die Richtung geändert werden, damit die Menschen in vorgerückten Jahren mit Würde alt werden können, ohne befürchten zu müssen, schließlich nichts mehr zu zählen. Es gilt, sich davon zu überzeugen, dass Achtung und Liebe gegenüber den alten Menschen, die sich trotz des Schwindens ihrer Kräfte als lebendiger Teil der Gesellschaft fühlen sollen, zu einer wirklich menschlichen Zivilisation gehört. Schon Cicero schrieb, dass „die Last des Alters für den leichter ist, der sich von den Jungen geachtet und geliebt fühlt“. <357> „Levior fit senectus, eorum qui a iuventute coluntur et diliguntur“, Cato maior, seu De senectute, 8, 26. Im Übrigen bleibt der menschliche Geist, obgleich er am Alterungsprozess des Körpers teilhat, in einem gewissen Sinn immer jung; er muss nur dem Ewigen zugewandt leben. Dieses immerwährende Jungsein macht er dann zu einer lebendigeren Erfahrung, wenn sich mit dem inneren Zeugnis des guten Gewissens die zuvorkommende, dankbare Zuneigung lieber Menschen verbindet. Der Mensch wird also, wie der hl. Gregor von Nazianz schreibt, „geistig nicht altem; er wird den Abbau als den Zeitpunkt annehmen, der durch die notwendige Freiheit festgelegt wurde. Sanft wird er ins Jenseits hinübergehen, wo keiner unreif oder alt ist, sondern sich alle in der Vollkommenheit des geistigen Alters befinden“. <358> Wir alle kennen eindrucksvolle Beispiele alter Menschen mit erstaunlicher Jugendlichkeit und Geisteskraft. Für den, der auf sie zugeht, sind sie durch ihre Worte ein Anspron und mit ihrem Beispiel ein Trost. Möge die Gesellschaft die alten Menschen, die in manchen Regionen der Welt - ich denke da besonders an Afrika - zu Recht als „lebende Bibliotheken“ der Weisheit, als Hüter eines unschätzbaren Erbes menschlicher und geistiger Zeugnisse hochgeschätzt werden, voll zur Geltung kommen lassen. Es trifft zwar zu, dass sie in physischer Hinsicht im Allgemeinen auf Hilfe angewiesen sind, doch ebenso wahr ist, dass sie in ihrem vorgerückten Alter den Schritten der jungen Menschen Rückhalt bieten können, die in den Horizont des Lebens hinaustreten, um dessen Wege zu erkunden. Während ich von den alten Menschen spreche, kann ich nicht umhin, mich auch an die Jungen zu wenden. Ich lade sie ein, den Alten beizustehen. Ich fordere euch, liebe junge Leute, auf, dies mit Liebe und Hochherzigkeit zu tun. Die alten Menschen vermögen euch viel mehr zu geben, als ihr euch überhaupt vorstellen könnt. Das Buch Jesus Sirach spricht in diesem Zusammenhang die Mahnung aus: „Ver- Rede nach der Rückkehr vom Land, Nr. 11. 18 19 824 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN achte nicht die Überlieferung der Alten, die sie übernommen haben von ihren Vätern“ (8,9); „Verweile gern im Kreis der Alten, wer weise ist, dem schließ dich an!“ (6,34); denn den Hochbetagten „steht Weisheit gut an“ (25,5). 13. Die christliche Gemeinschaft kann von der Gelassenheit, mit der die älteren Menschen ihr Leben gestalten, viel empfangen. Ich denke vor allem an die Evangelisierung. Ihre Wirksamkeit hängt nicht in erster Linie von der Arbeitsleistung ab. In wie vielen Familien empfangen die Enkel von den Großeltern die ersten Grundlagen des Glaubens! Aber es gibt noch viele andere Bereiche, wo sich der Beitrag alter Menschen wohltuend auswirken kann. Der Geist handelt, wie und wo er will. Dazu bedient er sich nicht selten menschlicher Wege, die in den Augen der Welt wenig zu zählen scheinen. Wie viele Menschen finden Verständnis und Trost bei alten, einsamen oder kranken Personen, die aber fähig sind, durch liebevollen Rat, durch das stille Gebet und durch das Zeugnis des mit geduldiger Ergebung angenommenen Leidens Mut zuzusprechen! Gerade während die Kräfte schwinden und die Leistungsfähigkeit nachlässt, werden diese unsere Brüder und Schwestern um so wertvoller im geheimnisvollen Plan der Vorsehung. Auch unter dieser Hinsicht und nicht nur wegen eines offensichtlichen psychologischen Bedürfnisses des alten Menschen selbst ist der natürlichste Ort, um den Zustand des Altseins zu leben, die Umgebung, in der er „zu Hause“ ist, also unter Verwandten, Bekannten und Freunden, und wo er noch einige Dienste leisten kann. Während durch das Ansteigen des durchschnittlichen Lebensalters die Gruppe der alten Menschen wächst, wird es immer dringender, eine Kultur zu fordern, in der das Alter angenommen und geschätzt, nicht aber an den Rand der Gesellschaft verbannt ist. Das Ideal bleibt der Aufenthalt des alten Menschen in der Familie, zugleich mit der Gewährleistung wirksamer sozialer Hilfen für die wachsenden Bedürfnisse, die Alter oder Krankheit mit sich bringen. Es gibt allerdings Situationen, wo die Umstände selbst die Unterbringung in einem „Altenheim“ anraten oder unumgänglich machen, damit der Betagte sich der Gesellschaft mit anderen Personen erfreuen und eine fachgerechte Betreuung in Anspruch nehmen kann. Solche Häuser sind daher lobenswerte Einrichtungen, und die Erfahrung sagt, dass sie in dem Maße, in dem sie sich nicht nur an den Kriterien der organisatorischen Effizienz, sondern auch der liebevollen Sorge inspirieren, einen wertvollen Dienst leisten können. In diesem Sinn ist alles leichter, wenn seitens der Angehörigen, Freunde und Pfarr-gemeinden eine Beziehung zu den einzelnen Heimbewohnern besteht, die diesen hilft, sich als geliebte und für die Gesellschaft noch nützliche Menschen zu fühlen. Und wie sollte man hier nicht voll Bewunderung und Dankbarkeit an die Ordenskongregationen und an die Gruppen Freiwilliger denken, die sich mit besonderer Sorge gerade der Betreuung der alten Menschen widmen - vor allem der ärmsten unter ihnen, die verlassen sind oder sich in Schwierigkeiten befinden? Ich bin euch, meine lieben betagten Brüder und Schwestern, die ihr euch aus gesundheitlichen oder warum auch immer in einer schwierigen Lage befindet, voll Zuneigung nahe. Wenn Gott unser Leiden, das durch Krankheit, Einsamkeit oder anderen Gründen, die mit dem vorgerückten Alter verbunden sind, zulässt, schenkt 825 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN er uns immer die Gnade und die Kraft, dass wir uns mit noch mehr Liebe mit dem Opfer seines Sohnes vereinen und noch intensiver an seinem Heilsplan teilnehmen. Sind wir davon überzeugt: Er ist unser Vater, ein Vater reich an Liebe und Barmherzigkeit! In besonderer Weise denke ich an euch, verwitwete Männer und Frauen, die ihr die letzte Wegstrecke eures Lebens allein gehen müsst; an euch, betagte Ordensmänner und Ordensfrauen, die ihr lange Jahre hindurch treu der Sache des Himmelreiches gedient habt; an euch, liebe Brüder im Priester- und Bischofsamt, die ihr wegen Erreichung der Altersgrenze die direkte Verantwortung des Hirtenamtes abgegeben habt. Die Kirche braucht euch noch. Sie weiss die Dienste zu schätzen, die ihr euch in verschiedenen Bereichen des Apostolats noch zutraut, sie zählt auf euren Beitrag, den ihr durch ausgedehntes Gebet leisten könnt, sie erwartet euren erfahrenen Rat und sie wird bereichert durch das Zeugnis des Evangeliums, das ihr Tag für Tag ablegt. „Du zeigst mir den Pfad zum Leben. Vor deinem Angesicht herrscht Freude in Fülle“ (Ps 16,11) 14. Es ist nur natürlich, dass einem mit zunehmenden Jahren der Gedanke an den „Lebensabend“ vertraut wird. Wenn nichts anderes, so erinnert uns daran die Tatsache, dass sich die Reihen unserer Angehörigen, Freunde und Bekannten zu lichten beginnen. Wir werden uns dessen bei verschiedenen Gelegenheiten bewusst, zum Beispiel bei Familien- und Klassentreffen, bei Zusammenkünften mit unseren Freunden aus Kindheitstagen, mit unseren Studienkollegen und mit unseren Kameraden beim Militär, mit unseren Kurskollegen im Seminar... Die Grenze zwischen Leben und Tod verläuft quer durch unsere Gemeinschaften und rückt fiir einen jeden von uns unerbittlich näher. Wenn das Leben eine Pilgerschaft zur himmlischen Heimat ist, so ist das Alter die Zeit, wo man selbstverständlicher auf die Schwelle der Ewigkeit schaut. Trotzdem haben auch wir Alten Mühe damit, uns mit der Aussicht auf diesen Übergang abzufinden. Er stellt nämlich in dem von der Sünde gezeichneten menschlichen Dasein eine dunkle Dimension dar, die uns notgedmngen traurig macht und Angst bereitet. Wie könnte es auch anders sein? Der Mensch ist für das Leben erschaffen, während der Tod - wie uns die Schrift schon auf den ersten Seiten erklärt (vgl. Gen 2-3) — nicht im ursprünglichen Plan Gottes lag, sondern eine Folge der Sünde ist, der Fracht aus dem „Neid des Teufels“ (Weish 2,24). Man versteht also, warum sich der Mensch gegen diese finstere Wirklichkeit wehrt und auflehnt. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass Jesus, „der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat“ (Hebr 4,15), selber Angst vor dem Tod hatte: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber ...“ {Mt 26,39). Und wie könnte man die Tränen 826 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vergessen, die er am Grab seines Freundes Lazarus vergoss, obwohl er sich anschickte, ihn ins Leben zurückzuholen (vgl. Joh 11,35)? So sehr auch der Tod in biologischer Hinsicht rational verständlich ist, so bleibt es doch unmöglich, ihn mit „Natürlichkeit“ zu leben. Er steht im Widerspruch zum tiefsten Instinkt des Menschen. Die Aussage des Konzils dazu lautet: „Angesichts des Todes wird das Rätsel des menschlichen Daseins am größten. Der Mensch erfahrt nicht nur den Schmerz und den fortschreitenden Abbau des Leibes, sondern auch, ja noch mehr die Furcht vor immerwährendem Verlöschen“. <359> Sicher bliebe der Schmerz untröstlich, wenn der Tod die vollständige Zerstörung, das Ende von allem wäre. Der Tod zwingt daher den Menschen, sich die radikalen Fragen nach dem eigentlichen Sinn des Lebens zu stellen: Was gibt es jenseits der Mauer, die der Schatten des Todes aufgerichtet hat? Markiert der Tod das definitive Ende des Lebens oder gibt es etwas, das über ihn hinausreicht? <359> II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution Gaudium et spes, Nr. 18. 15. Von den ältesten Zeiten bis herauf in unsere Tage fehlt es in der Kultur der Menschheit nicht an oberflächlichen Antworten, die das Leben auf unser Leben hier auf Erden einschränken. Im Alten Testament lässt uns eine Stelle im Buch Kohelet an das Alter denken, als ob es ein im Abbruch befindliches Gebäude wäre. Der Tod wäre dann dessen vollständige und endgültige Zerstörung (vgl. 12,1-7). Aber gerade im Licht dieser pessimistischen Antworten gewinnt die hoffnungsvolle Aussicht, die von der Offenbarung insgesamt und besonders vom Evangelium ausgeht, größte Bedeutung: „Gott ist kein Gott von Toten, sondern von Lebenden“ (Lk 20,38). Der Apostel Paulus bezeugt, dass der Gott, der die Toten lebendig macht (vgl. Röm 4,17), auch unseren sterblichen Leib lebendig machen wird (vgl. ebd.., 8,11). Und Jesus sagt von sich selbst: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (Joh 11,25-26). Nachdem Christus die Grenze des Todes überschritten hatte, offenbarte er das Leben, das es jenseits dieser Grenze in jenem vom Menschen unerforschten „Gebiet“ gibt, das Ewigkeit heißt. Jesus Christus ist der erste Zeuge des unsterblichen Lebens; in ihm offenbart sich in Fülle des Menschen Hoffnung auf Unsterblichkeit. „Bedrückt uns auch das Los des sicheren Todes, so tröstet uns doch die Verheißung der künftigen Unsterblichkeit“. <360> Auf diese Worte, die den Gläubigen die Liturgie als Trost in der Stunde des Abschieds von einem geliebten Menschen anbietet, folgt eine hoffnungsvolle Ankündigung: „Denn deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen. Und wenn die Herberge der irdischen Pilgerschaft zerfällt, ist uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet“. <361> In Christus wird der Tod als dramatische und bestürzende Realität freigekauft und gewan- <360> Römisches Messbuch, I. Präfation von den Verstorbenen. <361> Ebd. 827 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN delt, um das Gesicht eines „Bruders“ anzunehmen, der uns in die Arme des Vaters führt. <362> <362> Vgl. Hl. Franz von Assisi, Sonnengesang. 16. Der Glaube erleuchtet so das Geheimnis des Todes und flößt dem Alter Gelassenheit ein: Es wird nicht mehr als passives Warten auf ein zerstörerisches Ereignis, sondern als verheißungsvolle Annäherung an das Ziel der vollen Reife angesehen und erfahren. Es sind Jahre, die mit dem Gefühl gelebt werden sollen, dass man sich vertrauensvoll den Händen Gottes, des umsichtigen und barmherzigen Vaters, überlässt; eine Zeit, die für eine Vertiefung des geistlichen Lebens durch Intensivierung des Gebets und Verpflichtung zur liebevollen Hingabe an die Brüder kreativ genutzt werden soll. Daher verdienen alle sozialen Initiativen Lob, die es den alten Menschen ermöglichen, sich sowohl körperlich, intellektuell und im Beziehungsleben weiterzubilden als auch sich dadurch nützlich zu machen, dass sie ihre eigene Zeit, ihre Fähigkeiten und ihre Erfahrung den anderen anbieten. Auf diese Weise erhält und steigert man die Lebensfreude, die ein grundlegendes Gottesgeschenk ist. Andererseits steht zu dieser Lebensfreude jenes Verlangen nach der Ewigkeit nicht in Widerspruch, das in allen heranreift, die eine tiefe geistliche Erfahrung machen. Das bezeugt das Leben der Heiligen. Diesbezüglich erinnert uns das Evangelium an die Worte des alten Simeon, der erklärt, zum Sterben bereit zu sein, nachdem er den erwarteten Messias in seine Arme schließen konnte: „Nun läßt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen“ (Lk 2,29-30). Der Apostel Paulus fühlte sich gleichsam hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch weiterzuleben, um das Evangelium zu verkünden, und der Sehnsucht danach, „aufzubrechen und bei Christus zu sein“ (Phil 1,23). Der hl. Ignatius von Antiochia bezeugte, während er voll Freude das Martyrium erlitt, im Herzen die Stimme des Heiligen Geistes zu hören. Sie glich lebendigem „Wasser“, das in seinem Inneren entsprang und ihm die Einladung zuflüsterte: „Komm zum Vater“. <363> Die Beispiele ließen sich weiterführen. Sie werfen keinerlei Schatten auf den Wert des irdischen Lebens, das trotz Einschränkungen und Leiden schön ist und bis zum Ende gelebt werden muss. Sie erinnern uns jedoch daran, dass dieses Leben nicht der letzte Wert ist, dass also nach christlicher Auffassung der Lebensabend die Konturen eines „Überganges“ annimmt, einer von einem Leben zum anderen geschlagenen Brücke zwischen der zerbrechlichen und unsicheren Freude dieser Erde und der vollkommenen Freude, die der Herr seinen treuen Dienern bereitet: „Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!“ (Mt 25,21). <363> Brief an die Römer, 7,2: PG 5, 693. 828 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Glückwunsch zum Leben 17. Während ich euch, meine lieben betagten Brüder und Schwestern, in diesem Geist wünsche, mit ruhiger Gelassenheit die Jahre zu leben, die der Herr für einen jeden bereitet hat, spüre ich das spontane Verlangen, euch bis zum Letzten an den Gefühlen teilhaben zu lassen, die mich am Ende meines Lebens, nach mehr als zwanzig Jahren des Dienstes auf dem Stuhl Petri und in Erwartung des vor der Tür stehenden dritten Jahrtausends bewegen. Trotz der Einschränkungen, die mit dem Alter verbunden sind, bewahre ich mir die Lebensfreude. Dafür danke ich dem Herrn. Es ist schön, sich bis zum Ende für die Sache des Reiches Gottes zu verzehren. Gleichzeitig empfinde ich einen großen Frieden, wenn ich an den Augenblick denke, in dem der Herr mich zu sich rufen wird: vom Leben ins Leben! Darum kommt mir häufig, ohne jeden Anflug von Traurigkeit, ein Gebet auf die Lippen, das der Priester nach der Eucharistiefeier spricht: In hora mortis meae voca me, et iube me venire ad te - in der Stunde des Todes rufe mich und lass mich zu dir kommen. Das ist das Gebet der christlichen Hoffnung, das der Freude über die gegenwärtige Stunde keinen Abbruch tut, während es die Zukunft dem Schutz der göttlichen Güte anheimstellt. 18. „Iube me venire ad te!“: Das ist die tiefste Sehnsucht des menschlichen Herzens, auch bei denen, die sich dessen nicht bewusst sind. Gib, o Herr des Lebens, dass wir uns dessen klar bewusst werden und jeden Abschnitt unseres Lebens als Geschenk auskosten, das voll weiterer Verheißungen ist. Lass deinen Willen mit Liebe an uns geschehen, indem du uns jeden Tag in deine barmherzigen Arme nimmst. Wenn der Augenblick des endgültigen „Übergangs“ gekommen ist, lass uns ihn mit heiterem Herzen antreten, ohne dem nachzutrauem, was wir zurücklassen. Denn wenn wir nach langer Suche dir begegnen, werden wir jeden echten Wert wiederfinden, den wir hier auf Erden erfahren haben. Auch werden wir all jene wiedertreffen, die uns vorausgegangen sind im Zeichen des Glaubens und der Hoffnung. Und du, Maria, Mutter der pilgernden Menschheit, bitte für uns , jetzt und in der Stunde unseres Todes“. Drücke uns immer fest an Jesus, deinen geliebten Sohn und unseren Bmder, den Herrn des Lebens und der Herrlichkeit. Amen! Aus dem Vatikan, am 1. Oktober 1999 Joannes Paulus PP. II 829 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Spes AEDIFICANDI Als Motu Proprio erlassenes Apostolisches Schreiben zur Ausrufung der hl. Birgitta von Schweden, der hl. Katharina von Siena und der hl. Teresia Benedicta a Cruce zu Mitpatroninnen Europas, vom 1. Oktober Johannes Paul II. Zu immerwährendem Gedenken 1. Die Hoffnung auf den Aufbau einer gerechteren und menschenwürdigeren Welt, eine Hoffnung, die von der Erwartung des nunmehr vor der Tür stehenden dritten Jahrtausends noch angefacht wird, muss von dem Bewusstsein getragen sein, dass menschliche Anstrengungen nichts nützen würden, wenn sie nicht von der göttlichen Gnade begleitet wären: „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut“ (Ps 127,1). Dem müssen auch alle Rechnung tragen, die in diesen Jahren vor dem Problem stehen, Europa eine neue Ordnung zu geben, die dem alten Kontinent helfen soll, sich durch Beseitigung des traurigen Erbes der Vergangenheit die Reichtümer seiner Geschichte zunutze zu machen, um mit einer in den besten Traditionen verwurzelten Originalität auf die Erfordernisse der sich wandelnden Welt zu antworten. In der Gesamtgeschichte Europas stellt das Christentum zweifellos ein zentrales und prägendes Element dar, das sich auf dem starken Fundament des klassischen Erbes und der vielfältigen Beiträge gefestigt hatte, die von den im Laufe der Jahrhunderte aufeinanderfolgenden unterschiedlichen ethnisch-kulturellen Strömungen eingebracht wurden. Der christliche Glaube hat die Kultur des Kontinents geformt und sich mit seiner Geschichte so unlösbar verflochten, dass diese gar nicht verständlich wäre, würde man nicht auf die Ereignisse verweisen, die zunächst die große Zeit der Evangelisierung und dann die langen Jahrhunderte geprägt haben, in denen sich das Christentum, wenn auch in der schmerzlichen Spaltung zwischen Orient und Okzident, als die Religion der Europäer durchgesetzt hat. Auch in Neuzeit und Gegenwart, wo die religiöse Einheit sowohl infolge weiterer Spaltungen unter den Christen als auch wegen der Loslösungsprozesse der Kultur vom Horizont des Glaubens mehr und mehr zerbröckelte, kommt der Rolle des Glaubens auch weiterhin eine wichtige Bedeutung zu. Der Weg in die Zukunft muss dieser Gegebenheit Rechnung tragen. So sind die Christen aufgerufen, sich des Glaubens neu bewusst zu werden, um zu zeigen, was er an Möglichkeiten ständig in sich birgt. Sie haben die Pflicht, zum Aufbau Europas einen besonderen Beitrag zu leisten. Dieser wird um so wertvoller und wirksamer sein, je mehr es den Christen gelingt, sich selbst im Lichte des Evangeliums zu erneuern. Auf diese Weise werden sie jene lange Geschichte der Heiligkeit fortführen, welche die verschiedenen Regionen Europas im Laufe dieser zweitausend Jahre durchzogen hat, in denen die offiziell anerkannten Heiligen nur die als Vorbilder für alle Menschen ausgewiesenen Höhepunkte sind. Denn zahllos sind die Christen, die durch ihr von der Liebe zu Gott und zum Nächsten beseeltes, recht- 830 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaffenes und aufrichtiges Leben in den verschiedensten Berufen als Geistliche, Ordensleute und Laien eine Heiligkeit erlangt haben, die in ihrer Verborgenheit echt und weit verbreitet war. 2. Die Kirche zweifelt nicht daran, dass gerade dieser Schatz der Heiligkeit das Geheimnis ihrer Vergangenheit und die Hoffnung ihrer Zukunft ist. In ihm drückt sich nämlich am besten das Geschenk der Erlösung aus, durch das der Mensch von der Sünde befreit wird und die Möglichkeit zu einem neuen Leben in Christus erhält. In ihm findet das Volk Gottes auf seinem Weg durch die Zeit eine unvergleichliche Stütze, fühlt es sich doch zutiefst mit der verherrlichten Kirche verbunden, die im Himmel dem Lamm den Lobpreis singt (vgl. Offb 7,9-10), während sie für die noch auf Erden pilgernde Gemeinschaft Fürbitte einlegt. Damm hat das Volk Gottes seit ältesten Zeiten die Heiligen als Beschützer angesehen. Durch eine einzigartige Gepflogenheit, an der sicher der Einfluss des Heiligen Geistes nicht unbeteiligt war, wurden dann die einzelnen Kirchen, Regionen und sogar Kontinente dem besonderen Schutz einiger Heiliger anvertraut. Manchmal geschah es auf Drängen der Gläubigen, dem die Bischöfe nachgaben, dann wieder auf Initiative der Bischöfe selbst. Da gerade die Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa tagt, schien mir aus der oben gezeichneten Perspektive und angesichts des bevorstehenden Großen Jubiläums des Jahres 2000, dass die europäischen Christen aus der Betrachtung und der Anrufung mancher Heiliger, die auf ihre Weise besonders repräsentativ für ihre Geschichte sind, geistlichen Nutzen ziehen könnten. Die Christen in Europa erleben ja zusammen mit ihren Mitbürgern einen epochalen Übergang, der zwar reich an Hoffnung, aber zugleich nicht frei von Sorgen ist. Ich habe mir daher nach entsprechender Beratung überlegt, das zu vollenden, was ich am 31. Dezember 1980 begonnen habe, als ich zwei Heilige des ersten Jahrtausends, die Brüder Cyrill und Methodius, als Pioniere der Evangelisierung Osteuropas dem hl. Benedikt an die Seite stellte und zu Mitpatronen Europas erklärte. So will ich nunmehr die Schar der himmlischen Schutzpatrone durch drei Gestalten ergänzen, die gleichfalls als Sinnbilder für entscheidende Augenblicke des zu Ende gehenden zweiten Jahrtausends stehen: die heilige Birgitta von Schweden, die heilige Katharina von Siena und die heilige Teresia Benedicta a Cruce (Edith Stein). Drei große Heilige, drei Frauen, die sich in verschiedenen Epochen - zwei im Hochmittelalter und eine in unserem Jahrhundert - durch die tatkräftige Liebe zur Kirche Christi und durch das Zeugnis für sein Kreuz ausgezeichnet haben. 3. Das Panorama der Heiligkeit ist natürlich so vielfältig und reich, dass die Wahl neuer himmlischer Schutzpatrone auch auf andere sehr würdige Gestalten hätte fallen können, deren sich jede Epoche und jede Region rühmen dürfen. Im Rahmen der von der Vorsehung bestimmten Tendenz, die sich in Kirche und Gesellschaft unserer Zeit durch die immer klarere Amerkennung der Würde und der eigentlichen Gaben der Frau durchgesetzt hat, halte ich jedoch die Option für diese Heiligkeit mit weiblichem Antlitz für besonders bedeutsam. 831 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In Wirklichkeit hat es die Kirche von ihren Anfängen an nicht versäumt, die Rolle und Sendung der Frau anzuerkennen, auch wenn sie sich bisweilen von den Bedingtheiten einer Kultur beeinflussen ließ, die der Frau nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit schenkte. Doch die christliche Gemeinschaft ist auch in dieser Hinsicht allmählich gereift, und gerade die von der Heiligkeit entfaltete Rolle hat sich dafür als entscheidend erwiesen. Ein ständiger Impuls ist vom Bild Mariens, der „idealen Frau“, der Mutter Christi und der Kirche, ausgegangen. Aber auch der Mut der Märtyrinnen, die mit erstaunlicher Seelenkraft die grausamsten Qualen auf sich genommen haben, das Zeugnis der Frauen, die sich mit beispielhafter Radikalität zum asketischen Leben verpflichtet haben, die tägliche Hingabe so vieler Ehefrauen und Mütter in der Familie als „Hauskirche“, die Charismen so vieler Mystikerinnen, die zur theologischen Vertiefung beigetragen haben: Sie alle haben der Kirche eine wertvolle Anleitung dafür gegeben, den Plan, den Gott für die Frauen hat, voll zu erfassen. Seinen unmissverständlichen Ausdruck findet dieser Plan übrigens bereits auf einigen Seiten der Heiligen Schrift und besonders in der im Evangelium bezeugten Haltung Christi. Auf dieser Linie liegt auch die Wahl, die heilige Birgitta von Schweden, die heilige Katharina von Siena und die heilige Teresia Benedicta a Cruce zu Mitpatroninnen Europas zu erklären. Der Grund, der dann mein besonderes Augenmerk auf diese Frauen gelenkt hat, liegt in deren Leben. Ihre Heiligkeit äußerte sich nämlich unter historischen Gegebenheiten und im Rahmen „geographischer“ Räume, die sie für den europäischen Kontinent besonders bedeutsam erscheinen lassen. Die heilige Birgitta verweist auf den äußersten Norden Europas, wo sich der Kontinent mit den übrigen Teilen der Welt gleichsam zu einer Einheit verbindet; von dort ist sie aufgebrochen, um schließlich in Rom ihr Ziel zu finden. Auch Katharina von Siena ist wegen der Rolle bekannt, die sie damals, als der Nachfolger Petri in Avignon residierte, durch die Vollendung eines geistlichen Werkes spielte, das bereits die heilige Birgitta begonnen hatte: Denn sie hatte die Rückkehr des Papstes an seinen eigentlichen Sitz in der Nähe des Grabes des Apostelfürsten gefordert. Die erst vor kurzem heiliggesprochene Teresia Benedicta a Cruce schließlich verbrachte nicht nur ihr Leben in verschiedenen Ländern Europas, sondern schlug mit ihrer ganzen Existenz als Denkerin, Mystikerin und Märtyrerin gleichsam eine Brücke zwischen ihren jüdischen Wurzeln und der Zugehörigkeit zu Christus. Sie tat es, indem sie mit sicherer Intuition im Dialog mit dem modernen philosophischen Denken stand und indem sie schließlich durch ihr Martyrium in der entsetzlichen und beschämenden „Shoah“ die Gründe gleichsam herausschrie, die für Gott und den Menschen sprechen. So ist sie zum Ausdruck einer menschlichen, kulturellen und religiösen Pilgerschaft geworden, die den tiefen Kern der Tragödie und der Hoffnungen des europäischen Kontinents verkörpert. 4. Die erste dieser drei großen Gestalten, Birgitta, stammte aus einer Adelsfamilie und wurde im Jahr 1303 in Finsta in der schwedischen Region Uppland geboren. Sie ist vor allem als Mystikerin und Gründerin des Ordens des Heiligsten Erlösers bekannt. Man darf jedoch nicht vergessen, dass sie in der ersten Lebenshälfte dem 832 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Laienstand angehörte und mit einem frommen Christen glücklich verheiratet war, von dem sie acht Kinder hatte. Wenn ich auf sie als Mitpatronin Europas hinweise, möchte ich damit bewirken, dass sich ihr nicht nur diejenigen nahe fühlen, die die Berufung zu einem besonderen geistlichen Stand empfangen haben, sondern auch jene, die als Laien ihren gewöhnlichen Tätigkeiten in der Welt nachgehen und denen vor allem die hohe und verpflichtende Berufung zukommt, eine christliche Familie zu bilden. Ohne sich vom Wohlstandsleben ihrer gesellschaftlichen Klasse beirren zu lassen, lebte Birgitta mit ihrem Gemahl Ulf die Erfahrung eines Ehepaares, bei dem sich die eheliche Liebe mit intensivem Gebet, Studium der Heiligen Schrift, Abtötung und Nächstenliebe verband. Gemeinsam gründeten die Eheleute ein kleines Spital, wo sie häufig den Kranken Beistand leisteten. Birgitta hatte es sich sodann zur Gewohnheit gemacht, persönlich den Armen zu dienen. Zugleich wurde sie wegen ihrer pädagogischen Gaben geschätzt, die sie besonders dann entfalten konnte, wenn man sie am Hof von Stockholm um ihren Dienst ersuchte. Aus dieser Erfahrung sollten die Ratschläge heranreifen, die sie bei verschiedenen Gelegenheiten Fürsten und Herrschern für die richtige Erfüllung ihrer Aufgaben erteilte. Aber an erster Stelle kam diese Fähigkeit natürlich ihren Kindern zugute, und es ist kein Zufall, dass eine ihrer Töchter, Katharina, als Heilige verehrt wird. Doch diese Periode ihres Familienlebens war nur eine erste Etappe. Die Wallfahrt nach Santiago de Compostela, die sie 1341 zusammen mit ihrem Ehemann Ulf unternahm, bildete den symbolischen Abschluss dieser Phase. Für Birgitta war sie die Vorbereitung auf das neue Leben, das sie einige Jahre später begann, als sie nach dem Tod des Gatten die Stimme Christi vernahm, der ihr eine neue Sendung übertrag, während er sie durch eine Reihe außerordentlicher mystischer Gnaden Schritt für Schritt begleitete. 5. Nachdem sie 1349 Schweden verlassen hatte, ließ sich Birgitta in Rom nieder, dem Sitz des Nachfolgers Petri. Der Umzug nach Italien stellt einen Abschnitt in Birgittas Leben dar, der nicht für die geographische und kulturelle, sondern vor allem für die spirituelle Erweiterung ihres Geistes und Herzens entscheidend war. Viele Orte Italiens haben sie als Pilgerin gesehen, deren tiefster Wunsch es war, die Reliquien der Heiligen zu verehren. Orte, die davon erzählen können, sind: Mailand, Pavia, Assisi, Ortona, Bari, Benevento, Pozzuoli, Neapel, Salerno, Amalfi und das Heiligtum des hl. Erzengels Michael auf dem Monte Gargano. Die letzte Wallfahrt, die sie zwischen 1371 und 1372 unternahm, führte sie nach Überquerung des Mittelmeeres in Richtung Heiliges Land und gestattete ihr, außer den vielen heiligen Stätten des katholischen Europa die eigentlichen Quellen des Christentums gleichsam geistlich zu umarmen, die als Orte vom Leben und Tod des Erlösers geheiligt sind. Noch mehr als durch dieses fromme Wallfahrten hat Birgitta aber durch den tiefen Sinn für das Geheimnis Christi und der Kirche in einem äußerst kritischen Augenblick ihrer Geschichte am Aufbau der kirchlichen Gemeinschaft mitgewirkt. Die innige Verbundenheit mit Christus war nämlich begleitet von besonderen Offenbarungscharismen, die sie zu einem Bezugspunkt machte, an dem sich viele Personen 833 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Kirche ihrer Zeit ausrichteten. In Birgitta spürt man die Kraft der Prophetie. Die Töne, die sie anschlägt, erscheinen manchmal wie ein Echo der Stimmen der großen alten Propheten. Sicher und entschlossen spricht sie zu Fürsten und Päpsten. Ihnen enthüllt sie die Pläne Gottes in Bezug auf die geschichtlichen Ereignisse. Sie spart auch nicht mit strengen Ermahnungen, was die sittliche Erneuerung des christlichen Volkes und selbst des Klerus betrifft (vgl. Revelationes, IV. 49; vgl. auch IV, 5). Manche Aspekte ihres außergewöhnlichen mystischen Schaffens lösten in der damaligen Zeit verständliche Fragen aus. Ihnen gegenüber verwies die Prüfung durch die Kirche auf die einzige öffentliche Offenbarung, die in Christus ihre Erfüllung und in der Heiligen Schrift ihren maßgebenden Ausdruck gefunden hat. Denn auch die Erfahrungen der großen Heiligen sind nicht frei von jenen Grenzen, die den Empfang der Stimme Gottes durch den Menschen immer begleiten. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass die Kirche, als sie die Heiligkeit Birgittas anerkannte, die Authentizität ihrer inneren Erfahrung insgesamt billigte, auch ohne sich zu den einzelnen Offenbarungen zu äußern. Sie erscheint als eine bedeutende Zeugin des Raumes, den das Charisma in der Kirche haben kann, wenn es in voller Fügsamkeit gegenüber dem Geist Gottes und in voller Übereinstimmung mit den Ansprüchen der kirchlichen Gemeinschaft gelebt wird. Insbesondere nachdem sich die skandinavischen Länder, also die Heimat Birgittas, im Verlauf der traurigen Geschehnisse des 16. Jahrhunderts aus der vollen Gemeinschaft mit dem Römischen Stuhl losgelöst hatten, bleibt die Gestalt der schwedischen Heiligen ein wertvolles ökumenisches „Band“, das den Einsatz noch verstärkt, den ihr Orden in diesem Sinne leistet. 6. Nur wenig jünger ist die andere große Frauengestalt, die heilige Katharina von Siena, deren Rolle in den Entwicklungen der Kirchengeschichte und selbst bei der lehrmäßigen Vertiefung der geoffenbarten Botschaft tiefe Anerkennung gefunden hat, die in der Verleihung des Titels einer Kirchenlehrerin gipfelte. Die 1347 in Siena geborene Katharina war von frühester Kindheit an mit außerordentlichen Gnaden ausgestattet, die es ihr erlaubten, auf dem vom hl. Dominikus vorgezeichneten geistlichen Weg zwischen Gebet, asketischer Strenge und Werken der Nächstenliebe rasch zur Vollkommenheit voranzuschreiten. Sie war zwanzig Jahre alt, als Christus ihr durch das mystische Symbol des Brautringes seine besondere Liebe offenbarte. Es war die Krönung einer Vertrautheit, die in der Verborgenheit und Kontemplation, auch außerhalb der Mauern eines Klosters, durch das ständige Verweilen an jener geistlichen Wohnung herangereift war, die sie gern die „innere Zelle“ nannte. Das Schweigen dieser Zelle, das Katharina für die göttlichen Eingebungen in hohem Maße bereit machte, konnte sich schon bald mit einem ganz außerordentlichen apostolischen Eifer verbinden. Viele Menschen, darunter auch Kleriker, sammelten sich als Schüler um sie und sprachen ihr die Gabe einer geistlichen Mutterschaft zu. Ihre Briefe verbreiteten sich in Italien, ja über ganz Europa. Denn die junge Frau aus Siena traf mit sicherem Ton und glü- 834 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN henden Worten den Kern der kirchlichen und gesellschaftlichen Probleme ihrer Zeit. Mit unermüdlichem Einsatz verwendete sich Katharina für die Lösung der vielfältigen Konflikte, von denen die Gesellschaft ihrer Zeit zerrissen wurde. Ihre Bemühungen um Friedensstiftung erreichten europäische Herrscher wie Karl V. von Frankreich, Karl von Durazzo, Elisabeth von Ungarn, Ludwig den Großen von Ungarn und Polen sowie Johanna von Neapel. Bedeutend war ihre Initiative zur Versöhnung der Stadt Florenz mit dem Papst. Indem sie die Parteien auf den „gekreuzigten Christus und die sanftmütige Maria“ hinwies, zeigte sie, dass es für eine an den christlichen Werten orientierte Gesellschaft niemals einen Anlass zu einem so schwerwiegenden Streit geben kann, dass man die Vernunft der Waffen den Waffen der Vernunft vorziehen darf. 7. Katharina wusste freilich genau, dass man nicht wirksam zu dieser Schlussfolgerung gelangen konnte, wenn nicht zuvor die Herzen von der Kraft des Evangeliums geformt worden waren. Daher rührt die Dringlichkeit der Reform der Gewohnheiten, die sie allen ohne Ausnahme vorschlug. Die Könige erinnerte sie daran, dass sie nicht regieren konnten, als wäre das Königreich ihr „Eigentum“: Vielmehr sollten sie sich bewusst sein, dass sie Gott über die Machtausübung Rechenschaft geben müssen. Aus diesem Wissen heraus sollten sie die Aufgabe annehmen, „die heilige und wahre Gerechtigkeit“ dadurch zu erhalten, dass sie sich zu „Vätern der Armen“ machen (vgl. Brief Nr. 235 an den König von Frankreich). Die Ausübung der Herrschergewalt war nämlich nicht von der Übung der Nächstenliebe zu trennen, die zugleich die Seele des persönlichen Lebens und der politischen Verantwortung ist (vgl. Brief Nr. 357 an den König von Ungarn). Mit derselben Eindringlichkeit wandte sich Katharina an die Geistlichen jeden Ranges, um von ihnen die strengsten Konsequenzen im Leben und im pastoralen Dienst zu verlangen. Der freie, kraftvolle und eindringliche Ton, mit dem sie Priester, Bischöfe und Kardinäle ermahnt, macht Eindruck. Im Garten der Kirche -sagte sie — müssten die faulenden Pflanzen ausgerissen und durch frische, duftende „neue Pflanzen“ ersetzt werden. Gestärkt durch ihre Vertrautheit mit Christus scheute sich die Heilige aus Siena nicht, selbst den Papst, den sie als „sanftmütigen Christus auf Erden“ zärtlich liebte, mit aller Offenheit auf den Willen Gottes hinzuweisen, der ihm gebot, das von irdischer Vorsicht und weltlichen Interessen diktierte Zaudern und Zögern endlich aufzugeben und von Avignon nach Rom zum Petrusgrab zurückzukehren. Mit derselben Leidenschaft opferte sich Katharina dafür auf, die Spaltungen abzuwenden, die sich bei der Papstwahl nach dem Tod Gregors XI. abzeichneten: Auch in dieser Situation appellierte sie noch einmal leidenschaftlich an die unverzichtbaren Gründe, die für den Erhalt der Gemeinschaft sprachen. Das war das höchste Ideal, an dem sie ihr ganzes Leben ausgerichtet hatte, während sie sich vorbehaltlos für die Kirche verzehrte. Das sollte sie selbst auf dem Sterbebett ihren geistlichen Kindern bezeugen: „Seid gewiß, meine Lieben, daß ich das Leben für die 835 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN heilige Kirche hingegeben habe“ (Seliger Raimondo da Capua, Leben der heiligen Katharina von Siena, Lib. III, c. IV). 8. Mit Edith Stein - der heiligen Teresia Benedicta a Cruce - befinden wir uns in einem ganz anderen historisch-kulturellen Umfeld. Sie fährt uns nämlich mitten in unser geplagtes Jahrhundert. Aus dieser Gestalt werden die Hoffnungen deutlich, die das Jahrhundert entzündet hat, aber auch die Widersprüche und das Scheitern, die es gekennzeichnet haben. Edith kommt nicht, wie Birgitta und Katharina, aus einer christlichen Familie. Alles in ihr drückt die Qual der Suche und die Mühsal der existentiellen „Pilgerschaft“ aus. Auch nachdem sie im Frieden des kontemplativen Lebens bei der Wahrheit angekommen war, musste sie das Geheimnis des Kreuzes bis zum Letzten leben. Edith wurde 1891 in einer jüdischen Familie in der Stadt Breslau geboren, die damals deutsches Staatsgebiet war. Aufgrund des Interesses, das sie für die Philosophie entwickelte, während sie die religiöse Praxis, in die sie von der Mutter eingeführt worden war, aufgab, hätte man bei ihr eher mit einem Leben im Zeichen des reinen „Rationalismus“ gerechnet als mit einem Weg der Heiligkeit. Aber die Gnade erwartete sie gerade auf den verschlungenen Wegen des philosophischen Denkens: Als sie den Weg der phänomenologischen Richtung einschlug, meinte sie, darin die Instanz einer objektiven Wirklichkeit zu erfassen, die keineswegs beim Subjekt endet, sondern vielmehr dessen Erkenntnis vorausgeht, sie ausmisst und deshalb mit strengem Bemühen um Objektivität geprüft werden muss. Man muss sich in diese objektive Wirklichkeit hineinhören, indem man sie vor allem im Menschen erfasst. Dies geschieht mit Hilfe jenes Einfühlungsvermögens, das „Empathie“ heißt - ein Wort, das Edith Stein sehr teuer war - und einem erlaubt, sich das von anderen Erlebte gewissermaßen zu eigen zu machen (vgl. Edith Stein, Das Problem der Empathie). In dieser Spannung des Hinhörens traf sie sich einerseits mit den Zeugnissen der christlichen spirituellen Erfahrung, wie sie die hl. Theresa von Avila und andere große Mystiker boten, deren Jüngerin und eifrige Nachahmerin sie wurde. Andererseits berührte sie damit die alte Überlieferung des christlichen Denkens, die im Thomismus eine feste Form erhalten hatte. Auf diesem Weg gelangte Edith zunächst zur Taufe, um sich dann für das kontemplative Leben im Karmelitinnenor-den zu entscheiden. Das alles spielte sich im Rahmen eines ziemlich bewegten Lebensweges ab, der außer von der inneren Suche auch von Forschungs- und Lehrverpflichtungen geprägt war, die sie mit bewundernswerter Hingabe erfüllte. Besonders anerkennenswert in der damaligen Zeit war ihr aktives, ja geradezu kämpferisches Eintreten für die gesellschaftliche Förderung der Frau. Wirklich eindringlich sind die Abschnitte in ihren Schriften, wo sie den Reichtum des Frauseins und die Sendung der Frau unter menschlichem und religiösem Gesichtspunkt untersucht hat (vgl. E. Stein, Die Frau. Ihre Aufgabe gemäß Natur und Gnade). 9. Die Begegnung mit dem Christentum veranlasste sie nicht dazu, ihren jüdischen Wurzeln abzuschwören, sondern bewirkte, diese in ihrer ganzen Fülle wiederzu- 836 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN entdecken. Das ersparte ihr jedoch nicht das Unverständnis von Seiten ihrer Angehörigen. Unsagbaren Schmerz bereitete ihr vor allem die von ihrer Mutter zum Ausdruck gebrachte Missbilligung. In Wirklichkeit vollzog sich ihr Weg christlicher Vervollkommnung nicht nur im Zeichen der menschlichen Solidarität mit ihrem Volk, sondern auch einer echten geistlichen Teilhabe an der Berufung der Kinder Abrahams, die das Zeichen des Geheimnisses der Berufung und der „unwiderruflichen Gaben“ Gottes in sich tragen (vgl. Rom 11,29). Sie machte sich insbesondere das Leiden des jüdischen Volkes zu eigen, je mehr sich dieses in jener grausamen nazistischen Verfolgung zuspitzte, die neben anderen schwerwiegenden Äußerungen des Totalitarismus einer der dunkelsten Schandflecke Europas in unserem Jahrhundert bleibt. Da ahnte sie, dass in der systematischen Ausrottung der Juden ihrem Volk das Kreuz Christi aufgebürdet wurde. Als persönliche Teilhabe an diesem Kreuz erlebte sie ihre eigene Deportation und Hinrichtung in dem zu trauriger Berühmtheit gelangten Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Ihr Schrei verschmilzt mit dem aller Opfer jener schrecklichen Tragödie. Vorher hat er sich jedoch mit dem Schrei Christi vereint, der dem menschlichen Leiden eine geheimnisvolle, ewige Fruchtbarkeit verspricht. Das Bild ihrer Heiligkeit bleibt für immer mit dem Drama ihres gewaltsamen Todes verbunden, an der Seite der vielen, die ihn zusammen mit ihr erlitten haben. Dieses Bild bleibt als Verkündigung des Evangeliums vom Kreuz, in das sie mit dem von ihr als Ordensfrau gewählten Namen hineingenommen sein wollte. Wir blicken heute auf Teresia Benedicta a Cruce. In ihrem Zeugnis als unschuldiges Opfer erkennen wir einerseits die Nachahmung des Opferlammes und den Protest, der sich gegen alle Vergewaltigungen der Grundrechte der Person erhebt, andererseits das Unterpfand für jene neu belebte Begegnung zwischen Juden und Christen, die auf der vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünschten Linie eine vielversprechende Zeit gegenseitiger Öffnung erfahrt. Wenn heute Edith Stein zur Mitpatronin Europas erklärt wird, soll damit auf dem Horizont des alten Kontinents ein Banner gegenseitiger Achtung, Toleranz und Gastfreundschaft aufgezogen werden, das Männer und Frauen einlädt, sich über die ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschiede hinaus zu verstehen und anzunehmen, um eine wahrhaft geschwisterliche Gemeinschaft zu bilden. 10. Europa soll also wachsen! Es soll wachsen als Europa des Geistes auf dem Weg seiner besseren Geschichte, die gerade in der Heiligkeit ihren erhabensten Ausdruck findet. Die Einheit des Kontinents, die im Bewusstsein der Menschen allmählich reift und sich auch in politischer Hinsicht immer klarer abzeichnet, verkörpert gewiss eine sehr hoffnungsvolle Perspektive. Die Europäer sind aufgerufen, die historischen Rivalitäten, die ihren Kontinent oft zur Bühne verheerender Kriege gemacht haben, endgültig hinter sich zu lassen. Gleichzeitig müssen sie sich darum bemühen, die Bedingungen für einen größeren Zusammenhalt und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu schaffen. Vor ihnen liegt die große Herausforderung, eine Kultur und eine Ethik der Einheit aufzubauen. Denn 837 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenn diese fehlen, ist jede Politik der Einheit früher oder später zum Scheitern verurteilt. Um das neue Europa auf solide Grundlagen zu stellen, genügt es sicher nicht, nur an die wirtschaftlichen Interessen zu appellieren, die manchmal zusammenführen und dann wieder spalten. Vielmehr gilt es, die für Europa authentischen Werte zu betonen, deren Fundament das in das Herz eines jeden Menschen eingeschriebene allgemeine Sittengesetz ist. Ein Europa, das den Wert der Toleranz und der allgemeinen Achtung mit ethischem Indifferentismus und Skeptizismus in Bezug auf die unverzichtbaren Werte verwechselte, würde sich den riskantesten Abenteuern öffnen und früher oder später die erschreckendsten Gespenster seiner Geschichte in neuer Gestalt wiederauftauchen sehen. Um diese Bedrohung zu bannen, erweist sich wieder einmal die Rolle des Christentums als lebenswichtig. Demi es weist unermüdlich auf den idealen Horizont hin. Auch im Lichte der vielfältigen Berührungspunkte mit den anderen Religionen, die das Zweite Vatikanische Konzil erkannt hat (vgl. Dekret Nostra aetate), muss man nachdrücklich betonen, dass die Öffnung für das Transzendente eine lebenswichtige Dimension der Existenz ausmacht. Es kommt daher wesentlich auf ein erneuertes engagiertes Zeugnis aller Christen an, die in den verschiedenen Nationen des Kontinents leben. Ihnen ist es aufgetragen, die Hoffnung auf das vollkommene Heil zu nähren durch die Verkündigung des Evangeliums, das heißt der „Frohbotschaft“, dass Gott zu uns gekommen ist und uns in seinem Sohn Jesus Christus die Erlösung und die Fülle des göttlichen Lebens angeboten hat. Kraft des Geistes, der uns geschenkt wurde, können wir unseren Blick zu Gott erheben und ihn mit dem vertraulichen Namen „Abba“, Vater, anrufen (vgl. Rom 8,15; Gal 4,6). 11. Genau diese Verkündigung der Hoffnung wollte ich stärken, indem ich diese drei großen Frauengestalten, die in verschiedenen Epochen einen so bedeutenden Beitrag zum Wachstum nicht nur der Kirche, sondern auch der Gesellschaft geleistet haben, in „europäischer“ Sicht zu neuer Verehrung empfehle. Durch jene Gemeinschaft der Heiligen, die auf geheimnisvolle Weise die irdische mit der himmlischen Kirche verbindet, nehmen sie sich in ihrer ewigen Fürbitte vor dem Thron Gottes unser an. Zugleich müssen die innigere Anrufung sowie die eifrigere und sorgfältigere Rückbindung an ihre Worte und ihr Vorbild in uns wieder ein schärferes Bewusstsein unserer gemeinsamen Berufung zur Heiligkeit wecken. So werden wir angespomt, Vorsätze zu hochherzigerem Einsatz zu fassen. Nach reiflicher Überlegung ernenne und erkläre ich daher kraft meiner apostolischen Vollmacht die heilige Birgitta von Schweden, die heilige Katharina von Siena und die heilige Teresia Benedicta a Cruce zu himmlischen Mitpatroninnen bei Gott für ganz Europa. Gleichzeitig gewähre ich ihnen alle Ehren und liturgischen Privilegien, die den Hauptpatronen der Orte rechtmäßig zustehen. Gepriesen sei die Allerheiligste Dreifaltigkeit, die in ihrem Leben und im Leben aller Heiligen in einzigartiger Weise aufstrahlt. Friede sei den Menschen guten Willens in Europa und in der ganzen Welt. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 1. Oktober 1999, dem einundzwanzigsten Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II 838 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jesus Christus, der lebt in seiner Kirche, Quelle und Hoffnung für Europa Predigt während der Eucharistiefeier zur Eröffnung der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa am 1. Oktober Verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. „Jesus kam hinzu und ging mit ihnen“ (vgl. Lk 24,15). Der Bericht des Evangeliums über die Jünger von Emmaus, den wir eben gehört haben, ist das biblische Bild, das den Hintergrund für diese Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa bildet. Wir beginnen sie mit dieser feierlichen gemeinsamen Messfeier unter dem Thema: „Jesus Christus, der lebt in seiner Kirche, Quelle und Hoffnung für Europa.“ Wir beginnen sie, indem wir dem Herrn die Erwartungen und Hoffnungen anvertrauen, die wir alle im Herzen haben. Wir finden uns in Vertretung der Nationen des Kontinents am Altar zusammen in dem Wunsch vereint, die Botschaft und das Zeugnis Christi, der gestern, heute und in Ewigkeit lebt, in jedem Winkel Europas immer spürbarer und konkreter zu machen. Mit großer Freude und Zuneigung biete ich einem jedem von euch meinen brüderlichen Friedensgruß. Der Heilige Geist hat uns zu diesem wichtigen Ereignis in unserer Kirche zusammengerufen, das an die erste Synodenversammlung im Jahre 1991 anknüpft und die Reihe der Synoden für die verschiedenen Kontinente in Vorbereitung auf das Große Jubiläum im Jahre 2000 abschließt. Durch euch richte ich meinen herzlichsten Gruß an die Ortskirchen, aus denen ihr kommt. 2. „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hehr 13,8). Daran erinnert die Kirche, wie ihr wisst, auf ihrem Weg zum Jubiläum des Jahres 2000 immer wieder. Jesus Christus lebt in seiner Kirche, und von Generation zu Generation lässt er nicht nach, immer wieder den Menschen „zur Seite zu stehen“ und sich mit ihnen „auf den Weg zu machen“. Besonders in Augenblicken der Prüfung, wenn die Enttäuschungen die Gefahr hervorrufen, das Vertrauen und die Hoffnung ins Wanken zu bringen, begibt sich der Auferstandene auf die Wege der menschlichen Verirrung und macht sich, wenn auch unerkannt, zu unserem Weggefährten. So hört Gott in Christus und seiner Kirche nie auf, die Freuden und Hoffnungen, die Trauer und Ängste der Menschheit anzuhören (vgl. Gaudium et spes, Nr. 1), der er auch heute die Botschaft seiner liebevollen Fürsorge überbringen möchte. Dies ist auch im II. Vatikanischen Konzil geschehen; dies ist auch der Sinn der verschiedenen Kontinentalversammlungen der Bischofssynode: Christus, der Auferstandene, lebt in seiner Kirche und begleitet die Menschen in Afrika, Amerika, Asien, Ozeanien und Europa, um in ihren Herzen den Glauben, die Hoffnung und die Nächstenliebe anzuregen oder wieder zu erwecken. 839 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Mit der heute beginnenden Synodenversammlung will der Herr an die Christenheit, die in den Ländern vom Atlantik bis zum Ural als Pilger auf dem Wege ist, eine durchdringende Einladung richten, Hoffnung zu haben. Diese Aufforderung wird heute auf außergewöhnliche Weise durch die Worte des Propheten ausgedrückt: „Juble, ..„jauchze, ... freu dich!“ {Zef 3,14). Der Gott des Bundes kennt die Herzen seiner Kinder; er kennt die zahlreichen schmerzvollen Prüfungen, welche die europäischen Nationen im Verlauf dieses qualvollen und schwierigen Jahrhunderts, das sich nunmehr seinem Ende zuneigt, erleiden mussten. Er, Immanuel, Gott-mit-uns, ist in den Lagern und den Gulags gekreuzigt worden, er hat die Leiden unter den Bombardierungen und in den Schützengräben kennen gelernt, er hat gelitten, wo immer ein Mensch, ein menschliches Wesen gedemütigt, unterdrückt oder in seiner unveräußerlichen Würde verletzt worden ist. Christus hat die Leiden an den zahlreichen unschuldigen Opfern der Kriege und Konflikte ertragen, die Europas Boden mit Blut getränkt haben. Er kennt die schweren Versuchungen der Generationen, die sich anschicken, die Schwelle zum dritten Jahrtausend zu überschreiten. Die Enthusiasmen, die durch den Fall der ideologischen Mauern und die friedlichen Revolutionen des Jahres 1989 ausgelöst wurden, scheinen leider durch die politischen und wirtschaftlichen Egoismen schnell gedämpft worden zu sein, und über die Lippen vieler Menschen in Europa kommen die trostlosen Worte der beiden Jünger auf der Straße nach Emmaus: „Wir aber hatten gehofft.“ (Lk 24,21). In diesem besonderen sozialen und kulturellen Zusammenhang fühlt sich die Kirche verpflichtet, die ihr von Gott anvertraute Botschaft der Hoffnung mit Nachdruck zu erneuern. Durch diese Versammlung wiederholt sie vor Europa: „Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt“ {Zef 3,17). Ihr Aufruf zur Hoffnung basiert nicht auf einer utopischen Ideologie, wie diejenigen, die in den vergangenen beiden Jahrhunderten die Menschenrechte, vor allem aber die Rechte der Schwächsten, mit Füßen getreten haben. Im Gegenteil: Es geht um die von Christus verkündete unvergängliche Heilsbotschaft: Das Reich Gottes ist nahe, kehrt um und glaubt an das Evangelium! (vgl. Mk 1,15). Mit der Kraft, die sie von ihrem Herrn erhalten hat, wiederholt die Kirche vor dem heutigen Europa: Europa des dritten Jahrtausends, „laß die Hände nicht sinken!“ {Zef 3,16); verliere nicht den Mut, passe dich nicht Denk- und Lebensweisen an, die keine Zukunft haben, da sie sich nicht auf die bleibende Sicherheit des Wortes Gottes stützen. Europa des dritten Jahrtausends, die Kirche schlägt dir und allen deinen Kindern Christus als einzigen Vermittler des Heils vor: gestern, heute und in alle Ewigkeit (vgl. Hebr 13,8). Sie schlägt dir Christus vor, die wahre Hoffnung des Menschen und der Geschichte. Sie tut dies nicht nur mit Worten, sondern vor allem durch das klare Zeugnis der Heiligkeit. Die Heiligen sind durch ihr von den Seligpreisungen des Evangeliums geprägtes Leben die wirkungsvollsten und glaubwürdigsten Vorkämpfer der Sendung der Kirche. 4. Aus diesem Grunde, liebe Brüder und Schwestern, habe ich heute die große Freude, an der Schwelle des Jahres 2000 vor der hier würdig vertretenen gesamten Kirche Europas drei neue Mitpatroninnen des europäischen Kontinents zu verkün- 840 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den. Es sind: die hl. Edith Stein, die hl. Birgitta von Schweden und die hl. Katharina von Siena. Europa steht schon unter dem himmlischen Schutz dreier großer Heiliger: Benedikt von Nursia, der Begründer des westlichen Mönchtums, und die Brüder Cyrillus und Methodios, die Apostel der Slawen. Diesen hervorragenden Zeugen Christi wollte ich ebenso viele Frauengestalten zur Seite stellen, auch um die bedeutende Rolle hervorzuheben, welche die Frauen in der Geschichte der Kirche und der Gesellschaft des Kontinents bis heute gespielt haben und weiterhin spielen. Schon seit Beginn ihrer Geschichte hat die Kirche, obwohl sie von den Kulturen, in denen sie lebte, beeinflusst war, die volle geistige Würde der Frau anerkannt, angefangen mit der einzigartigen Berufung und Sendung Mariens, der Mutter des Erlösers. Wie der Römische Kanon bezeugt, haben sich die Christen seit Beginn an Frauen gewandt wie Felicitas, Perpetua, Agatha, Lucia, Agnes, Cacilia, Anastasia, und zwar mit einer Inbrunst, die nicht weniger stark war als die gegenüber den Heiligen. 5. Die drei Heiligen, die zu Mitpatroninnen Europas erhoben wurden, sind alle auf besondere Weise mit der Geschichte des Kontinentes verbunden. Edith Stein, die aus einer jüdischen Familie stammte, gab ihre glänzende Karriere als Wissenschaftlern! auf und wurde Karmelitin mit dem Namen Teresia Benedicta vom Kreuz. Sie starb im Konzentrationslager von Auschwitz und ist ein Symbol für die dramatischen Ereignisse im Europa dieses Jahrhunderts. Die hll. Birgitta von Schweden und Katharina von Siena, die beide im 14. Jahrhundert lebten, haben unermüdlich für die Kirche gearbeitet, deren Schicksal in ganz Europa ihnen sehr am Herzen lag. So hat Birgitta, die sich Gott geweiht hat, nachdem sie ihrer Berufung als Braut und Mutter voll nachgekommen war, sich unermüdlich für die Einheit der Christen eingesetzt, Europa von Norden nach Süden durchreist und ist in Rom gestorben. Katharina, die demütige und mutige Dominikanerterziarin, brachte Frieden in ihre Heimatstadt Siena, nach Italien und in das Europa des 14. Jahrhunderts. Sie widmete sich unermüdlich der Kirche, und es gelang ihr, die Rückkehr des Papstes aus Avignon nach Rom zu bewirken. Alle drei bezeugen auf wunderbare Weise die Verbindung von Kontemplation und Aktion. Ihr Leben und ihr Werk bezeugen mit großer Beredtheit die Kraft des auferstandenen Christus, der lebt in seiner Kirche: die Kraft großzügiger Liebe zu Gott und den Menschen, die Kraft wahrer, moralischer und gesellschaftlicher Erneuerung. In diesen neuen Patroninnen, die im Blickpunkt sowohl des Übernatürlichen als auch des Menschlichen so reich an Gaben sind, können die Christen und die kirchlichen Gemeinschaften jeder Konfession Inspiration finden, wie auch die Bürger und die Staaten Europas, die sich auf der Suche nach der Wahrheit und dem gemeinsamen Wohlergehen aufrichtig einsetzen. 6. „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, ... als er uns den Sinn der Schrift erschloß?“ (Lk 24,32). Es ist mein inniger Wunsch, dass die Arbeit der Synode uns erneut die Erfahrung der Jünger von Emmaus erleben lässt, die, voller Hoffnung und Freude, weil sie 841 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Herrn erkannt hatten, „als er das Brot brach“, ohne zu zögern nach Jerusalem zurückkehrten, um den Brüdern zu berichten, was auf dem Weg geschehen war (vgl. Lk 24,33-35). Jesus Christus gewähre auch euch, ihm zu begegnen und ihn im eucharistischen Mahl, in der Gemeinschaft der Herzen und des Glaubens, zu erkennen. Er schenke uns, diese Wochen des Nachdenkens zu leben In gewissenhaftem Hören auf den Heiligen Geist, der zu den Kirchen in Europa spricht. Er mache uns zu demütigen und eifrigen Aposteln seines Kreuzes, wie es die hll. Benedikt, Cyrillus, Methodios und die hll. Edith Stein, Birgitta und Katharina waren. Wir bitten um ihre Hilfe gemeinsam mit der himmlischen Fürsprache Marias, der Königin aller Heiligen und Mutter Europas. Mögen aus dieser zweiten Sonderversammlung für Europa die Leitlinien einer Evangelisierung hervorgehen, die den Herausforderungen und den Erwartungen der jungen Generationen gerecht wird. Christus, sei erneuerte Quelle der Hoffnung für die Bewohner des „Alten“ Kontinents, in dem das Evangelium in den Jahrhunderten eine reiche Ernte des Glaubens, tätiger Liebe und der Zivilisation hervorgebracht hat! Amen! Ihr Leben war Dienst am Reich Gottes Predigt bei der Seligsprechung von Ferdinando Maria Baccilieri, Edward Joannes Maria Poppe, Arcangelo Tadini, Mariano da Roccacasale, Diego Oddi und Nicola da Gesturi am 3. Oktober 1. „Der Weinberg des Herrn ist sein Volk.“ So haben wir es gerade eben im Antwortpsalm wiederholt. Der Wortgottesdienst der heutigen Liturgie stellt uns das Bild vom Weinberg vor und hebt die Liebe Gottes zu seinem Volk heraus. Diese Allegorie, die sowohl in der ersten Lesung als auch im Evangelium vorkommt, ist gerade jetzt im Herbst von ganz besonderer Aussagekraft, da die Weinlese stattfindet und die Früchte der Erde vor dem Winter geerntet werden. Der Weinberg des Herrn ist das Haus Israel, das im Gleichnis des Evangeliums auf die Heiden ausgeweitet wird, nämlich auf jene „anderen Winzer“, denen der Herr seinen Weinberg anvertraut. Auf diese Weise wird die Mission der Kirche Umrissen, das Volk des Neuen Bundes, das berufen ist, Früchte der Wahrheit und Heiligkeit zu bringen. In der heutigen Feier dürfen wir miterleben, wie sechs Arbeiter im Weinberg des Herrn zur Ehre der Altäre erhoben werden. Es sind dies: Ferdinando Maria Baccilieri, Edward Joannes Maria Poppe, Arcangelo Tadini, Mariano da Roccacasale, Diego Oddi und Nicola da Gesturi. Sie haben zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Bedingungen gelebt, doch hat jeder von ihnen in großzügiger Weise sein Leben in den Dienst des Evangeliums gestellt. 842 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Ferdinande» Maria Baccilieri war Priester und durch seinen Dienst in der Pfarr-gemeinde ein eifriger Winzer im Weinberg des Herrn. Sein Wirken war gezeichnet durch seinen unbescholtenen Lebensstil. Als „armer Dorfpfarrer“, wie er sich gerne selbst bezeichnete, machte er die Seelen urbar durch seine kraftvollen Predigten, in denen er seine tiefsten innersten Überzeugungen kundtat. So wurde er zur lebendigen Ikone des Guten Hirten. Er gehörte dem Dritten Orden der Diener Marias an und zeichnete sich durch eine tiefe und kindliche Marienfrömmigkeit aus. Ganz besonders verehrte er die Jungfrau Maria als Schmerzensmutter. Daher wollte er auch den Namen Mariens in den Titel der von ihm gegründeten Ordensfamilie einfugen und nannte die Schwestern „die Dienerinnen Mariens von Galeazza“. Nun singt der sei. Ferdinando Maria im Himmel das „Lied vom Weinberg seines Liebsten“, wie wir in der Lesung aus dem Propheten Jesaia gehört haben (vgl. Jes 5,1). In französischer Sprache fuhr der Papst fort: 3. „Ich will ein Lied singen von meinem geliebten Freund, ein Lied vom Weinberg meines Liebsten“ {Jes 5,1). Diese Worte aus dem Buch Jesaia, die wir soeben vernommen haben, passen auch zu Pere Edward Poppe, der Christus sein Leben im priesterlichen Dienst geweiht hat. Er wird heute zu einem Vorbild für die Priester, besonders für die Priester seiner Heimat Belgien. Er lädt sie ein, ihr Leben auf Christus, den Hirten, auszurichten, damit sie wie er „Priester von Feuer“ seien in Liebe zu Gott und zu ihren Brüdern. Die Seelsorge bringt wirklich erst Frucht durch die Kontemplation. Sie wird genährt durch die innige Begegnung mit dem göttlichen Meister, der dem inneren Leben Einheit gibt und es darauf ausrichtet, seinen Willen zu tun. Ich lade die Priester ein, immer die Eucharistie in den Mittelpunkt ihres Daseins und ihres Dienstes zu stellen, wie es auch der sei. Edward Poppe getan hat. Das heißt, nur wenn sie sich von Christus erleuchten lassen, können sie das Licht weitergeben. Dann ging der Papst auf die niederländische Sprache über: Mögen alle, die eine katechetische Sendung haben, sich nach dem Vorbild dieses neuen Seligen die Zeit nehmen, Christus zu begegnen! Durch ihre Verkündigung und ihre eigene Lebensführung werden sie dann Zeugnis ablegen vom Evangelium und den anderen - insbesondere den Jugendlichen, die auf der Suche nach der Wahrheit und der Quelle des Lebens sind - die sittlichen Forderungen zeigen, die zum Glück führen. Der Priester Eduard Poppe, der selbst in seinem Leben Prüfün-gen zu bestehen hatte, richtet auch eine Botschaft an die Kranken und erinnert sie daran, dass das Gebet und die Liebe zu Maria wichtig sind für den missionarischen Einsatz der Kirche. Lasst uns den Herrn bitten, dass er in seinen Weinberg Priester nach dem Vorbild des sei. Eduard Poppe sende! 843 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zur italienischen Sprache zurückkehrend, sagte der Papst weiter: 4. „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht“ (Joh 15,5 als Ruf vor dem Evangelium). Die Vereinigung mit Christus, der Gebetsgeist und die starke Neigung zur Askese waren das Geheimnis der außerordentlich wirkungsvollen Seelsorge eines weiteren großzügigen Arbeiters im Weinberg, des Priesters Arcangelo Tadini, den die Kirche heute ins Buch der Seligen einträgt. In der Schule der Eucharistie lernte er das Brot des Wortes Gottes zu brechen, Nächstenliebe zu üben und mit pastoralem Unternehmungsgeist auf die sozialen und religiösen Herausforderungen zu antworten, die das Ende des letzten Jahrhunderts kennzeichneten. Gerade weil er gänzlich ein Mann Gottes war, konnte er auch gänzlich ein Priester für die Menschen sein. Die Nöte der damaligen Arbeitswelt regten sein Priesterherz zur Suche nach neuen Formen und Wegen der Verkündigung und des Zeugnisses für das Evangelium an. Sein Lebensideal und seine Solidarität gegenüber den schwächsten Schichten der Gesellschaft gehören auch heute noch zu den Aufgaben der von ihm gegründeten Kongregation der Schwestern „Arbeiterinnen des Heiligen Hauses von Nazaret“. 5. Was sodann das Leben und die Spiritualität des sei. Franziskaners Mariano da Roccacasale anbelangt, so darf man sagen, dass diese gleichsam wie ein Emblem im Friedenswunsch des Apostels Paulus an die Philipper zusammengefasst sind: „Und der Gott des Friedens wird mit euch sein“ {Phil 4,9). Er verbrachte sein armes und demütiges Leben in den Spuren des hl. Franz und der hl. Klara von Assisi und widmete sich ständig seinen Nächsten. Sein Wunsch war es, die Nöte eines jeden anzuhören und zu teilen, um sie dann dem Herrn vorzutragen, wenn er stundenlang in Anbetung vor der Eucharistie verweilte. Der sei. Mariano stiftete überall den Frieden, der eine Gabe Gottes ist. Mögen uns sein Beispiel und seine Fürsprache helfen, den fundamentalen Wert der Liebe Gottes und die Pflicht, sie durch die Solidarität mit den Armen zu bezeugen, wieder zu entdecken. Er ist uns auch ganz besonders ein Vorbild der Gastfreundschaft, die ja im derzeitigen geschichtlichen und sozialen Zusammenhang äußerst bedeutungsvoll ist im Hinblick auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 ist. 6. Dieselbe auf ein Leben nach dem Evangelium in Armut und Einfalt ausgerichtete franziskanische Spiritualität zeichnete Bruder Diego Oddi aus. Auch ihn zählen wir heute zum Chor der Seligen. In der Schule des hl. Franz lernte er, dass der Mensch außer Lastern und Sünden nichts sein eigen nennen kann und dass alles, was der Mensch besitzt, in Wirklichkeit ein Geschenk Gottes ist (vgl. Regola non bollata XVII, in: Fonti Francescane, 48). So lernte er, sich wegen nichts zu grämen, sondern in jeder Lage „betend und flehend die Bitten mit Dank“ vor Gott zu bringen, wie wir vom Apostel Paulus in der zweiten Lesung gehört haben (vgl. Phil 4,6). Während seines langen Dienstes als Almosensammler war er ein wahrer Friedensengel und tat allen, denen er begegnete, Gutes. Vor allem verstand er es, den 844 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ärmsten und Leidgeprüften in ihren Nöten nahe zu stehen. Durch sein fröhliches und herzliches Zeugnis, durch seinen reinen und überzeugten Glauben, durch sein Gebet und seine unermüdliche Arbeit weist der sei. Diego auf die evangelischen Tugenden hin, die die Hauptstraße bilden, um zum Frieden zu gelangen. 7. „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden“ (Mt 21,42). Diese Worte wendet Jesus im Evangelium auf sich selbst an, und sie weisen auf das Geheimnis der Erniedrigung und Demut des Gottessohnes, die Quelle unseres Heiles, hin. Unsere Gedanken gelten diesbezüglich natürlich dem sei. Nicola da Gesturi, einem Kapuziner, der durch sein Dasein auf einzigartige Weise diese geheimnisvolle Wirklichkeit verkörpert hat. Er war ein Mann des Schweigens, und er war umgeben von einer Atmosphäre der Spiritualität und des starken Ausge-richtet-Seins auf das Absolute. Die Leute gaben ihm den liebevollen Beinamen „Bruder Schweigen“. Doch Nicola da Gesturi war von einer Art, die mehr sagte als nur Worte. Von allem Überflüssigen losgelöst und auf der Suche nach dem Wesentlichen, ließ er sich nicht von unnützen und schädlichen Dingen zerstreuen. Er wollte ein Zeugnis der Gegenwart des fleischgewordenen Wortes bei den Menschen sein. In einer Welt, die häufig übersättigt an Worten und arm an Werten ist, brauchen wir Männer und Frauen, die wie der sei. Nicola da Gesturi betonen, wie notwendig es ist, die Fähigkeit zum Schweigen und Zuhören wiederzuerlangen, damit das ganze Leben ein „Loblied“ für Gott und ein Dienst an den Brüdern wird. 8. „Ich will ein Lied singen von meinem geliebten Freund, ein Lied vom Weinberg meines Liebsten“ (Jes 5,1). Während wir die wunderbaren Zeichen betrachten, die Gott an diesen unseren Brüdern gewirkt hat, tut sich unser Geist auf zum Loben und Danken. Wir danken dir, Herr, für das Geschenk dieser neuen Seligen. An ihrem Leben, das gänzlich dem Dienst an deinem Reich gewidmet war, bewundern wir die reichen Früchte des Guten, die du in ihnen und durch sie hast gedeihen lassen. Möge uns ihr Vorbild und ihre Fürsprache anregen, sie nachzuahmen, damit auch wir durch unsere Treue zum Evangelium den verehren, der „die Quelle alles Guten“ ist (vgl. Gabengebet). Maria, die Königin aller Heiligen, möge Fürsprache für uns einlegen, und die sei. Ferdinando Maria Baccilieri, Edward Joannes Maria Poppe, Arcangelo Tadini, Mariano da Roccacasale, Diego Oddi und Nicola da Gesturi, die wir nun in deiner himmlischen Glorie betrachten, mögen uns ermutigen. Amen! 845 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glaubensakt muss in konkreten Haltungen und Entscheidungen seinen Ausdruck finden Predigt zu Beginn des Akademischen Jahres der kirchlichen Universitäten am 15. Oktober 1. „Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet“ (Röm 4,3). Die Worte des Apostels Paulus, die wir eben in dieser Basilika vernommen haben, fuhren uns zum Mittelpunkt der heutigen Liturgiefeier zum Beginn des Akademischen Jahres 1999-2000. Herzlichst grüße ich den Präfekten der Kongregation für das katholische Bildungswesen, Kardinal Pio Laghi, wie auch euch, liebe Rektoren, Professoren und Studenten, die ihr an dieser Eucharistiefeier habt teilnehmen wollen. Allen wünsche ich ein erfolgreiches akademisches Jahr. Es handelt sich um ein besonderes Jahr, denn es fallt mit dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 zusammen. Möge euch diese Zeit der Freude nicht nur Gelegenheit zur Vertiefung eurer theologischen Kenntnisse bieten, sondern vor allem zur Festigung eures Glaubens an Jesus Christus. 2. Von diesem Glauben spricht der Apostel, wenn er uns das Beispiel Abrahams, des Vaters aller Gläubigen, vor Augen hält. Er bringt hier einen fundamentalen Aspekt seiner apostolischen Verkündigung zum Ausdruck: Glaube als Grundlage der Rechtfertigung. Der Mensch wird durch den Glauben vor Gott gerechtfertigt. Die Gerechtigkeit, die den Menschen zum Heil fuhrt, beruht nicht auf den Werken des Gesetzes, sondern auf dem Glauben, auf der Haltung vollkommener Offenheit und uneingeschränkter Annahme der Gnade Gottes, die den Menschen wandelt und zu einem neuen Geschöpf macht. Der Glaubensakt ist weder die allein verstandesmäßige Annahme der von Gott offenbarten Wahrheiten noch lediglich ein rein vertrauensmäßiges Sich dem göttlichen Wirken Überlassen. Er ist vielmehr die Synthese dieser beiden Elemente, denn als ganzheitlicher Akt der menschlichen Person umfasst er sowohl die intellektuelle wie auch die affektive Sphäre. Diese Gedanken über die Natur des Glaubens haben unmittelbare Auswirkungen auf die Art und Weise des Erarbeitens, Lehrens und Erfassens der Theologie. Wenn nämlich der zur Rechtfertigung des Menschen führende Glaubensakt die ganze menschliche Person einbezieht, dann muss auch die theologische Reflexion über die göttliche Offenbarung und die Amtwort des Menschen jene vielfältigen Aspekte - intellektuelle, affektive, moralische und spirituelle Ebene - gebührend berücksichtigen, die in der Beziehung der Gemeinschaft zwischen Gott und dem Gläubigen beteiligt sind. 3. „Ich sagte: Ich will dem Herrn meine Frevel bekennen“ (Ps 32,5). Der Antwortpsalm, den wir gemeinsam wiederholt haben, unterstreicht sowohl das Bewusstsein der Unmöglichkeit, Gott allein aus eigener Kraft erreichen zu können, wie auch 846 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das unserer Sündhaftigkeit. Erst wenn der Mensch sich seines Femseins von Gott bewusst wird, sucht er die Begegnung mit Ihm und öffnet sich seiner Gnade. Durch den Glauben nimmt der Mensch das Heil an, das der Vater ihm in Jesus Christus anbietet. Selig der Mensch, dem der Herr das Heil schenkt (vgl. Kehrreim des Antwortpsalms); das Herz derer, die mit Gott im Frieden sind, ist voller Freude: „Freut euch am Herrn und jauchzt, ihr Gerechten, jubelt alle, ihr Menschen mit redlichem Herzen!“ (Ps 32,11). Von diesem aufrichtigen Bekenntnis der Sünden und der Notwendigkeit, sich dem Wirken Gottes zu öfftien, spricht der erste Teil des heutigen Evangeliums. Die hartnäckige Weigemng, die eigenen Sünden zu bekennen, und die Unfähigkeit, das Geschenk Gottes anzunehmen, bezeichnet Jesus als „Sauerteig der Pharisäer“: „Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, das heißt vor der Heuchelei“ (Lk 12,1). Mit diesen Worten brandmarkt Jesus nicht nur das Unwahre und auf Äußerlichkeiten Ausgerichtete in ihrem Verhalten, sondern die Anmaßung der Selbstgerechtigkeit, die jede Möglichkeit wahrer Umkehr und zum Glauben an Gott ausschließt. Der vollständige, unverkürzte Glaubensakt muss notwendigerweise durch konkrete Haltungen und Entscheidungen zum Ausdruck kommen. Auf diese Weise wird es möglich, die scheinbare Gegensätzlichkeit zwischen dem Glauben und den Werken zu überwinden. Ein im Vollsinn verstandener Glaube bleibt kein abstraktes vom täglichen Leben losgelöstes Element, sondern betrifft alle Dimensionen der menschlichen Person, einschließlich die rein existentiellen Bereiche und die erfahrungsmäßigen Aspekte ihres Lebens. Vielsagendes Beispiel dieser Synthese zwischen Glauben und Werken, Kom-templation und Aktion ist die heilige Karmelitin Theresia von Avila, Kirchenlehrerin, deren Fest wir heute feiern. Sie erreichte die Stufe innigster Vertrautheit mit Gott und war gleichzeitig in apostolischer und konkreter Hinsicht stets aktiv in ihrem Wirken. Ihre mystische Erfahrung, wie übrigens die aller Heiligen, beweist eindeutig, dass im Menschen, der Gott sucht, alles einem einzigen Ziel zustrebt: der ganzheitlichen Antwort an Gott, der sich mitteilt. Auch die Theologie, der ihr eigenen weisen Reflexion über den Glauben entsprechend, mündet naturgemäß im Bereich der Moral und der Spiritualität. 4. In dem soeben verlesenen Text aus dem Lukasevangelium heißt es: „Nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird“ (Lk 12,2). Diese Worte wollen nicht lediglich auf die Tatsache hinweisen, dass Gott das Herz jedes Menschen erforscht. Das, was verborgen ist und enthüllt werden muss, ist von viel umfassenderer Bedeutung und universaler Tragweite: Es handelt sich um die tief ins menschliche Bewusstsein gesäte Botschaft des Evangeliums, die bis an die Grenzen der Erde verkündet werden muss. Diese Worte Jesu sind ein wesentlicher Beitrag zur Reflexion über den Akt des Glaubens: d.h. den Übergang aus der persönlichen und sozusagen inneren Sphäre des Menschen in die gemeinschaftliche und missionarische Sphäre. Ein vollkommener und reifer Glaube ist beseelt von dem Drang, weitergegeben zu werden, ge- 847 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wissermaßen die von der trinitarischen Liebe ausgehende Bewegung fortsetzend, die die gesamte Menschheit, die ganze Schöpfung umschließt. 5. Die Verkündigung des Evangeliums ist nicht ohne Risiko. In der Geschichte der Kirche fehlt es nicht an Beispielen heroischer Treue zum Evangelium. Auch in unserem Jahrhundert, in unseren Tagen, haben zahlreiche Glaubensbrüder und -Schwestern ihre volle Treue zu Christus und ihren Dienst am Reich Gottes mit dem Opfer ihres Lebens besiegelt. Angesichts dieser Perspektive der Entsagung und des Opfers, die in manchen Fällen bis zum Martyrium führen kann, helfen uns die tröstenden Worte Jesu: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, euch aber sonst nichts tun können“ (Lk 12,4). Die Kräfte des Bösen versuchen, dem Weg des Evangeliums entgegenzuwirken, sie versuchen, das Heilswerk zu vernichten und die Zeugen Christi zu töten, aber gerade das Opfer dieser mutigen Arbeiter im Weinberg des Herrn ist ein vielsagender Beweis der Macht Gottes. Wie viele Prüfungen hat die Kirche durch die Kraft des Heiligen Geistes überwunden! Wie viele Märtyrer unseres Jahrhunderts haben ihr Leben für Christus hingegeben! Ihr Opfer erbrachte reiche Früchte für die Kirche und das Reich Gottes. Am Anfang dieses neuen akademischen Jahres tröstet und ermuntert uns das Wort Jesu: „Fürchtet euch nicht“ (Lk 12,7). Meine Lieben, furchten wir uns nicht, die Pforten unserer Herzen dem Glauben zu öffnen, ihn zu einer lebendigen Erfahrung in unserem Leben zu machen und ihn ohne Unterlass unseren Brüdern zu verkünden. Möge die heilige Jungfrau, Vorbild des Glaubens und Thron der göttlichen Weisheit, uns zu treuen Jüngern ihres Sohnes Jesus und hochherzigen Verkündern seines Wortes machen. Amen! Neue Impulse aus einer in der Kultur verankerten Tradition schöpfen Ansprache beim Offiziellen Besuch des italienischen Staatspräsidenten, Carlo Azeglio Ciampi, beim Hl. Stuhl am 19. Oktober Herr Präsident! Stets ist es dem Nachfolger Petri eine große Freude, mit dem italienischen Staatsoberhaupt zusammenzutreffen, eingedenk des unverkennbaren Beitrags dieses Landes für die gesamte Christenheit, und zugleich der bezeichnenden Einflussnahme bewusst, durch die der christliche Glauben die Identität der italienischen Nation in diesen beiden Jahrtausenden geformt und gefordert hat. Herr Präsident, ich heiße Sie herzlichst willkommen und danke Ihnen für die Ehre Ihres heutigen Besuchs. Meine dankbare Anerkennung gilt auch den ehrenwerten Mitgliedern der Sie begleitenden Delegation. 848 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In Ihrer Person grüße ich das gesamte italienische Volk, das ich schätze und liebe und das mir stets große Zuneigung entgegengebracht hat. Dieses Volk hat nicht nur in geographischer Hinsicht dem Hl. Stuhl stets sehr nahegestanden, seitdem der Fischer aus Galiläa diese Halbinsel betreten hat. Diese Begegnung bestätigt das harmonische Verhältnis der Beziehungen zwischen Staat und Kirche, dank eines festen Einvernehmens, das den gemeinsamen Einsatz für das Wohl des italienischen Volkes, so reich an Kultur, Kunst und Geschichte, im Zeichen jener im Christentum verwurzelten Zivilisation förderte, die ihm in aller Welt Ruhm und Ehre einbrachte. 2. Italien hat nunmehr einen festen Platz unter den europäischen Partnerstaaten, und ich möchte daran erinnern, dass zur Zeit Ihres Besuches, Herr Präsident, im Vatikan eine Synode stattfmdet, zu der die Vertreter der europäischen Bischofskonferenzen zur Erörterung alter und neuer Themen des kirchlichen Lebens auf dem Kontinent zusammengetroffen sind. Wenn auch gewisse Tragödien einer nicht weit zurückliegenden Vergangenheit, Tragödien, deren Zeugen wir selbst gewesen sind, heute überwunden zu sein scheinen, fehlt es dem Zusammenleben dennoch nicht an Herausforderungen und entscheidenden Ereignissen für den einzelnen Menschen und die gesamte Gesellschaftsordnung. Europa, das unverhofften Wohlstand erreicht hat, steht heute vor der Aufgabe, über sich selbst nachzudenken, um die eigenen Strukturen zur Verwirklichung höherer, bisher vielleicht lediglich in der Vorstellung existierender Ziele anzupassen. Dieser Prozess kann aber nicht nur wirtschaftlicher Natur sein. Die Verfügbarkeit materieller Güter und auch die fragliche Aussicht auf „unbegrenzte Entwicklung“ erfordern die Bereicherung der wirtschaftlichen Dimension der europäischen Gemeinschaft und ihre Krönung durch eine „Zentralität der Seele“. Die Ansprüche des Geistes lassen sich nicht unterdrücken: von ihrer Berücksichtigung hängt die Entwicklung einer menschlichen Gemeinschaft ab, in der die personale Würde jedes einzelnen Mitglieds geschützt und auf angemessene Art und Weise gefördert wird. In diesem Kontext ist die staatliche Anerkennung jener grundlegenden menschlichen Werte von wesentlicher Bedeutung, die das Fundament der Gesellschaft darstellen. Pluralistischer Staat bedeutet nicht agnostischer Staat. 3. Die universale Natur des römischen Pontifikats verleiht dem Nachfolger Petri eine ganz besondere Verantwortung für alle Völker. Seine Berufung ist es, dem Frieden zu dienen, nach den Worten Jesajas über den zukünftigen Messias, den der Prophet als „Fürst des Friedens“ sah. Er stellte sogar einen „Frieden ohne Ende“ in Aussicht, einen auf „Recht und Gerechtigkeit“ gestützten Frieden (vgl. Jes 9,5-6). Das Ende der von Konflikten gekennzeichneten Vergangenheit, in der die großen europäischen Nationen bedauerlicherweise eine wesentliche Rolle gespielt haben, entbindet uns nicht davon, wachsam zu sein, um ein erneutes Aufkommen jener Übel zu verhindern, welche die vorhergehenden Generationen heimgesucht haben, sei es auch in femliegenden Gebieten und neuen Erscheinungsformen. 849 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Nachfolger Petri setzt nicht ohne Grund hohe Erwartungen in Italien, das seit vielen Jahrzehnten die Absage an den Krieg „als Mittel zur Zerstörung der Freiheit anderer Völker und zur Beilegung internationaler Kontroversen“ (vgl. Art. 11) in das grundlegende Dokument seiner Gemeinschaft, die Verfassung der italienischen Republik, geschrieben hat. Daher versucht Italien, seinen bezeichnenden christlichen Wurzeln und seiner kulturellen Orientierung entsprechend, auf dem Balkan, im Mittelmeerraum, in der Dritten Welt, überall, wo das unmenschliche Feuer des Krieges auflodert, seinen konkreten und wirksamen Beitrag der Freundschaft und der menschlichen Solidarität zu leisten. 4. Italien lebt - Gott sei dafür Dank - in Frieden: Wesentlich ist, dass diese Situation andauert, denn nur im Umfeld des Friedens können jene komplexen Probleme behandelt und einvemehmlich gelöst werden, an denen die Nation sich messen lassen muss. Vom Augenblick der Empfängnis an muss das Leben geschützt und seine natürliche Entwicklung mit Liebe und Würde gewährleistet werden. Es entsteht und wächst in der Familie, jener Grund- und Lebenszelle der Nation, die es verdient, bei der Erfüllung ihrer wesentlichen gesellschaftlichen Funktion stets nach besten Kräften mit sinnvolle Maßnahmen unterstützt zu werden. Dann gibt es die Schule, die frei und offen sein muss für die moralische und intellektuelle Entwicklung der jungen Generationen. Lässt sich denn die Zweckmäßigkeit der Zulassung verschiedener Erziehungswege leugnen, in denen die auf der Ehe gegründeten Familien und die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen ihre Überzeugungen auf konkrete Art und Weise zum Ausdruck bringen können? Und schließlich die Arbeit, die heute mehr denn je an das biblische Gebot erinnert, das den Menschen zur Wandlung der Welt verpflichtet. Wie gegenüber dem Leben, der Familie und der Schule, so hat der Staat auch die Pflicht, die menschliche Person bei der Entfaltung ihrer kreativen Fähigkeiten mit allen Mitteln zu unterstützen: es wäre unverzeihlich, gleichgültig zu bleiben und die jungen Generationen zu verderblicher Untätigkeit zu verurteilen, die jene Würde verletzt, die nunmehr der menschlichen Person und dem Bürger allgemein zugestanden wird. 5. Die Kirche ist mit all ihren Gliederungen bereit zur Zusammenarbeit mit den staatlichen Einrichtungen, ja mit der gesamten Gesellschaft, deren bedeutsames und prägendes Mitglied sie ist. Gerne steht sie auch diesem Land, das ihr aus vielen Gründen nahesteht und lieb ist, tatkräftig zur Seite, im Einklang mit der ihr eigenen besonderen Mission, der Verkündigung des Evangeliums an alle Menschen: denn nur so wird sich das Schicksal des Menschen in voller Übereinstimmung mit dem Plan seines Schöpfers und Erlösers im Laufe der Zeit erfüllen. Die Kirche ist bemüht um das wahre Wohl des Landes, zu dem sie durch ihre Treue zu Christus und durch kreative Emeuemng im Bereich der Erziehung, der Kultur, der Betreuung sowie durch viele Formen des ihr eigenen Zeugnisses beiträgt. Dabei bleibt sie bei ihrer unveräußerlichen Sichtweise vom Menschen und der Bedeutung der gesellschaftlichen Beziehungen. 850 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. In diesem Sinne und mit diesen Hoffnungen blicken wir auf die nun unmittelbar bevorstehende Eröffnung des 2000-jährigen Jubiläums der Menschwerdung des Gottessohnes. Dieser Anlass wird Tausende und Abertausende von Menschen nach Rom bringen, die mit der traditionellen und gutbewährten Gastfreundschaft des italienischen Volkes empfangen werden. Aber auch das ist eine weitere auf beiden Realitäten lastende Verantwortung, Staat und Kirche, die sich heute während dieses Besuchs sichtbar gegenübergestanden haben und deren Beziehungen sich durch konkrete Zusammenarbeit auszeichnen. Während ich dem italienischen Staat für seine Bemühungen zur erfolgreichen Durchführung des Jubeljahres danke, möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, dass dieser Einsatz auch in den kommenden Monaten mit der gleichen Intensität fortgesetzt wird, um den Pilgern aus allen Teilen der Welt jenen von Aufmerksamkeit und Zuvorkommenheit gekennzeichneten Empfang zu bereiten, den sie erwarten. 7. Gerne schließe ich diese meine Worte mit dem aufrichtigen Wunsch, dass die italienische Nation, auch dank Ihres Beitrags, Herr Präsident, weiterhin den Weg zu wahrem Fortschritt gehen und aus ihrer reichen in der Kultur verankerten Tradition neue Impulse empfangen möge zur Förderung jener menschlichen und christlichen Werte, die ihr die Achtung und das Ansehen der Völkervereinigung gesichert haben. In diesem Sinne übermittle ich Ihnen meine besten Wünsche für die erfolgreiche Erfüllung Ihres erst vor kurzem angetretenen hohen Amtes. Für Sie, Ihre Gattin, und die hier anwesenden Vertreter der Obrigkeit sowie für das gesamte italienische Volk erbitte ich den immerwährenden Schutz des Allmächtigen. Jesus Christus begegnen in einem geeinten Kontinent Predigt während der Eucharistiefeier zum Abschluss der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa am 23. Oktober Ehrwürdige Brüder im Bischofs- und im Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1.... Mit dieser festlichen Eucharistiefeier schließt die zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa. Dir, allmächtiger Vater, sagen wir heute Dank durch Dich, den Sohn, unseren Erlöser, in Dir, Heiliger Geist. Auch für die Reihe der anderen Kontinentalsynoden wollen wir unserem Dank Ausdruck geben. In ihnen hat die Kirche in den letzten Jahren, an der Vigil des Großen Jubiläums des Jahres 2000, bei dem wir des Kommens Christi in die Welt gedenken, sich eingehenden Überlegungen gewidmet. Nun haben wir erneut Grund, der göttlichen Vorsehung zu danken. Diese Gelegenheit wurde uns geboten, um uns zu treffen, einander anzuhören und unsere Meinungen auszutauschen: Auf diese Weise haben wir uns gegenseitig tiefer kennen 851 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gelernt und gegenseitig erbaut, vor allem dank des Zeugnisses derer, die unter den vergangenen totalitären Regimen harte und langdauemde Verfolgungen ertragen haben. Jedem von euch von Herzen dankbar, verehrte Brüder im Bischofsamt, die ich in diesen Wochen intensiver Arbeit fast jeden Tag getroffen habe, mache ich mir die Worte des Psalmisten zu eigen: „An den Heiligen im Lande, den Herrlichen, an ihnen hab' ich mein Gefallen“ (Ps 15/16,3). Von Herzen Dank für die Zeit und die Kraft, die ihr hochherzig zum Wohl der Kirche eingesetzt habt, die in Europa auf dem Pilgerweg ist. Ein besonderes Dankeswort möchte ich sodann allen sagen, die zum guten Verlauf der Synode mitgearbeitet und den Synodenvätem Hilfe geleistet haben. Dabei denke ich besonders an den Generalsekretär und seine Mitarbeiter, an die delegierten Präsidenten und den Generaheiator. Allen, die zum guten Ausgang dieses wichtigen kirchlichen Ereignisses ihren Teil beigetragen haben, gilt mein aufrichtiger Dank. 2. „Jesus Christus, der Nazoräer ... der gekreuzigte ... ihn hat Gott von den Toten auferweckt“ (vgl. Apg 4,10). In der frühen Morgenstunde der Kirche war in Jerusalem dieses entschiedene Wort des Petrus zu hören: Es war das kerygma, die christliche Heilsverkündigung; wie Christus selbst es wollte, für jeden Menschen und für alle Völker der Erde bestimmt. Nach zwanzig Jahrhunderten stellt sich die Kirche auf der Schwelle des dritten Jahrtausends mit dieser gleichen Verkündigung vor, die ihren einzigen Schatz bildet: Jesus Christus ist der Herr; in Ihm und in keinem anderen ist das Heil (vgl. Apg 4,12); Er ist derselbe gestern, heute und immer (vgl. Hebr 13,8). Es ist der Ausruf aus dem Mund der Jünger von Emmaus, die nach Jerusalem zurückkehrten, als sie dem Auferstandenen begegnet waren. Sie haben sein Wort gehört, das im Herzen brannte, und haben ihn am Brotbrechen erkannt. Diese Synodenversammlung, die zweite für Europa, die passend ins Licht des biblischen Bildes der Jünger von Emmaus gestellt wurde, schließt im Zeichen des freudigen Zeugnisses aus der Erfahrung der Begegnung mit Christus, der in seiner Kirche lebt. Die Quelle der Hoffnung für Europa und für die ganze Welt ist Christus, das menschgewordene Wort, der einzige Mittler zwischen Gott und dem Menschen. Und die Kirche ist der Kanal, durch den die Gnadenflut aus dem durchbohrten Herzen des Erlösers strömt und sich ausbreitet. 3. „Glaubt an Gott und glaubt an mich! ... Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen“ (Joh 14,1.7). Mit diesen Worten stärkt der Herr unsere Hoffnung und fordert uns auf, den Blick auf den himmlischen Vater zu richten. In diesem Jahr, dem letzten des Jahrhunderts und des Jahrtausends, macht die Kirche sich die Bitte der Jünger zu eigen: „Herr, zeig uns den Vater“ (Joh 14,8). Und von Christus erhält sie die tröstende, ermutigende Antwort: „Wer mich gesehen 852 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hat, hat den Vater gesehen ... ich bin im Vater, und der Vater ist in mir“ (vgl. Joh 14,9-10). Christus ist die Quelle des Lebens und der Hoffnung, denn in Ihm „wohnt wirklich die ganze Fülle Gottes“ (Kol 2,9). Im menschlichen Leben Jesu von Nazaret ist das Transzendente in die Geschichte eingetreten, das Ewige in die Zeit, das Absolute in das Vorläufige der menschlichen Verhältnisse. Darum wiederholt die Kirche mit fester Überzeugung für die Männer und Frauen des Jahres Zweitausend, besonders für alle, die im Relativismus und im Materialismus zu versinken drohen: Nehmt Christus in euer Leben hinein! Wer ihm begegnet, erkennt die Wahrheit, entdeckt das Leben, findet den Weg, der zum Leben fuhrt (vgl. Joh 14,6; Ps 15,11). Christus ist die Zukunft des Menschen: „Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12). 4. Diese Verkündigung der Hoffnung, diese Gute Nachricht ist das Herz der Evangelisierung. Sie ist alt, was ihren Wesenskem betrifft, aber neu, was Methode und Formen ihrer apostolischen und missionarischen Ausdrucksweise angeht. Ihr, verehrte Brüder, habt bei den Arbeiten der Synode, die heute schließt, den Ruf aufgenommen, den der Geist an die Kirchen in Europa richtet, um sie angesichts der neuen Herausforderungen in Dienst zu nehmen. Ihr habt euch nicht gefürchtet, die Realität des Kontinents mit offenen Augen in den Blick zu nehmen, und dabei habt ihr seine Lichtpunkte, aber auch Schatten festgestellt. Ihr habt sogar den Problemen der jetzigen Stunde gegenüber brauchbare Orientierungen aufgezeigt, um das Antlitz Christi immer mehr sichtbar zu machen durch eine markantere Verkündigung, bekräftigt durch ein konsequentes Lebenszeugnis. Licht und Trost gehen in diesem Sinn aus von den Heiligen, Männern und Frauen, die die Geschichte des europäischen Kontinents aufzuweisen hat. In erster Linie denke ich an die hll. Edith Stein, Birgitta von Schweden und Katharina von Siena, die ich gerade zu Beginn dieser Synodenversammlung als Mitpatroninnen Europas verkündet und den hll. Benedikt, Kyrill und Method zur Seite gestellt habe. Doch wie sollte man nicht an die zahllosen Söhne und Töchter der Kirche denken, die im Lauf dieser zwei Jahrtausende in der Familie, im Beruf und in der Gesellschaft verborgen eine nicht weniger hochherzige und echte Heiligkeit gelebt haben? Und wie sollten wir nicht die Scharen von Bekennem des Glaubens und die vielen Märtyrer dieses letzten Jahrhunderts ehren? Sie alle haben als „lebendige Steine“, mit Christus, dem „Eckstein“, verbunden, Europa als geistiges und moralisches Bauwerk errichtet und den Nachkommen das kostbarste Erbe hinterlassen. Jesus, der Herr, hatte es versprochen: „Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen, denn ich gehe zum Vater“ (Joh 14,12). Die Heiligen sind der lebendige Beweis dafür, dass dieses Versprechen in Erfüllung geht, und sie machen Mut zu glauben, dass das auch in den schwierigsten Stunden der Geschichte möglich ist. 5. Wenn wir den Blick auf die vergangenen Jahrhunderte richten, können wir nicht umhin, dem Herrn dafür zu danken, dass das Christentum in unserem Kontinent 853 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ein erstrangiger Faktor der Einheit unter den Völkern und den Kulturen und der integralen Förderung des Menschen und seiner Rechte gewesen ist. Wenn es Verhaltensweisen und Entscheidungen gegeben hat, die leider manchmal in die entgegengesetzte Richtung gegangen sind, empfinden wir in dem Augenblick, in welchem wir uns darauf vorbereiten, die Heilige Pforte des Großen Jubiläums zu durchschreiten (vgl. Incarnationis mysterium, Nr. 11), das Bedürfnis, demütig unser Verschulden zuzugeben. Von allen Christen wird diese notwendige Einsicht gefordert, damit sie; immer mehr geeint und versöhnt, mit Gottes Hilfe das Kommen seines Reiches beschleunigen können. Es handelt sich um eine brüderliche Zusammenarbeit, die noch dringender erforderlich ist im augenblicklichen Zeitabschnitt, gekennzeichnet von einer neuen Phase des europäischen Integrationsprozesses und seiner starken Entwicklung im multi-ethnischen und multi-kulturellen Sinn. In dieser Hinsicht mache ich mir die Worte der Schlussbotschaft der Synode zu eigen und wünsche zusammen mit euch, verehrte Brüder, Europa möge in einer Haltung schöpferischer Treue seine menschliche und christliche Tradition, den Primat der ethischen und geistigen Werte zu wahren verstehen. Das ist ein Wunsch, der „aus der festen Überzeugung hervorgeht, dass man Europa keine wahre und fruchtbare Einheit gibt, wenn es nicht auf seinen geistigen Fundamenten aufgebaut wird“. 6. Bei dieser Eucharistiefeier wollen wir dafür beten. Vom Antwortpsalm aufgefordert, wiederholen wir: „Zeige uns, Herr, den Weg des Lebens.“ In jedem Augenblick des Lebens, Herr, zeige uns den Weg, den wir gehen müssen. Diese Worte kommen dem Gläubigen besonders jetzt über die Lippen, da die zweite Sonderversammlung der Bischofssynode ihren Abschluss nimmt: Nur Du, Herr, kannst uns den Weg zeigen, den wir gehen müssen, um unseren Brüdern und Schwestern von Europa die Hoffnung zu zeigen, die nicht enttäuscht. Und wir, Herr, werden dir willig folgen. Die ikonographische Tradition des christlichen Ostens kommt unserem Gebet zu Hilfe und bietet uns einen sprechenden Hinweis in der Ikone der Heiligen Jungfrau, bezeichnet als Hodighitria, d.h. „die den Weg zeigt“. Die Mutter weist mit der Hand auf den Sohn, den sie auf dem Arm trägt, und erinnert die Christen aller Zeiten und Orte daran, dass Christus der Weg ist, dem es zu folgen gilt. Die Kirche ihrerseits, die sich in der Ikone widerspiegelt, findet in Maria sozusagen sich selbst und ihre Sendung wieder: der Welt Christus zu zeigen, den einzigen Weg, der zum Leben fuhrt. Maria, du fürsorgliche Mutter der Kirche, komm uns entgegen, und zeige uns deinen Sohn. Wir spüren, dass die Heilige Jungfrau auf unser vertrauensvolles Flehen antwortet, indem sie auf Jesus zeigt und zu uns wie zu den Dienern bei der Hochzeit zu Kana sagt: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Haltet den Blick fest auf Christus gerichtet, liebe Brüder und Schwestern, und kehrt in eure Gemeinschaften zurück, stark in dem Bewusstsein, dass Er in der Kirche lebt als Quelle der Hoffnung für Europa. Amen. 854 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Vater - Quelle des apostolischen Einsatzes der Kirche Botschaft zum Weltmissionssonntag am 24. Oktober 1999 vom 23. Mai 1. Der Weltmissionssonntag ist für die Kirche jedes Jahr ein willkommener Anlass, um über das eigene missionarische Wesen nachzudenken. Stets im Gedenken an den Auftrag Christi: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19), ist sich die Kirche bewusst, dass sie berufen ist, dem Menschen aller Zeiten und aller Orte die Liebe des einen Vaters zu verkünden, der in Jesus Christus seine versprengten Kinder wieder sammeln wollte (vgl. Joh 11,52). Im letzten Jahr dieses Jahrhunderts, das uns auf das Große Jubeljahr 2000 vorbereiten soll, sollen wir unseren Blick und unser Herz zum Vater erheben, um ihn kennenzulemen, „so wie er ist und wie der Sohn ihn uns geoffenbart hat“ (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2779). Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkt das „Vater unser“, das der Göttliche Meister selbst uns gelehrt hat, können wir besser verstehen, welches die Quellen des apostolischen Einsatzes der Kirche sind und welche wesentlichen Gründe sie missionarisch „bis zu den äußersten Grenzen der Erde“ machen. Vater unser, der Du bist im Himmel 2. Missionarisch ist die Kirche, weil sie unermüdlich verkündet, dass Gott Vater ist, voll der Liebe für alle Menschen. Jedes menschliche Wesen und jedes Volk sucht, manchmal sogar unbewusst, das geheimnisvolle Antlitz Gottes, das jedoch nur der eingeborene Sohn, der am Herzen des Vaters ruht, kundgemacht hat (vgl. Joh 1,18). Gott ist „Vater unseres Herrn Jesus Christus“ und „will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Jene, die seine Gnade empfangen, erkennen mit Erstaunen, dass sie Kinder des einen Vaters sind, und fühlen sich allen gegenüber zur Verkündigung des Heils verpflichtet. In der heutigen Welt erkennen jedoch viele den Gott Jesu Christi noch nicht als Schöpfer und Vater an. Einige haben sich, manchmal auch aus Schuld der Gläubigen, für Gleichgültigkeit und Atheismus entschieden; andere haben, indem sie einen vagen Glauben pflegen, für sich einen Gott nach dem eigenen Abbild geschaffen; wieder andere betrachten ihn als ein völlig unerreichbares Wesen. Aufgabe der Gläubigen ist es, zu verkünden und davon Zeugnis abzulegen, dass, obschon „er in unzugänglichem Licht wohnt“ (1 Tim 6,16), der himmlische Vater durch seinen Sohn, der im Schoß der Jungfrau Maria Fleisch geworden, gestorben und auferstanden ist, jedem Menschen nahe ist und ihn dazu befähigt, „ihm zu antworten, ihn zu erkennen und zu lieben“ (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 52). 855 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geheiligt sei Dein Name 3. Das Bewusstsein davon, dass die Begegnung mit Gott die Würde des Menschen fordert und lobpreist, lässt den Christen beten: geheiligt sei Dein Name“, d. h.: „Deine Erkenntnis erleuchte uns, damit wir die Größe Deines Heils, die Ausmaße Deiner Verheißungen, die Erhabenheit Deiner Majestät, die Tiefe Deiner Weisheit erkennen können“ (hl. Franz v Assisi, Fonti Francescane, 268). Der Christ bittet darum, dass Gott durch seine angenommenen Kinder und auch durch jene, die seine Offenbarung noch nicht erreicht hat, geheiligt werde - und dies im Bewusstsein, dass er durch seine Heiligkeit die ganze Schöpfung erlösen wird. Damit sein Name in allen Ländern geheiligt werde, setzt sich die Kirche für die Teilhabe der Menschheit und der Schöpfung am Heilsplan des Schöpfers ein, „wie er es gnädig im voraus bestimmt hat, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,9.4). Dein Reich komme, Dein Wille geschehe 4. Mit diesen Worten bitten die Gläubigen um die Ankunft des göttlichen Reiches und die glorreiche Rückkehr Christi. Dieser Wunsch enthebt sie jedoch nicht von der alltäglichen Pflicht in der Welt; im Gegenteil, er verpflichtet sie um so mehr. Die Ankunft des Reiches ist nun Werk des Heiligen Geistes, den der Herr entsandt wirken (vgl. Römisches Messbuch, Eucharistisches Gebet IV). In der modernen Kultur ist das Warten auf eine neue Ära des Friedens, des Wohlergehens, der Solidarität, der Achtung der Rechte und der universalen Liebe weitverbreitet. Erleuchtet vom Heiligen Geist, verkündet die Kirche, dass dieses Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe, das bereits im Evangelium angekündigt wurde, sich im Laufe der Jahrhunderte auf geheimnisvolle Weise durch Einzelpersonen, Familien und Gemeinschaften verwirklichen wird, die sich dafür entschieden haben, die Lehre Christi im Geiste der Seligkeiten auf radikale Weise zu leben. Durch ihren Einsatz wird die weltliche Gesellschaft selbst angespomt, sich hin zu Zielen größerer Gerechtigkeit und Solidarität zu entwickeln. Die Kirche verkündet auch, dass es Wille des Vaters ist, „daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4) durch die Nachfolge Christi und sein Gebot, „das alle anderen zusammenfasst und uns seinen Willen offenbart und lautet: ,Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben1“ (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2822). Jesus bittet uns, darum zu beten, und lehrt uns deshalb, dass man in das Himmelreich nicht kommt, indem man sagt: „Herr, Herr“, sondern indem man „den Willen seines Vaters im Himmel“ erfüllt (vgl. Mt 7,21). 856 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unser tägliches Brot gib uns heute 5. In unserer Zeit existiert ein starkes Bewusstsein davon, dass alle ein Recht auf das „tägliche Brot“, d. h. auf das Notwendigste zum Leben, haben. Gleichsam wird die Pflicht zu einer gerechten Verteilung und einer Solidarität, die die Menschen untereinander verbindet, empfunden. Trotzdem leben immer noch sehr viele Menschen auf eine Weise, die ihrer Menschenwürde nicht entspricht. Man braucht nur an die weiten Regionen auf einigen Kontinenten denken, in denen noch Armut und Analphabetismus herrschen, an den Wohnungsmangel und an das Fehlen von Gesundheitsvorsorge und Arbeit, an politische Unterdrückung und Kriege, die Völker ganzer Regionen der Erde zerstören. Welche Aufgabe haben die Christen angesichts dieser dramatischen Szenarien? Wie steht der Glaube an den lebendigen und wahren Gott in Verbindung mit der Lösung der Probleme, die die Menschheit quälen? Wie ich in der Enzyklika Redemptoris missio geschrieben habe, „ereignet sich die Entwicklung eines Volkes in erster Linie weder durch Geld noch durch materielle Hilfe und auch nicht durch technische Strukturen, sondemielmehr durch die Formung der Gewissen, durch das Reifen der Einstellungen und Gebräuche. Der Mensch ist die Hauptfigur der Entwicklung, nicht das Geld und nicht die Technik. Die Kirche bildet die Gewissen, sie offenbart den Völkern den Gott, den sie suchen, aber nicht kennen, die Größe des von Gott nach seinem Bild geschaffenen und geliebten Menschen, die Gleichheit aller Menschen als Kinder Gottes“ (Nr. 58). Indem sie verkündet, dass die Menschen Kinder desselben Vaters, also Geschwister, sind, leistet die Kirche ihren Beitrag zum Aufbau einer von wahrer Geschwisterlichkeit geprägten Welt. Die christliche Gemeinschaft ist berufen, zur Entwicklung und zum Frieden beizutragen durch Werke der menschlichen Förderung, durch Schulen und Bildungseinrichtungen im Dienste der jungen Menschen, durch das ständige Denunzieren jeder Form von Unterdrückung und Ungerechtigkeit. Der spezifische Beitrag der Kirche ist jedoch die Verkündigung des Evangeliums, die christliche Formung von Einzelpersonen, Familien und Gemeinschaften im Bewusstsein, dass es „nicht Aufgabe der Kirche ist, direkt auf der wirtschaftlichen, technischen oder politischen Ebene bzw. der des materiellen Beitrags zur Entwicklung tätig zu werden. Es geht ihr wesentlich dämm, den Völkern nicht ,Mehr Haben“ anzubieten, sondern ,Mehr Sein“, indem sie durch das Evangelium die Gewissen aulrüttelt. Der wahre menschliche Fortschritt muß auf einer immer umfassenderen Verwirklichung des Evangeliums gründen“ (ebdNr. 58). Vergib uns unsere Schuld 6. Die Sünde ist in der Menschheitsgeschichte von Anfang an gegenwärtig. Sie beeinträchtigt die ursprüngliche Beziehung der Geschöpfe zu Gott, mit schlimmen Auswirkungen für ihr Leben und für das der anderen. Wie könnte man heute nicht betonen, dass die vielfachen Formen des Bösen und der Sünde oft einen Verbün- 857 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN deten in den sozialen Kommunikationsmitteln finden? Und dass die Massenmedien „für viele zum Hauptinstrument der Information und Bildung, der Führung und Beratung für individuelles, familiäres und soziales Verhalten geworden sind“? (Redemptoris missio, Nr. 37c). Die Missionstätigkeit kann nicht umhin, Einzelpersonen und Völkern die Frohbotschaft der gütigen Barmherzigkeit des Flerm zu verkünden. Der Vater im Himmel, und dies verdeutlicht uns auch die Parabel vom verlorenen Sohn, ist gut und vergibt dem reumütigen Sünder, vergisst die Schuld und schenkt wieder Harmonie und Frieden. Dies ist das wahre Antlitz Gottes, des liebenden Vaters, der die Kraft gibt, um das Böse durch das Gute zu besiegen, und diejenigen, die seine Liebe erwidern, befähigt, an der Erlösung der Welt teilzuhaben. Wie auch wir vergeben unseren Schuldigem 7. Die Kirche ist durch ihre Mission berufen, die Wirklichkeit der Göttlichen Vaterschaft zu verkünden - und dies nicht nur durch Worte, sondern vor allem durch die Heiligkeit der Missionare und des Volkes Gottes. „Der erneuerte Drang zur Mission unter den Völkern“, schrieb ich in der Enzyklika Redemptoris missio, „erfordert heiligmäßige Missionare. Es genügt weder die pastoralen Methoden zu erneuern noch die kirchlichen Kräfte besser zu organisieren bzw. zu koordinieren oder etwa die biblischen und theologischen Glaubensgrundlagen mit größerer Klugheit zu erforschen: es gilt ein ,neues glühendes Verlangen nach Heiligkeit1 unter den Missionaren und in der ganzen christlichen Gemeinschaft zu wecken“ (Nr. 90). Angesichts der schrecklichen und vielfältigen Folgen der Sünde ist es Pflicht der Gläubigen, die Zeichen des Vergebens und der Liebe anzubieten. Nur wenn sie in ihrem Leben die Liebe Gottes bereits erfahren haben, sind sie in der Lage, die anderen auf hochherzige und bedingungslose Weise zu lieben. Das Vergeben ist eine weitere Form der göttlichen Liebe, die jenen geschenkt wird, die inständig darum bitten. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen 8. Mit dieser letzten Bitte des „Vater unser“ bitten wir Gott darum, dass er vermeiden möge, dass wir den Weg der Sünde einschlagen und dass er uns von dem Bösen befreien möge, das oft von einem persönlichen Wesen, dem Satan; inspiriert wird, der damit den Plan Gottes und das von Ihm durch Christus gewirkte Heil behindern will. Im Bewusstsein, dass sie berufen sind, das Heil in einer von der Sünde und vom Bösen geprägten Welt zu verkünden, sind die Christen aufgefordert, sich Gott anzuvertrauen, indem sie ihn darum bitten, dass der Sieg über den „Herrscher der 858 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Welt“ (vgl. Joh 14,30), der ein für alle Male von Christus errungen wurde, eine alltägliche Erfahrung in ihrem Leben werden möge. In einem sozialen Umfeld, das von der Logik der Macht und der Gewalt beherrscht wird, ist es Aufgabe der Kirche, von der Liebe Gottes und der Kraft des Evangeliums zu zeugen, die Hass und Rache, Egoismus und Gleichgültigkeit beugen können. Der Geist des Pfingstfestes erneuert das christliche Volk, das durch das Blut Christi erlöst wurde. Diese kleine Herde wird an alle Orte entsandt, um als Sauerteig für eine neue Menschheit zu wirken, und ist zwar arm an menschlichen Mitteln, doch frei von allen Einflüssen. Schluss 9. Liebe Brüder und Schwestern, der Weltmissionssonntag bietet allen Gelegenheit, diese gemeinsame missionarische Berufung, die die Jünger Christi dazu an-spomt, Apostel seines Evangeliums der Versöhnung und des Friedens zu werden, bestmöglichst hervorzuheben. Der Heilsauftrag ist universal; für jeden Menschen und für den ganzen Menschen. Er ist Aufgabe des ganzen Gottesvolkes und aller Gläubigen. Die Barmherzigkeit muss deshalb Leidenschaft jedes Christen sein; eine Leidenschaft für das Heil der Welt und ein brennender Eifer für den Aufbau des Reiches Gottes. Damit dies geschehen kann, bedarf es des unaufhörlichen Gebetes, das den Wunsch, Christus zu allen Menschen zu bringen, wachsen lässt. Es bedarf des Opfers des eigenen Leidens in der Gemeinschaft mit dem Leiden des Erlösers. Es bedarf auch des persönlichen Einsatzes bei der Unterstützung der Organismen der missionarischen Zusammenarbeit. Unter diesen möchte ich bitten, den Päpstlichen Missionswerken besondere Beachtung zu schenken, deren Aufgabe es ist, das Gebet für die Missionen zu fordern, ihre Anliegen zu vertreten und die Mittel für die Evangelisierungstätigkeit zu beschaffen. Sie arbeiten eng mit der Kongregation für die Evangelisierung der Völker zusammen, die das missionarische Bemühen in Übereinstimmung mit den Ortskirchen und den verschiedenen missionarischen Institutionen innerhalb der ganzen kirchlichen Gemeinschaft koordiniert. Wir feiern am kommenden 24. Oktober den letzten Weltmissionssonntag eines Jahrtausends, in dem das Evangelisierungswerk der Kirche wahrhaft außerordentliche Früchte getragen hat. Wir danken dem Herrn für das große Wohl, das er durch seine Missionare gewirkt hat, und warten, indem wir unseren Blick auf die Zukunft richten, zuversichtlich auf die Morgenröte eines neuen Tages. Alle, die an den Vorposten der Kirche tätig sind, sind wie die Wachen auf den Mauern der Stadt Gottes, denen wir zurufen: „Wächter, wie lange noch dauert die Nacht?“ (Jes 21,11) und worauf wir als Antwort erhalten: „Horch; deine Wächter erheben die Stimme, sie beginnen alle zu jubeln. Denn sie sehen mit eigenen Augen, wie der Herr nach Zion zurückkehrt“ (Jes 52,8). Ihr hochherziges Zeugnis in allen Teilen der Erde verkündet, dass „Gott unmittelbar vor Anbruch des dritten 859 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jahrtausends dabei ist, einen großen christlichen Frühling zu bereiten, dessen Morgenröte man schon ahnend erkennen kann“ (Redemptoris missio, Nr. 86). Maria, der „Morgenstern“, helfe uns mit immer neuem Eifer das „Fiat“ zum Heilsplan auszusprechen, damit die Völker aller Sprachen seine Herrlichkeit sehen können (vgl. Jes 66,18). Mit diesen Wünschen erteile ich von ganzem Herzen den Missionaren und allen, die sich für die Anliegen der Mission einsetzen, meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am Pfingstfest, dem 23. Mai 1999 Joannes Paulus PP. II Den Geist von Assisi in dieser Welt lebendig halten Ansprache an die Teilnehmer der Interreligiöse Begegnung auf dem Petersplatz am 28. Oktober Verehrte Repräsentanten der Religionen, liebe Freunde! 1. In dem Frieden, den die Welt nicht geben kann, grüße ich Sie alle, die hier auf dem Petersplatz versammelt sind, um an der Schlussveranstaltung der Interreligiösen Begegnung teilzunehmen, die während der letzten Tage hier stattgefunden hat. In den Jahren meines Pontifikates hatte ich besonders während meiner Pastoralrei-sen in verschiedene Teile der Welt die große Freude, unzähligen Christen anderer Konfessionen und Zugehörigen nichtchristlicher Religionen zu begegnen. Heute wird diese Freude hier, nahe beim Grab des Apostels Petrus, erneuert, dessen Dienst in der Kirche Weiterzufuhren meine Aufgabe ist. Ich freue mich, Ihnen zu begegnen, und danke dem allmächtigen Gott, der uns den Wunsch nach gegenseitigem Verständnis und Freundschaft eingegeben hat. Ich bin mir der Tatsache wohl bewusst, dass viele angesehene religiöse Führungskräfte von sehr weit angereist sind, um bei dieser Abschlusszeremonie der Interreligiösen Begegnung anwesend zu sein. Ich bin allen dankbar, die mitgeholfen haben, den Geist zu fordern, der dieses Treffen ermöglicht hat. Wir haben soeben die Botschaft vernommen, die Fmcht Ihrer Überlegungen. 2. Stets war ich der Ansicht, dass Religionsführer eine lebenswichtige Rolle spielen, wenn es gilt, die Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden zu hegen, ohne die es keine menschenwürdige Zukunft geben wird. Da die Welt ein zu Ende gehendes Jahrtausend und den Beginn eines neuen begeht, ist es angebracht, dass wir uns die Zeit nehmen, um Rückschau zu halten, damit wir über die gegenwärtige Situation Bilanz ziehen und gemeinsam voll Hoffnung der Zukunft entgegengehen können. 860 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ist es bei unserem Überblick über die Situation der Menschheit übertrieben, wenn wir von einer Krise der Zivilisation sprechen? Wir erleben große technische Fortschritte, die jedoch nicht immer von großem spirituellen und moralischen Fortschritt begleitet werden. Auch erleben wir eine wachsende Kluft zwischen Armen und Reichen sowohl was den Einzelnen anbelangt als auch auf internationalem Niveau. Viele Menschen bringen große Opfer, um sich mit den Notleidenden, Hungernden oder Kranken solidarisch zu erweisen, aber es fehlt immer noch am kollektiven Willen, die skandalösen Ungleichheiten zu überwinden und neue Strukturen zu schaffen, die eine gerechte Verteilung der Ressourcen der Welt unter allen Völkern ermöglichen. Dann sind da die vielen Konflikte, die ständig rund um den ganzen Erdball ausbrechen: Kriege zwischen Völkern, bewaffnete Auseinandersetzungen innerhalb der Nationen, Konflikte, die wie eiternde Geschwüre wuchern und nach einer Heilung schreien, die nicht einzutreten scheint. Unvermeidbar leiden die Schwächsten am meisten unter diesen Konflikten, besonders, wenn sie aus ihrer Heimat herausgerissen werden und gezwungen sind, zu fliehen. 3. Das ist sicherlich nicht die Art und Weise, wie die Menschheit leben soll. Ist es daher nicht richtig, zu sagen, dass es tatsächlich eine Krise der Zivilisation gibt, der nur durch eine neue Zivilisation der Liebe zu begegnen ist, gegründet auf den universalen Werten wie des Friedens, der Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 52)? Es gibt Leute, die behaupten, dass die Religion ihren Teil zu diesem Problem beiträgt, indem sie der Menschheit den Weg zum wahren Frieden und Wohlstand versperrt. Als religiöse Menschen haben wir die Pflicht, zu zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Sich der Religion zu bedienen, um Gewaltanwendung zu unterstützen, ist Missbrauch der Religion. Religion ist kein Vorwand für Konflikte und darf es auch nicht werden, besonders dann, wenn religiöse, kulturelle und ethnische Identität zusammenfallen. Religion und Frieden gehen Hand in Hand; Krieg im Namen der Religion zu führen ist ein eklatanter Widerspruch (vgl. Ansprache an die Teilnehmer der 6. Versammlung der Weltkonferenz über Religion und Frieden, 3. November 1994, Nr. 2). Religiöse Führer müssen klar und deutlich zeigen, dass sie wegen ihres religiösen Bekenntnisses dazu verpflichtet sind, den Frieden zu fordern. Die Aufgabe, die sich uns also stellt, ist, eine Kultur des Dialogs zu fordern. Einzeln und gemeinsam müssen wir zeigen, dass religiöser Glaube zum Frieden inspiriert, zur Solidarität ermutigt, Gerechtigkeit fordert und Freiheit unterstützt. Aber das Lehren allein genügt nicht, so unentbehrlich es auch sein mag. Es muss auch in die Tat umgesetzt werden. Mein verehrter Vorgänger, Papst Paul VI., erwähnte einmal, dass in unserer Zeit die Menschen eher den Zeugen als den Lehrern Aufmerksamkeit schenken und dass sie auf Lehrer hören, wenn diese auch gleichzeitig Zeugen sind (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 41). Man denke nur an das unvergessliche Zeugnis von Menschen wie Mahatma Gandhi oder Mutter Teresa von Kal- 861 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kutta, um nur zwei Personen zu erwähnen, die einen solchen Einfluss auf die Welt hatten. 4. Ferner liegt die Kraft des Zeugnisses in der Tatsache, dass es gemeinsam geteilt wird. Es ist ein Zeichen der Hoffnung, dass sich in vielen Teilen der Welt interreligiöse Vereinigungen gebildet haben, um gemeinsames Überlegen und Handeln zu fördern. Mancherorts sind auch religiöse Führer vermittelnd zwischen Kriegsparteien eingeschritten. Anderswo ist man gemeinsam für den Schutz des ungeborenen Lebens eingetreten, hat die Rechte der Frauen und Kinder unterstützt und Unschuldige verteidigt. Ich bin überzeugt, dass das gewachsene Interesse am interreligiösen Dialog eines der Hoffhungszeichen in diesem ausgehenden Jahrhundert ist (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 45). Doch ist es notwendig, noch weiter zu gehen. Größere gegenseitige Achtung und wachsendes Vertrauen müssen zu noch wirksamerem und koordinierterem Handeln zugunsten der Menschheitsfamilie fuhren. Unsere Hoffnung entspringt nicht nur den Fähigkeiten des menschlichen Herzens und Geistes, sondern sie hat eine göttliche Dimension, und es ist gut, dies anzuerkennen. Die Christen unter uns glauben, dass diese Hoffnung eine Gabe des Heiligen Geistes ist, der uns aufträgt, unseren Horizont zu erweitern, über unsere persönlichen Bedürfnisse und die Bedürfnisse unserer jeweiligen Gemeinschaften hinauszublicken und die Einheit der ganzen Menschheitsfamilie ins Auge zu fassen. Die Lehre und das Beispiel Jesu Christi haben den Christen einen klaren Sinn für die universale Brüderlichkeit unter allen Menschen gegeben. Das Bewusstsein, dass der Geist Gottes weht, wo er will (vgl. Joh 3,8), hält uns davon ab, übereilte und gefährliche Urteile zu treffen, weil es eine Wertschätzung für das weckt, was in den Herzen der anderen verborgen liegt. Das eröffnet uns den Weg zu Versöhnung, Harmonie und Frieden. Aus diesem spirituellen Bewusstsein entspringen Mitleid und Großzügigkeit, Demut und Maßhaltung, Mut und Beharrlichkeit. Das sind Eigenschaften, deren die Menschheit mehr denn je zu Beginn des neuen Jahrtausends bedarf. 5. Wie könnten wir Menschen aus vielen Ländern, die wir uns heute hier versammelt haben und viele Religionen der Welt vertreten, es versäumen, das Treffen von Assisi am Weltgebetstag für den Frieden vor dreizehn Jahren in Erinnerung zu rufen? Seitdem wurde der „Geist von Assisi“ durch verschiedene Initiativen in den verschiedensten Teilen der Erde lebendig gehalten. Gestern haben diejenigen von Ihnen, die am Interreligiösen Treffen teilgenommen hatten, eine Fahrt nach Assisi gemacht, um den Jahrestag jener denkwürdigen Versammlung von 1986 zu begehen. Sie sind dorthin gefahren, um sich erneut vom Geist dieses Treffens und von der Gestalt des „Poverello di Dio“, des demütigen und heiteren hl. Franz von Assisi, inspirieren zu lassen. Lassen Sie mich an dieser Stelle das wiederholen, was ich damals zum Schluss dieses Fast- und Gebetstages sagte: „Die Tatsache selbst, daß wir von den verschiedenen Erdteilen nach Assisi gekommen sind, ist in sich ein Zeichen für diesen gemeinsamen Weg, den zu be- 862 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schreiten die Menschheit berufen ist. Entweder lernen wir in Frieden und Harmonie miteinander zu gehen, oder wir werden vom Wege abgetrieben und zerstören uns selbst und die anderen. Wir hoffen, daß die Pilgerreise nach Assisi uns erneut gelehrt hat, uns des gemeinsamen Ursprungs und des gemeinsamen Schicksals der Menschheit bewußt zu werden. Laßt uns darin eine Vorwegnahme dessen sehen, was Gott von der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit gern verwirklicht sehen möchte: Eine brüderliche Wanderung, auf der wir uns gegenseitig begleiten zum transzendenten Ziel, das er uns gesetzt hat {Ansprache zum Abschluß des Weltgebetstages der Religionen für den Frieden in Assisi am 27.10.1986, O.R. dt. 1986, Nr. 45, S. 10-11). Unsere Zusammenkunft heute, hier auf dem Petersplatz, ist ein weiterer Schritt auf dieser Reise. In all den vielen Sprachen des Gebets lasst uns den Geist Gottes bitten, dass er uns erleuchte, führe und uns Kraft gebe, auf dass wir als Männer und Frauen, die ihre Inspiration aus dem religiösen Glauben empfangen, Zusammenarbeiten können, um die Zukunft der Menschheit in Harmonie, Gerechtigkeit, Frieden und Liebe aufzubauen. Ein Leben in Mut und Demut — geprägt in der Hochschule der Seelenfuhrung Ansprache bei der Audienz für die Franziskanerinnen von der christlichen Liebe am 28. Oktober Ehrwürdige Schwestern! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine große Freude, euch heute im Apostolischen Palast zu empfangen. Besonders grüße ich die Franziskanerinnen von der christlichen Liebe in Begleitung der ehrwürdigen Mutter Generaloberin. Außerdem heiße ich die Mitglieder vom „Komitee Schwester Restituta“ willkommen. Damit ist schon das Stichwort gegeben, das euch miteinander verbindet und euch veranlasst hat, gemeinsam eine Wallfahrt in die Ewige Stadt zu unternehmen. Ihr seid nach Rom gepilgert, um an den Gräbern der Apostelfürsten Gott, dem Geber alles Guten, für die Gnade zu danken, die er uns mit der Seligsprechung von Schwester Restituta Kafka gewährt hat. 2. So wandern meine Gedanken zum Heldenplatz nach Wien, wo es mir am 21. Juni des vergangenen Jahres während meines dritten Pastoralbesuches in Österreich geschenkt wurde, neben den beiden Priestern Jakob Kern und Anton Maria Schwartz auch die Hartmann-Schwester Restituta Kafka zur Ehre der Altäre erheben zu dürfen. Gern mache ich mir die Freude zu eigen, die euch zusammen mit zahlreichen Gläubigen darüber erfüllt, diese Ordensfrau, die für viele von euch eine Art „ältere Schwester“ ist, nun als Märtyrin verehren zu dürfen. Zugleich wird 863 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in mir die bleibende Botschaft lebendig, die diese leuchtende Glaubenszeugin mitten in einer dunklen Zeit unseres Jahrhunderts an uns gerichtet hat, die wir an der Schwelle zum dritten Jahrtausend stehen. An der sei. Schwester Restituta können wir ablesen, zu welchen Höhen innerer Reife ein Mensch geführt werden kann, wenn er sich den guten Händen Gottes überlässt. Ihr irdischer Lebensweg gleicht einem Aufstieg nach Kalvaria, in dessen Verlauf sich der Seligen nach und nach eine Aussicht erschlossen hat, die sowohl ihr bisheriges Sein und Wirken in ein neues Licht stellte als auch die Hoffnung auf das ewige Leben so fest in ihr verankerte, dass sie im Angesicht des Todes feststellen konnte: „Für Christus habe ich gelebt, für Christus will ich sterben.“ Ihr Beichtvater nannte deshalb zu Recht ihren Kreuzweg eine „Hochschule der Seelenführung“, die sie mit Auszeichnung bestanden habe. 3. Zunächst hat Schwester Restituta gelernt, was Demut heißt. Einst war die junge Frau „aus Liebe zu Gott und den Menschen“ ins Kloster eingetreten. Über Jahrzehnte hinweg hat sie Gott in den Kranken gedient, für die sie ihre vielfältigen Fähigkeiten und ihre fachliche Kompetenz unermüdlich einsetzte. Wenn sie vom Himmel sprach, dann stand sie im wahrsten Sinn des Wortes mit beiden Beinen auf der Erde. Als ihr irdisches Leben zur Neige ging, wandelte Gottes Gnade die Demut der Ordensflau immer mehr in eine Verdemütigung, die bereit war zur vollen Selbsthingabe. Die sich als Krankenschwester über die Patienten beugte, hielt schließlich den Kopf hin für das Bekenntnis zum Gekreuzigten. 4. In der „Hochschule der Seelenführung“ hat Schwester Restituta auch die Tugend der Sanftmut eingeübt. Von Natur aus mit einem starken Charakter ausgestattet, war sie geradlinig und aufrichtig, voll mütterlicher Zuwendung und zuvorkommender Hilfsbereitschaft, fröhlich und mitunter auch etwas unkonventionell. Aufgrund ihres Temperamentes einmal als „ungeschliffener Edelstein“ bezeichnet, ließ sie sich von Gott so läutern, dass aus ihr ein wertvoller Diamant werden konnte. Dabei wurde sie immer aufmerksamer und feinfühliger für die tiefen Nöte, die ihren Mitschwestem und Patienten auf der Seele brannten. So erstaunt es nicht, dass sie ihre Zeit im Gefängnis als Geschenk sah, um sich noch mehr in Sanftmut und Geduld einzuüben und „viel in der Seelsorge helfen zu dürfen“. 5. Schließlich gelangte auch der Charakterzug zur vollen Reife, der Schwester Restituta wohl am meisten eigen war: der Mut. Für die Ordensfrau, die man wegen ihrer entschlossenen Art nicht selten Schwester „Resoluta“ nannte, wurde das Gefängnis zu einer Art Gnadenort, um ihrem eigentlichen Ordensnamen alle Ehre zu machen: Restituta, die von Gott Wiederhergestellte. Denn im Blick auf die erlösende Kraft des Kreuzes strahlte in ihrem Herzen zunehmend die Erkenntnis auf, dass selbst dann, wenn der äußere Mensch sterben muss, der innere längst nicht zugrundegeht. Der Mut, der ihr in die Wiege gelegt war, gewann auf diese Weise so festen Halt, dass sie mit dem hl. Paulus sprechen konnte: „Wir sind verkannt und doch anerkannt, sind wie Sterbende, und seht: wir leben. Wir werden gezüch- 864 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tigt und doch nicht getötet; uns wird Leid zugefugt, und doch sind wir jederzeit fröhlich“ (2 Kor 6,9—10). Liebe Schwestern und Brüder! 6. Ich wünsche euch, dass die sei. Schwester Restituta ein Modell für euer Leben sei. Sie gewann ihre Größe aus der Demut, sie stach hervor durch ihre Sanftmut und blieb auch dann festen Mutes, als sie das Bekenntnis zum Kreuz das Leben kostete. In schweren Augenblicken trug sie ihre Sorgen zur Mater Dolorosa, mit der sie zeitlebens innig verbunden war. Die Schmerzensmutter sei auch euch eine treue Begleiterin in jeder Not und eine Quelle des Trostes und der Zuversicht für euer tägliches Glaubenszeugnis. Dazu erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 28. Oktober 1999 Institutionelle Anerkennung und ökonomische Gleichbehandlung für alle Schulen Ansprache zum Abschlußtreffen der Nationalversammlung der italienischen katholischen Schulen auf dem Petersplatz in Rom am 30. Oktober 1. „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ {Mt 4,4). Mit dieser kraftvollen Aussage, die der Herr Jesus aus dem Deuteronomium zitierte (vgl. 8,3), möchte ich mich heute an euch wenden, liebe Freunde der italienischen katholischen Schulen, die ihr euch heute auf dem Petersplatz versammelt habt, um eure große Nationalversammlung mit dem Papst zu beschließen. Dieses Treffen findet acht Jahre nach dem unvergesslichen Kongress statt, der uns ebenfalls am 23. November 1991 auf diesem Platz versammelt sah. Die Wahrheit, die von Gott kommt, ist die Hauptnahrung, die uns als Menschen wachsen lässt, unsere Intelligenz anregt und unsere Freiheit stärkt. Aus dieser Überzeugung ergibt sich die leidenschaftliche Hingabe an das Erziehungswesen, welches die Kirche im Laufe der Jahrhunderte begleitet hat und die dem Blühen katholischer Schulen zugrundeliegt. Ich begrüße den Kardinal Vorsitzenden und die anderen hochwürdigsten Mitglieder der Italienischen Bischofskonferenz. Ihr gilt meine aufrichtige Dankbarkeit für die Organisation dieser Versammlung. Ich grüße den Kardinal-Präfekten der Kongregation für das Katholische Bildungswesen und alle hier anwesenden Bischöfe. Außerdem begrüße ich die Oberen der Ordensgemeinschaften von Männern und Frauen, die sich für die katholische Schule engagieren. Ich grüße die Vertreter der staatlichen Behörden und der Politik, die Vertreter der Sozialeinrichtungen und der Kulturwelt. Ich danke dem Herrn Bildungsminister und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten für ihre Anwesenheit. 865 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Besonders herzlich begrüße ich die Schulen von Madrid, Sarajevo und Palästina, die uns über Satellit zugeschaltet sind. Jedem von euch - Lehrkräften, Schülern, Eltern und allen anderen Freunden und Förderern der katholischen Schulen - spreche ich meine Zuneigung, meine Achtung und meine aufrichtige Solidarität aus für das Werk, dem ihr euch widmet. Aus dieser Versammlung soll es neues Vertrauen und neuen Elan schöpfen. 2. Das Thema eures Treffens - „Für ein Schulkonzept mit Blick auf das dritte Jahrtausend“ - zeigt eindeutig, dass ihr nach vorne zu schauen vermögt und dass ihr euch in einer Perspektive bewegt, die nicht nur der katholischen Schule eigen ist, sondern die sich aktiv um Antworten auf die Fragen sorgt, die heutzutage alle Arten von Schuleinrichtungen betreffen. Ihr könnt dies mit vollem Recht tun, denn die Erfahrung der katholischen Schulen birgt ein bedeutendes Erbe an Kultur, an pädagogischer Weisheit, an Aufmerksamkeit gegenüber der Persönlichkeit des Kindes, des Heranwachsenden und des Jugendlichen, an gegenseitiger Unterstützung mit den Familien mit der Fähigkeit, die neuen, sich im Wandel der Zeit ergebenden Bedürfnisse und Probleme durch die aus der Liebe hervorgehende Eingebung rechtzeitig zu erkennen. Ein solches Erbe schafft für euch die besten Bedingungen, um wirksame Antworten auf die Anfrage der jungen Generationen nach Erziehung zu finden; sie sind nämlich die Söhne und Töchter einer komplexen Gesellschaft, die von vielen Spannungen durchzogen und von ständigem Wandel geprägt ist: Das bedeutet, sie ist nicht gut geeignet, ihren Kindern und Jugendlichen klare und sichere Bezugspunkte anzubieten. Im geeinten Europa, das gerade aufgebaut wird und wo die kulturellen Traditionen der einzelnen Nationen darauf ausgerichtet sind, sich aneinander zu messen und sich gegenseitig zu ergänzen und fruchtbar zu machen, gibt es ein noch größeres Handlungsfeld für die katholische Schule. Sie ist nämlich ihrem Wesen nach für Universalität aufgeschlossen und gründet auf ein Erziehungskonzept, das die gemeinsamen Wurzeln der europäischen Zivilisation herausstellt. Auch aus diesem Grunde ist es wichtig, dass die katholische Schule in Italien nicht schwächer wird, sondern eher noch neue Kraft und Energie findet: Es wäre in der Tat recht merkwürdig, wenn ihre Stimme gerade in jenem Land, das aufgrund seiner religiösen Tradition, seiner Kultur und seiner Geschichte einen besonderen Auftrag für die christliche Präsenz auf dem europäischen Kontinent zu erfüllen hat, allzu leise werden sollte (vgl. Brief an die italienischen Bischöfe vom 6. Januar 1994, Nr. 4). 3. Liebe Freunde der italienischen katholischen Schulen! Ihr wisst aus eigener Erfahrung, wie schwierig und prekär die Umstände sind, unter denen die meisten von euch tätig sind. Ich denke dabei an den Rückgang von Berufungen in den Ordensgemeinschaften, die mit dem besonderen Charisma des Lehrens entstanden; ich denke daran, wie schwer es für viele Familien ist, sich die zusätzliche Belastung aufzubürden, die in Italien mit der Entscheidung für eine nichtstaatliche Schule einhergeht; ich denke mit großem Bedauern an namhafte und verdiente Schulen, die Jahr um Jahr zu schließen gezwungen sind. 866 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Hauptproblem, das es zu lösen gilt, um aus dieser immer unzumutbareren Situation herauszukommen, ist zweifellos das der vollen Anerkennung der rechtlichen und ökonomischen Gleichberechtigung von staatlichen und nichtstaatlichen Schulen durch die Überwindung von alten Widerständen, die den grundlegenden Werten der europäischen Kulturtradition fremd sind. Die jüngsten Schritte in dieser Richtung sind zwar in mancher Hinsicht lobenswert, aber doch leider noch nicht ausreichend. Daher schließe ich mich mit ganzem Herzen eurer Forderung an, mutig noch weiterzugehen und einen neuen Gedanken aufzunehmen. Es könnten nicht nur die katholischen Schulen, sondern auch die anderen schulischen Initiativen, die aus der Gesellschaft hervorgehen, als wertvolle Ressource für die Ausbildung der jüngeren Generationen angesehen werden unter der Voraussetzung, sie erfüllen die unentbehrlichen Anforderungen an Seriosität und Zielsetzung der Erziehung. Das ist der einzig mögliche Weg, wenn wir einen Reformprozess durchführen wollen, der die Gesamtstruktur des italienischen Schulwesens auch wirklich modernisiert und den Zeiten anpasst. 4. Während wir also einerseits nachdrücklich von den Verantwortlichen in der Politik und den Institutionen die konkrete Achtung des Rechts der Familien und Jugendlichen auf volle Freiheit bei der Wahl der Erziehungseinrichtung fordern, müssen wir unseren Blick mit nicht geringerem Mut und Aufrichtigkeit auch nach innen wenden. Damit können wir alle geeigneten Bemühungen und Formen von Zusammenarbeit erkennen und in die Tat umsetzen, die die Qualität der katholischen Schulen verbessern und eine weitere Einschränkung ihrer Präsenz in diesem Land vermeiden. Grundlegend sind in dieser Hinsicht die Solidarität und Sympathie der gesamten Gemeinschaft der Kirche, von den Diözesen bis zu den Pfarreien, von den Ordensinstituten bis zu den Laienverbänden und -bewegungen. Die katholische Schule gehört in der Tat mit vollem Recht zur Sendung der Kirche, so wie sie auch im Dienst des ganzen Landes steht. Es darf also keinen Bereich von Fremdsein oder gegenseitiger Gleichgültigkeit geben, so als ob das Leben und die Tätigkeit der Kirche eine Sache sei und die katholische Schule mit ihren Problemen eine andere. Ich freue mich deswegen sehr darüber, dass die italienische Kirche verschiedene Organe wie den Nationalrat der Katholischen Schule und das Studienzentrum für die Katholische Schule eingerichtet hat: Sie bringen sowohl die Fürsorge der Kirche für die katholische Schule als auch die Einheit dieser katholischen Schule und ihr Bemühen um eine konzeptionelle Reflektion zum Ausdruck. Konkret ist die Verwirklichung effektiver Formen der Verbindung zwischen Diözesen, Ordensgemeinschaften und katholischen Laienorganisationen, die im schulischen Bereich tätig sind, besonders wichtig. In vielen Fällen erscheint es nützlich oder sogar nötig, Initiativen, Erfahrungen und Ressourcen zusammenzulegen im Hinblick auf eine wohlgeordnete und weitsichtige Zusammenarbeit. Nur so können 867 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Überschneidungen und nutzlose Konkurrenz zwischen verschiedenen Einrichtungen vermieden werden. Diese Zusammenarbeit soll dagegen abzielen nicht nur auf die Sicherung des Verbleibs der katholischen Schule an den Orten, wo sie traditionell präsent ist, sondern auch darauf, Neugründungen zu ermöglichen, sowohl in den ärmeren Gegenden als auch in den für die Entwicklung des Landes entscheidenden Gebieten. 5. Die pädagogische Leistungsfähigkeit jeder schulischen Einrichtung hängt in hohem Maße von der menschlichen Qualität derer ab, die ihr angehören, und insbesondere von der Fachkompetenz und Hingabe der Lehrkräfte. Auch die katholische Schule, die sich hauptsächlich als Erziehungsgemeinschaft versteht, ist dieser Regel unterworfen. Ich wende mich deshalb mit Zuneigung, Dankbarkeit und Vertrauen in erster Linie an euch Lehrkräfte der katholischen Schulen, Ordensleute und Laien, die ihr oft unter schwierigen Bedingungen und mit zwangsweise geringen wirtschaftlichen Verdiensten arbeitet. Ich bitte euch, eurem Engagement immer eine „Seele“ zu geben - in der Gewissheit, dass ihr euch dadurch auf besondere Weise an der Sendung beteiligt, die Christus seinen Jüngern übertragen hat. Mit derselben Herzlichkeit wende ich mich an euch Schüler und an eure Familien, um euch zu sagen, dass die katholische Schule euch gehört. Sie ist für euch, sie ist euer Zuhause, und es war deshalb kein Fehlschritt, euch für sie zu entscheiden, sie zu lieben und zu unterstützen. Liebe, auf diesem Platz anwesende Freunde, und ihr alle, die ihr dieselben Absichten verfolgt, lasst uns diese Nationalversammlung beschließen mit einem demütigen Gebet zum Herrn und mit einer starken gegenseitigen Verpflichtung, damit die katholische Schule ihrer Berufung immer besser entspreche und ihr der Platz zuerkannt werde, der ihr im bürgerlichen Leben Italiens zusteht. Die selige Jungfrau Maria, Sitz der Weisheit und Stern der Evangelisierung, und alle Heiligen, die den Werdegang der christlichen Erziehung und der katholischen Schule geprägt haben, mögen eure Arbeit leiten und unterstützen. Mit Freude brüderliche Gastfreundschaft gewähren Brief an die Gläubigen in Rom an der Schwelle zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 vom 1. November Geliebte Brüder und Schwestern in Rom! 1. Nun sind wir dem Beginn des Großen Jubiläums bereits ganz nahe! Nach einer Zeit intensiver Vorbereitung gehen wir daran, die Schwelle zu dieser Zeit der Gnade und Vergebung zu überschreiten, in der wir mit Freude und Dankbarkeit die 2000 Jahre seit der Menschwerdung des Wortes feiern wollen. Dieses Ereignis, das die ganze Kirche betrifft, stellt Rom in den Mittelpunkt der Christenheit und macht es in besonderer Weise zur „Stadt auf dem Berg“ (vgl. Mt 868 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5,14), auf die alle Völker blicken. Hier ist der Stuhl Petri und seiner Nachfolger, hier ist das Herz der Gemeinschaft der Glaubenden, hier das Zentrum der Verbreitung des Evangeliums. Hier werden von allen Enden der Welt die Pilger herkom-men, um die Basiliken und Kirchen zu besuchen, die mit dem Gedächtnis der Apostel und der Märtyrer sowie dem immer währenden Zeugnis eines an Heiligkeit und Kultur fruchtbaren Glaubens verbunden sind. Eingegliedert in Christus als Erben der Apostel Petrus und Paulus, bilden die Christen der Stadt Rom den heiligen Bau, der den ruhmvollen Zeichen der Vergangenheit gegenwartsbezogenen und anziehenden Wert verleiht. Ich rufe daher einen jeden auf, diese Gnade, die der Herr unserer Stadt spendet, mit voller Verfügbarkeit und Großherzigkeit zu leben. Die Begebenheit des Zachäus, von der der Evangelist Lukas berichtet (vgl. Lk 19,1-10), erinnert an die Wunder, die die Begegnung mit Jesus im Leben des Menschen bewirkt, der ihm aus freien Stücken die Tür seines Hauses öffnet. Der Herr gibt ihm die Fähigkeit umzukehren und sich einzusetzen auf dem Weg der Gerechtigkeit und der Liebe zu den anderen. Die Freude, die Zachäus erfuhr, ist dieselbe, welche diejenigen verspüren, die Christus begegnen und mit neuem geistlichen Eifer seinen Fußstapfen folgen. Das ist die Erfahrung des Jubiläums: eine einzigartige Begegnung Jesu mit unserer Stadt. 2. Auf dieses außerordentliche Ereignis bereitet ihr euch schon seit langem vor. Insbesondere hat die vor kurzem abgeschlossene Stadtmission die Häuser, die Lebensumgebungen und vor allem die Herzen vieler Stadtbewohner für die Verkündigung Christi, des einzigen Erlösers der Welt, geöffnet. Es gilt mm, die mit der Mission erreichten Resultate zu festigen und die Menschen innerlich vorzubereiten, das Heilige Jahr mit Intensität des Glaubens und Liebe gemäß dem Evangelium zu feiern. Das Jubiläum ist für die Glaubenden eine gelegene Zeit, um aus einer gewohnheitsmäßigen Art, den Glauben zu leben, herauszutreten und die wahre Freundschaft mit dem Herrn wieder zu entdecken. Es ist die geeignete Zeit, um der Umkehr die Bedeutung eines klaren Bruchs mit der Sünde zu geben und die Freude der angenommenen, geschenkten Vergebung zu erfahren. Es ist die vornehmlich günstige Zeit, um in Pfarreien, Bewegungen und verschiedenen Gruppen die Gemeinschaft und Brüderlichkeit neu zu entdecken und Hindernisse wie Gleichgültigkeit, Entfremdung, Ablehnung gegenüber anderen auszuräumen, um eine echte Aussöhnung unter allen zu verwirklichen. Es ist noch und immer Zeit, um in jedem Herzen und überall die kraftvolle Botschaft aufzunehmen: „Gott liebt dich; er hat seinen Sohn Jesus Christus gesandt, um dich zu erlösen.“ 3. Als Jesus in der Synagoge von Nazaret zu seinen Mitbürgern sprach, stellte er das mit seiner Gegenwart eröffhete Gnadenjahr des Herrn in Zusammenhang mit der Verkündigung einer frohen Botschaft an die Armen, mit der Freilassung der 869 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gefangenen, mit der Gabe des Augenlichts für die Blinden sowie der Freiheit für die Unterdrückten (vgl. Lk 4,18-20). Damit machte er deutlich, dass Jubiläum feiern auch bedeutet, unser Herz für die Brüder und Schwestern zu öffnen, besonders für die allerärmsten und die am meisten leidenden. Getreu der Lehre ihres göttlichen Meisters und der Apostel hat die Kirche von Rom über Jahrhunderte hinweg leuchtende Seiten der Gastfreundschaft, besonders anlässlich der Jubiläen, mit konkreten und bleibenden Zeichen der Nächstenliebe geschrieben. Zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 ist Rom wiederum gerufen, den Pilgern, die zahlreich aus allen Teilen der Erde kommen werden, die vom Evangelium gewollte Gastfreundschaft zu bieten. Zu diesem Zweck werden das Heilige Jahr hindurch feierliche allgemeine Jubi-läums-Festveranstaltungen und eigene Begegnungs- und Gebetstreffen in den Pfarreien stattfinden. Die, welche aus anderen Ortskirchen hierher kommen, werden ermutigt heimreisen, wenn sie die Erfahrung machen konnten, dass der eine Glaube an Christus uns zu Vollmitgliedern einer einzigen kirchlichen Gemeinschaft werden lässt. Es ist daher wichtig, dass diese unsere Brüder bei ihrer Ankunft nicht nur eine Stadt vorfinden, die bereit ist, sie aufzunehmen, und in der Lage, ihnen erinnerungsträchtige Stätten des Glaubens und der Geschichte zu zeigen, sondern insbesondere eine Gemeinschaft, die das Evangelium lebt und konkrete Zeichen des obersten Liebesgebots Christi sichtbar werden lässt. 4. In dieser Sicht wende ich mich an euch alle, Söhne und Töchter dieser Kirche, deren Anfänge vom Blut der Apostel begossen wurden, und sage: „Christliches Rom, zögere nicht, die Türen deiner Häuser den Pilgern zu öffnen. Übe mit Freude brüderliche Gastfreundschaft, besonders während der Ereignisse, die von größerer Bedeutung und Tragweite sind wie der Weltjugendtag, der vom 15. bis 20. August 2000 auf dem Programm steht. Jede in Pfarreien, Instituten, Schulen sowie an jedem anderen Aufnahmeort vorhandene Struktur möge der Jugend zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Weise wirst du Stadt der Gastfreundschaft werden wie das freundliche Haus von Maria, Marta und Lazarus in Betanien, wo Jesus sich mit seinen Jüngern gerne aufhielt und Stärkung für Leib und Seele fand!“ Diese Einladung ist an die christlichen Familien gerichtet, dass sie dieselbe Freude erfahren, wie die, welche Jesus in Galiläa, in Samarien und in Judäa bei sich auf-nahmen; an die Pfarreien und die zahlreichen in der Diözese anwesenden Ordensgemeinschaften, dass sie den armen Pilgern volle, herzliche Aufnahme bieten; an die Institutionen und die vielen freiwilligen Helfer, dass sie bereit seien, auf die Bedürfnisse der Pilger zu antworten, und dass sie soweit wie möglich den Aufenthalt in Rom für alte, kranke und behinderte Menschen angenehm gestalten. 5. Brüder und Schwestern in Rom! Dieser Brief ist für jeden von euch. Während ich euch für eure Bereitwilligkeit danke, möchte ich euch von ganzem Herzen der Muttergottes im Himmel anvertrauen, damit das Große Jubiläum des Jahres 2000 870 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für euch eine tiefe geistliche Erfahrung und Anstoß zum Wachsen in brüderlicher Solidarität sei. Maria, die als erste das Wort des Vaters aufgenommen und es mit liebendem Glauben der ganzen Welt geschenkt hat; sie, die vom Geist bewegt, das Herz für das Wort aufschloss und ihr „Ja“ zum Willen des Vater sprach, möge den Einwohnern Roms helfen, mit bereitwilligem Geist die Tore weit aufzureißen für Christus, unseren Erlöser. Mit ihrem Mutterherzen möge sie zu denen sprechen, die gleichgültig sind oder einen Glauben ohne Werke und ohne Begeisterung leben; zu denen, die dem Evangelium femstehen oder gar in manchen Fällen gegen es eingestellt sind. Möge durch ihre Fürsprache diese unsere Stadt zur Protagonistin echten Glaubens und zur Baumeisterin der Zivilisation der Liebe werden. Die zahllosen Marienbildnisse, welche die Kirchen und Straßen der Stadt schmücken, bezeugen eine unablässige Verehmng der Römer für Maria. Zu ihr sage ich zusammen mit euch allen: „Jungfrau und Gottesmutter, segne die Stadt Rom und alle, die in ihr leben; beschütze die Kinder und die Jugendlichen, die Familien und die Pfarreien, die Kranken und Leidenden, die einsamen Menschen und alle, die ohne Hoffnung sind. Zeige allen Jesus, die gebenedeite Fracht deines Leibes, damit Er jeden Mann und jede Frau dieser Stadt in einen glaubwürdigen Zeugen der Hoffnung und des Friedens umwandle.“ Mit diesen Wünschen sende ich jedem von euch, geliebte Brüder und Schwestern, meinen Segen, damit der Herr auf die Fürsprache Marias, „Salus populi romani“, der Apostel Petras und Paulus und aller Heiligen in euch das Werk vollende, das er begonnen hat. Aus dem Vatikan, am 1. November 1999, Hochfest Allerheiligen Joannes Paulus PP. II Lebensweise und Umweltschutz — Schwerpunktthemen kirchlicher Soziallehre Botschaft an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden vom 4. November Exzellenzen, liebe Freunde! 1. Es war mir immer eine Freude, die Mitglieder des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden zusammen mit einigen ihrer Konsultoren anlässlich ihrer Vollversammlung zu empfangen. Dieses Jahr aber fällt das Zusammentreffen mit meinem Apostolischen Besuch in Indien zusammen und macht es mir unmöglich. Euer Präsident, Erzbischof Francis Xavier Van Thuan, hat mich jedoch über das Pro- 871 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gramm eurer Versammlung informiert, und mit dieser Botschaft möchte ich euch grüßen und Gottes Segen auf eure Arbeit herabrufen. Im Lauf seiner langen Geschichte hat der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden eine bedeutende Rolle in der Förderung der Soziallehre der Kirche gespielt. Auf den Antrag des II. Vatikanischen Konzils hin gegründet, ist er berufen, dem ganzen Gottesvolk eine umfassendere Kenntnis der Rolle zu vermitteln, die es zugunsten der Weiterentwicklung der Menschheitsfamilie, besonders ihrer ärmeren Mitglieder, spielen und konkret im Streben nach sozialer Gerechtigkeit unter Völkern und Nationen zum Ausdruck bringen soll (vgl. Motu proprio, 6. Januar 1967). Sein Aufgabenbereich war immer, und ist mehr denn je, global. Am Vorabend des Großen Jubiläums zeigt ihr euch entschlossen, dieser Sendung treu zu bleiben. 2. Die jüngsten Bemühungen des Päpstlichen Rates um eine weiter verbreitete Kenntnis der Soziallehre der Kirche zielten darauf hin, den Verantwortlichen im kirchlichen wie im zivilen Bereich ihre Pflicht zur Förderung der Würde der menschlichen Person immer mehr bewusst zu machen. Es wurden diesbezüglich Fragen angeschnitten, wie die Beseitigung extremer Armut und die Förderung eines tatsächlichen Zugangs zu den Menschenrechten. Ihr habt diese Fragen mit Erfolg unmittelbar in verschiedene Teile der Welt gebracht, Ihr führtet Seminare über die Soziallehre der Kirche in jeweils spezifischem Kontext durch und suchtet dabei die Hilfe der Ortskirchen. Da ihr dies in Afrika, in Asien und in Lateinamerika tatet, habt ihr ganz den Geist des Großen Jubiläums zum Ausdruck gebracht, das ja eine Zeit zur Befreiung und zur Wiederherstellung von Recht und Billigkeit und Frieden unter den Völkern sein soll (vgl. Lev 25). Ihr habt es im Geist des Evangeliums getan, denn wahre Freiheit, Gerechtigkeit und Friede sind Geschenke eines liebenden Gottes, der die Mitarbeit derer sucht, die er in Liebe erschaffen hat. Ich ermutige euch in euren Bemühungen, unter den Gläubigen die Praxis der Soziallehre der Kirche zu einer immer tiefer empfundenen Verpflichtung zu machen. Im gleichen Geist habt ihr in regionalen und internationalen Diskussionskreisen Bemühungen unterstützt und vorangebracht, um den ärmsten Ländern zu helfen, sich von der Schuldenlast und der bedrückenden Unterentwicklung frei zu machen. Ebenso unterstütztet ihr Bestrebungen, internationale Konflikte zu beenden. 3. Im vorigen Jahr betraute ich den Päpstlichen Rat mit der Aufgabe, „ein Kompendium oder eine approbierte Synthese der kirchlichen Soziallehre“ zu erarbeiten, woraus die Verbindung zwischen dieser und der Neuevangelisierung ersichtlich würde (Ecclesia in America, Nr. 54). Ein solches Dokument wird den Mitgliedern der Kirche helfen, die Bedeutung dieser Lehre besser zu verstehen. Das Jubiläum bietet eine ausgezeichnete Gelegenheit zu einer solchen Publikation. Gerade zum Begriff des Jubiläums als Gedächtnis der Geburt Jesu gehört es, den Armen die Frohe Botschaft zu verkünden, die Unterdrückten zu befreien und die Blinden sehend zu machen (vgl. Mt 11,4—5; Lk 7,22). Schulden sollen erlassen und Land soll zurückgegeben werden (Lev 25,8-28). Probleme, die der Päpstliche Rat 872 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in den Jahren der Vorbereitung auf dieses große Ereignis tatsächlich aufgegriffen hat. 4. Bei dieser Vollversammlung werdet ihr über die augenblickliche Krise der Umwelt im Licht der Soziallehre der Kirche nachdenken. Die Umweltfrage steht in engem Zusammenhang mit anderen wichtigen sozialen Fragen, denn die Umwelt umschließt ja alles um uns her und alles, wovon das menschliche Leben abhängt. Daher ist es von Bedeutung, die Frage richtig anzugehen. In dieser Hinsicht kann uns, wenn wir die biblischen Grundlagen unserer Sorge für die geschaffene Welt überdenken, die Verpflichtung klar werden, eine einwandfreie, gesunde Umwelt zu fördern. Ein anderer schwieriger Aspekt der Umweltfrage ist die Nutzung der Ressourcen der Erde. Eine Untersuchung dieses komplexen Problems geht an den Kernpunkt der Ordnung unserer modernen Gesellschaft. Wenn wir im Licht der Heiligen Schrift und der Soziallehre der Kirche über die Umwelt nachdenken, kommen wir nicht umhin, gerade die Frage nach dem Lebensstil, den die moderne Gesellschaft fordert, und insbesondere die Frage nach der ungleichen Verteilung der Güter des Fortschritts zu stellen. Der Päpstliche Rat wird der Kirche und durch die Kirche der ganzen Menschheit einen wertvollen Dienst erweisen, wenn er ein tieferes Verständnis für die Verpflichtung fordert, daran zu arbeiten, dass es Menschen möglich gemacht wird, mit mehr unparteilicher Gerechtigkeit die Ressourcen der Schöpfung Gottes miteinander zu teilen. 5. Anlässlich eurer Begegnung rufe ich mit Freude den Segen Gottes auf alle Mitglieder und Konsultoren des Rates herab. Ich danke euch für all die bedeutende Hilfe, die ihr dem Hl. Stuhl leistet durch euer besonderes Können und eure vielfältige Erfahrung in vielen Teilen der Welt. Die Gnade und der Friede des Herrn Jesus Christus sei mit euch und euren Familienmitgliedern! Mit meinem Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 4. November 1999 Joannes Paulus PP. II 873 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ECCLESIA INASIA Nachsynodales Apostolisches Schreiben an die Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und alle Laiengläubigen über Jesus Christus, den Erlöser, und seine Sendung der Liebe und des Dienstes in Asien: damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10) vom 6. November EINLEITUNG Die Wunder des göttlichen Planes in Asien 1. Die Kirche in Asien preist „Gott, der uns Rettung bringt“ (Ps 68,21), denn er hat asiatischen Boden gewählt, um durch Männer und Frauen dieses Kontinents die Verwirklichung seines Heilsplans einzuleiten. In Asien nämlich nahm die Offenbarung und Erfüllung des göttlichen Erlösungsplanes ihren Anfang. Gott führte die Patriarchen (vgl. Gen 12) und berief Mose, sein Volk aus der Sklaverei zu befreien (vgl. Ex 3,10). Durch zahlreiche Propheten, Richter, Könige und unerschrockene Frauen des Glaubens sprach er zu seinem auserwählten Volk. „Als aber die Zeit erfüllt war“ (Gal 4,4), sandte er seinen eingeborenen Sohn, Jesus Christus, den Erlöser, der als Asiate zur Welt kam! Voll Freude über die Hochherzigkeit der Menschen des Kontinents, ihre Kulturen und religiöse Vitalität und gleichzeitig im Bewusstsein der Einzigartigkeit des für das Wohl aller empfangenen Geschenks des Glaubens, verkündet die Kirche in Asien ohne Unterlass: „Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig“ (Ps 118,1). Weil nun Jesus im Heiligen Land zur Welt kam, dort lebte, starb und auferstand, wurde dieser kleine Teil Westasiens Boden der Verheißung und Hoffnung für die gesamte Menschheit. Jesus kannte und liebte dieses Land, machte sich die Geschichte, die Nöte und Hoffnungen jenes Volkes zu eigen; er liebte die Menschen, übernahm die Traditionen und das jüdische Erbe. In frühester Zeit hat Gott bereits dieses Volk auserwählt und sich ihm zur Vorbereitung auf das Kommen des Erlösers offenbart. Als Verkünderin des Evangeliums und gestärkt durch die Macht des Heiligen Geistes zog die Kirche von diesem Land hinaus in alle Welt: „um alle Völker zu meinen Jüngern zu machen“ (vgl. Mt 28,19). Zusammen mit der überall verbreiteten kirchlichen Gemeinschaft wird die Kirche in Asien die Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends überschreiten und voll Staunen auf das schauen, was Gott von Anfang an bis heute geschaffen hat, gestärkt durch das Bewusstsein, dass, „wie im ersten Jahrtausend das Kreuz auf dem Boden Europas gepflanzt wurde und im zweiten Jahrtausend auf dem Amerikas und Afrikas, wir beten [können], daß im dritten Jahrtausend eine große Glaubensemte auf diesem ausgedehnten und so lebendigen Kontinent reifen möge“. <364> Johannes Paul II., Ansprache an die sechste Vollversammlung der Föderation Asiatischer Bischofskonferenzen (FABC), Manila(15. Januar 1995), 11:InsegnamentiXVlll,\ (1995), 159; O.R. dt. 1995,Nr. 6, S. 7 ff. l 874 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Vorbereitung der Sonderversammlung 2. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich im Hinblick auf das dritte christliche Jahrtausend ein auf die Herausfordemngen der Neuevangelisierung konzentriertes Programm für die Kirche Umrissen. Ein wesentliches Element dieses Plans war die Einberufung von Kontinentalsynoden, die den Bischöfen Gelegenheit geben sollten, die Frage der Evangelisierung entsprechend den jeweiligen lokalen Situationen und den Anforderungen jedes Erdteils zu erörtern. Diese durch das gemeinsame Thema der Evangelisierung verbundene Reihe von Synoden erwies sich als wichtiger Beitrag zur Vorbereitung der Kirche auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. Im Hinblick auf die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien betonte ich in dem gleichen Schreiben, dass in jenem Teil der Welt „die Frage der Begegnung des Christentums mit den ältesten Kulturen und Lokalreligionen am ausgeprägtesten ist. Das ist eine große Herausforderung für die Evangelisierung, daß religiöse Systeme wie der Buddhismus oder der Hinduismus mit einem klaren Erlösungscharakter auftreten“. <365> Es ist wirklich merkwürdig, dass der in Asien geborene Erlöser der Welt bis heute den Menschen eben dieses Kontinents weitgehend unbekannt geblieben ist. Die Synode war eine willkommene Gelegenheit für die Kirche in Asien, um über dieses Rätsel nachzudenken und den Einsatz für ihre Sendung, Jesus Christus allen näher zu bringen, erneut zu bekräftigen. Zwei Monate nach der Veröffentlichung von Tertio millennio adveniente erinnerte ich in meiner Ansprache an die sechste Vollversammlung der Föderation katholischer Bischofskonferenzen Asiens in Manila, auf den Philippinen, anlässlich des unvergesslichen zehnten Weltjugendtags die Bischöfe daran: „Wenn die Kirche in Asien die ihr von der Vorsehung zugedachte Aufgabe erfüllen soll, dann muß die Evangelisiemng als freudige, geduldige und fortgesetzte Verkündigung des Erlösungswerks des Todes und der Auferstehung Jesu Christi eure absolute Priorität sein.“ <366> Während der Vorbereitungsphase zeigte sich die positive Einstellung der Bischöfe und Teilkirchen zum Vorschlag der Einberufung einer Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien. In jeder Phase brachten sie in aller Offenheit und eingehender Kenntnis ihres Kontinents Wünsche und Ansichten zum Ausdruck im vollen Bewusstsein jener Bande der Einheit, die sie mit der Weltkirche verbinden. Dem anfänglichen Konzept der Tertio millennio adveniente und den Vorschlägen des vorsynodalen Rates entsprechend, der die Meinungen der Bischöfe und Teilkirchen des asiatischen Kontinents erwogen hatte, habe ich folgendes Thema für die Synode gewählt: Jesus Christus, der Erlöser, und seine Sendung der Liebe und des Dienstes in Asien: „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Es war meine Hoffnung, dass durch diese besondere Formulierung des Themas die Synode „die Wahrheit über Christus als einzigen Mittler zwischen Gott <365> Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, 10. November 1994, Nr. 38: AAS 87(1995)30. <366> Nr. 11: Insegnamenti XVIII, 1 (1995) 159; O.R. dt. 1995, Nr. 6, S. 7 ff. 875 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und den Menschen und einzigen Erlöser der Welt erläutern und vertiefen würde, indem sie ihn klar von den Stiftern anderer großer Religionen unterscheidet“. <367> Während wir uns dem Großen Jubiläum nähern, muss die Kirche in Asien fähig sein, mit neuem Eifer zu sagen: Ecce natus est nobis Salvator mundi - „Der Erlöser der Welt wurde für uns - in Asien - geboren.“ <367> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertia millennio adveniente, 10. November 1994, Nr. 38: AAS 87(1995)30. Die Durchführung der Sonderversammlung 3. Mit Gottes Gnade tagte die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien vom 18. April bis zum 14. Mai 1998 im Vatikan, nach der Afrikasynode von 1994 und der Amerikasynode von 1997, aber vor der Sonderversammlung für Ozeanien, die Ende 1998 stattfand. Fast einen Monat lang waren die um den Nachfolger Petri versammelten und das Geschenk der hierarchischen Gemeinschaft teilenden Synodenväter und die anderen Synodenteilnehmer Stimme und Antlitz der Kirche in Asien. Wohl kaum kann bezweifelt werden, dass es eine Zeit der Gnade war! <368> Frühere Versammlungen der asiatischen Bischöfe hatten zur Vorbereitung der Synode beigetragen und ein Klima intensiver kirchlicher und brüderlicher Gemeinschaft geschaffen. Diesem Zweck dienten vor allem frühere Vollversammlungen und die von der Föderation asiatischer katholischer Bischofskonferenzen und ihren Dienststellen geforderten Seminarveranstaltungen, die in regelmäßigen Abständen zahlreiche Bischöfe Asiens zur Festigung ihrer Bande und Beziehungen des Dienstes Zusammenkommen ließen. Mit Freude habe ich an einigen dieser Treffen teilnehmen und gelegentlich auch bei den jeweiligen feierlichen Eröffnungs- und Abschlussmessen als Flauptzelebrant füngieren können. Bei diesen Gelegenheiten konnte ich die Begegnungen im Dialog zwischen den Flirten der verschiedenen Teilkirchen, einschließlich der orientalischen, miterleben. Diese und andere regionale Versammlungen der asiatischen Bischöfe waren ein willkommener Beitrag für die zukünftige Vorbereitung der Synodenversammlung. <368> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Abschlussbotschaft, Nr. 2. Der eigentliche Synodenprozess bestätigte die Bedeutung des Dialogs als kennzeichnende Eigenschaft des kirchlichen Lebens in Asien. Ein aufrichtiges und ehrliches Teilen von Erfahrungen, Ideen und Vorschlägen erwies sich als ein Weg echter geistlicher Begegnung, als Weg zu jener Gemeinschaft des Geistes und des Herzens, die in der Liebe die Verschiedenheiten achtet und sie überwindet. Ganz besonders bewegend war die Begegnung zwischen den neuen und den alten Kirchen, deren Ursprung auf die Apostel zurückgeht. Mit unermesslicher Freude sahen wir die Hirten der Teilkirchen in Myanmar, Vietnam, Laos, Kambodscha, in der Mongolei, in Sibirien und den neuen zentralasiatischen Republiken an der Seite ihrer Brüder, die seit langem die Begegnung und den Dialog mit ihnen suchten. Bedauerlich war jedoch die Tatsache, dass die Bischöfe der Volksrepublik China nicht anwesend sein konnten. Ihr Fehlen wurde zu einer ständigen Erinnerung an 876 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die heroischen Opfer und Leiden, welche die Kirche in vielen Teilen Asiens weiterhin auf sich nimmt. Die Begegnung im Dialog zwischen den Bischöfen und dem Nachfolger Petri, dem die Aufgabe anvertraut ist, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), dient dazu, sie im Glauben und in der Sendung zu festigen. Tag für Tag waren die Synodenaula und die Versammlungsräume erfüllt vom Zeugnis tiefen Glaubens, aufopfernder Liebe, unerschütterlicher Hoffnung, lang erprobter Einsatzbereitschaft, beharrlichen Mutes, barmherziger Vergebung. In den verschiedenen Beiträgen kam die Wahrheit der Worte Jesu deutlich zum Ausdruck: „Ich bin bei euch alle Tage“ (Mt 28,20). Die Synode war eine Zeit der Gnade, eine Begegnung mit dem Erlöser, der immer gegenwärtig ist in seiner Kirche durch die Kraft des Heiligen Geistes, die wir im brüderlichen Dialog des Lebens, der Gemeinschaft und der Sendung erfahren. Die Früchte der Sonderversammlung teilen 4. Durch dieses nachsynodale Schreiben möchte ich mit der in Asien und in der ganzen Welt gegenwärtigen Kirche die Früchte der Sonderversammlung teilen. Das Dokument will eine Darlegung der reichen Früchte der Synode sein, jenes großen geistlichen Ereignisses bischöflicher Gemeinschaft und Kollegialität zur Erinnerung an die Entstehung des Christentums in Asien. Die Synodenväter sprachen von der ersten christlichen Gemeinde, der Urkirche, der kleinen Herde Jesu auf diesem enormen Kontinent (vgl. Lk 2,32). Sie erinnerten an das, was die Kirche von Anfang an empfangen und gehört hatte (vgl. Offb 3,3) und priesen die nie versiegende „große Güte“ Gottes (Ps 145,7). Die Synode war auch eine Gelegenheit zur Anerkennung alter religiöser Traditionen und Kulturen, der tiefgründigen Philosophien und Weisheiten, die das heutige Asien geformt haben. Vor allem wurde von den asiatischen Völkern selbst, dem wahren Reichtum des Kontinents und der Hoffnung für die Zukunft, gesprochen. Diejenigen unter uns, die an der Synode teilgenommen haben, waren Zeugen einer ausgesprochen fruchtbaren Begegnung zwischen alten und neuen Kulturen und Zivilisationen Asiens, wundervoll anzusehen in ihren Verschiedenheiten und Übereinstimmungen, insbesondere wenn Symbole, Gesang, Tanz und Farben in harmonischer Eintracht an der einen Mensa des Herrn bei der eucharistischen Eröffnungs- und Abschlussfeier zusammentrafen. Die Synode war keineswegs ein von Stolz über erzielte menschlichen Erfolge motivierter Anlass, sondern vielmehr ein Ereignis im Bewusstsein dessen, was der Allmächtige für die Kirche in Asien getan hat (vgl. Lk 1,49). Die Erinnerung an die bescheidenen Umstände der katholischen Gemeinschaft und die Schwachheit ihrer Mitglieder ließ die Synode auch zu einem Ruf nach Erneuerung werden, damit die Kirche in Asien jener Gnaden stets würdiger werde, die Gott ihr immerfort schenkt. Die Synode war nicht nur feierliches Ereignis und Erinnerung, sondern auch tiefe Zustimmung zum Glauben an Jesus Christus, den Erlöser. Als Ausdruck ihrer Dankbarkeit für das Geschenk des Glaubens gaben die Synodenväter diesem ihre 877 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unverkürzte Zustimmung und dachten über den Kontext nach, in dem er im heutigen Asien verkündet und bezeugt werden muss. Häufig betonten sie, dass trotz großer Schwierigkeiten der Glaube vielfach schon heute voll Zuversicht und Mut auf dem asiatischen Kontinent verkündet wird. Im Namen vieler Millionen Menschen in Asien, die nur ihm, dem Herrn, vertrauen, bekannten die Synodenväter: „Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes“ (Joh 6,69). Angesichts zahlreicher schmerzlicher, mit Leiden, Gewalt, Diskriminierung und Armut verbundener Situationen, von denen die Bevölkerung Asiens weitgehend betroffen ist, haben sie gebetet: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ (Mk 9,24). Im Jahre 1995 forderte ich die in Manila versammelten asiatischen Bischöfe auf, „die Türen und Tore Asiens weit für Christus zu öffnen“. <369> Im Vertrauen auf das Geheimnis der Gemeinschaft mit unzähligen, oft unbekannten Märtyrern des Glaubens in Asien und durch die immerwährende Präsenz des Heiligen Geistes in der Hoffnung bestärkt, richteten die Synodenväter einen mutigen Aufruf an die Jünger Christi in Asien und forderten sie zu neuem missionarischen Einsatz auf. Während der Synodenversammlung legten die Bischöfe ebenso wie andere Teilnehmer Zeugnis ab von jener prägenden Kraft, jenem geistlichen Feuer und Eifer, die Asien im kommenden Jahrtausend sicher zu einem Kontinent der überreichen Ernte machen werden. <369> Ansprache an die sechste Vollversammlung der Föderation Asiatischer Bischofskonferenzen (FABC), Manila (15. Januar 1995), Nr. 10: Insegnamenti XVm,l (1995), 159; O.R. dt 1995, Nr. 6, S. 7 ff. KAPITEL I Der asiatische Kontext Asien, Geburtsort Christi und der Kirche 5. Die Menschwerdung des Gottessohnes, deren Gedächtnis die gesamte Kirche mit dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 feiern wird, ereignete sich in einem bestimmten historischen und geographischen Kontext, der das Leben und die Sendung des menschgewordenen Erlösers wesentlich beeinflusst hat. „Gott hat in Jesus Christus die der menschlichen Natur eigenen Wesensmerkmale angenommen, die notwendige Zugehörigkeit des Menschen zu einem bestimmten Volk und einem bestimmten Land eingeschlossen. Die physische Konkretheit des Landes und seine geographischen Koordinaten werden eins mit der Wahrheit des menschlichen Fleisches, das vom Wort angenommen wurde.“ <370> Folglich ist die Kenntnis der Welt, in der der Erlöser „unter uns gewohnt hat“ (vgl. Joh 1,14), ein wichtiger Schlüssel für ein genaueres Verständnis des vom ewigen Vater entworfenen Planes und seiner grenzenlosen Liebe zu jedem seiner Geschöpfe: „Denn Gott hat die <370> Johannes Paul II., Brief über die Pilgerfahrt zu den Stätten, die mit der Heilsgeschichte verbunden sind (29. Juni 1999), Nr. 3: L'OsservatoreRomano, 30. Juni-1. Juli 1999, S. 8; O.R. dt. 1999,Nr. 28, S. 7 ff. 878 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Auf gleiche Art und Weise lebt und erfüllt die Kirche ihre Sendung in konkreten zeitlichen und räumlichen Situationen. Wenn das Volk Gottes in Asien durch die Neuevangelisierung dem göttlichen Willen ihm gegenüber entsprechen will, muss es sich der komplexen Wirklichkeit dieses Kontinents zutiefst bewusst sein. Die Synodenväter haben hervorgehoben, dass die Sendung der Liebe und des Dienstes der Kirche in Asien von zwei Faktoren bestimmt wird: einerseits das Bewusstsein ihrer Rolle als eine um die Hirten versammelte Gemeinschaft der Jünger Jesu Christi; andererseits die auf dem riesigen asiatischen Kontinent extrem unterschiedlichen gesellschaftlichen, politischen, religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Realitäten, <371> die im Verlauf der Synode eingehend von denen untersucht wurden, die täglich damit in Berührung kommen. Folgendes ist eine synthetische Darlegung der während der Synode herangereiften Ergebnisse. Vgl. Propositio 3. Religiöse und kulturelle Realitäten 6. Asien ist der größte Kontinent der Erde, auf dem etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung leben, während sich auf China und Indien allein fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung konzentriert. Auffallend ist in Asien vor allem die Verschiedenartigkeit seiner Völker, „Erben alter Kulturen, Religionen und Traditionen“. <372> Aber auch die enorme zahlenmäßige Größe der Bevölkerung Asiens ist unweigerlich beeindruckend, ebenso das bunte Mosaik seiner vielen Kulturen, Sprachen, Überzeugungen und Traditionen — zweifellos ein wesentlicher Teil der Geschichte und des Erbgutes der menschlichen Familie. Propositio 1. Asien ist auch die Wiege der großen Weltreligionen wie Judentum, Christentum, Islam und Hinduismus. Hier entstanden viele weitere spirituelle Traditionen, wie Buddhismus, Taoismus, Konfuzianismus, Parsismus, Jainismus, Sikh und Shin-toismus. Außerdem sind Millionen von Menschen Anhänger traditioneller oder Stammesreligionen auf unterschiedlicher Stufe, was Riten, Strukturen und formelle religiöse Unterweisung angeht. Die Kirche begegnet diesen Traditionen mit größter Hochachtung und bemüht sich um einen aufrichtigen Dialog mit deren Anhängern. Die von ihnen gelehrten religiösen Werte erwarten ihre Erfüllung in Jesus Christus. Die Bevölkerung Asiens ist stolz auf ihre religiösen und charakteristischen kulturellen Werte, wie beispielsweise die Liebe zur Stille und Kontemplation, Einfachheit, Harmonie, Loslösung, Gewaltlosigkeit, der Sinn für harte Arbeit, Disziplin, Genügsamkeit, der Drang nach Wissen und philosophischer Erkenntnis. <373> Hochgeachtet sind Werte wie Achtung vor dem Leben, Mitgefühl für alle Lebewesen, Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Lineamenta, Nr. 3. 9 10 879 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Naturverbundenheit, respektvolle Haltung der Kinder gegenüber den Eltern, alten Menschen, den Vorfahren sowie ein ausgeprägter Gemeinschaftsgeist. <374> Insbesondere betrachtet man die Familie als unerlässliche Quelle der Kraft, als engverbundene, von starkem Solidaritätsgeist gekennzeichnete Gemeinschaft. <375> Die Völker Asiens sind bekannt für die religiöse Toleranz und den Geist friedlicher Koexistenz. Ohne Spannungen und harte Konflikte leugnen zu wollen, kann dennoch gesagt werden, dass Asien oft eine große Anpassungsfähigkeit und eine natürliche Offenheit für die gegenseitige Bereicherung der Völker in einer Vielfalt von Religionen und Kulturen bewiesen hat. Darüber hinaus zeigen die Religionen Asiens trotz der Beeinflussung durch Modernisierung und Verweltlichung eine große Vitalität und Emeuerungsfahigkeit, wie die Reformbewegungen innerhalb der verschiedenen Religionsgruppen beweisen. Viele, insbesondere unter den Jugendlichen, zeigen ein tiefes Verlangen nach spirituellen Werten, was das Aufkommen neuer religiöser Bewegungen deutlich macht. <374> Vgl. ebd. <375> Vgl. Propositio 32. All das ist Ausdruck einer das asiatische Wesen kennzeichnenden natürlichen spirituellen Eingebung und moralischen Weisheit, jener Kem, um den sich das wachsende Bewusstsein bildet, „Asiaten“ zu sein. Dieses Bewusstsein lässt sich weniger durch Gegensätzlichkeit oder Opposition finden und festigen als vielmehr durch Komplementarität und Harmonie. In einem solchen Rahmen der Komplementarität und Harmonie kann die Kirche das Evangelium auf eine Art und Weise verkünden, die sowohl der ihr eigenen Tradition als auch dem asiatischen Wesen entspricht. Wirtschaftliche und soziale Realitäten 7. Im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung sind die jeweiligen Bedingungen auf dem asiatischen Kontinent sehr unterschiedlich und entgehen jeder vereinfachenden Klassifizierung. Einige Länder sind hochentwickelt, andere fördern ihre Entwicklung durch angemessene wirtschaftspolitische Strategien, während wiederum andere noch immer in tiefster Armut leben und zweifellos zu den weltweit ärmsten Nationen gehören. Dieser Entwicklungsprozess fuhrt insbesondere in städtischen Gebieten zu Materialismus und Säkularisierung. Diese die traditionellen, gesellschaftlichen und religiösen Werte bedrohenden Ideologien können den asiatischen Kulturen unermesslichen Schaden zufügen. Die Synodenväter haben von dem raschen Wandel der asiatischen Gesellschaften und seinen positiven und negativen Aspekten gesprochen, wie beispielsweise über das Phänomen der Landflucht und das Heranwachsen riesiger Städte, oft mit ausgedehnten rückständigen Gebieten, wo organisiertes Bandentum, Terrorismus, Prostitution und die Ausbeutung der schwächsten gesellschaftlichen Gruppierungen dominieren. Auffallend ist auch ein weiteres soziales Phänomen, die Emigration, welche Millionen von Menschen in wirtschaftliche, kulturelle und moralische Schwierigkeiten bringt. Verantwortlich für die interne oder auch externe Emigra- 880 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tion sind unter anderem Armut, Krieg, ethnische Konflikte, Verweigerung von Menschenrechten und Grundfreiheiten. Das Entstehen riesiger Industriekomplexe ist eine weitere Ursache der Migration, sowohl der Binnen- als auch der Auslandsmigration, mit verheerenden Auswirkungen auf das Familienleben und dessen grundlegende Werte. Erwähnt wurde auch der Bau von Atomkraftwerken, die insbesondere unter dem Aspekt von Kosten und Leistungsfähigkeit gesehen werden, denen aber im Hinblick auf Sicherheit und Umweltschutz nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Tourismus ist ein weiterer Bereich, der ganz besondere Beachtung erfordert. Obwohl es sich um einen durchaus legitimen Gewerbezweig mit eigenen kulturellen und bildungsmäßigen Werten handelt, hat der Tourismus in manchen Fällen einen in moralischer und physischer Hinsicht verheerenden Einfluss auf die Physiognomie zahlreicher asiatischer Länder, wie die Entwürdigung von jungen Frauen und auch von Kindern durch Prostitution beweist. <376> Die Seelsorge für Emigranten und Touristen ist eine schwierige und komplexe Aufgabe vor allem in Asien, wo es an geeigneten Strukturen für diesen Zweck fehlt. Auf allen Ebenen muss die pastorale Arbeit diese Realitäten berücksichtigen. Keineswegs dürfen wir die Emigranten der orientalischen katholischen Kirchen vergessen, die eine ihren eigenen Traditionen entsprechende Seelsorge benötigen. <377> <376> Vgl. Bischofssynode, Sünderversammlung für Asien, Instrumentum laboris, Nr. 9. <377> Vgl. Propositiones 36, 50. Verschiedene Länder Asiens haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die mit dem raschen Bevölkerungswachstum verbunden sind, was „nicht lediglich ein demographisches oder wirtschaftliches, sondern vielmehr ein moralisches Problem ist“. <378> Zweifellos steht die Bevölkerungsfrage in unmittelbarem Zusammenhang mit der menschlichen Entwicklung, aber viele irrige Lösungen bedrohen die Würde und Unantastbarkeit des Lebens und sind somit eine ganz besondere Herausforderung für die Kirche in Asien. Erwähnenswert ist an dieser Stelle vielleicht der Beitrag der Kirche zur Verteidigung und Förderung des Lebens durch den Einsatz im Bereich des Gesundheitswesens, auf dem Sektor der sozialen Entwicklung, der Erziehung und Bildung, und ihre besondere Hinwendung zu den Armen. Wie angemessen war doch die hohe Wertschätzung für Mutter Theresa von Kalkutta, „deren Namen und selbstloser Einsatz für die Ärmsten der Armen in der ganzen Welt berühmt war“. <379> Sie war und ist ein Vorbild für den Dienst am Leben, den die Kirche dem asiatischen Kontinent anbietet, in mutigem Gegensatz zu den zahlreichen zwielichtigen in der Gesellschaft wirkenden Kräften. <378> Propositio 44. <379> Propositio 21. Verschiedene Synodenväter haben die von außen auf die asiatischen Kulturen einwirkenden Einflüsse hervorgehoben. Neue Verhaltensformen kommen auf, die auf den übertriebenen Gebrauch von Kommunikationsmitteln und ganz allgemein von Literatur, Musik und Film zurückzuführen sind, die sich überall auf dem Kontinent 881 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ausbreiten. Ohne die zweifellos positiven Aspekte der Massenkommunikationsmittel bestreiten zu wollen, <380> kann jedoch ihr oft negativer Einfluss nicht übersehen werden. Die positiven Auswirkungen werden zuweilen zunichte gemacht, wenn diese Mittel von denjenigen kontrolliert und eingesetzt werden, die zweifelhafte politische, wirtschaftliche und ideologische Interessen vertreten. In direkter Folge sind die negativen Aspekte der Medien- und Unterhaltungsindustrie eine Gefahr für die traditionellen Werte, insbesondere die Heiligkeit der Ehe und die Stabilität der Familie. Die Wirkung, die durch die Darstellung von Gewalt, Hedonismus, zügellosem Individualismus und Materialismus erzielt wird, „treffen das Herz der asiatischen Kulturen, den religiösen Charakter von Personen, Familien und ganzen Gesellschaften“. <381> Diese Situation ist eine große Herausforderung für die Kirche und die Verkündigung ihrer Botschaft. <380> Vgl. Propositio 45. <381> Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Iiistrumentum laboris, Nr. 9. Die anhaltende Realität der Armut und der Ausbeutung der Menschen ist ein drängendes und besorgniserregendes Problem. In Asien leben Millionen von Menschen in einem Zustand ständiger Unterdrückung; seit Jahrhunderten fuhren sie in wirtschaftlicher, kultureller und politischer Hinsicht ein Dasein am Rande der Gesellschaft. <382> Im Hinblick auf die Stellung der Frau in den asiatischen Gesellschaften stellten die Synodenväter fest, dass, „obwohl das zunehmende Bewusstsein der Frauen bezüglich ihrer Würde und Rechte eines der bedeutendsten Zeichen unserer Zeit ist, ihre Armut und ihre Ausnutzung in ganz Asien ein ernstes Problem bleibt“. <383> <384> Analphabetentum ist unter Frauen wesentlich weiter verbreitet als unter Männern; Mädchen werden weitaus häufiger abgetrieben oder sofort nach der Geburt getötet. Ferner leben Millionen von Indigenen und Stammesvölkem in vollkommener gesellschaftlicher, kultureller und politischer Isolation gegenüber der dominierenden Bevölkerung.2'Trostspendend war die Versicherung der bei der Synode anwesenden Bischöfe, dass in verschiedenen Fällen diesen Problemen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene wachsende Aufmerksamkeit geschenkt wird und die Kirche aktiv versucht, dieser ernsten Situation entgegenzuwirken. <382> Vgl. Propositio 39. <383> Propositio 35. <384> Vgl. Propositio 38. Die Synodenväter betonten, dass die notwendigerweise knappe Reflexion über die Aspekte der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realitäten Asiens ohne die Berücksichtigung des starken Wirtschaftswachstums zahlreicher asiatischer Gesellschaften in den vergangenen Jahrzehnten nicht vollständig sein könne: Tag für Tag wächst eine neue Generation von Facharbeitern, Wissenschaftlern und Technikern heran, deren große Anzahl vielversprechend ist für die Entwicklung Asiens. Dennoch ist nicht alles sicher und beständig in diesem Prozess, was die jüngsten, umfangreichen Finanzkrisen deutlich gezeigt haben, von denen viele Länder des Kon- 882 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tinents betroffen waren. Die Zukunft Asiens liegt in der Kooperation, sowohl innerhalb des Kontinents wie auch mit außerasiatischen Nationen, die jedoch stets auf dem aufbauen muss, was die Völker Asiens selbst für ihre eigene Entwicklung leisten. Politische Realitäten 8. Stets braucht die Kirche eine genaue Vorstellung von der politischen Situation der verschiedenen Länder, in denen sie ihre Sendung versieht. Heute ist das politische Panorama in Asien von überaus komplexer Natur mit zahlreichen verschiedenen Ideologien, die Regierungsformen von der Demokratie bis zur Theokratie inspirieren. Bedauerlicherweise sind auch Militärdiktaturen und atheistische Ideologien vertreten. Einige Länder haben eine offizielle Staatsreligion, die Minderheiten und Anhängern anderer Religionen wenig oder überhaupt keine Religionsfreiheit einräumt. Andere, zwar nicht ausgesprochen theokratische Staaten, degradieren Minderheiten zu Bürgern zweiter Klasse in offener Missachtung der Grundrechte des Menschen. Mancherorts werden Christen als Verräter des eigenen Landes angesehen, <385> werden verfolgt und haben keinen Anspruch auf ihren rechtmäßigen Platz in der Gesellschaft. Insbesondere erwähnten die Synodenväter das chinesische Volk und gaben dem innigen Wunsch Ausdmck, dass eines Tages alle Katholiken Chinas ihre Religion frei ausüben und offen ihre volle Gemeinschaft mit dem Hl. Stuhl bekennen können. <386> Vgl. Propositio 22. Vgl. Propositio 52. Den Fortschritt vieler Länder Asiens verschiedener Regierungsformen durchaus anerkennend, machten die Synodenväter dennoch auch auf das verbreitete Phänomen der Korruption aufmerksam, das auf unterschiedlichen Ebenen sowohl in Regierungskreisen als auch in der Gesellschaft existiert. <387> Allzu oft scheinen die Menschen nicht in der Lage zu sein, sich gegen korrupte Politiker, Gerichts- oder Verwaltungsbeamte sowie Bürokraten zu verteidigen. Doch ist das wachsende Bewusstsein der asiatischen Bevölkerung hinsichtlich ihrer Fähigkeit, ungerechte Strukturen zu ändern, nicht zu übersehen. Erneut fordert man größere soziale Gerechtigkeit, größere Beteiligung an der Regiemng und am Wirtschaftsleben, gleiche Ausbildungschancen und eine gerechtere Verteilung der Ressourcen des Landes. Die Bürger werden sich ihrer Würde und ihrer Rechte als Menschen in zunehmendem Maße bewusst und zeigen eine immer größere Entschlossenheit, sie zu verteidigen. Ethnische, soziale und kulturelle Minderheiten, die lange Zeit kein Lebenszeichen von sich gegeben hatten, suchen nun nach Wegen, um die eigene soziale Entwicklung zu fordern. Der Geist Gottes unterstützt und fordert die Bemühungen derer, die sich für die Emeuemng der Gesellschaft einsetzen, damit sich Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Lineamenta, Nr. 6. 22 23 24 883 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Streben des Menschen nach dem Leben, dem Leben in Fülle, nach dem Willen Gottes verwirkliche (vgl. Joh 10,10). Die Kirche in Asien: Vergangenheit und Gegenwart 9. Die Geschichte der Kirche in Asien ist so alt wie die Kirche selbst, denn in Asien hauchte Jesus seinen Jüngern den Heiligen Geist ein und sandte sie in alle Welt, um die Frohbotschaft zu verkünden und christliche Glaubensgemeinschaften zu gründen. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21, vgl. Mt 28,18-20; Mk 16,15-18; Lk 24,47; Apg 1,8). Dem Auftrag des Herrn folgend, verkündeten sie das Evangelium und gründeten Kirchen. Es ist sicherlich nützlich, einige Elemente dieser faszinierenden und komplexen Geschichte auf asiatischem Boden in Erinnerung zu rufen. Von Jerusalem aus verbreitete sich die Kirche in Antiochien, in Rom und darüber hinaus bis nach Äthiopien im Süden, nach Skytien im Norden und nach Indien im Osten, wo nach der Tradition der Apostel Thomas 52 n. Chr. im Süden des Landes Kirchen gründete. Ein außerordentlicher missionarischer Geist kennzeichnete im dritten und vierten Jahrhundert die ostsyrische Gemeinde mit ihrem Zentrum Edessa. Vom dritten Jahrhundert an waren die asketischen Gemeinden Syriens von grundlegender Bedeutung für die Evangelisierung Asiens und vermittelten besonders in Zeiten der Verfolgung die geistliche Kraft der Kirche. Armenien war zu Ende des dritten Jahrhunderts die erste Nation, die das Christentum annahm: Heute bereitet es sich auf den 1700. Jahrestag seiner Taufe vor. Gegen Ende des fünften Jahrhunderts war die christliche Botschaft bis zu den arabischen Reichen vorgedrungen, wo sie jedoch aus verschiedenen Gründen, einschließlich der Spaltungen unter den Christen, keine Wurzeln schlagen konnte. Im fünften Jahrhundert brachten persische Händler die Frohbotschaft nach China, wo Anfang des siebten Jahrhunderts die erste christliche Kirchengemeinde errichtet wurde. Während der T’ang-Dynastie (618-907) erlebte die Kirche eine zweihundertjährige Blüte. Der Niedergang der lebendigen Kirche in China gegen Ende des ersten Jahrtausends gehört zu den traurigsten Kapiteln der Geschichte des Gottesvolkes auf dem asiatischen Kontinent. Im dreizehnten Jahrhundert gab es Versuche, die Frohbotschaft den Mongolen, den Türken und auch wieder den Chinesen zu verkünden, aber aus vielerlei Gründen ging das Christentum fast völlig unter in diesen Gebieten: unter anderem durch das Aufkommen des Islam, die geographische Isolierung, das Fehlen einer entsprechenden Anpassung an die lokalen Kulturen und wohl vor allem aufgrund der mangelhaften Vorbereitung auf die Begegnung mit den großen Religionen Asiens. Gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts kam es zu einem dramatischen Rückgang der kirchlichen Präsenz in Asien, von der lediglich die isolierte Gemeinschaft in Südindien ausgenommen war. Die Kirche in Asien musste auf eine neue Ära missionarischer Tätigkeit warten. Das apostolische Bemühen des hl. Franz Xaver, die Gründung der Kongregation „Propaganda Fide“ durch Papst Gregor XV. und die Weisungen an die Missionare, lokale Kulturen zu achten und zu schätzen, trugen im Lauf des sechzehnten und 884 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN siebzehnten Jahrhunderts dazu bei, positivere Resultate zu erzielen. Das neunzehnte Jahrhundert erlebte ein neues Erwachen der missionarischen Tätigkeit, und verschiedene Ordensgemeinschaften widmeten sich ausschließlich dieser Aufgabe. Die „Propaganda Fide“ wurde neu organisiert; der Aufbau von Ortskirchen erhielt größere Bedeutung; erzieherische und karitative Initiativen kamen zusammen mit der Verkündigung des Evangeliums. Die Frohbotschaft erreichte somit eine stets größere Anzahl von Menschen, insbesondere unter den Armen und Benachteiligten, aber hier und da auch unter der gesellschaftlichen und intellektuellen Elite. Man unternahm neue Versuche zur Inkulturation der Frohbotschaft, die sich jedoch als vollkommen unzulänglich erwiesen. Trotz ihrer jahrhundertelangen Präsenz und ihres apostolischen Einsatzes war die Kirche in vielen Teilen Asiens noch immer fremd, und in der Mentalität des Volkes wurde sie tatsächlich oft mit den Kolonialmächten gleichgestellt. Das war die Situation zu Beginn des II. Vatikanischen Konzils. Doch durch seine Impulse reifte in der Kirche ein neues Verständnis ihrer Sendung heran; es kam wieder Hoffnung auf. Die Universalität des göttlichen Heilsplanes, die missionarische Natur der Kirche und - in ihrem Inneren - die Verantwortung jedes einzelnen gegenüber den Aufgaben, die das Konzilsdekret über die Missionstätigkeit Ad gentes nachdrücklich bekräftigt, sind maßgebliche Anhaltspunkte zur Erneuerung unseres Einsatzes. Während der Synodenversammlung haben die Väter von dem erneuten Anwachsen der Kirchengemeinden unter vielen verschiedenen Völkern in mehreren Teilen des Kontinents berichtet und gleichzeitig zu neuen missionarischen Initiativen für die kommenden Jahre aufgerufen, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass sich in den Regionen Zentralasiens, wie beispielsweise in Sibirien oder in Ländern wie Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan, die erst vor kurzem unabhängig geworden sind, neue Wege der Verkündigung des Evangeliums auftun. <388> <388> Vgl. Propositio, 56. Ein Überblick über die katholischen Gemeinden Asiens zeigt eine wunderbare Vielfalt beider Betrachtung der Entstehung, der geschichtlichen Entwicklung wie auch der verschiedenen spirituellen und liturgischen Traditionen der jeweiligen Riten. Jedoch alle gemeinsam verkünden sie die Frohbotschaft Jesu Christi durch das christliche Zeugnis und Werke der Barmherzigkeit und menschlicher Solidarität. Während einige Teilkirchen ihren Auftrag in einem Klima des Friedens und der Freiheit erfüllen können, sind andere mit Gewalttätigkeit und Konflikten konfrontiert oder fühlen sich aus religiösen oder anderen Gründen von verschiedenen Gruppen bedroht. In der so unterschiedlichen kulturellen Welt Asiens steht die Kirche vor speziellen philosophischen, theologischen und pastoralen Problemen, und ihre Aufgabe wird durch ihre Stellung als Minderheit zusätzlich erschwert; einzige Ausnahme sind die Philippinen, wo die Katholiken die Mehrheit bilden. 885 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Welche Umstände auch immer vorherrschen, ist die Kirche in Asien unter Menschen mit einem starken Verlangen nach Gott, und sie weiß, dass Jesus Christus, die Frohbotschaft Gottes für alle Nationen, diesem Verlangen voll und ganz entsprechen kann. Es ist ein ausdrückliches Anliegen der Synodenväter, dass das vorliegende Nachsynodale Apostolische Schreiben auf diesen Wunsch eingeht und die Kirche in Asien ermutigt möge, mit kraftvollen Worten und Taten Jesus Christus, den Erlöser, zu verkünden. Der Geist Gottes, stets wirksam in der Geschichte der Kirche in Asien, wird diese auch weiterhin führen. Und zahlreiche positive, in den Ortskirchen vorhandene Elemente, die die Synode oft hervorgehoben hat, stärken die Hoffnung auf einen „neuen Frühling christlichen Lebens“. <389> Grund zur Hoffnung gibt die wachsende Zahl gut ausgebildeter, begeisterter und vom Heiligen Geist erfüllter Laien, die sich ihrer besonderen Berufung innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft in zunehmendem Maße bewusst sind. Hier muss vor allem den Katechisten ein dankbares Lob ausgesprochen werden. <390> Auch die apostolischen und charismatischen Bewegungen sind eine Gabe des Heiligen Geistes, denn durch sie erhält die Bildung der Laien, der Familien und Jugendlichen neues Leben und Kraft. <391> Durch die kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen, die sich für die Förderung der Menschenwürde und der Gerechtigkeit einsetzen, wird der universale Charakter der Botschaft des Evangeliums von unserer Gotteskindschaft schließlich verständlich und fassbar (vgl. Röm 8,15-16). <389> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, 10. November 1994, Nr. 18; AAS 87(1995)16. <390> Vgl. Propositio 29. <391> Vgl. Propositiones 29, 31. Gleichzeitig gibt es Kirchen, die unter schwierigsten Bedingungen leben und „deren Glaubenspraxis schweren Prüfungen unterliegt“. <392> Tief bewegt waren die Synodenväter von den Berichten über das heroische Zeugnis, die unbeugsame Standhaftigkeit und das kontinuierliche Wachstum der katholischen Kirche in China, die Bemühungen der Kirche in Südkorea zur Unterstützung der nordkoreanischen Bevölkerung, die geduldige Beharrlichkeit der katholischen Gemeinde Vietnams, die Isolation der Christen in Laos und Myanmar, die problematische Koexistenz mit der Mehrheit in verschiedenen überwiegend islamischen Staaten. <393> Ganz besondere Aufmerksamkeit widmete die Synode der Kirche im Heiligen Land und in der Heiligen Stadt Jerusalem, „dem Herzen des Christentums“, <394> dieser allen Kindern Abrahams teuren Stadt. Die Synodenväter äußerten die Meinung, der Friede in der Region und selbst in der ganzen Welthänge weitgehend von der Wiederversöhnung und dem Frieden ab, die Jerusalem seit langem fehlen. <395> <392> Propositio 51. <393> Vgl. Propositiones 51-53. <394> Propositio 57. <395> Vgl. ebd. 886 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieser notwendigerweise unvollständige Überblick über die Situation der Kirche in Asien kann nicht abgeschlossen werden, ohne die Heiligen und Märtyrer Asiens zu erwähnen: die offiziell heilig gesprochenen und diejenigen, die allein Gott kennt. Ihr Beispiel ist eine Quelle „spirituellen Reichtums und ein wertvolles Instrument der Evangelisierung“. <396> Durch ihr Schweigen sprechen sie auf wirksame Art und Weise von der Heiligkeit des Lebens und von der Bereitschaft, das eigene Leben für das Evangelium hinzugeben. Sie sind die Lehrmeister und Beschützer, der Ruhm der Kirche Asiens und des Werkes ihrer Evangelisierung. Gemeinsam mit der ganzen Kirche bitte ich den Herrn, noch weiterhin Arbeiter für die schon große Ernte der Seelen auszusenden (vgl. Mt 9,37-38). In dieser Hinsicht möchte ich daran erinnern, was ich schon in meiner Enzyklika Redemptoris missio betonte: „Gott öffnet der Kirche die Horizonte einer Menschheit, die für den Samen des Wortes der Frohbotschaft leichter empfänglich ist.“ <397> Neue und vielversprechende Horizonte öffnen sich in Asien, wo Jesus zur Welt kam und das Christentum seinen Anfang nahm. <396> Propositio 54. <397> Nr. 3: AAS 83(1991)252. KAPITEL II Jesus, der Erlöser: ein Geschenk für Asien Das Geschenk des Glaubens 10. Im Lauf der Synodendebatte über die komplexe asiatische Wirklichkeit wurde allen zunehmend einsichtiger, dass die Verkündigung Jesu Christi, wahrer Gott und wahrer Mensch, einziger und alleiniger Erlöser der Menschheit, der besondere Beitrag der Kirche für die Völker dieses Kontinents ist. <398> Durch den Glauben an Jesus Christus unterscheidet sich die Kirche von anderen Religionsgemeinschaften; und sie kann dieses kostbare Licht des Glaubens nicht für sich behalten und ein Gefäß darüber stellen (vgl. Mt 5,15), denn ihrem Auftrag gemäß muss sie den Glauben mit allen teilen. „Sie möchte allen Völkern Asiens, die auf der Suche nach der Fülle des Lebens sind, das neue Leben bieten, das sie in Jesus Christus gefunden hat, damit sie in der Kraft des Heiligen Geistes dieselbe Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus haben können.“ <399> Dieser Glaube an Jesus Christus ist es, der die oft unter schwierigen, wenn nicht gar gefährlichen Bedingungen geleistete Evangelisierungsarbeit der Kirche in Asien inspiriert. Die Synodenväter betonten, dass die Verkündigung Jesu als einziger Erlöser in ihren Kulturen zu besonderen Schwierigkeiten führen könnte, denn viele Religionen Asiens lehren, göttliche Selbstoffenbarungen zu sein, die das Heil vermitteln. Die Heraus- <398> Vgl. Propositio 5. <399> Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio ante disceptationem: L'Osservatore Romano, 22. April 1998, S. 5; O.R. dt. 1998, Nr. 21, S. 11. 887 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN forderungen, die sich ihrer Tätigkeit der Evangelisierung stellten, haben die Synodenväter nicht entmutigt. Vielmehr wurden sie dadurch bestärkt in der Vermittlung „des Glaubens, den die Kirche in Asien von den Aposteln übernommen hatte und den sie mit der allzeit und allerorts gegenwärtigen Kirche bewahrt“ <400> in der Überzeugung, dass „das Herz der Kirche in Asien von Sorge erfüllt sein wird, solange ganz Asien nicht im Frieden Christi, des auferstandenen Herrn, Ruhe findet“. <401> Der Glaube an Jesus ist ein Geschenk, das der Kirche zuteil wurde, das sie aber auch mit anderen teilen muss; er ist ihr kostbarstes Geschenk für Asien. Die Wahrheit Jesu Christi mit anderen teilen ist die heilige Pflicht derer, die das Geschenk des Glaubens empfangen haben. In der Enzyklika Redemptoris missio betonte ich, dass „die Kirche, und in ihr jeder Christ, dieses neue Leben und dessen Reichtum weder verbergen noch für sich allein zurückhalten kann, da dies alles von der göttlichen Güte gegeben wurde, um allen Menschen mitgeteilt zu werden“ <402>. Weiter schrieb ich: „Jene, die in die katholische Kirche eingegliedert sind, können sich als bevorzugt empfinden, sind deswegen abergleichzeitig um so mehr verpflichtet, den Glauben und das christliche Leben zu bezeugen als Dienst an den Brüdern und schuldige Antwort an Gott.“ <403> <400> Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatiopost disceptationem, 3. <401> Propositio 8. <402> Vgl. Nr. 11: JAS 83(1991)260. <403> Ebd. In diesem tiefen Bewusstsein bekräftigten die Synodenväter aber auch ihre persönliche Verantwortung, sich die ewige Wahrheit Jesu durch Studium, Gebet und Reflexion zu eigen zu machen, um durch deren Kraft und Lebendigkeit den gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen der Evangelisierung in Asien zu begegnen. Jesus Christus, Gott-Mensch der Erlösung 11. Die Heilige Schrift bezeugt, dass Jesus ein wirklich menschliches Leben führte. Jesus, den wir als einzigen Erlöser verkünden, kam in diese Welt als Gott-Mensch mit einer vollkommenen Menschennatur. Als Sohn einer jungfräulichen Mutter wurde er in einem bescheidenen Stall in der Umgebung Betlehems geboren. Er brauchte die gleiche Fürsorge wie andere Kinder, und er erführ das harte Schicksal der Flüchtlinge, um dem Zorn eines grausamen Herrschers zu entkommen (vgl. Mt 2,13—15). Seine menschlichen Eltern waren nicht immer in der Lage, sein Verhalten zu verstehen, er aber vertraute und gehorchte ihnen (vgl. Lk 2,41-52). Stets ins Gebet vertieft, stand er in enger Verbindung mit Gott, den er zum Erstaunen seiner Zuhörer „Abba“, „Vater“, nannte (vgl. Joh 8,34-59). Er stand den Armen, den Vergessenen und Demütigen nahe. Sie nannte er wahrhaft selig, denn Gott war mit ihnen. Er teilte sein Mahl mit den Sündern, versicherte ihnen, dass an der Tafel des Vaters auch für sie Platz sei, wenn sie von ihrer 888 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sündhaftigkeit Abstand nehmen und zu ihm zurückkehren würden. Weil er die Unreinen berührte und sich von ihnen berühren ließ, erkannten sie die Nähe Gottes. Er trauerte um einen verstorbenen Freund, gab der verwitweten Mutter den toten Sohn lebendig zurück, nahm die Kinder mit Wohlwollen auf und wusch seinen Jüngern die Füße. Nie zuvor war die Barmherzigkeit Gottes in solch greifbarer Nähe. Kranke, Lahme, Blinde, Taube und Stumme, allen wurde durch seine Berührung Heilung und Vergebung zuteil. Als seine engsten Begleiter und Mitarbeiter wählte er eine ungewöhnliche Gruppe von Fischern und Steuereintreibem, Zeloten und des Gesetzesunkundigen Menschen; selbst einige Frauen waren darunter. Kraft der trostspendenden, außerordentlichen Liebe des Vaters bildete sich so eine neue Familie. Jesus predigte mit einfachen Worten, er wählte Beispiele aus dem täglichen Leben, um von der Liebe Gottes und seinem Reich zu sprechen; und die Massen erkannten die Macht seiner Worte. Dennoch wurde er der Gotteslästerung beschuldigt, man warf ihm vor, gegen das Gesetz zu verstoßen, ein Aufwiegler zu sein, der ausgeschaltet werden musste. Nach einem auf falsche Aussagen gestützten Prozess (vgl. Mk 14,56) wurde er wie ein Verbrecher zum Tod durch Kreuzigung verurteilt; verlassen und gedemütigt, schien er ein Besiegter. Eilig bestattete man ihn in einem noch ungenutzten Grab. Aber am dritten Tag nach seinem Tod wurde das ständig bewachte Grab leer auf-gefunden! Von den Toten auferstanden, erschien Jesus seinen Jüngern, bevor er zum Vater zurückkehrte, von dem er gekommen war. Gemeinsam mit allen Christen glauben wir, dass dieses einzigartige Leben, einerseits so normal und einfach und andererseits so außerordentlich und geheimnisvoll, das Reich Gottes in die Geschichte der Menschheit gebracht und „mit seiner Macht jeden Aspekt des menschlichen Lebens und der von Sünde und Tod bedrängten Gesellschaft durchtränkt hat“. <404> Durch seine Worte und Taten und besonders durch sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung erfüllte Jesus den Willen des Vaters, die Menschheit mit sich zu versöhnen, nachdem die Erbsünde die Beziehung zwischen dem Schöpfer und der Schöpfung zerbrochen hatte. Am Kreuz nahm er die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Sünden der Welt auf sich. Der hl. Paulus erinnert daran, dass wir infolge unserer Sünden tot waren und durch das Kreuzesopfer Christi das Leben wiedererlangt haben: „Gott aber hat euch mit Christus zusammen lebendig gemacht und uns alle Sünden vergeben. Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen“ (Kol 2,13-14). So wurde unsere Rettung ein für allemal besiegelt. Jesus ist unser Erlöser im wahrsten Sinn des Wortes, denn seine Worte und Werke, besonders seine Auferstehung von den Toten, offenbarten ihn als Sohn Gottes, als ewiges Wort vor aller Zeit, als der, der in alle Ewigkeit als Herr und Messias herrscht. <404> Bischofssynode. Sonderversammlung für Asien, Relatiopost disceptationem, 3. 889 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Person und Sendung des Gottessohnes 12. Das Anstoß erregende Element im Christentum ist die Überzeugung, dass der heiligste, allmächtige und allwissende Gott unsere Menschermatur angenommen und zur Erlösung aller Menschen Leiden und Tod auf sich genommen hat (vgl. 1 Kor 1,23). Der Glaube, den wir empfangen haben, bekräftigt, dass Jesus Christus den Plan des Vaters zur Erlösung der Welt und der gesamten Menschheit im Sinne von „wer er ist“ und von „was er vollbringt“ offenbart und zur Erfüllung gebracht hat. „Wer er ist“ und „was er vollbringt“ erhalten ihre volle Bedeutung erst im Mysterium des dreifältigen Gottes. Während meines Pontifikats habe ich die Gläubigen stets an die Lebensgemeinschaft der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und an die Einheit der drei Personen im Schöpfüngs- und Erlösungsplan erinnert. Die Enzykliken Redemptor hominis, Dives in misericordia und Dominum et vivificantem befassen sich jeweils mit dem Sohn, dem Vater und dem Heiligen Geist wie auch mit ihrer jeweiligen Rolle im göttlichen Heilsplan. Man kann jedoch nicht eine Person von den anderen trennen, denn jede einzelne offenbart sich nur innerhalb des gemeinsamen trinitarischen Lebens und Wirkens. Das Erlösungswerk Jesu gründet auf der Teilhabe an der göttlichen Natur, und allen, die an ihn glauben, ebnet er den Weg zu inniger Gemeinschaft mit der Dreifaltigkeit und zur Gemeinschaft untereinander in der Dreifaltigkeit. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“, sagt Jesus (Joh 14,9). In Jesus Christus allein wohnt wirklich die ganze Fülle des Göttlichen (vgl. Kol 2,9), und das macht ihn zum einzigen und vollkommenen Heilswort Gottes (vgl. Hehr 1,1—4). Als endgültiges Wort des Vaters will Jesus Gott und seinen Heilsplan auf vollkommenste Art und Weise mitteilen. „Niemand kommt zum Vater außer durch mich“, sagt Jesus (Joh 14,6). Er ist „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6), denn - wie er selbst erklärt „Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke“ (Joh 14,10). Nur die Person Jesu verkörpert die Fülle der göttlichen Verheißung und leitet die Endzeit ein (vgl. Hebr 1,1—2). Schon in den Anfängen der Kirche konnte Petrus verkünden: „In keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12). Im Ostergeheimnis erreichte die Sendung des Erlösers ihren Höhepunkt. Am Kreuz, die Arme zum Ausdruck immerwährender Einheit zwischen Himmel und Erde erhoben <405>, richtete Jesus die letzten Worte an den Vater, damit er die Sünden der Menschheit vergebe: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Er besiegte die Sünde durch die Macht seiner Liebe zum Vater und zur Menschheit. Er nahm die Wunden auf sich, die die Sünde den Menschen zugefügt hatte, und bot an, sie durch jene Umkehr davon zu befreien, deren erste Früchte in dem reuigen Verbrecher am Kreuz neben ihm erkennbar sind: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Mit diesem größten Beweis der Liebe <405> Vgl. Römisches Messbuch, Eucharistisches Hochgebet I. 890 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vertraute er sein ganzes Leben und seine Sendung dem Vater an, der ihn gesandt hatte. So gab er ihm die gesamte Schöpfung und die ganze Menschheit zurück, damit er sie mit barmherziger Liebe wieder aufnehme. Alles, was der Sohn ist und vollbracht hat, wird vom Vater angenommen, der es somit in dem Augenblick der Welt schenken kann, da er Jesus von den Toten auferweckt und ihn zu seiner Rechten sitzen lässt, da Sünde und Tod keine Macht mehr haben. Das österliche Opfer Jesu ist das unwiderrufliche Geschenk des Vaters an die Welt. Dieses außerordentliche Geschenk der Versöhnung und der Fülle des Lebens konnte allein durch den geliebten Sohn verwirklicht werden, denn nur er war fähig, der Liebe des Vaters, der durch die Sünde zurückgewiesenen Liebe, voll zu entsprechen. Durch die Macht des Heiligen Geistes erkennen wir in Jesus Christus, dass Gott nicht fern ist, nicht über und außerhalb des Menschen, sondern vielmehr in dessen nächster Nähe, eins mit jeder Person und der ganzen Menschheit in allen Situationen des Lebens. Das ist die Botschaft, die das Christentum der Welt anbietet, eine Botschaft unvergleichlichen Trostes und tiefer Hoffnung für alle Gläubigen. Jesus Christus: die Wahrheit vom Menschen 13. Wie kann die Menschheit Jesu und das einzigartige Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes unser Menschsein erleuchten? Der menschgewordene Gottessohn offenbart nicht nur vollkommen den Vater und dessen Heilsplan, sondern macht auch „dem Menschen den Menschen selbst voll kund“. <406> Seine Worte und Werke, vor allem sein Tod und seine Auferstehung, sind ein tiefer Einblick in das, was Menschsein bedeutet. In Jesus erkennt der Mensch schließlich die Wahrheit über sich selbst. Das so vollkommen menschliche Leben Jesu, ganz der Liebe und dem Dienst am Vater und an der Menschheit gewidmet, offenbart die Berufung jedes Menschen, Liebe zu empfangen und zu geben. In Jesus erstaunt uns die unendliche Fähigkeit des menschlichen Herzens, Gott und die Menschen zu lieben, auch wenn das mit tiefstem Leid verbunden sein kann. Vor allem am Kreuz bricht Jesus die Macht der selbstzerstörerischen Ablehnung der Liebe, zu der die Sünde uns verleitet. Seinerseits antwortet der Vater, indem er Jesus zum Erstgeborenen derer erhebt, die er bestimmt hat, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzunehmen (vgl. Rom 8,29). Von jenem Augenblick an wurde Jesus ein für allemal zur Offenbarung und Erfüllung einer - nach dem Plan Gottes - wiederbelebten und erneuerten Menschheit. Daher erkennen wir in Jesus die Größe und Würde jeder Person vor Gott, der den Menschen nach seinem Abbild erschaffen hat (vgl. Gen 1,26), und den Ursprung der neuen Schöpfung, der wir kraft seiner Gnade teilhaftig geworden sind. <406> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, 4.März 1979, Nr. 10: AAS 71(1979)274. Das II. Ökumenische Konzil lehrt, dass „er, der Sohn Gottes, sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt hat“. <407> In dieser <407> Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nr. 22. 891 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tiefgreifenden Erkenntnis sahen die Synodenväter die höchste Quelle der Hoffnung und der Kraft für die von Mühsal und Ungewissheit bedrängte Bevölkerung Asiens. Wenn Männer und Frauen mit tiefem Glauben auf das Geschenk der Liebe Gottes antworten, dann bringt seine Gegenwart Liebe und Frieden in jedes Menschenherz und wandelt es von innen heraus. In Redemptor hominis schrieb ich: „Die Erlösung der Welt - dieses ehrfurchtgebietende Geheimnis der Liebe, in dem die Schöpfung erneuert wird - ist in ihrer tiefsten Wurzel die Fülle der Gerechtigkeit in einem menschlichen Herzen: im Herzen des Erstgeborenen Sohnes, damit sie Gerechtigkeit der Herzen vieler Menschen werden kann, die ja im Erstgeborenen Sohn von Ewigkeit vorherbestimmt sind, Kinder Gottes zu werden, berufen zur Gnade und zur Liebe.“ <408> <408> Nr. 9: AAS 71(1979)272-273. Die Sendung Jesu hat nicht nur die Gemeinschaft zwischen Gott und der Menschheit wieder hergestellt, sondern eine neue Gemeinschaft von den durch die Sünde einander entfremdeten Menschen gestiftet. Über alle Spaltungen hinaus ermöglicht Jesus jedem ein brüderliches Leben durch die Anerkennung des einen Vaters im Himmel (vgl. Mt 23,9). In ihm ist eine neue Harmonie begründet, in der „es nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau gibt; denn ihr alle seid ,einer“ in Christus Jesus“ (vgl. Gal 3,28). „Denn er ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile [Juden und Heiden] und riss durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder“ (Eph 2,14). In allem, was Jesus gesagt und getan hat, war er die Stimme, die Hand und der Arm des Vaters, der alle Kinder Gottes in einer einzigen Gemeinschaft der Liebe versammelte; er betete, damit seine Jünger eins seien wie er und der Vater (vgl. Joh 17,11), und einige seiner letzten Worte waren: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!“ „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,9.12). Vom Gott der Gemeinschaft ausgesandt, begründete Jesus in seiner Person die Gemeinschaft zwischen Himmel und Erde, denn er ist wahrer Gott und wahrer Mensch. Wir glauben, dass „Gott mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen wollte, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“ (vgl. Kol 1,19-20). In der Person des menschgewordenen Gottessohnes und in der allein ihm als Sohn anvertrauten Sendung des Dienstes und der Liebe für das Leben aller kann Rettung gefunden werden. Zusammen mit der Kirche in aller Welt verkündet die Kirche Asiens die Wahrheit des Glaubens: „Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (7 Tim 2,5-6). Einzigartigkeit und Universalität der Erlösung in Jesus 14. Die Synodenväter erinnerten daran, dass das vor aller Zeit existierende Wort, der eingeborene und ewige Sohn Gottes, „immer schon in der Schöpfung, in der 892 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN Geschichte und in jedem nach Gutem strebenden Menschen gegenwärtig war“. <409> Durch das Wort, das bereits vor der Menschwerdung in der Welt zugegen war, ist alles geschaffen worden (vgl. Joh 1,1^1.10; Kol 1,15-20). Aber als menschgewordenes Wort, das gelebt hat, gestorben und von den Toten auferstanden ist, verkünden wir Jesus Christus nun als Vollendung der gesamten Schöpfung, der ganzen Geschichte und des menschlichen Verlangens nach der Fülle des Lebens. <410> Von den Toten auferstanden, „ist er auf neue und geheimnisvolle Art und Weise in allen und in der ganzen Schöpfung gegenwärtig“. <411> In ihm „erfüllen und verwirklichen sich die wahren Werte jeder religiösen und kulturellen Tradition, Werte wie Barmherzigkeit, demütiges Befolgen des göttlichen Willens, Anteilnahme und Rechtschaffenheit, Gewaltlosigkeit und Gerechtigkeit, Hingabe und harmonische Eintracht mit der Schöpfung“ <412> Vom Anfang bis zum Ende aller Zeiten ist Jesus der einzige universale Mittler. Auch jenen, die nicht ausdrücklich an ihn als Retter glauben, wird die Erlösung durch die vom Heiligen Geist vermittelte Gnade zuteil. Wir glauben, dass Jesus Christus, wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch, der einzige Erlöser ist, denn er allein - der Sohn - brachte den universalen Heilsplan zur Vollendung. Als endgültiger Ausdruck der geheimnisvollen Liebe des Vaters zu allen Menschen ist Jesus wirklich einzigartig, und „gerade diese Einzigartigkeit Christi ist es, die ihm eine absolute und universale Bedeutung verleiht, durch die er, obwohl selbst Teil der Geschichte, Mitte und Ziel der Geschichte selbst ist“. <413> Kein Mensch, keine Nation, keine Kultur kann sich dem Aufruf Jesu Christi verschließen, der selbst den Menschen aus dem Herzen spricht. „Er „spricht zu den Menschen auch als Mensch: es ist seine Treue zur Wahrheit, seine Liebe, die alle umfasst. Es spricht ferner sein Tod am Kreuz, das heißt die unergründliche Tiefe seines Leidens und der Verlassenheit.“ <414> Seine menschliche Natur berücksichtigend, finden die Völker Asiens die Antworten auf ihre tiefgreifendsten Fragen und die Erfüllung ihrer Hoffnungen; die Festigung ihrer Würde und die Überwindung ihrer Verzweiflung. Jesus ist die Frohbotschaft, die zu jeder Zeit und überall an jene Menschen gerichtet ist, die nach der Bedeutung ihrer Existenz und der Wahrheit ihres Menschseins suchen. <409> Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio post disceptationem, 3. <410> Vgl. ebd. <411> Ebd. 40 Propositio 5. <413> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 6: AAS 83(1991)255. <414> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, 4. März 1979, Nr. 7: AAS 71 (1979)269. 893 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN KAPITEL III Der Heilige Geist: Herr und Spender des Lebens Der Geist Gottes in der Schöpfungs- und Heilsgeschichte 15. Wenn die Heilsbedeutung Jesu wirklich nur im Kontext seiner Offenbarung des trinitarischen Heilsplans verstanden werden kann, folgt daraus, dass der Heilige Geist zutiefst mit dem Mysterium Jesu und der durch ihn ermöglichten Erlösung verbunden ist. Oft erwähnten die Synodenväter die Rolle des Heiligen Geistes in der Heilsgeschichte und betonten, dass die irrige Trennung zwischen dem Erlöser und dem Heiligen Geist die Wahrheit über Christus als alleinigem Retter aller Menschen gefährden könnte. In der christlichen Tradition wurde der Heilige Geist stets mit dem Leben und dessen Vermittlung in Verbindung gebracht. Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Kon-stantinopel bezeichnet den Heiligen Geist als den, der „Herr ist und lebendig macht“. Daher ist es durchaus nicht überraschend, dass viele Interpretationen der Schöpfungsgeschichte der Genesis den Heiligen Geist in jenem starken Wind erkennen, der über dem Wasser schwebte (vgl. Gen 1,2). Vom ersten Augenblick an ist er im Schöpfungsberichtgegenwärtig; seit dem ersten Zeichen der Liebe des dreieinigen Gottes. <415> Da die Schöpfung die Geschichte einleitet, ist der Geist gewissermaßen eine in ihr wirksame unsichtbare Kraft, die sie auf dem Weg der Wahrheit und des Guten führt. <415> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivificantem, 18. Mai 1986, Nr. 54: AAS 781 i 986)875. Die Offenbarung der Person des Heiligen Geistes, der gegenseitigen Liebe des Vaters und des Sohnes, ist ein bezeichnendes Element des Neuen Testaments. Aus christlicher Sicht ist Er Ursprung allen Lebens. Die Schöpfung ist die freie Mitteilung der Liebe Gottes, die aus dem Nichts alles zum Leben erweckt. Die gesamte Schöpfung ist erfüllt von jenem immerwährenden Austausch der Liebe, der das innere Leben der Dreifaltigkeit kennzeichnet, das heißt: erfüllt vom Heiligen Geist: „Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis“ (Weish 1,7). Der in der Schöpfung gegenwärtige Geist bewirkt Ordnung, Harmonie und die gegenseitige Abhängigkeit alles Existierenden. Nach Gottes Ebenbild geschaffen, werden die Menschen auf neue Art und Weise Wohnung des Geistes, wenn sie die Würde der Gotteskind-schaft erlangt haben (vgl. Gal 4,5). In der Taufe wiedergeboren, erfahren sie die Gegenwart und Kraft des Geistes, nicht nur weil sie lebendig macht, sondern auch weil sie reinigt und heilt, denn die Frucht des Geistes ist „Liebe, Freude, Frieden, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 5,22). Diese Früchte sind ein Zeichen dafür, dass „die Liebe Gottes ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (vgl. Röm 5,5). Wenn sie in Freiheit angenommen wird, dann macht diese Liebe die Menschen zu sichtbaren Werkzeugen des unablässigen Wirkens des unsichtbaren Geistes in der Schöpfungs- und Heilsgeschichte. Es ist vor allem diese neue Fähig- 894 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN keit, Liebe zu geben und zu empfangen, die die innere Gegenwart und Kraft des Heiligen Geistes bezeugt. Durch die in Herz und Geist des einzelnen Menschen erwirkte Wandlung und Erneuerung berührt der Geist auch die menschlichen Gesellschaften und Kulturen. <416> „Der Geist steht ebenso am Ursprung edler Ideale und guter Initiativen der Menschheit auf deren Wege: ,In wunderbarer Vorsehung lenkt er den Weg der Zeiten und erneuert er das Gesicht der Erde.1“ <417> Dem Weg des II. Vatikanischen Konzils folgend, schenkten die Synodenväter ihre Aufmerksamkeit der vielfachen und unterschiedlichen Wirkung des Heiligen Geistes, der immerfort Samen der Wahrheit unter allen Völkern und in ihren Religionen, Kulturen und Philosophien aussät. <418> Das bedeutet, dass diese den Menschen auf individueller wie auch auf kollektiver Ebene helfen können, gegen das Böse anzugehen und dem Leben und allem, was gut ist, zu dienen. Die Kräfte des Todes isolieren Völker, Gesellschaften und Religionsgemeinschaften gegenseitig, schüren Misstrauen und Rivalitäten, die schließlich zu Konflikten fuhren. Der Heilige Geist hingegen unterstützt das Verständnis füreinander und die gegenseitige Annahme unter den Menschen. Mit Recht sieht die Synode daher den Geist Gottes als ersten Förderer des Dialogs zwischen der Kirche und allen Völkern, Kulturen und Religionen. <416> Vgl. ebd., Nr. 59: a.a.O., 885. <417> Johannes Paul IL, Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr.28: AAS 83(1991)274; vgl. II. Vatika-nisch.es Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nr. 26. <418> Vgl. Propositio 11; II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nm. 4, 15; Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 17; Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nm. 11, 22, 38; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 28: AAS 83(1991)273-274. Der Heilige Geist und die Inkarnation des Wortes 16. Dem ewigen Plan des Vaters entsprechend, entfaltet sich unter der Führung des Geistes die Heilsgeschichte im irdischen, ja selbst im kosmischen Geschehen. Dieser zu Beginn der Schöpfung vom Geist eingeleitete Plan wird im Alten Testament offenbart, durch die Gnade Jesu Christi zur Vollendung geführt und in der neuen Schöpfung von demselben Geist verwirklicht, bis der Herr am Ende der Zeiten in Herrlichkeit wiederkommt. <419> Die Menschwerdung des Gottessohnes ist das Hauptwerk des Heiligen Geistes: „Empfängnis und Geburt Jesu Christi sind das größte vom Heiligen Geist in der Schöpfungs- und Heilsgeschichte vollbrachte Werk: die höchste Gnade - die ,Gnade der Einigung1 als Quelle jeder anderen Gnade.“ <420> Die Menschwerdung ist das Ereignis, in dem Gott zu einer neuen und endgültigen Ein- <419> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio ante disceptationem: L'Osservatore Romano, 22. April 1998, S.5; O.R. dt. 1998, Nr. 21, S. 8 ff. <420> Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivißcantem, 18. Mai 1986, Nr. 50: AAS 78(1986)870; vgl. hl. Thomas von Aquin, Summa Theol. III, 2,10-12; 6,6; 7,13. 895 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heit mit sich selbst nicht nur den Menschen, sondern die ganze Schöpfungs- und Heilsgeschichte fuhrt. <421> <421> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivißcantem, 18. Mai 1986, Nr. 50: AAS 78(1986)870. Im Schoß der Jungfrau Maria durch die Kraft des Geistesempfangen (vgl. Lk 1,35; Mt 1,20), war Jesus von Nazaret, Messias und alleiniger Erlöser, erfüllt vom Heiligen Geist, der bei der Taufe auf ihn herabkam (vgl. Mk 1,10) und ihn in die Wüste führte, um ihn für seinöffentliches Leben zu stärken (vgl. Mk 1,12; Lk 4,1; Mt 4,1). In der Synagoge von Nazaret leitet Jesus sein prophetisches Wirken ein, wobei er die Prophezeiung Jesajas von der Salbung des Geistes auf sich bezieht, um den Armen die gute Nachricht zu bringen, den Gefangenen die Entlassung zu verkünden und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen (vgl. Lk 4,18-19). Durch die Kraft des Geistes heilt Jesus die Kranken und treibt die Dämonen aus als Zeichen dafür, dass das Reich Gottes gekommen ist (vgl. Mt 12,28). Nach seiner Auferstehung von den Toten schenkte er seinen Jüngern den Heiligen Geist. Er hatte ihnen verheißen, nach seiner Rückkehr zum Vater den Geist über die Kirche auszugießen (vgl. Joh 20,22-23). All das zeigt, dass die Heilssendung Jesu das unverkennbare Zeichen der Gegenwart des Geistes trägt: Leben, neues Leben. Zwischen der Sendung des Sohnes durch den Vater und dem Senden des Geistes durch den Vater und den Sohn besteht ein enges und lebendiges Band. <422> Das Wirken des Geistes in der Schöpfung und der Geschichte des Menschen erhält eine vollkommen neue Bedeutung, wenn es sich um das Wirken im Leben und in der Sendung Jesu handelt. Die vom Geist ausgesäten „Samen des Wortes“ bereiten die gesamte Schöpfung, die Geschichte und den Menschen auf die volle Wahrheit in Christus vor. <423> Besorgt zeigten sich die Synodenväter hinsichtlich der Tendenz, das Wirken des Heiligen Geistes von dem Jesu Christi zu trennen; ihre Besorgnis teilend, wiederhole ich das von mir bereits in Redemptoris missio Geschriebene: „Er [der Geist] ist nicht eine Alternative zu Christus, er füllt nicht eine Lücke aus zwischen Christus und dem Logos, wie manchmal angenommen wird. Was immer der Geist im Herzen der Menschen und in der Geschichte der Völker, in den Kulturen und Religionen bewirkt, hat die Vorbereitung der Verkündigung zum Ziel und geschieht in bezug auf Christus, das durch das Wirken des Geistes fleischgewordene Wort, ,um Ihn zu erwirken, den vollkommenen Menschen, das Heil aller und die Zusammenführung des Universums.1“ <424> <422> Vgl. ebd. , Nr. 24, a.a.O., 832. <423> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 28: AAS 83(1991)274. <424> Nr. 29: AAS 83(1991)275; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nr. 45. Die universale Gegenwart des Geistes kann daher keine Entschuldigung dafür sein, Jesus Christus nicht mehr als den einzigen und alleinigen Erlöser zu verkünden. Im Gegenteil, die universale Gegenwart des Heiligen Geistes ist untrennbar von der universalen Erlösung in Jesus. Die Gegenwart des Geistes in der Schöpfüngs- und 896 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heilsgeschichte führt zu Jesus Christus, in dem diese ihre Erlösung und Vollendung finden. Gegenwart und Handeln des Geistes sind sowohl bei der Menschwerdung als auf dem Höhepunkt des Pfingstereignisses stets auf Jesus und die durch ihn erlangte Erlösung ausgerichtet. Aus diesem Grund darf die universale Gegenwart des Geistes nie von seinem Wirken am Leib Christi, der die Kirche ist, getrennt werden. <425> <425> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 29: AAS 83(1991)275. Der Heilige Geist und der Leib Christi 17. Der Heilige Geist bewahrt die Bande der Einheit zwischen Jesus und seiner Kirche, in der er wohnt wie im Tempel Gottes (vgl. 1 Kor 3,16) und die er vor allem zur Fülle der Wahrheit über Jesus führt. Er ist es, der der Kirche die Fortsetzung der Sendung Christi ermöglicht, indem er vor allem Jesus selbst bezeugt und so das zur Vollendung bringt, was er vor seinem Tod und seiner Auferstehung verheißen hat, nämlich die Aussendung des Geistes an die Jünger, damit sie Zeugnis für ihn ablegen (vgl. Joh 15,26-27). In der Kirche ist es demnach Aufgabe des Geistes, zu bezeugen, dass die Gläubigen Adoptivkinder Gottes sind, die als seine Erben für das Heil bestimmt sind, die verheißene volle Einheit mit dem Vater (vgl. Röm 8,15-17). Indem er die Kirche mit verschiedenen Gnadengaben und Charismen schmückt, wächst sie in der Einheit der Glaubenden als ein einziger Leib, der aus vielen verschiedenen Gliedern besteht (vgl. 1 Kor 12,4; Eph 4,11-16). Der Geist versammelt alle Menschen mit ihren jeweiligen Bräuchen, Ressourcen und Begabungen zur Einheit und macht die Kirche zum Zeichen der ganzen menschlichen Gemeinschaft unter Christus, dem einen Haupt. <426> Der Geist verleiht der Kirche die Form einer Gemeinschaft von Zeugen, die durch seine Kraft den Erlöser bezeugt (vgl. Apg 1,8). In dieser Hinsicht ist er die Hauptgestalt der Evangelisierung. All das ließ die Synodenväter erkennen, dass sich die irdische Sendung Jesu in der Kraft des Heiligen Geistes vollzogen hatte, und somit haben „Vater und Sohn diesen Geist der Kirche zu Pfingsten gegeben, zur Vollendung der Sendung Christi in Asien“. <427> <426> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 13. <427> Propositio 12. Der Plan des Vaters für die Erlösung der Menschheit ist mit dem Tod und der Auferstehung Christi nicht vollendet. Durch das Geschenk des Geistes Christi bietet die Kirche die Früchte der Heilssendung allen Völkern aller Epochen an, indem sie das Evangelium verkündet und dem Menschengeschlecht dient und es fordert. Wie das II. Vatikanische Konzil betont, „wird sie [die Kirche] nämlich vom Heiligen Geiste angetrieben, mitzuwirken, daß der Ratschluß Gottes, der Christus zum Ursprung des Heils für die ganze Welt bestellt hat, tatsächlich ausgeführt werde“. <428> Durch die vom Geist erhaltene Macht, die Erlösung Christi auf Erden zu vollen- <428> Vgl. Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 17. 897 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den, ist die Kirche der Samen des Gottesreiches, dessen endgültiges Kommen sie mit Ungeduld erwartet. Ihre Identität und Sendung sind untrennbar mit dem Reich Gottes verbunden, das Jesus durch alles, was er getan und gesagt hat, insbesondere durch seinen Tod und seine Auferstehung, verkündet und eingeleitet hat. Der Geist erinnert die Kirche daran, dass sie nicht um ihrer selbst willen besteht, sondern um Christus und dem Heil der Welt durch all das zu dienen, was sie ist und tut. In der gegenwärtigen Heilsökonomie ist das Wirken des Heiligen Geistes in der Schöpfung, in der Geschichte und in der Kirche Teil des für die ganze Schöpfung bestimmten ewigen Planes der Dreifaltigkeit. Der Heilige Geist und die Sendung der Kirche in Asien 18. Der Geist, der zur Zeit der Patriarchen und Propheten und in noch stärkerem Maße zur Zeit Jesu und der Urkirche über dem asiatischen Kontinent schwebte, ist auch heute über den Christen Asiens und festigt ihr Glaubenszeugnis unter den Völkern, Kulturen und Religionen des Erdteils. Wie der große Dialog der Liebe zwischen Gott und den Menschen vom Heiligen Geisteingeleitet und durch das Mysterium Christi auf asiatischem Boden vollendet wurde, so setzt sich der Dialog zwischen dem Erlöser und den Völkern des Kontinents heute in der Kraft desselben Geistes fort, der in der Kirche wirkt. In diesem Prozess haben alle - Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien, Männer und Frauen - eine wesentliche Aufgabe zu erfüllen eingedenk jener Worte Jesu, die zugleich Verheißung und Auftrag sind: „ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Sama-rien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Die Kirche ist überzeugt, dass es tief im Herzen der Menschen, der Kulturen und Religionen Asiens Durst nach „lebendigem Wasser“ (vgl. Joh 4,10-15) gibt, einen Durst, den der Heilige Geist selbst hervorruft und den allein Jesus, der Retter, vollends stillen kann. Sie bittet den Heiligen Geist, auch weiterhin die Völker Asiens auf den heilbringenden Dialog mit dem Erlöser aller Menschen vorzubereiten. In der Kraft des Geistes, der sie in ihrem Dienst- und Liebesauftrag lenkt, bietet die Kirche eine Begegnung zwischen Jesus Christus und den Völkern Asiens auf der Suche nach der Fülle des Lebens. Nur in einer solchen Begegnung kann das lebendige Wassergefunden werden, das ewiges Leben schenkt, die Erkenntnis des einzi-genwahren Gottes und seines Sohnes Jesus Christus, den er gesandt hat (vgl. Joh 17,3). Die Kirche weiß sehr wohl, dass sie ihren Auftrag nur dann erfüllen kann, wenn sie die Eingebungen des Heiligen Geistes aufgreift. Im Bestreben, wahrhaft Zeichen und Werkzeug der Einwirkung des Geistes in der vielschichtigen Wirklichkeit Asiens zu sein, muss sie, den verschiedenen Gegebenheiten des Kontinents entsprechend, die Aufforderung des Geistes zu einem neuen und wirksamen Zeugnis für Jesus, den Erlöser, zu erkennen wissen. Die volle Wahrheit Jesu und des von ihm für uns erlangten Heils ist stets ein Geschenk und nie das Resultat menschlicher Bemühungen. „So bezeugt der Geist selber unserem Geist, daß wir Kinder 898 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi“ (Röm 8,16-17). Daher ruft die Kirche immerfort: „Komm, Heiliger Geist! Erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entfache in ihnen das Feuer deiner Liebe!“ Das ist das Feuer, das Jesus auf die Erde geworfen hat, und die Kirche in Asien teilt mit ihm den innigen Wunsch, dass dieses Feuer bald brennen möge (vgl. Lk 12,49). Von dieser Hoffnung erfüllt, versuchten die Synodenväter, die wesentlichen Bereiche der Sendung festzulegen, die zu den Aufgaben der Kirche in Asien gehören, da sie sich auf den Übergang in das dritte Jahrtausend vorbereitet. KAPITEL IV Jesus, der Retter: Das Geschenk verkündigen Der Primat der Verkündigung 19. An der Schwelle des Dritten Jahrtausends ertönt die Stimme des auferstandenen Christus erneut im Herzen eines jeden Christen: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,18—20). Gleich nach Pfingsten machten sich die Apostel auf, nunmehr der unausbleiblichen Unterstützung Jesu und der mächtigen Gegenwart des Geistes sicher, um dieses Gebot zu erfüllen: „Sie aber zogen aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch die Zeichen, die er geschehen ließ“ (Mli 16,20). Was sie nun aber verkündeten, das kann mit den Worten des hl. Paulus zusammengefasst werden: „Wir verkündigen nämlich nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns aber als eure Knechte um Jesu willen“ (2 Kor 4,5). Die mit dem Glauben gesegnete Kirche geht auch nach zweitausend Jahren noch in alle Welt, um überall den Völkern zu begegnen und mit ihnen die Frohbotschaft Christi zu teilen. Dies tut sie mit großem missionarischen Eifer, damit die Menschen Jesus kennen lernen, ihn lieben und ihm nachfolgen. Es kann keine wahre Evangelisierung geben ohne eindeutige Verkündigung, dass Jesus der Herr ist. Das II. Vatikanische Konzil, und seither auch das kirchliche Lehramt, haben bei ihren Antworten auf gewisse Verwirrungen hinsichtlich der wahren Natur der kirchlichen Sendung wiederholt den Primat der Verkündigung Jesu Christi unterstrichen, wie auch immer die Evangelisierung geschehen mag. Diesbezüglich hat Papst Paul VI. ausdrücklichgeschrieben: „Es gibt keine wirkliche Evangelisierung, wenn nicht der Name, die Lehre, das Leben, die Verheißungen, das Reich, das Geheimnis von Jesus von Nazaret, des Sohnes Gottes, verkündet wird.“ <429> Das entspricht dem, was die Christen Jahrhunderte lang getan haben. <429> Apostolisches Schreiben Evangelii mmtiandi, 8. Dezember 1975, Nr. 22: AAS 68(1976)20. 899 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verständlicherweise erinnerten daher die Synodenväter mit Stolz daran, dass „zahlreiche christliche Gemeinschaften Asiens den Glauben trotz großer Anfechtungen durch die Jahrhunderte hindurch bewahrt haben und ihrem geistigen Erbe mit heldenhafter Beharrlichkeit verbunden geblieben sind“. <430> Gleichzeitig haben die Teilnehmer an der Sonderversammlung mehrmals die Notwendigkeit eines erneuerten Eifers bei der Verkündigung Jesu Christi gerade auf jenem Kontinent bezeugt, der vorzweitausend Jahren den Anfang dieser Verkündigung gesehen hat. Die Worte des Apostels Paulus werden noch eindringlicher, wenn man bedenkt, dass viele Menschen auf diesem Kontinent der Person Jesu noch nie wirklich bewusst begegnet sind: „Denn jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden. Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?“ (Röm 10,13-14). Die große Frage, vor der nun die Kirche in Asien steht, ist, wie sie mit ihren asiatischen Brüdern und Schwestern das teilen soll, was wir als Geschenk hüten, welches jegliches Geschenk in sich birgt, nämlich die Frohbotschaft von Jesus Christus. <430> Propositio 8. Jesus Christus in Asien verkünden 20. Die Kirche in Asien ist durchaus bereit, ihre Pflicht zur Verkündigung auszuüben, denn sie weiß, „daß sowohl bei den einzelnen als auch bei den Völkern durch das Wirken des Geistes schon eine - wenn auch unbewußte - Erwartung da ist, die Wahrheit über Gott, über den Menschen, über den Weg zur Befreiung von Sünde und Tod zu erfahren“ <431>. Dieses Beharren auf der Verkündigung rührt weder von einem sektiererischen Impuls noch von einem proselytistischen Geist noch von irgend einer Haltung der Überlegenheit her. Die Kirche verkündet das Evangelium allein aus Gehorsam dem Gebot Christi gegenüber im Bewusstsein, dass jeder das Recht hat, die Frohbotschaft Gottes zuhören, der sich in Jesus Christus offenbart und schenkt <432>. Den höchsten Dienst, den die Kirche den asiatischen Völkern leisten kann, ist, Zeugnis von Christus abzulegen, weil sie so auf deren Suche nach dem Absoluten eine Antwort gibt und die Wahrheit sowie jene Werte enthüllt, die ihnen eine ganzheitliche menschliche Entwicklung garantieren. Die Kirche ist sich der ganzen Bandbreite der verschiedenen Situationen in Asien zutiefst bewusst und will sich, „von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten“ (Eph 4,15). In diesem Sinne verkündet sie die Frohbotschaft in Achtung und freundlicher Wertschätzung all denen gegenüber, die ihr zuhören. Es ist eine Verkündigung, die das Recht des Gewissens respektiert und die Freiheit nicht verletzt, da nämlich der Glaube stets eine freie Antwort des Individuums erfordert <433>. Doch hebt die Achtung nicht die <431> Johannes Paul II., Enzyklika Redemploris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 45: AAS 83(1991)292. <432> Vgl. ebd., Nr. 46: a.a.O., 292-293. <433> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit, Dignitatis humanae, Nm. 3—4; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 39: AAS 83(1991)287; Propositio 40. 900 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Notwendigkeit einer expliziten Verkündigung des Evangeliums in seinem ganzen Umfang auf. Besonders im Zusammenhang mit dem Reichtum an Kultur und der Vielfalt der Religionen in Asien muss hervorgehoben werden, dass „weder die Achtung und Wertschätzung noch die Vielschichtigkeit der aufgeworfenen Fragen für die Kirche eine Aufforderung darstellen können, eher zu schweigen, als Jesus Christus vor den Nichtchristen zu verkünden“ <434>. Während meiner Indienreise im Jahre 1986 habe ich auch klar zum Ausdruckgebracht: „Die Annäherung der Kirche an andere Religionen geschieht mit aufrichtiger Achtung ... Diese Achtung ist zweifach: Achtung vor dem Menschen auf seiner Suche nach Antworten auf die tiefsten Fragen seines Lebens und Achtung vor dem Wirken des Geistes im Menschen.“ <435> Durchaus haben auch die Synodenväter das Wirken des Heiligen Geistes innerhalb der asiatischen Gesellschaft, der asiatischen Kulturen und Religionen erkannt, wodurch der Vater das Herz der Völker Asiens auf die Fülle des Lebens in Christus vorbereitet <436>. <434> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 8. Dezember 1975, Nr. 53: AAS 68( i 976)41 —42. <435> Ansprache an die Vertreter der nichtchristlichen Religionen, 5. Februar 1986, 2: AAS 78(1986)767. <436> Vgl. Propositiones 11, 12; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 28: AAS 83(1991)273-274. Trotzdem haben auch vor den zuerst stattfindenden Konsultationen zur Synode viele Bischöfe auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die bei der Verkündigung Jesu als einzigem Retter entstehen. Während der Synode wurde die Situation wie folgt beschrieben: „Manche Anhänger der großen Religionen Asiens haben keine Schwierigkeiten damit, Jesus als eine Ausdrucksform des Göttlichen oder Absoluten oder als einen ,Erleuchteten1 zu akzeptieren. Es ist für sie jedoch schwierig, ihn als die einzige Offenbarung des Göttlichen anzusehen.“ <437> Und tatsächlich steckt ja auch der angestrengte Versuch, das Geschenk des Glaubens an Jesus als den einzigen Retter zu teilen, voller philosophischer, kultureller und theologischer Schwierigkeiten, und zwar ganz besonders im Lichte der Glaubenswahrheiten der großen asiatischen Religionen, die so eng mit den kulturellen Werten und spezifischen Weltanschauungen verknüpft sind. Die Konzilsväter sind der Meinung, dass die Schwierigkeiten noch dadurch erschwert werden, dass Jesus oft als ein Nichtasiate betrachtet wird. Es ist paradox, dass viele Menschen dieses Kontinents dazu neigen, Jesus, der auf asiatischem Boden geboren wurde, eher als einen Abendländer als einen Asiaten zu betrachten. Im Grunde war es unvermeidlich, dass die Botschaft des von den abendländischen Missionaren verkündeten Evangeliums auch durch die Kulturen der Herkunftsländer beeinflusst wurde. Und das haben die Synodenväter auch als eine Tatsache zur Kenntnis genommen, die man sich im Zusammenhang mit der Geschichte der Evangelisierung vergegenwärtigen muss. Gleichzeitig ergriffen sie diesbezüglich aber auch die Gelegenheit, um „in besonderer Weise der eigenen Dankbarkeit allen Missionaren und Missio-narinnen gegenüber Ausdruck zu verleihen - ob Laien oder Kleriker, Ausländer <437> Relatio ante disceptationem: L’Osservatore Romano, 22. April 1998, S.5, O.R. dt. 1998, Nr. 21, S. 8 ff. 901 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN oder Einheimische -, welche die Botschaft Jesu Christi und das Geschenk des Glaubens mitgebracht hatten. Ein besonderer Dank gilt auch allen Schwesterkirchen, die Missionare nach Asien entsandt haben und das auch weiterhin tun“ <438>. <438> Propositio 58. Für diejenigen, die das Evangelium verkünden, kann die Erfahrung des hl. Paulus eine Orientierungshilfe sein, der einen Dialog mit den philosophischen, kulturellen und religiösen Wertenseiner Zuhörer aufnahm (vgl. Apg 14,13-17; 17,22-31). Auch die ökumenischen Konzilien mussten bei der Formulierung der für die Kirche verpflichtenden Lehren auf den ihnen zur Verfügung stehendensprachlichen, philosophischen und kulturellen Gmndstock zurückgreifen, aber dieser Grundstock wurde dann ein Teil des Erbes der Universalkirche, da er sich als fähig erwies, die Christologie in geeigneter und allgemein verbindlicher Weise zum Ausdruck zu bringen. Es ist ein Teil des Glaubenserbes, das bei der Begegnung mit den verschiedenen Kulturen angepasst und stets gemeinsam vertreten werden muss <439>. Daherstellt die Aufgabe, Jesus so zu verkündigen, dass die asiatischen Völker sich mit ihm identifizieren können, und gleichzeitig der theologischen Lehre der Kirche und den eigenen asiatischen Wurzeln treu zu bleiben, eine enorme Fferausforderung dar. <439> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio, 14. September 1998, Nr. 72: AAS 91(1999)61. Die Darstellung Jesu Christi als dem einzigen Retter erfordert eine Pädagogik, welche die Menschen Schritt für Schritt zur vollen Aneignung des Mysteriums hin-flihrt. Selbstverständlich wird man, je nach dem, ob es sich um die Erstevangelisierung von Nichtchristen oder um die Verkündigung an gläubige Menschen handelt, in der Art und Weise, wie man auf diese Menschen zugeht, unterscheiden müssen. Bei der Erstverkündigung zum Beispiel müsste „die Darstellung Jesu Christi so erfolgen, dass er als die Erfüllung jener Sehnsucht verkündigt wird, die in den Mythen und im Volksglauben der Ureinwohner Asiens zum Ausdruck kommt“ <440>. Im allgemeinen ist die den asiatischen Kulturformen verwandte Erzählform als Methode vorzuziehen. In der Tat kann die Verkündigung Jesu Christi durch die Erzählung seiner Lebensgeschichte wirkungsvoll und aktuell gestaltet werden, wie dies ja auch das Evangelium tut. Die ontologischen Begriffe, die bei der Darstellung Jesu stets vorausgesetzt und zum Ausdruck gebracht werden müssen, können durch Einbeziehung historischer oder auch kosmischer Perspektiven eine Bereicherung erfahren, weil dadurch ein Bezug hergestellt wird. Die Kirche, so haben es die Synodenväter hervorgehoben, muss für die neuen und überraschenden Wege offen sein, durch die das Antlitz Jesu heutzutage in Asien dargestellt werden kann <441>. <440> Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatiopost disceptationem, 15. <441> Vgl. ebd. Die Synode hat empfohlen, dass die zukünftige Katechese „eine evokative Pädagogik anwendet, die sich der für die asiatische Lehrmethodik so charakteristischen 902 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geschichten, Gleichnisse und Symbole bedient“. Der Dienst Jesu selbst ist eindeutig durch den persönlichen Kontakt gekennzeichnet. Das wiederum verlangt von jemandem, der in der Evangelisierung tätig ist, sich in die Situation des Zuhörers zu versetzen und seine Verkündigung durch geeignete Formen und Redeweisen dessen Reifegrad anzupassen. Diesbezüglich haben die Synodenväter mehrmals die Notwendigkeit unterstrichen, das Evangelium so zu verkünden, dass dabei die Sensibilität der Völker Asiens berücksichtigt wird, was bedeutet, dass man ein der asiatischen Mentalität und den asiatischen Kulturen verständliches Bild von Jesus entwirft, welches aber auch gleichzeitig der Heiligen Schrift und der Tradition treu bleibt. Ein solches Bild ist zum Beispiel: „Jesus Christus, der Meister der Weisheit, der Heilende, der Befreier, der Seelenführer, der Erleuchtete, der mit den Armen Mitfühlende, der barmherzige Samariter, der gute Hirt, der Gehorsame.“ Jesus könnte als die menschgewordene Weisheit Gottes dargestellt werden, dessen Gnade die „Saat“ der göttlichen Weisheit zur Reife bringt, die bereits im Leben und in den Religionen der Völker Asiens enthalten ist. Bei all dem Leid, von dem die Völker Asiens heimgesucht sind, könnte Jesus am besten als der Retter verkündet werden, „der das Dasein all jener mit Sinn erfüllt, die unsäglichen Schmerz und Leid erdulden“. Der Glaube, den die Kirche ihren Söhnen und Töchtern in Asien als Geschenk überlässt, kann nicht in die Schranken des menschlichen Verstandes und der Ausdrucksweise irgendeiner menschlichen Kultur gezwängt werden, da er dieselbe übersteigt und in Wahrheit jede Kultur dazu herausfordert, sich zu neuen Höhen des Verstehens und des Ausdrucks aufzuschwingen. Gleichzeitig waren sich die Synodenväter jedoch auch der dringenden Notwendigkeit der Kirchen in Asien bewusst, das Mysterium Christi ihren Völkern gemäß deren kulturellen Kriterien und Denkweisen nahezubringen, wobei sie auch unterstrichen, dass eine solche Inkulturation des Glaubens auf diesem Kontinent eine Wiederentdeckung des asiatischen Antlitzes Jesu mit sich bringt, wobei man einen Modus finden muss, durch den die asiatischen Völker die universale Heilsbedeutung des Mysteriums Christi und seiner Kirche begreifen können. Man sollte in unserer heutigen Zeit jenem hohen Verständnisgrad für die Völker und Kulturen nachstreben, für den Männer wie Giovanni da Montecorvino, Matteo Ricci und Roberto de Nobili ein Beispiel sind, um nur einige zu nennen. Die Herausforderung der Inkulturation 21. Die Kultur ist der Lebensbereich, in dem der Mensch unmittelbar mit dem Evangelium konfrontiert wird. Da Kultur das Resultat des Lebens und Wirkens <442> <443> Ebd. Propositio 6. Vgl, Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio post disceptationem, 6. Ebd. Vgl, Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio ante disceptationem: L'Osservatore Romano, <443> April 1998, S. 5. O.R. dt. 1998, Nr. 21, S. 8 ff. 79 80 81 82 83 903 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einer Gruppe von Menschen ist, werden auch die Personen, die dieser Gruppe angehören, in hohem Maße von der Kultur geformt, in der sie leben. Und da sowohl die Menschen als auch die Gesellschaft sich verändern, verändert sich mit ihnen auch die Kultur. Indem sich die Kultur wandelt, wandelt sie auch die Menschen und die Gesellschaft. Angesichts dieser Tatsache wird deutlich, inwieweit auch Evangelisierung und Inkulturation in natürlicher und enger Beziehung zueinander stehen. Das Evangelium und die Evangelisierung lassen sich selbstverständlich nicht mit Kultur identifizieren; sie sind vielmehr von ihr unabhängig. Aber doch erreicht das Reich Gottes Menschen, die zutiefst an eine Kultur gebunden sind; noch kann die Errichtung des Reiches Gottes darauf verzichten, Elemente aus der menschlichen Kultur zu entleihen. Daher hat Paul VI. die Kluft zwischen Evangelium und Kultur das Drama unserer heutigen Zeit genannt, das tiefe Auswirkungen sowohl auf die Evangelisierung als auch auf die Kulturen hat <444>. <444> Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 8. Dezember 1975, Nr. 20: AAS 68(1976)18-19. Bei dem Prozess der Begegnung mit den verschiedenen Kulturen der Welt vermittelt die Kirche, die Kulturen von innen her erneuernd, nicht nur ihre Wahrheit und ihre Werte, sondern sie schöpft auch aus deren schon existierenden positiven Elementen. Das ist der verpflichtende Weg für die, die in der Evangelisierung tätig sind, das heißt, die den christlichen Glauben weitergeben und ihn zu einem Teil des Kulturguts eines Volkes machen. Andererseits können auch die verschiedenen Kulturen, wenn sie einmal geläutert und im Lichte des Evangeliums erneuert sind, zum wahren Ausdruck des einen christlichen Glaubens werden. „Ihrerseits wird die Kirche durch die Inkulturation immer verständlicheres Zeichen von dem, was geeigneteres Mittel der Mission ist.“ <445> Dieses Einbeziehen in die Kulturen gehörte stets zur Pilgerschaft der Kirche innerhalb der Geschichte, sie ist jedoch gerade heutzutage von besonderer Dringlichkeit angesichts der Vielfalt der Völker, Religionen und Kulturen in Asien, wo das Christentum allzu oft als eine fremde Religion betrachtet wird. <445> Johannes Paul II, Enzyklika Redemptoris missio, 7.Dezember 1990, Nr. 52: AAS 83(1991)300. In Anbetracht dieser Tatsache sollte man sich in Erinnerung rufen, was auch wiederholt auf der Synode zur Sprache kam, nämlich, dass der erste Handelnde bei der Inkulturation des Glaubens in Asien der Heilige Geist ist <446>. Derselbe Geist, der uns zur ganzen Wahrheit hinfuhrt, macht auch einen fruchtbaren Dialog mit den kulturellen und religiösen Werten unterschiedlicher Völker möglich, unter denen er in gewisser Weisegegenwärtig ist, insofern er den Männern und Frauen aufrichtigen Herzens die Kraft verleiht, Übel und Nachstellung des Bösen zu überwinden, und jedem die Möglichkeit bietet, am Ostergeheimnis teilzuhaben in einer Weise, die nur Gott kennt <447> <448>. Die Gegenwart des Heiligen Geistes bewirkt, dass sich dieser <446> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio post disceptationem, 9. <447> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nr. 22; Johannes Paul II, Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr: 28: AAS 83(1991)273-274. 904 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dialog in Wahrheit, Aufrichtigkeit, Demut und Achtung vollzieht <449>. „Indem sie anderen die Frohbotschaft von der Erlösung anbietet, bemüht sich die Kirche, deren Kulturen zu verstehen. Sie bemüht sich, die Gedanken und Herzen ihrer Zuhörer, ihre Werte und Gebräuche, ihre Probleme und Schwierigkeiten, ihre Hoffnungen und Erwartungen zu erfahren. Hat sie die verschiedenen Aspekte der Kultur einmal kennengelemt und verstanden, dann kann sie den Heilsdialog beginnen; sie kann voll Achtung, aber klar und mit Überzeugung die Frohbotschaft von der Erlösung all jenen anbieten, die aus freien Stücken zuhören und Antwort geben wollen.“ <450> Daher dürfen die Völker Asiens, die den christlichen Glauben zu ihrem machen wollen, nicht nur versichert sein, dass ihre Hoffnungen und Erwartungen, ihre Ängste und Leiden von Jesus angenommen sind, sondern auch, dass genau an diesem Punkt das Geschenk des Glaubens und die Kraft des Geistes in das tiefste Innere ihres Lebens eindringen. Nr. 22; Johannes Paul II, Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr: 28: AAS 83(1991)273-274. °° Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 56: AAS 83(1991)304 Johannes Paul II., Predigt bei der Messe mit den Katholiken aus West-Bengal (Kalkutta, 4. Februar 1986), 3: Insegnamenti IX,1 (1986), 314. Es ist Aufgabe der Hirten, mit dem ihnen eigenen Charisma diesen Dialog mit Vernunft einzuleiten. Gleichzeitig spielen auch die Experten in religiösen oder weltlichen Disziplinen innerhalb des Inkulturationsprozesses eine wichtige Rolle. Aber es muss auch der Prozess selbst das ganze Gottesvolk mit einbeziehen, da nämlich das Leben der Kirche als solches den verkündigten und angenommenen Glauben sichtbar werden lassen muss. Um sicher zu gehen, dass es in angemessener Weise geschieht, haben die Synodenväter einige Bereiche wie theologische Reflexion, Liturgie, Ausbildung der Priester und Ordensleute, Katechese und Spiritualität herausgearbeitet, welche besonderer Aufmerksamkeit bedürfen <451>. <451> Vgl. Propositio 43. Schlüsselbereiche der Inkulturation 22. Die Synode hat den Theologen Mut zugesprochen, die mit der anspruchsvollen Aufgabe betraut sind, eine inkulturierte Theologie speziell im Bereich der Christologie zu entwickeln <452>. Sie hob hervor, dass „diese Art, Theologie zu treiben, zwar mutig angegangen werden muss, man aber der Heiligen Schrift und der Tradition der Kirche treu zu bleiben hat, indem man aufrichtig hinter dem Lehramt der Kirche steht und sich in der seelsorglichen Situation auskennt“ <453>. Auch ich möchte die Theologen dazu einladen, im Geist der Einheit mit den Hirten und den Gliedern des Gottesvolkes vorzugehen, das „über den ursprünglichen Glaubenssinn nachdenkt, was nie aus dem Blick verloren gehen soll“ <454>, also in Einheit und nie getrennt voneinander. Die theologische Arbeit muss stets von der Achtung vor der Sensibilität der Christen bestimmt sein, so dass die Menschen durch ein schrittwei- <452> Vgl. Propositio 1. <453> Ebd. 92 Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7.Dezember 1990, Nr. 54: AAS 83(1991)302. 905 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ses Hineinwachsen in die durch die Inkulturation aufgenommenen Formen des Glaubensausdrucks weder verwirrt noch verstimmt werden. Auf alle Fälle muss die Inkulturation von der Kompatibilität mit dem Evangelium und der Gemeinschaft mit dem Glauben der Universalkirche bestimmt sein <455>. Sie muss in voller Übereinstimmung mit der Tradition der Kirche ausgeführt werden, wobei man die Glaubensstärkung des Volkes im Blick haben muss. Der Beweis für eine wahre Inkulturation ist, wenn sich die Gläubigen deshalb mehr im christlichen Glauben engagieren, weil sie denselben deutlicher mit den Augen der eigenen Kultur wahmehmen. Die Liturgie ist die Quelle und der Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens und der christlichen Sendung <456>. Sie ist ein grundlegendes Mittel der Evangelisierung besonders in Asien, wo die Angehörigen der verschiedenen Religionen so sehr vom Kult, von den religiösen Festen und der Volksfrömmigkeit angezogen sind <457>. Die Liturgie der Orientalischen Kirchen wurde mit Erfolg im Lauf jahrhundertelanger wechselseitiger Beziehungen zu der sie umgebenden Kultur größtenteils inkulturiert, während sie für die jungen Kirchen noch zur einer stärkeren Nahrungsquelle für die Gläubigen werden muss, indem man den örtlichen Kulturen Elemente entlehnt und diese auf kluge und wirksame Weise in das liturgische Brauchtum übernimmt. Aber dennoch verlangt die Inkulturation der Liturgie wesentlich mehr als eine Konzentration auf traditionelle Kulturwerte, Symbole und Riten. Man muss sich dabei auch die Veränderungen im Bewusstsein und Verhalten vergegenwärtigen, die vom Aufkommen einer säkularisierten Konsumkultur herrühren, die den asiatischen Kult- und Gebetssinn beeinflusst. Auch darf man zu Gunsten einer genuinen liturgischen Inkulturation in Asien die spezifischen Bedürfnisse der Armen, der Migranten, der Flüchtlinge, der Jugendlichen und der Frauen nicht vergessen. <455> Vgl. ebd.,a.a.O„ 301. <456> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie, Sacrosanctum concilium, Nr. 2; Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien, Reiatio post disceptationem, 14. <457> Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Reiatio post disceptationem, 14; Propositio 43. Die nationalen und regionalen Bischofskonferenzen müssen enger mit der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung Zusammenarbeiten, um nach wirksamen Wegen zur Förderung geeigneter Gottesdienstformen im Kontext Asiens zu suchen <458>. Eine solche Zusammenarbeit ist von wesentlicher Bedeutung, weil die Liturgie durch ihre Feier den einzigen, von allen bekannten Glauben zum Ausdruck bringt, und da sie Erbe der ganzen Kirche ist, kann sie nicht durch von der Gesamtkirche isolierte Ortskirchen bestimmt werden. <458> Vgl. Propositio 43. Die Synodenväter bestanden vor allem auf der Bedeutung des Wortes der Bibel für die Weitergabe der Heilsbotschaft an die Völker jenes Kontinentes, wo das mitgeteilte Wort so wichtig ist für die Erhaltung und Weitergabe religiöser Erfahrung <459>. Daraus folgt aber, dass ein wirksames Bibelapostolat der Entfaltung bedarf, um <459> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Reiatio post disceptationem, 13. 906 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sicherzustellen, dass die heiligen Worte weiter verbreitet und in einem Gebetsgeist der Glieder der Kirche in Asien intensiver genutzt werden. Die Synodenväter hoben auch die Dringlichkeit hervor, dass die Bibel die Grundlage jeglicher missionarischer Verkündigung, jeglicher Katechese und Predigttätigkeit sowie jeder Art von Spiritualität sei". Auch sollen die Anstrengungen, die Bibel in die einzelnen Volkssprachen zu übersetzen, ermutigt und unterstützt werden, während die biblische Unterweisung als ein wichtiges Mittel zur Glaubenserziehung der Menschen betrachtet werden sollte, wodurch diese zur Aufgabe der Verkündigung befähigt werden. Man wird dabei an der Seelsorge orientierte Bibelkurse miteinbeziehen müssen, wobei der Akzent auf der Anwendung der biblischen Lehre innerhalb der komplexen Realität Asiens im Blick auf die Bildungsprogramme für den Klerus, die Ordensleute und den Laienstand liegen muss <460> <461>. Die Heilige Schrift sollte auch unter den Anhängern anderer Religionen bekannt gemacht werden, da dem Wort Gottes eine Kraft innewohnt, das Herz der Menschen anzurühren, denn dadurch offenbart der Geist Gottes den göttlichen Heilsplan für die Welt. Außerdem haben die Erzählstile, die in vielen biblischen Büchern auffallend sind, eine Affinität zu den für Asien typischen religiösen Texten <462>. Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Inkulturation ist die Ausbildung derer, die das Evangelium verkünden. Von ihnen hängt zum großen Teil auch deren Zukunft ab. In der Vergangenheit hat man bei der Ausbildung häufig die im Abendland entstandenen Stile, Methoden und Programme befolgt. Zwar kommt dem Dienst, der durch diese Art der Ausbildung geleistet wurde, Anerkennung zu, aber die Synodenväter haben auch die Mühenjüngster Zeit hinsichtlich einer Anpassung der Ausbildung für die Evangelisierung an den kulturellen Kontext Asiens als positive Entwicklung anerkannt. Außer einer soliden biblischen und patristischen Ausbildung müssen die Seminaristen eine artikulierte und sichere Kenntnis des theologischen und philosophischen Erbes der Kirche erwerben, wie es die Enzyklika Fides et ratio hervorhebt <463>. Von der Grundlage dieser Vorbereitung werden sie dann profitieren können, wenn sie daran gehen, sich mit den philosophischen und religiösen Traditionen Asiens zu beschäftigen <464>. Außerdem haben die Synodenväter auch die Professoren und Mitarbeiter in den Seminaren ermutigt, doch zu versuchen, die dem asiatischen Geist nahestehenden Elemente der Spiritualität und des Gebetes zu verstehen und sich bei der Suche der asiatischen Völkern nach einem Leben in Fülle immer tiefer einbinden zulassen <465>. Zu diesem Zweck betonte man besonders die Notwendigkeit, dem Lehrkörper in den Seminaren eine angemessene Ausbildung zuzusichem <466>. Auch <460> Vgl. ebd <461> Vgl. Propositio IS. <462> Vgl. Propositio 17. <463> Vgl. Nm. 60, 62, 105: AAS 91(1999)52-53;54;85-86. <464> Vgl. Propositio 24. <465> Vgl. Propositio 25, <466> Vgl. ebd. 907 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gab die Synode ihrer Sorge für die Ausbildung der Männer und Frauen für das geweihte Leben Ausdruck, wobei man besonders deutlich hervorhob, dass ihre Spiritualität und ihr Lebensstil eine Sensibilität für das religiöse und kulturelle Erbe der Menschen aufweisen muss, unter denen sie leben und denen sie dienen unter der Voraussetzung der notwendigen Unterscheidung zwischen dem, was mit dem Evangelium im Einklang steht und was ihm entgegensteht <467>. Außerdem ist aufgrund der Tatsache, dass die Inkulturation das ganze Gottesvolk mit einbezieht, die Rolle des Laienstandes von wesentlicher Bedeutung, denn die Laien sind vor allen anderen zur Umwandlung der Gesellschaft berufen, und zwar indem sie in Zusammenarbeit mit den Bischöfen, dem Klerus und den Ordensleuten der Mentalität, den Sitten, Gesetzen und Strukturen der nichtchristlichen Welt, in der sie leben, den „Gedanken Christi“ eingießen <468>. Eine größer angelegte Inkulturation des Evangeliums in allen Gesellschaftsschichten Asiens wird in bemerkenswerter Weise von einer geeigneten Ausbildung abhängen, welche die Ortskirche dem Laienstand zu vermitteln weiß. <467> Vgl. Propositio 27. <468> Vgl. Propositio 29. Christliches Leben als Verkündigung 23. Je mehr die christliche Gemeinschaft auf der Gotteserfahrung aus gelebtem Glauben gründet, desto mehr wird sie im Stande sein, anderen in glaubwürdiger Weise die Erfüllung des Reiches Gottes in Jesus Christus zu verkünden. Das hängt auch von der treuen Annahme des Wortes Gottes sowie von Gebet und Betrachtung ab, von der Feier des Mysteriums Jesu in den Sakramenten - allen voran im Sakrament der Eucharistie - und vom Vorbild wahrer Lebensgemeinschaft und Unversehrtheit der Liebe. Der Mittelpunkt in den Teilkirchen muss die Betrachtung Jesu Christi sein, der Gott ist und Mensch wurde: Die Kirche muss ständig auf eine noch tiefere Einheit mit Ihm bedacht sein, dessen Sendung sie weiterführt. Mission ist kontemplative Aktivität und aktive Kontemplation. Daher wird ein Missionar, der Gott nicht zutiefst im Gebet und in der Betrachtung erfahren hat, wenig spirituellen Einfluss oder Erfolg in seinem Dienst haben. Es handelt sich hierbei um einen Gedanken, den ich aus meiner persönlichen Erfahrung als Priester und — wie ich auch anderswo geschrieben habe - aus den Kontakten mit Vertretern nichtchristlicher geistlicher Traditionen, besonders jener asiatischen, geschöpft habe. Dadurch wurde ich in meiner Überzeugung bestätigt, dass die Zukunft der Mission in erheblichem Maße von der kontemplativen Betrachtung abhängt <469>. <469> Vgl. Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezemberl990, Nr. 91: AAS 83(1991)338. Ein wirklich religiöser Mensch wird in Asien ohne weiteres geachtet, und mit Leichtigkeit folgen ihm die Menschen nach. Gebet, Fasten und verschiedene Formen der Askese stehen in hohem Ansehen. Entsagung, Zurückgezogenheit, Demut, Einfalt und Schweigen werden dort von den Mitgliedern aller Religionen als große 908 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werte betrachtet. Und damit das Gebet nicht von der humanen Entfaltung der Menschen losgelöst wird, hoben die Synodenväter hervor, dass „die Werke der Gerechtigkeit, der Nächstenliebe und des Mitleids eng an ein wirkliches Leben in Gebet und Kontemplation gebunden sind“ und weiter, dass „eben diese Spiritualität die Quelle sein wird für unser Werk der Evangelisierung“ <470>. In voller Überzeugung von der Bedeutung eines echten Zeugnisses bei der Evangelisiemng Asiens haben die Synodenväter gesagt: „Die Frohbotschaft von Jesus Christus kann nur von solchen Menschen verkündet werden, die auch von der in der Person Jesu Christi offenbargewordenen Liebe des Vaters zu seinen Kindern ergriffen und inspiriert sind. Eine solche Verkündigung ist eine Mission, die heiligmäßige Männer und Frauen braucht, die durch ihr eigenes Leben die Menschen dazu bringen, Jesus Christus kennen und lieben zu lernen. Ein Feuer kann durch nichts angezündet werden, das nicht selbst entbrannt ist. Und so kann auch die Verkündigung der Frohbotschaft in Asien nur dann Fuß fassen, wenn Bischöfe und Priester, Ordensleute und Laien selbst von der Liebe zu Christus entbrannt sind und mit brennendem Eifer daran gehen, ihn bestmöglich bekannt zu machen, damit die Menschen ihn noch inniger lieben und ihm noch konsequenter nachfolgen.“ <471> Die Christen, die von Christus sprechen, müssen auch die Botschaft, die sie verkünden, in ihrem Leben lebendig werden lassen. <470> Propositio 19. <471> pr0positio 8. Hier gilt es aber doch noch einen besonderen Umstand zu beachten, besonders im Hinblick auf Asien. Die Kirche weiß, dass das schweigende Lebenszeugnis auch heute noch in vielen Gegenden Asiens die einzige Art und Weise ist, das Reich Gottes zu verkünden, weil dort die offene Verkündigung verboten und die Religionsfreiheit nicht gegeben ist bzw. systematisch eingeschränkt wird. Die Kirche lebt diese Art von Zeugnis ganz bewusst und betrachtet dies als das, was „täglich sein Kreuz auf sich nehmen“(vgl. Lk 9,23) heißt. Dabei richtet sie dennoch unermüdlich und immer wieder den dringenden Aufruf an die Regierungen, die Religionsfreiheit als ein fündamentales Menschenrecht anzuerkennen. Und so lassen sich in Anbetracht dieses Umstandes bezeichnenderweise die Worte des II. Vatikanischen Konzils wiederholen, „daß die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat. Diese Freiheit besteht darin, daß alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von seiten einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so daß in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen - innerhalb der gebührenden Grenzen -nach seinem Gewissen zu handeln“ <472>. In einigen asiatischen Ländern muss dieses Prinzip erst noch anerkannt und in die Tat umgesetzt werden. Natürlich stellt die Verkündigung Jesu Christi viele komplexe Aspekte dar sowohl, was den Inhalt als auch was die Methode betrifft. Und die Synodenväter waren sich der legitimen <472> Erklärung über die Religionsfreiheit, Dignitatis humanae, Nr. 2. 909 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vielfalt des Zugangs zur Verkündigung Jesu sehr wohl bewusst. Dabei galt jedoch immer die Bedingung, dass der Glaube in seiner Reinheit im Prozess des Aneig-nens und im gemeinsamen Glaubensleben respektiert wird. Die Synode hat hervorgehoben, dass „heute die Evangelisierung unter verschiedenen Aspekten wie Zeugnis, Dialog, Verkündigung, Katechese, Konversion, Taufe, Eingliederung in die kirchliche Gemeinschaft, Festigung der Kirche, Inkulturation und ganzheitliche Entwicklung des Menschen eine reiche und dynamische Realität darstellt. Einige dieser Elemente gehen gemeinsam vonstatten, während andere Stationen bzw. aufeinanderfolgende Phasen des gesamten Prozesses der Evangelisierung darstellen“ <473>. Bei all diesen Werken der Evangelisierung muss jedoch immer die ganze Wahrheit von Jesus Christus verkündet werden. Es ist zwar legitim, einige Aspekte des unergründlichen Geheimnisses Jesu hervorzuheben, besonders dann, wenn man jemanden schrittweise zu Christus hinführen will, es darf aber kein Kompromiss zugelassen werden, wenn es um die Integrität des Glaubens geht. Und schließlich muss auch die Annahme des Glaubens seitens einzelner auf dem sicheren Verständnis der Person Jesu Christi gründen, denn er ist der Herr aller, und er ist „derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8), so, wie es die Kirche immer und überall gelehrt hat. <473> Propositio 6. Kapitel V Gemeinschaft und Dialog für die Mission Gemeinschaft und Mission gehen Hand in Hand 24. Dem ewigen Plan des Vaters gehorsam, wurde die Kirche, die von Anbeginn der Welt gewollt war, durch das Alte Testament vorbereitet und von Jesus Christus eingesetzt wurde, am Pfingsttag durch den Heiligen Geist in der Welt vergegenwärtigt. „So wandert die Kirche auf ihrer Pilgerreise ... zwischen Verfolgungen der Welt und Tröstungen Gottes dahin“ <474>, während sie sich zur Vollkommenheit in der himmlischen Glorie hin bewegt. Und da Gott will, dass „das ganze Menschengeschlecht ein Volk Gottesbilde, in den einen Leib Christi zusammenwachse und zu dem einen Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut werde“ <475>, daher ist die Kirche in der Welt „das sichtbare Zeichen der Liebe Gottes zur Menschheit“ ..., „das Sakrament des Heils“ <476>. Daher kann man sie nicht einfach als eine Sozialorganisation oder als ein Wohltätigkeitsverein betrachten. Auch wenn sich unter ihren Gliedern sündhafte Menschen befinden, muss sie als der privilegierte Ort der <474> Hl. Augustinus, De civitate Dei, XVIII,51,2: PL 41,614; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Kon-stitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 8. H4 xi. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 7; vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 17. H5 Paul VI., Ansprache an die Kardinälezu ihrem Namensfest (22. Juni 1973): AAS 65(1973)391. 910 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Begegnung zwischen Gott und dem Menschen gesehen werden, an dem Gott das Geheimnis seines innersten Lebens offenbaren und seinen Heilsplan für die Welt verwirklichen wollte. Das Geheimnis der göttlichen Liebe wird sichtbar und aktiv in der Gemeinschaft der Menschen, die mit Christus durch die Taufe auf den Tod hin begraben wurden, und wie auch Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so können auch sie als neue Menschen leben (vgl. Röm 6,4). Im Mittelpunkt des Mysteriums der Kirche ist das Band der Gemeinschaft, das Christus, den Bräutigam, mit allen Getauften vereint. Durch diese lebendige und lebenspendende Gemeinschaft, „aufgrund derer die Christen nicht sich selbst gehören, sondern [...] Christi Eigentum sind“ <477>, vereint mit dem Sohn durch das Liebesband des Geistes, sind sie auch mit dem Vater vereint, und aus dieser Gemeinschaft geht auch die Gemeinschaft hervor, welche sie untereinander durch Christus im Heiligen Geist verbindet <478>. Erstrangiges Ziel der Kirche ist es daher, das Sakrament der innigen Vereinigung des Menschen mit Gott zu sein und, da die Gemeinschaft der Menschen untereinander in dieser Vereinigung mit Gott wurzelt, ist die Kirche auch das Sakrament der Einheit des Menschengeschlechts <479>, die in ihr bereits begonnen hat. Gleichzeitig ist sie auch „Zeichen und Wekzeug“ der vollen Verwirklichung dieser noch zu vollbringenden Einheit <480>. <477> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici, 30. Dezember 1988, Nr. 18: AAS 81(1989)421. <478> Vgl. ebd.; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 4. <479> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 775. <480> Vgl. eta Dies ist eine wesentliche Voraussetzung des Lebens in Christrus, dass der, der in die Gemeinschaft mit dem Herrn eintritt, Frucht bringen soll: „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht“ (Joh 15,5). Das ist so wahr, dass derjenige, der keine Frucht bringt, auch nicht in der Gemeinschaft verbleibt: „Jede Rebe an mir, die keine Fracht bringt, schneidet er [der Vater] ab“ (Joh 15,2). Die Gemeinschaft mit Jesus, die der Beginn der Gemeinschaft der Christen untereinander ist, ist die unerlässliche Bedingung, um Fracht zu bringen, und die Gemeinschaft mit den anderen, ein Geschenk Christi und seines Geistes, ist die schönste Fracht, welche die Reben bringen können. In diesem Sinne sind Gemeinschaft und Mission unzertrennlich miteinander verbunden und durchdringen einander, sie bedingen sich gegenseitig, so dass „die ,communio‘ zugleich Quelle und Frucht der Sendung ist: die ,communio‘ ist missionarisch, und die Sendung gilt der ,communio.“‘ <481> 129 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laic, 30. Dezember 1988, Nr. 32: AAS 81(1989)451—452. Indem sich das II. Vatikanische Konzil der Theologie der Gemeinschaft bediente, konnte es die Kirche als das Volk Gottes auf der Pilgerschaft beschreiben, mit dem 911 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gewisserweise alle Völker verbunden sind <482>. Auf dieser Grundlage haben die Synodenväter den Akzent auf die geheimnisvolle Verbindung zwischen der Kirche und den Anhängern anderer asiatischer Religionen gelegt, wobei sie bemerkten, dass diese „in verschiedener Weise und in unterschiedlichem Grad mit der Kirche im Verhältnis stehen“ <483>. Bei so unterschiedlichen-Völkern, Kulturen und Religionen „ist das Leben der Kirche als Gemeinschaft von allergrößter Bedeutung“ <484>. In der Tat hat der Dienst der Einheit der Kirche eine spezifische Relevanz in Asien, wo es so viele Spannungen, Trennungen und Konflikte gibt, deren Ursprung in ethnischen, sozialen, kulturellen, sprachlichen, wirtschaftlichen und religiösen Unterschieden liegt. In eben diesem Kontext müssen die Ortskirchen in Asien, die in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri stehen, untereinander eine tiefere Zusammengehörigkeit des Geistes und des Herzens fördern, indem sie enger miteinander Zusammenarbeiten. Außerdem sind die Beziehungen zu anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sowie zu Zugehörigen anderer Religionen für die Sendung zur Evangelisierung von vitaler Bedeutung <485> <486>. Daher hat die Synode die Erfüllung der Aufgabe erneuert, sowohl die ökumenischen Beziehungen als auch den interreligiösen Dialog zufördem, denn sie hat zur Kenntnis genommen, dass es für den kirchlichen Auftrag der Evangelisierung auf diesem Kontinent wesentlich ist, Einheit zu schaffen, sich für die Versöhnung einzusetzen, Bande der Solidarität zu knüpfen, den Dialog der Religionen und Kulturen zu fordern, Vorurteile auszuräumen und Vertrauen unter den Völkern zuschaffen. All das verlangt von der katholischen Gemeinschaft eine aufrichtige Erforschung des Gewissens, den Mut zur Versöhnung und einemeuertes Engagement für den Dialog. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend wird klar, dass die Fähigkeit der Kirche zur Evangelisierung erfordert, sich inständig darum zu bemühen, dem Anliegen der Einheit in allen Dimensionen zu dienen, da nämlich Gemeinschaft und Mission Hand in Hand gehen. <482> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 16. <483> Propositio 13. <484> Ebd. <485> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio ante disceptationem: L'Osservatore Romano, 22. April 1998, S. 6; O.R. dt. 1998, Nr. 21, S. 8 ff. Gemeinschaft innerhalb der Kirche 25. Vereint um den Nachfolger Petri, beten die Bischöfe der Sonderversammlung für Asien gemeinsam und arbeiten zusammen. So geben sie ein konkretes Bild von dem ab, was die kirchliche Gemeinschaft in ihrer so reichen Verschiedenheit ist, die aus den Teilkirchen kommt, denen sie in Liebe vorstehen. Meine Anwesenheit bei den Generalkongregationen der Synode war einerseits eine großartige Gelegenheit, um Schwierigkeiten, Freude und Hoffnungen der Bischöfe zu teilen, andererseits war es eine intensive und zutiefst empfundene Ausübung meines Amtes. Denn gerade in dieser Perspektive der kirchlichen Gemeinschaft kommt die uni- 912 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN versale Autorität des Nachfolgers Petri am deutlichsten zum Vorschein, und zwar nicht in erster Linie als jurisdiktionelle Vollmacht über die Ortskirchen, sondern vor allem als Pastoralprimat im Dienste der Einheit des Glaubens und Lebens des gesamten Gottesvolkes. Die Synodenväter waren sich zutiefst bewusst, „dass das Petrusamt die spezifische Funktion hat, die Einheit der Kirche zu garantieren und zufordem“ <487>, und in diesem Sinne haben sie auch den Dienst anerkannt und geschätzt, den die Dikasterien der Römischen Kurie und der diplomatische Dienst des Hl. Stuhls den Ortskirchengegenüber im Geiste der Gemeinschaft und Kollegialität leisten <488>. Eine wesentliche Dimension dieses Dienstes ist die Achtung und Sensibilität, den diese engen Mitarbeiter des Nachfolgers Petri der legitimen Unterschiedlichkeit der Ortskirchen und der kulturellen Vielfalt der Völker, mit denen sie in Kontakt kommen, entgegenbringen. 22. April 1998, S. 6; O.R. dt. 1998, Nr. 21, S. 8 ff. <488> Propositio 13; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 22. 126 Vgl. ebd. Jede Teilkirche muss auf dem Zeugnis der kirchlichen Gemeinschaft gegründet sein, welches das Seinsprinzip der Kirche selbst darstellt. Die Synodenväter haben für die Beschreibung der Diözese die Definition einer Gemeinschaft der von den Hirten versammelten Gemeinden gewählt, wo der Klerus, die Ordensleute und die Laien sich um einen „Dialog des Lebens und des Herzens“ <489> bemühen, bei dem sie von der Gnade des Heiligen Geistes unterstützt werden. In erster Linie kann sich nämlich in der Diözese die Vision der Gemeinschaft einer Gemeinde inmitten jener komplexen sozialen, politischen, religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Realität Asiens bewahrheiten. Kirchliche Gemeinschaft beinhaltet, dass jede Ortskirche zu dem werden muss, was die Synodenväter eine „teilnehmende Kirche“ genannt haben, das heißt eine Kirche, in der jeder seine eigene Berufung lebt und sie in seine Rolle einfügt, damit die „Gemeinschaft für die Mission“ und die „Mission der Gemeinschaft“ errichtet werden kann. Das Charisma des einzelnen Mitglieds muss anerkannt, entfaltet und in wirksamer Weise eingesetzt werden <490>. Genauer gesagt, heißt das, es besteht eine Notwendigkeit, eine größere Einbeziehung der Laien und Ordensleute in das Seelsorgeprogramm und in den Entscheidungsprozeß zu fordern, und zwar mit Hilfe von Strukturen, die diese Teilnahme ermöglichen, wie zum Beispiel Seelsorgeräte oder Pfarrgemeindeversammlungen <491>. <489> Vgl. Propositio 15; Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Gemeinschaft, Communionis notio (28. Mai 1992), 3-10: AAS 85(1993)839-844. <490> Vgl. Propositio 15. <491> Vgl. ebd. In jeder Diözese ist die Pfarrei der normale Ort, an dem die Gläubigen sich versammeln, um im Glauben zu wachsen, um das Geheimnis der kirchlichen Gemeinschaft zu erleben und um an der Mission der Kirche teilzunehmen. Daher haben die Synodenväter die Pfarrer eindringlich dazu eingeladen, neue und wirksame Arten für die seelsorgliche Leitung der Gläubigen bereitzustellen, so dass alle, be- 913 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sonders aber die Armen, sich wirklich als zur Pfarrei und zum ganzen Gottesvolk zugehörig fühlen. Es sollte eine normale Praxis jeder Pfarrgemeinde sein, die Seelsorge zusammen mit den Laien zu gestalten <492>. Außerdem hat die Synode besonders die Jugendlichen als diejenigen bestimmt, für welche „die Pfarrei größere Möglichkeiten zur Freundschaft und Gemeinschaft durch Aktivitäten im Bereich eines organisierten Jugendapostolates oder durch Jugendverbände anbieten müsste“ <493>. Keiner dürfte von vornherein davon ausgeschlossen sein, voll und ganz am Leben und an der Sendung der Pfarrei im Rahmen der sozialen, wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und pädagogischen Gegebenheiten teilzunehmen, und da jeder, der Christus nachfolgt, der Gemeinschaft eine Gabe zu bieten hat, sollte sich auch die Gemeinschaft bereit zeigen, die Gabe eines jeden anzunehmen und aus ihr Nutzen zu ziehen. <492> Vgl. Propositio 16. <493> Propositio 34. In einem solchen Kontext und im Hinblick auf die eigene Seelsorgeerfahrung haben die Synodenväter den Wert der kirchlichen Basisgemeinden als eine wirksame Art der Gemeinschaftsforderung und Teilnahme an der Pfarrei und der Diözese hervorgehoben und sie als eine genuine Kraft der Evangelisierung qualifiziert <494>. Diese kleine Gruppen helfen den Gemeinden, zu leben, zu beten und sich gegenseitig zu lieben wie die Urchristen (vgl. Apg 2,44—47;4,32—35). Denn sie neigen dazu, den eigenen Mitgliedern zu helfen, das Evangelium in einem Geist der brüderlichen Liebe und des Dienstes zu leben, und sind daher ein solider Ausgangspunkt, um eine neue Gesellschaft zu gründen, die ein Ausdruck der Zivilisation der Liebe ist. Zusammen mit der Synode ermutige ich die Kirche in Asien, diese Basisgemeinden dort, wo es möglich ist, als ein brauchbares Werkzeug für das kirchliche Werk der Evangelisierung zu betrachten. Gleichzeitig werden sie auch Nutzen bringen, wenn sie, so schrieb Paul VI., in Einheit mit der Ortskirche und der Gesamtkirche leben, in aufrichtiger Gemeinschaft mit den Hirten und dem Lehramt stehen und sich in der Mission engagieren, ohne irgendwelchen Isolationsstrukturen oder ideologischen Ausnutzungsschemen Raum zu gewähren <495>. Die Anwesenheit dieser kleinen Gemeinschaften steht den Institutionen und fest gefügten Strukturen nicht entgegen, welche für die Kirche notwendig bleiben, um die eigene Mission zu erfüllen. <494> Vgl. Propositio 30; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 51: AAS 83(1991)298. <495> vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 8. Dezember 1975, Nr. 58: AAS 68(1976)46^19; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 51: AAS 83(1991)299. Auch hat die Synode die Rolle der Emeuerungsbewegungen für die Errichtung der Gemeinschaft anerkannt, vor allem dann, wenn sie die Möglichkeit bieten, durch den Glauben und die Sakramente sowie durch die Förderung einer Umkehr im Lebenswandel eine noch tiefere Gotteserfahrung zu erleben <496>. Es obliegt der Ver- 134 vgl. Propositio 31. 914 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN antwortung der Hirten, solche Gruppen zu leiten, zu begleiten und zu ermutigen, damit sie sich gut in das Leben und die Mission der Pfarrei und der Diözese integrieren können. Alle, die irgendwelchen Verbänden oder Bewegungen angehören, sollten der Ortskirche Unterstützung leisten und sich nicht selbst als eine Alternative zu den diözesanen Strukturen und dem Leben in der Pfarrei präsentieren. Die Gemeinschaft wird dann gestärkt, wenn die jeweiligen Verantwortlichen dieser Bewegungen mit den Hirten im Geist der Nächstenliebe zum Wohle aller Zusammenarbeiten (vgl. 1 Kor 1,13). Solidarität unter den Kirchen 26. Diese Gemeinschaft „ad intra“ trägt auch zur Solidarität unter den verschiedenen Ortskirchen bei. Es ist legitim und unerlässlich, den Bedürfnissen der Ortskirchen nachzukommen, doch verlangt Gemeinschaft, dass diese Ortskirchen offen zueinander stehen und Zusammenarbeiten, so dass sie durch ihre Verschiedenheit klar und deutlich das Band der Gemeinschaft mit der Universalkirche bewahren und zum Ausdruck bringen. Gemeinschaft verlangt auch gegenseitiges Verständnis und eine koordinierte Annäherung an die Mission, und zwar ohne Vorurteile gegenüber der Autonomie und den Rechten jener Kirchen gemäß ihrer jeweiligen theologischen, liturgischen und spirituellen Traditionen. Beweist doch die Geschichte, wie oft Trennungen die Gemeinschaft der Kirchen in Asien verletzt haben. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Beziehungen zwischen den Teilkirchen unterschiedlicher kirchlicher Jurisdiktionen oder verschiedener liturgischer Traditionen und missionarischer Methoden als voller Spannungen und Schwierigkeiten herausgestellt. Die auf der Synode anwesenden Bischöfe räumten ein, dass leider auch heutzutage sowohl zwischen den Teilkirchen in Asien als auch innerhalb derselben mitunter immer noch Trennungen Vorkommen, die oft im Zusammenhang stehen mit der rituellen, liturgischen, ethnischen, ideologischen Verschiedenheit sowie den unterschiedlichen gesellschaftlichen Kasten. Einige Wunden sind zwar zum Teil verheilt, jedoch immer noch nicht völlig ausgeheilt. Die Synodenväter waren sich bewusst, dass dort, wo die Gemeinschaft geschwächt ist, das Zeugnis der Kirche und ihr missionarisches Werk darunter zuleiden hat. Deshalb haben sie konkrete Initiativen zur Stärkung der gegenseitigen Beziehung der asiatischen Teilkirchen vorgeschlagen. Außer den notwendigen spirituellen Ausdrucksformen zur Unterstützung und Ermutigung wurde eine gleichmäßigere Verteilung der Priester, eine wirksamere wirtschaftliche Solidarität, kultureller und theologischer Austausch sowie ein größeres Angebot von Partnerschaften mit anderen Diözesen vorgeschlagen <497>. <497> yg] propositio 14. Regionale und kontinentale Verbände der Bischöfe, insbesondere der Rat der katholischen Patriarchen des Mittleren Ostens und die Föderation der asiatischen Bischofskonferenzen, haben dazu beigetragen, die Einheit unter den Ortskirchen zu fördern. Man hat einen Begegnungsort der Zusammenarbeit zur Lösung von pasto- 915 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ralen Problemen geschaffen. Ebenso gibt es in Asien etliche theologische, spirituelle und pastorale Zentren, welche die Gemeinschaft und praktische Zusammenarbeit fordern <498>. Es muss das Anliegen aller sein, dafür zu sorgen, dass diese vielversprechenden Initiativen zum Wohle der Kirche und der Gesellschaft in Asien weiterentwickelt werden. <498> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio ante disceptationem: L'Osservatore Romano, 22. April 1998, S. 6; O.R .dt. 1998, Nr. 21, S. 8 ff. Die katholischen Ostkirchen 27. Die Situation der katholischen Ostkirchen, vornehmlich jener des Mittleren Ostens und Indiens, verdient besondere Aufmerksamkeit. Sie waren seit der apostolischen Zeit die Hüter eines wertvollen spirituellen, liturgischen und theologischen Erbes. Ihre Riten und Traditionen, die aus einer tiefgreifenden Inkulturation des Glaubens in vielen asiatischen Ländern hervorgehen, haben ein Anrecht auf allerhöchsten Respekt. Zusammen mit den Synodenvätem möchte ich, dass alle legitimen Bräuche und die Freiheit dieser Kirchen in disziplinären und liturgischen Angelegenheiten anerkannt werden, so wie sie das Orientalische Kirchenrecht festgesetzt hat <499>. Im Lichte der Lehre des II. Vatikanischen Konzils besteht eine dringende Notwendigkeit, die Ängste und die Verständnislosigkeit zu überwinden, die mitunter zwischen den Katholischen Ostkirchen und der lateinischen Kirche aufzukommen scheinen und offenbar auch innerhalb jener Kirchen selbst, besonders im Hinblick auf die Seelsorge, auch außerhalb des eigenen Territoriums existieren <500>. Als Kinder der einen Kirche und in neuem Leben in Christus wiedergeboren, sind die Gläubigen dazu berufen, alles in einem Geist der Gemeinschaft, in guter Absicht, mit Vertrauen und in unerschütterlicher Liebe anzugehen. Man darf nicht zulassen, dass die Konflikte Ursache von Trennung sind, sondern sie müssen im Geist der Wahrheit und Achtung angegangen werden, denn nur aus der Liebe heraus kann Gutes entstehen <501>. <499> Vgl. Propositio 50. <500> Vgl. Propositiones 36, 50. <501> Val. Johannes Paul II., Ansprache an die Bischofssynode der syro-malabarischen Kirche (8. Januar 1996), 6: AAS 88(1996)41. Diese ehrwürdigen Kirchen sind direkt in den ökumenischen Dialog mit den orthodoxen Schwesterkirchen einbezogen, und die Synodenväter haben sie ermutigt, auf diesem Wege weiterzugehen <502>. Auch haben sie sehr wertvolle Erfahrungen im Rahmen des interreligiösen Dialogs gemacht - und dies ganz besonders mit dem Islam, was auch für andere Kirchen in Asien und anderswo hilfreich sein kann. Selbstverständlich sind die katholischen Ostkirchen sehr reich an Traditionen und Erfahrungen, die sie in großartiger Weise zum Wohl der ganzen Kirche einsetzen können. <502> vgl. Propositio 50. 916 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geteilte Hoffnung, geteiltes Leid 28. Auch waren sich die Synodenväter bewusst, dass es einer wirkungsvollen Gemeinschaft und Zusammenarbeit mit den auf asiatischem Boden ansässigen Ortskirchen der ehemaligen Sowjetunion bedarf, welche unter schwierigen, aus einer geschichtlichen Zeit des Leids herrührenden Umständen im Wiederaufbau begriffen sind. Die Kirche begleitet sie im Gebet und teilt mit ihnen das Leid und die wiedergefundenen Hoffnungen. Daher ermutige ich die ganze Kirche, diese Ortskirchen moralisch, spirituell und materiell zu unterstützen, vielleicht auch, indem man ihnen Geistliche und Laien zur Verfügung stellt, denn diese sind wirklich notwendig, damit diesen Gemeinschaften dabei geholfen werden kann, Gottes Liebe, die in Christus geoffenbart wurde, mit den Völkern dieser Länder zu teilen <503>. <503> vgl. Propositio 56. In vielen Teilen Asiens leben unsere Brüder und Schwestern ihren Glauben weiterhin unter einschränkenden Bedingungen oder gar in totaler Aberkennung der Freiheit. Diesen leidenden Gliedern der Kirche gegenüber haben die Synodenväter ihre ganz besondere Besorgnis zum Ausdruck gebracht. Zusammen mit den Bischöfen Asiens appelliere ich an die Brüder und Schwestern jener Kirchen, die unter solch leidgeprüften Bedingungen zu leben haben, ihr Leid mit den Leiden des gekreuzigten Herrn zu vereinen, denn wir wissen ebenso gut, wie sie, dass nur das Kreuz, wenn man es in Glauben und Liebe auf sich nimmt, der Weg zur Auferstehung und zum neuen Leben der Menschheit ist. Ich ermutige die verschiedenen Bischofskonferenzen Asiens, eine Anlaufstelle zur Hilfe dieser Kirchen einzurichten; was mich anbelangt, so garantiere ich dafür, dass der Hl. Stuhl all jenen, die Verfolgung um des Glaubens an Christus willen leiden, fortwährend nahe steht und um sie bemüht ist <504>. Auch appelliere ich an die Regierungen und die Verantwortlichen der Nationen, eine Politik zu betreiben bzw. in die Tat umzusetzen, die allen Bürgern die Religionsfreiheit garantiert. <504> Vgl. Propositio 51. Bei verschiedenen Gelegenheiten haben die Synodenväter ihren Blick auf die katholische Kirche in China gerichtet und darum gebetet, dass der Tag bald kommen möge, an dem unsere geliebten Brüder und Schwestern Chinas ihren Glauben frei und in voller Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri und der Universalkirche ausüben dürfen. An euch, liebe Brüder und Schwestern in China, richte ich meinen eindringlichen Aufruf: Lasst niemals zu, dass die Schwierigkeiten und Tränen eure Hingabe an Christus und euren Einsatz für euer großes Land verringern <505>. Die Synode hat auch ihrer innigen Solidarität mit der Katholischen Kirche in Korea Ausdruck verliehen und hat ihren Beistand zugesagt für „die Anstrengungen [der Katholiken], dem Volk von Nordkorea, das selbst der geringsten Mittel zum Überleben beraubt ist, Hilfe zu leisten und Versöhnung zu stiften unter zwei Ländern, die <505> vgl. Propositio 52. 917 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aus einem einzigen Volk bestehen, eine einzige Sprache sprechen und ein kulturelle Erbe gemeinsam haben“ <506>. <506> Propositio 53. In gleicher Weise galten die Gedanken der Synode mehrfach auch der Kirche in Jerusalem, die im Herzen der Christen einen besonderen Platz einnimmt. Die Worte des Propheten Jesaja finden zweifelsohne im Herzen von Millionen von Gläubigen in der ganzen Welt, für welche Jerusalem einen einzigartigen und vielgeliebten Platz einnimmt, ihr Echo: „Freut euch mit Jerusalem! Jubelt in der Stadt, alle, die ihr sie liebt. ... Saugt euch satt an ihrer tröstenden Brust“ (66,10-11). Jerusalem, die Stadt der Versöhnung zwischen Gott und den Menschen sowie der Menschen untereinander, war so oft Ort von Konflikten und Trennungen. Die Synodenväter haben die Teilkirchen aufgerufen, sich mit der Kirche in Jerusalem solidarisch zu erklären, indem sie ihr Leid teilen, für sie und mit ihr beten, mit ihr Zusammenarbeiten, um dem Frieden, der Gerechtigkeit und der Versöhnung der zwei Völker und drei Religionen dieser Stadt zu dienen <507>. Nun erneuere ich den schon oft an die politischen und religiösen Führer und an alle Menschen guten Willens gerichteten Appell, Wege zu suchen, um den Frieden und die Integrität Jerusalems zu sichern. Wie ich bereits bei anderer Gelegenheit geschrieben habe, ist es mein innigster Wunsch, als Pilger ins Heilige Land zu reisen, wie es auch mein Vorgänger Paul VI. getan hat, um in der Heiligen Stadt zu beten, wo Jesus Christus gelebt hat und wo er gestorben und auferstanden ist, und um den Ort zu besuchen, von dem aus die Apostel durch die Kraft des Heiligen Geistes sich aufmachten, um das Evangelium Jesu Christi der Welt zu verkünden <508>. <507> Vgl. Propositio 57. <508> Vgl. Johannes Paul II., Brief über die Pilgerfahrt zu den Heiligen Stätten, die mit der Heilsgeschichteverbunden sind (29. Juni 1999), 7: L'Osservatore Romano, 30. Juni-1. Juli 1999, S. 9. Eine Mission des Dialogs 29. Das gemeinsame Thema der verschiedenen „Kontinental“-synoden, die zur Vorbereitung der Kirche auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 beigetragen haben, ist die Neuevangelisierung. Eine neue Epoche der Verkündigung des Evangeliums ist nicht nur deshalb von wesentlicher Bedeutung, weil nach zweitausend Jahren ein Großteil der Menschenfamilie Christus immer noch nicht anerkennt, sondern auch, weil die Situation, in der sich die Kirche und die Welt an der Schwelle des neuen Jahrtausends befinden, besondere Herausforderungen an den religiösen Glauben und an die aus ihm resultierende moralische Wahrheit stellt. Es besteht nahezu überall die Tendenz, Fortschritt und Wohlstand ohne Bezug auf Gott zu schaffen und die religiöse Dimension des Menschen auf die Privatsphäre zu reduzieren. Die von den grundlegendsten, den Menschen betreffenden Glaubenswahrheiten getrennte Gesellschaft - und hier ist speziell die Beziehung zum Schöpfer und zur Erlösung durch Christus im Heiligen Geist zu nennen - kann so nur noch mehr die wahren Quellen des Lebens, der Liebe und des Glücks verlieren. 918 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieses von Gewalt gezeichnete Jahrhundert, das nun bald seinem Ende zugeht, legt ein erschreckendes Zeugnis davon ab, was passiert, wenn die Wahrheit und das Gute aufgegeben werden, weil der Mensch nach Macht dürstet und jeder sich selbst zum Nachteil der anderen überbetont. Die Neuevangelisierung ist eine Einladung zur Umkehr, zur Gnade und zur Hoffnung, und als solche ist sie die einzige wirkliche Hoffnung aufbessere Zeiten und eine lichtvollere Zukunft. Die Frage ist nicht, ob die Kirche den Menschen unserer Zeit noch etwas Wesentliches zu sagen hat, sondern vielmehr, ob sie dies in klarer und überzeugender Weise zu tun vermag. Zur Zeit des II. Vatikanischen Konzils hat mein Vorgänger Papst Paul VI. in seiner Enzyklika Ecclesiam suam erklärt, dass die Frage der Beziehungen zwischen Kirche und moderner Welt eine der größten Sorgen unserer Zeit sei. Er schrieb: „Die Tatsache und Dringlichkeit dieses Problems ist derart, dass es eine Last für Unsere Seele bedeutet, einen Stachel, gleichsam einen Beruf.“ <509> Die Kirche hat seit dem Konzil bis heute konsequent bewiesen, dass sie diese Beziehungen im Geiste des Dialogs weiter führen will. Aber dieser Wille zum Dialog ist nicht einfach nur eine Strategie zur friedvollen Koexistenz zwischen den Völkern, sondern sie ist vielmehr ein wesentlicher Bestandteil der kirchlichen Sendung, da die Kirche selbst ihre Ursprünge im liebevollen Heilsdialog hat, den der Vater mit der Menschheit durch den Sohn und in der Kraft des Heiligen Geistes fuhrt. Die Kirche kann ihre Mission nur in einer Weise erfüllen, die jener entspricht, in der Gott in Jesus Christus gehandelt hat, welcher Mensch geworden ist, als Mensch mit den Menschen gelebt hat und die Sprache der Menschen gesprochen hat, um seine Heilsbotschaft mitzuteilen. Dieser Dialog, den die Kirche vorschlägt, erhält seine Grundlage in der Logik der Menschwerdung. Daher kann lediglich eine innige und selbstlose Solidarität dem Dialog der Kirche mit den Menschen Asiens einen Aufwind geben, die auf der Suche nach der Wahrheit in der Liebe sind. <509> AAS 56(1964)613. Die Kirche kommt als Sakrament der Einheit des Menschengeschlechtes nicht umhin, mit den Völkern aller Zeiten und aller Orte den Dialog aufzunehmen. Aufgrund der ihr übertragenen Sendung geht sie den Völkern der Welt im Bewusstsein entgegen, „eine kleine Herde“ inmitten der riesigen Masse der Menschheit zu sein (vgl. Lk 12,32). Aber sie ist sich auch bewusst, dass sie der Sauerteig ist, der die Welt durchwirkt (vgl. Mt 13,33). Die Anstrengungen im Dialog gelten vor allem jenen, die denselben Glauben an Jesus Christus, den Herrn und Heiland, teilen. Von dort muss er sich über die christliche Welt hinaus ausweiten und die Mitglieder anderer religiöser Traditionen auf der Basis jenes religiösen Drangs erreichen, der jedem menschlichen Herzen innewohnt. Der ökumenische Dialog und der interreligiöse Dialog stellen also für die Kirche eine wahre Berufung dar. 919 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ökumenischer Dialog 30. Der ökumenische Dialog ist eine Herausforderung und ein Ruf zur Umkehr für die ganze Kirche, besonders für die Kirche in Asien, wo die Menschen von den Christen ein deutlicheres Zeichen der Einheit erwarten. Die Gemeinschaft derer, die im Glauben Jesus Christus als den Herrn angenommen haben, muss wieder hergestellt werden, damit sich alle Völker in der Gnade Gottes versammeln können. Jesus selbst hat um die sichtbare Einheit seiner Jünger gebetet, und er hört nicht auf, sie zu dieser Einheit anzuregen, so dass die Welt glaubt, dass der Vater ihn gesandt hat (vgl. Joh 17,21) <510>. Aber der Wille des Herrn, dass seine Kirche eins sei, will vollständig und in mutiger Weise von seinen Jüngern beantwortet sein. !48 Yg] Propositio 42. Gerade in Asien, wo die Christen zahlenmäßig geringer vertreten sind, machen Trennungen die missionarische Aktivität noch schwieriger. Die Synodenväter haben zur Kenntnis genommen, dass „der Skandal einer gespaltenen Christenheit ein großes Hindernis für die Evangelisierung in Asien bedeutet“ <511>. In der Tat wird die Spaltung der Christen von all jenen als ein Zeugnis gegen Jesus Christus betrachtet, die in Asien durch ihre Religionen und Kulturen auf der Suche nach Harmonie und Einheit sind. Daher fühlt sich die Katholische Kirche in Asien so sehr veranlasst, mit den Christen anderer Konfessionen für die Einheit zu wirken, und sie ist sich bewusst, dass die Suche nach der vollen Einheit von jedem einzelnen Nächstenliebe, Unterscheidungsgabe, Mut und Hoffnung erfordert. „Um wahr und fruchtbringend zu sein, erfordert die ökumenische Bewegung auch von Seiten der katholischen Gläubigen einige Grundhaltungen. Vor allem die Liebe, gepaart mit der Zuneigung und dem lebhaften Wunsch, dort, wo es möglich ist, mit den Brüdern der anderen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften zusammenzuarbeiten. An zweiter Stelle die Treue zur katholischen Kirche, ohne die Fehler zu verkennen oder zu leugnen, die durch das Verhalten mancher ihrer Glieder begangen wurden. An dritter Stelle den Geist der Unterscheidung, um das, was gut und lobenswert ist, hochzuschätzen. Schließlich ist ein ehrlicher Wille zur Läuterang und Erneuerung erforderlich.“ <512> <511> Ebd. <512> Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz vom 26. Juli 1995, 4: Insegnamenti XVIII,2 (1995), 138; O.R.dt. 1995, Nr. 32/33, S. 6. Wenn auch die Synodenväter die Schwierigkeiten anerkannt haben, die es in den Beziehungen der Christen untereinander immer noch gibt und die nicht nur auf Vorurteilen beruhen, die ein Erbe der Vergangenheit sind, sondern auch auf Überzeugungen, die den Gewissensbegriff miteinbeziehen <513>, so haben sie doch Anzeichen von verbesserten Beziehungen zwischen einigen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in Asien aufgezeigt. Zum Beispiel anerkennen Orthodoxe und <513> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz vom 20. Januar 1982, 2: Insegnamenti V,1 (1982), 162; O.R. dt. 1982, Nr. 5, S. 2. 920 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Katholiken oft ihre kulturelle Einheit untereinander, und sie haben einen Sinn dafür, einige wichtige Elemente einer gemeinsamen kirchlichen Tradition zu teilen. Das ist eine solide Basis für einen fruchtbaren ökumenischen Dialog, der auch im nächsten Jahrtausend fortgesetzt werden kann und der - so hoffen und hierfür beten wir zumindest - schließlich den Spaltungen dieses ausgehenden Jahrtausends ein Ende setzt. Die Synode hat auch für die Praxis vorgeschlagen, dass die asiatischen Bischofskonferenzen die anderen christlichen Kircheneinladen, sich gemeinsam im Gebet aufzumachen und sich gegenseitig zu beraten, um die Möglichkeiten neuer Strukturen und ökumenischer Vereinigungen zur Förderang der Einheit der Christen auszuschöpfen. Der Vorschlag, den die Synode gemacht hat, wird auch dabei hilfreich sein, die Gebetswoche für die Einheit der Christen fruchtbarer zu begehen. Die Bischöfe wurden ermutigt, ökumenische Gebets- und Dialogszentren einzurichten und ihnen vorzustehen; auch sollte man in die Ausbildungsprogramme der Seminare, Bildungshäuser und Erziehungsanstalten eine angemessene Unterweisung hinsichtlich des ökumenischen Dialogs mit einbeziehen. Interreligiöser Dialog 31. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich daraufhingewiesen, dass das Herannahen eines neuen Jahrtausends auch eine große Gelegenheit zum interreligiösen Dialog und zur Begegnung mit den Führern der großen Weltreligionen bietet <514>. Kontakte zu knüpfen, Dialog zu führen und zusammenzuarbeiten sind Aufgaben, die das II. Vatikanische Konzil der ganzen Kirche als Pflicht und Herausforderung übertragen hat. Die Prinzipien für die Suche nach positiven Beziehungen mit anderen religiösen Traditionen wurden in der am 28. Oktober 1965 promulgierten Konzilserklärung Nostra aetate bekannt gegeben. Sie ist die „magna Charta“ für den interreligiösen Dialog in unserer Zeit. Von christlicher Warte aus gesehen, ist der interreligiöse Dialog wesentlich mehr als nur eine Methode, um die gegenseitige Kenntnis zu fordern und sich gegenseitig zu stärken. Er gehört zum Auftrag der Kirche zur Evangelisierung und ist somit ein Ausdruck der Sendung „ad gentes“ <515>. Das, was die Christen zu diesem Dialog beitragen, ist die feste Überzeugung, dass die Heilsfülle nur von Christus kommt und dass die Gemeinschaft der Kirche, aus der sie stammen, das ordentliche Mittel zu diesem Heil ist <516>. Und ich wiederhole hier, was ich bereits an die Fünfte Vollversammlung der Föderation der asiatischen Bischofskonferenzen geschrieben habe: „Obwohl die Kirche gerne all das anerkennt, was in den religiösen Traditionen des Buddhismus, des Hinduismus und des Islam wahr und heilig, ja gleichsam ein Widerschein jener Wahrheit ist, die alle Menschen erleuchtet, so mindert dies dennoch nicht ihre Aufgabe, unaufhörlich Jesus Christus zu verkünden, der ,der Weg, die Wahrheit <514> Vgl. Nr. 53: AAS 87(1995)37. <515> Vgi_ Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 55: AAS 83(1991)302. <516> Vgl. ebd.,a.a.O„ 304. 921 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und das Leben“ ist (Joh 14,6). Die Tatsache, daß auch die Anhänger anderer Religionen die Gnade Gottes empfangen und von Christus gerettet werden können, wenn auch nicht durch die Mittel, die er eingesetzt hat, hebt den Ruf zum Glauben und zur Taufe nicht auf, die Gott allen Menschen zugedacht hat“ <517>. <517> Nr. 4: AAS 83(1991)101-102. Hinsichtlich des Dialogsprozesses habe ich in der Enzyklika Redemptoris missio folgendes geschrieben: „Dabei darf es keine Verzichtserklärung und keine falsche Friedfertigkeit geben. Es braucht das gegenseitige Zeugnis für einen gemeinsamen Fortschritt auf dem Weg der religiösen Suche und Erfahrung. Dies dient zugleich der Überwindung von Vorurteilen, Mißverständnissen und Intoleranz.“ <518> Nur wer einen gereiften und von Überzeugung getragenen christlichen Glauben hat, ist für die Einbeziehung in einen genuinen interreligiösen Dialog geeignet. „Nur jene Christen, die tief in das Mysterium Christi eingetaucht und in der eigenen Glaubensgemeinschaft glücklich sind, können ohne unnützes Risiko und in der Hoffnung auf positive Früchte in den interreligiösen Dialog eintreten.“ <519> Es ist daher für die Kirche in Asien wichtig, dass geeignete Modelle für den interreligiösen Dialog zur Verfügung gestellt werden (Evangelisierung durch den Dialog und Dialog für die Evangelisierung) und dass diejenigen, die daran beteiligt sind, auch adäquat dafür vorbereitet werden. <518> Nr. 56: AAS 83(1991)304. <519> Propositio 41. Nachdem die Synodenväter die Notwendigkeit eines festen Glaubens an Christus für den interreligiösen Dialog unterstrichen haben, sprachen sie auch über das Bedürfnis eines Dialoges des Lebens und des Herzens. Diejenigen, die Christus nach-folgen, müssen, wie ihr Meister, ein demütiges und reines Herz besitzen, sie dürfen niemals stolz, aber auch nicht nachgiebig sein, wenn sie ihren Dialogpartnem gegenübertreten (vgl. Mt 11,29). „Die interreligiösen Beziehungen entwickeln sich am besten in einem Kontext der Öffnung Andersgläubigen gegenüber, in einem Kontext, der die Bereitschaft zum Zuhören und den Wunsch, den anderen in seinen Unterschieden zu achten und zu verstehen, zum Ausdruck bringt. Für all das ist die Nächstenliebe unverzichtbar, und sie sollte zur Zusammenarbeit, zur Harmonie und zur gegenseitigen Bereicherung führen“ <520>. Um jene zu anzuleiten, die in diesem Prozess einbezogen sind, hat die Synode empfohlen, einige Richtlinien für den interreligiösen Dialog auszuarbeiten <521>. Da nun die Kirche neue Wege der Begegnung mit anderen Religionen erkundet, möchte ich gerne einige Formen des Dialogs in Erinnerung rufen, die bereits erfolgreich angewandt werden. Dazu gehört der akademische Austausch von Experten oder Repräsentanten der verschiedenen religiösen Traditionen, gemeinsame Aktionen zur Förderung der Entwicklung des Menschen in seiner Ganzheit und die Verteidigung menschlicher und religiöser <520> Ebd. <521> Vgl. ebd. 922 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werte <522>. Auch möchte ich nochmals betonen, wie wichtig innerhalb dieses Vorgehens im Dialog die Wiederbelebung des Gebets und der Kontemplation ist. Die Personen des geweihten Lebens können hier in bedeutender Weise zum interreligiösen Dialog beitragen, indem sie Zeugnis geben von der Lebendigkeit großer asketischer und mystischer Traditionen des Christentums <523>. <522> ygi Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 57: AAS 83(1991)305. <523> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita Consecrata, 25. März 1996, Nr. 8: AAS 88(1996),383. Das denkwürdige Gebetstreffen von Assisi, der Stadt des hl. Franziskus, am 27. Oktober 1986, bei dem die katholische Kirche mit Vertretern der anderen Weltreligionen zusammengetroffen ist, beweist, dass religiöse Menschen, ohne ihre jeweilige Tradition aufzugeben, sich dennoch im Gebet engagieren und gemeinsam für den Frieden und das Wohl der Menschheit arbeiten können <524>. Die Kirche muss sich auch weiterhin dafür einsetzen, um diesen Geist der Begegnung und Zusammenarbeit mit den anderen Religionen auf allen Ebenen zu bewahren und zu fördern. <524> Ygh Johannes Paul II. Enzyklika Sollicitudo rei socialis, 30. Dezember 1987, Nr. 47: AAS 80(1988)582. Gemeinschaft und Dialog sind zwei wesentliche Aspekte der kirchlichen Sendung, und ihr unendlich transzendentes Vorbild besteht im Mysterium der Dreifaltigkeit, aus der jegliche Mission hervorgeht und zu der sie auch zurückkehren muss. Ein wirklich großes „Geburtstagsgeschenk“, das die Glieder der Kirche, besonders die Hirten, dem Herrn der Geschichte am zweitausendsten Jahrestag seiner Menschwerdung machen können, ist die Stärkung des Geistes der Einheit und Gemeinschaft auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens, „heiliger Stolz“ in der fortwährenden Treue der Kirche hinsichtlich all dessen, was ihr gegeben wurde, neues Vertrauen auf die immerwährende Gnade und Sendung, wodurch die Kirche als Zeugin der erlösenden Liebe und Barmherzigkeit Gottes zu den Völkern der Welt gesandt wird. Nur wenn das Gottesvolk das Geschenk erkennt, das ihm in Christus eigen ist, wird es im Stande sein, dies auch durch Verkündigung und Dialog anderen Menschen mitzuteilen. KAPITEL VI Der Entfaltung des Menschen dienen Die Soziallehre der Kirche 32. Im Dienst an der Menschheitsfamilie richtet sich die Kirche unterschiedslos an alle Männer und Frauen in dem Bestreben, gemeinsam mit ihnen eine Zivilisation der Liebe aufzubauen, deren Grundlage jene universalen Werte des Friedens, der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Freiheit sind, die in Christus ihre volle Erfüllung finden. Mit denkwürdigen Worten betonte das II. Vatikanische Konzil: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der 923 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“ <525> Angesichts der zahlreichen armen und unterdrückten Menschen Asiens ist die Kirche dieses Kontinents zu einer Lebensgemeinschaft aufgerufen, die insbesondere in ihrem liebevollen Dienst an den Armen und Schutzlosen zum Ausdruck kommt. <525> Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nr. 1. Wenn das kirchliche Lehramt in letzter Zeit in zunehmendem Maße die Notwendigkeit hervorgehoben hat, die wahre und ganzheitliche Entwicklung der menschlichen Person zu fördern, <526> dann geschah das als Antwort auf die reelle Situation der Menschen in aller Welt und das wachsende Bewusstsein, dass nicht nur die Taten einzelner, sondern auch Strukturen des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens oft das Wohl der Menschheit bedrohen. Das durch den stets größeren Unterschied zwischen jenen, denen die erhöhte Produktivität und der größere Reichtum der Welt zugute kommt, und jenen, die am Rande des Fortschritts stehen, entstandene Missverhältnis erfordert einen radikalen Wandel von Gesinnungen und Strukturen zum Wohl des Menschen. Die große moralische Herausforderung, die die Entwicklung an alle Nationen und die internationale Gemeinschaft stellt, besteht darin, Mut zu jener neuen Solidarität zu haben, die zu kreativen und wirksamen Schritten fähig ist, um sowohl die entmenschlichende Unterentwicklung wie auch jene „Überentwicklung“ zu bekämpfen, die die menschliche Person zu einem Teil der Wirtschaft in einem stets aggressiveren Konsumnetz erniedrigt. Während sie versucht, diese Wandlung zu fördern, „hat die Kirche keine technischen Lösungen anzubieten“, sondern sie „leistet ihren Hauptbeitrag zur Lösung des drängenden Problems der Entwicklung, wenn sie die Wahrheit über Christus, über sich selbst und über den Menschen verkündet und auf eine konkrete Situation anwendet“. <527> Die menschliche Entwicklung darf nie auf ein rein technisches oder wirtschaftliches Problem reduziert werden. Vielmehr handelt es sich um eine menschliche und moralische Frage. <526> Ausgangspunkt war unter vielen Gesichtspunkten die Enzyklika Kerum novarum von Papst Leo XIII., 15. Mai 1891, die eine Reihe von Stellungnahmen über verschiedene Aspekte der sozialen Frage einleitete. Dazu gehörten die Enzyklika Populorum progressio, 26. März 1967, die Papst Paul VI. als Antwort auf die Lehre des II. Vatikanischen Konzils und die veränderten Bedingungen in der Welt veröffentlichte. Zum 20. Jahrestag dieses Dokuments schrieb ich die Enzyklika Sollicitudo rei socialis, 30. Dezember 1987, in der ich, den vorherigen Lehraussagen folgend, alle Gläubigen aufgefordert habe, sich zu einer Mission des Dienstes berufen zu fühlen, die notwendigerweise auch die Förderung der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung einschließt. <527> Vgl. Johannes Paul II, Enzyklika Sollicitudo rei socialis, 30. Dezember 1987, Nr. 41: AAS 80(1988)570-571. Die Soziallehre der Kirche ist eine in erster Linie an ihre Mitglieder gerichtete Zusammenfassung von Reflexionsprinzipien, Urteilskriterien sowie Richtlinien für das konkrete Handeln <528>. Es ist wichtig, dass die für die Entwicklung des Menschen arbeitenden Gläubigen eingehende Kenntnisse dieses wertvollen „Lehrgebäudes“ haben und es als Bestandteil ihres Auftrags zur Evangelisierung betrach- <528> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über christliche Freiheit und Befreiung, Libertatis cons-cientia, 22. März 1986, Nr. 72: AAS 79(1987)586. 924 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten. Daher betonten die Synodenväter, dass die Vorbereitung der Gläubigen in der Soziallehre der Kirche für jede Erziehungs- oder Bildungsarbeit und vor allem in den Seminaren und Ausbildungsstätten wichtig sei. <529> Christliche Leiter im kirchlichen wie im gesellschaftlichen Bereich, insbesondere die für das öffentliche Leben verantwortlichen Laien, müssen mit dieser Lehre fest vertraut sein, um die bürgerliche Gesellschaft und ihre Strukturen mit dem Sauerteig des Evangeliums zu inspirieren und zu beleben. <530> Die Soziallehre der Kirche erinnert diese verantwortlichen Christen nicht nur an ihre Pflichten, sondern bietet ihnen auch Richtlinien zur Förderung des Menschen, die sie von irrigen Meinungen über den Menschen und sein Handeln befreien. <529> Vgl. Propositio 22. <530> Vgl. Propositio 21. Die Würde der menschlichen Person 33. Die Menschen, nicht Reichtum oder Technologie, sind Ausgangspunkt und Empfänger der Entwicklung. Daher geht die von der Kirche geforderte Art der Entwicklung weit über wirtschaftliche und technologische Fragen hinaus: Sie beginnt und endet mit der nach dem Abbild Gottes geschaffenen ganzheitlichen menschlichen Person, der Gott Würde und unveräußerliche menschliche Rechte verliehen hat. Verschiedene internationale Menschenrechtserklärungen und zahlreiche durch sie angeregte Initiativenverdeutlichen die wachsende weltweite Sensibilität für die Würde der menschlichen Person. Bedauerlicherweise wird in der Praxis jedoch oft gegen diese Erklärungen verstoßen. Fünfzig Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sind noch immer zahlreiche Personen entwürdigenden Formen der Ausbeutung und Manipulierung ausgeliefert, die sie regehecht zu Sklaven der Stärkeren machen, der Ideologien, wirtschaftlicher Macht, unmenschlicher politischer Systeme, wissenschaftlicher Technokratie und der Überflutung durch die Medien. <531> <531> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici, 30. Dezember 1988, Nr. 5: AAS 81(1989)400^102; Enzyklika Evangelium vitae, 25. März 1995, Nr. 18: AAS 87(1995)419 ff. Die Synodenväter waren sich der anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte in vielen Teilen der Welt durchaus bewusst, was insbesondere in Asien zutrifft, wo „Millionen von Menschen unter Diskriminierung, Ausbeutung, Armut und Ausgrenzung leiden“; <532> sie wiesen auf die Notwendigkeit hin, dass sich das gesamte Volk Gottes in Asien der unausweichlichen und unverzichtbaren, mit der Verteidigung der Menschenrechte und der Förderung von Gerechtigkeit und Frieden verbundenen Herausforderung zutiefst bewusst werden müsse. 179 Propositio 22; vgl. Propositio39. 925 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die vorrangige Liebe für die Armen 34. Durch ihren Einsatz zur Fördemng der menschlichen Würde zeigt die Kirche ihre vorrangige Liebe für die Armen und die, die keine Stimme haben, denn der Herr identifizierte sich mit ihnen auf ganz besondere Art und Weise (vgl. Mt 25,40). Diese Liebe will niemanden ausschließen, sondern verkörpert lediglich einen herausragenden Dienst, den die gesamte christliche Tradition bezeugt. „Diese vorrangige Liebe mit den von ihr inspirierten Entscheidungen muß die unzähligen Scharen von Hungernden, Bettlern, Obdachlosen, Menschen ohne medizinische Hilfe und vor allem ohne Hoffnung auf eine bessere Zukunft umfassen: Es ist unmöglich, die Existenz dieser Menschengruppen nicht zur Kenntnis zu nehmen. An ihnen vorbeizusehen würde bedeuten, dass wir dem ,reichen Prasser1 gleichen, der so tat, als kenne er den Bettler Lazarus nicht, ,der vor seiner Tür lag‘ (vgl. Lk 16,19—31).“ <533> Das gilt vor allem für Asien, den Kontinent großer Ressourcen und bedeutender Kulturen, wo aber auch einige der ärmsten Länder der Welt zu finden sind und mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter Entbehrungen, Armut und Ausbeutung leidet. <534> Die Armen in Asien und in aller Welt werden im Gebot Christi, einander zu lieben, wie er uns geliebt hat (vgl. Joh 13,34), stets den besten Grand zur Hoffnung finden, und die Kirche Asiens muss intensiv bemüht sein, mit Wort und Tat dieses Gebot gegenüber den Armen zu erfüllen. <533> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, 30. Dezember 1987, Nr. 42: AAS 80(1988)573; vgl. Kon-gregation für die Glaubenslehre, Instruktion über christliche Freiheit und Befreiung Libertatis conscientia, 22. März 1986, Nr. 68: AAS 79(1987)583. <534> Vgl. Propositio 44. Ihre Solidarität mit den Armen wird um so überzeugender sein, wenn die Christen selbst, dem Beispiel Jesu entsprechend, in Einfachheit leben. Ein einfaches Leben, tiefer Glaube und aufrichtige Liebe für alle, insbesondere für die Armen und Ausgestoßenen, sind leuchtende Beispiele des in die Tat umgesetzten Evangeliums. Die Synodenväter forderten die Katholiken Asiens zu einem der Lehre des Evangeliums entsprechenden Lebensstil auf, um der kirchlichen Sendung besser dienen zu können und damit die Kirche selbst eine Kirche der Armen und für die Armen werden möge. <535> <535> Vgl. ebd. In ihrer Liebe für die Armen Asiens wendet sich die Kirche vor allem an die Emigranten, die Eingeborenen und die Naturvölker, an Frauen und Kinder, die oft Opfer schlimmster Ausbeutungsformen sind. Ferner werden unzählige Personen aufgrund ihrer Kultur, Hautfarbe, Rasse, Kaste, wirtschaftlichen Verhältnisse oder Denkweise diskriminiert. Zu ihnen gehören auch jene, die anlässlich ihrer Bekehrung zum Christentum unterdrückt werden. <536> Gemeinsam mit den Synodenvätem rufe ich alle Nationen auf, das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit wie auch die anderen Grundrechte des Menschen anzuerkennen. <537> <536> Vgl. Propositio 39. <537> Vgl. Propositio 22. 926 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zur Zeit erlebt Asien einen noch nie zuvor dagewesenen Strom von Flüchtlingen, Asylbewerbern, Emigranten und nach Übersee ausreisenden Arbeitskräften. In den jeweiligen Zielländem sind diese Menschen häufig ohne Freunde, kulturell entfremdet, sprachlich benachteiligt und wirtschaftlich geschwächt. Sie brauchen Unterstützung und Aufmerksamkeit, um ihre menschliche Würde und ihr kulturelles und religiöses Erbe zu wahren. <538> Trotz ihrer begrenzten Mittel ist die Kirche in Asien hochherzig bemüht, die Ermatteten und Kraftlosen aufzunehmen in dem Bewusstsein, dass im Herzen Jesu, wo niemand fremd ist, jeder Ruhe finden wird (vgl. Mt 11,28-29). <538> Vgl. Propositio 36. In fast allen Nationen Asiens besteht ein wesentlicher Bevölkerungsanteil aus Ureinwohnern, in wirtschaftlicher Hinsichtteilweise auf unterster Stufe. Mehrmals wies die Synode daraufhin, dass die Person Jesu Christi und die Kirche als Liebesund Dienstgemeinschaft oft eine gewisse Anziehungskraft auf Einheimische und Naturvölker ausübt. <539> Hier stehen wir vor einem enormen Aktionsfeld im Bereich der Erziehung und Ausbildung, des Gesundheitswesens und der Förderung der sozialen Integration. Die katholische Gemeinschaft muss die pastorale Arbeit unter diesen Menschen intensivieren, ihren Sorgen und der Frage nach Gerechtigkeit Beachtung schenken, die ihr Leben berühren. Voraussetzung hierfür ist eine achtungsvolle Haltung gegenüber ihren traditionellen Religionen und deren Werten wie auch die Notwendigkeit, ihnen dabei zu helfen, sich selbst zu helfen, damit sie für die Verbesserung ihrer Lage arbeiten und die Verkünder ihrer eigenen Kultur und Gesellschaft werden können. <540> Niemand kann gleichgültig sein angesichts der Not unzähliger asiatischer Kinder, die oft unerträglicher Ausbeutung und Gewalttätigkeit zum Opfer fallen, wofür nicht nur die Schlechtigkeit einzelner Menschen, sondern häufig die unmittelbaren Auswirkungen korrupter Gesellschaftsstrukturen verantwortlich sind. Die Synodenväter identifizierten Kinderarbeit, Pädophilie und Drogenkonsum als Kinder unmittelbar betreffende soziale Übel, die wiederum mit anderen krankhaften Erscheinungen der Gesellschaft wie Armut und schlecht konzipierte nationale Entwicklungsprogramme verbunden sind. <541> Die Kirche muss sich nach Kräften bemühen, die Macht dieser Übel zu brechen; sie muss sich für jene einsetzen, die am meisten ausgebeutet werden, und versuchen, diese Kleinen zur Liebe Christi zuführen, denn ihnen gehört das Reich Gottes (vgl. Lk 18,16). <542> Mit besonderer Aufmerksamkeit widmete sich die Synode den Frauen, deren Situation nach wie vor ein ernstes Problem in Asien ist, wo Diskriminierung und Gewalttätigkeit ihnen gegenüber häufig im häuslichen Bereich, am Arbeitsplatz und sogar innerhalb des Rechtssystems zufinden sind. Analphabetentum ist vor allem unter Frauen besonders verbreitet, und viele werden lediglich als Objekte im Be- <539> Vgl. Propositio 38. <540> Vgl. ebd. <541> Vgl. Propositio 33. <542> Vgl. ep(i 927 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN reich der Prostitution, des Tourismus und der Vergnügungsindustrie betrachtet. <543> Im Kampf gegen jede Form von Ungerechtigkeit und Diskriminierung sollten Frauen in der christlichen Gemeinschaft einen Verbündeten sehen. Aus diesem Grund schlug die Synode vor, die Ortskirchen in Asien sollten, falls möglich, Initiativen zum Schutz der Menschenrechte im Interesse der Frauen fördern mit dem Ziel, durch ein entsprechendes Verständnis der Rolle von Mann und Frau in der Familie, in der Gesellschaft und in der Kirche, durch ein tieferes Bewusstsein der ursprünglichen Komplementarität zwischen Männern und Frauen und größere Anerkennung der weiblichen Dimension in jeder menschlichen Tätigkeit die Haltung den Frauen gegenüber zu verändern. Der Beitrag der Frauen ist oft unterbewertet oder ignoriert worden, was zu geistiger und menschlicher Verarmung geführt hat. Die Kirche in Asien könnte die Würde und die Freiheit der Frauen durch die Förderung ihrer Rolle im kirchlichen Leben, einschließlich des intellektuellen Lebens, und größere Möglichkeiten ihrer aktiven Teilnahme an der kirchlichen Sendung der Liebe und des Dienstes sichtbarer und wirksamer verteidigen. <544> <543> Vgl. Propositio 35. <544> Vgl. ebd. Das Evangelium vom Leben 35. Der Einsatz für die menschliche Entwicklung beginnt mit dem Dienst am Leben selbst, jenem großen Geschenk Gottes, das er uns anvertraut als Plan und als Verantwortung. Somit sind wir nur die Verwalter des Lebens, nicht seine Eigentümer. Wir haben das Geschenk in Freiheit erhalten und, es dankbar entgegennehmend, verpflichten wir uns, es zu achten und zu verteidigen, vom Anfang bis zu seinem natürlichen Ende. Vom Augenblick der Zeugung an bedarf das menschliche Leben der Schöpfermacht Gottes und steht für immer in einer besonderen Beziehung zu seinem Schöpfer, Ursprung des Lebens und sein einziges Ziel. Ohne Achtung für das menschliche Leben, insbesondere das Leben derer, die keine Stimme haben, um sich zu verteidigen, ist weder wahrer Fortschritt noch eine wirklich zivile Gesellschaft oder menschliche Entwicklung möglich. Das Leben jeder Person, sowohl das des Kindes im Mutterleib oder das des kranken, des behinderten oder alten Menschen, ist ein Geschenk für alle. Bezüglich der Heiligkeit des Lebens bestätigten die Synodenväter ohne Vorbehalt die Lehre des II. Vatikanischen Konzils und der nachfolgenden lehramtlichen Dokumente, einschließlich meiner Enzyklika Evangelium vitae. Gemeinsam mit ihnen wende ich mich an die Gläubigen ihrer Länder, wo das Bevölkerungsproblem oft als Argument gebraucht wird, um Abtreibung und Programme künstlicher Geburtenkontrolle einzufuhren, und fordere sie auf, sich der „Kultur des Todes“ zu widersetzen. <545> Durch ihre Unterstützung und Teilnahme an Initiativen, die das Leben jener verteidigen, die nicht in der Lage sind, es selbst zu schützen, beweisen <545> Vgl. Propositio 32. 928 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sie ihre Treue zu Gott und ihren Einsatz für die wirkliche Entfaltung des Menschen. Gesundheitswesen 36. Dem Beispiel Jesu Christi folgend, der sich aller erbarmt und „alle Krankheiten und Leiden“ (Mt 9,35) geheilt hat, ist die Kirche in Asien bemüht, ihren Einsatz für die Betreuung der Kranken zu intensivieren, denn dieser wesentliche Aspekt ihrer Sendung will die heilende Gnade Christi der ganzenmenschlichen Person vermitteln. Wie in dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl. Lk 10,29-37) möchte sich auch die Kirche auf konkrete Art und Weise der Kranken und Behinderten annehmen, <546> vor allem dort, wo in Situationen der Armut und Ausgrenzung auch elementarste medizinische Strukturen fehlen. <546> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Salvißci doloris, 11. Februar 1984, Nrn. 28-29: AAS 76(1984)242-244. Während meiner Pastoralbesuche in allen Teilen der Welt war ich oft tief bewegt von dem außergewöhnlichen christlichen Zeugnis der Ordensleute und Gottgeweihten, der Ärzte, des Pflegepersonals und anderer im Gesundheitswesen tätiger Personen, vor allem jener, die für die Betreuung von behinderten und unheilbar kranken Menschen zuständig sind oder gegen die Verbreitung neuer Krankheiten wie AIDS kämpfen. Mehr und mehr ist das im Krankendienst tätige christliche Personal zum hochherzigen und uneigennützigen Dienst an den oft von der Gesellschaft verachteten und verlassenen Drogen- und Aids-Opfem aufgerufen. <547> Zahlreiche katholische medizinische Einrichtungen Asiens werden mit staatlichen gesundheitspolitischen Strategien konfrontiert, die nicht von christlichen Grundsätzen ausgehen, und manchen von ihnen wird die Arbeit durch stets größere wirtschaftliche Schwierigkeiten erschwert. Trotz dieser Probleme machen die selbstlose Liebe und die fürsorgliche kompetente Arbeit des Personals diese Institutionen zu einem bewundernswerten und geschätzten Dienst an der Gemeinschaft wie auch zu einem sichtbaren und wirksamen Zeichen der unerschöpflichen Liebe Gottes. Ärzte und Pflegepersonalbrauchen Ermunterung und Unterstützung in ihrem Dienst für das Wohl aller. Ihre unermüdliche Hingabe und Effizienz sind die beste Art und Weise, um christliche und ethische Werte tief in das asiatische Gesundheitswesen eindringen zulassen und es von innen zu wandeln. <548> <547> Vgl. Propositio 20. <548> Vgl. ebd. Erziehung und Bildung 37. In ganz Asien ist der umfangreiche Einsatz der Kirche auf dem Erziehungsund Bildungssektor überall deutlich sichtbar und somit ein wesentliches Element ihrer Gegenwart unter den Völkern des Kontinents. In vielen Ländern haben die katholischen Schulen eine wichtige Rolle im Bereich der Evangelisierung; ihre 929 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aufgabe ist die Inkulturation des Glaubens, die Vermittlung einer von Offenheit und Achtung geprägten Haltung und die Förderung interreligiöser Verständigung. Kirchliche Schulen bieten oft die einzigen Ausbildungsmöglichkeiten für Mädchen, ethnische Minderheiten, die arme Landbevölkerung und unterprivilegierte Kinder. Die Synodenväter sind von der Notwendigkeit der Ausdehnung und Weiterentwicklung des Bildungsapostolats in Asien überzeugt, vor allem im Hinblick auf die Benachteiligten, denen geholfen werden muss, jenen Platz in der Gesellschaft einzunehmen, der ihnen als vollberechtigte Bürger zusteht. <549> Das bedeutet, wie die Synodenväter betonten, dass das katholische Erziehungs- und Bildungssystem noch eindeutiger auf die Entfaltung des Menschen ausgerichtet und eine Umgebung sein muss, wo den Schülern nicht nur formale Elemente der Bildung erteilt werden, sondern eine eher allgemeine, auf der Lehre Christi begründete ganzheitliche menschliche Bildung. <550> Die katholische Schule sollte auch weiterhin ein Ort sein, wo der Glaube frei vermittelt und empfangen werden kann. Ebenso sollten auch die katholischen Universitäten nicht nur ihr bereits wohlbekanntes hervorragendes akademisches Niveau aufrechterhalten, sondern auch eine klare christliche Identität bewahren, um in den asiatischen Gesellschaften christlicher Sauerteig zusein. <551> <549> Vgl. Propodtio 21. <550> vgl. ebd. !89 vgl. ebd. Frieden aufbauen 38. Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ist die Welt noch immer von Kräften bedroht, die Konflikte und Kriege auslösen, und Asien ist da sicher nicht ausgeschlossen. Zu diesen Kräften gehört jede Art von gesellschaftlicher, kultureller, politischer und auch religiöser Intoleranz und Ausgrenzung. Tag für Tag sind einzelne Menschen und ganze Völker neuen Gewalttätigkeiten ausgesetzt, und zur Lösung von Spannungen bedient sich die Kultur des Todes unentschuldbarer Gewaltanwendung. Angesichts der in zu vielen Teilen der Welt existierenden tragischen Konfliktsituationen ist die Kirche aufgerufen, intensiv an internationalen und interreligiösen Bemühungen im Interesse von Frieden, Gerechtigkeit und Wiederversöhnung teilzunehmen. Unermüdlich rät sie zu Verhandlungen und zur nichtmilitärischen Lösung von Konflikten in der Hoffnung, dass eines Tages Krieg nicht mehr als Mittel eingesetzt wird, um Forderungen geltend zu machen oder um Streitigkeiten zu lösen. Die Kirche ist überzeugt, dass Krieg mehr Probleme schafft als beseitigt, dass der Dialog der einzig richtige und edle Weg ist, der zu Einigung und Wiederversöhnung führt, und dass der geduldigen und weisen Kunst des Friedensaufbaus der ganz besondere Segen Gottes gilt. Anlass zu ganz besonderer Sorge gibt im asiatischen Kontext die ständige Zunahme von Massenvemichtungswaffen, zweifellos unmoralische und verder- 930 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN benbringende Aufwendungen im Haushaltsplan der einzelnen Länder, die in manchen Fällen nicht einmal in der Lage sind, den Grundbedürfnissen der Bevölkerung zu entsprechen. Die Synodenväter erwähnten auch die zahllosen Anti-Personen-Minen in Asien, die Hunderttausende von unschuldigen Menschen verstümmelt oder getötet und gleichzeitig fruchtbaren Boden unbrauchbar gemacht haben, der zur Erzeugung von Nahrungsmitteln hätte genutzt werden können. <552> Es ist die Pflicht aller, insbesondere aber der für die Leitung der Nationen verantwortlichen Personen, sich auf intensivere Art und Weise für Abrüstungsmaßnahmen einzusetzen. Die Synode forderte die Einstellung der Produktion, des Verkaufs und des Einsatzes atomarer, chemischer und biologischer Waffen und rief die an der Verlegung von Minen Beteiligten auf, bei den Räumungs- und Wiederaufbauarbeiten behilflich zu sein. <553> Vor allem aber wendeten sich die Synodenväter an Gott, der die Tiefe jedes menschlichen Gewissens kennt, dass er die Herzen jener mit dem Wunsch nach Frieden erfüllen möge, die versucht sind, Wege der Gewalt zu gehen, damit sich die Worte der Bibelbewahrheiten: „Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg“ (Jes 2,4). Während der Synode wurde vielfach vom Leid der irakischen Bevölkerung berichtet und davon, dass viele Iraker, vor allem Kinder, sterben mussten aufgrund des durch das anhaltende Embargo verursachten Mangels an Medikamenten und anderen Bedarfsartikeln. Gemeinsam mit den Synodenvätem bringe ich erneut meine Solidarität mit dem irakischen Volk zum Ausdruck und versichere insbesondere die Söhne und Töchter der Kirche dieses Landes meiner Nähe im Gebet und in der Hoffnung. Die Synode wendete sich mit der inständigen Bitte an den Herrn, das Gewissen jener zu erleuchten, die für eine gerechte Lösung der Krise die Verantwortung tragen, damit einem bereits schwer geprüften Volk weiteres Leid erspart bleibe. <554> <552> Vgl. Propositio 23. <553> Vgl. ebd. <554> Vgl. Propositio 55. Globalisierung 39. Im Hinblick auf die Frage der menschlichen Entwicklung in Asien bekräftigten die Synodenväter die Bedeutung des wirtschaftlichen Globalisierungsprozesses. Obwohl sie die zahlreichenpositiven Aspekte der Globalisierung berücksichtigten, konnten die Synodenväter jedoch nicht die Tatsache ignorieren, dass sie sich aufgrund der ihr eigenen Tendenz, ärmere Nationen an den Rand internationaler wirtschaftlicher und politischer Beziehungen zu drängen, als nachteilig erwiesen hat für die Armen. <555> Zahlreiche asiatische Länder sind nicht in der Lage, sich einer globalen Marktwirtschaft anzuschließen. Noch bedeutsamer ist vielleicht der As- <555> Vgl. Propositio 49. 931 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN pekt einer durch moderne Kommunikationsmittel ermöglichten kulturellen Globalisierung: in kürzester Zeit verwandelt sie die asiatischen Gesellschaften in konsumorientierte Kulturen globaler, verweltlichter, materialistischer Prägung, die für die Zerstörung jener traditionellen Familien und gesellschaftlichen Werte verantwortlich ist, die bis heute Völker und Gesellschaften gestützt haben. All das zeigt deutlich, dass die ethischen und moralischen Aspekte der Globalisierung eine direkte Herausforderung für die Verantwortlichen der Nationen und die für die menschliche Entwicklung arbeitenden Organisationen sind. Die Kirche unterstreicht die Notwendigkeit einer „Globalisierung ohne Ausgrenzung“. <556> Zusammen mit den Synodenvätem rufe ich die Teilkirchen in aller Welt, insbesondere die der westlichen Regionen, auf, sich dafür einzusetzen, dass die Soziallehre der Kirche gebührenden Einfluss habe auf die Formulierung ethischer und rechtlicher Normen für die weltweite Regelung der freien Marktwirtschaft und der sozialen Kommunikationsmittel. Katholische Verantwortliche und Experten sollten Finanz- und Handelseinrichtungen auf nationaler und internationaler Ebene darin bestärken, diese Normen anzuerkennen und zu achten. <557> <556> Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag vom 1. Januar 1998, 3: AAS 90(1998)50. <557> Vgl. Propositio 49. Auslandsverschuldung 40. Im Bemühen um Gerechtigkeit in einer von sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit gekennzeichneten Welt kann die Kirche die schwere Last der Verschuldung vieler asiatischer Entwicklungsländer und die sich daraus ergebenden gegenwärtigen und zukünftigen Konsequenzen nicht ignorieren. In vielen Fällen sind diese Länder gezwungen, die Ausgaben für lebensnotwendige Anforderungen wie Nahrung, Gesundheitsfürsorge, Wohnungs- und Siedlungswesen oder Bildung zu kürzen, um ihre Schulden bei internationalen Währungsfonds und Banken abzutragen. Das bedeutet, dass zahlreiche Personen zu Lebensbedingungen verurteilt sind, die die Würde des Menschen verletzen. Im vollen Bewusstsein der überaus komplexen Natur dieser Materie betonte die Synode jedoch, dass diese Problematik die Fähigkeit der Völker, der Gesellschaften und Regierungen prüft, die menschliche Person und Millionen von Menschenleben unabhängig von wirtschaftlichen und materiellen Vorteilen zu beurteilen. <558> <558> Vgl. Propositio 48. Das nun unmittelbar bevorstehende Große Jubiläum des Jahres 2000 ist eine günstige Gelegenheit für die Bischofskonferenzen in aller Welt, insbesondere die der reicheren Nationen, internationale Währungsfonds und Banken zu bestärken, nach Möglichkeiten zur Einschränkung der internationalen Verschuldung zu suchen. Naheliegend wäre eine neue Einstufung der Schulden in Verbindung mit einer wesentlichen Verringerung oder sogar völligen Tilgung wie auch Handelsinitiativen 932 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Investitionen zur wirtschaftlichen Unterstützung der ärmsten Länder. <559> Sich an die Schuldnemationen wendend, betonten die Synodenväter die Notwendigkeit eines nationalen Verantwortungsbewusstseins, erinnerten an die Bedeutung weiser Wirtschaftsplanung von Transparenz und guter Regierungsweise und forderten die entschlossene Bekämpfung von Korruption. <560> Sie riefen die Christen Asiens auf, jede Form von Korruption und widerrechtlicher Aneignung staatlicher Mittel durch die Vertreter der politischen Gewalt zu verurteilen. <561> Vielfach war die Bevölkerung der Schuldnerstaaten der Verschwendung und Ineffizienz im Landesinneren ausgeliefert, bevor sie zum Opfer internationaler Verschuldung wurde. <559> Vgl. ebä.; Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millemiio adveniente, 10. Novemberl994, Nr. 51: AAS 80(1995)36. <560> Vgl. Propositio 48. <561> vgl. Propositio 22; Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, 30. Dezember 1987, Nr. 44: AAS 80(1988)576 ff. Umwelt 4L Wenn die Sorge um den wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt nicht Hand in Hand geht mit der Sorge für das Gleichgewicht unseres Ökosystems, dann ist unsere Erde unweigerlich der Gefahremsthafter ökologischer Schäden ausgesetzt mit schwerwiegenden Folgen für das Wohl der Menschheit. Die offensichtliche Nichtbeachtung und Geringschätzung der natürlichen Umwelt wird kein Ende finden, solange die Erde und ihr Potential lediglich als Objekt zum unmittelbaren Gebrauch und Verbrauch angesehen wird, als etwas, was aufgrund grenzenloser Profitsucht manipuliert werden kann. <562> Es ist Aufgabe der Christen und deijeni-gen, die Gott als Schöpferbetrachten, für den Schutz der Umwelt zu sorgen und die Achtung für alle Geschöpfe Gottes wieder herzustellen. Dem Willen Gottes entsprechend, soll der Mensch der Natur nicht als erbarmungsloser Ausbeuter, sondern als weiser und verantwortungsvoller Hüter gegenübertreten. <563> Insbesondere hofften die Synodenväter auf ein verantwortungsvolleres Vorgehen der führenden Persönlichkeiten des Staates, der Gesetzgeber, der Vertreter der Handels- und Wirtschaftswelt und aller, die unmittelbar für die Verwaltung der Ressourcen der Erde zuständig sind. <564> Ferner betonten sie die Notwendigkeit, die Menschen, vor allem die Jugend, zu umweltbewusstem Verhalten zu erziehen, damit sie jene Kunst lernen, die Gott der Menschheit anvertraut hat: die Verwaltung der Schöp-füng. Umweltschutz ist nicht nur ein technisches Problem, sondern auch und vor allem eine Frage der Ethik. Alle sind moralisch verpflichtet, sich der Umwelt anzunehmen, und zwar nicht nur um des eigenen Wohles willen, sondern auch für das der zukünftigen Generationen. Abschließend sollte vielleicht daran erinnert werden, dass die Synodenväter im Hinblick auf die Grundwerte der biblischen und <562> \/gj. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, 4. März 1979, Nr. 15: AAS 71(1979)287. <563> Vgl. ebd. <564> vgl. Propositio 47. 933 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kirchlichen Tradition alle Christen aufgerufen haben, sich für die menschliche Entfaltung einzusetzen und aufzuopfem. Das alte Israel bekräftigte nachdrücklich die untrennbare Verbindung zwischen der Verehrung Gottes und der Sorge für die Schwachen, die in der Heiligen Schrift als „Witwen, Fremde und Waisen“ erscheinen (vgl. Ex 22,21—22; Dt 10,18; 27,19) und in der damaligen Gesellschaft mehr als andere von Ungerechtigkeit bedroht waren. Oft erkennen wir in den Worten der Propheten den Ruf nach Gerechtigkeit, nach einer gerechten Ordnung der menschlichen Gesellschaft, ohne die wahre Gottesverehrung nicht möglich ist (vgl. Jes 1,10-17; Am 5,21-24). Die Ermahnungen der Synodenväter sind somit das Echo der Propheten, die vom Geist Gottes erfüllt waren, der ,(Liebe will, nicht Schlachtopfer“ (vgl. Hos 6,6). Jesus machte sich diese Worte zu eigen (vgl. Mt 9,13), und gleiches gilt für alle Heiligen. Erinnern wir uns an die Worte des hl. Johannes Chrysostomus: „Willst du den Leib Christi ehren? Wende dich nicht ab von ihm, wenn er nackt ist. Schmücke ihn nicht mit Seide im Tempel, um ihn dann zu vergessen, wenn du ihn draußen frieren und nackt siehst. Der, der sagte: ,Das ist mein Leib1, ist derselbe, der sagte: ,Du hast mich hungrig gesehen und mir nichts zu essen gegeben1. Was nützt es, wenn sich der Altar unter dem Gewicht goldener Kelche biegt, während Christus vor Hunger stirbt? Stille zunächst seinen Hunger, und schmücke dann den Altar mit dem, was übrigbleibt.“ <565> In dem Aufruf der Synode für die menschliche Entwicklung und Gerechtigkeit in den Beziehungen der Menschen zueinander hören wir eine zugleich alte und neue Stimme. Alt, weil sie der Tiefe unserer christlichen Tradition entspringt, die auf die feste, dem Willen Gottesentsprechende Harmonie ausgerichtet ist; neu, weil sie unmittelbar von der Situation zahlreicher Personen des heutigen Asien spricht. <565> Hom. in Mt, 50,3^1: PG 58,508-509. KAPITEL VII Zeugen des Evangeliums Die Kirche als Zeugin 42. Das II. Vatikanische Konzil hat das missionarische Wesen der ganzen Kirche deutlich hervorgehoben und daraufhingewiesen, dass das Werk der Evangelisation Aufgabe des gesamten Gottesvolkes ist. <566> Da das Volk Gottes als solches ausgesandt ist, das Evangelium zu verkünden, kann die Evangelisierung nie das Werk eines einzelnen sein; sie ist vielmehr eine gesamtkirchliche Aufgabe, die von der ganzen Glaubensgemeinschaft erfüllt werden muss. Es ist ein- und dieselbe Mission mit demselben Ursprung und demselben Ziel. Aber innerhalb von ihr gibt es verschiedene Aufgaben und Tätigkeiten. <567> Jedenfalls kann von einer wirklichen Verkündigung des Evangeliums erst dann die Rede sein, wenn die Christen gleich- <566> vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nm. 2,35. <567> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 31: AAS 83(1991)277. 934 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zeitig Zeugen eines Lebens sind, das mit der von ihnen vermittelten Botschaft übereinstimmt: „Die erste Form des Zeugnisses ist das Leben des Missionars, der christlichen Familie und der kirchlichen Gemeinschaft; diese Form lässt eine neue Verhaltensweise erkennen. Dieses Zeugnis können und müssen jedoch alle in der Kirche geben, indem sie sich bemühen, den göttlichen Meister nachzuahmen; ein Zeugnis, das in vielen Fällen die einzig mögliche Form ist, Missionar zu sein.“ <568> Heute brauchen wir vor allem ein wahrhaft christliches Zeugnis, denn „der Mensch unserer Zeit glaubt mehr den Zeugen als den Lehrern, mehr der Erfahrung als der Lehre, mehr dem Leben und den Taten als den Theorien“. <569> Das gilt ganz besonders für Asien, wo ein Leben in Heiligkeit überzeugender ist als intellektuelle Argumente. Die Erfahrung des Glaubens und der Gaben des Heiligen Geistes werden somit Ausgangspunkt jeder missionarischen Tätigkeit in Dörfern und Städten, in Schulen und Krankenhäusern, unter Behinderten, Emigranten und Naturvölkern oder bei der Wahrung von Gerechtigkeit und Menschenrechten. Jede Situation gibt den Christen Gelegenheit, zu beweisen, welch bedeutenden Einfluss die Wahrheit Christi auf ihr Leben hat. Von zahlreichen Missionaren inspiriert, die in der Vergangenheit auf heroische Art und Weise die Liebe Gottes unter den Völkern des Kontinents bezeugt haben, bemüht sich die Kirche in Asien heute um ein ebenso eifriges Zeugnis für Jesus Christus und sein Evangelium, denn nichts Geringeres als dies verlangt der christliche Auftrag. <568> Ebd., Nr. 42; a.a.O., 289. <569> Ebd. Im Bewusstsein des missionarischen Wesens der Kirche und in Erwartung eines neuen Ausgießens der Kraft des Heiligen Geistes zu Beginn des kommenden Jahrtausends betonten die Synodenväter, dieses Nachsynodale Apostolische Schreiben müsse der Orientierung all jener dienen, die auf dem breiten Sektor der Evangelisierung in Asien tätig sind. Die Hirten 43. Der Heilige Geist ermöglicht der Kirche die Erfüllung jenes Auftrags, den Christus ihr anvertraut hat. Bevor er die Jünger als seine Zeugen aussandte, hauchte er ihnen den Heiligen Geist ein (vgl. Joh 20,22), der durch sie wirkte und jene ins Herz traf, die ihnen zuhörten (vgl. Apg 2,37). Gleiches widerfährt denjenigen, die er heute aussendet. Einerseits sind alle Getauften kraft der Gnade des Taufsakraments beauftragt, an der Fortsetzung der Heilssendung Christi teilzunehmen, eine Aufgabe, zu der sie fähig sind, weil die Liebe Gottes durch den Heiligen Geist, der ihnen gegeben ist (vgl. Röm 5,5), in ihre Herzen ausgegossen wurde; andererseits vollzieht sich dieser gemeinschaftliche Auftrag durch eine Vielfalt von Funktionen und besonderen Charismen. Die Hauptverantwortung für die kirchliche Mission übertrug Christus den Aposteln und ihren Nachfolgern. Durch ihre Weihe und die hierarchische Gemeinschaft mit dem Haupt des Bischofskollegiums sind die Bischöfe beauftragt und bevollmächtigt, das Volk 935 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gottes zu lehren, zu leiten und zu heiligen. Innerhalb des Bischofskollegiums übt der Nachfolger Petri - der Fels, auf dem die Kirche gebaut ist (vgl. Mt 16,18) -dem Willen Christi entsprechend ein besonderes Amt der Einheit aus. Somit erfüllen die Bischöfe ihr Amt nur in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, Garant der Wahrheit ihrer Lehre und ihrer vollen Gemeinschaft in der Kirche. Als Mitarbeiter der Bischöfe beim Auftrag der Verkündigung des Evangeliums sind die Priester durch ihre Weihe berufen, Hirten ihrer Herde, Verkünder der Frohbotschaft des Heils und Spender der Sakramente zu sein. Um dem Willen Christi entsprechend der Kirche zu dienen, brauchen Bischöfe und Priester eine eingehende und permanente Weiterbildung, die ihnen Gelegenheit zu menschlicher, spiritueller und pastoraler Erneuerung gibt; unerlässlich ist daher eine theologische, spirituelle und humanwissenschaftliche Unterweisung. <570> Die asiatische Bevölkerung sollte die Mitglieder des Klerus nicht lediglich als Vermittler von Nächstenliebe oder als institutionalisierte Verwalter sehen, sondern als Personen, die in Geist und Herz auf die Tiefen des Geistes hingeordnet sind (vgl. Röm 8,5). Der Achtung, die man in Asien der Obrigkeit entgegenbringt, muss die klare moralische Rechtschaffenheit deijenigen entsprechen, die amtliche Verantwortungen in der Kirche tragen. Durch ihr Leben im Gebet, ihren eifrigen Dienst und ihre beispielhafte Lebensweise sind die Mitglieder des Klerus wirksame Zeugen des Evangeliums in jenen Gemeinden, die sie im Namen Christi „weiden“. Mögen die geweihten Diener Gottes der Kirche Asiens im Geist der Gemeinschaft und der Zusammenarbeit mit den Bischöfen und allen Gliedern der Kirche leben und arbeiten und Zeugnis geben für jene Liebe, die Jesus das wahre Kennzeichen seiner Jünger nannte (vgl. Joh 13,35). <570> Vgl. Propositio 25. Insbesondere möchte ich die Sorge der Synode für die Ausbildung jener hervorheben, die als Erzieher und Lehrer in den Seminaren und theologischen Fakultäten tätig sind. <571> Nach eingehender Unterweisung in den kirchlichen Wissenschaften und den mit ihnen verbundenen Gebieten sollten sie eine spezielle Ausbildung erhalten, die auf die priesterliche Spiritualität, die Kunst der spirituellen Führung und andere Aspekte der anspruchsvollen und schwierigen Aufgabe ausgerichtet ist, die sie bei der Ausbildung der zukünftigen Priester erwartet. Kein Apostolat ist für das Wohl und die Lebenskraft der Kirche so wichtig wie dieses. <571> vgl. ebd. Das geweihte Leben und die Gesellschaften apostolischen Lebens 44. Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Vita consecrata betonte ich die enge Verbindung zwischen geweihtem Leben und Mission. In den drei Aspekten -„confessio trinitatis“, „signum fratemitatis“ und „servitium caritatis“ - verdeutlicht das geweihte Leben die Liebe Gottes in der Welt und bezeugt insbesondere jenen Erlösungsauftrag, den Christus durch seine Ganzhingabe an den Vater erfüllt hat. Im Bewusstsein, dass jede kirchliche Tätigkeit im Gebet und in der Gemeinschaft 936 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit Gott Unterstützung findet, blickt die Kirche Asiens in tiefer Achtung und Anerkennung auf die kontemplativen Ordensgemeinschaften als besondere Quelle der Kraft und Inspiration. Den Empfehlungen der Synodenväter beipflichtend, möchte ich intensiv die Gründung kontemplativer Ordensgemeinschaften überall dort befürworten, wo die Umstände es erlauben. Wie das II. Vatikanische Konzil erinnert, wird so der Bau der irdischen Gesellschaft immer in Gott gründen und auf ihn ausgerichtet sein, und seine Erbauer werden nicht vergeblich arbeiten. <572> Die Suche nach Gott, ein Leben in der Gemeinschaft und der Dienst am Nächsten sind die drei wesentlichen Merkmale des geweihten Lebens, die der heutigen Bevölkerung Asiens ein attraktives christliches Zeugnis bieten können. Die Sonderversammlung der Bischofskonferenz für Asien wies mit Nachdruck darauf hin, dass das geweihte Leben vor Christen und Nichtchristen Zeugnis des allumfassenden Rufs zur Heiligkeit sei und sowohl für den einen als auch den anderen einüberzeugendes Beispiel hochherziger Liebe für alle werde, insbesondere aber für die Geringsten unter den Brüdern und Schwestern. In einer Welt, in der das Bewusstsein der Gegenwart Gottes oft getrübt ist, müssen Ordensleute den Primat Gottes und des ewigen Lebens aufüberzeugende und prophetische Art und Weise bezeugen. Durch ihr Leben in der Gemeinschaft sind sie Zeugen der Werte christlicher Brüderlichkeit und der erneuernden Kraft der Frohbotschaft. <573> Alle, die das geweihte Leben gewählt haben, sind berufen, andere auf der Suche nach Gott zu führen, jener Suche, die seit jeher das Herz des Menschen bewegt und die vor allem in den verschiedenen Formen der Spiritualität und der Askese Asiens sichtbar ist. <574> In zahlreichen Religionen dieses Kontinents genießen die dem kontemplativen und asketischen Leben geweihten Männer und Frauen große Achtung, und ihr Zeugnis ist von besonderer Überzeugungskraft. Durch ihr Leben in der Gemeinschaft, ihr friedliches und stilles Zeugnis, ihre Existenz inspirieren sie die Menschen, sich für größere Eintracht in der Gesellschaft einzusetzen. Gleiches wird auch von den geweihten Männern und Frauen der christlichen Tradition erwartet. Das Beispiel der Armut und Entäußerung, der Reinheit und Aufrichtigkeit, der Opferbereitschaft im Gehorsam kann ein ausdrucksvolles Zeugnis sein, dazu geeignet, Menschen guten Willens zu bewegen und einen fruchtbaren Dialog mit benachbarten Kulturen und Religionen, mit den Armen und Schutzlosen anzuregen. Das macht das geweihte Leben zu einem besonderen Mittel wirksamer Evangelisierung. <575> Die Synodenväter bestätigten die grundlegende Rolle von Ordensgemeinschaften und Kongregationen, Missionsinstituten und Gesellschaften des apostolischen Lebens für die Evangelisierung Asiens in den vergangenen Jahrhunderten. Die Synode dankte ihnen im Namen der Kirche für diesen außerordentlichen Bei- <572> Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 46. <573> Vgl. Propositio 27. <574> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, 25. März 1996, Nr. 103: AAS 88(1996)479. <575> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 8. Dezember 1975, Nr. 69: AAS 68(1976)59. 937 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN trag und ermutigte sie, nicht von ihrer missionarischen Arbeit abzulassen. <576> Gemeinsam mit den Synodenvätem lade ich alle Ordensleute ein, die heilbringende Wahrheit Christi mit neuem Eifer zu verkünden. Allen muss eine angemessene, auf Christus ausgerichtete Ausbildung und Vorbereitung gewährt werden in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Gründungscharisma, mit besonderer Betonung der persönlichen Heiligkeit und des Zeugnisses; ihre Spiritualität und Lebensweise sollte dem religiösen Erbe jener Personen entsprechen, unter denen sie leben und denen sie dienen. <577> <576> Vgl. Propositio 27. 215 vgl. ebd. Unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Charismas sollten sie in den Pastoralplan ihrer Heimatdiözese integriert werden; ihrerseits sind die Ortskirchen aufgerufen, den Sinn für das Ideal des Ordens- und Weihestandes neu zu entfachen und diese Berufungen zu fördern. Das setzt voraus, dass jede Diözese einen Pastoralplan zur Förderung von Berufungen ausarbeitet und auch Priester oder Ordensleute beauftragt, hauptamtlich mit den Jugendlichen zu arbeiten und ihnen zuhelfen, den Ruf Gottes zu hören und zu erkennen. <578> 216 vgl. ebd. Im Kontext der weltkirchlichen Gemeinschaft muss ich auch die Kirche in Asien auffordem, Missionare auszusenden, obwohl sie selbst Arbeiter in ihrem Weinberg braucht. Mit Freude habe ich feststellen können, dass unlängst in verschiedenen asiatischen Ländern Missionsinstitute des apostolischen Lebens gegründet worden sind, die den missionarischen Charakter der Kirche und die Verantwortung der Teilkirchen Asiens für die Verkündigung des Evangeliums in aller Welt beweisen. <579> Den Empfehlungen der Synodenväter entsprechend, sollten „in jeder Ortskirche Asiens Missionsgesellschaften des apostolischen Lebens gegründet werden, die sich durch einen besonderen Geist für die Mission ,ad gentes1, ,ad exteros1 und ,ad vitam‘ auszeichnen“. <580> Eine derartige Initiative wird nicht nur jenen Kirchen reiche Früchte bringen, die Missionare empfangen, sondern auch jenen, die Missionare entsenden. <579> Vgl. Propositio 28. <580> Ebd. Die Laien 45. Wie das II. Vatikanische Konzil ausdrücklich betont, sind die Laien durch die ihnen eigene Berufung eng mit allen zeitlichen Dingen verbunden, um die verschiedensten Aufgaben auszuüben, denn Gott hat sie berufen, das Evangelium Christi in der Welt zu verkünden. <581> Durch die bei Taufe und Firmung empfangenen Gnaden und die Berufung sind alle Laien Missionare, und der Bereich ihrer missionarischen Tätigkeit ist die breite und komplexe Welt der Politik, der Wirt- <581> vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 31. 938 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schaft, der Industrie, der Erziehung und Ausbildung, der Kommunikationsmittel, der Wissenschaft, der Technologie, der Künste und des Sports. In vielen Ländern des Kontinents sind Laien bereits auf wahrhaft missionarische Art und Weise tätig, indem sie jene Landsleute aufsuchen, die sonst nicht mit dem Klerus oder mit Ordensleuten in Berührung gekommen wären. <582> Ihnen möchte ich im Namen der ganzen Kirche danken, und ich möchte alle Laien ermutigen, wo immer sie auch sein mögen, die ihnen eigene Rolle als Zeugen Christi im Leben und in der Sendung des Gottesvolkes zu übernehmen. <582> Vgl. Propositio 29. Es ist Aufgabe der Hirten, die Laien zu Verkündern des Evangeliums auszubilden, damit sie den Herausforderungen der heutigen Welt nicht nur durch weltliche Weisheit und Effizienz begegnen können, sondern mit einem durch die Wahrheit Christi erneuerten und gestärkten Herzen. <583> Als Zeugen des Evangeliums in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens können Laien auf einzigartige Weise zur Ausrottung von Ungerechtigkeit und Unterdrückung beitragen, eine weitere Aufgabe, die eine angemessene Vorbereitung erfordert. Zu diesem Zweck möchte ich in Übereinstimmung mit den Synodenvätem die Einrichtung von Ausbildungszentren für Laien auf diözesaner oder nationaler Ebene anregen, um sie als Zeugen Christi für die missionarische Tätigkeit im heutigen Asien vorzubereiten. <584> Ein ganz besonderes Anliegen der Synodenväter war das Anteilnehmen der Kirche, damit sich niemand in ihr ausgeschlossen fühle; ferner waren sie der Ansicht, dass eine größere Beteiligung der Frauen im Leben und Auftrag der Kirche eine wirklich dringende Notwendigkeit sei. „Die Frau hat eine ganz besondere Begabung zur Weitergabe des Glaubens, so daß Jesus selbst sie zur Evangelisierung ruft. <583> Vgl. ebd. <584> Vgl .ebd. So geschieht es mit der Samariterin, der Jesus beim ,Jakobsbrunnen1 begegnet und die er als erste zur Verbreitung des neuen Glaubens im nichtjüdischen Bereich erwählt.“ <585> Um ihren Dienst in der Kirche hervorzuheben, muss Frauen mehr Gelegenheit geboten werden, Theologie- und andere Studienkurse zu besuchen; die Männer in den Seminaren und Bildungshäusem müssen hingegen lernen, Frauen als Mitarbeiterinnen im Apostolat zu betrachten. <586> Sie sollten auf wirksamere Art und Weise an Pastoralprogrammen, Pastoralräten auf Diözesan- und Pfarrgemein-deebene und an Diözesansynoden beteiligt werden. Ihre Fähigkeit zu dienen sollte im Bereich des Gesundheitswesens, der Erziehung, zur Vorbereitung der Gläubigen auf die Sakramente, beim Aufbau der Gemeinde und zur Förderung des Friedens hoch bewertet werden. Wie die Synodenväter betonten, trägt die Präsenz der Frauen in der kirchlichen Sendung der Liebe und des Dienens weitgehend dazu bei, der asiatischen Bevölkerung, insbesondere den Armen und Ausgeschlossenen, <585> Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz vom 13. Juli 1994, 4: Insegnamenti XVII,2 (1994), 40; O.R.dt. 1994, Nr. 29, S. 1. <586> Vgl. Propositio 35. 939 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jesus in seiner unendlichen Barmherzigkeit, seiner heilenden und versöhnenden Kraft näher zu bringen. <587> <587> Vgl. ebd. Die Familie 46. Die Familie ist jene natürliche Umgebung, die den jungen Generationen ermöglicht, die personale und soziale Reife zu erlangen. Die Familie trägt das Erbe der Menschheit selbst in sich, denn durch sie wird das Leben von Generation zu Generation weitergegeben. In den asiatischen Kulturen nimmt die Familienge-meinschaft eine wichtige Stellung ein, und familiäre Werte wie die respektvolle Haltung der Kinder den Eltern gegenüber, liebevolle Fürsorge für die Alten und Kranken, die Liebe für die Kleinen und die Eintracht untereinander sind, wie die Synodenväter hervorheben, in allen Kulturen und Religionen Asiens hochgeschätzt. Aus christlicher Sicht ist die Familie „die Hauskirche (,ecclesia do-mestica1)“. <588> 22^ II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 11. Wie die gesamte Kirche sollte auch die christliche Familie jener Ort sein, an dem die Wahrheit des Evangeliums Lebensregel und Geschenk ist, die die Mitglieder der Familie an die größere Gemeinschaft weitergeben. Sie ist nicht lediglich Objekt kirchlicher Seelsorge, sondern auch einer der wirksamsten Träger der Evangelisierung. Heute sind christliche Familien aufgerufen, in kritischen Zeiten und unter schwierigen Umständen Zeugen des Evangeliums zu sein, obwohl sie selbst von vielen Seiten bedroht sind. <589> Nur als wahre „Hauskirche“ und durch die in Demut und Liebe gelebte christliche Berufung kann die christliche Familie unter solchen Voraussetzungen wirkungsvoll zur Evangelisiemng beitragen. <589> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio ante disceptationem: L'Osservatore Romano, 22. April 1998, S.6; O.R. dt. 1998, Nr. 21, S. 8 ff. Das bedeutet, wie die Synodenväter betonten, dass die Familie eine aktive Rolle im Leben der Pfarrgemeinde übernehmen, an den Sakramenten teilnehmen, insbesondere an denen der Eucharistie und der Buße, und sich dem Dienst am Nächsten widmen sollte. Das bedeutet auch, dass Eltern bemüht sein müssen, jene Zeiten, in denen die Familie sich normalerweise versammelt, sowohl zum Gebet, zum Lesen und Vertiefen der Bibel, zu angemessenen Feiern unter der Leitung der Eltern wie auch zu gesunder Freizeitgestaltung zunutzen. Das wird der christlichen Familie helfen, eine Gemeinschaft für die Evangelisierung zu werden, in der jedes Mitglied die Liebe Gottes erfahrt und an andere weitergibt. <590> Ferner haben die Synodenväter anerkannt, dass Kinder sowohl innerhalb ihrer Familie wie auch im größeren gesellschaftlichen Bereich zur Evangelisierung beitragen. <591> In der Überzeugung, dass „die Zukunft der Welt und der Kirche von <590> Vgl. Propositio 32. <591> vgl. Propositio 33. 940 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Familie abhängt“ <592> <593>, möchte ich erneut vorschlagen, das zu vertiefen und zu verwirklichen, was ich zum Thema Familie in meinem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio im Anschluss an die fünfte ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode von 1980 dargelegt habe. <592> Ansprache an den Vereinigung christlicher Konsultoren (29. November 1980), 4: Insegnamenti III,2 (1980), 1454. 233 Vgl. Propositio 34. Die Jugend 47. Ganz besondere Aufmerksamkeit schenkten die Synodenväter dem Thema der Jugend in der Kirche. Die zahlreichen, komplexen Probleme, denen die Jugend heute in der sich wandelnden asiatischen Welt gegenübersteht, veranlassen die Kirche, sie auf ihre Verantwortung für die Zukunft der Gesellschaft und der Kirche hinzuweisen; sie ermutigt und unterstützt sie bei jedem Schritt, um sicher zu sein, dass sie in der Lage ist, diese Verantwortung zu übernehmen. Ihr bietet die Kirche die Wahrheit des Evangeliums als freudiges und befreiendes Geheimnis, das ergründet, gelebt und überzeugend und mutig mit anderen geteilt werden muss. Damit die Jugend wirksames Instrument der Sendung sein kann, muss die Kirche ihr eine angemessene Seelsorge widmen. In Übereinstimmung mit den Syno-denvätem bestärke ich euch, in möglichst vielen Diözesen Asiens Jugendkapläne und -leiter zur Förderung der spirituellen Ausbildung und des Jugendapostolats zu ernennen. Die katholischen Schulen sind ebenso wie die Pfarrgemeinden von wesentlicher Bedeutung für die ganzheitliche Bildung der Jugendlichen; ihre Aufgabe ist es, sie auf dem Weg aufrichtiger Nachfolge zu führen und in ihnen jene menschlichen Eigenschaften zu entwickeln, die die Sendung erfordert. Apostolische Jugendwerke oder spezielle Jugendklubs bieten ihnen die für sie so wichtige Erfahrung christlicher Freundschaft. Pfarrgemeinden, Vereinigungen und Bewegungen können ihnen helfen, dem Druck der Gesellschaft besser standzuhalten, indem sie ihnen nicht nur zu größerer Reife im christlichen Leben verhelfen, sondern sie auch durch Beratungen zur beruflichen Orientierung, zur Förderung ihrer Berufung und bei Jugendproblemen unterstützen. : Die christliche Erziehung der Jugendlichen Asiens muss beider Erkenntnis beginnen, dass sie nicht nur Gegenstand kirchlicher Seelsorge, sondern auch „Förderer und Mitarbeiter der kirchlichen Sendung für die verschiedenen apostolischen Aufgaben der Liebe und des Dienstes“ <594> sind. Daher sollte man die Jugendlichen in den Pfarrgemeinden und Diözesen auffordem, an der Organisation von Aktivitäten teilzunehmen, die sie betreffen und interessieren. Jugendliche Frische und Begeisterung, Solidaritätsgeist und Zuversicht machen sie in einer gespaltenen Welt zu Förderern des Friedens. In dieser Hinsicht geben uns jene junge Menschen neuen Mut, die zur Förderung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs an Aus- <594> Ebd. 941 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tauschprogrammen zwischen Teilkirchen und asiatischen wie auch außerasiatischen Ländern teilnehmen. Die soziale Kommunikation 48. In einer Zeit der Globalisierung spielen die „Mittel der sozialen Kommunikation eine derart wichtige Rolle, daß sie für viele zum Hauptinstrument der Information und Bildung, der Führung und Beratung für individuelles, familiäres und soziales Verhalten geworden sind. Vor allem die neuen Generationen wachsen in einer davon geprägten Welt auf1. <595> Die Welt beobachtet das Aufkommen einer neuen Kultur, die „noch vor ihren Inhalten aus der Tatsache selbst entsteht, daß es neue Arten der Mitteilung in Verbindung mit einer neuen Sprache, mit neuen Techniken und mit neuen psychologischen Haltungen gibt“. <596> Die außergewöhnliche Rolle der sozialen Kommunikationsmittel für die Prägung der Welt, der Kulturen und Denkweisen bewirkte in den asiatischen Gesellschaften umfangreiche und rasche Veränderungen. <595> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 37: AAS 83(1991)285. <596> Vgl. ebd. Auch der Evangelisierungsauftrag der Kirche steht unweigerlich unter der tiefen Einwirkung der Massenmedien, die in Anbetracht ihrer wachsenden Einflussnahme selbst in den abgelegensten Gebieten Asiens für die Verkündigung des Evangeliums in jedem Winkel des Kontinents eine große Hilfe sein können. „Doch genügt es nicht, sie nur zur Verbreitung der christlichen Botschaft und der Lehre der Kirche zu benutzen; sondern die Botschaft selbst muß in diese von der modernen Kommunikation geschaffene ,neue Kultur1 integriert werden.“ <597> Zu diesem Zweck muss die Kirche neue Methoden erforschen, um die Massenmedien sorgfältig in die pastorale Planung und Tätigkeit einzubeziehen, damit durch ihren wirksamen Einsatz die Kraft des Evangeliums mehr und mehr Menschen und ganze Völker erreichen möge und die asiatische Kultur mit den Werten des Gottesreiches durchtränkt werde. <597> Vgl. ebd. Ich schließe mich dem Lob der Synodenväter für „Radio Veritas Asia“ an, die einzige Rundfunkstation der Kirche in Asien, und ihre fast dreißigjährige über Rundfunk geleistete Arbeit für die Evangelisierung. Wir müssen uns bemühen, dieses hervorragende Missionsinstmment durch eine geeignete sprachliche Programmgestaltung, die Entsendung von Mitarbeitern und finanzielle Unterstützung seitens der asiatischen Bischofskonferenzen und Diözesen zu stärken. <598> Neben dem Rundfunk können auch katholische Veröffentlichungen und Presseagenturen zur Verbreitung von Informationenbeitragen und für fortlaufende religiöse Erziehung und Bildung auf dem ganzen Kontinent sorgen. Überall dort, wo Christen eine Minderheit bilden, können sie wichtige Hilfsmittel zur Unterstützung und Festi- <598> Vgl. Propositio 45. 942 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gung der katholischen Identität sein und den Geist katholischer Moralprinzipien verbreiten. <599> <599> Vgl. ebd. Im Hinblick auf die Evangelisierung durch die sozialen Kommunikationsmittel, „den modernen Aeropag“, schließe ich mich den Empfehlungen der Synodenväter an in der Hoffnung, auf diese Weise der Entfaltung des Menschen, der Verbreitung der Wahrheit Christi und der kirchlichen Lehre zudienen. <600> Es wäre von Nutzen, wenn jede Diözese im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein Kommunikations- und Medienbüro einrichten würde. Medienerziehung, einschließlich der kritischen Bewertung der Medienproduktion, sollte in zunehmendem Maße zur Ausbildung von Priestern, Seminaristen, Ordensleuten, Katechisten, Laien, Studenten katholischer Schulen und Pfarrgemeinden gehören. Die starke Einflussnahme und außerordentliche Wirkung der Massenmedien erfordern die Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Mitgliedern anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften wie auch Anhängern anderer Religionen, um spirituellen und moralischen Werten einen Platz in der Medienwelt zu sichern. Gemeinsam mit den Synodenvätem unterstütze ich die Entwicklung von Pastoralplänen für den Kommunikations- und Medienbereich sowohl auf nationaler wie auch auf diözesaner Ebene unter Berücksichtigung der Weisungen der Pastoralinstruktion Aetatis novae und der in Asien vorherrschenden Verhältnisse. <600> Vgl. ebd. Die Märtyrer 49. So wichtig Bildungsprogramme und Strategien auch sein mögen, am Ende ist es das Martyrium, das die wahre Natur der christlichen Botschaft offenbart. Das Wort,Märtyrer“ selbstbedeutet Zeuge, und jene, die ihr Blut für Christus vergossen haben, bezeugten den wahren Wert des Evangeliums bis zum Äußersten. In der Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums des Jahres 2000, Incarnationis myste-rium, habe ich daraufhingewiesen, wie wichtig es ist, das Andenken der Märtyrer zu pflegen: „Vom psychologischen Gesichtspunkt her ist das Martyrium der eindrucksvollste Beweis für die Wahrheit des Glaubens, die selbst dem gewaltsamsten Tod einmenschliches Gesicht zu geben vermag und ihre Schönheit auch in den grausamsten Verfolgungen zum Ausdruck bringt.“ <601> Im Laufe der Jahrhunderte hat der asiatische Kontinent der Kirche und der Welt eine Vielzahl dieser Helden des Glaubens geschenkt, und im Herzen Asiens erklingt der große Lobgesang: „Te martyrum candidatus laudat exercitus“ [Dich preist der Märtyrer leuchtendes Heer].“ Das ist die Hymne jener, die in den ersten Jahrhunderten der Kirche für Christus auf asiatischem Boden gestorben sind, und auch der freudige Ruf von Männern und Frauen einer weniger entfernten Vergangenheit, Heilige wie Paulus Miki, Lorenzo Ruiz, Andrea Dung Lac, Andrea Kim Taegon und ihre jeweilige <601> Nr. 13:^591(1999)142. 943 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gefährten. Mögen die zahlreichen alten und neuen Märtyrer Asiens der Kirche ihres Kontinents stets vor Augen halten, was es bedeutet, Zeugnis zu geben für das Lamm, in dessen Blut sie ihre Gewänder gewaschen und weiß gemacht haben (vgl. Offb 7,14)! Mögen sie stets unbeugsame Zeugen jener Tatsache sein, dass die Christen immer und überall berufen sind, nichts anderes als das Kreuz des Herrn zu verkünden! Möge durch das Blut der Märtyrer Asiens heute und immerfort in jedem Winkel des Kontinents neues Leben für die Kirche entstehen. SCHLUSS Dank und Ermutigung 50. Um das zu erkennen, was der Heilige Geist den Kirchen in Asien sagt (vgl. Offt> 1,11), hat dieses Nachsynodale Apostolische Schreiben versucht, die Ergebnisse der Sonderversammlung der Bischofskonferenz für Asien zusammenfassend darzustellen. Abschließend möchte ich euch allen, liebe Brüder und Schwestern in Asien, die ihr auf vielfache Weise zum Erfolg dieses wichtigen kirchlichen Ereignisses beigetragen habt, im Namen der Kirche danken. Vor allem wollen wir Gott preisen für die Vielfalt der Kulturen, Sprachen, Traditionen und die religiöse Empfänglichkeit dieses großen Kontinents. Gelobt sei Gott für die Völker Asiens, so verschieden untereinander und doch so vereint in ihrem Bemühen um Frieden und auf der Suche nach der Fülle des Lebens. Vor allem heute, in unmittelbarer Nähe des zweitausendsten Jahrestages der Geburt Christi, wollen wir Gott danken, Asien als irdische Wohnstatt seines fleischgewordenen Sohnes, des Erlösers der Welt, gewählt zu haben. Meine besondere Hochachtung gilt den Bischöfen Asiens für ihre tiefe Liebe zu Jesus Christus, für die Kirche, die asiatische Bevölkerung, für ihr Zeugnis der Gemeinschaft und ihre hochherzige Hingabe für den Evangelisierungsauftrag. Ich danke allen Mitgliedern der großenkirchlichen Familie dieses Kontinents: Priestern, Ordensleuten, Missionaren, Laien, Jugendlichen, Einheimischen, Arbeitern, Armen und Notleidenden. Tief in meinem Herzen ist ein besonderer Platz für diejenigen in Asien, die aufgrund ihres Glaubens an Christus verfolgt werden: Sie sind die verborgenen Stützpfeiler der Kirche, an die Jesus seine trostspendenden Worte richtet: „Denn ihnen gehört das Himmelreich“ (vgl. Mt 5,10). Die Worte Jesu geben der Kirche in Asien neuen Mut: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben“ (Lk 12,32). Die Anhänger Christi sind noch eine kleine Minderheit auf diesem weiten und stark bevölkerten Kontinent. Dennoch sind sie durchaus keine zurückhaltende Minderheit, sondern von lebendigem Glauben beseelt und von jener Hoffnung und Lebenskraft erfüllt, die allein der Glaube geben kann. Auf ihre bescheidene, aber mutige Art haben sie die Kulturen und Gesellschaften Asiens, insbesondere das Leben der Armen und Schutzlosen, beeinflusst, von denen viele den katholischen Glauben nicht teilen. Somit sind sie ein Beispiel für die Christen in aller Welt, damit auch sie bereit sein mögen, den Reichtum der Frohbotschaft zu 944 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN teilen, „ob sie es hören wollen oder nicht“ (vgl. 2 Tim 4,2). Sie stärkt die außerordentliche Macht des Heiligen Geistes, der dafür sorgt, dass die Kirche Asiens trotz ihrer allgemein begrenzten Verbreitung wie der Sauerteig sein möge, der den ganzen Teig still und verborgen durchsäuert (vgl. Mt 13,33). Die asiatische Bevölkerung braucht Jesus Christus und sein Evangelium, denn der Kontinent dürstet nach jenem lebendigen Wasser, das allein er ihnen geben kann (vgl. Joh 4,10-15). Die Jünger Christi in Asien müssen sich daher hochherzig um die Erfüllung jener Mission bemühen, die der Herr ihnen anvertraut hat, dem er hat versprochen, „ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Im Vertrauen auf den Herrn, der keinen verlässt, den er gerufen hat, setzt die Kirche Asiens voll Freude ihre Pilgerschaft ins dritte Jahrtausend fort. Ihre einzige Freude ist es, mit der Vielzahl der Völker Asiens jenes unermesslich große Geschenk zu teilen, das auch sie einst empfangen hat, die erlösende Liebe Jesu. Ihr einziges Ziel ist es, die Mission des Dienstes und der Liebe fortzusetzen, damit alle Menschen des Kontinents „das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Gebet an die Mutter Christi 51. Angesichts dieses außerordentlichen Auftrags wenden wir uns an Maria, die Mutter des Erlösers. Ihr sind, wie die Synodenväter versichern, die Christen Asiens in tiefer Liebe treu ergeben und verehren sie als ihre Mutter und als Mutter Christi. <602> In ganz Asien gibt es Hunderte von Marienkirchen und -heiligtümem, in denen sich nicht nur Katholiken, sondern auch Anhänger anderer Religionen versammeln. <602> Vg] Lineamenta Nr. 59. Maria, dem Vorbild aller Jünger und dem leuchtenden Stern der Evangelisierung, vertraue ich auf der Schwelle des dritten Jahrtausends des christlichen Zeitalters die Kirche in Asien an in der Gewissheit, dass ihr Ohr stets zuhört, ihr Herz stets aufnimmt und ihre Fürsprache nie versagt: Heilige Mutter, Tochter des Allerhöchsten, Jungfräuliche Mutter des Erlösers und aller Menschen, richte deinen liebevollen Blick auf die Kirche, die dein Sohn auf asiatischem Boden gegründet hat. Führe sie durch dein Vorbild, während sie die von deinem Sohn begonnene Sendung der Liebe und des Dienstes in Asien fortsetzt. Du hast dem Ruf des Vater, Mutter Gottes zu sein, bedingungslos und frei zugestimmt, lehre uns, das Herz von all dem zu befreien, was nicht Gottes ist, damit der Heilige Geist auch auf uns herabkomme. In der Stille deines Herzens hast du die Geheimnisse des göttlichen Willens erkannt; 945 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hilf uns, damit wir auf unserem Weg die Zeichen der mächtigen Hand Gottes erkennen mögen. Du bist sofort zu Elisabet geeilt, um ihr in der Zeit vor der Niederkunft behilflich zu sein; erwirke auch für uns und unseren Evangelisierungsauftrag diesen Geist eifriger Dienstbereitschaft. Zum Lobpreis des Herrn hast du deine Stimme erhoben; führe uns bei der freudigen Verkündigung des Glaubens an Christus, den Erlöser. Du hast dich der Notleidenden erbarmt und als ihre Fürsprecherin an deinen Sohn gewandt; lehre uns, zu Jesus von der Welt zu sprechen und zur Welt von Jesus. Du hast am Fuß des Kreuzes gestanden, als dein Sohn seinen Geist aushauchte; stehe uns zur Seite, wenn wir versuchen, mit den Leidtragenden in Geist und Dienst vereint zu sein. Im Abendmahlssaal hast du mit den Jüngern gebetet; hilf uns, die Gaben des Geistes zu empfangen, um dort hinzugehen, wohin er uns hinführt. Bewahre die Kirche vor allen Gefahren. Hilf ihr, das wahre Abbild der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zu sein. Möge deine Fürsprache erwirken, dass durch den liebevollen Dienst der Kirche alle Völker Asiens deinen Sohn Jesus Christus, den einzigen Erlöser der Welt, erkennen und so der Freude des Lebens in Fülle teilhaftig werden. Maria, Mutter der neuen Schöpfung und Mutter Asiens, bitte für uns, deine Rinder, heute und in Ewigkeit! Gegeben zu Neu-Delhi, Indien, am 6. November des Jahres 1999, im zweiundzwanzigsten meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. II 946 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Über den Weg des Kreuzes zur ewigen Heimat gelangen Predigt bei der Eucharistiefeier für die im Verlauf des Jahres verstorbenen Kardinäle und Bischöfe am 12. November 1. „Und wir leben vor seinem Angesicht“ (Hos 6,2). In den letzten Tagen hat uns die Liturgie von Allerheiligen und Allerseelen das Geheimnis des Todes und des ewigen Lebens nahegebracht. Und das ist auch die Atmosphäre, die uns heute in der Basilika von St. Peter umgibt, wenn wir nun das eucharistische Opfer für jene Kardinäle und Bischöfe darbringen, die im Laufe dieses Jahres in das Haus des Vaters heimgegangen sind. Ganz besonders gedenke ich der Kardinäle Carlos Oviedo Cavada, Raul Silva Hen-riquez und George Basil Hume. Ihrer sowie aller in diesem Jahr heimgegangenen Erzbischöfe und Bischöfe gedenken wir heute in Ergriffenheit und Anerkennung. Bei ihrem auf dem Glauben gründenden apostolischen Handeln und bei ihrem aufmerksamen Seelsorgedienst haben sie in der Hoffnung auf den Herrn ihren Blick wesentlich über die irdischen Grenzen hinausgerichtet, haben Seinen Namen den Brüdern und Schwestern verkündet und haben Ihn inmitten der Versammlung der Gläubigen gepriesen. Es sei ihnen nun die Ruhe im himmlischen Haus des Vaters vergönnt, welcher für die Kinder Gottes die Heimstatt des Friedens ist. 2. „Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes“ (Röm 8,14). Wie oft haben die Brüder, derer wir heute gedenken sich in ihrem Leben und bei der Ausübung ihres Amtes auf diese vom Apostel verkündete grundlegende Wahrheit berufen! Wie oft haben sie den Heiligen Geist als Tröster angerufen und ihn gebeten, dass er seine Gnade über dem Volk Christi ausgieße! Ihr Vorbild lädt uns ein, den Glauben an die Person unseres Erlösers und an die lebensspendende Kraft seines Geistes zu bekräftigen. Der Glaube beseelt uns mit der tröstenden Sicherheit, dass der Tod der Übergang zum ewigen Leben ist. Daran erinnert auch die Präfation der Totenmesse: „Deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen. Und wenn die Herberge der irdischen Pilgerschaft zerfällt, ist uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet.“ 3. „Der Sohn schenkt allen ewiges Leben“ (vgl. Joh 17,2). Im Evangelium haben wir den Beginn des Großen Gebets gehört, das Jesus kurz vor seinem Leiden an den Vater richtet. Den Hintergrund dazu liefert das Kreuz, wobei jedoch auch schon die Freude der Auferstehung durchscheint. Wenn wir auf den Gekreuzigten blicken, verstehen wir, dass der Vater gerade in dieser äußersten Hingabe seines Sohnes seinen Geist in Fülle über die Welt ausgegossen hat. Der gute Hirt ist gekommen, damit die Menschen „das Leben haben und es in Fülle haben“ {Joh 10,10). So erfüllt der gute Hirt seine Sendung und schenkt den Heiligen Geist zum Heil der ganzen Welt. 947 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Im Licht dieser stärkenden Wahrheit wenden wir uns an den Gott des Lebens, auf dass er diese unsere verstorbenen Brüder aufhehme, die so viele Jahre treue Arbeiter in seinem Weinberg waren. Nun, da der Herr sie zu sich berufen hat, dürfen sie die tröstende Wahrheit der Verheißung Christi erfahren: „Der Sohn schenkt allen ewiges Leben.“ Indem wir an sie denken und für sie beten, gehen wir vertrauensvoll auf dem Weg weiter, der zu unserer himmlischen Heimat fuhrt. Jeden Tag möge uns dabei Maria, die Allheilige, unterstützen, die uns Jesus, als er am Kreuz hing, zur Mutter gegeben hat. Zu ihr richten wir voll Vertrauen unseren Blick und suchen Zuflucht unter ihrem Schutz. Möge uns die glorreiche und gebenedeite Jungfrau aus allen Gefahren befreien und uns zur Begegnung mit Gott geleiten. Amen! Einheit im Glauben und Einheit der Kirche im Sinn der hl Birgitta erneut bekräftigen Predigt während des Ökumenischen Gottesdienstes zum Gedächtnis der hl. Birgitta von Schweden am 13. November 1. „Seht, ich mache alles neu diese Worte sind zuverlässig und wahr“ (Offl> 21,5). Christus macht alles neu. Die hl. Birgitta, eine ruhmvolle Tochter Schwedens, glaubte mit aller Kraft und tiefer Liebe an Christus. Mit dem Lied ihres Glaubens und ihren guten Werken zierte Birgitta die Kirche und erkannte in ihr die Gemeinschaft der Glaubenden, die Wohnstätte des Geistes Gottes. Heute gedenken wir dieser außergewöhnlichen heiligen Frau, und ich freue mich besonders, dass in dieser Feierstunde die höchsten Vertreter der Lutherischen Kirchen von Schweden und Finnland zusammen mit meinen ehrwürdigen Brüdern, den Bischöfen von Stockholm und Kopenhagen, mir zur Seite sind. Sie alle heiße ich mit großer Zuneigung willkommen. Auch den König und die Königin von Schweden, die diese Feier mit ihrer Anwesenheit beehren wollten, grüße ich achtungsvoll. Ebenso gilt mein Gmß den leitenden Persönlichkeiten der Politik, die hier unter uns sind. Und schließlich grüße euch alle, liebe Schwestern vom Orden des Heiligsten Erlösers, Schwestern der hl. Birgitta, angeführt von eurer Generaloberin. 2. Wiedemm sind wir versammelt, um vor dem Herrn den Einsatz für die Einheit im Glauben und die Einheit der Kirche, den die hl. Birgitta in schwierigen Zeiten mit solcher Überzeugung unternahm, erneut zu bekräftigen. Birgittas ganzes Leben war von der Leidenschaft für die Einheit der Christen getragen. Und dank ihres Zeugnisses und des Zeugnisses von Mutter Elizabeth Hesselblad ist die Verpflichtung zu diesem Einsatz durch den geheimnisvollen Strom der Gnade über die Grenzen von Zeit und Raum hinweg zu uns gelangt. Die heutige Feier lädt uns ein, über die Botschaft der hl. Birgitta nachzudenken, die ich vor kurzem als Mitpatronin von Europa verkündigte, zusammen mit der 948 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hl. Katharina von Siena und der hl. Theresia Benedicta vom Kreuz. Die von Tatendrang erfüllte Liebe der hl. Birgitta zur Kirche und ihr Zeugnis für das Kreuz sind für uns alle eine Parole und ein Sammelpunkt, da wir uns anschicken, die Schwelle des neuen Jahrtausends zu überschreiten. Ich freue mich, heute Abend am Ende unserer Feier eine Statue der Öffentlichkeit vorstellen und segnen zu können, die dem Andenken an diese große Glaubenszeugin hier im Vatikan einen lebendigeren Impuls gibt. An der Außenseite der Basilika wird das Marmorbildnis der hl. Birgitta gerade neben der sogenannten „Pforte des Gebetes“ seinen Platz haben und eine bleibende Aufforderung zu stetem Beten und Arbeiten für die Einheit der Christen sein. Nach den vorausgehenden Worten in Englisch fuhr der Papst in italienischer Sprache fort: 3. Meine Gedanken kehren nun zurück zum 5. Oktober 1991, als in eben dieser Basilika ein feierlicher ökumenischer Gottesdienst zur Sechshundertjahrfeier der Heiligsprechung der hl. Birgitta stattfand. Bei dieser Gelegenheit sagte ich: „Seit nunmehr fünfundzwanzig Jahren setzen sich Lutheraner und Katholiken dafür ein, den gemeinsamen Weg wiederzufinden ... Der theologische Dialog hat das umfangreiche Glaubenserbe ans Licht gebracht, das uns eint... Niemandem ist es unbekannt, dass die Lehre der Rechtfertigung der Ausgangspunkt für die protestantische Reform war und dass sie die Einheit der Christen im Abendland zerbrochen hat. Ein gemeinsames Verständnis dieser Lehre ... wird uns helfen - dessen sind wir gewiß die anderen Kontroversen zu lösen, die direkt oder indirekt mit ihr in Zusammenhang stehen.“ Dieses „gemeinsame Verständnis“, das vor neun Jahren mein Wunsch war, ist -Dank sei dem Herrn - zur ermutigenden Wirklichkeit geworden. Am vergangenen 31. Oktober wurde in der Stadt Augsburg feierlich eine Gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der Lutheraner und Katholiken einen Konsens über grundlegende Wahrheiten der Rechtfertigungslehre haben ausreifen lassen. Dieses im ökumenischen Dialog Errungene, ein Meilenstein auf dem Weg der vollen und sichtbaren Einheit, ist das Ergebnis von intensiver Forschungsarbeit, von Begegnungen und Gebet. Wir haben jedoch noch einen weiten Weg vor uns: „Grandis restat nobis via.“ Wir müssen noch mehr tun im Bewusstsein der Verantwortung, die uns allen an der Schwelle eines neuen Jahrtausends obliegt. Wir müssen zusammen weitergehen, gestützt und gestärkt von Christus, der am Abend vor seinem Tod im Abendmahlssaal zum Vater gebetet hat, dass seine Jünger „alle eins sein sollen“ (Joh 17,21). 4. Im Text der Gemeinsamen Erklärung heißt es sehr zutreffend: Der von Katholiken und Lutheranern erreichte ,Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre muss sich im Leben und in der Lehre der Kirchen auswirken und bewahren“ (Nr. 43). Auf diesem Weg vertrauen wir uns dem unaufhörlichen Wirken des Heiligen Geistes an. Wir vertrauen im übrigen auch auf jene, die vor uns Christus und sein 949 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kreuz so sehr geliebt und, wie die hl. Birgitta, um das unverzichtbare Kennzeichen der Kirche, nämlich ihre Einheit, gebetet haben. Wir kennen nicht den Tag der Begegnung mit dem Herrn. Darum mahnt uns das Evangelium, zu wachen, unsere Lampen brennend zu halten, damit wir, wenn der Bräutigam kommt, bereit sind, ihn zu empfangen. In dieses wachsame Warten hinein erklingt im Herzen jedes Gläubigen der beschwörende Ruf des göttlichen Meisters: „Ut unum sint“. Die hl. Birgitta möge uns ein Beispiel sein und für uns bitten. Euch, ihre lieben geistlichen Töchter im Orden vom Heiligsten Erlöser, bitte ich in besonderer Weise, treu in eurem erlesenen Apostolat im Dienst der Einheit fortzufahren. Das neue Jahrtausend steht schon vor der Tür. „Christus gestern, heute und immer“, sei Mitte und Ziel all unseres Bestrebens. Er ist es, der alles neu macht und für seine Gläubigen einen Weg froher Hoffnung vorzeichnet. Beten wir ohne Unterlass, dass Er uns die Weisheit und die Kraft seines Geistes verleihe. Rufen wir ihn an, dass alle Christen so bald wie möglich die Einheit erreichen. Für Gott ist nichts unmöglich! Vom Geheimnis der Menschwerdung des Erlösers Zeugnis ablegen Predigt bei der Einweihung der Kapelle „Redemptoris Mater“ im Vatikan am 14. November 950 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Da wir nunmehr kurz vor dem dritten Jahrtausend stehen, möchte ich diese Frohbotschaft unterstreichen, die Christus, der Sohn Marias, der Menschheit gebracht hat. Wenn wir das Bild der jungfräulichen Mutter betrachten, hallt in unserem Herzen die Einladung nach, die wir in der ersten Lesung aus dem Buch Nehemia gehört haben: „Macht euch keine Sorgen, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke“ (8,10). 3. Gerne konsekriere ich den Altar und weihe die renovierte Kapelle ein, in deren Mosaiken der Reichtum der morgenländischen Tradition auflebt. Sie wird erst dann recht verstanden, wenn man auch die abendländische Tradition kennt. Hier stehen Orient und Okzident nicht gegeneinander, sondern sie täuschen gegenseitig ihre Gaben aus und versuchen so, den unergründlichen Reichtum Christi zum Ausdruck zu bringen. Allen, die mit Hingabe und Liebe an der Entstehung dieses Werkes mitgearbeitet haben, spreche ich meinen Dank aus. Ist es doch ein Ausdruck jener Theologie, die besagt, dass die Kirche mit beiden Lungen atmen muss, woraus der Kirche des dritten Jahrtausends neue Vitalität erwächst. Besonders danke ich den Kardinälen, die durch diese Stiftung meines fünfzigsten Priestequbiläums gedenken wollten. Es ist für mich ein besonderer Anlass zur Freude, dass dieses Jubiläum mit der „Redemptoris Mater“ in Verbindung steht. Unter ihrem Schutz habe ich in all diesen Jahren meines Dienstes an der Kirche gelebt, und ihrer Fürsprache vertraue ich die Zeit an, die der Herr mir noch gewähren will. 4. Die Stelle aus dem Evangelium, die wir vorhin gehört haben, hat uns in die Gegend von Cäsaräa Philippi versetzt, wo Christus seinen Jüngern jene entscheidende Frage gestellt hat: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mt 16,15). Wenn wir die Botschaft vernehmen, die sich in den Wandmosaiken entfaltet, ist es möglich, jene Antwort herauszulesen, die die Kirche auch heute noch auf die Frage des Herrn gibt. Es ist dieselbe Antwort, die Petrus damals gegeben hat: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). In demütigem Vertrauen machen wir uns dieses Glaubensbekenntnis zu eigen, wohl wissend, dass dies „nicht Fleisch und Blut“ offenbart hat, sondern der „Vater, im Himmel“ (vgl. Mt 16,17). „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“, derselbe „gestern, heute und immerdar“. Amen! 951 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Universitärer Anspruch und theologische Forschung Ansprache bei der Segnung neuer Räumlichkeiten und Eröffnung des akademischen Jahres der Päpstlichen Lateranuniversität am 16. November Eminenzen, verehrte Brüder im Bischofsamt, verehrte Dozenten, liebe Studenten! 1. Gerne habe ich die Einladung angenommen, der feierlichen Eröffnung des akademischen Jahres vorzustehen und all jenen zu begegnen, die nach ihrer Stellung zur Familie der Lateranuniversität gehören. Danke für eure liebenswürdige Aufnahme! Danke für dieses erneute Zeugnis der Treue und Verehrung dem Nachfolger Petri gegenüber! Mein Gruß gilt vor allem Kardinal Camillo Ruini, dem Großkanzler dieser Universität. Zusammen mit ihm begrüße ich auch alle hier anwesenden Kardinäle und Bischöfe sowie den „Rector magnificus“, Msgr. Angelo Scola. Ihm danke ich für den Willkommensgruß und die freundlichen Worte, die er im Namen der ganzen Universitätsgemeinschaft an mich gerichtet hat. Weiter gilt mein Willkommensgruß den Herren Botschaftern und den Rektoren der kirchlichen und weltlichen Universitäten, den Leitern der Seminare und Kollegien, den Sponsoren und Wohltätern, die zu dieser akademischen Feier beigetragen haben. Schließlich möchte ich mich ganz besonders herzlich an euch Dozenten und Studenten wenden, die ihr tagtäglich eure Kräfte für die erhabene und anspruchsvolle Erforschung der Wahrheit einsetzt. Eure Anstrengungen werden heute belohnt durch die soeben eingeweihten neuen Räumlichkeiten, durch die vor kurzem reformierten und approbierten Statuten sowie durch den auf den neuesten Stand gebrachten verwaltungstechnischen Apparat. Dadurch wird der Päpstlichen Lateranuniversität und dem „Päpstlichen Institut Johannes Paul II. ‘ für Studien zu Ehe und Familie“ eine Leitung und ein vereinheitlichtes Netz von Diensten zugesichert, ohne dabei die Autonomie der beiden Institutionen anzutasten. Auch bleibt dabei deren jeweilige akademische Berufung von römischem und gleichzeitig universalem Flair unangetastet. 2. Wenn wir über die Ursprünge der Universität nachdenken, so ist es fast, als lesen wir da auf einer Seite der Kirchengeschichte, denn es war ja bekanntlich die Kirche, welche die ältesten europäischen Universitäten ins Leben gerufen hatte. In der Neuzeit wollte die Reform der Aufklärung innerhalb der Universitäten eine Antwort auf die existentiellen Fragen über den Menschen und sein Schicksal dadurch geben, dass man sich von der Offenbarung löste. In vielen Fällen sah sich gerade die Theologie aus jener akademischen Institution sozusagen ausgestoßen, deren Zentrum sie jahrhundertelang gewesen war. 952 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aber dennoch scheinen aufs Ganze gesehen die wieder aufgegriffenen Exklusivansprüche der Vernunft und das festzustellende Ausgehöhltsein des agnostischen Relativismus im derzeitigen kulturellen Kontext an den Universitäten die Forschung über den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen. Als rechtmäßige Erben der akademischen Tradition der mittelalterlichen Schulen sind die „kirchlichen“ Universitäten aufgerufen, zu Protagonisten dieses Wiedererwachens zu werden, und zwar in fruchtbarer Zusammenarbeit mit allen Forschem im Bereich der Universitäten, besonders der katholischen. 3. Diese erneute, dem Menschen geltende Aufmerksamkeit in seiner in sich engen Bindung an das Dasein und an die Frage nach Gott richtet unseren Blick auf die eigentlichen Aufgaben der Fakultät und der Institute, die innerhalb der Lateranuniversität ihre Tätigkeit entfalten. Die theologische Fakultät ist berufen, sich auf die stete Spannung des „intellectus fidei“ einzulassen, immer tiefer in das Geheimnis Gottes einzudringen und sie in der „Sprache“ der heutigen Zeit vorzulegen. Die philosophische Fakultät muss einerseits der ständigen Entwicklung der Natur-und Humanwissenschaften andererseits dem Verlust eines höheren Reflektonsni-veaus sowohl in anthropologischer als auch in metaphysischer Hinsicht (vgl. Fides et ratio, Nr. 83) Rechnung tragen. Und dies ist der Ausgangspunkt, von wo aus sie alle anderen Stufen von Erfahrung und Erkenntnis wieder aufgreifen, ordnen und miteinander verbinden muss, um sich so dem fruchtbaren Dialog mit dem Glauben zu öffnen. Das Päpstliche Institut „Utriusque Iuris“ mit seinem einzigartigen wissenschaftlichen Gepräge, ausgestattet mit einer ausgesprochen historischen Sichtweise der Rechte, ist dazu bestimmt, die Prinzipien der kanonischen und zivilen Rechtsordnung durch das Zusammenwirken dieser „beiden Hände“ in seinem Wissenschaftsbereich neu zu motivieren. Das Päpstliche Pastoralinstitut „Redemptor hominis“, das sich seit einigen Jahren besonders der Soziallehre der Kirche widmet, wird über die Dringlichkeit eines wirkungsvollen kirchlichen Handelns nachdenken müssen, damit im religiösen, kulturellen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bereich die vom II. Vatikanischen Konzil betonte Wahrheit rezipiert wird. Sie besagt, dass der Mensch „auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist“ (Gaudium et spes, Nr. 24). Schließlich möchte ich noch die Bedeutung der Erforschung des göttlichen Planes in Bezug auf den Menschen, die Ehe und die Familie betonen, die am „Päpstlichen Institut Johannes Paul II. ‘ für Studien zu Ehe und Familie“ betrieben wird. Daran habe ich auch anlässlich der vor kurzem stattgefundenen Begegnung mit dem Lehrkörper aller seiner internationalen Sektionen erinnert (vgl. L'Osservatore Romano, 28. August 1999). 953 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN 4. Um auf solche Herausforderungen zu reagieren, ist das Zusammenwirken aller Universitätseinrichtungen erforderlich, und zwar einschließlich all jener akademischen Wirkungsbereiche, die auf den verschiedenen Kontinenten in verschiedener Weise mit der Lateranuniversität verbunden sind. Durch sie trägt eure Hochschule dazu bei, den Idealen der Universität im dritten Jahrtausend neue Umrisse zuzuweisen und deren Wirkungsfeld neu zu definieren, das sich über den europäischen Kontinent hinaus weltweit erstreckt. So wie die mittelalterliche „Universitas“ an der Identitätsbildung Europas beteiligt war, so ist auf analoge Weise die Universität des dritten Jahrtausends dazu berufen, das neue Bewusstsein der Zugehörigkeit zur gesamten Menschheits- und Völkerfamilie heranzubilden. Dabei ist es eure besondere Aufgabe, Zeugnis dafür abzulegen, dass dieses Bewusstsein auf Jesus Christus gründet, der Alpha und Omega, Wurzel und Spross, Anfang und Ende ist. 5. Liebe Dozenten und Studenten der „Alma Mater Lateranensis“, ihr habt die Würde und die Bürde, in besonderer Weise „die Universität des Papstes“ zu sein. Darum sei euch die kreative und dynamische Einheit zwischen Glauben und „in-tellectus fidei“ ein stetes Anliegen. Diese Einheit ist nämlich nach dem hl. Anselm dem Drama der Sünde ausgesetzt, daher „spricht die Wahrheit deutlich und dennoch bleibt das Innere unempfindsam“ (vgl. Oratio ad Sanctum Paulum 82-84). Ein solches Bewusstsein muss dazu führen, dass wir eine wirksame Einheit zwischen den verschiedenen pädagogischen Bereichen anstreben. Das geschieht durch eine immer effektivere und engere Zusammenarbeit der Verantwortlichen eurer Universität und der Erzieher der Seminare und Kollegien, besonders in der Diözese Rom. Mit diesen Wünschen vertraue ich Maria, der „Mater Ecclesiae“ [Mutter der Kirche] und „Sedes Sapientiae“ [Sitz der Weisheit], dieses akademische Jahr an, in dem von euch allen Einsatz, Unternehmungslust und Treue gefordert wird im steten Gehorsam jener „Wahrheit“ gegenüber, die von oben kommt und die durch das authentische Lehramt der Kirche garantiert wird. Der Papst steht euch zur Seite, er begleitet euch und spendet euch allen von Herzen seinen Segen. 954 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verantwortung der internationalen Gemeinschaft für das Lebensnotwendige aller Völker Ansprache an die Teilnehmer der 30. Konferenz der Emährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen [FAO] in Rom am 18. November Herr Präsident, Herr Generaldirektor, meine Damen und Herren! 1. Es ist mir eine große Freude, Sie anlässlich der 30. Konferenz der Emährungs-und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen im Vatikan zu empfangen. Ich würdige Ihre Arbeit und die Arbeit all der Menschen, die sich an den Bemühungen der Vereinten Nationen zur Förderung des Wohlergehens der Menschheitsfamilie beteiligen, insbesondere indem sie sicherstellen, dass jeder seinen angemessenen Anteil an den Emährungsressourcen der Erde erhält. Zu einer Zeit wie dieser sind unsere Anliegen breit gestreut, wenn wir die ganze Welt und die Menge der Menschheitsfamilie überblicken. Millionen Menschen werden die grundlegendsten Bedürfnisse des Lebens - Nahrung, Wasser, Unterkunft - vorenthalten. Neue und alte Krankheiten fordern nach wie vor zahllose Menschenleben. Die Geißel von Gewalt und Krieg dauert an. Die Kluft zwischen reich und arm weitet sich in besorgniserregendem Maße aus. Der wissenschaftliche und technologische Fortschritt ist nicht immer von Aufmerksamkeit gegenüber den sittlichen und ethischen Werten begleitet, die allein in der Lage sind, seine korrekte Anwendung für das wahre Wohl der Menschen von heute und morgen zu gewährleisten. Das Leben selbst ist auf vielerlei Weise bedroht, und die Schwachen leiden dabei unweigerlich am meisten. Angesichts solcher Tatsachen sind viele Leute von einer Art moralischer Lähmung gewissermaßen betäubt, und sie meinen, dass wenig oder nichts getan werden kann, um diese großen Probleme an der Wurzel anzupacken. Das Bestmögliche, was wir tun können - so behaupten sie - sind palliative Maßnahmen, die vielleicht die Symptome lindem, aber doch nichts vermögen, um die Ursachen konkret anzugehen. 2. Was aber benötigt wird, ist nicht Lähmung, sondern Handeln - und aus diesem Gmnde ist die Arbeit Ihrer Organisation so wichtig. Dieses Jahrhundert ist übersät mit Beispielen von Programmen und Initiativen, die das menschliche Leid eher noch verschlimmert haben, anstatt es zu lindem. Es sollte inzwischen eindeutig sein, dass ideologisch motivierte Maßnahmen nicht die Lösung für Hunger, Bodenreform und all die anderen Probleme sind, die mit der Schaffung von mehr Gerechtigkeit bei der Verwendung der Ressourcen der Welt Zusammenhängen. Was hingegen gebraucht wird, ist die tiefere und unendlich kreativere Kraft der Hoffnung. Das ist das Wort, das ich Ihnen heute sage: Hoffnung; es ist das Wort, das 955 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Kirche nie zu sagen aufhört in all ihren Anstrengungen, an die Wurzeln des Leids in der Welt zu gehen. Diese Hoffnung ist etwas mehr als der oberflächliche Optimismus, der nur dann eintritt, wenn wir das Dunkel in unserer Mitte nicht zugeben wollen. Sie ist vielmehr eine realistische und vertrauensvolle Vorstellung, die den Menschen eigen ist, die das Dunkel gesehen haben, so, wie es ist, und Licht in seinem Innern entdeckt haben. 3. Die Hoffnung, von der die Kirche spricht, beinhaltet eine Sicht des Menschen als nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffen (vgl. Gen 1,26). Sie verweist auf die Grundfrage der Wahrheit über den Menschen und des Sinns unserer menschlichen Existenz. Diesbezüglich ist die Tatsache, dass es durch die Bemühungen vieler - einschließlich Organisationen wie der Ihrigen - zu einem wachsenden Sinn für den Wert und die Würde des Menschen und für die daraus folgenden unveräußerlichen Rechte gekommen ist, ein positives Zeichen in diesem letzten Abschnitt des 20. Jahrhunderts. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist ein Beispiel dafür, auch wenn die Diskrepanz zwischen Wort und Handeln zuweilen sehr groß bleibt. Und doch ist es ein Grund zur Genugtuung, wenn die Menschen mehr und mehr anerkennen, dass es bestimmte, angeborene und unverletzliche Rechte gibt, die von keiner menschlichen Autorität oder Übereinkunft ab-hängen. Wie durch den Zusammenbruch der verschiedenen totalitären Systeme unserer Zeit bewiesen wurde, richtet der Versuch des Staates, sich selbst über solche Rechte zu stellen, in der Gesellschaft verheerenden Schaden an und zerstört sich Schließlich selbst. 4. In der Sicht der Christen und anderer Gläubigen wurzeln die Grundrechte in der Würde der menschlichen Person, die mit Vernunft und freiem Willen ausgestattet ist und daher das Privileg hat, persönliche Verantwortung zu tragen (vgl. Dignitatis humanae, Nr. 2). Von Hoffnung zu sprechen bedeutet deshalb, den transzendenten Charakter der Person anzuerkennen und seine praktischen Auswirkungen zu respektieren. Wird diese Transzendenz geleugnet oder missachtet, dann wird das Vakuum von irgendeiner Form von Autoritarismus oder von der übertriebenen Auffassung vom vollkommen unabhängigen Menschen gefüllt, und dies führt zu einer anderen Art der Versklavung. Ohne Aufgeschlossenheit für den einzigartigen und unverletzlichen Wert jedes Menschen ist unsere Auffassung der Welt verzerrt oder unvollständig, und unsere Bemühungen zur Linderung des Leids und zur Wiedergutmachung von Unrecht werden zum Scheitern verurteilt sein. Auf unserer Suche nach Hoffnung auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend müssen wir auf die positiven Ideen und Strukturen schauen, die sich ergeben haben in den ständigen Anstrengungen seitens der internationalen Gemeinschaft zur Verbesserung der Lebensumstände der Völker unserer Erde. Angesichts der heute verfügbaren Mittel dürfen Armut, Hunger und Krankheit nicht mehr als normal oder unvermeidlich betrachtet werden. Es kann sehr viel für ihre Beseitigung getan werden, und die Menschheitsfamilie schaut erwartungsvoll auf die Vereinten Nati- 956 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN onen, und insbesondere auf die Emährungs- und Landwirtschaftsorganisation, damit sie die Führung übernehmen in den Maßnahmen zum Aufbau einer Welt, in der den Menschen das Lebensnotwendige nicht mehr vorenthalten wird. 5. Ich erneuere den Wunsch, den ich schon so oft geäußert habe: dass im kommenden Jahrtausend die Vereinten Nationen selbst zu einem wirksameren Instrument für Entwicklung, Solidarität und Frieden in der Welt werden mögen. Eine starke Organisation der Vereinten Nationen würde die Anerkennung gewährleisten, dass es Menschenrechte gibt, die den Willen der Personen und Nationen übersteigen. Eine echte Anerkennung dieser Rechte wäre in der Tat die beste Garantie für persönliche Freiheit und nationale Souveränität innerhalb der Völkerfamilie. Mit tiefer Anerkennung für alles, was Ihre Organisation geleistet hat, um den Ärmsten in unserer Mitte zu helfen, und mit vertrauensvollem Blick in die Zukunft, die vor Ihnen liegt, empfehle ich die Arbeit Ihrer Konferenz der leitenden Hand dessen, der - um mit den Worten der Bibel zu sprechen - „die Hungernden mit seinen Gaben beschenkt“ (vgl. Lk 1,53). Auf Sie, Ihre Angehörigen und Freunde und alle, die am edlen Werk der Emährungs- und Landwirtschaftsorganisation beteiligt sind, rufe ich den Segen des allmächtigen Gottes in Fülle herab. Sorge um den Menschen — Schwerpunkt jeder humanen Gesundheitspolitik Ansprache an die Teilnehmer der vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst veranstalteten 14. Internationalen Konferenz über „Wirtschaft und Gesundheit“ am 19. November Verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Gerne empfange ich Sie anlässlich Ihrer Teilnahme an der Internationalen Konferenz, die der Päpstliche Rat für die Pastoral im Krankendienst dieses Jahr dem Studium der Beziehung von Wirtschaft und Gesundheit gewidmet hat: ein höchst aktuelles Thema, reich an wichtigen Problemstellungen, das sowohl die Strukturierung der nationalen Politiken als auch den Evangelisierungsauftrag der Kirche betrifft. Ich begrüße Erzbischof Javier Lozano Barragän und danke ihm für die freundlichen Worte, die er eben im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an die Mitarbeiter des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst sowie an die Wissenschaftler, Forscher und Vertreter der Staaten und Regierungen, die diese bedeutsame Tagung mit ihrer Anwesenheit und ihren wissenschaftlichen Beiträgen beehrt haben. In der Absicht, konkrete Aktionslinien zu bestimmen, haben Sie das Thema nicht unter rein theoretischem Gesichtspunkt abgehandelt, sondern nach einem wissen- 957 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaftlich organischen und artikulierten Vorgehen. Ihre Überlegungen bewegten sich zudem vor dem Hintergrund des Glaubens. Ausgehend vom Wort Gottes, das der ganzen Menschheit das vollkommene Heil bringt, wird nämlich die Beziehung zwischen Wirtschaft und Gesundheit - sowohl in der Gesamtsicht als auch in den einzelnen Aspekten - klarer beleuchtet. Ein besseres Verständnis dieser in sich komplexen und weltweiten Wirklichkeit wird durch den ernsten fachübergreifenden Ansatz, den Sie zu Recht dafür gewählt haben, sicherlich gefördert. Außerdem haben Sie das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Gesundheit im Lichte sowohl der geschichtlichen Entwicklung als auch der Soziallehre der Kirche und der Theologie und Moral untersuchen wollen - und zwar immer im Geiste eines konstruktiven ökumenischen und interreligiösen Dialogs. 2. Bei Ihren Überlegungen fehlt es auch nicht an den konsequenten Handlungsabsichten: Sie haben Vorschläge für Aktionsprojekte erarbeitet, welche in der Lage sind, die bestehende Beziehung zwischen Wirtschaft und Gesundheit auf allen Ebenen - Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Kultur und Religion - zu verbessern: Sie haben also versucht, eine Antwort zu finden auf die Frage: Was tun? — sowohl auf globalem Niveau als auch in jedem einzelnen Land, um das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Gesundheit menschlicher und christlicher zugestalten. Es handelt sich um eine beunruhigende Frage, die, von diesem Kongress ausgehend, alle Menschen guten Willens erreichen und besonders jene berühren soll, die auf globaler Ebene und in jedem Einzelstaat in diesem Bereich größere Verantwortung tragen. Es ist in der Tat nicht hinnehmbar, dass die Beschränktheit der wirtschaftlichen Ressourcen, die wir heute auf vielerlei Weise erfahren, sich de facto vor allem auf die schwächeren Schichten der Bevölkerung und die ärmeren Gebiete der Welt negativ auswirkt und diesen die notwendige Gesundheitsfürsorge vorenthält. Gleichermaßen ist es nichtzulässig, dass diese Einschränkungen dazu führen, bestimmte Lebensabschnitte oder Situationen besonderer Gebrechlichkeit und Schwäche von der medizinischen Betreuung auszuschließen - so zum Beispiel das werdende Leben, das Alter sowie schwere Behinderungen oder Krankheiten vor dem Tod. Jeder Mensch, nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen, ist dazuberufen, am Leben Gottes selbst Anteil zu nehmen, und er hat das Recht, sich an den Tisch des gemeinsamen Mahls zu setzen und die vom Fortschritt, von der Wissenschaft, Technik und Medizin gebotenen Vorzüge in Anspruch zu nehmen. 3. Außerdem ist es wichtig, eine angemessenere Auffassung von Gesundheit zu entwickeln, gegründet auf einer Anthropologie, die den Menschen in seiner Ganzheit achtet. Weit davon entfernt, diese mit einer einfachen Abwesenheit von Krankheit gleichzustellen, stellt sich ein solcher Gesundheitsbegriff als Streben nach vollkommener Harmonie und einem gesunden körperlichen, psychischen, spi- 958 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rituellen und sozialen Gleichgewicht dar (vgl. Botschaft zum 8. Welttag der Kranken, Nr. 13). Ausgehend von dieser neuen Auffassung von Wirtschaft und Gesundheit, kann dann deren gegenseitiges Verhältnis positiver gestaltet werden. Es ist nicht Aufgabe der Kirche, anzugeben, welche Wirtschaftsmodelle und welche Gesundheitssysteme das Verhältnis Wirtschaft-Gesundheit am besten lösen können; sie hat hingegen den Auftrag, sich dafür einzusetzen, dass im Rahmen der sogenannten Globalisierung dieses Verhältnis im Lichte jener ethischen Wertebehandelt und gelöst wird, die die Achtung und den Schutz der Würde jedes Menschenfordem, angefangen bei den Schwächsten und Ärmsten. 4. Schmerzlich müssen wir feststellen, dass der Graben zwischen Situationen übermäßigen Reichtums und einer Armut, die manchmal völliger Mittellosigkeit gleichkommt, dazu neigt, sich immer weiter zu verbreitern, anstatt abzunehmen (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 14). Diese Tatsache hat sehr negative, manchmal sogar dramatische Auswirkungen: gerade auf die Beziehung zwischen Wirtschaft und Gesundheit. Glücklicherweise greift in dieser Situation ein stärkeres Bewusstsein der Würde jedes Menschen und der grundlegendengegenseitigen Abhängigkeit der Menschen untereinander um sich mit dem Ergebnis einer wachsenden Verpflichtung zur Solidarität. Nur vor diesem Hintergrund ist die Überwindung einer ökonomistischen, die Gesundheit herabwürdigenden Anschauung denkbar, wobei man die vielen ungerechten Missstände hinter sich lässt, die im Verhältnis Wirtschaft-Gesundheit zu finden sind. Besonders für die Christen wird die Solidarität zu einer Tugend, die in Nächstenliebe mündet und von dieser ständig genährt wird; dadurch weckt sie den Sinn für Aufnahme und Unterstützung auch im Bereich der Krankenpflege. Der oberste Bezugspunkt bleibt dabei die Gemeinschaft der Heiligen Dreifaltigkeit; der Christ weiß, dass er sein Leben daran orientieren muss, um eine Beziehung wahrhafter Nächstenliebe zu verwirklichen, deren erste Begünstigte sicherlich die schwächsten Brüder sind, zu denen die Kranken zählen. 5. An sie möchte ich jetzt einen besonders herzlichen Gruß richten, den ich auf ihre Familien, die um ihre Gesundheit besorgt sind, und auf alle ausdehne, die sich mit Großherzigkeit und Solidarität dem Dienst an den Kranken widmen. Jedem von ihnen erneuere ich den Ausdruck der fürsorglichen Nähe der Kirche und die Zusicherung ihres unermüdlichen Einsatzes, um eine gerechtere und brüderlichere Gesellschaft aufzubauen. Einen besonderen Aufruf richte ich an die Regierenden und die internationalen Organisationen, damit sie sich bei ihren Maßnahmen hinsichtlich des Verhältnisses von Wirtschaft und Gesundheit ausschließlich von der Suche nach dem Gemeinwohl leiten lassen. Die Pharmakonzeme bitte ich, Gewinndenken nie über die Achtung der menschlichen Werte zu stellen und sich vielmehr den Bedürfnissen jener Menschen aufgeschlossen zu zeigen, die keinen Versicherungsschutz haben, und wirksame Maß- 959 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nahmen zugunsten der Ärmsten und Ausgegrenzten zu ergreifen. Man muss sich für eine Verringerung - wenn nicht sogar für die Ausschaltung - der Unterschiede zwischen den verschiedenen Erdteilen einsetzen und dazu die höherentwickelten Länder auffordem, ihre Erfahrung, ihre Technologie und einen Teil ihres wirtschaftlichen Reichtums den weniger entwickelten [Staaten] zur Verfügung zu stellen. Möge der Beginn des dritten Jahrtausends über einer Erde aufgehen, die mit all ihren Ressourcen dem Plan Gottes besser entspricht, damit sich niemand von den Hilfeleistungen ausgeschlossen fühlt, die seiner Person und Gesundheit geschuldet sind - unter Achtung der gleichen Würde aller Menschen. Der seligen Jungfrau Maria, Vorbild der Kirche und einer versöhnten Menschheit, empfehle ich das Ergebnis Ihrer Arbeit an, damit sie mit ihrer mütterlichen Fürsprache dem Streben nach dem Guten, nach Gerechtigkeit und Frieden, die im Herzen jedes Menschen wohnen, zu seiner Erfüllung verhelfe. Ihnen allen meinen Segen! Anregungen und Herausforderungen der zeitgenössischen Kultur aufnehmen Botschaft an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur vom 19. November Meine Herren Kardinäle, liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Freunde! 1. Anlässlich der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur ist es mir eine Freude, Sie zu empfangen. Auch freue ich mich über das für diese Sitzung gewählte Thema: „Für einen neuen christlichen Humanismus auf der Schwelle zum neuen Jahrtausend.“ Es ist nämlich ein wesentliches Thema für die Zukunft der Menschheit, denn es lädt ein, sich der Tatsache bewusst zuwerden, dass der Mensch einen zentralen Platz in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft einnimmt. Darüber hinaus ist die anthropologische Forschung eine kulturelle Dimension, die für jede Art von Pastoral notwendig ist, und eine unbedingte Voraussetzung für eine tiefgreifende Evangelisierung. Ich danke Kardinal Paul Poupard für die freundlichen Worte, die er in Ihrer aller Namen gesprochen hat. 2. Wenige Wochen vor der Eröffnung des Großen Jubeljahrs 2000, einer außerordentlichen Zeit der Gnade, wird der Auftrag zur Verkündigung Christi noch dringender. Viele unserer Zeitgenossen, und vor allem die Jugendlichen, tun sich sehr schwer damit, zu erkennen, was sie wirklich sind, denn sie sind von der Vielfalt an Auffassungen über den Menschen, über Leben und Tod und über die Welt und ihre Bedeutung überschwemmt und desorientiert. 960 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Allzu oft haben sich die in der modernen Gesellschaft vermittelten Anschauungen über den Menschen zu wahren Denksystemen entwickelt, die dazu neigen, sich von der Wahrheit abzuwenden und Gott auszuschließen in der Meinung, auf diese Weise den Primat des Menschen im Namen seiner vermeintlichen Freiheit und seiner vollen und freien Entfaltung zu bestätigen. Dadurch aber berauben diese Ideologien den Menschen seiner konstitutiven Dimension als nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffener Person. Diese tiefe Entstellung wird heute zu einer wahren Bedrohung für den Menschen, denn sie fuhrt dazu, dem Menschen jeden Bezug zur Transzendenz abzusprechen. In ihrem Dialog mit den Kulturen kommt der Kirche die wesentliche Aufgabe zu, unsere Zeitgenossen zur Entdeckung einer gesunden Anthropologie zu fuhren, damit sie schließlich zur Kenntnis Christi, des wahren Gottes und wahren Menschen, gelangen. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie durch Ihre Überlegungen den Ortskirchen helfen, diese Herausforderung aufzunehmen, „um die Anschauungen über den Menschen und die Gesellschaft, die die Kulturen formen, von innen heraus zu erneuern und sie im Licht der Offenbarung zu verwandeln“, wie im jüngsten, vom Päpstlichen Rat für die Kultur herausgegebenen Dokument - „Für eine Pastoral der Kultur“ - zu lesen ist (vgl. Nr. 25). Der auferstandene Christus ist eine frohe Botschaft für alle Menschen, denn er „hat die Macht, das Herz jeder Kultur zu erreichen, um es zuläutem, es fruchtbar zu machen, es zu bereichern und ihm die Möglichkeit zu geben, sich nach dem maßlosen Maße der Liebe Christi zu entfalten“ (vgl. ebd., Nr. 3). So also ist es angemessen, eine christliche Anthropologie für unsere Zeit - eine Anthropologie, die Grundlage für eine Kultur sein soll - ins Leben zu rufen und sich entwickeln zu lassen, so wie es unsere Vorgänger getan haben (vgl. Enzyklika Fides et ratio, Nr. 59). Diese Anthropologie muss die Schätze und Werte der Kulturen der heutigen Menschen berücksichtigen und darin die christlichen Werte einbringen. Bezeugt die Verschiedenheit der Kirchen in Ost und West etwa nicht seit ihren Ursprüngen eine fruchtbare Inkulturation der Philosophie, Theologie und Liturgie, der Rechtstraditionen und der künstlerischen Schöpfungen? So, wie die Philosophie in den ersten Jahrhunderten der Kirche - mit dem hl. Justin - zu Christus überging, weil das Christentum „die einzig verlässige und nutzenbringende Philosophie“ ist (vgl. Dialog mit dem Juden Tryphon, 8,1; Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 33, Kempten 1917, S. 13), so haben wir heute die Pflicht, eine christliche Philosophie und Anthropologie vorzustellen, die den Weg ebnen für eine Entdeckung der Größe und Schönheit Christi, des göttlichen Wortes. Und es ist sicher, dass die Anziehungskraft des Schönen und der Ästhetik unsere Zeitgenossen zur Ethik, das heißt zu einer schönen und würdigen Lebensführung, leiten wird. 3. Der christliche Humanismus kann jeder Kultur näher gebracht werden. Er offenbart dem Menschen den Menschen im Bewusstsein um seinen eigenen Wert. Er verschafft ihm Zugang zur eigentlichen Quelle seiner Existenz, nämlich zum Vater und Schöpfer, und gibt ihm die Möglichkeit, im eingeborenen Sohn, dem „Erstgeborenen der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15), seine Identität als Gotteskind zu leben 961 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit einem Herzen, das weit geworden ist im Hauch seines Geistes der Liebe., Angesichts der Fülle des von Christus vollbrachten Heils fallen die trennenden Wände zwischen den Kulturen“ (Fides et ratio, Nr. 70). Die Torheit des Kreuzes, von der Paulus spricht (vgl. 1 Kor 1,18), ist eine Weisheit und eine Kraft, die alle kulturellen Schranken überwinden und allen Nationen beigebracht werden können. Der christliche Humanismus ist in der Lage, die besten Errungenschaften der Wissenschaft und Technik zum größeren Wohl des Menschen zu vervollständigen. Gleichzeitig wendet er die Bedrohungen ab, die gegen seine Würde als Person, das heißt als Subjekt von Rechten und Pflichten, und gegen seine Existenz selbstgerichtet sind; diese ist heute nämlich ernsthaft in Frage gestellt, von ihrer Zeugung bis hin zu ihrem natürlichen Ende. Denn wenn der Mensch dank der Kultur ein menschenwürdiges Dasein führt, so nur durch eine wirklich menschliche Kultur vom Menschen, durch den Menschen und für den Menschen, das heißt für den ganzen Menschen und für alle Menschen. Der wahrste Humanismus ist derselbe, den die Bibel uns im Plan Gottes für den Menschen enthüllt, ein Plan, der durch den Erlöser noch wunderbarer wurde. „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf ‘ (Gaudium et spes, Nr. 22). Die Vielfalt der anthropologischen Ansätze, die einen Reichtum für die gesamte Menschheit darstellt, kann auch Skepsis und religiöse Gleichgültigkeit verursachen; das ist eine Herausforderung, die es mit Intelligenz und Mut aufzunehmen gilt. Die Kirche hat keine Angst vor der berechtigten Verschiedenheit, die die reichen Schätze der Menschenseele zum Vorschein bringt; im Gegenteil: Sie stützt sich auf diese Verschiedenheit für die Inkulturation der Botschaft des Evangeliums. Das haben mir meine zahlreichen Reisen in alle Erdteile bestätigt. 4. Wenige Wochen vor der Öffnung der Heiligen Pforte - als Symbol Christi, dessen Herz weit offen steht und bereit ist, alle Männer und alle Frauen aller Kulturen in seine Kirche aufzunehmen - ist mein herzlicher Wunsch, dass der Päpstliche Rat für die Kultur seine Bemühungen, Forschungen und Initiativen fortsetzt, besonders durch die Unterstützung der Ortskirchen und durch eine Hinführung zur Entdeckung des Herrn der Geschichte seitens jener Menschen, die in Relativismus und Gleichgültigkeit - diesen neuen Gesichtem des Unglaubens - versunken sind. Das ist eine Art, diesen Menschen die Hoffnung zu bringen, die sie brauchen, um ihr persönliches Leben aufzubauen, um sich an der Entwicklung der Gesellschaft zu beteiligen und um sich Christus, Alpha und Omega, zuzuwenden. Insbesondere lade ich Sie ein, die christlichen Gemeinschaften, die nicht immer über die Mittel dazu verfügen, dahingehend zu unterstützen, dass sie der so facettenreichen Welt der Jugendlichen und ihrer Erzieher, der Wissenschaftler und Forscher, der Künstler, Dichter, Schriftsteller und aller im Kulturleben engagierten Personen neue Aufmerksamkeit widmen, damit die Kirche die großen Herausforderungen der zeitgenössischen Kultur aufnehmen kann. Das gilt sowohl für das Abendland als auch für die Missionsländer. 962 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Noch einmal möchte ich Ihnen meine Dankbarkeit für die von Ihnen geleistete Arbeit aussprechen. Ich empfehle Sie der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, die Gott ihr vorbehaltloses Jawort gab, und den großen Kirchenlehrern und spende Ihnen und allen, die Ihnen nahe stehen, gerne einen besonderen Apostolischen Segen als Zeichen meines Vertrauens und meiner Hochachtung. Aus dem Vatikan, 19. November 1999 Eindeutiges Zeugnis für das Leben ablegen Schreiben an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz vom 20. November Dem verehrten Bruder Msgr. Karl Lehmann Bischof von Mainz Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz Ich habe aufmerksam den Brief vom 17. November dieses Jahres gelesen, den Sie mir bei der Gelegenheit des Ad-limina-Besuches übergeben haben, und ich habe die von Ihnen dargelegten Überlegungen im Gebet erwogen. In diesen Tagen haben alle deutschen Bischöfe während der Ad-limina-Besuche in ihren Gesprächen mit mir auch das Thema des Lebensschutzes angesprochen. Ich habe sie alle sehr engagiert für ein klares Zeugnis zum Schutz dieses fundamentalen menschlichen Wertes erlebt. In ihren Berichten habe ich eine Bestätigung gefunden, wie viel die Personen, die in den katholischen Beratungsstellen tätig sind, getan haben und noch tun, um den Frauen in Not zu helfen und um sie dahin zu bewegen, über ihre Verantwortung gegenüber ihrem ungeborenen Kind nachzudenken. Ich möchte Sie bitten, diesen Personen die von Herzen kommende Wertschätzung des Papstes und zugleich seinen Wunsch zu überbringen, dass die katholischen Beratungsstellen auch in Zukunft eine so verdienstvolle Tätigkeit zugunsten des Lebens fortführen und verstärken, ohne jedoch den Schein auszustellen, den die katholischen Beratungsstellen in ein System mit hineinzieht, welches die Abtreibung zulässt. Was die Bitte betrifft, die Sie im Schlussteil Ihres Briefes dargelegt haben, bitte ich - nachdem ich darüber gebetet habe - Sie und über Sie alle anderen Diözesan-bischöfe Deutschlands, sich für eine einheitliche Lösung einzusetzen, weil ich es in einem hohen Maß für schädlich halte, in einer so bedeutsamen Angelegenheit zwei verschiedene Vorgehensweisen innerhalb desselben Episkopats zu akzeptieren. Ich vertraue also darauf, dass man bei der nächsten Sitzung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz einmütig und einträchtig zu einer endgültigen Entscheidung kommt, um die Weisungen zügig zu verwirklichen. 963 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Entscheidung schließt jedoch nicht aus, dass einige Diözesen für die praktische Durchführung verschieden lange Zeiten benötigen, um zu einer konkreten Möglichkeit zu gelangen, die Beratung zu erhalten, ohne jedoch den Schein auszustellen. Die eine und selbe Vorgehensweise, von allen deutschen Bischöfen in einer einmütigen Entscheidung gefasst - auch wenn die notwendigen Zeiten zur Ausführung zwischen den verschiedenen Diözesen variieren können -, wird unter den Katholiken in Deutschland eine ruhigere Atmosphäre begünstigen. Es ist mein lebhafter Wunsch, dass, vor allem während des Großen Jubiläums des Jahres 2000, alle Gläubigen mit ihren Geistlichen und ihren Bischöfen sich in der Freude des Glaubens und des christlichen Zeugnisses einig und einträchtig fühlen und es auch sind. Möge es ein Jahr intensiven geistlichen Engagements, eines erneuerten Schwungs im Leben der Kirche und der Freude im Herrn werden. Mit meinem Segen. Aus dem Vatikan, 20. November 1999 Joannes Paulus PP. II Die Heiligen weisen den Weg zum Königreich Christi Predigt bei den Heiligsprechungen am Christkönigssonntag, 21. November 1. „Er wird sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen“ (Mt 25,31). Die überragende Gestalt des heutigen liturgischen Hochfestes ist Christus, der König des Universums, der Pantokrator, wie er in den Apsiden der altchristlichen Basiliken hervortritt. Dieses majestätische Bild wollen wir am heutigen letzten Sonntag des liturgischen Jahres betrachten. Das Königtum Jesu Christi ist nach den Kriterien der Welt paradox: es ist der Sieg der Liebe, der sich im Geheimnis der Menschwerdung, des Leidens und Todes und der Auferstehung des Sohnes Gottes verwirklicht. Dieses heilbringende Königtum enthüllt sich voll und ganz im Opfer des Kreuzes, dem höchsten Akt des Erbarmens, worin sich das Heil und zugleich das Gericht der Welt erfüllt. Jeder Christ hat Anteil am Königtum Christi. In der Taufe empfängt er mit der Gnade den inneren Antrieb, aus seinem Leben in Freiheit und Großmut ein Geschenk an Gott und die Brüder und Schwestern zu machen. Dafür sind die Heiligen als Vorbilder für die von der Liebe Gottes erneuerte Menschheit ein vielsagendes Zeugnis. Zu ihnen zählen wir mit Freude von heute an Cirilo Berträn mit seinen acht Gefährten, Inocencio de la Inmaculada, Benedikt Menni und Thomas da Cori. Nach diesen italienisch gesprochenen Worten fuhr der Papst auf Spanisch fort: 2. „Er muß herrschen“, haben wir vom hl. Paulus in der zweiten Lesung gehört. Das Reich Christi wird schon in dieser Welt aufgebaut durch den Dienst am 964 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nächsten, den Kampf gegen das Böse, die Leiden und menschlichen Nöte bis zum Vernichten des Todes. Der Glaube an Christus, den Auferstandenen, ermöglicht den Kompromiss und die Hingabe von heiligen Männern und Frauen in der Umgestaltung der Welt, um sie dem Vater zurückzugeben: „damit Gott alles in allen sein. Gerade dieser Kompromiss ermutigte Bruder Cirilo Bertran und seine sieben Gefährten, die „Brüder der Christlichen Schulen“ vom Kolleg „Nuestra Senora de Covadonga“, die, gebürtig in Spanien und einer von ihnen in Argentinien, im Jahre 1934 ihr Leben in Turon [Asturien] im Martyrium vollendeten, zusammen mit dem Passionistenpater Inocencio de la Inmaculada. Sie hatten keine Furcht, ihr Blut für Christus zu vor gießen. Sie siegten über den Tod und haben jetzt Anteil an der Herrlichkeit im Reiche Gottes. Daher habe ich heute die Freude, sie in das Verzeichnis der Heiligen einzuschreiben und sie der ganzen Kirche als Vorbilder christlichen Lebens und unsere Fürsprecher bei Gott vorzustellen. Dann der Papst zur katalanischen Sprache über: Zu der Gruppe der Märtyrer von Turön kommt noch Bruder Jaime Hilario aus der gleichen Ordensgemeinschaft hinzu, der drei Jahre später in Tarragona ermordet wurde. Während er denen, die ihn töteten, verzieh, rief er aus: „Freunde, für Christus sterben ist herrschen.“ Im Folgenden kam der Papst zur spanischen Sprache zurück: Wie die Zeugen berichten, bereiteten sich alle so auf den Tod vor, wie sie gelebt hatten: mit beharrlichem Gebet, im Geist der Brüderlichkeit, ohne einen Hehl daraus zu machen, dass sie Ordensleute waren, in der Standhaftigkeit dessen, der weiß, dass er Bürger des Himmels ist. Sie sind nicht Helden eines menschlichen Krieges, an dem sie nicht teilnahmen, sondern sie waren Jugenderzieher. Weil sie Ordensleute und Lehrer waren, stellten sie sich ihrem tragischen Schicksal als einem echten Glaubenszeugnis und erteilten durch das Martyrium die letzte Lektion ihres Lebens. Mögen Ihr Beispiel und ihre Fürsprache die ganze La-Salle-Familie und die gesamte Kirche erreichen! 3. „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. Denn ..., ich war krank, und ihr habt mich besucht“ (Mt 25,34—36). Diese Worte aus dem heute verkündigten Evangelium waren ohne Zweifel Benedikt Menni, dem Priester aus dem Orden des hl. Johannes von Gott, vertraut. Seine Hingabe an die Kranken, gelebt nach dem Charisma des Ordens der Barmherzigen Brüder, gab seinem Dasein die Orientierung. Seine Spiritualität hatte ihren Urgrund in der Erfahrung der Liebe, die Gott zu ihm hegte. Besonders dem Herzen Jesu, des Königs des Himmels und der Erde, und der Jungfrau Maria war er zugetan, und darin fand er die Kraft zu seiner karitativen Hingabe an die andern, vor allem an die Leidenden: an alte Menschen, an skrofu- 965 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN löse und poliomyelitiskranke Kinder und Geisteskranke. Beginnend mit der Gastfreundschaft, erfüllte er seinen Dienst am Orden und an der Gesellschaft mit Demut und mit einer absoluten Rechtschaffenheit, die ihn zu einem Beispiel für viele macht. Er forderte verschiedene Initiativen. So gab er einigen jungen Frauen Orientierung, die den ersten Kern für die neue Ordensgemeinschaft der Krankenschwestern vom Heiligsten Herzen Jesu bildeten, gegründet in Ciempozuelos (Madrid). Sein Gebetsgeist ließ ihn tiefer in das Ostergeheimnis Christi eindringen als Quelle für das Begreifen des menschlichen Leidens und als Weg zur Auferstehung. Am heutigen Christkönigstag erleuchtet der hl. Benedikt Menni durch das Beispiel seines Lebens diejenigen, die den Spuren des Meisters auf den Wegen bereitwilliger Aufnahme und Gastfreundschaft folgen wollen. Abschließend bediente sich der Papst wieder der italienischen Sprache: 4. „Ich will meine Schafe selber suchen und mich selber um sie kümmern“ (Ez 34,11). Tommaso da Cori, Priester aus dem Orden der Minderbrüder, war ein lebendiges Bild des Guten Hirten. Als liebevoller Führer wusste er, stets vom franziskanischen Ideal erfüllt, die seiner Sorge Anvertrauten auf die Weiden des Glaubens zu führen. Im Kloster bewies er seinen Geist der Liebe, indem er sich zu allem, was erforderlich war, auch zum geringsten Dienst, bereit zeigte. Er lebte den Adel der Liebe und des Dienstes nach, der Logik Christi, der sich, wie die Liturgie des heutigen Festes singt, „als makelloses Lamm und friedensliftendes Opfer auf dem Altar des Kreuzes dargebracht hat, um das Werk der Erlösung zu vollziehen“ (Präfation von Christus, dem König). Als echter Jünger des Armen von Assisi war Tommaso da Cori Christus, dem König des Universums, gehorsam. Er betrachtete im Gebet und verwirklichte in seinem Leben die Armut und die Hingabe an Gott und an den Nächsten, die das Evangelium fordert. So erscheint sein ganzes Leben als Zeichen des Evangeliums, Zeugnis für die in Christus offenbarte und im Heiligen Geist wirksame Liebe des himmlischen Vaters zum Heil des Menschen. 5. Danken wir Gott, der auf den Wegen der Zeit nicht aufhört, leuchtende Zeugen für sein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens zu erwecken. Die zwölf neuen Heiligen, die dem Volk Gottes zur Verehrung vorzustellen ich heute die Freude habe, zeigen uns den Weg, den wir gehen müssen, um gut vorbereitet zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 zu gelangen. Es ist in der Tat nicht schwer, an ihrem Beispiel einige Züge zu erkennen, die das Jubiläum kennzeichnen. Ich denke insbesondere an das Martyrium und an die Nächstenliebe (vgl. Incarnationis myste-rium, Nr. 12-13). Allgemeiner gesagt, erinnert die heutige Feier an das große Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen, die Grundlage für das andere bezeichnende Element des Jubiläums, nämlich den Ablass (vgl. ebd., Nr. 9-10). 966 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Heiligen zeigen uns den Weg zum Himmelreich, den Weg des radikal aufgenommenen Evangeliums. Sie stützen zugleich unsere freudige Gewissheit, dass jede geschaffene Wirklichkeit in Christus ihre Vollendung findet und dass dank Seiner das All, völlig erneuert und versöhnt in der Liebe, Gott dem Vater übergeben wird. Damit auch wir diesen Weg geistlicher Vollkommenheit zurücklegen, dazu mögen uns helfen der hl. Cirilo Bertran mit seinen acht Gefährten, der hl. Inocencio de la Inmaculada, der hl. Benedikt Menni und der hl. Tommaso da Cori. Stets unterstütze und schütze uns Maria, die Königin aller Heiligen, die wir gerade heute bei ihrer Darbringung im Tempel betrachten. Nach ihrem Beispiel können auch wir treu am Geheimnis der Erlösung mitarbeiten. Amen. Die Gemeinschaft im Glauben und im Zeugnis fördern und stärken Botschaft an den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. zum Fest des hl. Andreas vom 24. November Seiner Heiligkeit Bartholomaios I. Erzbischof von Konstantinopel Ökumenischer Patriarch „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Eph 1,1). Das Fest des hl. Andreas, das vom Ökumenischen Patriarchat, und das Fest der hll. Petrus und Paulus, das in Rom gefeiert wird, vereinen uns in brüderlicher Begegnung des Dialogs und des Gebetes. Die gegenseitige Liebe, der regelmäßige Austausch, der gemeinsam zum Herrn erhobene Lobpreis sind eben zahlreiche Mittel und Wege, die zur vollen Einheit zwischen unseren Kirchen beitragen und die uns gestatten, von der Gemeinschaft in Christus, dem einzigen Herrn, Zeugnis zu geben. Unsere gegenseitige Teilnahme an den Feiern zu Ehren der heiligen Apostel, der Patrone unserer Kirchen, ist ebenfalls eine Quelle der Freude, einer Freude, die wir immer dann empfinden, wenn wir uns bemühen, den Willen des Herrn zu erfüllen. Die Delegation, die ich in diesem Jahr zu Eurer Heiligkeit und zur Schwesterkirche von Konstantinopel entsende, wird wiedemm von Kardinal Edward Idris Cassidy, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, angeführt. Er ist dieses Jahr begleitet von Msgr. Walter Kasper, emeritierter Bischof von Rottenburg Stuttgart und neuer Sekretär des Rates. Ich habe ihnen den Auftrag anvertraut, Ihnen, verehrter Bruder, dem Sie umgebenden Heiligen Synod sowie dem Klerus und den Gläubigen des Ökumenischen Patriarchats meine herzlichsten Wünsche zu übermitteln. Der Friede des Herrn sei mit Ihnen allen! Unser Wille, auf dem Weg des Dialogs und der brüderlichen Beziehungen voranzuschreiten, um zur vollen Gemeinschaft zu gelangen, wird jetzt, da das Jahrhun- 967 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dert zu Ende geht und das neue christliche Jahrtausend sich am Horizont andeutet, eine noch dringendere Forderung, ein noch glühenderer Wunsch, die „schmerzlichen Trennungen“ zu heilen, „die offenkundig dem Willen Christi widersprechen und der Welt ein Ärgernis sind“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 34). Diesen Wunsch überschattet jedoch Traurigkeit bei dem Gedanken an das, was wir hätten tun müssen, damit das wahre Antlitz Christi mehr zum Leuchten käme und damit in den Augen der Welt das Antlitz seiner Kirche, die durch die Gabe des Heiligen Geistes die Gnade der vollen Einheit unter uns erhalten wird, in einem noch schöneren Licht erstrahle. In meiner Überzeugung, dass „zu den Sünden, die einen größeren Einsatz an Buße und Umkehr verlangen, jene gezählt werden müssen, welche die von Gott für sein Volk gewollte Einheit beeinträchtigt haben“ (vgl. ebd.), rief ich in meinem Schreiben die zahlreichen ökumenischen Initiativen in Erinnerung. Sie wurden mit Großmut und Entschlossenheit angegangen und haben die enorme Anstrengung unterstrichen, die noch notwendig ist, um den Dialog über die Lehre fortzusetzen und sich noch hochherziger dem ökumenischen Gebet zu widmen (vgl. ebd). Diese Anliegen, die im Jubiläumsjahr eines der entscheidenden Ziele für die Zukunft der Kirche bleiben, vertraue ich inständig den hll. Aposteln Andreas, Petras und Paulus an. Ich möchte noch einmal versichern, dass die katholische Kirche bereit ist, alles ihr Mögliche zu tun, um die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, den Dialog zu fordern und bei jeder Initiative mitzuarbeiten, die darauf ausgerichtet ist, uns zur vollen Gemeinschaft im Glauben und im Zeugnis fortschreiten zu lassen. Von diesen Empfindungen erfüllt und die Bedeutung vor Augen, die dem direkten Austausch und der beiderseitigen Teilnahme unserer Kirchen an wichtigen Ereignissen in ihrem Leben zukommt, danke ich Eurer Heiligkeit, dass Sie kürzlich Bruderdelegierte entsandt haben, nämlich zur Bischofssynode für Europa den Metropoliten in Frankreich, unseren verehrten Bruder Jeremias, und zur interreligiösen Versammlung den Metropoliten der Schweiz, unseren verehrten Bruder Damaski-nos. Ihre Anwesenheit gereichte uns zu großer Freude. Sie war ein Beispiel für die von den Jüngern Christi erstrebte gegenseitige Anteilnahme. Die gleiche Freude empfinde ich bei der Aussicht, am kommenden 18. Januar bei der Öffnung der Heiligen Pforte in der Basilika St. Paul vor den Mauern die Vertreter Eurer Heiligkeit an meiner Seite zu haben zum festlichen Beginn der Feiern zu Ehren Dessen, der „das wahre Licht“ ist, „das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 1,9). Durch Ihren Vertreter in der ökumenischen Kommission für das Jubiläumsjahr 2000 wollten Sie, Heiligkeit, Ihrer Unterstützung Ausdruck geben und so die gemeinsame Absicht für diese Jubiläumsfeiern unterstreichen. Ich lege großen Wert darauf, Ihnen auch für diese Anwesenheit und diese Zusammenarbeit zu danken. Von ganzem Herzen freue ich mich, dass es uns an der Schwelle des neuen Jahrtausends gegeben ist, in gewisser Weise zusammen den jungen Generationen zu verkünden, dass Jesus Christus der Retter der Welt ist. Ich tausche mit Eurer Heiligkeit den Friedenskuss und versichere Sie meiner brüderlichen Zuneigung. Im Vatikan, am 24. November 1999 Joannes Paulus PP. II 968 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Komplexität des Menschseins anspruchsvoll ins Bild bringen Ansprache bei der vom Päpstlichen Rat für die Kultur und Päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel veranstalteten Studientagung- „Der Film: Bilder für einen Dialog zwischen den Völkern und eine Kultur des Friedens im dritten Jahrtausend“ am 2. Dezember Flerr Kardinal, ehrwürdige Brüder im Bischofs- und Priesteramt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Es ist mir eine große Freude, euch anlässlich der Internationalen Studientagung zum Thema „Der Film: Bilder für einen Dialog zwischen den Völkern und eine Kultur des Friedens im dritten Jahrtausend“ begegnen zu können: An euch alle richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß, und ich grüße in euch die ganze Welt des Films, welche den Dreh- und Angelpunkt eures alltäglichen beruflichen und künstlerischen Wirkens darstellt. In besonderer Weise grüße ich Kardinal Poupard, den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Kultur, dem ich für die herzlichen Worte danke, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat und mit denen er die vom gegenwärtig tagenden Symposium durchgeführten Arbeiten, die in klarer Kontinuität zu den vorangegangenen Tagungen stehen, veranschaulicht hat. Überdies bringe ich meine tiefe und aufrichtige Wertschätzung gegenüber den Mitgliedern des Päpstlichen Rates für die Kultur sowie des Päpstlichen Rates für die soziale Kommunikation zum Ausdruck. Durch eine fruchtbringende Zusammenarbeit mit der Schauspielvereinigung und der „Zeitschrift für Filmkunst“ nahmen diese beiden Dikasterien eine Reihe von interessanten Initiativen auf — wie etwa das Festival des geistlichen Films Tertio Millennio -, die zum einen das Interesse der Kirche gegenüber der „siebten Kunst“ aufzuzeigen vermögen und zum anderen die Autoren und Künstler ihrer großen Verantwortung gewahr werden lassen. 2. Die alljährliche Internationale Studientagung über den Film, die in diesem Jahr zum dritten Male zusammenkommt, unterstreicht die Wirksamkeit dieser Zusammenarbeit, welche sich im Dialog zwischen Kultur und Glaube als äußerst nützlich erweist. Das Thema, dem ihr euch im Laufe der vergangenen drei Tage, die von intensiven Studien angefüllt waren, gewidmet habt, ist von großer Aktualität und stellt die logische Fortsetzung der Thematik der Studientagungen der vergangenen drei Jahre dar. Ihr seid zusammengekommen, um über den Film als Werkzeug des Dialogs zwischen den Völkern und als Träger einer Kultur des Friedens zu diskutieren. Wenn die Kunst, einschließlich der Filmkunst, sich auf das Leben bezieht und dessen Werte voll anerkennt, so wird sie mit Sicherheit zu einer Quelle 969 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Geschwisterlichkeit, des Dialogs, des Einanderverstehens, der Solidarität sowie eines wahren und dauerhaften Friedens. Der Mensch, der als Ebenbild und Gleichnis Gottes geschaffen wurde, ist wesensmäßig zum Frieden und zur Harmonie mit Gott, mit den anderen Menschen, mit sich selbst und mit der ganzen Schöpfung berufen. Der Film kann sich zum Sprachrohr dieser natürlichen Neigung machen und als Ort der Reflexion, der Ermahnung an Werte sowie als Einladung zum Dialog und zur Gemeinschaft dienen. Es ist jedoch vonnöten, dass der Mensch in seiner komplexen und geheimnisvollen Wirklichkeit zum Bezugspunkt eines qualitativ hochstehenden Films wird, der eine Vorbildfünktion auf den Gebieten der Kultur und der universalen Werte hat. Der Mensch, der ganzheitliche Mensch, der eine und unteilbare Mensch: ein Film, der die staunenerregende Komplexität des menschlichen Wesens nur bruchstückhaft beleuchtet, wird letzten Endes zu oberflächlich sein, und er wird der Kultur keinen fruchtbringenden Dienst erweisen. 3. Ich möchte mich nun an euch wenden, ihr Künstler im Bereich des Films, um euch dazu einzuladen, eurer Verantwortung immer stärker bewusst zu werden. Durch den Beitrag der heutigen technischen Möglichkeiten unterstützt, und vor dem Hintergrund der stets anwachsenden Kenntnisse über den Menschen, über die Natur und das Universum eröffnen sich euch ungeahnte Dimensionen, in die ihr mit eurer Kreativität und eurem Genie eindringen könnt. Der Film verfügt über einen Reichtum an Sprachen, eine Vielfalt an Stilformen und eine enorme Fülle von Erzählformen: vom Realismus zur Fabel, von der Geschichte hin zur Science-fiction, vom Abenteuer zur Tragödie, von der Komödie zur Chronik und vom Zeichentrick- hin zum Dokumentarfilm. Somit bietet der Film einen unvergleichlichen Schatz an Ausdrucksmitteln, um die verschiedenen Ebenen, in die der Mensch sich eingebunden sieht, darzustellen und um seine unumgängliche Berufung zum Schönen, zum Universalen und zum Absoluten hinauszudeuten. Der Film kann also dazu beitragen, voneinander entfernte Personen anzunähem, verfeindete Menschen zu versöhnen und einen stets respektvolleren und ergiebigeren Dialog zwischen den verschiedenen Kulturen zu fördern, indem er den Weg zu einer glaubwürdigen und dauerhaften Solidarität aufzeigt, was eine der Hauptvoraussetzungen für eine friedliche Welt ist. Wir wissen nur zu gut, wie dringend der Mensch den Frieden braucht, auch um ein wahrer Künstler zu sein und um wirklichen Film zu machen. 4. Unsere unmittelbar vor Beginn des Jubeljahres stattfindende Begegnung bietet mir die Gelegenheit, erneut meiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass auch der Film im Rahmen dieses großartigen und außergewöhnlichen Glaubens- und Kulturereignisses seinen ursprünglichen Beitrag leisten kann für die Förderung eines Humanismus, der an die Werte des Evangeliums gebunden ist, um somit eine authentische Kultur des Menschen und für den Menschen zu schaffen. Allen, die sich auf dem Gebiet des Films engagieren - Produzenten, Autoren, Regisseuren, Technikern —, sowie all jenen, die sichtbar oder unsichtbar in diese in 970 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihrem Facettenreichtum so faszinierende Arbeit miteinbezogen sind, gelten meine guten Wünsche. Meine Empfindungen werden von einem Gebet zu Maria begleitet, der gläubigen Jungfrau, die dem Wort Gottes ihre Aufmerksamkeit schenkte und sich bereitete, das göttliche Geheimnis zu empfangen. Möge die heilige Jungfrau euch freigebig ihre mütterliche Hilfezukommen lassen. Euch allen gilt mein Segen. Berufung der Ortskirche zum Dienst an der Weltkirche Schreiben an den Bischof von Macau aus Anlass der Rückkehr der Provinz unter die chinesische Souveränität vom 3. Dezember An den verehrten Bruder Domingos Lam Ka Tseung, Bischof von Macau Nach fast 424 Jahren seit dem Tag, an dem mein Vorgänger Gregor XIII. die Diözese Macau errichtete, bereitet sich die Diözesangemeinschaft, die der Leitung Ihrer Hochwürdigsten Exzellenz anvertraut ist, auf ein wichtiges Ereignis in ihrer jahrhundertelangen Geschichte vor, wenn nämlich am kommenden 20.Dezember dieses Gebiet wieder unter chinesische Hoheit kommen wird. Die Diözese Macau wurde damals errichtet, um den seelsorgerischen Bedürfnissen zu entsprechen, die mit der Verbreitung des Christentums im Femen Osten Asiens aufgekommen waren. Zu Anfang erstreckte sie sich auf ganz China, auf weitere Nachbargebiete und auf die angrenzenden Inseln. So war ihre eigene Geschichte verwoben mit der Geschichte der Evangelisierung des gesamten Umlands, besonders mit der von China, einem Land mit sehr alten philosophisch-religiösen Traditionen. Die Funktion als Tor der Kirche nach China, die die göttliche Vorsehung der Diözese Macau zugewiesen hat und die in den vergangenen vier Jahrhunderten mit unterschiedlichen Ergebnissen umgesetzt wurde, wird jetzt - wo diese Diözesangemeinschaft mit vollem Recht zur Kirche in China gehören wird - neue Formen annehmen: Insbesondere wird diese Diözesangemeinschaft ihre missionarische Berufung in der chinesischen Welt vertiefen müssen, um auf diese Weise zu einem Bezugspunkt und zu einer geistigen Stütze auch für die zahlreichen Brüder und Schwestern im Glauben zu werden, die in diesem riesigen Land verstreut leben. Die geschichtliche und kulturelle Tradition dieser Ortskirche ist reich an bedeutenden Werten. Macau war nicht nur die Pforte der Evangelisierung für den chinesischen Kontinent, sondern auch ein Vorposten der christlichen Kultur und ein Treffpunkt mit den Kulturen des Femen Ostens: Mit der Errichtung des berühmten „Colegio Universitärio de Säo Paulo“ wurde nämlich schon 1594 die erste Universität für Studien über den Femen Osten gegründet, das heißt nur 39 Jahre nach dem Zeitpunkt, an dem die portugiesischen Seefahrer zum ersten Mal in Macau an Land gegangen waren. Neben der schulischen Erziehung, die sofort von der Kirche ein- 971 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gerichtet worden war, begann man auf diese Weise auch mit der Hochschulbildung. Abgesehen vom kulturellen Bereich zeichnete sich die Präsenz der Katholiken auch durch ihr soziales Wirken aus. Das beweist unter anderem das „Santa Casa da Misericördia“, das 1596 gegründet wurde und in der menschlichen Geschichte der Bevölkerung vor Ort eine so bedeutende Rolle gespielt hat. Zum jetzigen wichtigen Zeitpunkt, wo das Gebiet von Macau wieder zu einem integrierenden Bestandteil Chinas wird, ist die Kirche von Macau, so reich an Tradition und Würde, zur Fortsetzung ihres Einsatzes im spirituellen, kulturellen und sozialen Dienst berufen. Am Vorabend des neuen Jahrhunderts und im Zusammenhang mit dem nahe bevorstehenden Heiligen Jahr soll sie ihrem Engagement für das Evangelium einen neuen Impuls vermitteln durch eine großherzige und mutige Erneuerung der Methoden und Ausdrucksformen sowohl des religiösen Zeugnisses als auch des wertvollen Dienstes, den sie auf den Gebieten der Erziehung, Schulbildung und Sozialhilfe leistet. Sie sei eine prophetische Kirche, die dem Menschen, von der Habgier nach materiellen Gütern verführt und in seinen Zielsetzungen desorientiert, den hohen Sinn des sittlichen Lebens verkündet, die Würde und Freiheit jedes Menschen, die Schönheit des Evangeliums und die Freude der Nachfolge Christi. Sie sei als Kirche der Bedeutung des Namens treu, mit dem sich ihre Hauptstadt schmückt: „Macau. Cidade do Nome de Deus“ [Macau, Stadt des (heiligen) Namens Gottes], Sie spreche furchtlos zu allen über die Liebe des Vaters, die in Jesus offenbart und vom Heiligen Geist gespendet wird. Sie halte ihre Tradition in Ehren, bezeugt von den unzähligen und wunderschönen Sakralbauten, die sie im Laufe der Jahrhunderte der Muttergottes und den hll. Josef, Jakobus und Franz Xaver geweiht hat. Sie erhalte ihre volle Gemeinschaft mit der Weltkirche und bemühe sich - wie in der Vergangenheit - immer um ihre Gemeinschaft mit der Kirche ganz Chinas, mit der sie jetzt durch eine besondere, staatliche Bindung verknüpft ist. Ich spreche diese Wünsche aus mit der Zusicherung meines Gebets und von dem der gesamten Kirche für die Diözesangemeinschaft von Macau und die sehr verbreitete katholische Familie von ganz Kontinentalchina. Ihnen, verehrter Bruder, sende ich meinen herzlichen Gruß und meinen Apostolischen Segen, den ich auf den Klerus, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Laien und alle Menschen guten Willens ausdehne. Aus dem Vatikan, 3. Dezember 1999, Fest des hl. Franz Xaver, Patron der Missionen. 972 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Annahme der Schwachen ist ein Zeichen von Zivilisation Ansprache an die Teilnehmer des vom Päpstlichen Rat für die Familie veranstalteten Kongresses über „Familie und Integration von Behinderten im Kinder- und Jugendalter“ am 4. Dezember Herr Kardinal, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit Freude empfange ich Sie alle, die Sie am Kongress über „Familie und Integration von Behinderten im Kinder- und Jugendalter“ teilnehmen; dieser Kongress wurde organisiert vom Päpstlichen Rat für die Familie in Zusammenarbeit mit dem „Centro Educaciön Familiär Especial“ [CEFAES] in Madrid und dem „Programma Leopoldo“ in Venezuela. Ich begrüße Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er an mich gerichtet und mit denen er die Empfindungen der Anwesenden zum Ausdruck gebracht hat. Ich grüße und danke jedem von Ihnen für Ihre Teilnahme und das Engagement, mit dem Sie sich mit einem so wichtigen Thema, das so viele Familien betrifft, auseinandersetzen. Mein Wunsch ist, dass die Ergebnisse dieses Treffens die schwierige Situation zahlreicher Kinder und Jugendlicher verbessern helfen. In der Adventszeit, die uns auf die Feier der Geburt des Herrn vorbereitet, gewinnt Ihre Tagung eine ganz besondere Bedeutung. Im Lichte des Jesuskindes wird es in der Tat einfacher, über die Lage der Kinder nachzudenken. Wenn Schwierigkeiten, Probleme oder Krankheiten Kinder treffen, dann können die Werte des Glaubens den menschlichen Werten zu Hilfe kommen, damit die angeborene Personenwürde auch der Behinderten anerkannt und geachtet wird. Dieser Kongress ist daher überaus angebracht. Dabei ist die Aufmerksamkeit auf die Familien gerichtet, um ihnen zuhelfen, auch in behinderten Kindern ein Zeichen der Liebe Gottes zu sehen. 2. Die Geburt eines kranken Kindes ist zweifellos ein einschneidendes Ereignis für die Familie, die davon tief erschüttert wird. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint es wichtig, die Eltern dazu zu ermutigen, „dem Kind ganz besondere Aufmerksamkeit [zu schenken] in tiefem Gespür für seine personale Würde, in großer Achtung und selbstlosem Dienst für seine Rechte. Das gilt für jedes Kind, gewinnt aber eine besondere Dringlichkeit, wenn das Kind noch klein und hilflos ist, krank, leidend oder behindert“ (Familiaris consortio, Nr. 26). Die Familie ist der Ort schlechthin, an dem das Geschenk des Lebens als solches aufgenommen und wo die Würde des Kindes durch den Ausdruck besonderer Fürsorge und Zärtlichkeit anerkannt wird. Vor allem dort, wo Kinder am schutzlosesten sind und Gefahr laufen, abgelehnt zu werden, kann die Familie die Würde dieser Rinder - die der Würde gesunder Kinder gleich ist - am besten schützen. 973 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es liegt auf der Hand, dass in solchen Situationen die Familien, die mit komplexen Problemstellungen konfrontiert werden, ein Recht auf Unterstützung haben. Daraus ergibt sich, wie wichtig die Personen an ihrer Seite sind - seien es Freunde, Ärzte oder Sozialhelfer. Die Eltern müssen ermutigt werden, sich dieser sicherlich nicht leichten Lage zustellen, ohne sich in sich selbst zu verschließen. Es ist wichtig, dass nicht nur die engsten Familienangehörigen, sondern auch fachlich kompetente sowie befreundete Personen an diesem Problem Anteil nehmen. Sie sind die „barmherzigen Samariter“ unserer Zeit: Mit ihrer großherzigen und freundschaftlichen Gegenwart wiederholen sie die Gesten Christi, der die Kranken und Notleidenden stets seine tröstende Nähe spüren ließ. Die Kirche ist diesen Menschen dankbar, die sich jeden Tag und überall darum bemühen, Leid zu lindem durch „tägliche Gesten von Annahme, Opfer, selbstloser Sorge“ (Evangelium vitae, Nr. 27). 3. Wenn das sich in Schwierigkeiten befindende Kind in eine aufhahmebereite und aufgeschlossene Familie integriert ist, fühlt es sich nicht einsam, sondern in der Gemeinschaft und lernt auf diese Weise, dass das Leben immer lebenswert ist. Die Eltern ihrerseits erleben den menschlichen und christlichen Wert der Solidarität. Ich habe schon bei anderen Gelegenheiten daran erinnert, dass mit Tatsachen bewiesen werden muss, dass Krankheit weder unüberbrückbare Spaltungen schafft noch Beziehungen wahrer christlicher Nächstenliebe zu den Betroffenen verhindert. Im Gegenteil: Die Krankheit muss ein Gefühl besonderer Sorge für diese Menschen wecken, denn sie gehören mit vollem Recht zur Kategorie der Armen, derer das Himmelreich ist. Ich denke in diesem Zusammenhang an Beispiele außerordentlicher Hingabe seitens zahlloser Eltern für ihre Kinder; ich denke an die zahlreichen Initiativen von Familien, die großzügig bereit sind, behinderte Kinder in Pflege zu nehmen oder zu adoptieren. Wenn die Familien reichlich vom Wort Gottes genährt werden, ereignen sich in ihnen Wunder wahrhafter christlicher Nächstenliebe. Das ist die überzeugendste Antwort für jene, die behinderte Kinder als Last oder gar für unwürdig betrachten, das Geschenk des Daseins voll und ganz zu leben. Die Schwächeren aufnehmen und ihnen auf ihrem Weg zu helfen ist ein Zeichen von Zivilisation. 4. Aufgabe der Seelsorger und Priester ist es, die Eltern zu unterstützen, damit sie verstehen und akzeptieren, dass das Leben immer ein Geschenk Gottes ist, auch wenn es von Leid und Krankheit geprägt ist. Jede Person ist Subjekt von grundlegenden Rechten, die unveräußerlich, unverletzlich und unteilbar sind. Jede Person: also auch der Behinderte, der gerade aufgrund seiner Behinderung größeren Schwierigkeiten bei der konkreten Ausübung dieser Rechte begegnen kann. Deshalb darf er nicht allein gelassen werden, sondern muss von der Gesellschaft aufgenommen und - je nach Möglichkeit - als vollwertiges Mitglied in sie integriert werden. 974 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gegenüber jedem Menschen, der aufgrund seiner Würde als Person immer die größte Achtung verdient, haben die bürgerliche Gesellschaft und die Kirche eine besondere Aufgabe zu erfüllen, um so zur Entwicklung einer Kultur der Solidarität innerhalb der Gemeinschaft beizutragen. Der Behinderte, wie jeder andere Benachteiligte, muss ermutigt werden, die Hauptrolle in seinem Leben zu übernehmen. Nachdem die Familie den ersten Moment überwunden hat, muss sie verstehen lernen, dass der Wert der „Existenz“ den der „Effizienz“ übersteigt. Wenn dies nicht eintritt, läuft sie die Gefahr der Enttäuschung und Mutlosigkeit, wenn - trotz aller Bemühungen - die erhofften Erfolge der Heilung oder Besserung nicht erreicht werden. 5. Natürlich braucht die Familie eine angemessene Unterstützung durch die Gemeinschaft. Manchmal sind Einrichtungen der Soforthilfe in kritischen Augenblicken gefragt, und manchmal - wenn das Zusammenleben mit der Familie nicht mehr möglich ist - werden Aufhahmestrukturen in Form kleiner und angemessen-ausgestatteter Gemeinschaften benötigt. In jedem Fall ist es wichtig, die Kommunikation innerhalb der Familie immer auf hohem Niveau zu halten, denn es ist allgemein bekannt, dass reden, zuhören und sich aussprechen wesentliche Faktoren zur Regulierung und Harmonisierung des Verhaltens sind. Außerdem ist es nötig, dass das kranke Kind Augenblicke der Aufmerksamkeit und Liebe erfährt. In dieser Hinsicht ist die Familie unersetzlich; aus eigenen Kräften allein wird sie aber kaum nennenswerte Resultate erreichen. Hier beginnt der Bereich für das Eingreifen spezialisierter Verbände und anderer Formen von außer-familiärer Hilfe, die die Gegenwart von Personen gewährleisten, mit denen das gestörte Kind sich unterhalten und schulische und freundschaftliche Beziehungen aufbauen kann. Das Leben in der Gmppe sowie Freundschaft sind darüber hinaus optimale Voraussetzungen zur Befreiung von Konditionierungen und besserer persönlicher und sozialer Anpassung durch das Schaffen offener und befriedigender Beziehungen. 6. Liebe Brüder und Schwestern! Ich habe mit Ihnen einige praktische Aspekte von großer Wichtigkeit bedacht, die die Integration behinderter Kinder in Familie und Gesellschaft betreffen. Zu diesem Thema ist schon viel geschrieben worden, und die seelsorgliche Tätigkeit muss dieser Problematik ihre besondere Aufmerksamkeit widmen. Die Rinder verdienen die bestmögliche Fürsorge, und das gilt besonders dann, wenn sie sich in schwierigen Situationen befinden. Für den Gläubigen ist allerdings - jenseits aller nützlichen wissenschaftlichen Forschung und jeder sozialen und pädagogischen Initiative - demütiges und zuversichtliches Gottvertrauen wichtig. Die Familien werden die Kraft zur Überwindung der Schwierigkeiten vor allem im Gebet finden. In ständiger Hinwendung zum Herrn werden die Familienangehörigen lernen, das vom Leid gezeichnete Kind aufzunehmen, zu lieben und zur Entfaltung zu bringen. 975 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maria, die Mutter der Hoffnung, helfe und unterstütze alle, die sich in solchen Lebenslagen befinden. Ihr empfehle ich Ihre verdienstvollen Bemühungen an, und ich erteile Ihnen und allen, die Urnen nahestehen, gerne einen besonderen Apostolischen Segen. Gemeinsam Buße tun für Sünden gegen Einheit und Zeichen erneuerter Ökumene setzen Botschaft an die Teilnehmer des ökumenischen Treffens in Betlehem am 5. Dezember Ich bin voll Freude, da ich erfahre, daß so nahe vor Weihnachten an dem überaus geheiligten Ort, der den Sohn Gottes, geboren von einer Frau (vgl. Gal 4,4), aufnahm, die höchsten Vertreter der Christen des Heiligen Landes sich zu einer ökumenischen Begegnung versammelt haben. Sie gilt der Vorbereitung auf die Eröffnung des Jubiläumsjahres, des Gedächtnisses des zweitausendsten Jahres seit der Geburt unseres Herrn und Erlösers. Es ist das Jahr, in welchem wir unser inständigstes Flehen an den Heiligen Geist richten wollen, um die Gnade der vollen Einheit zu erbitten (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 34). Vor den Augen der Christen des Heiligen Landes und, in der Tat, vor den Christen in aller Welt bezeugt dieses Treffen in Betlehem, daß die Orte, an denen Jesus sein irdisches Leben verbrachte, sein Zeugnis ablegte, starb und auferstand, eine beständige Erinnerung an die Gnade sind, die wir in ihm empfangen haben, und zugleich eine dringende Aufforderang an uns, unseren Willen und unseren Einsatz zu verstärken, um treu seinem Gebet zu entsprechen: Alle sollen eins sein. Möge das Große Jubiläum alle Jünger Christi dahin fuhren, daß wir für unsere vergangenen Sünden gegen die Einheit Buße tun und daran arbeiten, daß bald die gesegnete Stunde kommt, in der wir unseren himmlischen Vater mit einer einzigen Stimme anrafen! Durch ein glückliches Zusammentreffen wohnen der heutigen ökumenischen Feier die Sekretäre der „Christian World Communions“ [Christlichen Weltgemeinschaften] bei. Auch ihnen sende ich meine herzlichen Grüße und ermutige sie zur Fortsetzung ihrer Bemühungen, die Bande der Brüderlichkeit und Zusammenarbeit weiter auszubreiten. Ich bete, dieses feierliche ökumenische Ereignis in Betlehem am Vorabend des Jahrestages der Geburt Christi möge uns tiefer zum Bewusstsein bringen: „So wie damals bittet Christus auch heute, daß ein neuer Schwung den Einsatz jedes einzelnen für die volle und sichtbare Gemeinschaft beleben möge“ (Ut unum sint, Nr. 100). Mit dieser glühenden Hoffnung grüße ich Sie alle im Herrn. Joannes Paulus PP. II 976 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fördern der Einheit untereinander und mit dem Nachfolger Petri - ein wertvoller Beitrag zum Großen Jubiläum Botschaft an die Katholiken Chinas vom 8. Dezember „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Liebe Brüder und Schwestern der katholischen Kirche in China! An der Schwelle zum Großen Jubiläumsjahr, in dem wir den 2000. Jahrestag der Geburt Christi begehen, grüße ich euch alle mit Freude und großer Flerzlichkeit in der Liebe Gottes, des Vaters, und in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Allen Katholiken chinesischer Abstammung bin ich als Hirte der Weltkirche von Herzen nahe. In diesem Augenblick empfinde ich aber das Bedürfnis, mich besonders an die Hirten und Gläubigen in Kontinentalchina zuwenden, die ihre Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl noch nicht voll und sichtbar zum Ausdruckbringen können. 1. Auch ihr, Brüder und Schwestern der Kirche in China, habt zusammen mit allen Gläubigen, die sich auf der ganzen Welt auf die Feier des Großen Jubiläumsjahres und auf den Beginn eines neues Jahrtausends vorbereiten, die Einladung des Nachfolgers Petri und Bischofs von Rom angenommen und geht nun gläubig auf dieses Ereignis zu. Die praktischen Weisungen, die ich in der Verkündigungsbulle Incarnationis mys-terium aufgezeigt habe, und die Hinweise zum Erhalt des Ablasses, die ihrerseits im entsprechenden Dekret der Apostolischen Pönitentiarie erläutert sind, werden für alle Katholiken Richtschnur und Anleitung für eine fruchtbringende Feier dieses Gnadenjahres der Vorsehung sein, und zwar nicht nur in Rom und Jerusalem, sondern auch in den anderen Gebieten kirchlichen Lebens. Einer großen Zahl von Katholiken auf der ganzen Welt wird es nicht möglich sein, die Schwelle der Heiligen Pforte in Rom zu überschreiten und die Gräber der Apostel Petrus und Paulus zu verehren. Aber alle, wo immer sie auch leben, sind eingeladen, diese Entdeckung zu machen: „Durch jene Tür gehen heißt bekennen, daß Jesus Christus der Herr ist, und den Glauben an ihn stärken, um das neue Leben zu leben, das er uns geschenkt hat. Es ist eine Entscheidung, welche die Freiheit der Wahl und zugleich den Mut zum Loslassen voraussetzt im Wissen darum, daß man das göttliche Leben gewinnt (vgl. Mt 13,44—46)“ {Incarnationis myste-rium, Nr. 8). 2. Unsere Herzen sind auf den Augenblick gerichtet, wo in der „Fülle der Zeit“ {Gal 4,4) der Sohn Gottes unter uns geboren wurde: Dieses Ereignis hat die Mehrheit der Menschheit inzwischen als Bezugspunkt für die Chronologie der Geschichte angenommen. Die Geburt Jesu ereignete sich in einer Provinz Palästinas, jenes asiatischen Landes, das am Kreuzungspunkt großer Straßen des kulturellen 977 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Austauschs zwischen Orient und Okzident liegt, Treffpunkt zwischen Asien, Europa und Afrika. Jene Geburt brachte und bringt auch heute noch allen Menschen „des weiten Bereichs unter dem Himmel“ Freude, genau so, wie es die Engel den Hirten in Betle-hem verkündet hatten: „Ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk Israel zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“ (Lk 2,10-11). Der Name, der dem Neugeborenen gegeben wurde - Jesus, „Jahwe ist Hilfe; Gott schenkt Heil“ -, fasst seine Sendung zusammen und ist ein Versprechen an das gesamte Menschengeschlecht: „[Gott] will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ ( / Tim 2,4). „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ {Joh 3,16). 3. Was von Jesus bei seiner Geburt gesagt wurde, begann er selbst in seinem Leben umzusetzen: „Den Armen verkündete er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen Freiheit, den Trauernden Freude“ (4. Hochgebet). Um den barmherzigen und geheimnisvollen Ratschluss Gottes zum Heil der Menschen zu erfüllen, „hat er sich dem Tod überliefert, durch seine Auferstehung den Tod bezwungen und das Leben neu geschaffen“ (ebd.). Vor seiner Himmelfahrt und Rückkehr zum Vater trag er seinen Aposteln, das heißt der entstehenden Kirche, auf: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ {Mt 28,19). Dem Herrn gehorsam und vom Heiligen Geist angeregt, haben die Jünger das Gebot des Herrn erfüllt und die Frohe Botschaft nach Ost und West, nach Nord und Süd getragen. 4. Das Jubiläumsjahr erinnert an den Eintritt Jesu in die Geschichte und feiert auf diese Weise auch seine weitergehende Gegenwart unter den Völkern. Wie ihr wohl wisst, liebe Brüder und Schwestern, wurde des Evangelium des Heils - nach den geheimnisvollen Plänen der göttlichen Vorsehung - auch in eurem Land schon sehr früh verkündet: Inder Tat kamen schon im 576. Jahrhundert Gruppen von Mönchen aus Syrien über Zentralasien und brachten den Namen Jesu zu euren Vorfahren. Noch heute erinnert eine berühmte Stele in der Hauptstadt Xi‘an eindrucksvoll an jenen historischen Zeitpunkt im Jahr 635, der den offiziellen Anfang der „Licht-Religion“ in China bezeichnet. Nach einigen Jahrhunderten ebbte diese Verkündigung ab. Die Tatsache aber, dass das Evangelium Jesu euren Vorfahren zu einer Zeit verkündet wurde, da ein Großteil Europas und der restlichen Welt es noch gar nicht kannte, muss für euch ein Grund zur Dankbarkeit gegenüber dem Herrn und zu großer Freude sein. 5. Die Botschaft des Evangeliums, die in jenen weit zurückliegenden Anfängen verkündet wurde, hat ihre Aktualität nicht verloren. Sie lädt euch ein und spornt euch an, sie auch jenen zu verkünden, die sie noch nicht empfangen haben. 978 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Leben der Jünger Christi - damals wie heute, in China wie anderswo - muss sich von der „Frohen Botschaft“ inspirieren lassen, und die wahrhafte Verwirklichung des Evangeliums in eurem Leben wird ein leuchtendes Zeugnis für Christus in eurer Umgebung sein. Deshalb, liebe Brüder und Schwestern, seid ihr alle aufgefordert, dem chinesischen Volk von heute das Evangelium des Heils mit erneuerter Begeisterung zu verkünden. Ich kann verstehen, dass ihr euch einer so großen und anspruchsvollen Sendung nicht gewachsen fühlt; ihr wisst aber, dass ihr auf die siegreiche Kraft Christi zählen könnt (vgl. Joh 16,33), der euch seine Gegenwart und Hilfe zusichert. Unter der Leitung eurer Hirten und in Gemeinschaft mit ihnen werdet ihr, liebe Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, zeitgemäße Pastoralpläne erarbeiten; dabei sollt ihr deutlich und vorrangig all das herausstellen, was die Verkündigung Jesu und seines Wortes des Lebens anbelangt, und der Welt der Jugend besondere Aufmerksamkeit widmen. In diesem Zusammenhang ist die Feier des Jubiläumsjahres Anlass zum Gedenken an die apostolischen Mühen, Leiden, Tränen und das Blutvergießen, die den Weg der Kirche unter den Menschen aller Zeiten begleitet haben. Auch unter euch war das Blut eurer Märtyrer der Same für eine Vielzahl von wahren Jüngern Christi. Mein Herz ist erfüllt von Erstaunen und Dankbarkeit gegenüber dem Herrn für das großherzige Zeugnis einer großen Schar von Bischöfen, Priestern, Ordensmännem, Ordensfrauen und Laien. Und dabei hat es den Anschein, dass die Zeit der Prüfung in manchen Gegenden noch nicht vorüber ist! 6. In eurer Vorbereitung auf die Abhaltung des Großen Jubeljahres dürft ihr nicht vergessen, dass in der biblischen Tradition eine solche Zeit immer die Verpflichtung zum gegenseitigen Schuldenerlass, zur Wiedergutmachung von begangenem Unrecht und zur Versöhnung mit dem Nachbarn mit sich brachte. Auch euch wurde die „große Freude“ verkündet, die „allen Völkern zuteil wurde“: die Liebe und Barmherzigkeit des Vaters, die in Christus erwirkte Erlösung. In dem Maße, wie ihr selbst bereit seid, diese freudige Kunde anzunehmen, werdet ihr sie auch durch euer Leben allen Männern und Frauen an eurer Seitevermitteln können. Mein sehnlichster Wunsch ist, dass ihr den inneren Eingebungen des Heiligen Geistes nachkommt und euch gegenseitig all das vergebt, was zu vergeben ist, euch einander näher kommt, euch gegenseitig akzeptiert und alle Barrieren überwindet, um all das zu umgehen, was euch trennen kann. Vergesst die Worte Jesu beim Letzten Abendmahl nicht: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,35). Ich habe mit Freude vernommen, dass das wertvollste Geschenk, das ihr zur Feier des Großen Jubiläumsjahres anbieten wollt, die Einheit unter euch und mit dem Nachfolger Petri sein soll. Ein solches Vorhaben kann nur die Frucht des Geistes sein, der seine Kirche auf die nicht leichten Wege der Versöhnung und Einheit führt. 979 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. „Ein Zeichen der Barmherzigkeit Gottes, das heute besonders nötig ist, stellt die Liebe dar, die uns die Augen für die Bedürfnisse derer öffnet, die in Armut und am Rande der Gesellschaft leben“ (Incarnationis mysterium, Nr. 12). Unter den praktischen Bemühungen, die eure Anstrengung zur Umkehr und geistlichen Erneuerung deutlich machen werden, soll auch die Nächstenliebe gegenüber den Brüdern in der überlieferten Form von Werken leiblicher und geistiger Barmherzigkeit ihren Platz haben. Diese konkrete Solidarität wird euer verhaltener -aber wirksamer - Beitrag auch zum Wohle eures Volkes sein. Auf diese Weise gebt ihr ein beredtes Zeugnis für den Namen „Christ“, den ihr mutig und stolz tragt: Als gute Chinesen und echte Christen liebt ihr sowohl euer Land als auch die Orts- und Weltkirche. 8. Das Jubiläumsjahr Zweitausend wird ein großes Lob- und Dankgebet vor allem für das Geschenk der Menschwerdung des Gottessohnes und der von ihm vollbrachten Erlösung sein: Lob und Dank für das Geschenk der Kirche, von Christus gegründet als „Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen Gentium, Nr. 1). „Ihr Dank soll sich schließlich auf die Früchte der Heiligkeit ausweiten, welche im Leben der vielen Männer und Frauen“ - auch eures Volkes - „herangereift sind, die in jeder Generation und in jeder Geschichtsepoche das Geschenk der Erlösung vorbehaltlos anzunehmen vermochten“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 32). 9. Untereinander in der Wahrheit und Liebe Christi verbunden, in Gemeinschaft mit der Universalkirche und dem, der von Jesus zum Nachfolger Petri und Unterpfand der Einheit berufen ist, überschreitet die Schwelle zum neuen Jahrtausend in dem Vertrauen, dass der einzige Gott und Vater des gesamten Menschengeschlechts eure eigenen Schritte und die Schritte eures ganzen Volkes segnet und segnen wird. Seid trotz eurer kleinen Zahl Sauerteig des Guten zugunsten eures Volkes. Seid Zeichen und Sakrament des Heils, das Gott allen Menschen versprochen hat, und ladet die Menschen um euch ein, die Frohe Botschaft des Großen Jubeljahrs zuhören und daran zu glauben: „Euch ist der Retter geboren!“ (vgl. Lk2,\\). Maria, Mutter des Erlösers, Hilfe der Christen und Königin von China, beschütze und unterstütze euch in der Erfüllung eurer Berufung und in der Verwirklichung der Vorsätze, die in einem immer wachsameren und großzügigeren Herzen aufkeimen. 10. Mein Blick weitet sich nun wieder, um auch die chinesischen Katholiken einzuschließen, die außerhalb von Kontinentalchina leben. An sie geht mein herzlicher Gruß, verbunden mit dem aufrichtigen Wunsch, dass sie während des Jubiläumsjahres ermutigt werden in dem Bewusstsein, „der Welt das wahre Licht zu bringen: Jesus Christus, den Herrn“ (Incarnationis mysterium, Nr. 2). Sie werden dort, wohin die göttliche Vorsehung sie gestellt hat, Licht und Sauerteig sein und 980 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die spirituelle Einheit mit allen ihren Brüdern und Schwestern der großen chinesischen Familie pflegen. „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.“ Mit diesem Wunsch segne ich alle von Herzen! Aus dem Vatikan, 8. Dezember 1999, Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria Mit Maria den Advent als Zeit freudiger Erwartung erleben Gebet an der Mariensäule auf dem Spanischen Platz am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, 8. Dezember 1. Wie jedes Jahr an diesem dem christlichen Volk so lieben Tag finden wir uns hier im Herzen der Stadt zusammen, um an der Säule, welche die Römer zu Ehren der Unbefleckten Empfängnis errichtet haben, das traditionelle Blumengeschenk an die Jungfrau zu erneuern. Bereits im Vorfeld des Großen Jubiläums, bildet die heutige Feier eine besondere Vorbereitung auf die Begegnung mit Christus. Er hat „dem Tod die Macht genommen und uns das Licht des unvergänglichen Lebens gebracht durch das Evangelium“ (2 Tim 1,10). So stellt die Schrift die Heilssendung des Gottessohnes dar. 2. Die Jungfrau, die wir heute im Geheimnis der Unbefleckten Empfängnis betrachten, lädt uns ein, den Blick auf den Erlöser zu richten, der um unseres Heiles willen in der Armut Betlehems geboren wurde. Zusammen mit ihr betrachten wir das Geschenk der Menschwerdung des Gottessohnes, der zu uns gekommen ist, um der Geschichte der Menschen Sinn zu geben. In unserem Geist erklingen die Worte des Propheten Jesaja: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht“ (Jes 9,1). Maria ist der strahlende Anbruch dieses Tages sicherer Hoffnung. Maria ist die Mutter Christi, der Mensch geworden ist, um die von den Propheten angekündigte neue Zeit zu eröffnen. 3. Mit Maria, „Morgenröte der Erlösung“, leben wir den Advent: Zeit freudiger Erwartung, Zeit der Betrachtung, Zeit der Hoffnung. Wie der Aufgang der Sonne am Firmament durch den Morgenstern angekündigt wird, so geht der Menschwerdung des Gottessohnes, der „das aufstrahlende Licht aus der Höhe“ (Lk 1,78) ist, die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria voraus. Erhabenes Geheimnis der Gnade, das wir noch tiefer verspüren in diesem Jahr am Ausgang eines Jahrtausends, im nunmehr unmittelbaren Vorfeld des Jubiläumsjahres. Mit noch größerer Zuversicht sind wir am heutigen Tag zu Füßen der Jungfrau Zusammenkommen, um sie zu bitten, uns zu helfen, mit erneuertem Einsatz die Schwelle der Heiligen Pforte zu überschreiten, die uns in das Große Jubiläum des Jahres 2000 hineinfüh-ren wird. 981 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Bewusst werden wir diese Schwelle überschreiten, getragen und ermutigt von deiner Hilfe, o Unbefleckte Jungfrau. Vor zweitausend Jahren wurde in Betlehem in Juda der Besieger des Todes und Urheber des Lebens von dir geboren, der den Menschen durch das Evangelium das Licht ihres ganzen Lebens gebracht hat. Christus ist zu uns gekommen, um dem nach dem Bild Gottes geschaffenen Menschen volle Würde zurückzugeben. Ja, der Mensch kann nicht im Dunkel bleiben; er sehnt sich nach dem wahren Licht, das die Schritte seines Pilgerwegs auf Erden erleuchtet. 5. Der Mensch liebt nicht den Tod: Mit einer geistlichen Natur versehen, wünscht er die Unsterblichkeit seines ganzen Seins. Jesus, der mit seinem Blut die Macht des Todes vernichtete, hat diesen innersten Wunsch des Menschenherzen erfüllbar gemacht. Wenn wir auf dich blicken, du auserwählte, von Gnade erfüllte Jungfrau, sehen wir Pilger auf Erden die Verheißung der Unsterblichkeit in der vollen Gemeinschaft mit Gott in Erfüllung gehen. In dir, Mutter der Lebendigen, hat sich das Wort des Apostels verwirklicht: Jesus, der Herr, „hat dem Tod die Macht genommen und uns das Licht des unvergänglichen Lebens gebracht“. Diese frohe Botschaft wiederholt die Kirche auch in diesem Jahr an der Schwelle eines neuen Jahrtausends. 6. Daher stehen wir heute erneut zu deinen Füßen, du Unbefleckte, voll der Gnade, um dich zu bitten: Sei Fürsprecherin des ganzen christlichen Volkes, nimm dieses Geschenk an als Ausdruck unseres Glaubens und unserer Verehrung, während wir mit inniger Dankbarkeit den schönen Brauch dieser Begegnung mit dir an der Säule auf dem Spanischen Platz an das kommende Jahrtausend übergeben. Und du, Unbefleckte Jungfrau Maria, bitte für uns! Einheit ist Ansporn für alles geistliche Tun in der Kirche Ansprache bei der Sonderaudienz für den Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Landesbischof Dr. Christian Krause, und seine Delegation am 9. Dezember Sehr geehrter Herr Präsident! 1. Ganz herzlich begrüße ich Sie im Apostolischen Palast zusammen mit den Delegierten des Lutherischen Weltbundes. Sieben Jahre liegt es zurück, dass ich die Freude hatte, Ihren verehrten Vorgänger, den Herrn Präsidenten Gottfried Brakemeier, im Vatikan zu empfangen. Damals konnten wir gemeinsam das 25jährige Bestehen des lutherisch-katholischen Dialogs begehen. Voller Dankbarkeit durften wir auf die zahlreichen bedeutsamen Früchte blicken, die aus den bilateralen Gesprächen hervorgegangen sind. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sind sich Katholiken und Lutheraner erheblich nähergekommen: Mit Gottes Hilfe ist es gelungen, trennende Schranken langsam und geduldig abzutragen. Gleichzeitig wur- 982 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den auch die sichtbaren Bande der Einheit gestärkt. Das ökumenische Miteinander ist sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene zwischen Katholiken und Lutheranern stetig gewachsen. Zeichen der Weggemeinschaft im Glauben sind zu einer guten Gewohnheit geworden. Gerade die Zusammenarbeit im karitativen und gesellschaftlichen Bereich ist mittlerweile sehr eng. 2. Eine besondere Frucht des theologischen Dialogs wurde uns vor wenigen Wochen in Augsburg geschenkt. Dort wurde die Gemeinsame Erklärung zur Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben unterzeichnet: ein Thema, das jahrhundertelang eine Art Symbol der Trennung zwischen Katholiken und Protestanten war. Dank sei Gott, dass er es uns ermöglicht hat, einen Meilenstein auf dem nicht leichten Weg der Wiederherstellung der vollen Einheit unter den Christen zu setzen (vgl. Angelus am 31. Oktober 1999). Das Dokument stellt ohne Zweifel eine sichere Basis für weitere ökumenische Schritte dar. Es regt dazu an, die theologische Forschung auf ökumenischem Gebiet fortzufuhren und die Hindernisse abzubauen, die der innig ersehnten Einheit am Tisch des Herrn noch entgegenstehen. Darüber hinaus müssen wir uns mit vereinten Kräften darum bemühen, den zusammen erarbeiteten Inhalt der Lehre in die Sprache und das Leben der Menschen unserer Zeit umzusetzen. Gute Dolmetscher sind also gefragt, denen es gelingt, in Treue zur eigenen Identität und aus Liebe zum Gesprächspartner die Wahrheit zu vermitteln. 3. Den Blick auf das Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes gerichtet, sind wir gemeinsam an der Schwelle des dritten Jahrtausends angelangt. „Jesus ist die wahre Neuheit, die jede Erwartung der Menschheit übersteigt“ (Incarnationis mysterium, Nr. 1). Ich freue mich sehr über Ihre Zusage, das Jubiläumsjahr zusammen mit der katholischen Kirche hier in Rom und in der ganzen Welt feierlich begehen zu wollen. Zwei Höhepunkte des ökumenischen Miteinanders verdienen besondere Erwähnung. Da ist zunächst die Gebetswoche für die Einheit der Christen, bei der ich die Heilige Pforte in Sankt Paul vor den Mauern feierlich eröffnen werde. Außerdem möchte ich das Gedenken der neuen christlichen Märtyrer nennen. Gerade in diesem von Gewalt und Schrecken geplagten Jahrhundert ist das Zeugnis der Märtyrer für Katholiken und Lutheraner gleichermaßen bedeutend geworden. Es ist „ein dauerndes, aber heutzutage besonders beredtes Zeichen für die Wahrheit der christlichen Liebe“. Die Märtyrer sind jene, „die das Evangelium verkündet haben, indem sie aus Liebe ihr Leben hingaben“ (Incarnationis mysterium, Nr. 13). Auf diese Weise bekommt das Martyrium eine ökumenische Bedeutung. Denn diejenigen, die an Christus glauben und durch die lange Reihe der Märtyrer miteinander verbunden sind, können nicht gespalten bleiben (vgl. Ut unum sint, Nr. 1). 4. Die gemeinsame Feier des Großen Jubiläums ist eine Chance, um unser gemeinsames Zeugnis im Glauben zu vertiefen. Gerade die Welt von heute sehnt sich danach, dass die Christen näher zusammenrücken. 983 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Kalender für das Heilige Jahr sieht deshalb weitere Begegnungen mit ökumenischem Hintergrund vor. Warum sollten wir dort noch getrennte Wege gehen, wo wir schon jetzt miteinander auf dem Weg sind? Das Jubeljahr als geistliches Ereignis bietet Möglichkeiten, die Katholiken und Lutheraner gemeinsam ausschöpfen können. Einen Vorgeschmack darauf hat uns die ökumenische Vesper vermittelt, die wir kürzlich anlässlich der Erhebung der hl. Birgitta von Schweden zur Mitpatronin Europas gefeiert haben. Als wir bei dieser Gelegenheit mit Hymnen und Psalmen Gott unseren Dank darbrachten, da habe ich den „geistlichen Raum“ gespürt, in dem die Christen miteinander vor ihrem Herrn stehen (vgl. Ut unum sint, Nr. 83). Der gemeinsame geistliche Raum ist größer als manche konfessionellen Schranken, die uns auch an der Schwelle des dritten Jahrtausends noch voneinander trennen. Wenn wir es ungeachtet der Spaltungen fertig bringen, uns miteinander immer mehr im Gebet vor Christus zu stellen, dann wird das Bewusstsein wachsen, dass das, was uns trennt, im Vergleich zu dem, was uns verbindet, gering ist (vgl. Ut unum sint, Nr. 22). Wer sich dessen bewusst ist, für den kann Ökumene nicht „bloß irgendein ,Anhängsel“ sein, das der traditionellen Tätigkeit der Kirche angefügt wird“ {Ut unum sint, Nr. 20). Die volle Einheit ist ein Ziel, für das es sich einzusetzen lohnt. Sie ist ein Ansporn für das geistliche Tun der ganzen Kirche. 5. Angesichts dieser hoffnungsvollen Gedanken bin ich überzeugt, dass die guten Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund eine Grundlage bilden, auf der alle weiteren Gespräche zur Lösung der noch offenen Fragen aufbauen können. Wie das Gebet zum Herrn die „Seele der ökumenischen Erneuerung und der Sehnsucht nach der Einheit“ ist {Ut unum sint, Nr. 28), so möge unser gemeinsamer Dialog über die fundamentalen Fragen der Lehre auch in Zukunft vom inständigen Gebet in unseren Gemeinden getragen sein. Das Gebet der Gläubigen ist gleichsam der Rückenwind für das ökumenische Gespräch. Gebe Gott, dass wir bald zu der Einheit gelangen, die dem Willen Jesu entspricht! Diese Bitte wird überboten von unserem Dank an den Herrn der Geschichte. Denn wir dürfen nicht nur auf 2000 Jahre nach Christus zurückschauen, sondern können im Blick auf 2000 Jahre mit Christus zuversichtlich in die Zukunft gehen. Am Fest der Geburt Jesu Christi, unseres Herrn gestern, heute und in Ewigkeit, werde Ihnen allen der Friede und der Segen des menschgewordenen Gottessohnes zuteil. 984 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeugnisse der Vergangenheit in Ehren halten Schreiben des Papstes an Kardinal Castrillön Hoyos An meinen verehrten Bruder, Seine hochwürdigste Eminenz Dario Kardinal Castrillön Hoyos, Präfekt der Kongregation für den Klerus Ehrwürdig ragt der bedeutende Dom zu Aachen empor, dessen hohes Alter und dessen frühe Ursprünge es hervorzuheben gilt. Denn zwölfhundert Jahre sind seit der Zeit der Errichtung dieses Domes vergangen, in dem der gefeierte Karl der Große seinen Thron hatte. Und in der Tat gibt es niemanden, dem seine Bedeutung nicht bekannt wäre, denn er nimmt ja unter den mittelalterlichen Zeugnissen durchaus einen hervorragenden Platz ein. Daher ist es angebracht, diese heilige Stätte sowie die Nachweise darüber aus jener Zeit, in der alles noch von christlichem Geist erfüllt und in sichtbarer Weise durchwirkt war, erneut in Erinnerung zu rufen, damit auch die Menschen der heutigen Zeit sich an diesen Zeugnissen der Vergangenheit ein Beispiel nehmen. Sie könnten diese als ewiges Zeugnis betrachten und sich ganz von den himmlischen Gütern erfüllen lassen, indem sie den vergänglichen Dingen weniger Bedeutung zumessen. Aus diesen Gründen ist es mir eine Freude, zur Kenntnis zu nehmen, dass der 1200. Jahrestag seit der Errichtung dieses Gotteshauses in entsprechend feierlichem Rahmen begangen werden soll. Ist es doch für ganz Deutschland ein Kleinod und ein Schmuckstück. Daher bin ich der Bitte meines verehrten Bruders im Bischofsamt, Heinrich Mussinghoff, des Bischofs von Aachen, auch gerne nachgekommen und habe verfügt, einen hohen Würdenträger zu entsenden, der mich dort vertritt und repräsentiert. Unverzüglich aber wende ich mich nun an Sie, verehrter Bruder, der Sie wohl zur Übernahme und Durchführung eines derartigen Amtes besonders geeignet sind. Daher ernenne ich Sie zum Sondergesandten für die obengenannte Zwölfhundertjahrfeier, die vom 29. bis 30. Januar stattfindet. Im Lichte des Großen Jubiläums ist es mein Wunsch, dass nicht nur dieses altehrwürdige Gotteshaus zu Ehren kommt, sondern auch der Glaube der Christen gestärkt wird. Und um meine Worte und guten Wünsche zu unterstreichen, ermächtige ich Sie hiermit, in meinem Namen und kraft meiner Autorität allen in Fülle den Apostolischen Segen zu erteilen, der eine Botschaft der überirdischen Gaben und ein zei-chenhaftes Vermächtnis für die Erneuerung der Seelen sei. Aus dem Vatikan, am 11. Dezember 1999, dem 22. Jahr meines Pontifikates Joannes Paulus PP. II 985 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bedeutung des Petrusdienstes in der Kunst der Sixtinischen Kapelle Ansprache bei der Einweihung der Sixtinischen Kapelle am 11. Dezember 1. „Laßt euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen“ (1 Petr 2,5). Dieses Bild der Bibel vom Mysterium der Kirche könnte wohl kaum eine ausdrucksvollere plastische Darstellung finden als die Sixtinische Kapelle, deren volle Schönheit wir heute dank der unlängst beendeten Restaurationsarbeiten bewundern können. Wir teilen diese Freude mit Gläubigen aus aller Welt, die diesen Ort nicht nur aufgrund seiner Meisterwerke schätzen und lieben, sondern auch in Anbetracht seiner Bedeutung im Leben der Kirche. Hier findet nämlich - und hieran erinnere ich mich voll Ergriffenheit - die Wahl des Nachfolgers Petri statt. Vor fünf Jahren, am 8. April 1994, konnte ich die in ihren endlich wiedergefundenen ursprünglichen Farben leuchtenden Werke Michelangelos vorstellen, die diesem Saal zweifellos seinen Charakter verleihen und ihn durch ihre überragende Schönheit gewissermaßen in sich aufhehmen. Sie dringen bis zum äußersten Horizont der christlichen Theologie vor, zeigen das Alpha und das Omega, Ursprung und Gericht, das Mysterium der Schöpfung und das der Geschichte, all das hinge-ordnet auf Christus, den Erlöser und Richter der Welt. Heute jedoch soll unsere Aufmerksamkeit dem bescheideneren, aber dennoch bedeutenden Wandzyklus gelten, den ersten Werken, mit denen die von Sixtus IV. errichtete Kapelle ausgestattet wurde. An diesen Fresken arbeiteten bedeutende florentinische und umbrische Künstler wie Perugino, Botticelli, Pinturicchio, Ghirlandaio, Rosselli und Signorelli. Von einem präzisen Konzept ausgehend, schufen sie ein in das nach und nach entstehende architektonische und malerische Gesamtbild gut integriertes einheitliches Werk, ein Element einzigartiger Darstellungskraft. Mit Freude gebe ich es heute wieder zur Besichtigung frei. Von Herzen danke ich dem Präsidenten der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt, Kardinal Edmund Casimir Szoka, Dr. Francesco Buranelli wie auch den für die Leitung der Vatikanischen Monumente, Museen und Galerien Verantwortlichen, den ausführenden Fachkräften und allen, die sich auf verschiedenen Bereichen und Ebenen um die Wiederherstellung dieser weiteren Kunstwerke verdient gemacht haben. 2. Beim Betrachten der beiden Gemäldeserien an den Längswänden ist die symmetrische Anordnung der Tafeln leicht erkennbar, zumal sie auch durch die jeweiligen Überschriften hervorgehoben wird. Auf der einen Seite dominiert die Gestalt des Mose und auf der anderen die Christi. Das ikonographische Programm ist eine Art „lectio divina“, das nicht nur die einzelnen Begebenheiten der Bibel zum Ausdruck bringen will, sondern vor allem die Einheit der Heiligen Schrift, des Alten und Neuen Testaments, jene heilsgeschichtliche Linie, die von den Ereignissen des Auszugs zur Fülle der Offenbarung in Christus führt. 986 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Parallelismus verdeutlicht auf wirksame Art und Weise das vom hl. Augustinus formulierte hermeneutische Prinzip: „Novum Testamentum in Ve-tere latest, Vetus in Novo patet“ [Das Neue Testament ist im Alten verborgen, das Alte eröffnet sich im Neuen] (vgl. Quaest. in: Hept. 2,73). Tatsächlich zeigt die Anordnung der Fresken, die sowohl in der geschichtlichen Reihenfolge wie auch durch die spezielle thematische Entsprechung zum Ausdmck kommt, dass alles auf Christus hingeordnet ist. Seine in dem wundervollen Gemälde Peruginos dargestellte Taufe bringt jene Fülle zum Ausdruck, die in der Beschneidung Mose lediglich angedeutet wurde. Die Versuchungen Christi stehen bei Botticelli in symmetrischer Übereinstimmung mit den von Mose überwundenen Prüfungen. Der von Ghirlandaio in der Berufung der Jünger am See von Gennesaret zum Ausdruck gebrachte Aufruf an das neue Volk entspricht dem um Mose versammelten alten Volk vor dem dramatischen Hintergrund der Durchquerung des Roten Meeres. Der von Rosselli dargestellte Christus der Bergpredigt erscheint im Vergleich mit Mose als neuer Gesetzgeber, der nicht gekommen ist, um das Gesetz aufzuheben, sondern um es zu erfüllen (vgl. Mt 5,17). Und wiederum ist Christus Mittelpunkt in den Fresken von der Überreichung der Schlüssel und des Letzten Abendmahls, die ebenfalls in symbolischer Übereinstimmung mit dem Alten Testament stehen. 3. Von diesen Gemälden geht somit eine Lobeshymne zur Verherrlichung Christi aus. Alles ist auf ihn ausgerichtet. Er ist die Fülle aller Dinge. Dennoch sollten wir berücksichtigen, dass er in diesen Gemälden nie allein ist: Um ihn und um Mose scharen sich die Gesichter von Männern und Frauen, von Alten und Kindern. Es ist das Volk Gottes auf dem Weg zum Glauben, die Kirche, das aus lebendigen Steinen aufgebaute „geistige Haus“, versammelt um Christus, „den lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und geehrt worden ist“ (vgl. 1 Petr 2,4). Das gesamte theologische und ikonographische Programm zeichnet sich jedoch aus durch die Aufmerksamkeit, die den Führern dieses Pilgervolkes gewidmet wird. Wenn sich im Alten Testament der Blick in erster Linie auf den von Aron begleiteten Mose richtet, der in der bewegten Darstellung Botticellis seine vergeblich gefährdete Autorität beweist, so ist im Neuen Testament die zentrale Stellung Christi keineswegs beeinträchtigt, sondern wird eher hervorgehoben durch jene Rolle, die er selbst den Aposteln, insbesondere Petrus, überträgt. Dieser Aspekt zeigt sich insbesondere in dem Meisterwerk Pemginos von der Überreichung der Schlüssel. Durch das auffallende Symbol des Schlüssels betont der Künstler die Tragweite der dem ersten Apostel verliehenen Autorität. Gewissermaßen als Ausgleich zeigen die Züge Petri den Ausdmck tiefer Demut, wenn er in kniender Haltung und fast vor dem Meister zurückweichend das Symbol seines Amtes entgegennimmt. In zusammengekauerter, bescheidener Haltung, ängstlich und überrascht angesichts solch unermesslichen Vertrauens möchte er sozusagen am liebsten verschwinden, damit allein die Person des Meisters sichtbar bleibe. Der verzückte Blick lässt auf seinen Lippen nicht nur das Bekenntnis von Cäsarea Philippi erahnen - „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ 987 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN {Mt 16,6) sondern auch seine Liebeserklärung an den Auferstandenen nach der bitteren Erfahrung der Verleugnung: „Du weißt, daß ich dich liebe“ {Joh 21,15). Es ist das Antlitz dessen, der sich seiner Sündhaftigkeit bewusst ist (vgl. Lk 5,8) und ständige Einsicht braucht, um seine Brüder stärken zu können (vgl. Lk 22,32). Dieses Gesicht gibt Zeugnis vollkommener Abhängigkeit von den Augen und Lippen des Erlösers und bringt somit auf wundervolle Art und Weise den Sinn des universalen Dienstes Petri zum Ausdruck, der in der Kirche berufen ist, mit den Aposteln, denen er vorsteht, Christus, „den erhabenen Hirten seiner Schafe“ {Hebr 13,20), der stets in seinem Volk zugegen ist, sichtbar zu vertreten. 4. Bereits in diesem ersten Zyklus zeigt sich die künstlerische Gestaltung der Kapelle als reife Frucht biblischer Geistigkeit. Eine Kunst, die fähig ist - wie jede wirklich sakrale Kunst -, „den einen oder anderen Aspekt der Botschaft herauszugreifen und ihn in Farben, Formen, Töne umzusetzen“, ohne die Botschaft ihrer transzendenten Bedeutung zu berauben und ihr den Nimbus des Geheimnisses zunehmen“ {Brief an die Künstler, Nr. 12). Es ist somit ein Anlass großer Freude, wenn heute solch bedeutende Kunstwerke des 15. Jahrhunderts in ihren durch sorgfältige und moderne Restaurationsarbeit wiedergewonnenen ursprünglichen Farben neu erstrahlen. Mit einer stets aktuellen Sprache, die das Universale im Menschen berührt, vermitteln sie auch weiterhin die Schwingungen des Mysteriums. Meinem unlängst auch im Brief an die Künstler zum Ausdruck gebrachten Wunsch (vgl. Nr. 10) entsprechend, hoffe ich, dass auf der Spur des Zeugnisses dieses einzigartigen „Sanktuariums“ auch in unserer heutigen Zeit das fruchtbare Bündnis zwischen Glaube und Kunst wieder hergestellt werden kann, damit das „Schöne“, Epiphanie der höchsten Schönheit Gottes, den Horizont des anbrechenden Jahrtausends erleuchten möge. Ich danke dem Herrn, der mir ermöglicht hat, heute dieser Messfeier vorzustehen, mit der dieses nun vollkommen restaurierte Juwel der Kunst der Welt zurückgegeben wird. Gleichzeitig bitte ich ihn um seinen immerwährenden Schutz für alle Anwesenden, für diejenigen, die ihre berufliche Tätigkeit im Bereich der Vatikanischen Museen ausüben, und für die unzähligen Besucher, die ohne Unterbrechung aus allen Teilen der Welt kommen, um diese Meisterwerke zu bewundern. Allen spende ich meinen Segen. 988 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vorurteilslose und kritische Suche nach Wahrheit in Liebe Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Hislorikerkongresses über Jan Hus am 17. Dezember Sehr geehrte Regierungsvertreter, Herr Kardinal, verehrte Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Wissenschaftler, meine Damen und Herren! 1. Es ist mir Grund zu großer Freude, anlässlich Ihrer Tagung über Jan Hus meinen herzlichen Gruß an Sie richten zu können. Dieser Kongress ist eine weitere, wichtige Etappe auf dem Weg zu einem tieferen Verständnis des Lebens und Wirkens dieses berühmten böhmischen Predigers, der unter den vielen bedeutenden Lehrmeistern, die aus der Universität Prag hervorgegangen sind, einer der bekanntesten ist. Hus ist aus vielerlei Gründen eine denkwürdige Gestalt. Es ist aber vor allem sein sittlicher Mut im Angesicht der Widrigkeiten und des Todes, der ihn zu einer herausragenden Gestalt für das böhmische Volk gemacht hat, ein Volk, das seinerseits im Laufe der Jahrhunderte schwere Prüfungen erduldet hat. Ich bin Ihnen allen besonders dankbar für Ihren Beitrag zur Arbeit der ökumenischen Kommission „Husovska“, die vor ein paar Jahren von Kardinal Miloslav Vlk eingerichtet wurde mit dem Ziel, den Platz von Jan Hus unter denen, die nach einer Reform der Kirche strebten, klarer zu umreißen. 2. Bedeutsamerweise haben an dieser Tagung verschiedene Wissenschaftler nicht nur aus der Tschechischen Republik, sondern auch aus den Nachbarländern teilgenommen. Außerdem ist auch die Tatsache bezeichnend, dass sich - trotz der Spannungen, die in der Vergangenheit die Beziehungen unter den tschechischen Christen erschütterten - Experten verschiedener Konfessionen versammelt haben, um ihre Erfahrungen auszutauschen. Nach der Zusammenstellung der besten und aktuellsten akademischen Forschungen über Jan Hus und über die Ereignisse, in die er eingebunden war, wird der nächste Schritt mm in der Veröffentlichung der Kongressergebnisse bestehen, damit die größtmögliche Zahl von Personen nicht nur seine außergewöhnliche Gestalt als Mensch, sondern auch die bedeutende und komplexe Epoche der christlichen und europäischen Geschichte, in der er lebte, besser kennenlemen kann. Heute, an der Schwelle zum Großen Jubeljahr, fühle ich mich verpflichtet, mein tiefes Bedauern auszusprechen für den grausamen Tod von Jan Hus und für die daraus folgende Wunde, Quelle von Konflikten und Spaltungen, die dadurch in den Geist und die Herzen des böhmischen Volkes gerissen wurde. Schon während meines ersten Besuchs in Prag gab ich der Hoffnung Ausdruck, dass entscheidende Schritte auf dem Weg der Versöhnung und der wahren Einheit in Christus unternommen werden könnten. Die Wunden der vergangenen Jahrhunderte müssen 989 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN durch einen neuen, zukunftsorientierten Blick und durch den Aufbau vollkommen erneuerter Beziehungen geheilt werden. Unser Herr Jesus Christus, der „unser Friede“ ist und der „die trennende Wand der Feindschaft“ niedergerissen hat (Eph 2,14), leite den Weg der Geschichte eures Volkes zur wiedergefundenen Einheit aller Christen, die wir uns für das bevorstehende neue Jahrtausend alle sehn-lichst wünschen. 3. ln dieser Perspektive sind die von den Wissenschaftlern angewandten Bemühungen um ein tiefergehendes und vollständigeres Verständnis der historischen Wahrheit von wesentlicher Bedeutung. Der Glaube hat vom Engagement der Geschichtsforschung nichts zu befürchten, da auch die Forschung letztendlich auf die Wahrheit ausgerichtet ist, die ihren Ursprung in Gott hat. Deshalb sage ich jetzt unserem himmlischen Vater Dank für Ihre Arbeit, die nun zu Ende geht, so wie ich Sie zu Beginn dazu ermutigt hatte. Über Geschichte zu schreiben wird manchmal von ideologischem, politischem oder wirtschaftlichem Druck behindert mit der Folge, dass die Wahrheit verdunkelt wird und die Geschichte selbst als Gefangene der Mächtigen endet. Das wahrhaft wissenschaftliche Studium ist unser bester Schutz gegen einen solchen Druck und gegen die Verzerrungen, die sich daraus ergeben können. Es stimmt, dass eine absolut objektive Auswertung der Geschichte sehr schwierig zu erreichen ist, denn die persönlichen Überzeugungen, Werte und Erfahrungen beeinflussen unweigerlich die Untersuchungen und Ausführungen. Das bedeutet allerdings nicht, dass eine wahrhaft unparteiische, und als solche wahre und befreiende Darstellung der geschichtlichen Ereignisse unerreichbar wäre. Ihre Arbeit ist selbst ein Beweis dafür, dass dies möglich ist. 4. Die Wahrheit kann allerdings auch unbequem sein, wenn sie nämlich von uns die Aufgabe tief verwurzelter Vorurteile und Stereotypen fordert. Das gilt sowohl für die Kirchen, kirchlichen Gemeinschaften und Religionen als auch für die Nationen und Einzelpersonen. Allerdings ist die Wahrheit, die uns vom Irrtum frei macht, auch diejenige, die uns zum Lieben frei macht; und in der Tat war die christliche Liebe der Horizont dessen, was Ihre Kommission zu verwirklichen versucht hat. Ihre Arbeit steht dafür, dass eine Gestalt wie die des Jan Hus, die in der Vergangenheit eingroßer Streitpunkt war, nun zum Gegenstand von Dialog, Austausch und gemeinsamer Vertiefüng werden kann. Zu einer Zeit, da viele sich für die Schaffung einer neuen Art von Einheit in Europa einsetzen, kann eine Geschichtsforschung wie die Ihrige hilfreich sein, um die Menschen anzuspomen, über die allzu engen ethnischen und nationalen Grenzen hinauszugehen - hin zu neuen Formen wahrhafter Aufgeschlossenheit und Solidarität. Das wird den Europäern gewiss helfen, zu verstehen, dass der Kontinent sich einer neuen und stabilen Einheit in Sicherheit nähern kann, wenn er auf neue und kreative Weise an die gemeinsamenchristlichen Wurzeln und an die daraus hervorgegangene spezifische Identität anknüpfen kann. 990 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Es ist also offensichtlich, dass Ihre Arbeit ein wichtiger Dienst ist, den Sie nicht nur der historischen Gestalt von Jan Hus, sondern auch allgemein den Christen und der europäischen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit leisten, und zwar weil es sich letzten Endes um einen Dienst für die Wahrheit über den Menschen handelt. Und genau diese Wahrheit gilt es für die Menschheitsfamilie auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend der christlichen Zeitrechung vor allen anderen Dingen wiederzugewinnen. Wenn wir die Wahrheit über den Menschen betrachten, können wir nicht umhin, unseren Blick auf die Gestalt des auferstandenen Christus zurichten. Nur er verkörpert die Wahrheit über den nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffenen Menschen (vgl. Gen 1,26) auf vollkommene Weise. Ich bete inständig zu Dem, der „derselbe [ist] gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8), dass er sein Licht in Ihre Herzen schicke. Als Unterpfand der Gnade und des Friedens in Ihm rufe ich auf Sie, Ihre Lieben und auf die ganze tschechische Nation den Segen des Höchsten in Fülle herab; Ihm sei Lob und Herrlichkeit, Weisheit und Dank in Ewigkeit. Amen! (vgl. Offb 7,12). Geistlicher Rückblick vor dem Beginn des Heiligen Jahres Ansprache beim Weihnachtsempfang für das Kardinalskollegium und die Mitarbeiter der Römischen Kurie am 21. Dezember „Rorate coeli desuper, et nubes pluant iustum! Aperiatur terra, et germinet Salvato-rem! - Taut, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, laßt Gerechtigkeit regnen! Die Erde tue sich auf und bringe das Heil hervor“ (Jes 45,8). 1. Mit großer Freude empfange ich euch, liebe Mitglieder des Kardinalskollegiums und Mitarbeiter der Römischen Kurie, zu dieser traditionellen Begegnung, die heute jedoch mit einem besonderen Ton versehen scheint: Es ist die letzte des Jahrhunderts und dieses Jahrtausends. Der einzigartige Umstand veranlasst uns, mit unserem Nachdenken in den Horizont der ablaufenden Zeit einzutreten, um Gottes Plan zu bewundern und unseren Glauben an Christus, den Herrn der Geschichte, zu erneuern. Ihnen, Herr Kardinaldekan, danke ich für den Ausdruck der Ergebenheit, den Sie mir im Namen des Kardinalskollegiums und der Anwesenden entboten haben. Danke für die Weihnachtswünsche, die ich Ihnen, den Herren Kardinälen und den Mitgliedern der Römischen Kurie von Herzen erwidere. Wir wollen diese Begegnung mit dem Bewusstsein erleben, dass wir eine ganz besondere Gemeinschaft bilden, die Gemeinschaft der engsten Mitarbeiter des Bischofs von Rom, des Nachfolgers des Apostels Petms. Das uns verbindende Element kann zusammengefasst werden in dem Begriff „ministerium petrinum“. 2. „Ministerium“, das heißt Dienst. Der Sohn Gottes, der als Mensch in Betlehern geboren wird, wird von sich sagen: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um 991 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45). Christus hinterlässt uns damit das Modell, ja den „Maßstab“, an dem sich die Berufung eines jeden von uns zu messen hat. Wenn die Berufung des Nachfolgers Petri - und der Mitarbeiter an seiner Seite -eine besondere Bedeutung in der Kirche besitzt, so gerade deshalb, weil sie ein „ministerium“, ein Dienst, ist. Zu Petrus sagte Christus: „Stärke deine Brüder -confirma fratres tuos“ (Lk 22,32).Wir kennen das dramatischen Umfeld dieser Worte des göttlichen Meisters gut: Die Stunde seines Leidens ist herangekommen, Petras beteuert, „Herr, ich bin bereit, mit dir sogar ins Gefängnis und in den Tod zu gehen“ (Lk 22,33), und dieser erwidert, „ich sage dir, Petras, ehe heute der Hahn kräht, wirst du dreimal leugnen, mich zu kennen“ (Lk 22,34). Das ist der Sinnzusammenhang, in dem die Worte Christi fallen: „Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder“(Lk 22,32). 3. Es ist nötig, beim ganzen Kontext zu verweilen, um den Sinn der Berufung Petri in der Kirche vollends zu verstehen. In der Erzählung des Evangelisten tritt Petras in seiner ganzen Schwachheit zutage. Nicht von seinen Fähigkeiten hängt also das „stärken“ ab: Es kommt aus der Kraft Christi, der für ihn betet. Aufgrund der Kraft Christi kann er die Brüder stützen trotz seiner persönlichen Schwäche. Es ist notwendig, sich diese Wahrheit über das „ministerium petrinum“ deutlich vor Augen zu halten. Niemals kann sie der vergessen, welcher als Nachfolger Petri dieses „ministerium“ ausübt, und es dürfen sie die nicht vergessen, welche in irgendeiner Weise daran teilhaben. Aus Anlass der heutigen Begegnung möchte ich mit der Erinnerung die Päpste umschließen, die im Lauf dieses Jahrtausends einander nachgefolgt sind, und alle, die auf verschiedenste Weise mit ihnen zusammengearbeitet haben. „Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!“ (Mt 25,23). Diese Worte Christi, so vertrauen wir, mögen alle vernommen haben, die am „ministerium petrinum“ teilhatten. Und wir vertrauen, sie ebenfalls zu vernehmen, wenn wir gerufen werden, um vor das höchste Gericht zu treten. Diese heutige Betrachtung überschreite die Schwelle des Dritten Jahrtausends und sei von denen aufgenommen, die nach'uns kommen werden, die nach uns als Nachfolger Petri und als deren Mitarbeiter das „ministerium petrinum“ übernehmen werden, um es nach dem Willen Christi auszuüben. Das wünsche ich all meinen lieben Brüdern und Schwestern der großen Gemeinschaft, die wir bilden, und ich danke ohne Unterlass allen und jedem einzelnen für die Unterstützung, Hilfe und hochherzige Zusammenarbeit, die sie mir leisten. 4. „Confirma fratres tuos! — Stärke deine Brüder!“ Zusammen mit dem ganzen über die Welt verstreuten Gottesvolk sind wir in diesen Jahren auf das Große Jubiläum zugegangen. Wenn ich nun über den bisher zurückgelegten Weg gewissermaßen Bilanz ziehe, verspüre ich die Pflicht, dem Herrn vor allem für die trinitari- 992 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehe Ausrichtung, die diesen gekennzeichnet hat, zu danken. Jahr auf Jahr haben wir in Betrachtung vor der Person des Sohnes, des Geistes, des Vaters verweilt. Im Lauf des Heiligen Jahres werden wir die gemeinsame Herrlichkeit der drei göttlichen Personen gemeinsam verkünden. Somit fühlen wir uns umso mehr als das in der Dreifaltigkeit geeinte Volk, „de unitate Patris et Filii et Spiritus Sancti pleb sa-dunata — das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk“ (Cyprian, De orat. Dom. 23: PL 4, 536; vgl. Lumen Gentium, Nr. 4). Unzählige Initiativen wurden in den Teilkirchen zur Vorbereitung des Jubiläumsjahres unternommen. Auf gesamtkirchlicher Ebene waren von besonderer Bedeutung die Kontinental-Synoden, von denen wir mit Recht reichliche Früchte auf der Basis der in den jeweiligen nachsynodalen Apostolischen Schreiben enthaltenen Richtlinien erwarten dürfen. Zu Beginn dieses Jahres konnte ich in Mexiko-City das Apostolische Schreiben Ecclesia in America übergeben mit dem Wunsch einer neuen Dynamik der Evangelisiemng unter den zahlreichen amerikanischen Christen. Im Monat Juni habe ich meine alte Heimat Polen besucht und mich in einige Diözesen begeben, wo ich noch nicht gewesen war. Im vergangenen Monat habe ich das Schreiben Ecclesia in Asia nach Indien gebracht und dabei die kleine katholische Gemeinschaft Asiens ermutigt, mit Vertrauen - wenn auch im Dialog mit den antiken Religionen jenes riesigen Kontinents - Christus, den Erlöser, zu verkünden. Im Oktober fand sodann die Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa statt. Sie behandelte die komplexe Herausforderung der Evangelisiemng des europäischen Kontinents. Eine Herausfordemng, die wir der Fürsprache der Heiligen anvertraut haben, besonders der drei Patrone Benedikt, Cyrill und Methodius. Ihnen habe ich zur Verehrung durch das Volk Gottes drei Frauengestalten zur Seite gestellt: die hl. Birgitta von Schweden, die hl. Katharina von Siena und die hl. Teresia Benedicta a Cruce - Edith Stein. 5. „Confirma fratres tuos! - Stärke deine Brüder!“ Das bald abgelaufene Jahr war wichtig auch unter dem ökumenischen Gesichtspunkt. In Tertio millennio adve-niente hatte ich gewünscht, dass die Christen dem Großen Jubiläum „wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht..., der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends sehr nahe zu sein“, entgegentreten können {Tertio millennio adveniente, Nr. 34). Leider ist dieses Ziel immer noch fern. Aber wie sollte man das intensive Erlebnis meiner letzten Reisen nach Rumänien und Georgien vergessen? Als Bmder habe ich die Brüder aufgesucht, und in der freundlichen Aufnahme seitens dieser altehrwürdigen Gemeinschaften konnte ich etwas von der Freude verspüren, welche jahrhundertelang die Beziehungen zwischen dem Osten und dem Westen begleitete. Damals konnte die Kirche voll mit den „beiden Lungenflügeln“ der unterschiedlichen und ergänzenden Traditionen atmen, in denen sich der Reichtum des einzigen Christusgeheimnisses ausdrückt. Und was soll man sodann zu den Fortschritten sagen, die in den Beziehungen zu den Brüdern lutherischer Tradition verzeichnet wurden? Das kürzlich in Augsburg Unterzeichnete Dokument über die Rechtfertigungslehre stellt einen großen Schritt 993 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN voran dar und eine Ermutigung, den Dialog mit Entschlossenheit fortzusetzen, damit sich das Gebet Christi erfülle: „Vater ..., alle sollen eins seien“ (Joh 17,11.21). Bedeutsam als Schritt in Richtung einer Klärung der Beziehungen zur hussitischen Tradition war ebenfalls der in der vergangenen Woche gerade hier im Vatikan abgehaltene Kongress über Jan Hus unter breiter Teilnahme von herausragenden Forschem aller Herkunft. 6. „Rorate coeli desuper, et nubes pluant iustum! - Taut, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, laßt Gerechtigkeit regnen!“ Auch dieses Jahr hat der Blick der Kirche nicht daran gefehlt, über deren sichtbare Grenzen vorzudringen, um das geheimnisvolle Wirken zuerkennen, das der Geist Gottes unter allen Menschen, insbesondere den Glaubenden anderer Religionen, vollbringt. Auf Initiative des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog und in der Spur des unvergesslichen Treffens von Assisi im Jahr 1986 sind wir im vergangenen Oktober mit Repräsentanten verschiedener Religionen der Welt auf dem Petersplatz zusammengekommen. Wir haben dieses Treffen in vollem Einklang mit dem Geist des Konzils angeregt, welches in der Erklämng Nostra aetate zum Dialog mit den anderen Religionen ermutigt, aber auch darauf hingewiesen hat, dass dieser zu geschehen habe, ohne der Gleichgültigkeit oder der Versuchung zum Synkretismus nachzugeben. Der Glaube an Christus, „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6; vgl. Nostra aetate, 2), ist die Existenzberechtigung der Kirche und die Kraft, die ihre Tätigkeit in der Welt trägt und lenkt. Auf dieser Grundlage erweist die Begegnung mit den Glaubenden anderer Religionen all ihre Fruchtbarkeit. Sie ist rechtmäßig und bedeutsam, sei es, weil es viele Einsatzbereiche gibt, in denen wir uns einträchtig dem Dienst an Gott und den Menschen widmen können, sei es, weil es Pflicht der Kirche ist, Gott zu verherrlichen für die Lichtstrahlen der Wahrheit, mit denen er seine Kinder in allen Breiten der Erde erreicht und auf nur ihm bekannte Weise jenes Heil anbietet, das seinen Ursprung im österlichen Geheimnis Christi hat (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). 7. Die Verkündigung des Heils kann nicht davon absehen, von einem tatkräftigen Zeugnis der Liebe begleitet zu sein. Auch in diesem Jahr hat der Apostolische Stuhl sich angesichts der großen Probleme der Welt dämm bemüht, es am Beitrag des Sauerteigs des Evangeliums nicht fehlen zu lassen. So wurde der Weg des Gottesvolkes unterstützt, das sich in seiner örtlichen pasto-ralen Wirklichkeit auf tausendfache Weise der menschlichen Nöte und des Dienstes an den Bedürftigsten annimmt. Ein Anliegen dabei war die Förderung einer „Kultur der Liebe“, die in der Lage ist, solidarische Beziehungen unter den Menschen reifen zu lassen, Vorurteile zu Fall zu bringen und eine demütige Einstellung der Begegnung und des Dialogs zu bewirken. Damm machen sich weiterhin besonders die Dikasterien der Römischen Kurie verdient, vor allem die vermehrt im Bereich der Kultur und der sozialen Problematik tätigen. In der jährlichen Botschaft zum Weltfriedenstag habe ich vor wenigen Tagen einige in dieselbe Richtung weisende Anstöße zum Nachdenken gegeben. 994 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Möge der Neugeborene von Betlehem, der Fürst des Friedens, die Anstrengungen segnen, die alle Menschen guten Willens in diesem Sinn verwirklichen. 8. „Venite et ascendamus ad montem Domini - kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn“ {Jes 2,3). Das diesjährige Weihnachtsfest, das die Feiern des Jubiläumsjahres eröffnet, sei für jeden von uns ein Aufstieg zum Berg des Herrn, wo seine Herrlichkeit sich denen offenbart, die den alten Menschen abgelegt (vgl. Eph 4,22-24), das Hochzeitsgewand angezogen (vgl. Mt 22,12) und sich voll für Christus geöffnet haben. „Ascendamus ad montem Domini! - Laßt uns hinaufziehen zum Berg des Herrn!“ Ja, wir wollen im Glauben unsere Schritte auf das Jubiläum hin beschleunigen, auf das außerordentliche Jahr der Gnade, das besonders im Geschenk des Ablasses seinen Ausdruck findet. Der Ablass, weit davon entfernt, eine Art „Lösegeld“ vom Bemühen um Lebensänderung der Christen zu sein, erfordert diese im Gegenteil noch in vermehrtem Maße. Der bisher geleistete geistliche Einsatz, den wir auch weiterhin in den Zuständigkeitsbereichen der jeweiligen Dikasterien, und besonders im Bereich des Komitees für das Heilige Jahr, voranbringen müssen, will allen Gläubigen helfen, sich des wahren Sinnes des Jubiläumsereignisses bewusst zu werden. „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Diese Botschaft soll mit wachsender Intensität in den kommenden Monaten widerhallen. Die Jubiläumsveranstaltungen, die in verschiedener Weise und an verschiedenen Orten vorgesehen sind, besonders die, welche hier in Romstattfinden, mögen starker Ausdruck eines Weges der Umkehr sein, der das ganze Gottesvolk mit einbezieht. 9. „Ecce, virgo concipiet et pariet filium et vocabit nomen eius Emmanuel - Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel [Gott mit uns] geben“ {Jes 7,14). Weihnachten und das Jubiläumsjahr vermitteln uns erneut und kraftvoll diese Gewissheit, die seit zweitausend Jahren den Weg der Kirche trägt, sie zur Anstrengung der Verkündigung antreibt und sie zuständiger Umkehr drängt. Das in Betlehem geborene Kind ist der Immanuel, der Gott-mit-uns. Es ist der Auferstandene, der die Geschichte lenkt und am Ende der Zeiten in Herrlichkeit wiederkommen wird. Von Herzen wünsche ich jedem von euch, meine Herren Kardinäle, und euch allen, geschätzte Mitarbeiter der Römischen Kurie, dass ihr zutiefst die Früchte seiner Gegenwart verspüren mögt in der Freude, auserwählt worden zu sein, in enger Verbundenheit mit dem Dienst des Nachfolgers Petri als Künder seines Reiches der Liebe und des Friedens zuarbeiten. Euch alle segne ich mit Zuneigung. Frohe Weihnachten! Fruchtbares Heiliges Jahr! 995 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Menschwerdung Gottes prägt die Geschichte Predigt bei der Christmette zur Eröffnung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 am 24. Dezember 1. „Hodie natus est nobis Salvator mundi“ (Antwortgesang). Seit zwanzig Jahrhunderten bricht aus dem Herzen der Kirche diese Frohe Botschaft hervor. In dieser Heiligen Nacht richtet sie der Engel an uns, die Männer und Frauen am Ende des Jahrtausends: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren“ (Lk 2,10-11). Wir haben uns im Advent darauf vorbereitet, diese tröstlichen Worte aufzunehmen: In ihnen wird das „Heute“ unserer Erlösung Wirklichkeit. In dieser Stunde erhält das „Heute“ einen besonderen Klang. Denn wir gedenken nicht nur der Geburt des Erlösers. Wir stehen am feierlichen Beginn des Großen Jubiläums. Im Geist verbinden wir uns mit jenem besonderen Augenblick der Geschichte, da Gott Mensch wurde und unser Fleisch annahm. Ja, der Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater, Gott von Gott und Licht vom Licht, von Ewigkeit her vom Vater gezeugt: Er nahm unsere menschliche Natur an, einen menschlichen Leib von der Jungfrau Maria. Er wurde hineingeboren in die Zeit. Gott ist eingetreten in die Geschichte. Das unvergleichliche ewige „Heute“ Gottes wurde in den alltäglichen Dingen des Menschen gegenwärtig. 2. „Hodie natus est nobis Salvator mundi“ (vgl. Lk 2,10-11). Wir beugen unser Knie vor dem Sohn Gottes. Wir vereinen uns im Geist mit dem Staunen, das Maria und Josef erfüllte. Wir beten Christus an, der in einer Grotte geboren wurde. Mit den Hirten von damals teilen wir ihren Glauben, der voll war mit Überraschungen. Dabei dürfen wir dasselbe Wunder und das gleiche Glück erfahren. Man muss sich vom Eindruck dieses Ereignisses einfach überwältigen lassen: Wir können nur staunen. Denn wir erfahren den Augenblick der Liebe, der die Ewigkeit mit der Geschichte verbindet: das „Heute“, das die Zeit des Jubels und der Hoffnung eröffnet, denn „ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft ruht auf seiner Schulter“ (Jes 9,5). So lesen wir beim Propheten Jesaja. Zu Füßen des Wortes, das Fleisch geworden ist, legen wir unsere Freuden und Sorgen, unsere Tränen und Hoffnungen nieder. Nur in Christus, dem neuen Menschen, wird das Geheimnis des Menschseins wirklich gelüftet. Mit dem Apostel Paulus halten wir uns vor Augen, dass in Betlehem die Gnade Gottes erschienen (ist), „um alle Menschen zu retten“ (Tit 2,11). Das ist der Grund, weshalb in der Weihnachtsnacht überall auf Erden und in allen Sprachen der Welt frohe Lieder erklingen. 3. In dieser Nacht erfüllt sich vor unseren Augen das, was das Evangelium verkündet: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, „... das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). 996 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Seinen einzigen Sohn hat Gott hingegeben! Du, o Christus, bist der eingeborene Sohn des lebendigen Gottes, der in der Grotte von Betlehem zu uns gekommen ist! Nach zweitausend Jahren erleben wir dieses Geheimnis neu als einzigartiges und unwiederholbares Ereignis. Unter so vielen Menschenkindern, die in diesen Jahrhunderten auf die Welt gekommen sind, bist allein Du der Sohn Gottes: Deine Geburt hat den Lauf der Menschheitsgeschichte in unaussprechlicher Weise verändert. Das ist die Wahrheit, die in dieser Nacht die Kirche dem dritten Jahrtausend weitergeben will. Ihr alle, die ihr nach uns kommen werdet, sollt diese Wahrheit annehmen. Sie hat die Geschichte ganz und garverwandelt. Seit der Nacht von Betlehem ist sich die Menschheit bewusst, dass Gott Mensch geworden ist: Gott ist Mensch geworden, um dem Menschen an seiner göttlichen Natur Anteil zugeben. 4. Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! An der Schwelle zum dritten Jahrtausend entbietet Dir die Kirche ihren Gruß: Sohn Gottes, Du bist in die Welt gekommen, um den Tod zu überwinden. Du bist gekommen, um in das menschliche Leben durch das Evangelium Licht zu bringen. Dich begrüßt die Kirche. Zusammen mit Dir möchte sie ins dritte Jahrtausend ein-treten. Du bist unsere Hoffnung. Du allein hast Worte des ewigen Lebens. Du, der Du in der Nacht von Betlehem zur Welt gekommen bist, bleibe bei uns! Du, der Du der Weg, die Wahrheit und das Leben bist, geleite uns! Du, der Du vom Vater gekommen bist, führe uns im Heiligen Geist zu ihm! Wähle den Weg, den allein Du kennst und den Du uns geoffenbart hast, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben. Du Christus, Sohn des lebendigen Gottes, sei für uns die Tür! Sei für uns die wahre Tür - dargestellt von jener Tür, die wir in dieser Nacht feierlich geöffnet haben! Sei für uns die Tür, die uns ins Geheimnis des Vaters einfuhrt. Gib, dass niemand ausgeschlossen bleibt, wenn der Vater seine erbarmenden Hände zum Friedensgruß ausbreitet! „Hodie natus est nobis Salvator mundi“: Christus ist unser einziger Retter! Das ist die Botschaft der Weihnacht 1999: Das „Heute“ dieser Heiligen Nacht eröffnet das Große Jubiläum. Maria, Morgenröte der neuen Zeit, begleite uns, wenn wir mit Zuversicht die ersten Schritte im Jubeljahr gehen. Amen! 997 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Als Pilger die Schwelle der Heiligen Pforte überschreiten Homilie bei der Öffnung der Heiligen Pforte vor der Vesper in St. Johann im Lateran am 25. Dezember 1. „Was von Anfang an war, ... was unsere Hände angefaßt haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens“ (7 Joh 1,1). Liebe Brüder und Schwestern! An diesem Hochfest, an dem wir das Gedenken an die Geburt unseres Herrn Jesus Christus begehen, spüren wir die Wahrheit, die Kraft und die Freude dieser Worte des Apostels Johannes. Wahrhaftig, im Glauben haben unsere Hände das Wort des Lebens berührt, haben Den berührt, der - wie im Loblied ausgedrückt - das Ebenbild des unsichtbaren Gottes ist, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Durch ihn und auf ihn hin ist alles geschaffen (vgl. Kol 1,15-16). Dies ist das Geheimnis von Weihnachten, das wir mit innerer Bewegung aufhehmen, vor allem heute, zum Beginn des Großen Jubiläums des Jahres 2000. Gott ist in die Menschheitsgeschichte eingetreten, und er ist gekommen, um über die Straßen dieser Welt zu gehen und um allen das Einfühlungsvermögen zu vermitteln, Kinder Gottes zu werden. Von Herzen wünsche ich, dass dieses Geheimnis der Heiligkeit und der Hoffnung durch seinen stetigen Glanz einströme in den Geist der ganzen Diözesangemein-schaft von Rom, die sich im Geiste in dieser Basilika zur festlichen Eröffnung der Heiligen Pforte eingefunden hat. In diesem Moment starker geistlicher Kraft möchte ich meinen herzlichen und wohlwollenden Gruß an den Kardinalvikar richten, meinen ersten Mitarbeiter in der Sorge für die Gläubigen der Kirche dieser Stadt. Mit ihm begrüße ich seinen Stellvertreter und die Weihbischöfe, die ihm in seinem Seelsorgsdienst in der Diözese zur Seite stehen. Einen weiteren herzlichen Gruß richte ich an das Kapitel des Laterans, an die Pfarrer, an den gesamten römischen Klerus, an das Seminar und an alle Ordensmänner und -frauen sowie an die Laienmitarbeiter im pastoralen Dienst. Sie machen einen auserwählten Teil dieser unserer Kirche Roms aus, berufen, in Liebe vorzustehen und sich in der Treue zum Evangelium auszuzeichnen. Mein Gruß gilt dem Herrn Bürgermeister, den Obrigkeiten und den Vertretern der öffentlichen Verwaltung, die unter uns sind. Ich grüße die Römer, die Pilger und alle, die durch das Fernsehen mit uns verbunden sind zu diesem Ereignis von großer geschichtlicher und geistlicher Bedeutung. 2. Nachdem ich diese Nacht in der Basilika des Vatikans die Öffnung der Heiligen Pforte vomahm, habe ich eben die Heilige Pforte dieser Basilika des Laterans geöffnet, „omium Ecclesiarum Urbis et Orbis Mater et Caput“, Mutter und Haupt aller Kirchen Roms und der Welt sowie Kathedrale des Bischofs von Rom. Hier hat im Jahre 1300 Papst Bonifaz VIII. feierlich den Beginn für das erste Heilige Jahr der Geschichte verkündet. Hier hat beim Jubiläum des Jahres 1423 Papst Martin V. zum ersten Mal die Heilige Pforte geöffnet. 998 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hier ist das Herz dieser besonderen Dimension der Heilsgeschichte, verbunden mit der Gnade der Jubiläen und dem geschichtlichen Gedächtnis der Kirche von Rom. Wir sind durch diese Pforte eingetreten, die Christus selbst darstellt: Er allein ist tatsächlich der von Gott Vater gesandte Erlöser, der uns von der Sünde zur Gnade gehen lässt und uns hinführt zur vollen Gemeinschaft, die ihn mit dem Vater im Heiligen Geist vereint. Danken wir Gott, reich an Erbarmen, dass er seinen eingeborenen Sohn als Erlöser des Menschen hingegeben hat. 3. Wir können sagen, dass der Ritus dieses Abends eine besonders familiäre Dimension annimmt. Es ist wirklich die Diözesanfamilie, die ihren eigenen Weg des Jubiläums in besonderer Einheit mit den in der ganzen Welt verbreiteten Kirchen beginnt. Auf dieses große Ereignis hat sie sich lange Zeit vorbereitet, zunächst durch die Synode und dann durch die Stadtmission. Die aufrichtige Teilnahme der Stadt und der ganzen Diözese ist Zeugnis dafür, dass Rom sich seiner von der göttlichen Vorsehung anvertrauten Sendung der universalen Sorge und der Bei-spielhaftigkeit im Glauben und in der Liebe bewusst ist. Rom weiß sehr wohl, dass es um einen Dienst geht, der seine Wurzeln im Martyrium der Apostel Petras und Paulus hat und dass er immer neue Stärkung fand im Zeugnis der Vielzahl von Märtyrern, von heiligen Männern und Frauen, die die Geschichte dieser unserer Kirche geprägt haben. Liebe Brüder und Schwestern! Das heute beginnende Heilige Jahr ruft auch uns, auf diesem Wege weiterzugehen. Es ruft uns auf, mit Freude und Großherzigkeit auf den Ruf zur Heiligkeit zu antworten, um immer mehr Zeichen der Hoffnung in der heutigen Gesellschaft zu sein, die auf dem Weg ins dritte Jahrtausend ist. 4. Im Verlauf des Heiligen Jahres wird es nicht wenige Gelegenheiten geben, die es den Gläubigen ermöglichen, diese eng mit dem Stationsweg des Jubiläums verbundene religiöse Verpflichtung noch weiter zu vertiefen. Allem voran die Jubiläumsfeier der Diözese, die am Sonntag, dem 28. Mai, auf dem Petersplatz stattfinden wird. Ein weiteres in besonderer Weise der Diözese Rom anvertrautes Ereignis ist der Internationale Eucharistische Kongress, der, so Gott will, vom 18. bis 25. Juni begangen wird. 5. Die dritte Begegnung auf hohem Niveau ist der XV. Weltjugendtag. Neben den Jugendlichen dann die Familien. Meine Gedanken gehen zum Welttreffen der Familien, das am 14. und 15. Oktober des Jahres 2000 gefeiert werden soll. Wirklich zahlreich und bedeutsam sind die Veranstaltungen, die euch erwarten. Wir vertrauen sie alle der mütterlichen Fürbitte Mariens, „Heil des Römischen Volkes“, an. Möge Sie uns begleiten und unsere Schritte leiten, damit dieses Jahr eine ganz besondere Zeit geistlicher Gnaden und sozialer Erneuerung sei. 6. Kirche von Rom, heute besucht dich der Herr, um vor dir dieses Jahr der Gnade und der Barmherzigkeit zu eröffnen! Überschreite in demütiger Pilgerschaft die Schwelle der Heiligen Pforte und empfange die Geschenke der Versöhnung und der Liebe. Wachse im Glauben und in missionarischer Begeisterung: Das ist das 999 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erste Erbe der Apostel Petrus und Paulus. Wie viele Male hast du im Lauf deiner zweitausendjährigen Geschichte die Wundertaten des Kommens Christi verspürt, der dich zur Mutter des Glaubens und zum leuchtenden Vorbild der Zivilisation für viele Völker erwählt hat. Das Große Jubiläum, mit dem du dich dem Beginn des nächsten Jahrtausends näherst, bestärke dich, Rom, wieder in der Freude, deinem Herrn in Treue zu folgen, und schenke dir ein immer glühendes Verlangen, sein Evangelium zu verkünden. Das ist dein ureigener Beitrag zum Aufbau eines Zeitalters der Gerechtigkeit, des Friedens und der Heiligkeit. Amen. Christus ist für die Menschheit die Tür zum Leben Weihnachtsbotschaft vor dem Segen URBI et Orbi am 25. Dezember 1. „Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt“ (Jes 9,5). Heute hallt in Kirche und Welt die Frohe Botschaft der Weihnacht wider. Sie macht sich die Worte des Propheten Jesaja zu eigen, den man Evangelist des Alten Bundes nennt. Wenn er vom Geheimnis der Erlösung spricht, scheint er Ereignisse zu schauen, die sieben Jahrhunderte später geschehen sollen. Es sind Worte, von Gott inspiriert, überraschende Worte, die sich ihren Weg bahnen durch die Geschichte und ihr Echo finden auf der ganzen Erde. Heute an der Schwelle zum dritten Jahrtausend künden sie das große Geheimnis der Menschwerdung Gottes. 2. „Uns ist ein Kind geboren.“ Diese prophetischen Worte finden ihre Erfüllung in der Erzählung des Evangelisten Lukas, der das wunderbare Ereignis beschreibt, das immer wieder neue Hoffnung weckt. In der Nacht von Betlehem brachte Maria ein Kind zur Welt, dem sie den Namen Jesus gab. Da in der Herberge kein Platz für sie war, gebar die Mutter den Sohn in einer Höhle und legte ihn in eine Krippe. Im Prolog seines Evangeliums tritt der Evangelist Johannes in das Geheimnis dieses Geschehens ein. Der in der Höhle geboren wird, ist der ewige Sohn Gottes. Er ist das Wort, das im Anfang war, das Wort, das bei Gott war, das Wort, das Gott war. Alles ist durch ihn geworden, durch ihn ist alles geworden (vgl. 1,1—3). Das ewige Wort, der Sohn Gottes, hat Menschennatur angenommen. Denn „Gott (Vater) hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Wenn der Prophet Jesaja sagt: „Ein Sohn ist uns geschenkt“, dann enthüllt er in Fülle das Geheimnis der Weihnacht: Die ewige Zeugung des Wortes im Vater und seine Geburt in der Zeit durch das Wirken des Heiligen Geistes. 3. Der Kreis des Geheimnisses weitet sich. Der Evangelist Johannes schreibt: „Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Und weiter: ,Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben“ (ebd. 1,12). Noch einmal sei es gesagt: Der 1000 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kreis des Geheimnisses weitet sich. Die Geburt des Sohnes Gottes ist die erhabene Gabe, die höchste Gnade für den Menschen. Der menschliche Geist hätte sich das nie ausdenken können. Wenn wir an diesem heiligen Tag der Geburt Christi gedenken, dann erleben wir zusammen mit diesem Ereignis das „Geheimnis der göttlichen Adoption des Menschen“ durch Jesus Christus, der in die Welt kommt. Daher liegt über dieser Nacht und diesem Tag ein besonderer Glanz für die Menschen, die auf der Suche nach der Wahrheit sind. Unser christliches Bekenntnis nennt diese Zeit „heilig“, denn wir erkennen, dass diese Nacht und dieser Tag unverwechselbar geprägt sind von Gott, der heilig ist, voller Erbarmen und Güte. 4. Noch einen Grand gibt es in diesem Jahr, der diesen Tag der Gnade besonders heilig macht: Heute beginnt das Große Jubiläum. In dieser Nacht habe ich vor der Feier der heiligen Messe die Heilige Pforte der Vatikan-Basilika geöffnet. Diese Symbolhandlung steht am Anfang des Jubeljahres. Sie ist eine Geste, die eine Seite des Weihnachtsgeheimnisses ganz besonders ins Licht rückt: Jesus, zu Betlehem in Armut geboren, Christus, der ewige Sohn, uns vom Vater geschenkt, Er ist für uns und für alle die Tür! Die Tür zu unserem Heil, die Tür zum Leben und die Tür zum Frieden! Das ist die Weihnachtsbotschaft und die Kunde des Großen Jubiläums. 5. Wir richten unseren Blick auf Dich, Christus, Du Tür zu unserem Heil, und bringen Dir unseren Dank für das Gute, das in den vergangenen Jahren, Jahrhunderten und Jahrtausenden vollbracht wurde. Doch wir müssen auch bekennen: Bisweilen hat die Menschheit anderswo die Wahrheit gesucht, sie hat sich falsche Sicherheiten zurechtgezimmert und ist trügerischen Ideologien gefolgt. Mitunter hat der Mensch Brüdern und Schwestern wegen ihrer Rasse und ihres Glaubens Ehrfurcht und Zuwendung vorenthalten; Personen und Nationen hat er die Grundrechte versagt! Doch Du bietest allen auch weiterhin den Glanz der Wahrheit an, die rettet. Wir schauen auf Dich, Christus, Du Tür zum Leben, und bringen Dir unseren Dank für die Wunder, mit denen Du jede Generation beschenkt hast. Diese Welt bringt gegenüber dem Leben mitunter weder Respekt noch Liebe auf. Du jedoch wirst nicht müde, das Leben zu lieben. Mehr noch: Im Geheimnis der Weihnacht kommst Du, um Geist und Sinn zu erhellen. Gesetzgeber und Regierende, Männer und Frauen guten Willens sollen sich überall auf der Erde darum mühen, das menschliche Leben als wertvolle Gabe anzunehmen. Du kommst, um uns das Evangelium des Lebens zu schenken. Wh lenken unseren Blick auf Dich, Christus, Du Tür zum Frieden. Auf dem Weg durch die Zeit halten wir inne an den vielen Stätten, die von Schmerz und Krieg gezeichnet sind. Dort ruhen die Opfer gewaltsamer Konflikte und grausamer Vernichtung. 1001 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Du, Fürst des Friedens, bittest uns, den unsinnigen Gebrauch der Waffen zu verbannen, auf Gewalt zu verzichten und dem Flass abzusagen. Einzelnen, Völkern und Kontinenten haben sie den Tod gebracht. 6. „Ein Sohn ist uns geschenkt.“ Vater, Du hast uns deinen Sohn geschenkt. Du schenkst Ihn uns auch heute, da das neue Jahrtausend anbricht. Er ist für uns die Tür. Durch Ihn treten wir in einen neuen Raum ein und erreichen die Fülle dessen, worauf das Heil, das Du für alle bereitet hast, abzielt. Gerade deshalb hast Du, Vater, uns Deinen Sohn geschenkt: Der Mensch soll erfahren, was Du ihm in der Ewigkeit bereiten willst, und er soll die Kraft bekommen, Deinen geheimnisvollen Plan der Liebe zu verwirklichen. Christus, Sohn der allzeit jungfräulichen Mutter Maria, Du bist das Licht und die Hoffnung jener, die Dich suchen, auch wenn sie Dich nicht kennen, und aller, die Dich schon kennen und Dich immer mehr suchen. Christus, Du bist die Tür! Durch Dich wollen wir, in der Kraft des Heiligen Geistes, ins dritte Jahrtausend eintreten. Du, o Christus, bist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit (vgl. Hebr 13,8). Christus - menschgewordenes Wort in Zeit und Geschichte Homilie bei der Vesper und „Te Deum“ zum Jahresschluss im Petersdom am 31. Dezember 1. „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ (Gal 4,4). Worum geht es bei der ,Tülle der Zeit“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 10), von der der Apostel spricht? Die Erfahrung lässt uns greifbar spüren, dass die Zeit unerbittlich vergeht. Dem Lauf der Zeit sind alle Geschöpfe unterworfen. Jedoch allein der Mensch ist sich über das eigene Vergehen in der Zeit im klaren. Er wird sich bewusst, dass das Vergehender Tage an seine persönliche Geschichte gebunden ist. Im Bewusstsein um das eigene „Vergehen“ schreibt die Menschheit ihre eigene Geschichte: die Geschichte der einzelnen Menschen, die Geschichte der Staaten und der Kontinente, die Geschichte der Kulturen und der Religionen. Hier wollen wir uns an diesem Abend fragen: Was hat das zu Ende gehende Jahrtausend vor allem gekennzeichnet? Wie hat sich vor tausend Jahren die Geographie der Länder, die Situation der Völker und der Nationen dargestellt? Wer hat damals schon von der Existenz eines weiteren großen Kontinents im Westen des Atlantischen Ozeans gewusst? Die Entdeckung Amerikas, die den Anfang gesetzt hat für einen neuen Zeitabschnitt der Menschheitsgeschichte, macht zweifellos einkennzeichnendes Merkmal in der Bewertung des Jahrtausends aus, das zum Abschluss kommt. 1002 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auch dieses letzte Jahrhundert ist gekennzeichnet von tiefen und manchmal rasanten Erschütterungen, die auf die Kultur und die Beziehungen zwischen den Völkern eingewirkt haben. Schließlich ist an die zwei imerträglichen Ideologien zu denken, verantwortlich für unzählige Opfer, die dabei gefordert wurden. Welche Qualen, was für Schicksalsdramen? Aber auch welche lobenswerte Errungenschaften! Diese Jahre, vom Schöpfer der Menschheit anvertraut, tragen Zeichen von Anstrengungen des Menschen, von seinen Niederlagen und seinen Siegen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 2). Die in dieser Zeitenwende vielleicht zu große Gefahr ist, dass „sich viele unserer Zeitgenossen schwer [tun], die ewigen Werte recht zuerkennen und mit dem Neuen, das aufkommt, zu einer richtigen Synthese zu bringen“ (Gaudium et spes, Nr. 4). Folglich ist es eine große Herausforderung für uns, Männer und Frauen, die sich hier anschicken, in das Jahr Zweitausend einzutreten. 2. „Als aber die Zeit erfüllt war!“ Die Liturgie spricht von der „Fülle der Zeit“ und erhellt uns den Zusammenhang einer solchen „Fülle“. Gott wollte sein Ewiges Wort in die Geschichte der großen Menschheitsfamilie einführen, indem er es Ihm möglich machte, ein Menschsein, wie das unsrige, anzunehmen. Es ist durch das erhabene Ereignis der Menschwerdung, dass die menschliche und kosmische Zeit ihre Fülle erreicht hat: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau ... damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4—5). Das also ist das große Geheimnis: Das Ewige Wort Gottes, Wort des Vaters, wurde gegenwärtig in den Geschehnissen, aus denen die irdische Geschichte des Menschen sich bildet. Mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes ist die Ewigkeit in die Zeit eingetreten, und die Geschichte der Menschen hat sich geöffnet für eine transzendente Erfüllung im Absoluten Gottes. Für den Menschen ist dieses Angebot eine unvorstellbare Perspektive: Er kann erwarten, Kind im Sohn zu sein, mit Ihm Erbe desselben Ziels der Herrlichkeit. Die Pilgerschaft des irdischen Lebens ist deshalb ein Weg, der in die Zeit Gottes führt. Das Ziel ist Gott selbst, Fülle der Zeit in der Ewigkeit. 3. In den Augen des Glaubens bezieht sich die Zeit also auf eine religiöse Bedeutung - und dies noch mehr im Verlauf des eben begonnenen Jubeljahres. Christus ist der Herr der Zeit. Jeder Augenblick der menschlichen Zeit steht unter dem Zeichen der Erlösung durch den Herrn, der erschienen ist, einmal für immer, in der „Fülle der Zeit“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 10). In dieser Sichtweise sagen wir Gott Dank für das, was sich im Laufe dieses Jahres, dieses Jahrhunderts und dieses Jahrtausends ereignet hat. In besonderer Weise wollen wir danken für die beständigen Fortschritte in der Welt des Geistes. Wir wollen danken für die Heiligen dieses Jahrhunderts: für diejenigen, die zur Ehre der Altäre erhoben wurden, und für jene, zahlenmäßig viel mehr, uns unbekannten, welche die Zeit geheiligt haben durch ihre treue Hingabe an den Willen Gottes. Lasst uns auch danken 1003 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für alle durch die Menschheit erzielten Gewinne und Erfolge im Bereich von Wissenschaft und Technik, von Kunst und Kultur. Was die Diözese Rom betrifft, wollen wir danken für den geistlichen Weg in den vergangenen Jahren und für den Abschluss der Stadtmission im Hinblick auf das Große Jubiläum. Ich denke an den Abend des 22. Mai zurück, den Vorabend von Pfingsten, als wir gemeinsam den Heiligen Geist angerufen haben, damit diese einzigartige pastorale Erfahrung im neuen Jahrhundert Form und Gestalt für das Leben und für die Seelsorge der Kirche werde, in Rom und in vielen anderen Städten und Orten der Welt, zum Dienst an der Neuevangelisierung. Während wir unseren Dank zu Gott erheben, spüren wir die Notwendigkeit, zu gleicher Zeit das Erbarmen für das Jahrtausend zu erflehen, das zu Ende geht. Wir bitten um Vergebung, weil leider nicht selten die Errungenschaften von Technik und Wissenschaft, so bedeutsam für den wirklichen menschlichen Fortschritt, gegen den Menschen eingesetzt wurden: Erbarme dich unser, Herr, erbarme dich unser! 4. Zweitausend Jahre sind vergangen, seit „das Wort... Fleisch geworden [ist] und ... unter uns gewohnt [hat], und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14). Dafür steigt einhellig der Gesang unseres dankbaren Lobes empor: Dich, Gott, loben wir. Dich, Gott des Lebens und der Hoffnung, loben wir. Dich, Christus, König der Herrlichkeit, ewiger Sohn des Vaters, loben wir. Du, geboren von der Jungfrau und Mutter, bist unser Erlöser, du bist unser Bruder geworden zum Heil der Menschen, und du wirst kommen in Herrlichkeit, die Welt zu richten am Ende der Zeiten. Du, Christus, bist bis zum Ende der Menschheitsgeschichte das Ziel der Erwartungen aller Menschen. Dein sind die Jahre und die Jahrhunderte. Dein ist die Zeit, Christus, der du derselbe bist, gestern, heute und für immer. Amen. 1004 IV Ad-Limina-Besuche AD-LIMINA-BESUCHE Amtsführung des Bischofs in Übereinstimmung mit den apostolischen Zielen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Bosnien-Herzegowina am 15. Januar Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. „Ich habe mich für alle zum Sklaven gemacht ... Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben“ (1 Kor 9,19.23). Ich begrüße euch mit diesen Worten des hl. Paulus, liebe Hirten der Kirche in Bosnien-Herzegowina, die ihr „Ad-limina-Apostolorum“ gekommen seid, um den Nachfolger des Petras zu besuchen. Ich danke Kardinal Vinko Puljic für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Er hat an die Freuden und Hoffnungen, die Ängste und Befürchtungen erinnert, die das Leben der Kirche und eurer ganzen Heimat in diesem letzten Jahrzehnt des zweiten Jahrtausends gezeichnet haben. Auch ich hatte Gelegenheit, an den Ereignissen Anteil zu nehmen, die in eurer Region von 1991 bis heute vorgefallen sind. Diesbezüglich möchte ich den Pastoralbesuch in Erinnerung rufen, den ich endlich am 12. und 13. April 1997 machen konnte. Er war für mich ein unvergessliches Erlebnis, das mir konkret Gelegenheit gegeben hat, die verheerenden Wirkungen des Krieges festzustellen und gleichzeitig den entschiedenen Willen der Bevölkerung, zum normalen Leben zurückzukehren. Vergessen kann ich auch nicht die zahlreichen Interventionen des Hl. Stuhls für den Frieden, die Vergebung und die Versöhnung in jener Region, von der ich hoffe, dass sie, zusammen mit dem ganzen Südosten Europas, in Respektierung der Würde und der Rechte aller eine Wohnstätte ungetrübten Friedens werde. Ich bewundere die Geistesstärke, womit eure kirchlichen Gemeinschaften während des letzten Konflikts wie auch in der nicht leichten Nachkriegszeit große Prüfungen und Opfer auf sich nahmen, um Christus und der Sendung treu zu bleiben, die er seinen Jüngern zu jeder Zeit anvertraut hat. Zusammen mit euren Priestern habt ihr alles getan, damit euch in eurer Heimat „die Wahrheit des Evangeliums erhalten bleibe“ (Gal 2,5), auch auf die Gefahr des Lebens hin. 2. Heute möchte ich euch auffordem, weiterhin diesem Weg zu folgen, und durch euch möchte ich die Priester ermutigen, mit unermüdlicher Hochherzigkeit ihren Dienst an den Brüdern und Schwestern fortzusetzen in voller Treue zu ihrer Berufung. Sie haben ja durch die heilige Weihe Anteil an eurem Dienstamt; sie sind eure Haupt-Mitwirkenden (vgl. Presbyterorum ordinis, Nm. 2 und 4), eure engsten Mitarbeiter und Berater (vgl. ebd., Nr. 7; Lumen Gentium, Nr. 28), geliebte Brüder und Freunde (vgl. Lumen Gentium, Nr. 28). Das II. Vatikanische Konzil beleuchtet gut diese besondere Rolle der Priester, wenn es sagt: „Diözesan- wie Ordenspriester sind also alle zusammen aufgrund ihrer Weihe und ihres Dienstamtes dem 1007 AD-LIMINA-BESUCHE Kollegium der Bischöfe zugeordnet und wirken vermöge ihrer Berufung und der ihnen verliehenen Gnade zum Wohl der gesamten Kirche“ (ebd.). Ferner sagt das Konzil: Die Priester sind dazu berufen, dass sie „mitten unter den Menschen leben“, wie mitten unter Brüdern (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 3). Gänzlich dem Werk geweiht, zu dem der Herr sie angenommen hat (vgl. Apg 13,2), handeln sie „wie Väter in Christus“ (Lumen Gentium, Nr. 28) und Vorbilder für die ihnen anvertraute Herde (vgl. 1 Petr 5,2-4), nehmen sich nach dem Beispiel des Herrn aller an, besonders der Armen und Schwächsten (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 6). 3. Gott sei Dank, fehlt es in euren Kirchen nicht an Berufungen zu besonderer Weihe sowohl bei den Männern wie bei den Frauen. Ja es ist sogar ein von der Vorsehung bewirktes Aufblühen festzustellen. Das ist ein kostbares Geschenk und ein großer geistlicher Reichtum für die christliche Gemeinschaft, eine Hilfe für die Getauften, mit größerer Hochherzigkeit auf die allgemeine Berufüng zur Heiligkeit zu antworten. Unter den verschiedenen Charismen sind die geweihten Männer und Frauen berufen, sich voll und ganz dem Zeugnis für das Evangelium in den einzelnen Bereichen des kirchlichen und sozialen Lebens zu widmen. Damit dieses Zeugnis die erhofften Früchte bringt, müssen die apostolischen Tätigkeiten aber zweckmäßig den aktuellen Bedürfnissen der Kirche angepasst sein und in voller Gemeinschaft mit den Diözesanbischöfen durchgeführt werden. Ich bitte den Herrn, der vitale Elan, der die Kirche in Bosnien-Herzegowina im Lauf der Jahrhunderte gekennzeichnet hat, möge nicht schwächer werden, sondern sogar noch zunehmen. Hier möchte ich an das erinnern, was die Ordensleute, an erster Stelle die Franziskaner-Minderbrüder, zur Erhaltung des katholischen Glaubens während der mehr als vierhundert Jahre osmanischer Besatzung beigetragen haben. Die Erinnerung an die Vergangenheit ist ein prophetischer Antrieb, unaufhörlich die zeitentsprechende Art und Weise zu suchen, um dem christlichen Volk zu helfen, in der Treue zum Evangelium und in der Bruderliebe zu wachsen und zu reifen und alles zu vermeiden, was einen Riss in die Einheit der Kirche und Verwirrung und Ärgernis unter die Gläubigen bringen körnte. 4. Ich weiß, dass euer ständiges pastorales Bemühen darauf abzielt, dass, in Befolgung der großen katholischen Tradition, alle Pastoralarbeiter in Bosnien-Herzegowina treu die Weisungen des II. Vatikanischen Konzils in die Tat umsetzen und bereitwillig die kirchenrechtlichen Normen befolgen. Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Übereinstimmung in den apostolischen Zielen und die enge Zusammenarbeit aller - Priester, Ordensleute und Laien - unter der sorgsamen Leitung des Bischofs reiche Früchte an Glauben, Liebe und Heiligkeit bringen wird. Das wird nicht nur der Kirche helfen, mutig der Zukunft entgegenzugehen, sondern auch der zivilen Gesellschaft. Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, ihr seid die Hauptverantwortlichen der kirchlichen Pastoral: eure Sache ist es, sie kraft des bei der Bischofsweihe empfangenen 1008 AD-LIMINA-BESUCHE Evangelisierungsauftrags zu leiten in voller Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus, Erbe des ,,sichere[n] Charisma[s] der Wahrheit“ (hl. Irenäus, Adversus hae-reses, IV, 26, 2: PG 7,10,53; Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 4, Kempten/München 1912, S. 84). Der hl. Ignatius von Antiochien lehrt: „Wo ein Bischof ist, da ist auch die Kirche“ (vgl. Brief an die Smymäer, VIII, 2; Die Apostolischen Väter, hrsg. v. J. A. Fischer, 10. Aufl., Darmstadt 1993, S. 211). Ein pastorales Wirken, das womöglich interessant, aber nicht nach der Linie dieser fundamentalen Prinzipien ausgerichtet ist, läuft Gefahr, die gesunde Entwicklung der gesamtkirchlichen Gestalt negativ zu beeinflussen, auch wenn der, der die Anregung dazu gibt, überzeugt ist, im Namen Gottes, zum Wohl der Gläubigen und der Kirche zu handeln. Ich habe den großen Wunsch, dass sich für die Probleme, die die Organisation der apostolischen Tätigkeiten betreffen, sachliche und befriedigende Lösungen finden lassen. Das ist notwendig, damit alle, die in der Pastoral arbeiten, ihre Kräfte mit neuer Begeisterung in den Dienst des Evangeliums stellen. Mit dem unersetzlichen Dienst der Priester und dem prophetischen Zeugnis der geweihten Menschen verbindet sich das mutige Handeln der gläubigen Laien. Auch in eurem Land sind sie zu einer unerschrockenen und ausgeprägten Präsenz berufen durch ein Handeln, das treu der apostolischen Lehre folgt und Rückhalt findet im öfteren Empfang der Sakramente. Das ist die Berufung aller Gläubigen, welchem sozialen Bereich sie auch angehören mögen: Landwirtschaft und Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe, Kultur und Politik. Zweifellos erfordert diese ihre Präsenz eine entsprechende christliche Formung, und diese ist die Frucht eines beständigen und systematischen Bemühens. 5. Als ich euch, ehrwürdige Brüder, bei den Begegnungen im Lauf dieses Ad-limina-Besuches anhörte, habe ich gut verstanden, dass die Hauptaufgabe, die nach den letzten Zerstörungen vor der Kirche in Bosnien-Herzegowina liegt, darin besteht, das Leben der Diözesen und der Pfarreien zu ordnen. Gleichzeitig muss weiterhin der örtlichen Bevölkerung geholfen werden, das durch das Wüten des Krieges Zerstörte wiederaufzubauen und ihr die Hoffnung auf eine gedeihliche, friedliche Zukunft zu geben. Ich möchte euch zu dieser nicht leichten Aufgabe ermutigen, die manchmal durch die schwierige Situation in eurem Land behindert wird, eine Situation, die ihr leider wenig beeinflussen könnt. Mir ist bekannt, wie eure Kirchen sich dafür einsetzen, allen Bevölkerungsgruppen zu helfen, dass sie das normale Leben wieder aufhehmen können. Verteidigt auch weiterhin die unveräußerlichen Rechte jedes Menschen und jedes Volkes, wie ihr es schon seit Beginn des blutigen Konfliktes getan habt, der Hass und Misstrauen, Tote und Flüchtlinge zurückgelassen und ganze Völkerschaften aus Regionen vertrieben hat, in denen sie seit Jahrhunderten ansässig waren. Wie sollte man nicht unter dem Gedanken leiden, dass die Zahl der Katholiken um mehr als die Hälfte vermindert ist? Wie nicht an die Verwüstungen denken, die es fast überall, besonders aber in großen Gebieten der Kirchenbezirke Banja Luka 1009 AD-LIMINA-BESUCHE und Sarajevo, dem alten Vrhbosna, gegeben hat und auch in einem Teil der Diözesen Trebinje-Mrkan und Mostar-Duvno? Während ich mich über zahlreiche Zeichen freue, die eine Festigung des Friedens anzeigen, kann ich nicht die Schatten unerwähnt lassen, die Grund zur Besorgnis geben. An erster Stelle ist das noch ungelöste domenreiche Problem der Rückkehr der Flüchtlinge wie auch das der nicht gleichen Behandlung der drei Komponenten, die Bosnien-Herzegowina bilden, besonders was die volle Achtung der religiösen und kulturellen Identitäten betrifft. Mir sind die Hindernisse bekannt, die den katholischen Bevölkerungsschichten im zentralen Bosnien, in der Zone von Banja-Luka und der von Posavina beim Versuch begegnen, wieder zu ihren eigenen Heimstätten zu gelangen. Der vorrangige Aspekt, von dem die gerechte Lösung verschiedener anderer Probleme abhängt, bleibt die Schaffung unparteiischer Bedingungen für diese ersehnte Rückkehr der Flüchtlinge und der Vertriebenen in ihre eigenen Häuser und die Gewährleistung einer ruhigen Zukunft. 6. Was für die Katholiken gefordert wird, gilt auch fiir diejenigen, die anderen religiösen Gemeinschaften und ethnischen Gruppen im ganzen Gebiet von Bosnien-Herzegowina angehören, ohne die einen zum Nachteil der anderen zu begünstigen. Allen müssen die grundlegenden Rechte garantiert werden; jedem müssen die gleichen Möglichkeiten geboten werden. Wahrheit, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, gegenseitige Achtung sowie Solidarität sind die Grundlage zu einer ruhigen, Fortschritt versprechenden Zukunft für alle und jeden. Auf diesen Werten wird ein aus verschiedenen Völkern, Kulturen und Gemeinschaften gebildetes Land aufgebaut. Der Mensch, jeder Mensch, ist der wertvollste Reichtum eines jeden Landes. Möge der Vorabend des dritten Jahrtausends in Bosnien-Herzegowina vom Frieden und von der Achtung vor den unveräußerlichen Rechten jedes Menschen und jeder Gesellschaftsgruppe gekennzeichnet sein; möge jedes Volk eurer Heimat seine Würde und sein berechtigtes Streben nach Gleichheit und Entwicklung gefördert sehen; möge jede Familie ruhig in die Zukunft blicken können, in eine Zukunft der Freiheit, der Solidarität und des Friedens. 7. Liebe Brüder, fordert und unterstützt weiterhin die Methode des Dialogs im Geist der Hirten, und beachtet den Handlungsbereich der Politiker, die mit bestimmten Aufgaben hinsichtlich der Organisation der menschlichen Gesellschaft betraut sind. Pflegt mit den orthodoxen Brüdern weiterhin vertrauensvoll den Einsatz für den Ökumenismus und ebenso den Dialog mit der jüdischen Gemeinschaft und der islamischen Gemeinschaft. Ich weiß, wie viel ihr in dieser Hinsicht in den schwierigsten Augenblicken der vergangenen Jahre getan habt. Möge der Eifer jener Zeit heute seine Fortsetzung finden und zum konkreten Dienst am Menschen und an der Sache des Friedens werden. Seid unermüdliche Boten von Versöhnung und Frieden. Die Kirche weiß, dass dieses Werk ein wesentlicher Bestandteil der Verkündigung des Evangeliums und der Bezeugung der Barmherzigkeit des himmlischen Vaters ist. In diesem Zusammen- 1010 AD-LIMINA -BESUCHE hang ist, auch im Hinblick auf die Vorbereitung des Großen Jubiläums, eure Initiative zu loben, das Jahr 1999 als „Jahr der Versöhnung“ zu verkünden. In Marija Bistrica habe ich am 3. Oktober 1998 daran erinnert, dass „vergeben und versöhnen bedeutet, den Geist von Hass, Groll und Rachsucht befreien; es bedeutet, auch denjenigen als Bruder anzuerkennen, der uns Unrecht getan hat; es bedeutet, sich nicht vom Bösen besiegen zu lassen, sondern das Böse durch das Gute zu besiegen“ (vgl. Röm 12,21) (O.R. dt. 1998, S. 11). Der Einsatz für den Menschen und zu seinem Wohl ist eine Aufgabe, die dem Evangelium entspricht, und darum ein Teil der Sendung der Kirche in der Welt {Mt 25,34-46; Lk 4,18-19). In diesem Licht muss zu karitativer Tätigkeit und zu Initiativen sozialen Charakters von Seiten der Kirche zugunsten von einzelnen und von armen Familien ermutigt werden. Wenn aber dem Bedürftigen das tägliche Brot angeboten wird, so sei dabei ebenso eure beständige Sorge, den Glaubensbrüdem auch das Brot des ewigen Lebens zu gewährleisten und allen Christus zu verkündigen als „den Weg, die Wahrheit und das Leben“ (vgl. Joh 14,6). 8. Das Licht Christi, des Erlösers, das wir vor kurzem im Weihnachtsgeheimnis betrachtet haben, erleuchte die Familien und die kirchlichen Gemeinschaften von Bosnien-Herzegowina. Mögen eure kirchlichen Gemeinschaften in Liebe das rettende Gotteswort aufhehmen und Christus treu bleiben bis zur Vollendung des Geheimnisses Gottes (vgl. Offb 10,7), und mögen sie aufmerken auf das, was der Geist ihnen bei diesem in die Zukunft wirkenden Übergang zwischen dem zweiten und dem dritten Jahrtausend sagt. Maria, die Mutter der Kirche und der erlösten Menschheit, erlange euch allen die Gabe der Treue, der Eintracht und der Hoffnung. In eurem unermüdlichen Einsatz und eurem apostolischen Eifer begleite euch der Apostolische Segen, den ich von Herzen euch, dem Klerus eurer Diözesen sowie den eurer Hirtensorge anvertrauten Ordensleuten und allen treuen Laien erteile. „Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen!“ {Offb 22,21). Erziehung zur Gerechtigkeit fördert den Frieden in Gesellschaft und Kirche Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Burundi am 10. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. In einer für euer bischöfliches Amt so wichtigen Zeit wie dem Besuch Ad-limina ist es mir eine große Freude, euch, die ihr mit der Seelsorge der katholischen Kirche in Burundi betraut seid, hier zu empfangen. Ihr seid gekommen, um euch am Grab der Apostel Petrus und Paulus zu sammeln und um in euch jenen apostolischen Elan wachsen zu lassen, der sie damals beseelte und sie bis hierher führte, damit sie Zeugen des Evangeliums Christi seien; dafür nahmen sie sogar die 1011 AD-LIMINA-BESUCHE Preisgabe ihres Lebens in Kauf. In euren Treffen mit dem Bischof von Rom und seinen Mitarbeitern wollt ihr auch eure Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri und der Weltkirche zum Ausdruck bringen. Der Herr segne euer Vorhaben und sei eure Stütze im Dienst an dem euch anvertrauten Volk! Der Vorsitzende eurer Bischofskonferenz, Msgr. Simon Ntamwama, hat in eurem Namen ein lebhaftes und bewegendes Bild der Situation der Kirche in Burundi gezeichnet. Dafür danke ich ihm herzlich. Durch euch grüße ich von ganzem Herzen die Priester, Ordensmänner, Ordensftauen, Katechisten und Laien eurer Diözesen. Der Herr schenke ihnen Kraft und Kühnheit, um in jeder Lebenslage wachsame Zeugen der Liebe Gottes inmitten ihrer Brüder zu sein! Überbringt auch allen euren Landsleuten meine herzlichen Wünsche, auf dass das ganze Land bald Frieden und Wohlstand wiederfinden möge! 2. Die Vitalität der katholischen Kirche in Burundi ist besonders bemerkenswert. Eure Fünfjahresberichte beleuchten vor allem die Zeichen geistiger Erneuerung, die im Leben eurer Diözesen und der Ordensgemeinschaften, die dort arbeiten, immer stärker zum Ausdruck kommen. Die pastoralen Ausrichtungen, für die ihr euch mit Beflissenheit entschieden habt, um eure Gläubigen zu Christus zu leiten, zeigen schon jetzt ermutigende Früchte, über die ich mich sehr freue. Freilich hat euer Land in den vergangenen Jahren eine tragische Situation erlebt. Noch einmal möchte ich der göttlichen Barmherzigkeit die Opfer aller Gewalt anvertrauen und allen Personen, die unter den Auswirkungen des Dramas in eurem Land zu leiden haben, meine tiefe Solidarität aussprechen. Ihr selbst, liebe Brüder im Bischofsamt, habt diese Ereignisse mit großer Seelenstärke durchlebt. Wie der Apostel Paulus habt ihr allen Gefahren getrotzt aus Sorge und Liebe um eure Diö-zesankirchen und euer Volk (vgl. 2 Kor 11,26). Ich ehre hier das Andenken an Msgr. Joachim Ruhuna, Erzbischof von Gitega; er wurde Opfer derselben Gewalt, der er sich mit seiner ganzen Kraft widersetzen wollte. Mit euch war die gesamte katholische Gemeinschaft in ihren Priestern, Ordensmännem, Ordensftauen und Laien stark betroffen; sie blieben in allen Prüfungen standhaft, manchmal bis zur Hingabe ihres Lebens. Unter allen diesen Zeugen des Evangeliums haben die jungen Seminaristen von Buta durch ihr heldenhaftes Opfer ein wunderbares Beispiel der Brüderlichkeit im Namen des Herrn geliefert, das auch für die künftigen Generationen vorbildlich bleiben wird. Von ganzem Herze danke ich den Hirten, den Pastoralarbeitem und allen Gläubigen Burundis für ihren Mut und ihre Treue zu Christus und zur Kirche. Trotz der zahllosen Schwierigkeiten haben die Katholiken eures Landes ihren Glauben an die Gegenwart des Herrn lebendig erhalten, denn er verlässt sie nie und hört nicht auf, sie zu begleiten. Die Feier des 100. Jubiläums der Evangelisierung im vergangenen Jahr war ein offenkundiges Zeichen ihrer Vitalität und ihrer Hoffnung auf die Zukunft. In diesem außerordentlichen Augenblick ihrer Geschichte hat die Kirche ihr Engagement für Wiederversöhnung und Frieden feierlich zum Ausdruck bringen wollen in der Absicht, dadurch den Beginn einer neuen Ära für alle Burundier anzuzeigen und einen aktiven Beitrag dazu zu leisten. Dieser Jah- 1012 AD-LIMINA-BESUCHE restag bleibe für alle Gläubigen eine Quelle der Tatkraft für die Neuevangelisierung ihres Landes! 3. In eurem oft harten bischöflichen Dienst findet ihr Hilfe und Unterstützung bei euren Priestern, euren engsten Mitarbeitern. In der Tat verbindet euch mit ihnen ein enges Band, begründet in der Teilnahme am einzigen Priesteramt Christi und an der gleichen apostolischen Sendung. „Die Beziehung zum Bischof in dem einen Presbyterium, die Teilnahme an seinem Bemühen um die Kirche, die Hingabe an die am Evangelium orientierte Sorge um das Volk Gottes unter den konkreten Bedingungen von Geschichte und Umwelt einer Teilkirche sind Elemente, von denen man nicht absehen kann, wenn man die eigentliche Gestalt des Priesters und seines geistlichen Lebens beschreibt“ (Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 31). Damit sich diese wirksame und für das Leben der Kirche unentbehrliche Gemeinschaft entwickeln kann, ermutige ich euch, euren Priestern immer nahe zu bleiben und Freud und Leid, Sorgen und Hoffnungen ihres Lebens und Amtes mit ihnen zu teilen. In den Widrigkeiten des täglichen Lebens sollen sie in euch einen aufmerksamen Vater finden, der sie - in einer Einstellung der Liebe und des Dialogs - zu leiten und zu ermutigen vermag und manchmal, falls nötig, auch die passenden Entscheidungen für ihr eigenes Wohl und das der Gläubigen treffen kann. Sehr herzlich grüße ich jeden Priester eurer Diözesen. Ich kenne ihre Hingabe für den Dienst an der Kirche und ihrer Sendung. Ich fordere sie dringend auf, ein immer stärkeres Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass die Priesterberufung einen spezifischen Aufruf zur Heiligkeit beinhaltet. Durch ihre Weihe werden die Priester Christus, dem Haupt und Hirten seiner Kirche, gleichgestaltet, und dies verpflichtet sie zu einem Leben, das von den Verhaltensweisen Jesu geprägt ist: Er ist der treue Knecht, der sein Glück und seine Freude in der Verwirklichung des Willens seines Vaters und in der Erfüllung der ihm anvertrauten Sendung findet. In ihrem Leben sollen sie dem Gebet und der Feier der Sakramente einen vorrangigen Platz geben - vor allem den Sakramenten der Eucharistie und der Buße - und sollen beharrlich eine echte persönliche Begegnung mit dem Herrn suchen. Sie sollen sich daran erinnern, dass ihnen der Auftrag zur Sammlung und Leitung des Gottesvolkes übertragen wurde, und müssen daher selbst Vorbilder christlichen Lebens sein, die den Gläubigen helfen, im Glauben zu wachsen und sich gegenseitig anzunehmen, um die Kirche als Familie Gottes aufzubauen. Durch ihr ganzes Dasein -und insbesondere durch ihren Zölibat, der als kostbares und tatsächlich übernommenes Geschenk Gottes angenommen wird - sollen sie ihre ungeteilte Liebe zu Christus und seiner Kirche bezeugen in voller und freudiger Verfügbarkeit für das priesterliche Amt (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 50). In diesem Geist ist es eure Aufgabe, einen klaren und unzweideutigen Dialog über die Anforderungen des Priesterlebens mit ihnen zu führen. Schließlich fordere ich sie auf, gelegen oder ungelegen, eifrige Boten der Liebe Gottes zu sein, die keinen Unterschied zwischen den Menschen macht, was immer ihre Herkunft oder ihr Sozialstatus auch sein mag. 1013 AD-LIMINA-BESUCHE Um die Kandidaten darauf vorzubereiten, allen Anforderungen der priesterlichen Verpflichtung gerecht zu werden in einem tiefen inneren Leben und im Geist der Losgelöstheit von allem, was nicht mit einer Existenz als geweihter Mensch vereinbar ist, kommt der menschlichen, intellektuellen, seelsorglichen und spirituellen Formung im Seminar große Wichtigkeit zu. Auch ist es nötig, dem Christenvolk die wahre Bedeutung der Berufung zum Priesteramt und zum geweihten Leben beizubringen, damit es sich seiner Verantwortung bewusst wird, die künftigen Priester und Ordensleute mit seinem Gebet begleitet und ihnen hilft, ihre Berufung nicht als sozialen Aufstieg zu werten, sondern als großzügigen Dienst, der ihnen für das Wohl der Kirche und der Welt abverlangt wird. Um den Schwierigkeiten der Gesellschaft entgegentreten zu können, lade ich euch ein, euch davon zu überzeugen, dass die Themenbereiche Gerechtigkeit und Frieden in den Seminaren intensiv behandelt werden, und zwar gemäß den Grundsätzen der Soziallehre der Kirche. So können die künftigen Hirten den jungen Generationen verstehen helfen, dass Gerechtigkeit viel mehr ist als nur ein einfacher Anspruch einer ethnischen Gemeinschaft gegenüber einer anderen. 4. Im Evangelisierungswerk eures Landes nehmen die Katechisten einen wichtigen Platz ein. Im Laufe der letzten Jahre waren sie aufgrund des Priestermangels in bestimmten Gebieten die einzigen Pastoralhelfer, die am Ort geblieben sind. Sie konnten die Gläubigen versammeln und den Glauben weitergeben. Im Namen der Kirche spreche ich ihnen meine ganze Dankbarkeit aus und lade sie ein, ihren großherzigen Dienst in Gemeinschaft mit ihren Bischöfen und Priestern fortzusetzen, damit der Name Christi auch in Zukunft verkündet und aufgenommen werden kann. Liebe Brüder im Bischofsamt! Ihr bemüht euch sehr, ihnen zu helfen und sie zu unterstützen: Mögen sie in euch immer Hirten finden, die ihren Sorgen nahe stehen und ihnen eine lehramtliche und spirituelle Ausbildung geben möchten, die es ihnen ermöglicht, kompetente und wirksame Mitarbeiter der Evangelisiemng zu sein! Auch die Förderung der Basisgemeinschaften stellt ein wesentliches Element eurer Pastoral zur Erneuerung der Kirche dar. Diese Gemeinschaften - in denen die Frohbotschaft aufgenommen wird, um sie anderen weiterzugeben - sind Orte, an denen man sich darum bemühen soll, „die universale Liebe Christi zu leben, die die Schranken der natürlichen Solidarität der Clans, der Stämme oder anderer Interessengruppen übersteigt“ (Apostolisches Schreiben Ecclesia in Africa, Nr. 89). Dazu ist es nötig, dass ihre Mitglieder eine solide Anleitung zum Beten, zum Hören des Wortes Gottes und in den Glaubenswahrheiten erhalten und dass sie dazu angeregt werden, ihre Verantwortung als Getaufte und Gefirmte in Kirche und Gesellschaft in immer wirksamerer Weise zu übernehmen. 5. Die spezifische Verantwortung der Christen, nämlich sich um die Wiederanknüpfung von friedlichen und versöhnlichen Beziehungen unter allen Mitgliedern der Nation zu bemühen, muss sie zur Einsicht führen, dass es zu einem dauerhaften Erreichen dieses Ziels notwendig ist, Gerechtigkeit für alle zu garantieren. Man 1014 AD-LIMINA-BESUCHE muss sich also [einerseits] dringend darüber klar werden, dass alle Menschen dieselbe Würde besitzen, dass sie dieselbe Achtung verdienen, dass sie gleich sind und dieselben Rechte und Pflichten haben. In meiner Botschaft zum Weltfriedenstag 1998 schrieb ich: „Der Frieden für alle erwächst aus der Gerechtigkeit des einzelnen. Niemand kann sich einer für die Menschen so entscheidenden und wichtigen Aufgabe entziehen. Sie ruft jeden Mann und jede Frau zum Einsatz auf, entsprechend der jeweiligen Kompetenz und Verantwortung“ (Nr. 7). Wenn andererseits die öffentlichen Gewalten im Namen ihrer besonderen Verantwortung Strafen verhängen müssen, dann muss die Rechtsprechung immer der Würde der Person und dem Plan Gottes über den Menschen und über die Gesellschaft entsprechen. Wie ich schon in der Enzyklika Evangelium vitae schrieb, „müssen Ausmaß und Art der Strafe sorgfältig abgeschätzt und festgelegt werden“ (Nr. 56). Man kann nicht umhin, die allzu zahlreichen Fälle von Personen, über die die Todesstrafe verhängt wird, zu beklagen. Meine Gedanken gehen auch zu den vielen Gefangenen, die unter der Langsamkeit der Gerichtsverfahren leiden, und ich habe den Wunsch, ihre Prozesse mögen ohne Verzögemng zu Ende geführt werden und ihre Verteidigung möge in korrekter Weise gewährleistet sein. Man muss in der Gesellschaft alles tun, damit trotz aller Schwierigkeiten die Hoffnung erhalten bleibt, dass die Menschen die Möglichkeit haben, ihre Strafe unter Achtung ihrer Würde zu verbüßen, und ebenso die Möglichkeit, sich zu bessern und sich zu ändern. Unter den gegenwärtigen Umständen ruft euer Bischofsamt euch in diesem Bereich zur Wachsamkeit auf. Ich freue mich über die Arbeit, die ihr — besonders dank der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden — geleistet habt, damit die Gerechtigkeit siegt und die Oberhand gewinnt über den Hass und den Wunsch nach Rache und damit alle Menschen eine wahre Erziehung zur Gerechtigkeit und zum Frieden erhalten. In der Tat ist die Förderung der Gerechtigkeit unter den Völkern und innerhalb jeder Menschengemeinschaft ein wesentlicher Bestandteil des Zeugnisses für das Evangelium. Ich unterstütze euch deshalb nachdrücklich in euren Bemühungen, damit eure Gemeinschaften sich immer stärker engagieren im Hinblick auf den Aufbau einer neuen Gesellschaft, gegründet auf Gerechtigkeit und brüderlicher Solidarität, im Einklang zwischen allen ihren Komponenten. Dringend muss jeder Mensch von Anfang an zu sittlichen und staatsbürgerlichen Werten erzogen werden, mit einem geschärften Sinn für die Rechte und Pflichten der Personen und der menschlichen Gemeinschaften. Wenn man zur Gerechtigkeit erzieht, erzieht man auch zum Frieden. All jenen, die sich nach Gerechtigkeit und Frieden sehnen, vor allem den Jugendlichen, möchte ich noch einmal nachdrücklich sagen: „Haltet das Streben nach diesen Idealen aufrecht, und habt die Geduld und Ausdauer, sie in euren konkreten Lebensumständen zu verwirklichen; ... habt ... das Gespür für das, was recht und wahr ist, auch wenn diese Ausrichtung Opfer verlangt und dazu verpflichtet, gegen den Strom zu schwimmen“ (Botschaft zum Weltfriedenstag 1998, Nr. 7). Mit euch fordere ich die Katholiken und die Menschen guten Willens auf, das Böse durch das Gute zu besiegen (vgl. Rom 12,21), und zwar durch Taten 1015 AD-LIMINA-BESUCHE brüderlicher Nächstenliebe, die allein in der Lage sind, dem Land eine Zukunft zu ermöglichen, der Bevölkerung Vertrauen zurückzugeben und Beziehungen zu schaffen, die Träger echter Hoffnung sind. Auch ermutige ich euch, immer stärker gegen Gewalttätigkeiten Stellung zu beziehen, aus welcher Richtung sie auch immer kommen mögen. Damit alle Mitglieder des Gottesvolkes diesen Weg entschlossen einschlagen können, lade ich euch ein, der Vermittlung der Soziallehre der Kirche einen vorrangigen Platz einzuräumen. Es ist besonders wichtig, dass die katholischen Laien sich im öffentlichen Leben engagieren, um das „Salz der Erde“ zu sein, und in ihren täglichen Aktivitäten mutig für die Liebe und die Gerechtigkeit Gottes Zeugnis ablegen. Ihr Einsatz ist heute von großer Tragweite, denn gegenwärtig sucht man nach einem neuen institutioneilen System, um eine einträchtige und solidarische Nation aufzubauen, wobei die Feindseligkeiten überwunden und die Unterschiede als Reichtum für das Wohl aller aufgenommen werden sollen. 6. Die tragischen Begebenheiten, die euer Land erduldet hat, haben dazu geführt, dass viele Menschen das Leben in den Flüchtlings- und Vertriebenenlagem kennen gelernt haben. Leider hält diese Situation noch immer an. Sicher findet sich die Lösung dieses schweren menschlichen Problems vor allem in der Wiederherstellung des Friedens, in der Versöhnung und in der wirtschaftlichen Entwicklung. Im Namen Christi muss die Kirche durch ihre meistens recht beschränkten karitativen Mittel zur Milderung von soviel Leid und Elend beitragen. Sie darf jedoch nicht die grundlegende Botschaft vergessen, die sie von ihrem Herrn empfangen hat, dieselbe, die Jesus zu Beginn seiner Sendung mit den Worten des Propheten Jesaja feierlich verkündete: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt, ... damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe.“ Und er fügte hinzu: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (Lk 4,18.21). Es ist daher unerlässlich, dass die Kirche sich an diesen wesentlichen Aspekt ihrer Evangelisiemngssendung erinnert und dass die Katholiken in Vereinigung mit den anderen Christen ermutigt werden, ihren Einfallsreichtum unter Beweis zu stellen, um die Einstellungen lebendiger Solidarität und aktiver Teilnahme zu entwickeln, die die Tatsache, dass sie alle Glieder eines einzigen Leibes sind, konkret zum Ausdruck bringen. Dabei sollen sie an die Worte des Apostels Paulus denken: „Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit“ (7 Kor 12,26). Das II. Vatikanische Konzil stellte die Kirche als Volk Gottes und als Leib Christi vor und gab uns auf diese Weise höchst bedeutungsreiche Bilder, die ihren Mitgliedern helfen sollen, die Haltung der Solidarität und Brüderlichkeit in den christlichen Gemeinschaften zu entfalten. Unter demselben Gesichtspunkt hat die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika auf den tragenden Gedanken von der Kirche als „Familie Gottes“ Bezug genommen, um das Wesen der Kirche für Afrika auf passende Weise darzustellen. Die Väter legten den Akzent auf die Tatsache, dass kein Mitglied der Kirche - was immer sein Platz auch sein mag - vom gemeinsamen Tisch des Teilens von der Verantwortung für ein Leben in tatsächlicher Solidarität mit den Brüdern ausgeschlossen werden darf. 1016 AD-LIMINA-BESUCHE 7. Liebe Brüder im Bischofsamt! Wir sind nun am Schluss unseres Treffens angelangt, und ich wende mich nun noch einmal an euer geliebtes Land, um alle seine Söhne und Töchter - jeden auf seiner spezifischen Verantwortungsebene - zu einem entschlossenen Einsatz für den Aufbau einer auf Eintracht und Versöhnung gegründeten Gesellschaft aufzufordem. Ich wünsche von Herzen, dass alle Burundier einen aufrichtigen und fruchtbaren Dialog vorantreiben, der in einen endgültigen Frieden mündet, damit alle endlich in Sicherheit leben und die Wege des Wohlstands und Glücks wiederfinden können. Gott öffne die Herzen für seinen Geist der Liebe und des Friedens! Mögen die Jünger Christi sich dem Vater aller Barmherzigkeit zuwenden in einer Einstellung tiefer Umkehr und intensiven Gebets, um ihn um die Kraft und den Mut zu bitten, mit allen Menschen guten Willens unermüdliche Erbauer des Friedens und der Brüderlichkeit zu sein! Wir stehen nun auf der Schwelle zum Großen Jubeljahr 2000, und es ist mein sehnlicher Wunsch, dass diese Zeit der Gnade ein neuer Frühling des christlichen Lebens für die Kirche in Burundi sei und es ihr erlaube, mutig auf den Ruf des Geistes zu antworten. Der sei. Jungfrau Maria, Mutter des Erlösers, empfehle ich euer Amt und das Leben eurer kirchlichen Gemeinschaften, damit sie eure Schritte zu ihrem Sohn leite. Von ganzem Herzen spende ich euch den Apostolischen Segen, den ich auf die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen, Katechisten und alle Gläubigen eurer Diözesen ausdehne. Kirche als universales Heilssakrament — ihr Wirken in der Zeit Ansprache bei der Audienz für die deutschen Bischöfe anlässlich ihres Ad-limina-Besuches am 15. November Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Seid herzlich willkommen im Haus des Bischofs von Rom, der euch heute mit Freuden empfangt aufgrund des Bandes der Gemeinschaft, das alle Bischöfe als Nachfolger des um Petrus gescharten Apostelkollegiums vereint. Das vornehmste Ziel eurer gemeinsamen Pilgerfahrt an die Gräber der Apostelfürsten Petrus und Paulus besteht darin, die Gnade eures Bischofsamtes neu zu entfachen und Kraft zu schöpfen für eure pastorale Sendung. Mir als dem Nachfolger des hl. Petrus kommt dabei die Aufgabe zu, euch im Glauben und in eurem apostolischen Dienst zu bestärken (vgl. Lk 22,32). Zugleich wird mir durch euch die Möglichkeit geschenkt, die Priester und Diakone, Ordensleute und Laien der euch anvertrauten Teilkirchen meiner geistlichen Nähe zu versichern: „Der Gott der Geduld und des Trostes schenke euch die Einmütigkeit, die Christus Jesus entspricht, damit ihr Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, einträchtig und mit einem Munde preist“ (Röm 15,5-6). 1017 AD-LIMINA-BESUCHE 2. Der Zeitpunkt eures Ad-limina-Besuches ist ein besonderer. Denn während uns nur noch wenige Wochen von der Schwelle des dritten Jahrtausends trennen, werden in diesen Tagen jene außergewöhnlichen Ereignisse von Neuem lebendig, die vor fast genau zehn Jahren die Wende in eurem Heimatland besiegelt haben. Die Mauer von Berlin ist gefallen. An die Stelle der Stacheldrähte traten offene Türen. Das Brandenburger Tor, jahrzehntelanges Symbol der Trennung, ist wieder das geworden, was es vor her war: das Zeichen der Einheit Deutschlands. Wenn ich euch, liebe Brüder, als Hirten aus den Diözesen der alten und der neuen Bundesländer in diesen Tagen eures Ad-limina-Besuches um mich geschart sehe, dann danke ich Gott, der in seiner Vorsehung die Geschichte lenkt, und wiederhole ein Wort aus dem Buch der Psalmen: „Seht doch, wie gut und schön es ist, wenn Brüder in Eintracht beisammen sind“ {Ps 133,1). Die Bedeutung des geschichtlichen Augenblicks, den wir gerade erleben, drängt mich, bei diesem Ad-limina-Besuch ein grundlegendes Thema aufzugreifen: die Kirche, die „in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ {Lumen Gentium, Nr. 1) ist. Bevor ich mit den beiden anderen Gruppen eurer Brüder im Bischofsamt weitere Gesichtspunkte dieses Themas behandeln werde, möchte ich heute gemeinsam mit euch auf das Umfeld schauen, das die Kirche als „Haus Gottes unter den Menschen“ (vgl. 1 Tim 3,15; Apk 21,3) eures Landes derzeit umgibt. Die gesellschaftliche Wirklichkeit ist freilich zu komplex, als dass man sie in wenigen Strichen hinreichend nachzeichnen könnte. So müssen einige markante Linien genügen, um das Wesentliche angemessen zu erfassen. 3. Durch die sanfte Revolution, die ohne Blutvergießen der Freiheit die Bahn gebrochen hat, wurden vor zehn Jahren große Hoffnungen geweckt. Das Wort von den blühenden Landschaften war damals in aller Munde. Doch viele derer, die einst Luftschlösser bauten, müssen heute froh sein, wenn sie ihr Lebenshaus auf einigermaßen sicheren Boden stellen können. Ihr habt die Herausforderungen der vergangenen zehn Jahre beherzt angenommen und werdet nicht müde, mit Rat und Tat den Menschen zur Seite zu stehen, die ihrer Existenz einen festen Grund geben wollen. Dafür spreche ich euch und allen, die euch in eurem nicht immer leichten Einsatz unterstützen, meine aufrichtige Anerkennung aus. Ich beglückwünsche euch zu dem vielen Guten, das die Kirche in Deutschland auszeichnet. Sie ist gesellschaftlich präsent, politisch relevant, sozial engagiert und finanziell großzügig, wo immer sie gebraucht wird. Als Beispiel für viele andere möchte ich an dieser Stelle den wichtigen Dienst nennen, den die kirchlichen Beratungsstellen auf zahlreichen Gebieten, insbesondere für die Schwangeren in Not, leisten. Nicht unerwähnt sollen die Tatkraft und Treue bleiben, mit denen der Verband der Diözesen Deutschlands trotz der sich erschwerenden eigenen finanziellen Verhältnisse den pastoralen Dienst unterstützt, den der Bischof von Rom an der universalen Kirche vollzieht. Meine Gedanken gehen auch nach Berlin, wo es nicht zuletzt durch euren Beitrag ermöglicht wurde, für den Päpstlichen Vertreter ein angemessenes Gebäude zu errichten. Diese Tatsachen zeigen mir, dass euer Herz 1018 AD-LIMINA-BESUCHE für den Nachfolger Petri schlägt, der „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielfalt von Bischöfen und Gläubigen“ ist (Lumen Gentium, Nr. 23). In Anbetracht einer so festen Überzeugung kann man davon ausgehen, dass das Haus der Kirche in Deutschland auch in Zukunft auf Felsen gebaut sein wird. 4. Die Menschen in eurem Land leben in einer Konsumgesellschaft, in der es dem breiten Durchschnitt der Bevölkerung materiell besser geht als je zuvor. Wenngleich es sich dabei ohne Zweifel um eine Errungenschaft handelt, darf man auch die dunkle Seite nicht ausblenden: Besonders in den neuen Bundesländern kann man nach der Wende geradezu von einem „Konsumschock“ sprechen. Im Interesse der Wirtschaft wurden zahlreiche materielle Bedürfnisse geweckt, durch geschickte Werbung kontinuierlich hochgeschraubt und so der Eindmck vermittelt, man könne sich stets alles leisten. Die materiellen Güter sind oft so sehr in den Vordergrund gerückt, dass sie jegliche Sehnsucht nach religiösen und moralischen Werten überdeckt haben. Doch mit der Zeit spürt der Mensch einen Mangel, wenn ihm zwar die Hände gefüllt werden, aber das Herz dabei leer ausgeht: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ {Mt 4,4; vgl. Dtn 8,3). In diesem Zusammenhang bewegt mich besonders die Sorge um die Bedeutung des Sonntags, der fortschreitend von der Aushöhlung bedroht ist. Ich weiß eure Initiativen zu würdigen, die ihr aufwendet, um den Sonntag als Tag des Herrn und Tag des Menschen zu schützen. In meinem Apostolischen Schreiben Dies Domini habe ich diese Gesichtspunkte ausführlich entfaltet. Außerdem möchte ich euer richtungweisendes Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland nicht unerwähnt lassen, das nach einem ausführlichen Konsultationsprozess zusammen mit den evangelischen kirchlichen Gemeinschaften entstand und in der Öffentlichkeit große Beachtung fand. Dabei habt ihr euch von einem Gedanken leiten lassen, der auch mir sehr am Herzen liegt: Der Mensch als Person darf nicht unter die Räder der wirtschaftlichen Interessen kommen. Die Gefahr dazu liegt nahe. Denn die Konsumgesellschaft, in der Gott oft tot gesagt wird, hat genug Götzen geschaffen. Darunter sticht besonders der Götze des Profits um jeden Preis hervor. 5. Ein weiteres Phänomen eures Umfeldes stellen die Kommunikationsmittel dar. Die modernen Massenmedien sind in ihrer Vernetzung imstande, Nachrichten in Sekundeneile über den Erdball zu verbreiten. Der Mensch als Einzelner ist oft nicht mehr nur unterrichtet; er ertrinkt gleichsam so in den Informationen, dass er die Nachrichten gar nicht mehr überschauen, geschweige denn verarbeiten und auswählen kann. So bleibt er nicht selten einsam, verunsichert und orientierungslos zurück. Denn in der pluralistischen Gesellschaft kommt alles wahllos zur Sprache, was nur immer Neuheit und Sensation verheißt. Sicher gibt es auch wertvolle Programme zur Information und Unterhaltung. Doch man muss zu einer kritischen Reife erziehen, die mit Weisheit zu wählen versteht. Die Informationsgesellschaft ist daher eine Herausforderung für die Hirten. Einerseits gilt es, sich dafür einzu- 1019 AD-LIMINA -BESUCHE setzen, dass die Menschen in der eben erwähnten kritischen Reife wachsen. Andererseits geht es darum, eine gute Qualität der Nachrichten zu fordern. Denn die Kirche ist berufen, auch die Medien zu „evangelisieren“! Wenn man sie richtig nützt, können sie für die Hirten eine Art „Ambo“ werden. Man muss mit Aufmerksamkeit die Männer und Frauen auswählen, die den Auftrag erhalten, die Stimme der Kirche in den Gremien und Räten von Funk und Fernsehen zu erheben. Es sei eure Sorge, junge Menschen zu fordern, die im Bereich der Publizistik der Wahrheit dienen. Die tägliche Erfahrung lehrt, dass die Kirche für viele Journalisten ein Thema ist, das anzieht. Diese Tatsache sollte man nicht unterbewerten. Deshalb ist es angezeigt, sich ihnen nicht grundsätzlich zu verweigern. „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ (1 Petr 3,15). Das schließt jedoch die Pflicht zu einer vernünftigen Zurückhaltung nicht aus, was sowohl der gebotene gegenseitige Respekt als auch das nötige gelassene Bedenken der zu untersuchenden Sache nahe legen. Man muss also von Fall zu Fall genau prüfen, wo es sich wirklich lohnt, das Gesicht für die Kameras herzugeben und mit seiner Stimme die Mikrofone zu füllen. 6. Schließlich geht ihr, ehrwürdige Brüder, eurer bischöflichen Sendung in einer fortschreitend säkularisierten Gesellschaft nach. Religiöse Werte kommen in ihr kaum noch vor. Viele leben so, als ob es Gott nicht gäbe. Der wirtschaftlichen Säkularisation, die sich vor fast 200 Jahren ereignet hat, folgten in dem nun zur Neige gehenden Jahrhundert Schübe einer geistigen Säkularisierung, deren Ende noch nicht abzusehen ist. In eurem Land hat dieser Prozess in Folge der Wiedervereinigung an Fahrt gewonnen. Dieser Befund schlägt sich heute in vielerlei Hinsicht nieder: Das vereinigte Deutschland ist nicht - wie man anfangs dachte - protestantischer, sondern unchristlicher geworden. Der Grundkonsens auf der Basis christlicher Werte scheint zu zerbröckeln. Deshalb muss sich die Kirche die Frage nach der eigenen Rolle in einer Gesellschaft stellen, in der die Bezüge zu Gott immer seltener werden, da es in vielen Bereichen keinen Platz mehr für ihn gibt. Diese Frage bedrängt besonders euch, liebe Brüder. Ich weiß um die geschichtlich kulturelle Rolle, die in Deutschland die Kirche gespielt hat und die ihr noch immer zukommt: Dies schlug sich auch in einer einzigartigen rechtlichen Form nieder -zuletzt in den Verträgen zwischen dem Hl. Stuhl und den neuen Bundesländern. Für dieses Erbe bin ich einerseits sehr dankbar. Es ist wertvoll und schützenswert. Andererseits kann ich gut verstehen, dass ihr unter dem wachsenden Rückgang kirchlicher Bindungen und am daraus sich ergebenden schwindenden Einfluss der Kirche im gesellschaftlichen Leben leidet. Ich weiß auch, dass euch die Frage bewegt, ob die Rechte und Pflichten, die der Kirche in eurem Land zukommen, tatsächlich von dem gedeckt sind, was sie leisten kann. Diese Spannung wirkt sich bis auf die Ebene der Pfarrgemeinden aus. Dort zeigt sie sich bisweilen so, dass Priestern, Diakonen und pastoralen Mitarbeitern eine Art Spagat abverlangt wird: Zum einen sind sie gehalten, die flächendeckende „pastorale Versorgung“ einer teilweise gleichgültigen Mehrheit zu gewährleisten, während sie sich in ihrem seel- 1020 AD-LIMINA-BESUCHE sorglichen Tun aber auch der „Berufungs-“ bzw. „Entscheidungskirche“ widmen sollen, d. h. denen, die tatsächlich Jesus nachfolgen wollen. Dies ist kein gordischer Knoten, den man einfach durchschlagen kann. Er lässt sich nur behutsam lösen durch inständiges Beten, redliches Nachdenken und mit der Planung mutiger kleiner Schritte, um der Glaubwürdigkeit des kirchlichen Zeugnisses vom Glanz der Wahrheit in eurem Land Gestalt zu geben. Um der Herausforderung der säkularisierten Gesellschaft zu begegnen, ist der freiwillige Weg zur „kleinen Herde“ (Lk 12,32) keine echte Alternative. In erster Linie ist die Bereitschaft zum Dialog gefordert, d.h. zur kritischen und argumentativen Auseinandersetzung sowie zum Aushalten von Spannungen, die im Moment nicht lösbar sind. Sich aus der Gesellschaft zurückzuziehen ist keine Lösung, die dem Evangelium entspricht! Vielmehr geht es darum, sich zu Wort zu melden - ob gelegen oder ungelegen (vgl. 2 Tim 4,2)! Mischt euch ein, wo ihr glaubt, die Stimme für Gott und den Menschen erheben zu müssen! Ihr seid nicht von der Welt, aber sondert euch auch nicht von ihr ab (vgl. Joh 15,19)! Eure Stimme ist nötig in einer säkularisierten Gesellschaft, in der Gott immer mehr totgeschwiegen wird. 7. Die Umstände, von denen die Kirche in Deutschland umgeben ist, sind indes nicht einfach als agnostisch und religiös indifferent anzusehen. Ob hinausgedrängt oder totgeschwiegen — Gott ist da, und in den Herzen vieler Menschen ist die Sehnsucht nach ihm stets lebendig. Denn der Mensch gibt sich letztlich nicht mit reiner Menschlichkeit zufrieden. Er sucht nach einer Wahrheit, die ihn übersteigt. Wenn auch ohne klare Konturen, sucht der Mensch nach dieser Wahrheit, weil er merkt, dass darin der Sinn seines Lebens liegt. Die hl. Teresia Benedicta a Cruce, die ich nach ihrer Heiligsprechung vor gut einem Jahr erst kürzlich anlässlich der Sonderversammlung der Bischofssynode zur Mitpatronin Europas erklärt habe, hat diese innere Erkenntnis in eine Formel gegossen: „Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht.“ In der Antwort auf die Gottesfrage liegt die große Chance der Kirche. So sollen die Türen der Kirche offen stehen für alle, die ehrlich nach Gott suchen. Wer die Kirche nach der Wahrheit fragt, darf erwarten, dass er das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes verbindlich und ohne Abstriche erklärt bekommt (vgl. Dei Verbum, Nr. 10). So wird die Suche nach der Wahrheit vor den Gefahren diffuser, irrationaler und synkretistischer Religiosität geschützt, und die Kirche des lebendigen Gottes zeigt sich als „die Säule und das Fundament der Wahrheit“ (7 Tim 3,15). Der Wahrheit im Glauben muss die Wahrhaftigkeit im Leben entsprechen. Durch den mannigfaltigen Einsatz ist die Kirche ohne Zweifel in vielen verschiedenen Bereichen der Gesellschaft eures Landes präsent, was selbst von Kreisen anerkannt wird, die ihr femstehen. Damit dieses Engagement jedoch nicht ihrer eigentlichen Sendung schadet, bitte ich euch, das christliche Profil der Einrichtungen, die im Namen der Kirche wirken, zu prüfen und gegebenenfalls zu schärfen. Denn eine rein horizontale Nächstenliebe muss immer wieder von der vertikalen der Gottesliebe durchkreuzt werden. Das Kreuz ist ja nicht nur ein Erkennungszeichen, das wir Bischöfe auf der Brust tragen. Es ist das große Plus, das unser christ- 1021 AD-LIMINA-BESUCHE liches Profil ausmacht. Deshalb soll in den katholischen Häusern das Kreuz mehr sein als ein Schmuckstück oder ein Einrichtungsgegenstand. Es sei das Markenzeichen, unter dem der unermüdliche Einsatz der zahllosen kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im sozialen, schulischen und kulturellen Bereich steht. Unter den Armen des Kreuzes gedeiht die „Kultur des Lebens“, wo gerade die Menschen geborgen sind, die sonst allzu schnell hinausgedrängt werden: vor allem die Ungeborenen und Todgeweihten. Deshalb muss man die geistliche und moralische Formung des Personals in den kirchlichen oder der Kirche zugeordneten Einrichtungen in jeglicher Hinsicht fordern! Denn echte Solidarität mit den Menschen braucht feste Solidität in Gott. Durch die Sendung seines Sohnes in die Welt hat Gott gezeigt, dass er ein leidenschaftlicher „Freund des Lebens“ (Weish 11,26) ist. 8. Liebe Brüder! Ich möchte diese Gedanken nicht beschließen, ohne euch etwas anzuvertrauen. Dreimal wurde es mir in meinem bisherigen Pontifikat geschenkt, euer geliebtes Land als Pilger aufzusuchen. Von vielen Eindrücken bewegt, ist in mir besonders die Melodie eines Liedes nachgeklungen, das die Gläubigen voller Inbrunst gesungen haben: „Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land ...“ Aus diesem Hymnus sprechen die Freude an der Kirche und auch der Stolz, zu dieser Kirche gehören zu dürfen. Davon sind noch immer ganze Scharen von Gläubigen in Deutschland erfüllt. Ich habe die Priester, Diakone und Ordensleute vor Augen, die durch das Zeugnis ihres Dienstes und ihrer Lebensform die Kirche mittragen. Ich denke an die vielen Frauen und Männer, die ihre Berufung als Laien leben. Sie arbeiten hauptberuflich oder ehrenamtlich in der Seelsorge mit oder bringen ihre Talente in den Verwaltungs- und Pfarrgemeinderäten ein. Nicht vergessen möchte ich die kirchlichen Verbände, von denen einige aufgrund ihres ansehnlichen Alters starken Bäumen gleichen, und die jungen geistlichen Gemeinschaften, die zum Teil noch zarte Pflänzchen sind. Ausdrücklich erwähnen möchte ich die stillen Beter, die dem Wirken der Kirche Atem geben. Überbringt ihnen allen meine herzlichsten Grüße! Besonders an die Jugendlichen gebt die Einladung zum Weltjugendtag im Jahr 2000 weiter: Der Papst erwartet sie! 9. Für die Hoffnung, die ich für euch und alle Katholiken in eurem Land hege, finden sich kaum schönere Worte als die des hl. Petrus: „Laßt euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen, und um die großen Taten dessen zu verkünden, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“ (vgl. 1 Petr 2,5.9b). Auf die Fürsprache Marias, die als goldenes Haus“ Modell der Kirche ist, hoffe ich, dass die Kirche in Deutschland auch im neuen Jahrtausend das sei und immer mehr werde, was ihr in eurem schönen Hymnus besingt: „ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land“. Mit diesen Gedanken und Hoffnungen, die mich bewegen, erteile ich euch und allen, die eurer Hirtensorge anvertraut sind, den Apostolischen Segen. 1022 AD-LIMINA-BESUCHE Kirche als universales Heilssakrament — Dreifache Dimension des Hirtenamtes der Bischöfe Ansprache während der Audienz für die zweite Gruppe der deutschen Bischöfe anlässlich ihres Ad-limina-Besuches am 18. November Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine große Freude, euch hier im Apostolischen Palast zu empfangen: „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13,13). In diesen Gruß des Völkerapostels kleide ich meinen Wunsch für euren Ad-limina-Besuch, der euch nach Rom geführt hat, „um Kephas kennenzulemen“ (Gal 1,18). In unmittelbarer Nähe der Gräber der Apostelfürsten sind unsere Gedanken auf Petrus und Paulus gelenkt, die Begründer der „sehr großen und sehr alten Kirche“ (Irenäus von Lyon, Adv. Haer III, 3,2). Zwar waren sie in Charakter und Berufung verschieden, doch das Zeugnis für ihren Glauben hat sie vereint. Gemeinsam hatten sich die beiden großen Apostel um des Evangeliums willen für Gott und die Menschen aufgezehrt. Auch wenn es bisweilen Spannungen zwischen ihnen gab, haben sie ihre Beziehungen niemals abgebrochen. Sie reichten einander sogar die Hand „im Zeichen der Gemeinschaft“ (Gal 2,9). Denn sie wussten, dass es der Herr selbst war, der Petrus zum universalen Hirten seiner Herde (vgl. Joh 21,15-17) bestellt und als sichtbares Fundament kirchlicher Einheit (vgl. Mt 16,18) eingesetzt hat. Im gleichen Geist brüderlicher und hierarchischer Communio möchte ich die Überlegungen fortführen, die ich mit der vorhergehenden Gruppe von Bischöfen eures Landes über die Kirche als das „allumfassende Heilssakrament“ (Lumen Gentium, Nr. 48; Gaudium et spes, Nr. 45) angestellt habe. Nachdem ich während der Begegnung mit euren Mitbrüdem den Schwerpunkt auf die Rolle der Kirche in der Gesellschaft des vereinigten Deutschland legte, will ich heute mit euch dar über nachsinnen, was Sein und Sendung eures Hirtenamtes in der Kirche bedeutet, die sich als „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ {Lumen Gentium, Nr. 1) begreift. 2. Wie der Sohn vom Vater gesandt ist, so hat er selbst die Apostel gesandt und ihnen geboten: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern. Tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie alles befolgen, was ich euch geboten habe“ {Mt 28,18-20). Diesen feierlichen Auftrag Christi zur Verkündigung der Heilswahrheit haben die Apostel ihren Nachfolgern, den Bischöfen, weitergegeben. Sie sind gesandt, ihn zu erfüllen bis an die Grenzen der Erde (vgl. Apg 1,8), um auf diese Weise beizutragen „zum Aufbau des Leibes Christi“ (Eph 4,2), der die Kirche ist. Sie erfüllen ihren Auftrag in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom. Dieser besitzt ja als Nachfolger des hl. Petrus aufgrund göttlicher Einsetzung in der Kirche 1023 AD-LIMINA-BESUCHE die höchste, volle, unmittelbare und universale Seelsorgsgewalt (vgl. Christus Dominus, Nr. 2). Weil er daher als Hirte aller Gläubigen unter dem Auftrag steht, für das Gemeinwohl der ganzen Kirche und für das Wohl der einzelnen Kirchen zu sorgen, führt er „in der universalen Gemeinschaft der Liebe den Vorsitz“ (vgl. Ignatius von Antiochien, Ad Rom, Vorwort). Als „Stellvertreter der Liebe Christi“ (Ambrosius, Exposition in Luc., lib. X) habe ich mich daher kürzlich verpflichtet gesehen, die unter euch und in den euch anvertrauten Teilkirchen entstandenen Dissonanzen dadurch aufzulösen, dass ich versuchte, die einzelnen Stimmen wieder in die „eine große Symphonie für das Leben“ zusammenklingen zu lassen, der die katholische Kirche zu allen Zeiten und an allen Orten treu bleiben muss. Ich bete darum, dass die Kirche in Deutschland einmütig und klar das Evangelium des Lebens bezeugt. Umgekehrt zähle ich auch auf euer Gebet, dass ich meinen Dienst als erster Treuhänder der Wahrheit zum Wohl der Kirche in der ganzen Welt glaubwürdig erfülle. Vielleicht hat mir Gottes Vorsehung gerade deshalb den Stuhl des hl. Petrus anvertraut, damit ich an der Schwelle zum dritten Jahrtausend ein leidenschaftlicher „Anwalt des Lebens“ sei. Ich, der ich von Jugend an erleben musste, wie in einem besonders dunklen Kapitel der Geschichte dieses geplagten Jahrhunderts unweit meiner Heimatstadt Wado-wice menschliches Leben mit Füßen getreten und systematisch vernichtet wurde! 3. Die Bischöfe sind vom Heiligen Geist eingesetzt und treten an die Stelle der Apostel als Hirten ihrer Teilkirchen. Dafür haben sie eine eigene Gewalt inne, die „von der obersten und all gemeinen Gewalt nicht ausgeschaltet, sondern im Gegenteil bestätigt, bestärkt und in Schutz genommen“ (Lumen Gentium, Nr. 27) wird. Gemeinsam mit dem Papst und unter seiner Autorität sind die Bischöfe gesandt, das Werk Christi, des ewigen Hirten, auf dem Weg durch die Zeit fort zusetzen. Denn Christus hat die Apostel und ihre Nachfolger mit der Vollmacht ausgestattet, alle Völker zu lehren, die Menschen in der Wahrheit zu heiligen und sie geistlich zu leiten (vgl. Christus Dominus, Nr. 2). Eingebunden in diese edle Kette der apostolischen Nachfolge habt ihr an der geistlichen Gabe teil, welche die Apostel ihren Helfern übertragen hatten (vgl. 2 Tim 1,6—7). Durch Handauflegung und Gebet wurden einem jeden von euch die Ämter der Lehre, der Heiligung und der Leitung übertragen - Ämter, „die jedoch ihrer Natur nach nur in der hierarchischen Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums ausgeübt werden können“ (Lumen Gentium, Nr. 21). Was dieser hohe Anspruch für den Bischof bedeutet, das wollen wir miteinander bedenken. Bei dieser Gelegenheit bekräftige ich einen Zusammenhang, auf den ich als Bischof von Rom schon vor zwanzig Jahren in meinem ersten Brief zum Gründonnerstag aufmerksam gemacht habe: „Wer die Konzilstexte aufmerksam studiert, weiß, daß man eigentlich nur von einer dreifachen Dimension des Amtes und der Sendung Christi sprechen darf, statt von drei verschiedenen Funktionen. Diese sind nämlich zuinnerst miteinander verbunden, sie erklären, bedingen und verdeutlichen sich gegenseitig“ {Brief an alle Priester 1979, Nr. 2). 1024 AD-LIMINA-BESUCHE 4. Bevor wir uns der dreifachen Dimension des Hirtenamtes widmen, möchte ich zunächst auf den Kem hinweisen, um das all euer Tun kreisen soll: „Das Geheimnis Christi als Grundlage der Sendung der Kirche“ (Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 11). Wer in irgendeiner Weise an der Sendung der Kirche teilhat, muss von dieser Grundlage ausgehen, um in seinem Wirken der ihm übertragenen Aufgabe zu entsprechen. Dies gilt in erster Linie für die Bischöfe, die auf einzigartige Weise in das Christusgeheimnis gleichsam „eingeweiht“ wurden. Mit der Fülle des Weihesakramentes ausgestattet, ist der Bischof berufen, in der ihm anvertrauten Diözese das ganze Christusgeheimnis unverkürzt vorzulegen und vorzuleben (vgl. Christus Dominus, Nr. 12). Es umfasst einen „unerforschlichen Reichtum“ (2 Kor 4,7). Hüten wir diesen Schatz! Machen wir ihn zur Perle unseres Lebens! Werden wir nicht müde, ihn zu betrachten, um daraus immer wieder Licht und neue Kraft für die tägliche Erfüllung unseres Amtes zu schöpfen. Weil sich die Menschen eher durch das Zeugnis unseres Lebens als durch die Macht unserer Rede ansprechen lassen, möchten sie in uns Persönlichkeiten begegnen, deren Existenz ganz auf Jesus Christus hin ausgerichtet ist, den „eingeborenen Sohn, der am Herzen des Vaters ruht“ (Joh 1,18). Sie hoffen, dass auch wir wie die Apostel das vermitteln können, was wir mit unseren Augen gesehen, betrachtet und mit unseren Händen berührt haben (vgl. 1 Joh 1,11): anderen das im Glauben Erfahrene weitergeben - darin liegt das Ziel der Neuevangelisierung. Denn es ist die Aufgabe der Bischöfe, die christliche Lehre und Disziplin in einer Weise darzulegen, „die den Erfordernissen der Zeit angepaßt ist, das heißt, die den Schwierigkeiten und Fragen, von denen die Menschen so sehr bedrängt und ge-ängstigt werden, entspricht“ {Christus Dominus, Nr. 13). Da das Wort Gottes lebendig und kraftvoll ist (vgl. Hehr 4,12), wird es gerade in denen seine Wirkung nicht verfehlen, die den „Glaubensgehorsam“ (Reim 1,5) frei und in Liebe leisten. Das Credo, das jeder Hirte in der Professio Fidei zum Ausdruck bringt, ist daher wesentlich und notwendig für sein Bemühen, die Wahrheiten des Glaubens unbefangen, begeistert und mutig zu lehren und zu leben. 5. Im dreifachen Amt der Bischöfe kommt nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils der Verkündigung des Evangeliums ein gewisser Vorrang zu. In erster Linie sollen die Hirten „Zeugen Christi vor allen Menschen“ {Christus Dominus, Nr. 11) sein, „Glaubensboten, die Christus neue Jünger zuführen“ {Lumen Gentium, Nr. 25). Als Männer, „die offen und klar das Wort der Wahrheit ausrichten“ (2 Tim 2,15), müssen wir gemeinsam das weitergeben, was wir selbst empfangen haben. Dabei geht es nicht um unser eigenes Wort, das noch so gelehrt sein mag. Denn wir verkündigen nicht uns selbst, sondern die geoffenbarte Wahrheit in Gemeinschaft mit den übrigen Mitgliedern des Bischofskollegiums. Aus den Berichten, die ihr über eure Diözesen erstellt habt, geht hervor, dass ihr bei der Erfüllung eures Lehramtes auf ein kulturelles Klima trefft, in dem viele Zeitgenossen sich dem Anspruch nach Gewissheit in der Erkenntnis der Wahrheit misstrauisch oder gar feindselig entgegenstellen. Heute ist eine Denkart weit verbreitet, die darauf abzielt, die Fragen nach den letzten Wahrheiten aus der Öffentlichkeit zu 1025 AD-LIMINA-BESUCHE verbannen und den religiösen Glauben sowie durch moralische Werte begründete Überzeugungen in die Privatsphäre zu verweisen. Dieser Prozess ist schon so weit fortgeschritten, dass die Frage berechtigt scheint: Welcher Stellenwert wird Gott noch beigemessen, dem sich die Väter der Verfassung eures Landes ausdrücklich verpflichtet wussten, als sie vor fünfzig Jahren an den Anfang des Grundgesetzes das „Bewußtsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen“ (Präambel des Grundgesetzes fiir die Bundesrepublik Deutschland vom 23 Mai 1949) setzten? Es besteht die Gefahr, dass die Gesetze, die einen mächtigen und bildenden Einfluss auf das Denken und Handeln der Menschen haben, immer mehr vom moralischen Fundament losgelöst werden. In diesem Fall jedoch würden auch die Gesetze leiden: Denn auf Dauer würden sie mir noch als Mittel zur äußeren Regelung der Gesellschaft betrachtet ohne jeglichen Bezug zur objektiven moralischen Ordnung. Vor diesem Hintergrund verstehe ich, dass es für euch nicht immer leicht ist, „das Wort der Wahrheit und das Evangelium vom Heil“ (Eph 1,13) zu predigen und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen. Leider verleitet der psychologische Druck, der von einigen sozialen Feldern des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland ausgeht, auch Katholiken dazu, die Lehre der Kirche und ihre Disziplin in Frage zu stellen. Im Klima eines weit verbreiteten religiösen Individualismus maßen sich sogar manche Glieder der Kirche das Recht an, in Angelegenheiten des Glaubens selbst zu entscheiden, welche Lehren sie annehmen wollen. Gleichzeitig missachten sie, was ihnen persönlich unannehmbar erscheint. Die Glaubenslehren bilden indes eine organische Ganzheit, die keine willkürlichen Unterscheidungen dieser Art zulässt. Wer hier nachgibt, kann nicht beanspruchen, in Übereinstimmung mit dem Glauben zu sein, den er bekennt. 6. Liebe Brüder, ihr wisst, dass es grundlegende Pflicht des Bischofs als Hirte ist, die Glieder der euch anvertrauten Teilkirchen zur Annahme der maßgebenden Lehre der Kirche über Glaube und Sitten in ihrem vollem Umfang einzuladen. Wir dürfen den Mut nicht sinken lassen, auch wenn unsere Botschaft nicht überall Zustimmung findet. Mit der Hilfe Christi, der die Welt überwunden hat (vgl. Joh 16,33), besteht die beste Medizin gegen den Irrtum darin, mit mutiger Gelassenheit das Evangelium zu verkünden, „ob man es hören will oder nicht“ (2 Tim 4,2). Diese Bitte spreche ich besonders im Hinblick auf die jungen Menschen aus. Viele von ihnen sind anspruchsvoll im Hinblick auf den Sinn und die Form ihres Lebens. Sie wollen aus ihrer religiösen und moralischen Verworrenheit befreit werden. Helft ihnen dabei! Denn die junge Generation ist für religiöse Werte offen und ansprechbar. Sie hat ein — wenn auch mitunter unbewusstes - Gespür dafür, dass religiöser und moralischer Relativismus nicht glücklich macht und dass Freiheit ohne Wahrheit eine trügerische Illusion ist. Wenn ihr in Gemeinschaft mit euren Priestern und Mitarbeitern im katechetischen Dienst das Lehramt der Kirche ausübt, dann solltet ihr deshalb besonders auf die Bildung der Gewissen achten. Ohne Zweifel ist das sittliche Gewissen als jenes Heiligtum zu ehren, in dem der Mensch mit Gott allein ist, dessen Stimme er im Innersten seines Herzens vernehmen kann (vgl. Gaudium et spes, Nr. 16). Aber mit gleichem Eifer ruft den euch Anvertrau- 1026 AD-LIMINA-BESUCHE ten ins Bewusstsein, dass das Gewissen ein hohes Tribunal ist, dessen Urteil im Licht der moralischen Normen, die von Gott geoffenbart und von der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes authentisch vorgelegt werden, ständiger Schärfung bedarf. Einer klaren und eindeutigen Unterweisung in diesen Dingen wird der positive Einfluss auf die notwendige Rückkehr zum Sakrament der Versöhnung nicht fehlen, von dem sich heute leider auch in den katholischen Gegenden eures Landes immer weniger Gläubige beschenken lassen. 7. Eine weitere Hauptaufgabe der Bischöfe liegt im Amt der Heiligung. „Im Bischof sehe man den Hohenpriester seiner Herde, von dem das Leben seiner Gläubigen in Christus gewissermaßen ausgeht und abhängt“ (Sacrosanctum Con-cilium, Nr. 41). Daher ist der Bischof gleichsam der erste Liturge in seiner Diözese. Wie es ihm obliegt, hauptsächlicher Ausspender der Geheimnisse Gottes zu sein, so hat er auch die Leitung, Förderung und Aufsicht des gesamten liturgischen Lebens in der ihm anvertrauten Teilkirche inne (vgl. Christus Dominus, Nr. 15). In diesem Zusammenhang möchte ich euch die beiden Grundsakramente Taufe und Eucharistie besonders ans Herz legen. Kurz nachdem ich auf den Stuhl Petri erhoben wurde, billigte ich eine Instruktion über die Kindertaufe, in der die Kirche die von Anfang an angewandte Praxis der Kindertaufe bekräftigt. Mit Recht besteht man in der pastoralen Praxis eurer Ortskirchen auf der Notwendigkeit, die Taufe nur dann zu spenden, wenn die berechtigte Hoffnung besteht, dass das Kind im katholischen Glauben erzogen wird und das Sakrament somit Früchte tragen kann (vgl. CIC, can. 868,2). Allerdings werden bisweilen die Richtlinien der Kirche strenger ausgelegt, als sie beabsichtigt sind. So geschieht es, dass Eltern die Taufe ihres Kindes ohne hinreichenden Grund aufgeschoben oder ganz versagt wird. Pastorale Klugheit und Liebe scheinen indes eine verständnisvollere Haltung gegenüber jenen anzuraten, die sich wieder redlich der Kirche annähem wollen, indem sie um die Taufe ihres Kindes bitten. Umgekehrt soll dieselbe pastorale Liebe die Hirten davon abhalten, Forderungen zu stellen, die nicht von der Lehre oder den Geboten der Kirche verlangt werden. Es ist richtig, dass Eltern durch ihre Seelsorger auf die Taufe ihres Kindes angemessen vorbereitet werden, aber ebenso wichtig ist es, dass dieses erste christliche Initiationssakrament primär als Geschenk Gottes des Vaters an das Kind angesehen wird. Denn nirgendwo tritt das freie und unverdiente Wesen der Gnade deutlicher ins Licht als bei der Kindertaufe: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (1 Joh 4,10). Außerdem können wir nicht von einer geistlichen Erneuerung der Diözese sprechen, ohne einen Blick auf den Stellenwert der Eucharistie zu werfen. Es gehört zu den vordringlichen Aufgaben eures hohepriesterlichen Amtes, die lebenswichtige Bedeutung der Eucharistie als „Höhepunkt und Quelle des ganzen christlichen Lebens“ (Lumen Gentium, Nr. 11) herauszuheben. In der Feier des heiligen Mess- 1027 AD-LIMINA-BESUCHE opfers gipfelt nicht nur der Dienst der Bischöfe und Priester, sie soll auch die Mitte sein, um die sich das Leben aller anderen Glieder des Leibes Christi bewegt. Der Mangel an Priestern oder ihre ungleichmäßige Verteilung einerseits und andererseits der besorgniserregende Rückgang der Zahl derer, die regelmäßig die Sonntagsmesse besuchen, bilden eine Herausforderung, der sich eure Kirchen zu stellen haben. Um darauf in rechter Weise zu antworten, ist es angezeigt, dem Grundprinzip Rechnung zu tragen: Die Pfarrgemeinde muss eine eucharistische Gemeinschaft sein. Daher soll sie von einem geweihten Priester geleitet werden, der kraft seiner heiligen Gewalt und seiner damit verbundenen unersetzlichen Verantwortung das eucharistische Opfer in persona Christi darbringt (Pastores dabo vobis, Nr. 48). Freilich weiß ich, dass einige unter euch - selbst in traditionell katholischen Gebieten - längst nicht mehr in der Lage sind, einen Priester in jede Gemeinde zu senden. Es ist offensichtlich, dass diese Situation eine Behelfslösung erfordert, um die Gemeinden nicht verwaist zu lassen und damit zu riskieren, dass sie geistlich immer mehr verarmen. Wenn deshalb von euch beauftragte Ordensleute und Laien am Sonntag Wortgottesfeiem vorstehen, dann verdient diese Tatsache Lob in der Notsituation. Doch auf Dauer kann man diesen Zustand nicht als befriedigend bezeichnen. Im Gegenteil: Die sakramentale Unvollständigkeit dieser Gottesdienste sollte die gesamte Pfarrgemeinde dazu veranlassen, den Herrn noch inständiger mit ihrem Gebet zu bestürmen, dass er Arbeiter sende für seine Ernte (vgl. Mt 9,38). 8. Auf diese Weise gelange ich schließlich zum Leitungsamt, das euch aufgetragen ist. Sicher habt ihr dafür das Beispiel des guten Hirten vor Augen, der nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen (vgl. Mt 20,28). Dieses Bild ist anspruchsvoll — um so mehr für den, der sich daran messen lassen muss und weiß, aus den Menschen genommen und daher mit menschlichen Schwächen behaftet zu sein. Doch gerade dieses Bewusstsein wird ihn dazu veranlassen, wohlwollendes Verständnis für jene aufzubringen, die seiner Seelsorge und Leitung an vertraut sind (vgl. Lumen Gentium, Nr. 27). Vor allem lege ich euch eure ersten „Hausgenossen“ in den Ortskirchen ans Herz. Ich meine die Priester, für die ihr als Bischöfe das „sichtbare Prinzip und Fundament der Einheit“ (Lumen Gentium, Nr. 23) darstellt. Der Dienst in der Seelsorge ist fordernd. Oft scheinen die sichtbaren Erfolge die Mühen nicht zu lohnen, die bisweilen an die Grenze der Belastbarkeit reichen. Viele Seelsorger haben den Eindruck, nicht so sehr im Weinberg des Evangeliums als vielmehr in einem trockenen Steinbruch arbeiten zu müssen. Was soll man sagen, wenn man auf die Überalterung der Priester und den Mangel an Berufungen schaut, der die Zukunft der Diözesen belastet? Ich möchte euch dazu ermutigen, mit euren Priestern und Seminaristen eine noch engere Verbindung zu pflegen. Ich weiß um die terminlichen Beanspruchungen, die euer Amt täglich mit sich bringt. Dennoch gebe ich in väterlicher Sorge die Hoffnungen wider, die das Zweite Vatikanische Konzil in so eindringliche und feinfühlige Worte gekleidet hat: „Wegen der Gemeinschaft im 1028 AD-LIMINA-BESUCHE gleichen Priestertum und Dienst sollen die Bischöfe die Priester als ihre Brüder und Freunde betrachten. Sie seien nach Kräften auf ihr leibliches Wohl bedacht, und vor allem ihr geistliches Wohl sei ihnen ein Herzensanliegen. ... Sie sollen sie gern anhören, ja sie um Rat fragen und mit ihnen besprechen, was die Seelsorge erfordert und dem Wohl des Bistums dient“ (Presbyterorum Ordinis, Nr. 7). „Mit tatkräftigem Erbarmen sollen sie jenen Priestern nachgehen, die irgendwie in Gefahr schweben oder sich in bestimmten Punkten verfehlt haben“ (Christus Dominus, Nr. 16). Ehrwürdige Brüder! Nehmt die Gelegenheit wahr, um euren Priestern zu versichern: Der Bischof von Rom ist allen und jedem einzelnen nahe. Die Anwesenheit der Priester ist äußerst wichtig. Ohne Priester würden dem Bischof die Arme fehlen. 9. Liebe Brüder! Lehrer, Hoherpriester und Leiter - mit diesen Begriffen habe ich euch einige Gedanken vorgelegt, die mir am Herzen liegen und eure Überlegungen zu dem euch übertragenen dreifachen Hirtenamt für die Kirche in eurem Heimatland anregen sollen. Da ich um den großen Einsatz weiß, mit dem ihr das bischöfliche Amt ausübt, möchte ich nicht schließen, ohne euch meine brüderliche und dankbare Wertschätzung auszudrücken. In jeder Lage möge uns der Gedanke trösten, dass uns Jesus Christus nicht als seine Manager angestellt, sondern zu Dienern seiner Geheimnisse geweiht hat. So vertraue ich euer Sein und eure Sendung als Hirten eurer Herden der Fürsprache Marias an, der Mutter Christi und Mutter der Kirche. Auf euch, die Priester, Dia-kone, Ordensleute und Laien in euren Diözesen, komme die göttliche Gnade in Fülle herab. Ihr Unterpfand ist der Apostolische Segen, den ich allen von Herzen erteile. Kirche als universales Heilssakrament — Die Kirche Christi als Geheimnis der Liebe Gottes Ansprache bei der Audienz für die dritte Gruppe der deutschen Bischöfe anlässlich ihres Ad-limina-Besuches am 20. November Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit „der herzlichen Liebe, die Christus Jesus zu euch hat“ (Phil 1,8), begrüße ich euch, die dritte Gruppe der deutschen Bischöfe, zu dieser Begegnung anlässlich eures Ad-limina-Besuches. Ich danke dem himmlischen Vater für den Einsatz, der uns in der Ausbreitung des Evangeliums verbindet (vgl. Phil 1,5), und für die Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe, die uns im Dienst am Volk Gottes untereinander vereint. Mit euch grüße ich die Teilkirchen, denen ihr mit Hingabe vor- 1029 AD-LIMINA -BESUCHE steht. Von der „Sorge für alle Gemeinden“ (2 Kor 11,28) bewegt, bitte ich euch, den Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Laien eurer Diözesen zu versichern: Der Papst nimmt an ihren Freuden und Nöten Anteil. Er betet um ihr ständiges Wachstum in der Gnade und in der Heiligkeit des Lebens. - In diesem Sinn wird euer Ad-limina-Besuch eine geistliche Pilgerfahrt. Denn euer Kommen ist nicht nur die Erfüllung einer verwaltungsmäßigen oder juridischen Pflicht des bischöflichen Amtes, sondern auch ein Erweis echter Brüderlichkeit und Verbundenheit in der Liebe Christi, des obersten Hirten (vgl. 1 Petr 5,4), der für die Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit seine Diener sendet, „damit sie in Teilhabe an seiner Gewalt alle Völker zu seinen Jüngern machten und sie heiligten und leiteten“ (Lumen Gentium, Nr. 19). Wie schon während der beiden vorausgegangenen Begegnungen mit Bischöfen eures Landes, so möchte ich auch heute einen wesentlichen Aspekt des „allumfassenden Heilssakramentes“ {Lumen Gentium, Nr. 48) entfalten. Es sind Gedanken zu einem grundlegenden Thema: die Kirche als Geheimnis. Da wir uns in unserem Hirtendienst täglich auf mannigfaltigen Tätigkeitsfeldern mit so vielen Dingen beschäftigen müssen, sind hin und wieder Augenblicke nötig, die den Vorhang dessen, was unseren Blick nicht selten gefangen nimmt, lüften und die Schau dafür frei geben, was unter der Oberfläche als das eigentlich Wesentliche ruht. 2. Gern greife ich einen Gedanken auf, den mein Vorgänger seligen Angedenkens Papst Paul VI. in seiner Enzyklika Ecclesiam suam im Hinblick auf die Kirche und deren Selbstbewusstsein über ihr Sein und ihre Sendung formuliert hat. Die Einladung, die er vor fünfunddreißig Jahren mitten in die Arbeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils hineinsprach, kann heute der Kirche als Lesehilfe dienen, um die „Zeichen der Zeit“ an der Schwelle zum dritten Jahrtausend in rechter Weise zu begreifen: „Die Kirche muß in diesem Augenblick über sich selbst nachdenken, um sich in der Kenntnis der göttlichen Absichten bezüglich ihrer selbst zu bestärken, um größeres Licht, neue Energien und mehr Freude in der Erfüllung ihrer Sendung zu finden und um die besten Mittel und Wege auszumachen, die ihre Beziehungen zur Menschheit unmittelbarer, wirksamer und segenbringender werden lassen“ (Nr. 1). Wir dürfen Gott dafür danken, dass sich auch die Kirche unserer Tage in der Kraft des auf erstandenen Herrn einsetzt, um „sein Mysterium, wenn auch schattenhaft, so doch getreu in der Welt zu enthüllen, bis es am Ende im vollen Licht offenbar werden wird“ {Lumen Gentium, Nr. 8). Man darf freilich nicht vergessen, dass die Kirche selbst als „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ ein Mysterium ist. Aus gutem Grund trägt das erste Kapitel der Dogmatischen Konstitution Lumen Gentium den Titel „Über das Geheimnis der Kirche“. Denn man kann die Kirche nicht in echter Weise erneuern, wenn man nicht von ihrem Wesen als Geheimnis ausgeht. Worauf das Konzil eindringlich hingewiesen hatte, das rief die Außerordentliche Bischofssynode zwanzig Jahre nach Abschluss der Kirchenversammlung noch einmal in Erinnerung: „In der Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott, dem Vater, 1030 AD-LIMINA-BESUCHE Sohn und Heiligen Geist, ist die Kirche in Christus das ,Mysterium’ der Liebe Gottes, wie sie in der menschlichen Geschichte anwest“ (Botschaft, II). Diese Wahrheit soll das Lehren, den Dienst und das seelsorgerliche Tun der ganzen Kirche prägen. Auf dieser Überzeugung bauen auch sämtliche nachkonziliaren Dokumente des Päpstlichen Lehramtes auf, die eine den Bedürfnissen der Zeit entsprechende Erneuerung der Kirche fördern wollen. 3. Es ist zudem anzumerken, dass sich dieselbe Außerordentliche Synode von 1985 nicht ohne Grund genötigt sah, ihre warnende Stimme zu erheben: Die versammelten Bischöfe räumten ein, dass „das unvollständige und selektive Lesen des Konzils und eine einseitige Darstellung der Kirche als eine nur institutioneile Größe und ihres Geheimnisses beraubt“, zu ernsten Mangelerscheinungen, nicht zuletzt bei bestimmten Laienorganisationen, geführt haben, welche „die Kirche als reine Institution kritisch einschätzen“ (Schlußdokument 1,4). Die Folge davon ist, dass viele das Recht beanspruchen, die Kirche so zu organisieren, als sei sie eine Art Weltkonzem und damit der rein menschlichen Gestaltungskompetenz unterworfen. Doch in Wirklichkeit ist die Kirche als Geheimnis nicht „unsere“, sondern „Seine“ Kirche: das Volk Gottes, der Leib Christi und der Tempel des Heiligen Geistes. Liebe Brüder im Bischofsamt! Der Apostel Paulus mahnt uns: „Prüft alles, und behaltet das Gute!“ (1 Thess 5,21). Aufgabe des Bischofs ist es, die Priester und alle, die in der Seelsorge Verantwortung teilen, zu ermutigen, dass sie Schritte zur geistlichen Erneuerung der Gemeinden setzen. Wer rastlos von einer Veranstaltung zur anderen eilt, dem geht rasch der Atem aus. Um der geistlichen Erschöpfung vorzubeugen, ist es immer wieder nötig, im Gebet neu Atem zu holen. Denn nicht die Pfarrei mit dem vollsten Terminkalender ist die lebendigste, sondern die Gemeinde, die als innere Mitte allen Tuns ihre Berufung ernst nimmt, durch das Hören auf das Wort Gottes und die Teilhabe an den Sakramenten die Gemeinschaft mit dem dreifältigen Gott zu leben. Auf diese Notwendigkeit haben zahlreiche Vertreter einer von der Lehre des Konzils erfüllten Communio-Ekklesiologie hingewiesen, wobei sich gerade auch Theologen aus eurem Land große Verdienste erworben haben. 4. Wir stehen am Ende der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. Dieses Jahr ist der ersten Person der göttlichen Dreifaltigkeit gewidmet. Die Betrachtungen über Gott, den Vater, führen unweigerlich zur Kirche, was der hl. Cyprian in einer trefflichen Formel zugespitzt hat: „Gott kann der nicht zum Vater haben, der nicht die Kirche zur Mutter hat“ {De ecclesiae unitate, Nr. 6). Diese Aussage, zu der sich der Bischof von Karthago aus den Erfahrungen der De-cischen Verfolgungen und den Ereignissen um die Abgefallenen veranlasst sah, mündet in dem Wunsch, „daß womöglich keiner von den Brüdern (und Schwestern) zugrunde gehe und daß die Mutter den einen Leib des einmütigen Volkes freudig in ihren Schoß einschließe“ {De ecclesiae unitate, Nr. 23). Wir alle wissen, welch großer Abstand besteht zwischen der Botschaft, die der Kirche anvertraut 1031 AD-LIMINA-BESUCHE ist, und der menschlichen Armseligkeit derer, die das Evangelium verkünden. Wie immer auch die Geschichte über diese Schwächen urteilen mag, wir dürfen dieses Versagen nicht vergessen. Im Gegenteil: wir müssen unser Möglichstes tun, damit es der Verbreitung des Evangeliums nicht schade. Deshalb „betet, hofft und wirkt die Mutter Kirche unaufhörlich und ermahnt ihre Söhne (und Töchter) unablässig zur Läuterung und Erneuerung, damit das Zeichen Christi auf dem Antlitz der Kirche klarer erstrahle“ (Lumen Gentium, Nr. 15). 5. Wie sich die Kirche in ihrer mütterlichen Sorge mit den Söhnen und Töchtern solidarisiert, so steht sie ihnen gleichzeitig gegenüber. Die Mater ist auch Magistra; sie hat die Autorität, ihre Kinder zu erziehen, zu lehren und so zum Heil zu fuhren. Mutter Kirche gebiert, nährt und formt ihre Söhne und Töchter. Sie sammelt und sendet ihre Kinder, denen sie zugleich die Gewissheit gibt, in ihrem Mutterschoß geborgen zu sein. Zu gleich betrauert sie die Abgefallenen und hält Türen zur Versöhnung offen. Gerade um Versöhnung geht es immer. Euch Hirten kommt dabei eine besondere Verantwortung zu: Als „Väter eurer Gemeinden“ habt ihr das Recht und die Pflicht, die „mütterliche Autorität“ der Kirche so auszuüben, wie es das Zweite Vatikanische Konzil klar ausgedrückt hat: Bei der Verkündigung sollen die Bischöfe „die mütterliche Sorge der Kirche um alle Menschen, seien sie gläubig oder ungläubig, unter Beweis stellen und sich mit besonderer Sorge der Armen und Schwachen annehmen. ... Da es der Kirche aufgegeben ist, mit der menschlichen Gesellschaft, in der sie lebt, ins Gespräch zu kommen, ist es in erster Linie Pflicht der Bischöfe, zu den Menschen zu gehen und das Gespräch mit ihnen zu suchen und zu fördern. Damit immer Wahrheit mit Liebe, Einsicht mit Güte gepaart sind, muß sich dieser Heilsdialog sowohl durch Klarheit der Rede als auch zugleich durch Demut und Sanftmut auszeichnen, ferner durch gebührende Klugheit, die jedoch mit Vertrauen verbunden sein muß, das ja die Freundschaft fordert und somit darauf hinwirkt, die Geister zu einen“ {Christus Dominus, Nr. 13). 6. Der mütterlichen Zuneigung der Kirche muss ein Gehorsam entsprechen, der ihren Söhnen und Töchtern aus dem Herzen kommt. In einer Zeit, da nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche so viel von Mündigkeit die Rede ist, breitet sich eine Geisteshaltung immer mehr aus, die meint, im „Abnabeln von der Kirche“ zur wahren Freiheit gelangen zu können. Als Bischöfe versucht ihr, solchen irrigen Tendenzen eine neue Richtung zu geben, indem ihr klar und eindeutig das verkündet und vorlebt, was stets eine Lebensmaxime der großen Heiligen war: Auch in persönlich schwierigen Situationen haben sie sich niemals vom Schoß der Mutter Kirche getrennt. Dabei möchte ich noch einmal an die Analogie des Cyprian erinnern und sie vervollkommnen: Nur wer der Mutter Kirche folgt, der gehorcht auch Gott dem Vater. Der Bischof von Karthago hat diesen Gedanken fortgefuhrt, indem er auf die ernsten Konsequenzen hinwies, die über seine Zeit hinaus gültig bleiben: „Was immer sich vom Mutterleib trennt, das kann für sich 1032 AD-LIMINA-BESUCHE gesondert nicht leben und atmen, das verliert die Möglichkeit des Heiles“ (De ecclesiae unitate, Nr. 23). 7. Diese Überlegungen sind keineswegs wirklichkeitsfremd. Auch ihr als Hirten eurer Herden in Deutschland habt vor allem in diesen Jahren erfahren müssen, welches Pensum an Kraft und Energie das Leitungsamt kosten kann, wenn einzelne Gruppen versuchen, durch konzertierte Aktionen und permanenten Druck in der Kirche Veränderungen herbeizufuhren, die nicht dem Willen Jesu Christi entsprechen. Angesichts dieser Lage besteht die Aufgabe des Bischofs darin, voranzugehen, den Weg zu weisen, klarzustellen, zu beschwichtigen und immer zu sammeln versuchen - alles mit den Mitteln des Dialogs. Ich bitte euch: Werdet nicht mutlos! Lasst bei allem Hinhören und Entgegen kommen nicht zu, dass irgendeine menschliche Kraft die unauflösbaren Bande, die zwischen euch und dem Nachfolger Petri bestehen, lockern kann! An dieser Stelle ist es mir ein Anliegen, ein Wort an die Laien zu richten. Ich spreche meine tief empfundene Anerkennung den unzähligen Männern und Frauen aus, die ihrer Berufung als auserwähltes Geschlecht und königliche Priesterschaft (vgl. 1 Petr 2,9) glaubwürdig folgen. Im Licht ihres Tuns erinnere ich gleichzeitig an die Haltungen, mit denen die Laien ihren Bischöfen und Priestern begegnen sollen: „Den geweihten Hirten sollen sie ihre Bedürfnisse und Wünsche mit der Freiheit und dem Vertrauen, wie es den Kindern Gottes und den Brüdern in Christus an steht, eröffnen. ... Gegebenenfalls soll das durch die dazu von der Kirche festgesetzten Einrichtungen geschehen, immer in Wahrhaftigkeit, Mut und Klugheit, mit Ehrfurcht und Liebe gegenüber denen, die aufgrund ihres geweihten Amtes die Stelle Christi vertreten“ (Lumen Gentium, Nr. 37). Die Einheit mit dem Bischof ist ja die wesentliche und unerlässliche Grundhaltung des gläubigen Katholiken. Denn man kann nicht vorgeben, auf der Seite des Papstes zu sein, ohne auch zu den mit ihm verbundenen Bischöfen zu stehen. Ebenso wenig kann man behaupten, mit den Bischöfen zu sein, ohne zum Haupt des Kollegiums zu stehen. 8. Ehrwürdige Brüder! Dass ihr es eurerseits nicht versäumt, vor Euren Gläubigen Zeugnis zu geben von der innerkirchlichen Communio, würdige ich mit Wertschätzung. Denn ich bin mir bewusst, dass es eure erste Sorge ist, jegliche pasto-rale Initiative in einen solchen Rahmen zu stellen, dass sie sich in voller Übereinstimmung mit dem um den Nachfolger Petri gescharten Weltepiskopat befindet. Dabei denke ich besonders an das Problem des Lebensschutzes. Hier kommt es wesentlich darauf an, dass das Zeugnis aller Bischöfe der ganzen Kirche eindeutig und einmütig ausfällt. Den Schreiben, die von mir selbst oder in meinem Auftrag verfasst wurden, könnt ihr entnehmen, wie sehr mir Beratung und Hilfe der schwangeren Frauen am Herzen liegen. Ich hoffe, dass diese bedeutsame Tätigkeit der Kirche in eurem Land gemäß meiner Weisung bald endgültig neu geordnet wird. Ich bin überzeugt: Eine kirchliche Beratung, die sich durch ihre Qualität auszeichnet, wird ein sprechendes Zeichen für die Gesellschaft und ein wirksames 1033 AD-LIMINA-BESUCHE Mittel sein, um Frauen in Not für das Leben zu gewinnen, das sie in ihrem Leibe tragen. 9. Wenn ich im Zusammenhang des Verhältnisses zwischen den geweihten Hirten und den Laien von der königlichen Priesterschaft spreche, dann möchte ich an das gemeinsame Priestertum erinnern. Dank sei Gott, dass das Zweite Vatikanische Konzil diese tiefe Wahrheit wieder neu ins Licht gerückt hat! Im Neuen Bund gibt es nur ein einziges Opfer und einen einzigen Priester: Jesus Christus. An diesem Opfer Christi haben alle Getauften, Männer wie Frauen, Anteil, denn sie „sollen sich als lebendige, heilige, Gott wohlgefällige Opfergabe darbringen“ (Röm 12,1). Diese Teilhabe betrifft nicht nur die priesterliche, sondern auch die prophetische und königliche Sendung Christi. Außerdem kommt da durch die organische Verbundenheit der Kirche mit Christus zum Ausdmck, die der Epheserbrief in das Bild von Bräutigam und Braut kleidet (vgl. Eph 5,21-33). Wir befinden uns hier mitten im Ostergeheimnis, das Gottes bräutliche Liebe in ihrer Tiefe offenbart. Christus ist der Bräutigam, weil er sich verschenkt hat: Seinen Leib hat er hingegeben und sein Blut für uns vergossen (vgl. Lk 22,19-20). Die Tatsache, dass Jesus „seine Liebe bis zur Vollendung erwiesen“ hat (Joh 13,1), hebt den bräutlichen Sinn der Liebe Gottes hervor. Als Erlöser ist Christus der Bräutigam der Kirche. So dürfen wir in der Eucharistie, in der sich Christus den Leib der Kirche aufbaut, zu Recht das Sakrament des Bräutigams und der Braut sehen. Daraus ergibt sich ein grundlegender Unterschied zwischen dem gemeinsamen Priestertum aller Getauften und dem Priestertum der geweihten Amtsträger (vgl. Interdikasteriale Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester). Die Kirche braucht geweihte Priester, die bei sakramentalen Vollzügen „in persona Christi“ handeln und den Bräutigam Christus gegenüber der Kirche als Braut repräsentieren. Oder anders gesagt: Die geweihten Hirten vertreten als Glieder des einen Leibes der Kirche dessen Haupt, das Christus ist. Daher sind jegliche Versuche, entweder den Laienstand zu klerikalisieren oder den Klerus zu laisieren, zurückzuweisen. Sie entsprechen nicht der geheimnisvollen Ordnung der Kirche, die ihr Stifter gewollt hat. Ebenso wenig dienen Tendenzen, die den Wesensunterschied zwischen Klerus und Laien einebnen wollen, der Weckung von Berufungen. Ich bitte euch, liebe Brüder, die Sehnsucht nach geweihten Priestern in euren Pfarrgemeinden unvermindert wachzuhalten. Auch eine lange Wartezeit, die der derzeitige Priestermangel mit sich bringen mag, darf eine Gemeinde nicht dazu verleiten, sich mit einem Notstand als Regel abzufmden. Priester und Laien brauchen einander notwendig. Sie können sich gegenseitig nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. 10. Noch etwas verdient an dieser Stelle besondere Erwähnung: In eurem Land wächst eine gewisse Unzufriedenheit, was die Haltung der Kirche zur Stellung der Frau anbelangt. Leider hat sich noch nicht überall das Bewusstsein die Bahn gebrochen, dass alle Aussagen, die zum gemeinsamen Priestertum der Getauften gemacht werden, auf Männer und Frauen gleichermaßen zu treffen. 1034 AD-LIMINA-BESUCHE Ohne Zweifel ist die Würde groß, die den Frauen zukommt und der es immer noch mehr zu entsprechen gilt! Umgekehrt findet jedoch der Unterschied zu wenig Beachtung, der zwischen den menschlichen und bürgerlichen Rechten einer Person einerseits und jenen Rechten, Pflichten und damit verbundenen Funktionen, die jemand in der Kirche hat, andererseits besteht. Gerade deshalb habe ich vor einiger Zeit kraft meines Auftrags, die Brüder zu stärken, daran erinnert, „daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“ (Ordinatio sacerdotalis, Nr. 4). Als authentische Hirten eurer Diözesen habt ihr die Pflicht, von einzelnen oder Vereinigungen vorgetragene gegenteilige Auffassungen zurückzuweisen und zu jenem offenen und klaren Dialog in Wahrheit und Liebe einzuladen, den die Mutter Kirche über die Zukunft ihrer Töchter weiterfuhren muss. Zögert dabei nicht zu betonen, dass das kirchliche Lehramt diese Entscheidung nicht als Akt seiner Macht, sondern im Wissen um die Gehorsamspflicht gegenüber dem Willen des Herrn der Kirche selbst gefällt hat. Daher kommt der Lehre, dass das Priesteramt den Männern Vorbehalten ist, kraft des ordentlichen und allgemeinen kirchlichen Lehramtes jener Charakter der Unfehlbarkeit zu, von dem schon Lumen Gentium sprach und dem ich im Motu proprio Ad tuendam fidem eine rechtliche Form gegeben habe: Wenn die einzelnen Bischöfe, wenn auch räumlich getrennt, „in Wahrung des Gemeinschaftsbandes untereinander und mit dem Nachfolger Petri authentisch in Glaubens und Sittensachen lehren und eine bestimmte Lehre übereinstimmend als endgültig verpflichtend vortragen, so verkündigen sie auf unfehlbare Weise die Lehre Christi“ {Lumen Gentium, Nr. 25; vgl. Ad tuendam fidem, Nr. 3). Denjenigen, die die Lehre der Kirche nicht verstehen oder annehmen können, sollen wir freilich helfen, dass sie ihre Herzen und ihren Geist der Herausforderung öffnen, die der Glaube an sie stellt. Als authentische Lehrer der Kirche, die Mutter und Lehrerin ist, muss es zu unseren höchsten Prioritäten gehören, unseren Gemeinschaften im Glauben Stütze und Halt zu geben. Dabei dürfen wir auch davor nicht zurückschrecken, gegebenenfalls Verwirrungen zu entflechten und Abwege zu korrigieren. So rufe ich die Gaben des Heiligen Geistes auf euer Bemühen herab, der Rolle der Frau - sowohl für die Erneuerung der Gesellschaft als auch für die Wiederentdeckung des wahren Gesichts der Kirche - eine echte, der christlichen Lehre eigene Prägung zu verleihen. 11. Liebe Brüder! Bei dieser Begegnung haben wir die Kirche in erster Linie als Mysterium betrachtet. Ein Geheimnis entzieht sich letztlich dem Zugriff menschlicher Vernunft. Nur mit den Augen des Glaubens lässt es sich liebend betrachten und in seiner Tiefe erfassen. Die Bilder der Kirche von der Mutter und Lehrerin, von der Braut und vom Leib haben uns immer wieder auf Christus verwiesen, der Bräutigam und Haupt seiner Kirche ist. Ihm fühlen wir uns in unserem Hirtendienst besonders verpflichtet. So waren die Worte, die ich in den Begegnungen an euch gerichtet habe, klar und deutlich. Ich verheimliche euch nicht, dass ich mich 1035 AD-LIMINA-BESUCHE in diesen Monaten manchmal wie der Apostel Paulus fühlte, als er sich mit den bekannten Worten an die Gemeinde von Korinth gewandt hatte: „Ich schrieb euch aus großer Bedrängnis und Herzensnot, unter vielen Tränen, nicht um euch zu betrüben, nein, um euch meine übergroße Liebe spüren zu lassen“ (2 Kor 2,4). Sagt euren Priestern, Diakonen und Ordensleuten: Der Papst ist ihnen nahe! Versprecht den Männern und Frauen, den Jugendlichen und Alten, den Kranken und Behinderten: Im Schoß der Mutter Kirche finden alle eine Zuflucht. Bemüht euch mit Geduld, Vertrauen und Liebe, der einem jeden von euch anvertrauten Ortskirche zur Seite zu stehen und sie wie eine Braut dem himmlischen Hochzeitsmahl entgegenzuführen. Die Jungfrau Maria bitte ich um ihren Schutz und mfe sie an, damit sie Fürsprache einlege für euch und alle, die eurer Hirtensorge anvertraut sind. Welch kindliches Vertrauen spricht aus den Worten eines alten Gebetes, das in eurer Heimat weit verbreitet ist: Jungfrau, Mutter Gottes mein, laß mich ganz dein eigen sein! Es begleite euch alle und jeden einzelnen der Apostolische Segen, den ich euch von Herzen erteile! Mit neuen Formen der Seelsorge auf die Anforderungen der Zeit antworten Ansprache des Papstes an die Bischöfe der Dominikanischen Republik anlässlich ihres Ad-limina-Besuches am 10. Dezember Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine Freude, euch anlässlich eures Ad-limina-Besuches zu empfangen. Er war Grund für euch, erneut zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus zu pilgern, um eure Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom und der Universalkirche zum Ausdruck zu bringen. All das ist euch eine Hilfe, um eure Sendung zur Leitung der kirchlichen Gemeinschaft der Dominikanischen Republik mit neuer Kraft auszuüben. Es ist ein Land, das ich dreimal besuchen durfte und an das ich viele schöne Erinnerungen bewahre. Dem Erzbischof von Santo Domingo, Nicoläs de Jesus Kardinal Lopez Rodriguez, und Vorsitzenden der Bischofskonferenz des Landes, danke ich für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat, um mir eure Verbundenheit zum Ausdruck zu bringen. Dabei hat er mich auch gleichzeitig an den Sorgen und Hoffnungen der Kirche eures Landes teilnehmen lassen. Auch hat er bei dieser unserer Zusammenkunft eure Bestrebungen und all das, was euch beunruhigt hervorgehoben. Wenn ihr dann wieder in eure Diözesen zurückkehrt, überbringt den Priestern, Ordensleuten und allen Gläubigen die aufrichtigsten Grüße des Papstes und sagt ihnen, dass ich ihrer im Gebet gedenke, damit ihr Glaube an Christus und ihr Engagement für die Neuevangelisierung immer mehr wachse. 1036 AD-LIMINA-BESUCHE 2. Die Kirche eures Landes hat in den letzten Jahren wichtige Augenblicke erlebt: Es wurden die beiden neuen Diözesen Puerto Plata und San Pedro de Macoris gegründet und es fand die erste Landessynode von Santo Domingo statt, welche in bemerkenswerter Weise dazu beigetragen hat, unter euch Bischöfen die Gemeinschaft und die gemeinsame Seelsorge zu stärken. Diese und weitere Initiativen wie zum Beispiel der nationale Seelsorgeplan sind ein Zeichen für eure Einheit und stellen angesichts der aktuellen Verhältnisse auch gleichzeitig eine Erfordernis dar, denn heute scheint es immer notwendiger, unter Wahrung der diözesanen Einheit „ihre Kräfte und ihren Willen zu vereinen, um sowohl das gemeinsame Wohl wie auch das Wohl der einzelnen Kirchen zu fördern“ (Christus Dominus, Nr. 36). Bei den Bemühungen zur Wiederbelebung des christlichen Lebens in eurem Land darf die entscheidende Rolle der Priester nicht vergessen werden. Sie sind eure Mitarbeiter bei der Verkündigung des Evangeliums sind und üben ihr Amt mit Hingabe und Großzügigkeit und bisweilen unter nicht gerade einfachen Umständen aus. Ihr sollt euch stets um sie kümmern und ihnen nahe sein, vor allem denen, die sich einsam und in Not fühlen, damit alle ein würdiges und heiligmäßiges, ihrer Berufung entsprechendes Leben führen. Sie sollen Zeugnis dafür geben, dass sie Gottesmänner sind und voll und ganz für den Dienst am Evangelium geweiht, ohne sich von den Verführungen der Welt treiben zu lassen (vgl. Eph 4,22). Aber ebenso dringend ist die Berufüngspastoral, denn auch wenn in den letzten Jahren die Zunahme der Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben noch so tröstlich ist, so herrscht doch innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft immer noch Priestermangel. Diese Pastoral muss ständig auf besondere Weise unterstützt werden und zwar durch das Beispiel der Priester selbst und durch ihre Fähigkeit, Jugendliche für die totale Hingabe an Christus und an das Evangelium zu begeistern, sowie durch den Gottesdienst, und zwar schon innerhalb der familiären Umgebung durch eine Haltung der Großzügigkeit und Beharrlichkeit dem göttlichen Ruf gegenüber. 3. Besondere Erwähnung verdient an dieser Stelle das geweihte Leben, von dem eure Diözesen nicht nur reichlich die Charismen der jeweiligen Orden empfangen, sondern die ihnen auch eine unschätzbare, in vielen Fällen lebenswichtige Hilfe sind, da sie gemäß ihrer eigenen Identität in den verschiedenen Seelsorgebereichen wie Bildung und Sozialwesen tätig sind. Darum möchte ich nochmals in Erinnerung rufen, wie sehr die Geschichte der Evangelisierung Amerikas mit dem Zeugnis so vieler geweihter Personen verwoben ist, die dort das Evangelium verkündeten und die Rechte der eingeborenen Bevölkerung verteidigten, damit diese sich vollständig wie Kinder Gottes fühlen. Dennoch darf der Beitrag des geweihten Lebens zum Aufbau der Kirche nicht einzig und allein an dessen Aktivitäten und der äußerlichen Wirksamkeit gemessen werden. Und so muss das kontemplative Leben mitsamt seinen Formen der geweihten Hingabe an Gott immer mehr auch von den Bischöfen, Priestern und Gläubigen der Diözesen geschätzt, gefördert und positiv angenommen werden, damit „sie sich voll und ganz in die Teilkirche integ- 1037 AD-LIMINA-BESUCHE rieren, zu der sie gehören und damit sie die Gemeinschaft und die gegenseitige Zusammenarbeit fördern“ (Ecclesia in America, Nr. 43). 4. In den Berichten hinsichtlich der fünfhundert Jahre Christentum in Lateinamerika habt ihr unterstrichen, dass erwachsene, gut ausgebildete Laien gefordert sind als wahre Zeugen des Evangeliums. Euer Land erlebt momentan eine Zeit der Erneuerung und tiefgreifender Veränderungen, die verschiedene Gesellschaftsbereiche betreffen, und daher ist es bei euch dringend nötig, auf das Zeugnis und Wirken gut ausgebildeter Laien zählen zu können, die bereit sind, in den ihnen am meisten zugeeigneten Gesellschaftsbereichen wie Familie, Arbeit, Kultur oder Politik tätig zu werden. Das erfordert aber vor allem eine stetige und systematische Ausbildung, aus der ihnen das Bewusstsein ihrer Würde durch die Taufe und der damit verbundenen Verpflichtungen erwächst. Weiter erfordert es eine solide Kenntnis der Lehre der Kirche und des Lehramtes, denn nur wenn man solide ethische Prinzipien vertritt, kann man auch moralische Werte fördern und dies ganz besonders in einer Gesellschaft, in der ein sehr hoher Bevölkerungsanteil in Bedingungen äußerster Armut lebt, die Arbeitslosenrate besonders unter Jugendlichen extrem hoch ist und Gewalt und Korruption ständig zunehmen und fast schon zum täglichen Leben gehören. All das sind Faktoren, die sich in konkreten Phänomenen auswirken. Hier sind zum Beispiel der Niedergang der Moral zu nennen oder die unverheirateten Mütter, die selbst noch im heranwachsenden Alter sind sowie Kinderarbeit und Ausbeute von Minderjährigen. 5. Von den großen Herausforderungen, die an eure Gesellschaft gestellt sind, muss man besonders die Schwächung der Institution Familie hervorheben. Das fuhrt zur Minderung kirchlicher Eheschließungen und folglich zu einer Zunahme ziviler Eheschließungen sowie zu zahlreichen Ehescheidungen. Eine weitere Folge ist die Zunahme von Abtreibungen und die Verbreitung einer Mentalität zur Verhütung. Ohne sich mitunter verbreiteten Gewohnheiten zu ergeben, erfordert diese Situation eine lebendige Antwort, die vor allem in wirklich grundlegender und beständiger katechetischer und erzieherischer Tätigkeit zu verwirklichen ist. Sie legt den Grund für das christliche Ideal einer treuen und unauflöslichen Ehegemeinschaft, die sich der Fortpflanzung nicht verschließt, als wahren Weg der Heiligung tief in die Menschen. In einer solchen Gemeinschaft sind die Eltern die Erstverantwortlichen für die Erziehung der Kinder, denen sie als „Hauskirche“ auch das große Geschenk des Glaubens vermitteln. In diesem Zusammenhang sollte man auch an die Notwendigkeit erinnern, die unveräußerliche Würde der Frau zu respektieren. Ihr wird außerdem eine unersetzliche Rolle im familiären Zuhause, in der Kirche und in der Gesellschaft zuerkannt. Es ist ja wirklich traurig, mit anzusehen, wie „Frauen immer noch diskriminiert werden“ (vgl. ebd., Nr. 45), wenn sie zum Beispiel zum Opfer sexuellen Mißbrauchs und männlicher Übermacht werden. Daher ist es notwendig, die Öffentlichkeit hellhörig zu machen, damit „dem in der Ehe gegründeten Familien- 1038 AD-LIMINA-BESUCHE leben mehr geholfen wird, damit die Mutterschaft geschützt wird und damit die Würde aller Frauen mehr geachtet wird“ (vgl. ebd.). 6. Die Situation der Familien hat einen entscheidenden Einfluss auf den Lebensstil der Jugendlichen. Sie wirkt sich wiederum auf die Zukunft der Kirche und der Gesellschaft aus. Viele von ihnen sind in ungeordnete Familienverhältnisse hineingeboren worden und ohne Vater aufgewachsen. Das brachte schwerwiegende Erziehungsprobleme mit sich und machte sich auch im persönlichen Reifeprozess bemerkbar. Sie bedürfen daher besonderer Unterstützung: Man muss ihnen auf ihrer Suche nach dem Sinn des Lebens helfen und versuchen, dass sie sich einem gewissen Horizont der Hoffnung öffnen, der es ihnen ermöglicht, ihre Frustrationserfahrungen zu überwinden und sich aus ihren Folgen wie Ressentiments und Verbrechen befreien. Diese Aufgabe haben alle Menschen, und in erster Linie müssen sich die Jugendlichen dabei selbst engagieren, indem sie zu Aposteln ihrer Altersgenossen werden, die noch ärmer dran sind als sie. Es ist daher unumgänglich, eine Jugendpastoral zu fördern, die sämtliche Bereiche der Jugend umfasst, ohne dabei einen einzigen Bereich zu vernachlässigen, damit die jungen Generationen auf ihrem Weg zur Begegnung mit dem lebendigen Christus begleitet werden. Denn in ihm ist die wahre Hoffnung auf eine gemeinschaftlichere und solidarischere Zukunft begründet. Nicht so sehr isolierte Aktionen, sondern ein „konstanter und dynamischer“ Ausbildungsprozess soll angestrebt werden, der sie befähigt, „ihren Platz in der Kirche und in der Welt einzunehmen“ (vgl. ebd., Nr. 47). Daher sollen sie ermutigt werden, ihre Aufgaben treu zu bewältigen, Zeugen des Glaubens und Protagonisten bei der Verkündigung des Evangeliums zu sein. 7. „Der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 20), und das habt auch ihr in eurem Land erfahren. Auch euch ist klar, dass gewisse Ideologien oder Denkströmungen Gott eigentlich leugnen oder sich zumindest für eine gewisse Gottesfeme stark machen, man relativiert moralische Werte oder tendiert auf jeden Fall dazu, eine unüberwindbare Trennung zwischen der religiösen Dimension und den weiteren Aspekten des menschlichen Lebens aufzubauen. Wenn die Kirche das Evangelium verkündet, verspürt sie dabei nicht nur die hohe Pflicht, die Wahrheit über den Menschen, seine Oberhoheit über die Gesellschaft und seine Öffnung hin zur Transzendenz zu verteidigen, sondern auch so zu sprechen und zu lehren, dass „das Evangelium in der Sprache und Kultur derer verkündet wird, die es hören“ (vgl. Ecclesia in America, Nr. 70). Gleichzeitig muss man aber bei dieser Aufgabe auch das Risiko verhindern, gewissen Kulturen und Traditionen übermäßig anzuhaften, so dass dadurch die christliche Botschaft schließlich relativiert und ihres Sinnes entleert würde; denn „man darf nicht vergessen, daß nur das Ostermysterium Christi, welches die höchste Form der Offenbarung des unendlichen Gottes innerhalb der Unendlichkeit der Geschichte ist, der gültige Bezugspunkt für die gesamte pilgernde 1039 AD-LIMINÄ -BES UCHE Menschheit sein kann, die auf der Suche nach wahrer Einheit und wahrem Frieden ist“ (vgl. ebd., Nr. 70). 8. In Anbetracht der bevorstehenden Eröffnung der Heiligen Pforte, durch die das Große Jubiläum eröffnet wird, ermutige ich euch, liebe Brüder im Bischofsamt, zusammen mit der ganzen Kirche, die sich in der Dominikanischen Republik auf der Pilgerschaft befindet, dafür zu sorgen, dass dieses Jahr der Gnade für den Einzelnen und für die ganze Gemeinschaft zu einem starken Impuls der geistlichen Erneuerung wird. Außerdem wünsche ich euch, dass die erste Synode der Dominikanischen Republik mit all ihren Vorgaben und seelsorglichen Anweisungen für all eure Diözesen eine Gelegenheit bietet, den Glauben zu stärken, die Hoffnung zu beleben und die grenzenlose Liebe zu verbreiten. All diese Wünsche und Vorhaben der Seelsorge lege ich U. Lb. Frau von der Hohen Gnade, der Patronin der Dominikanischen Republik zu Füßen, auf dass sie stets all ihre Söhne und Töchter mit ihrer mütterlichen Liebe begleite und in einer Umgebung der Solidarität und echter brüderlicher Gemeinschaft behüte. In diesem Sinne erteile ich euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Missionarische Dimension der Ortskirche durch Bildung und Dialog im Leben der Gemeinde stärken Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe der Elfenbeinküste am 28. August Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude empfange ich euch, die Hirten der katholischen Kirche in der Elfenbeinküste, anlässlich eurer Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus. Der Ad-limina-Besuch stellt in der Tat einen wichtigen Moment im Leben und Amt der Bischöfe dar, die kommen, um Gott für alle von ihm erhaltenen Wohltaten zu preisen und um ihre Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri und mit der Universalkirche zum Ausdruck zu bringen. In ihren Treffen mit dem Bischof von Rom und seinen Mitarbeitern können sie außerdem Zuspruch und Unterstützung finden, um den ihnen anvertrauten Auftrag zu erfüllen. Ich danke dem Vorsitzenden eurer Bischofskonferenz, Msgr. Auguste Nobou, Erzbischof von Korhogo, für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Auch spreche ich Msgr. Vital Komenan Yao, Erzbischof von Bouake, den ihr zu seinem Nachfolger gewählt habt und der sein neues Amt in wenigen Tagen antritt, meine besten Wünsche aus. Wenn ihr in eure Diözesen zurückkehrt, überbringt bitte euren Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen, den Katechisten und allen Gläubigen den herzlichen Gruß des Papstes, dem ihre freundliche Aufnahme bei seinen drei Besuchen in eurem Land immer noch in Erinnerung ist. Übermittelt allen euren Landsleuten seine herzlichen Wünsche für eine Zukunft des Friedens und Wohlstands. 1040 AD-LIMINA-BESUCHE 2. Im Laufe ihrer Geschichte hat die Kirche in der Elfenbeinküste verschiedene Phasen der Verwurzelung und des Wachstums durchgemacht. Heute zeigt sie eine bemerkenswerte Vitalität, die einen vertrauensvollen Blick in die Zukunft erlaubt. Die Anziehungskraft des Glaubens an Jesus Christus und die Anträge auf die Sakramente der christlichen Initiation sind zahlreich. Die liturgischen Feiern sind gut besucht und lebendig. Durch ihren Geist der Zusammengehörigkeit und Freude bringen eure Gemeinschaften die Bmderliebe zum Ausdruck, die Jesus seine Jünger gelehrt hatte. So äußert sich der Durst eures Volkes nach Gott und sein Wunsch, die göttlichen Gebote vollkommen zu leben! Bei der Afrika-Synode, an der mehrere von euch teilgenommen haben, haben die Väter ihre Überlegungen auf diese Zeichen der Hoffnung konzentriert, aber auch auf die Schatten und Herausforderungen, die sich im Bereich der Mission stellen. Sie haben an die Dringlichkeit der Verkündung der Frohbotschaft an die Millionen Menschen, die sie noch nicht kennen, erinnert und den Wunsch ausgesprochen, dass die Ortskirchen von einem neuen Eifer für die Evangelisierung beseelt werden. Außerdem haben sie alle Katholiken dieses Erdteils zu einer Evangelisierung „in der Tiefe“ aufrufen wollen und sie daher eingeladen, die schwierigen Wege der Umkehr des Herzens und der ständigen Emeuemng mutig zu gehen. Nach der Synode wollte ich selbst im Apostolischen Schreiben Ecclesia in Africa die Entscheidungen und Orientierungshilfen vorstellen, die es der Kirche erlauben werden, ihre Sendung so wirksam wie möglich zu gewährleisten. Es handelt sich in gewisser Weise um die missionarische Charta der Kirche als Familie Gottes in Afrika, und alle sind aufgefordert, sie in ihrem persönlichen Leben und in den jeweiligen Lebenssituationen in die Tat umzusetzen. Es ist mein Herzenswunsch, dass in dieser ganz besonderen Zeit, während der das 2000. Jubiläum der Menschwerdung gefeiert wird, alles auf das vorrangige Ziel des Jubeljahres ausgerichtet sei, nämlich „die Stärkung des Glaubens und des Zeugnisses der Christen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 42). Ich fordere die Jünger Christi auf, ihre Bande zum Erlöser der Menschheit zu festigen, um seine treuen und großherzigen Zeugen zu sein. Dafür ist es wesentlich, dass die christliche Botschaft vollständig und in ihrer ganzen prophetischen Kraft furchtlos vorgestellt werde, wobei man sich der angebrachten, von der heutigen Welt zur Verfügung gestellten Hilfsmittel bedienen soll. Allerdings darf man nicht vergessen, dass das Zeugnis eines Lebens in Heiligkeit unersetzlich bleibt für eine wahrhafte Verkündigung des Evangeliums, denn deren erstes Ziel ist, die Person des auferstandenen Jesus als einzigen Retter aller Menschen darzustellen. 3. Seit einigen Jahren nimmt die Zahl der Priester regelmäßig zu; das weckt Hoffnung und Optimismus für die Zukunft. Ich erneuere also meinen herzlichen Gruß an eure Priester und ermutige sie, in ihrem Amt treue Diener Christi, der sie gesandt hat, und des ihnen anvertrauten Volkes zu sein, in einer immer lebendigeren Gemeinschaft mit ihrem Bischof und mit der ganzen Kirche. In der Tat verpflichtet die Berufung zum Priestertum die Priester zu einer entschlossenen Annahme der Einstellung Jesu selbst, des keuschen und treuen Die- 1041 AD-LIMINA-BESUCHE ners, der sein Leben vorbehaltlos hingab, um den Auftrag zu erfüllen, mit dem sein Vater ihn betraut hatte. Ich lade sie deshalb ein, dem Herrn treu zu folgen, wie die Apostel es getan hatten, und ihr Priesteramt als besonderen Weg der Heiligkeit zu leben. So werden sie in allen Lebenslagen wahrhafte und glaubwürdige Zeugen des Wortes sein, das sie verkünden, und der Sakramente, die sie spenden. Durch die Ausübung ihres Dienstes in einem Geist evangeliumsgemäßer Distanz zum unmäßigen Streben nach materiellen Gütern und persönlichen Vorteilen werden sie Zeichen der Großzügigkeit Gottes sein, der die Menschen unentgeltlich mit seinen Gaben überschüttet. Durch eine Weiterbildung, die sich um eine Vertiefung der theologischen Kenntnisse und des Geisteslebens bemüht und die auch die gesunden Werte ihres Lebensmilieus berücksichtigt, können die Priester „Ausdruck und Anspruch der Treue“ zu ihrem Amt und, mehr noch, der Einheitlichkeit ihres eigenen Seins finden. Diese Weiterbildung ist nicht nur eine Liebestat Jesu Christi, den man ohne Unterlass besser kennen lernen und suchen sollte, sondern auch „ein Liebeshandeln gegenüber dem Volk Gottes, zu dessen Dienst der Priester bestellt ist“ (Pastores dabo vobis, Nr. 70). Erlaubt mir, an dieser Stelle die Dankbarkeit der Kirche für die Arbeit auszudrücken, die seit mehr als einem Jahrhundert von so vielen Missionaren, Männern und Frauen, in eurem Land geleistet wird; sie haben ihre Herkunftsländer verlassen, damit das Evangelium in der Elfenbeinküste verkündet werde. Ihr - manchmal sogar heldenhaftes - Zeugnis ist auch heute noch Vorbild eines ganz Gott und den anderen gewidmeten Lebens und eine Energiequelle für zahlreiche Ordensmänner, Ordensffauen, Priester von „Fidei donum“ und Laien, die sich großherzig entschlossen haben, dieser Spur zu folgen. Gott segne ihr Werk und lasse den Eifer für die Weltmission in der Kirche der Elfenbeinküste wachsen! Liebe Brüder im Bischofsamt, in diesem missionarischen Geist, den ihr von euren Vätern im Glauben erhalten habt, ermutige ich euch, die bedeutende afrikanische Tradition der Solidarität immer weiter zu entwickeln durch ein Verteilen der Hilfsquellen - was das apostolische Personal betrifft - mit den schlechter gestellten Diözesen eures Landes oder sogar jenseits eurer Landesgrenzen. 4. Euer Einsatz für eine seriöse Ausbildung der künftigen Priester ist mir wohlbekannt. Die enge Beziehung, die zwischen Bischof und Seminar bestehen muss, ist in der Tat von wesentlicher Bedeutung. Es ist für einen Hirten eine schwere Verantwortung, aber auch eine große Freude, den Werdegang der Menschen zu begleiten, die in der Zukunft seine engsten Mitarbeiter im apostolischen Dienst sein werden. Wie ich schon im Apostolischen Schreiben Pastor es dabo vobis schrieb: „Die Anwesenheit des Bischofs hat einen ganz besonderen Wert, nicht nur weil es der Seminargemeinschaft hilft, ihr Hineingenommensein in die Ortskirche und ihre Gemeinschaft mit dem Oberhirten, die sie leitet, zu leben, sondern auch, weil es eben jenes seelsorgliche Ziel beglaubigt und fordert, die das Spezifikum der gesamten Ausbildung der Priesteramtskandidaten ausmacht“ (Nr. 65). 1042 AD-LIMINA -BESUCHE Die Initiative, die ihr vor kurzem ins Leben gerufen habt, nämlich die Organisation eines propädeutischen Jahres, verdient daher unsere Ermutigung. Diese Zeit der Vorbereitung auf den Eintritt ins Priesterseminar ist eine vorzügliche Gelegenheit zur Erfassung der Motivation der Kandidaten, zur Vertiefung ihres christlichen und kirchlichen Lebens und zur Unterstützung der Ausbilder in ihrem Auftrag der Erkennung der Berufungen. Durch das Vorbild einträchtiger und brüderlicher Erziehungsgemeinschaften, die ein konkretes Bild kirchlicher Gemeinschaft liefern, lernen die Seminaristen, selbst zu Männern des Glaubens zu werden, die der Kirche und den Verpflichtungen, die sie zu übernehmen aufgerufen sind, treu bleiben. Diesbezüglich ist es nötig, Priester mit einem vorbildlichen Lebensstil auszuwählen, vorzubereiten und zu begleiten, die darüber hinaus die menschlichen, intellektuellen, seelsorglichen und spirituellen Eigenschaften besitzen, die ihrer Aufgabe als Ausbilder des Klerus entsprechen. In einem Gesamtumfeld, wo es oft schwierig ist, den Jugendlichen ein Leben der Askese und der innerlichen Disziplin vorzuschlagen, soll nach angemessenen Mitteln gesucht werden, um ihnen die Anforderungen des Priesterlebens klar vor Augen zu stellen; dabei soll jede Zweideutigkeit und jeder Kompromiss vermieden werden, denn sie sind sowohl für ihr persönliches Leben als auch für die Kirche unheilvoll. 5. Um ihrem Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums treu zu bleiben, muss die ganze Kirche missionarisch sein. Allen Mitgliedern des Gottesvolkes wurde bei ihrer Taufe und Firmung - einem jeden nach seiner spezifischen Berufüng - die Verantwortung übertragen, ihren Glauben an Christus zu bezeugen. Deshalb nimmt die Bildung der Laiengläubigen in den pastoralen Orientierungen einen Platz erster Ordnung ein, damit ihnen geholfen werden kann, ein vollkommen ganzheitliches Leben zu führen und ihren Brüdern darüber Rechenschaft abzulegen. Diese Bildung muss es den Laien ermöglichen, die Glaubenswahrheiten und ihre Anforderungen klar zu erkennen, damit sie nicht „ein Spiel der Wellen [sind], hin und her getrieben von jedem Widerstreit der Meinungen, dem Betrug der Menschheit ausgeliefert, der Verschlagenheit, die in die Irre führt“ (Eph 4,14). Sie wird zu ihrer Leitung beitragen, damit sie im Lichte des Evangeliums und des kirchlichen Lehramts ihre besondere Verantwortung in Kirche und Gesellschaft, einschließlich im sozio-politischen und wirtschaftlichen Bereich, übernehmen. „Die Christen [müssen] dazu ausgebildet werden, die sozialen Auflagen des Evangeliums so zu leben, daß ihr Zeugnis zu einer prophetischen Herausforderung gegenüber allem wird, was dem wahren Wohl der Menschen Afrikas wie jedes anderen Erdteils schadet“ {Ecclesia in Africa, Nr. 54). Unter den Laiengläubigen sind die Katechisten, deren Aufgabe innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft wesentlich bleibt, besonders aufgerufen, ihre Ausbildung unaufhörlich zu vertiefen, um durch das Vorbild ihres Lebens und durch ihre Kompetenz in ihrem Auftrag echte Zeugen des Evangeliums zu sein. Übermittelt 1043 AD-LIMINA-BESUCHE jedem von ihnen meine Ermutigung und meine Dankbarkeit für ihre Großzügigkeit im Dienst an der Kirche und ihren Brüdern. 6. Die Familie spielt in der afrikanischen Kultur und Tradition eine entscheidende Rolle, denn sie ist der wichtigste Pfeiler des Sozialgefüges und die erste Zelle der kirchlichen Gemeinschaft. Aus diesem Grunde betrachtete die Afrikasynode die Evangelisierung der Familie als eine Priorität. Ich fordere euch nachdrücklich auf, die diesbezügliche Seelsorge unermüdlich auszubauen, um die Familien in den verschiedenen Phasen ihrer Bildung und Entwicklung zu begleiten. Insbesondere ist es unentbehrlich, die Jugendlichen auf Ehe und Familienleben vorzubereiten. So wird ihnen dabei geholfen, die Größe und die Forderungen des Ehesakraments zu verstehen, das den Christen die Gnade gibt, einander mit der Liebe zu lieben, mit der Christus die Kirche liebt, [um] auf diese Weise ihre menschliche Liebe zu vervollkommnen, ihre unauflösliche Einheit zu stärken und sich auf dem Weg zum ewigen Leben zu heiligen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1661). Es ist die Pflicht der Kirche, die Einheit und Unauflöslichkeit der Kirche entschlossen zu vertreten. „Denen, die es in unseren Tagen für schwierig oder geradezu unmöglich halten, sich für das ganze Leben an einen Menschen zu binden, und denen, die sich von einer kulturellen Strömung mitreißen lassen, die die Unauflöslichkeit der Ehe ablehnt und die Verpflichtung der Gatten zur Treue offen verlacht, muß sie [die Kirche] die Frohbotschaft von der Endgültigkeit jener ehelichen Liebe einprägen, die ihr Fundament und ihre Kraft in Jesus Christus hat“ (Familiaris consortio, Nr. 20). Das Zeugnis einträchtiger und verantwortlicher Familien wie auch die Erziehung zum Sinn für Treue, ohne die es keine wahre Freiheit gibt, sind für die Jugendlichen wertvolle Vorbilder, die es ihnen erlauben, die reichhaltige menschliche und spirituelle Wahrheit der christlichen Ehe besser zu erkennen und anzunehmen. Ich lade die Söhne und Töchter der katholischen Kirche ein, die Familie zu lieben und sie durch die Hochachtung ihrer Werte und Möglichkeiten ganz besonders zu unterstützen; die ihr drohenden Gefahren und Übel zu erkennen, damit sie überwunden werden können, und ihr ein soziales Umfeld zu sichern, das ihrer Entwicklung zuträglich ist (vgl. ebd., Nr. 86)! 7. Die Neuevangelisierung, zu der die Kirche aufgemfen ist, muss mit verstärktem Interesse die enge Beziehung zwischen menschlichen Kulturen und christlichem Glauben in Erwägung ziehen. Die traditionelle afrikanische Religion, der viele Christen angehörten, hat die Kultur eures Volkes in der Tiefe geprägt, und auch heute noch übt sie einen starken Einfluss auf das Glaubensverständnis der Gläubigen und auf ihre Lebensart aus, was manchmal Inkonsequenzen nach sich zieht. Wie ich in Ecclesia in Africa schrieb, kann ein offener und kluger Dialog mit den Anhängern dieser Religion „einerseits vor negativen Einflüssen, die selbst die Lebensweise vieler Katholiken prägen, schützen ... und andererseits die Übernahme positiver Werte, wie den Glauben an ein höchstes, ewiges Wesen, einen 1044 AD-LIMINA -BESUCHE Schöpfer und vorsorglichen und gerechten Richter sicherstellen, die sich sehr wohl mit dem Inhalt des Glaubens in Einklang bringen lassen“ (Nr. 67). Es ist allerdings von größter Wichtigkeit, den Getauften zu helfen, ein wahrhaftes und tiefes Verhältnis zu Christus aufzubauen, der zum tatsächlichen Mittelpunkt ihres Daseins werden muss. Eine solche Begegnung, bei der der Mensch das Geheimnis seines eigenen Lebens entdeckt, impliziert eine radikale Umkehr der Person und ein Läutern von allen früheren religiösen Praktiken. Im Übrigen ist ein brüderlicher Dialog des Lebens mit den Moslems auch eine Notwendigkeit für den Aufbau einer friedlichen Zukunft. Trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten ist es dringend geboten, dass alle Gläubigen und die Menschen guten Willens, die grundlegende Werte mit ihnen teilen, ihre Bemühungen Zusammenlegen, um die Zivilisation der Liebe aufzubauen, die auf die universalen Werte des Friedens, der Solidarität, der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit und der Freiheit gründet. Dazu ist es angebracht, für eine harmonische Entwicklung der Gesellschaft zusammenzuarbeiten, damit alle Landeskinder in Anerkennung ihrer jeweiligen Rechte und gegenseitigen Pflichten leben können und damit allen die Freiheit zur Ausübung ihrer Religion in gegenseitiger Achtung gewährt werde. Im Hinblick auf eine Förderung des Dialogs zwischen Glauben und Kultur freue ich mich über das Vorhandensein mehrerer internationaler katholischer Einrichtungen in eurem Land, darunter vor allem das „Katholische Institut von Westafrika“. „Sie sind Zeichen für das Wachstum der Kirche, weil sie in ihre Forschungen die Wahrheiten und Erfahrungen des Glaubens einbeziehen und sie zu verinnerlichen helfen“ {Ecclesia in Africa, Nr. 103). Außerdem erhalten zahlreiche Jugendliche eine menschliche und intellektuelle Ausbildung in den Erziehungseinrichtungen, die von Kirche oder Staat abhängen und bevorzugte Stätten für die Weitergabe der Kultur sind. Ich fordere euch daher auf, der Schul- und Universi-tätspastoral, allgemein aber auch der Seelsorge der Welt der Kultur, im Hinblick auf eine echte Verwurzelung des Evangeliums in eurem Land eure besondere Aufmerksamkeit zu widmen. 8. Zum Abschluss unseres Treffens, liebe Brüder im Bischofsamt, danke ich Gott mit euch für sein Wirken in eurem Volk. Die Nähe des Großen Jubeljahrs stellt für alle Katholiken eine dringende Aufforderung dar, ihren Blick auf das Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes zu richten, der für das Heil der Menschheit in die Welt gekommen ist. Der Eintritt ins neue Jahrtausend möge Hirten und Gläubige dazu anregen, ihren Blickwinkel des Glaubens um neue Horizonte zu erweitern, damit das Reich Gottes bis an die Grenzen der Erde verkündet werde! Jede eurer Diözesen empfehle ich der mütterlichen Fürsprache der Jungfrau Maria, Unserer Lieben Frau vom Frieden, die im Heiligtum von Yamoussoukro besonders verehrt wird. Ich bitte ihren Sohn Jesus, er möge die Fülle des göttlichen Segens über die Kirche in der Elfenbeinküste ausschütten, damit sie ein lebendiges Zeichen der Liebe Gottes zu allen Menschen sei, insbesondere zu den Bedürftigen, Kranken und Lei- 1045 AD-LIMINA-BESUCHE denden. Von ganzem Herzen spende ich euch den Apostolischen Segen, den ich gerne auf die Priester, die Ordensmänner und -trauen, die Katechisten und alle Laiengläubigen eurer Diözesen ausdehne. Gezielte Weiterbildung von Klerus und Laien in kirchlich und gesellschaftlich wichtigen Bereichen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Ghana am 20. Februar Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. „Der Herr des Friedens aber schenke euch den Frieden zu jeder Zeit und auf jede Weise“ (2 Thess 3,16). Mit großer Freude treffe ich mit euch, den Mitgliedern der Bischofskonferenz Ghanas, zusammen und begrüße euch zu eurem Ad-limina-Besuch im Vatikan. Für alle von uns ist das ein feierlicher Augenblick der Gnade, in dem wir versuchen, jene Bande brüderlicher Einheit zu festigen, die uns als Zeugen des Herrn und Verkünder der heilbringenden Frohbotschaft vereinen. Einen ganz besonderen Gruß möchte ich an diejenigen unter euch richten, die erstmalig bei diesem fünfjährlichen Besuch dabei sind. Seit eurem letzten Besuch in Rom konnten in der Tat sechs neue Diözesen in Ghana gegründet werden, ein positives Zeichen für die im Namen Christi verrichtete Arbeit und für den Aufbau seiner Kirche in eurem Land. Das ist ein weiterer Grand, den heiligen Namen Jesu zu preisen, „damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr’ -zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil 2,10-11). Im vergangenen Jahr feierte eure Ortskirche zwei bedeutende Ereignisse: den II. Nationalen Eucharistischen Kongress und den Nationalen Pastoralkongress. Zweck dieser wichtigen Treffen war es, jene Liebe und Treue für das heilige Sakrament zu bekräftigen und zu vertiefen, die im Mittelpunkt katholischer Gottesverehrung und des Gebetes steheft. Die Eucharistie gibt der Kirche Kraft für jenen Dienst und jene Reichweite, die ihre Sorge für das geistige Wohlergehen ihrer Kinder und aller Menschen kennzeichnen. Das göttliche Leben, das Christus in der Eucharistie über seine Kirche aus gießt, kennt keine Grenzen und muss mit Liebe und Dringlichkeit in aller Welt verkündet werden. 2. Das ist die Wahrheit, welche die Missionstätigkeit der Kirche maßgeblich inspiriert und stützt: Wie die Väter des II. Vatikanischen Konzils in ausdrucksvoller Schlichtheit betonten, ist die Kirche „ihrem Wesen nach missionarisch“ (vgl. Ad gentes, Nr. 2). Das ist eine ihrer wesentlichen Eigenschaften, die in jeder Teilkirche klar hervortreten muss: denn die Universalkirche ist in jeder Ortskirche mit all ihren grundlegenden Elementen vertreten (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Brief an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Gemeinschaft 1046 AD-LIMINA-BESUCHE verstandenen: Communionis Notio, Nr. 7—9). Mögen die Energie und der Eifer der Erstevangelisierung Ghanas weiterhin eine Quelle von Kraft und Begeisterung sein, wenn ihr Christus und sein heilbringendes Evangelium verkündet und anderen helft, seine barmherzige Liebe kennen zu lernen und anzunehmen. Nicht weniger bedeutend ist in dieser Hinsicht eure Pflicht, auf wesentliche Fragen des sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens eures Landes einzugehen. Während der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika erkannten die Synodenväter, dass die gute Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten in den beiden miteinander verquickten Bereichen der Politik und der Wirtschaft von wesentlicher Bedeutung für die Verwirklichung von Gerechtigkeit und Frieden in Afrika ist (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 110). Mit Freude habe ich festgestellt, dass diese Themen in eurem Pastoralbrief zum Advent 1997 behandelt worden sind. Wie ihr sehr wohl wisst, ist es die ganz besondere Aufgabe der Kirche, Fürsprecherin derer zu sein, die keine Stimme haben, um vor allem dort, wo sie in ganz besonderem Maße verwundbar und bedroht sind, Sauerteig des Friedens und der Solidarität zu sein. In dieser Hinsicht sind eure unablässigen Bemühungen zur Überwindung ethnischer Spannungen von ganz besonderer Bedeutung; denn rassistisch oder ethnisch bedingte Rivalitäten haben keinen Platz in der Kirche Christi und sind besonders verurteilenswert, wenn sie das Pfarrgemeindeleben beeinträchtigen oder den Geist der Brüderlichkeit und Solidarität unter den Priestern zerstören. 3. Bei all dem müsst ihr mit Güte und doch auch mit Beharrlichkeit zur Erneuerung auffordem. Umkehr ist das Ergebnis der wirksamen Verkündigung des Evangeliums, das durch das Wirken des Heiligen Geistes in den Herzen derer, die es hören, zur Annahme der Heilsbotschaft Gottes führt. Die erste Verkündigung der Frohbotschaft von der Erlösung in Jesus Christus muss notwendigerweise durch die Katechese ergänzt werden. Durch die eingehende und systematische Erziehung und Formung in der Kenntnis der Person und Botschaft Christi reift der Glauben seiner Jünger heran (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 19). Aufgrund dessen muss die ständige Bildung der Laien stets eine Priorität eurer Sendung als Verkünder und Lehrer sein. Die spirituelle und theologische Bildung sollte die Laien bei der Erfüllung ihres prophetischen Amtes in einer Gesellschaft unterstützen, die nicht immer willens ist, die Wahrheit und die Werte des Evangeliums zu erkennen oder anzunehmen. Um ihren Beitrag für die neue Evangelisierung leisten zu können, müssen sie in der Lage sein, alles im Licht Christi zu sehen und zu beurteilen (vgl. Christißdeles laici, Nr. 34). Wenn die Gläubigen dann in der offenbarten Wahrheit gefestigt sind, werden sie fähig sein, auf die Einwände der Anhänger von Sekten und neuen religiösen Bewegungen zu antworten. Von ganz besonderer Bedeutung ist die Katechese für junge Menschen. Ein erleuchteter Glaube ist ein Licht auf ihrem Weg in die Zukunft und eine Quelle der Kraft angesichts der Herausforderungen und Unsicherheit des Lebens. Das entschlossene und demütige Befolgen des Wortes Christi, dem authentischen Lehramt der Kirche entsprechend, ist auch die Grundlage für 1047 AD-LIMINA-BESUCHE eure Beziehung zu anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften wie auch für den Dialog mit den Anhängern des Islams und den traditionellen afrikanischen Religionen. Euer stetes Bemühen, alles Gute, Wahre und Edle in den Kulturen eurer Bevölkerung zu ergründen, wird stets deutlicher hervorheben, wie die Evangelisierung in ihrer Mitte mehr und mehr vertieft und gefestigt werden kann. 4. Hiermit kommen wir zu dem wichtigen Thema der Inkulturation. Praktische Versuche zur Förderung der Inkulturation des Glaubens erfordern eine untrennbar mit dem Geheimnis der Menschwerdung und einer authentischen christlichen Anthropologie verbundene Theologie (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 55). Eine wirklich kritische und dem Evangelium wahrhaft entsprechende Beurteilung kultureller Gegebenheiten ist nur im Licht des erlösenden Todes und der Auferstehung Jesu Christi möglich. Eine ernsthafte Inkulturation kann die aufrichtige Überzeugung der Kirche nicht ignorieren, dass Kultur, als Schöpfung des Menschen, unweigerlich von der Sünde gebrandmarkt ist und durch das Evangelium geheilt, erhoben und vollendet werden muss (vgl. Lumen Gentium, Nr. 17). Wenn die Menschen durch den Kontakt mit dem heilbringenden Wort Gottes Inspiration und Lenkung finden, dann werden sie auf ganz natürliche Art und Weise angeregt, für die tiefe Umwandlung der Gesellschaft zu arbeiten, in der sie leben. Die Evangeliumsbotschaft dringt in das Leben der Kulturen ein, verwirklicht sich in ihnen, „indem es deren kulturelle Elemente, die mit dem Glauben und mit dem christlichen Leben nicht vereinbar sind, überwindet und ihre Werte in das Heilsmysterium, das von Christus kommt, integriert“ (Pastores dabo vobis, Nr. 55). Die Herausforderungen der Inkulturation sind ganz besonders im Bereich des Ehe-und Familienlebens deutlich erkennbar: Ich lobe und unterstütze eure Bemühungen, christliche Eheleute darin zu bestärken, die Wahrheit und Schönheit ihrer Ehegemeinschaft den Anforderungen ihrer neuen Existenz in Christus gemäß zu leben. 5. Das Wachsen der Kirche in Ghana und die zahlreichen Berufungen zum Priester- und Ordensleben sind ein klarer Beweis der in eurer Mitte wirksamen Macht Gottes, eine Macht, die in der wunderbaren Fülle der Früchte zum Ausdruck kommt. Liebe Brüder, es ist eure Aufgabe, auch weiterhin für das Reifen und die Vermehrung dieser zahlreichen Früchte zu sorgen und auf das Leben all derer einzuwirken, die eurer Obhut anvertraut sind. Mich denjenigen zuwendend, die euch in engster Mitarbeit bei der Ausübung eures pastoralen Dienstes unterstützen, bestärke ich euch, euren Priestern jederzeit mit besonderer Liebe zugetan zu sein und sie als Söhne und Freunde zu betrachten (vgl. Christus Dominus, Nr. 16). Durch ihre Weihe haben sie Anteil erhalten an der „Weihe“ und „Sendung“ Jesu Christi (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 16). Der Heilige Geist gestaltet ihre Herzen nach dem Herzen Christi, des guten Hirten, und ihre Ausbildung muss so gestaltet sein, dass sie durch die Anteilnahme am Leiden Christi bereit sind, alle weltlichen Begierden und Ziele aufzugeben, um den 1048 AD-LIMINA-BESUCHE Armen, Schwachen und Schutzlosen die Wahrheit, den Trost und die Kraft des Evangeliums zu bringen. Der Priester ist nicht lediglich der Verwalter einer Institution; er ist kein Geschäftsführer oder Unternehmer. Er ist vielmehr ein Evangelist und Seelenarzt; seine Fähigkeiten, seine Erziehung und Leistungen richten sich berechtigterweise auf ein Ziel allein: das einzigartige Privileg, an Christi Statt zu handeln. Eure Freundschaft und brüderliche Unterstützung wie auch die ihrer Mitbrüder im Priesteramt wird es euren Geistlichen erleichtern, sich in Keuschheit und Einfachheit voll und ganz ihrem Dienstamt zu widmen, in dem sie unermessliche Freude und Frieden finden werden. Natürlich müssen die Haltung und die Veranlagungen eines wahren Hirten in den Herzen der Priesteramtskandidaten schon lange vor ihrer Weihe gepflegt werden. Das ist das Ziel der menschlichen, spirituellen, wissenschaftlichen und pastoralen Ausbildung in den Priesterseminaren. Die Sorge für eure Seminare wird für eure Ortsgemeinden von Nutzen sein und zur Verbreitung des Gottesreiches beitragen. Die in meinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis enthaltenen Richtlinien wie auch die Empfehlungen des im Anschluss an die Apostolische Visitation der Priesterseminare in Ghana veröffentlichten neuen Dokuments der Kongregation für die Evangelisierung der Völker werden zur Bewertung der Eignung von Kandidaten und zur Verbesserung ihrer Ausbildung von unschätzbarem Wert sein. Ferner bestärke ich euch, beispielhafte Priester für die Arbeit in euren Seminaren auszuwählen, auch wenn dazu Opfer auf anderen Gebieten erforderlich sind: denn für die Ausbildung der Priesteramtskandidaten kann nichts vielsagender sein als das Beispiel eines heiligen und hingebungsvollen priesterlichen Lebens. Gleichzeitig sollten Schritte unternommen werden, um eine angemessene Weiterbildung der Priester auch nach der Weihe, vor allem in den ersten Jahren ihres Dienstamtes, zu gewährleisten. 6. Wie überall in der Welt waren Ordens- und Missionsinstitute auch im Leben der Kirche Ghanas von entscheidender Bedeutung für die Ausbreitung des Glaubens und die Formung neuer Ortskirchen (vgl. Redemptoris missio, Nr. 69-70). Die legitime interne Autonomie der Ordensgemeinschaften achtend, ist es Aufgabe des Bischofs, ihnen bei der Erfüllung ihrer Pflicht zu helfen und - innerhalb der Ortskirche - Zeugnis zu geben für die Wirklichkeit der Liebe Gottes zu den Menschen. Als Hirten der Herde Christi solltet ihr die Oberen auffordem, die Eignung der Kandidaten für das geweihte Leben sorgfältig zu prüfen und ihnen zu helfen, sowohl vor als auch nach der Ordensprofess für eine solide geistliche und intellektuelle Ausbildung zu sorgen. Je treuer und ergebener die Ordensleute eurer Diözesen ihre Berufung in Keuschheit, Armut und Gehorsam leben, um so deutlicher werden die Menschen Ghanas erkennen, dass „das Reich Gottes nahe ist“ (vgl. Mk 1,15). 7. Bei der Erfüllung eurer zahlreichen Aufgaben müsst ihr ebenso wie eure Priester den menschlichen und spirituellen Anforderungen der Bevölkerung stets mit großer Aufmerksamkeit begegnen. Nie sollten auf Kosten der Menschen Zeit und Mittel für Diözesan- oder Pfarrgemeindestrukturen oder Entwicklungsprojekte ein- 1049 AD-LIMINA-BESUCHE gesetzt werden; auch dürfen solche Strukturen oder Projekte den persönlichen Kontakt mit denjenigen nicht verhindern, als deren Diener Gott uns berufen hat. Gleichsam sollten sich die Begegnungen zwischen Bischöfen und Priestern nicht auf Diskussionen über administrative Einzelheiten beschränken, sondern auch Gelegenheit für ein Gespräch über persönliche, spirituelle und pastorale Freuden und Schwierigkeiten des Priesteramtes bieten. Finanzielle Angelegenheiten erfordern Unparteilichkeit und Solidarität, und man sollte sich um die gerechte Aufteilung der erhaltenen Beiträge bemühen. Gleichzeitig sollte man den lokalen Gemeinden helfen, größere wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erlangen, damit die Kirche Ghanas in geringerem Maße auf ausländische Hilfeleistung angewiesen ist. Die pastorale Sendung der Kirche und die Pflicht ihrer Diener, „nicht sich dienen zu lassen, sondern [um] zu dienen“ (vgl. Mt 20,28), muss auf allen Gebieten als Hauptsorge angesehen werden. Liebe Brüder im Bischofsamt, mögen euch diese meine Worte heute neuen Mut geben. Ich bin mir der mühevollen Arbeit, die euer Amt täglich erfordert, und der hochherzigen Hingabe, mit der ihr euren Dienst verrichtet, durchaus bewusst. Euch und eure Diözesen vertraue ich der liebevollen Fürsorge Marias, Königin der Apostel, an. Mögen eure Bemühungen, die Kirche Ghanas zu einer freudigen und fruchtbaren Feier des kommenden Jubeljahres, „ein Gnadenjahr des Herrn“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 11), zu führen, von Erfolg gekrönt sein. Mögen euch und der Bevölkerung eures Landes durch dieses wichtige Ereignis die unermesslichen Gnadengaben des „neuen Advents“ zuteil werden, die der Geist für die ganze Kirche Gottes vorbereitet (vgl. ebd., Nr. 23). Mit dieser Hoffnung erteile ich euch und den Priestern, den Ordensleuten und Laien eurer Ortsgemeinden meinen Apostolischen Segen. Chancen und Schwierigkeiten einer weit verstreuten internationalen Ortskirche Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Griechischen Bischofskonferenz am 5. Februar Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! Lieber Ordinarius für die katholischen Griechen des armenischen Ritus! 1. Mit Freude empfange ich euch heute bei Gelegenheit eurer Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus. Das ist die Hauptbedeutung des Ad-limina-Besuchs: Er will die „Communio“ der in der Welt verstreuten Ortskirchen mit dem Nachfolger des Petrus ins Licht stellen. Ich danke Bischof Nicolaos Fos-colos, dem Präsidenten eurer Bischofskonferenz, für den Ausdruck herzlicher Ergebenheit, den er mir bekundet hat, und für seine in eurem Namen an mich gerichteten Worte. 1050 AD-LIMINA-BESUCHE Als Hirten, die den Auftrag haben, das Volk Gottes zu leiten, seid ihr berufen, den Gemeinden zu helfen, dass sie sich in der Pflicht, das Evangelium zu bezeugen, vom Heiligen Geist fuhren lassen. Gleichzeitig sollen sie zum Frieden und zur Eintracht unter den Menschen beitragen. Ich möchte euch vor allem sagen, wie sehr ich den von euch mit Sorgfalt ausgeübten Dienst schätze. In eurem Land, wo die Gläubigen der katholischen Kirche eine Minderheit bilden, ist es angebracht, dass ihr die Aufgabe der Organisation eurer Bischofskonferenz weiter verfolgt, damit ihr die Pastoralpläne, die euch besonders wichtig sind, besser in die Tat umsetzen könnt. Auf diese Weise könnt ihr wirksamer den zahlreichen Anforderungen eurer Sendung entsprechen und zugleich eine wirksamere Leitung der Verwaltung gewährleisten. In dieser Hinsicht erschiene es angebracht, ein Ständiges Sekretariat zu schaffen, damit die Entscheidungen, die ihr während eurer Versammlungen getroffen habt, sich rascher durchfuhren lassen und Pastoralpläne, die die ganze katholische Kirche in Griechenland betreffen, in Kraft gesetzt werden können. So werdet ihr euch auch gegenseitig unterstützen können, um mit dem Beitrag von fähigen Personen in markanter Weise den verschiedenen Anforderungen des bischöflichen Dienstes zu entsprechen. Zu diesem Zweck empfiehlt es sich, überall in der katholischen Gemeinschaft regelmäßige Gelegenheiten zu Dialog und Reflexion anzuregen. Diese Begegnungen, die auf eure kürzliche Versammlung hin erfolgen, werden kirchliche Zusammenkünfte oder Diözesansynoden erleichtern, die einen pastora-len Aufschwung mit Beteiligung der ganzen katholischen Gemeinschaft eurer Diözesen zum Ziel haben. Durch euch möchte ich von Herzen alle ermutigen, die mit euch in eurer Sendung Zusammenarbeiten, besonders die Priester, die die Bürde des täglichen Dienstes tragen und sich oft gerade aufgrund ihrer geringen Zahl immer umfassenderen und mühevolleren Schwierigkeiten und Aufgaben gegenübersehen. Dank der brüderlichen Begegnungen mit ihnen werdet ihr sie in ihrer Mission zu unterstützen wissen und ihnen helfen, die Pastoraltätigkeiten sehr wohl zu schätzen und neue Pläne vorzubereiten. Ebenso gilt mein herzlicher Gruß den Gläubigen eurer Diözesen. Sie haben eine wichtige Aufgabe, denn kraft der Taufe nehmen sie sowohl am Aufbau der Kirche als auch an der christlichen Beseelung der zeitlichen Wirklichkeiten teil. Überbringt den Jugendlichen den Aufruf der Kirche, ihr Herz für Christus zu öffnen, und die Einladung, sich im nächsten Jahr an den Aktivitäten zu beteiligen, die für den Weltjugendtag vorgesehen sind und bei denen sie nicht wenige Gleichaltrige treffen können. 2. Die katholische Kirche in Griechenland hat gerade eine zweite Versammlung erlebt, bei der Vertreter des Weltklerus, der Ordensmänner, der Ordensfrauen und der Laien sich um euch geschart haben, um dem pastoralen Leben neuen Schwung zu geben. Es handelt sich um einen bedeutsamen Abschnitt auf eurem apostolischen Weg, der alle Gläubigen in eine aktivere Teilnahme am Leben der Kirche einbeziehen will. Alle sind eingeladen zu wachsender Verbundenheit mit dem Heiland durch das persönliche Gebet, die Betrachtung der Heiligen Schrift, die „Lectio divina“, das liturgische und sakramentale Leben und eine Marienvereh- 1051 AD-LIMINA-BESUCHE rung, die dem Verhältnis von Kindern gegenüber ihrer Mutter entspricht. Das sind die notwendigen Elemente zum geistlichen und menschlichen Wachsen und Reifen des Christen. Um jeden Menschen auf dem Weg inniger Verbundenheit mit Christus fuhren zu können, ist eine intensive religiöse Bildung unbedingt erforderlich. Sie darf sich nicht auf ein Stück Anfang im christlichen Leben beschränken, sondern muss sich in einem ständigen Prozess entfalten, der darauf ausgerichtet ist, den Christen in seiner täglichen Verbundenheit mit Christus und in seiner missionarischen Aufgabe zu unterstützen. Daher also Ermutigung für alle, diesen Weg der geistlichen und intellektuellen Erneuerung fortzusetzen! So wird eine Glaubensgemeinschaft aufgebaut, die sich hochherzig der Verkündigung und der Bezeugung des Evangeliums widmet. Ich möchte die Aufmerksamkeit auf die besondere Rolle lenken, die der Liturgie im Leben der christlichen Gemeinden zukommt, ln ihr kann jeder die Tiefe des göttlichen Geheimnisses entdecken und die Kirche als Leib Christi erfahren, ln dieser Hinsicht bedarf die Arbeit der Übersetzung der verschiedenen liturgischen Bücher besonderer Aufmerksamkeit von Seiten der lateinischen Bischöfe, um den Forderungen unserer Zeit zu entsprechen. Auf die Grundsätze in der Instruktion des „Rates“ vom 25. Januar 1969 sich stützend, muss ein solches Unternehmen die lateinischen Traditionen und das entsprechende liturgische Erbe achten, das den Herzen der Gläubigen teuer ist. Diese werden dann leichter Christus näherkommen können, wenn sie ihm in den Sakramenten und in der Pracht des Gottesdienstes begegnen. 3. Die katholische Gemeinschaft ist in ganz Griechenland verstreut und immer mehr aus Mitgliedern verschiedener Herkunft zusammengesetzt. Andererseits sieht die Sommerzeit den Zustrom zahlreicher Touristen, denen ihr geistliche Unterstützung anbieten wollt. Diese menschlichen Verhältnisse machen alles pastorale Handeln kompliziert, das aus den Gläubigen eine Gemeinschaft mit „einem Herzen und einer Seele“ machen will (vgl. Apg 4,32). In diesem Sinn ist in den Bereichen der Evangelisierung, der Katechese, der Erziehung und der karitativen und sozialen Hilfe schon viel geschehen. Manche Gläubigen sind mit Gottes Hilfe besonders im sozialen Einsatz, im Dienst an den Armen, in der Förderung des Teilens und der Solidarität tätig, andere setzen sich für die Bedürfnisse der Kranken ein oder widmen sich der außerordentlich wichtigen Aufgabe der Erziehung oder des Rückhalts für die Familien. Diese Beteiligung am sozialen Leben, zu der ich heute sehr ermutigen möchte, ist eine Weise treuer Nachfolge Jesu. Sie ist eine hervorragende Form des Zeugnisses. Dank ihrer wird die Kirche als eine offene, zur Verfügung stehende Gemeinschaft anerkannt, bereit zu Initiativen, die sie unter Achtung der berechtigten Freiheit jedem Menschen nahe bringen. Die tatkräftige Zusammenarbeit auf sozialem Gebiet neben Menschen anderer religiösen Bekennmisse stellt einen bedeutenden Aspekt des ökumenischen Dialogs dar, denn das gemeinsame Handeln lässt gegenseitige Achtung und Liebe aufkommen. 1052 AD-LIMTNA-BESUCHE In dieser Hinsicht leisten die katholischen Schulen einen wesentlichen Beitrag zum sozialen Leben. Ich möchte allen, die sich der Jugenderziehung widmen, Priestern, Ordensmännem, Ordensfrauen und Laien, meinen Gruß und ein Wort der Ermutigung übersenden. In der Tat sind die Aufnahme der Kinder - welches auch ihre religiöse Konfession sein mag — sowie die gegenseitige Entdeckung und Achtung Elemente, die den jungen Griechen helfen, miteinander zu leben und dabei die Verschiedenheiten zu achten. Diese letzteren bilden Reichtümer in dem Maß, in welchem sie in den Dienst aller gestellt werden. In einer ganzheitlichen Bildung erhalten die Jugendlichen eine Erziehung zu den grundlegenden moralischen, menschlichen und zivilen Werten, mit heilsamen Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft. 4. Die besondere Situation, in der die katholische Kirche in Griechenland lebt, drängt im übrigen dazu, ohne Unterlass dem Ruf des Herrn tiefer nachzukommen, um immer mehr den Weg der Einheit zu gehen (vgl. Joh 17,21) und der ökumenischen Forderung des II. Vatikanischen Konzils zu entsprechen. „Unter den dringendsten Bitten dieses außergewöhnlichen Augenblicks angesichts des herannahenden neuen Jahrtausends erfleht die Kirche vom Herrn, daß die Einheit zwischen allen Christen der verschiedenen Konfessionen bis hin zur Erlangung der vollen Gemeinschaft wachsen möge. Ich verleihe dem Wunsch Ausdruck, daß das Jubiläum die geeignete Gelegenheit für ein fruchtbares Zusammenwirken im gemeinsamen Tun all der vielen Dinge sei, die uns einen und die sehr viel mehr sind als diejenigen, die uns trennen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 16). In diesem Geist ist es notwendig, unter voller Achtung der Pläne der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und des legitimen Rechts auf religiöse Freiheit einen positiven und hoffnungsvollen Blick auf den ökumenischen Dialog zu werfen und stets zu versuchen, Werkzeuge des Heiligen Geistes zu sein, damit die Einheit gemäß den gottgewollten Mitteln voll zustande kommt. Im Blick auf das nun schon nahe Große Jubiläum drängt die Liebe Christi uns, ökumenische Vorhaben zu verwirklichen, die den Jüngern Christi gestatten, die eigenen Traditionen und die der andern besser kennen zu lernen. Es ist klar, dass Gesten in diesem Sinn für die Welt ein Zeugnis der Liebe wären, die uns vom Erlöser kommt, sowie des festen Willens aller Christen, so bald wie möglich zur vollen Einheit zu gelangen. Jede Initiative und jedes gemeinsame Gebet, jeder achtungsvolle Dialog, jede gegenseitige Bitte um Vergebung, all das kann die Brüder im Glauben einander näher bringen und die Menschen von heute die Zärtlichkeit und die Barmherzigkeit des Vaters entdecken lassen, das zentrale Thema des letzten Vorbereitungsjahres auf das Große Jubiläum. Wie der Apostel bestätigt, kommt die Liebe von Gott, und „wenn Gott uns geliebt hat, müssen auch wir einander lieben“ (1 Joh 4,11). Ich möchte noch einmal den Wert des Gebetes in den ökumenischen Beziehungen unterstreichen; es hilft uns, als Brüder zu leben. „Unsere gegenseitige Teilnahme am Gebet [macht es uns] wieder zur vertrauten Gewohnheit, Seite an Seite zu leben, hält uns dazu an, den Willen des Herrn für seine 1053 AD-LIMINA-BESUCHE Kirche miteinander anzunehmen und somit in die Tat umzusetzen“ (Ut unum sint, Nr. 53). 5. In den Fünfjahresberichten habt ihr den Mangel an Priestern für den Dienst an den christlichen Gemeinden unterstrichen, zugleich aber auch euer Vertrauen auf den Herrn erkennen lassen, der seine Herde nie im Stich lässt. Ganz recht, die Be-rufungspastoral muss eine eurer Hauptsorgen sein, ja die ganze kirchliche Gemeinschaft muss sich dafür einsetzen. n dieser Hinsicht fordere ich die Familien auf, sich stets ihrer Verantwortung bezüglich des Entstehens und Reifens der Priester-und Ordensberufungen bewusst zu sein. Die Eltern mögen keine Furcht um die Zukunft haben, wenn eines ihrer Kinder den Wunsch kundtut, sich für den Herrn einzusetzen! Es ist ihre Aufgabe, ihnen zu helfen, ihre Berufung voll zu verwirklichen. Denen, die sich ganz auf die Nachfolge Christi einlassen, werden die notwendigen Mittel geschenkt, um die ihnen übertragene Sendung zu erfüllen. In der katholischen Kirche eures Landes spielen die Ordensmänner und Ordensfrauen eine unersetzliche Rolle. Ich fordere sie auf, auch unter schwierigen pasto-ralen Verhältnissen ihr Werk hochherzig fortzusetzen in enger Verbundenheit mit den Bischöfen und in Treue zu ihrem eigenen Charisma. Ich lade die Ordensgemeinschaften und andere Institute ein, neue Mitglieder nach Griechenland zu senden, um die bestehenden Gemeinschaften zu verstärken oder um neue zu bilden, die imstande sind, die Bedürfnisse der katholischen Kirche in diesem Land wahrzunehmen sowie den ihr zu leistenden Beitrag, zu dem das aktive und kontemplative Ordensleben berufen ist. In diesem Zusammenhang grüße ich in herzlicher Dankbarkeit die kontemplativen Orden in eurem Land. Sie sind ein strahlendes Leuchtfeuer, ein schönes Zeugnis des Glaubens und der Gottesliebe, das die Christen der anderen Konfessionen mit Achtung und Aufmerksamkeit betrachten. 6. Im Übrigen wäre es gut, neue Lösungen für die Berufspastoral zu entwerfen, für den Unterscheidungsprozess und die Ausbildung der Priesterkandidaten, vielleicht sogar innerhalb einer gemeinsamen Struktur im Dienst aller Diözesen. Die jungen Leute aus den verschiedenen Diözesen hätten auf diese Weise Gelegenheit, in einer festeren Erziehungsgemeinschaft zu leben und auf die Zukunft hin bedeutsame Bande zu priesterlicher Brüderlichkeit im Land zu knüpfen. Andere ihrer Altersgenossen würden außerdem durch ein frohes Erlebnis angezogen, das den Wunsch stärker werden lässt, das eigene Leben Gott und den Brüdern zu schenken. Auch den Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen kommt eine wichtige Rolle auf dem Berufsweg der Jugendlichen zu. Es wird ihnen viel daran gelegen sein müssen, im persönlichen Leben und im täglichen Dienst zu bezeugen, wie glücklich sie die Nachfolge Christi macht. Es ist wichtig, dass die Jugendlichen in den Erwachsenen Vorbilder christlichen Lebens finden, die ihnen den Sinn für Gott aufzuschließen verstehen und sie freimütig zur totalen Weihe an Gott im Priestertum oder im Ordensleben einladen. 7. Ihr habt Schwierigkeiten erwähnt, denen die Familien zu begegnen haben, sei es nach außen hin oder auf der Ebene der Ehepartnerschaft und des ehelichen Lebens, 1054 AD-LIMINA-BESUCHE sowie auch Spannungen, denen Mischehen unterworfen sind, besonders hinsichtlich der religiösen Erziehung der Kinder. Die Kirche hat die Pflicht, durch eine geeignete Familienpastoral an die Unauflöslichkeit der Ehe und die Notwendigkeit für die Gläubigen zu erinnern, ihr Eheleben in Übereinstimmung mit dem Glauben zu leben. Es soll auch nicht versäumt werden, den Paaren, die gerade in einer Krise leben, Hilfe anzubieten, damit sie den anfänglichen Eifer ihrer Verpflichtung wiederfinden, das geistliche Leben entfalten und aus der Gnade des Ehesakramentes die notwendigen Energien schöpfen können, um die Sendung von Eheleuten und Eltern zu erfüllen. Im Umfeld von Säkularisation und Materialismus ist es wichtig, den Männern und Frauen unserer Zeit ein christliches Ideal vorzulegen, das die Grundlage für das tägliche Leben und Handeln bildet. 8. Wenn die katholische Kirche für ihre Gläubigen Sorge trägt, dann wollen diese ihrerseits ihren verantwortlichen Beitrag zum sozialen Leben leisten und dem Allgemeinwohl dienen. Den Katholiken ist es also, wie allen Einwohnern des Landes, eigen, unaufhörlich für ein gutes Zusammenleben unter allen Griechen tätig zu sein, wobei jeder sich der gleichen Rechte und der gleichen Freiheiten erfreut, insbesondere der religiösen Freiheit. Diesbezüglich freue ich mich über die bedeutenden Anstrengungen, die verschiedene führende Personen dafür unternommen haben, und über den guten Willen, den alle zeigen, um gerechte Lösungen für die noch ungelösten Probleme zu finden, besonders für das den juridischen Status der katholischen Kirche betreffende. Ich gebe dem Wunsch Ausdruck, der Dialog mit den verschiedenen zuständigen Autoritäten möge weitergehen und noch intensiver werden zum Wohl der gesamten Bevölkerung. Das wird der katholischen Gemeinschaft gestatten, eine erneute Vitalität zu verspüren, und wird dazu beitragen, dass alle sich immer aktiver an der Errichtung des gemeinsamen Hauses beteiligen, und allen Bürgern wird es Vertrauen am Aufbau einer friedlichen und brüderlichen Gesellschaft einflößen. 9. Am Ende des Ad-limina-Besuches wünsche ich euch, dass ihr, in eurer Sendung als Nachfolger der Apostel gestärkt, in euer Land zurückkehrt. Die Erfahrung der Gemeinschaft, die ihr in diesen Tagen unter euch Bischöfen gemacht habt, helfe euch zu intensiverer Zusammenarbeit, damit eure Diözesen sich als Schwestern fühlen und auf nationaler Ebene das notwendige Miteinander fortsetzen, um den Herausforderungen der Mission entgegenzutreten, und dass sie, im Rahmen des großen Europa, fortfahren, Beziehungen zu den verschiedenen zuständigen kirchlichen Stellen zu unterhalten! Euch und den Gläubigen eurer Diözesen erteile ich gern den Apostolischen Segen. 1055 AD-LIMINA-BESUCHE Überlieferten Glauben im Alltag gestalten und beleben Ansprache beim Ad-limina-Besuch der irischen Bischöfe am 26. Juni Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude heiße ich euch, die Bischöfe Irlands, zu eurem Ad-limina-Besuch willkommen und nehme gerne die Gelegenheit wahr, die Priester, Ordensleute und Laien eures unvergessenen Landes herzlichst zu grüßen. Euer Besuch dient der Erneuerung und Stärkung der Bande des Glaubens und der Gemeinschaft, die von Anfang an die Beziehungen zwischen Irland und dem Stuhl Petri gekennzeichnet haben. Eigentlich ist euer Besuch eine Wallfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus, an denen ihr betet und über die Gnade und Verantwortung nachdenkt, die euch im Dienst des Evangeliums übertragen worden ist. Die Apostel inspirieren uns, ihre Nachfolger, auch weiterhin durch ihre Lehre und ihr Beispiel und fordern uns auf, „Vorbilder für die Herde“ (/ Petr 5,3), Männer Gottes zu sein, die „den guten Kampf des Glaubens kämpfen“ und „das ewige Leben ergriffen haben, zu dem wir berufen worden sind und für das wir vor vielen Zeugen das gute Bekenntnis abgelegt haben“ (vgl. 1 Tim 6,12). Bald feiert die Kirche das 2000jährige Jubiläum der Menschwerdung Christi; dieses Ereignis ist ein besonderer „Kairos“ unseres Hirtenamtes. Das fleischgewor-dene Wort ist die Erfüllung der in jedem menschlichen Herz vorhandenen Sehnsucht nach Gott. Er ist „der treue Zeuge“ (Offb 1,5), den der Vater gesandt hat, um alle Menschen zu suchen und sie zur Teilhabe am innersten Leben der Dreifaltigkeit zu veranlassen. Als höchster Ausdruck der Liebe Gottes verpflichtet das Große Jubeljahr die Hirten der Kirche, sich intensiv für jene Neuevangelisierung einzusetzen, die unerlässlich ist für das auf einer soliden Grundlage aufgebaute christliche Leben des kommenden Jahrtausends. Erinnern wir uns an die Worte des II. Vatikanischen Konzils: „Die Kirche ... glaubt: Christus, der für alle starb und auferstand, schenkt dem Menschen Licht und Kraft durch seinen Geist, damit er seiner höchsten Berufung nachkommen kann, ... daß allen Wandlungen vieles Unwandelbare zugrunde liegt, was seinen letzten Grund in Christus hat, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit“ (Gaudium et spes, Nr. 10). Daher sollten wir ohne Furcht und ohne Zögern die uns anvertrauten Aufgaben erfüllen, das heißt wir müssen wahre und authentische Lehrer des Glaubens [„munus docendi“], Diener der Gnade [„munus sanctificandi“] und gute Hirten des Gottesvolkes [„munus regendi“] sein (vgl. Christus Dominus, Nr. 2). 2. Die Gesellschaft muss die ursprüngliche Frische des Evangeliums wiederentdecken und erneut jene Botschaft der Erlösung, der Wahrheit, Hoffnung und Freude hören, die Christus der Welt gebracht hat. Die Verkündigung und Lehre des katholischen und apostolischen Glaubens ist eine unserer wesentlichen Aufgaben als Bischöfe. Um überzeugend zu sein, müssen wir stets zu persönlicher, unablässiger 1056 AD-LIMINA-BESUCHE Erneuerung durch die tiefe und fromme Beziehung zum göttlichen Meister bereit sein, damit wir an andere das weitergeben können, was wir empfangen durften. Durchaus angebracht sind hier die Worte meines Vorgängers, Papst Paul VI.: „Der Mensch unserer Zeit hört lieber auf Zeugen als auf Lehrer, oder wenn er auf Lehrer hört, dann eben darum, weil sie Zeugen sind. Er empfindet nämlich eine instinktive Abneigung gegen alles, was nach Täuschung, Fassade oder Kompromiß aussieht. In diesem Zusammenhang begreift man die Bedeutung eines Lebens, das tatsächlich vom Evangelium geprägt ist“ (Generalaudienz, 2. Oktober 1974). Ihr seid euch sehr wohl der Anforderungen bewusst, die die gegenwärtige Situation an euren Dienst stellen. In den vergangenen Jahren hat sich die irische Gesellschaft in vieler Hinsicht verändert. Einerseits erschweren verschiedene Aspekte dieses Wandels die Verkündigung des Evangeliums, andererseits bemühen sich viele Gläubige aber auch um eine erleuchtetere Glaubenserfahrung, um ihre Beziehung zu Gott im Gebet zu vertiefen, um Christus im täglichen Leben und im Dienst für das Gemeinwohl eifriger nachfolgen zu können und um ein intensiveres Bewusstsein ihrer eigenen Rolle und Verantwortung in der Kirche zu erlangen. Das zeigt die Verbreitung von Gebetsgruppen, eucharistischer Verehrung und Wallfahrten ebenso wie die zunehmende Beteiligung der Laien an der Evangelisierung, an karitativen Werken, ihr Engagement zur Verteidigung des Lebens und zur Fördemng von Gerechtigkeit. Auch kann nicht ignoriert werden, dass ein übertriebener Individualismus, der manchmal zunehmenden materiellen Wohlstand begleitet, das Bewusstsein der Gegenwart Gottes und der transzendenten Bedeutung des menschlichen Lebens geschwächt hat. Der dann oft eintretende Relativismus führt zur Ablehnung objektiver sittlicher Grundlagen und zu einer allzu subjektiven Auffassung des Gewissens, ein Thema, das ihr bereits 1998 in einem gemeinsamen Pastoralbrief behandelt habt. Dem folgt die Zerstörung des Bewusstseins, dass der christliche Glauben die Wahrheit lehrt - eine Wahrheit, die wir nicht selbst erfunden haben, die uns vielmehr geschenkt wird. Das wiederum kann zu Entmutigung und zur Überzeugung führen, dass die Kirche den Menschen heute nichts wirklich Bedeutendes mehr zu sagen hat. Aber die christliche Erfahrung hat im Laufe der Jahrhunderte wie auch in unserer Zeit gezeigt, dass der Glaube durch Prüfung stärker, freier und kraftvoller werden kann, wie die Geschichte der irischen Kirche deutlich bewiesen hat. 3. Die Neuevangelisierung, die das nächste Jahrhundert zu einem Frühling des Evangeliums machen kann, wird weitgehend davon abhängig sein, in welchem Maß sich die Laien ihrer Taufberufung und ihrer Verantwortung für das Evangelium Jesu Christi bewusst sind. Oft sind es heute in erster Linie die Laien, die sich darum bemühen, die Lehre der Kirche auf die in ihren Gemeinschaften oder auf nationaler Ebene auftretenden ethischen, moralischen und gesellschaftlichen Fragen anzuwenden. Die spezielle Aufgabe der Laien ist die Evangelisierung der Familie, der Kultur und des gesellschaftlichen und politischen Lebens, wozu sie die Ermutigung und Führung der Bischöfe brauchen. 1057 AD-LIMINA-BESUCHE In dieser Hinsicht ist es den Bischöfen aufgegeben, die Heiligkeit des Lebens und die christliche Erziehung zu fördern, die den Laien im Mittelpunkt der weltlichen Ordnung ermöglicht, „Zeugnis zu geben vom christlichen Glauben als einzige und wahre Antwort, ... auf die Probleme und Hoffnungen, die das Leben heute für jeden Menschen und für jede Gesellschaft einschließt“ {Christifideles laici, Nr. 34). Durch das eurem apostolischen Amt eigene Urteilsvermögen gleicht ihr „einem Hausherrn, der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt“ (Mt 13,52). In dieser Hinsicht erfordert die Neuevangelisierung die Erneuerung der pastoralen Führung und Tätigkeit. Sie muss, wie ich oft bereits betont habe, „neu in ihrem Eifer, neu in ihren Methoden und neu in ihren Aussageweisen“ sein {Veritatis splendor, Nr. 106). Das bedeutet nicht Neuheit um der Neuheit willen. Handlungsweisen und Traditionen, die ein fester Bestandteil des katholischen Lebens in Irland sind, sollten beibehalten und wo notwendig wieder aufgenommen werden: der Vollzug der Sakramente, Volksfrömmigkeit, Wallfahrten und traditionelle Verehrungsformen, die ein tugendhaftes und sittliches Leben fördern, haben ihre Bedeutung keineswegs verloren. Ebenso brauchen wir neue Gebets- und Apostolatsformen, neue Strukturen und Programme, die ein tieferes Bewusstsein der Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft fördern, eine neue Blüte von Vereinigungen und Bewegungen, fähig, die ewige Jugend der Kirche zu beweisen und die Gesellschaft wahrhaft zu durchsäuem. Eure persönliche Nähe ist notwendig zur Unterstützung und Führung bereits existierender Vereinigungen, von denen viele Außerordentliches für das kirchliche Leben in Irland geleistet haben, wie auch für neue Gruppen und Bewegungen, die der Heilige Geist als Antwort auf die veränderten Anforderungen unablässig in der Kirche hervorruft. 4. Die Neuevangelisierung ist um so dringlicher im Hinblick auf die zahlreichen komplexen Gründe, die die Weitergabe des Glaubens von einer Generation an die andere erschweren und dazu führen, dass insbesondere junge Erwachsene stets geringere Vertrautheit mit den Glaubenswahrheiten und der religiösen Praxis haben. Sicherlich, einige Ursachen hierfür sind außerhalb der Kirche zu suchen. Andere aber gehören in den Bereich jener Wachsamkeit, die ein wesentlicher Aspekt des bischöflichen Amtes ist. Der Bischof ist der erste Lehrer des Glaubens in dem ihm anvertrauten Teil der Kirche, und seine ständige Sorge ist die wirksame Vermittlung des wahren Inhalts der katholischen Lehre. Nichts ist so anziehend, überzeugend und erneuernd für die innere Erfahrung des Menschen wie die Macht der Glaubenswahrheiten. Katholische Erzieher sollten die Worte des Konzils berücksichtigen, die darauf hinweisen, dass „das künftige Schicksal der Menschheit in den Händen jener ruht, die den kommenden Geschlechtern Triebkräfte des Lebens und der Hoffnung vermitteln können“ {Gaudium et spes, Nr. 31). Ohne die „historische Erinnerung“ der zweitausendjährigen spirituellen und kulturellen Tradition, deren Erben sie sind, fallt es jungen Menschen schwer, sich mit der Kirche verbunden zu fühlen oder sich ihr sogar definitiv zu übereignen. 1058 AD-LIMINA-BESUCHE Für Bischöfe und Priester sind Predigt und Katechese die wesentlichen Instrumente der Glaubensvermittlung. Durch eingehendes Studium, Reflexion, Prüfung und Gebet müssen sie sich die heilbringende Wahrheit Christi stets zu eigen machen, um eine den heutigen Anforderungen entsprechende fest verwurzelte Sicht des Glaubens weitergeben zu können. Eure Aufgabe ist die mutige Verkündung der Wahrheit, auch wenn das, was ihr lehrt, manchmal nicht der im gesellschaftlichen Bereich anerkannten Meinung entspricht, in der Überzeugung, dass die Person und die Lehre Jesu Christi für die Bedürfnisse der heutigen Kultur nicht nebensächlich sind, sondern im Gegenteil die tiefste Bedeutung alles Menschlichen offenbaren. 5. In der Neuevangelisierung müssen Ehe und Familie Gegenstand intensiver pas-toraler Aufmerksamkeit sein. Jungen Menschen muss geholfen werden, jene hochherzige, hingebungsvolle und pflichtbewusste Haltung zu entwickeln, die die Ehe erfordert. Ehevorbereitungskurse sollten dazu dienen, den Paaren die Natur der christlichen Ehe voll verständlich zu machen, und ihnen ermöglichen, die entsprechende Verantwortung zu übernehmen. Pfarrgemeinden und katholische Vereinigungen können Ehepaaren und Familien bei der Organisation der Erwachsenenkatechese, von Exerzitien, Beratungen oder Familientreffen behilflich sein, die der gegenseitigen Ermutigung dienen. Wir brauchen neue Ideen und frische Energie, um den Bedürfnissen von Eheleuten in Schwierigkeiten zu begegnen, insbesondere um jene Frauen umgehend und wirksam zu unterstützen, die über die Annahme oder Nichtannahme des ungeborenen Lebens in ihnen entscheiden müssen. Ein Aspekt der Neuevangelisierung ist die energische Verteidigung des Rechts auf Leben, dem grundlegendsten aller Menschenrechte, grundlegender als das „Recht auf Entscheidungsfreiheit“ des einzelnen Menschen, von Gruppen oder Regierungen. Sie ruft die Gläubigen auf, der kirchlichen Soziallehre stets größere Beachtung zu schenken und sich stets aktiver für die Förderung von Wahrheit und Gerechtigkeit im öffentlichen Leben und in den zwischenmenschlichen Beziehungen einzusetzen. Sie verlangt konkrete Solidarität gegenüber den schwächeren gesellschaftlichen Sektoren und all jenen, die am Rande der wirtschaftlichen Entwicklung stehen. 6. Auf die Kraft der mit der Bischofsweihe verbundenen Gnade Gottes vertrauend, muss der Bischof darauf bedacht sein, all jenen Erleuchtung und Ermutigung zu bringen, die mit ihm die Last des Amtes teilen. Die enge Beziehung zu seinen Priestern muss von Hirtenliebe, bereitwilligem Zuhören und aufrichtiger Sorge für ihr spirituelles und menschliches Wohl gekennzeichnet sein. Wenn Priester unter dem Druck der sie umgebenden Kultur und dem skandalösen Verhalten einiger ihrer geistlichen Brüder leiden, ist ihnen nahezulegen, durch die Vertiefung ihrer priesterlichen Identität und Sendung Kraft zu schöpfen. Stets habe ich euch im Leid und im Gebet nahe gestanden und dem „Gott allen Trostes“ (2 Kor 1,3) diejenigen anvertraut, die von Priestern oder Ordensleuten sexuell missbraucht worden 1059 AD-LIMINA -BES UCHE sind. Ferner müssen wir dafür beten, dass jene, die dieser Vergehen schuldig sind, das Verwerfliche ihres Handelns erkennen und um Vergebung bitten. Diese Skandale und eine eher soziologische als theologische Auffassung von der Kirche lassen hin und wieder Stimmen laut werden, die eine Änderung des Zölibats fordern. Dennoch können wir die Tatsache nicht ignorieren, dass die Kirche den Willen Gottes durch die innere Führung des Heiligen Geistes (vgl. Joh 16,13) erkennt und die lebendige Tradition der Kirche, aus tiefen theologischen und anthropologischen Gründen, eine klare Bestätigung der Übereinstimmung des Zölibats mit dem sakramentalen „Charakter“ des Priesteramtes ist. Die mit der Wahrung der Keuschheit verbundenen Schwierigkeiten sind nicht Grund genug, um die Vorschrift des Zölibats abzuschaffen. Vielmehr „gibt der Geist der Kirche das Vertrauen, daß der Vater die Berufung zum ehelosen Leben ... großzügig geben wird, wenn nur diejenigen, die durch das Sakrament der Weihe am Priestertum Christi teilhaben, zusammen mit der ganzen Kirche demütig und inständig darum bitten“ (vgl. Presbyterorum Ordinis, Nr. 16). Über das fünfzigjährige Jubiläum meiner eigenen Priesterweihe nachdenkend, habe ich in Geschenk und Geheimnis daran erinnert, dass die Berufung zum Priesteramt ein Geheimnis der göttlichen Erwählung ist, das nur durch seine Liebe für den Berufenen geweckt wird. Es ist ein Geschenk, das unendlich weit über den Menschen hinausgeht: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Diese Worte sind eine Herausforderung an die Priester, trotz persönlicher Schwäche und Versagen das Gute und die einzigartige Bedeutung ihrer Berufung zu bekräftigen. Sie sollten nicht zögern, junge Männer zu jener radikalen Hingabe aufzufordem, die das Priesteramt erfordert: „ Es ist der Zeitpunkt gekommen, mutig und beherzt vom Leben des Priesters als einem unschätzbaren Wert und einer herrlichen und bevorzugten Weise christlichen Lebens zu sprechen“ {Pastores dabo vobis, Nr. 39). In tiefer Dankbarkeit für die Heiligkeit, das Zeugnis und die Einsatzbereitschaft zahlreicher irischer Priester der Vergangenheit und der Gegenwart ermutige ich euch, das Ideal des priesterlichen Lebens zu bekräftigen und die gesamte kirchliche Gemeinschaft an die mit der Priesterweihe verbundene außerordentliche Gnade zu erinnern, jene einzigartige sakramentale Gleichförmigkeit mit Christus, durch die der Priester Christus für andere wird: ein wirksames Zeichen der erlösenden Gegenwart Gottes. Sein Streben nach Heiligkeit und persönlicher Reife, sein Beispiel christlicher Tugend und Integrität, seine Hirtenliebe für alle, das sind die Voraussetzungen für einen aufrichtigen und fruchtbaren Dienst, und das, was die Gläubigen berechtigterweise von denjenigen erwarten, die dem Ruf des Herrn gefolgt sind. 7. Auch der Wert eines echten, dauerhaften, auf die Gemeinschaft ausgerichteten geweihten Lebens ist von unschätzbarer Bedeutung für die Neuevangelisierung. Auf der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends braucht die Kirche ein lebendiges und anziehendes Ordensleben, ein Zeugnis der Erhabenheit Gottes und 1060 AD-LIMINA-BESUCHE des Wertes „ der totalen Selbsthingabe im Bekenntnis zu den evangelischen Räten“ (Vita consecrata, Nr. 3). Da viele Kongregationen vor dem Problem des Berufungsrückgangs und des zunehmendem Alters ihrer Mitglieder stehen, sollten die Bischöfe ihnen helfen, das Vertrauen in ihre Weihe und Sendung erneut zu festigen. Jeder Aspekt der kirchlichen Präsenz in der Welt, einschließlich aller Formen des geweihten Lebens, ist Frucht und Ausdruck der heilbringenden Menschwerdung, des erlösenden Todes und der Auferstehung Christi. Das geweihte Leben verdeutlicht auf verschiedene Art und Weise den keuschen Christus, den armen Christus und den gehorsamen Christus, kurz, den „Heiligen Gottes“. Dieses Zeugnis ist von derartiger Bedeutung für das Leben jeder Teilkirche, dass sich der Bischof nach besten Kräften für die Förderung und Unterstützung dieser im Herz und in der Mitte der Kirche stehenden Berufung einsetzen sollte, denn sie offenbart das innerste Wesen der christlichen Berufung und bringt das Streben der ganzen Kirche als Braut nach der Vereinigung mit dem Bräutigam zum Ausdruck (vgl. Vita Consecrata, Nr. 3). 8. Eine Veijüngung des Glaubens in Irland kann nur von einer wahren Erneuerung des liturgischen und sakramentalen Lebens ausgehen. Insbesondere in der Eucharistie, Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens, fuhrt der Heilige Geist die Gläubigen zu einer tiefen und erneuernden Begegnung mit dem Herrn und schenkt jene Gnade, die ihnen ermöglicht, das Evangelium zu leben und es durch ihre Taten zu bezeugen. Brauchen wir nicht gerade heute, wenn vieles in der gegenwärtigen Kultur im Bereich des Vergänglichen und Oberflächlichen zu bleiben scheint, die kontemplative Dimension der Liturgie und die Verehrung der wahren Gegenwart, die so kennzeichnend für das katholische Leben in Irland waren? In dieser Hinsicht habe ich in vielen Pfarrgemeinden Irlands mit Freude eine Erneuerung in der Verehrung des allerheiligsten Altarsakraments feststellen können, ein Zeichen, dass die Gläubigen noch immer ein starkes Bewusstsein für den wesentlichen und lebensspendenden Aspekt ihres Glaubens haben. Durch die an die gesamte Kirche gerichtete Aufforderung zur intensiven Feier des „Gnadenjahres“ sollte das an die Geburt Christi erinnernde Jubeljahr zu einem „Jahr des Erlasses der Sünden und der Strafen für die Sünden, einem Jahr der Versöhnung zwischen den Gegnern, einem Jahr vielfältiger Bekehrungen und sakramentaler und außersakramentaler Buße“ werden (Tertio millennio adveniente, Nr. 14). Dominierende Tendenzen in der heutigen Kultur schwächen das Bewusstsein der Sündhaftigkeit, insbesondere aufgrund eines verringerten Bewusstseins der Gegenwart Gottes, der ganz heilig ist und sein Volk zum heiligen Leben aufruft. Intensive pastorale Bemühungen sind notwendig, um den Gläubigen verständlich zu machen, was Sünde in Verbindung mit Gott bedeutet, und ihnen infolgedessen zu ermöglichen, die Schönheit und Freude des Bußsakraments tief zu schätzen. Das erfordert die Hervorhebung des Sakraments in diözesanen Pastoralprogram-men und Jubiläumsinitiativen, die die Katholiken zu einer einzigartigen Erfahrung der Erneuerung aufrufen: das individuelle, vollständige Sündenbekenntnis und die 1061 AD-LIMINA-BESUCHE Lossprechung. Die persönliche Natur von Sünde, Umkehr, Vergebung und Versöhnung ist der Grund für das persönliche Bekenntnis und die individuelle Lossprechung (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1484). Aus dem gleichen Grund sind allgemeine Sündenbekenntnisse und Lossprechungen nur in von liturgischen und kanonischen Bestimmungen eindeutig festgelegten Fällen absoluter Notwendigkeit angebracht (vgl. ebd., Nr. 1483; Codex des kanonischen Rechts, Nm. 961-963). Zwanzig Jahre sind seit meinem Pastoralbesuch in eurem Land vergangen. Bei jener Gelegenheit konnte ich persönlich feststellen, dass im Mittelpunkt des katholischen Lebens in Irland eine Kombination von Kontemplation und Mission steht, jenen beiden Säulen, mit denen notwendigerweise jede Evangelisierung steht und fällt. Diese Kombination inspirierte auch den hl. Patrick, den hl. Comgall, die hl. Brigitta, den hl. Columban, den hl. Oliver Plunkett, die irischen Märtyrer und zahlreiche heilige Männer und Frauen der heutigen Zeit, alles für Christus aufzugeben und das Evangelium zu verkünden. Möge die bevorstehende Feier des Großen Jubeljahres den Geist des Gebets und der Sendung neu beleben, damit die verjüngte und erneuerte Kirche Irlands voll Vertrauen dem kommenden Jahrtausend entgegensehen kann. Indem ich euch und alle Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen der Fürsprache Unserer Lieben Frau, der Königin von Irland, anvertraue, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Priester und Katecheten als Bildner des Volkes Gottes Ansprache anlässlich des Ad-limina-Besuchs der Bischöfe von Kamerun am 1. Juni Herr Kardinal, Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine besondere Freude, euch Bischöfe der katholischen Kirche von Kamerun während eurer Pilgerreise zu den Gräbern der Apostel, die die Bande zwischen euch und der Universalkirche noch weiter festigt, zu empfangen. Durch diese Reise erhaltet ihr die Freude und den Mut, euer Bischofsamt auf neue Art zu leben. Der Besuch Ad-limina ist auch die Zeit, in der ihr den Nachfolger Petri und seine Mitarbeiter trefft, um bei ihnen die nötige Unterstützung für euren pastoralen Auftrag zu finden. Herzlich danke ich dem Vorsitzenden eurer Bischofskonferenz, Msgr. Andre Wouking, Bischof von Bafoussam, für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Sie schildern in wesentlichen Zügen die Sorgen und Hoffnungen der heutigen Kirche in Kamerun. 1062 AD-LIMINA-BESUCHE Durch euch wende ich mich an die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen, Katecheten und an alle Gläubigen eurer Diözesen. Überbringt ihnen den herzlichen Gruß des Papstes und die Zusicherung seines Gebets, damit sie im Glauben an Christus und in der Liebe zum Nächsten wachsen. Darüber hinaus sollt ihr allen Kamerunesen, deren Aufiiahmebereitschaft und Großzügigkeit ich mich während meiner beiden Reisen in ihr Land erfreuen durfte, meine herzlichen Grüße aus-richten. 2. Im Laufe der letzten Jahre hat die katholische Kirche bei euch eine bemerkenswerte Vitalität bewiesen, die ihren Ausdruck insbesondere in der Schaffung mehrerer neuer Diözesen und einer neuen Kirchenprovinz gefunden hat. Ganz speziell begrüße ich die Bischöfe, die zum ersten Mal zum Ad-limina- Besuch hierher gekommen sind. Inmitten des euch anvertrauten Volkes sollt ihr wahre Diener Christi und seiner Kirche sein! Ich habe immer noch die Erinnerungen an meine Reise nach Yaounde zum Abschluß der Afrikasynode vor Augen und wünsche von Herzen, dass das Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa für jeden von euch die Charta seines seelsorgerischen und missionarischen Auftrags sei. Heutzutage brauchen die christlichen Gemeinschaften Hirten, die Männer des Glaubens sein müssen, bescheiden und mutig, mit gutem Unterscheidungsvermögen ausgestattet, mit einer Einstellung der Aufnahme und des Dialogs gegenüber allen Menschen, als Zeichen der Ankunft des Reiches Gottes und bereit, sich für die Ausdehnung dieses Reiches einzusetzen. In oft schwierigen Situationen menschlichen Schicksals, die besonders von der Wirtschaftskrise und der Armut zahlreicher Bevölkerungsgruppen gezeichnet sind, müssen sie Sämänner der Hoffnung sein. Durch ihre klaren und wahren Worte können sie ohne jedes Hindernis für die Katholiken - aber auch für die Menschen guten Willens - sichere Führer auf der Suche nach der Wahrheit sein. Das II. Vatikanische Konzil hat bestätigt, dass der Lehrauftrag für die bischöfliche Sendung wesentlich ist. In Gemeinschaft mit dem Römischen Pontifex sind die Bischöfe „authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer. Sie verkündigen dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben und erklären sie im Licht des Heiligen Geistes, indem sie aus dem Schatz der Offenbarung Neues und Altes Vorbringen (vgl. Mt 13,52). So lassen sie den Glauben fruchtbar werden und halten die ihrer Herde drohenden Irrtümer wachsam fern (vgl. 2 Tim 4,1—4)“ (Lumen Gentium, Nr. 25). Wenn ihr wahre Erzieher der Christgläubigen seid, ermöglicht ihr ihnen eine Vertiefung ihres Glaubens, vor allem indem ihr ihnen dabei helft, den Glauben nicht von ihrem Leben zu trennen, und indem ihr ihnen den tiefen Sinn für das christliche Gebet beibringt. Lehrt sie, treu auf das Evangelium zu hören, um ihm den ersten Platz in ihrem Dasein einzuräumen! Auf diese Weise werden sie lernen, diejenigen ihrer Praktiken, die noch im Widerspruch zum christlichen Glauben stehen und sie daran hindern, die Gnade ihrer Taufe vollkommen zu leben, besser zu erkennen und sich davon zu trennen. 1063 AD-LIMINA-BESUCHE 3. Bei der Aufgabe zum Aufbau und zur Bildung des Gottesvolkes spielen eure Priester eine besondere Rolle. Ich grüße sie ganz herzlich und ermutige sie, immer und in jeder Lebenslage glaubwürdige und großzügige Diener Christi und seiner Kirche zu sein, die stets darum bemüht sind, ihre Gemeinschaft mit euch zu entwickeln. In der heutigen Gesellschaft bestehen zahlreiche Hindernisse, die sich der Treue zu den am Tag der Weihe übernommenen Verpflichtungen in den Weg stellen; zahlreich sind auch jene Hindernisse, die die Menschen davon abhalten, das Priesteramt als einen Dienst für Gott, Kirche und Welt anzusehen. Eure Priester sollen den Mut nicht sinken lassen! In euch sollen sie Brüder finden, die ihren Schwierigkeiten aufgeschlossen und bereit sind, sie aufzunehmen, ihnen zu vertrauen, ihnen beim Verständnis des Evangeliums zu helfen und sie in ihren Anstrengungen für eine größere Heiligkeit ihres Lebens - die die höchste Form des Zeugnisses vor den Gläubigen ist! - mit starker Hand zu unterstützen. Jeden eurer Priester möchte ich erneut mit Nachdmck auf die Dringlichkeit hin-weisen, auf dem Weg eines soliden Geisteslebens voranzuschreiten, das tief von missionarischer Dynamik geprägt ist; diese soll sie in ihrer Angleichung an Christus wachsen und an seiner pastoralen Liebe teilhaben lassen. Sie sollen nicht vergessen: „Der wesentliche Gehalt der pastoralen Liebe ist die Verfügbarkeit des eigenen Ich als ganzheitliche Selbsthingabe an die Kirche, nach dem Vorbild und in Teilnahme an der Hingabe Christi“ (Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 23). Diese ganzheitliche Selbsthingabe müssen die Priester vor allem im Zölibat zum Ausdruck bringen; es ist eine Gnade des Herrn, und alle müssen sich bemühen, sie zu leben. In der Tat ist die Praxis der vollkommenen und ständigen Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen „ein Zeichen und zugleich ein Antrieb der Hirtenliebe und ein besonderer Quell geistlicher Fruchtbarkeit in der Welt“ (Presbytero-rum ordinis, Nr. 16). Vor den Menschen bezeugen sie auf diese Weise außerdem, dass sie sich in ungeteilter Hingabe der ihnen anvertrauen Aufgabe widmen wollen, und sie sind ein lebendiges Zeichen der zukünftigen, schon jetzt in Glaube und Liebe anwesenden Welt (vgl. ebd.). Ich lade jeden eurer Priester ein, der ständigen Weiterbildung den vorrangigen Platz einzuräumen, der ihr in seinem Priesterleben zusteht. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung - in jedem Alter und jeder Lebenssituation - um das eigene Sein und Handeln im Geiste Christi, des Guten Hirten, zu bewahren. Diese Weiterbildung beinhaltet die menschliche, intellektuelle, spirituelle und seelsorgerische Dimension der Existenz und ist daher eine wertvolle Hilfe zur Erreichung und Unterstützung der innerlichen Einheit der Priester. Ich fordere sie auf, untereinander zusammenzuarbeiten und - wenn nötig — Formen des Gemeinschaftslebens und des Teilens zu entwickeln, durch die sie ihre priesterliche Brüderlichkeit, als Ausdruck der Einheit der um ihren Bischof gescharten Priesterschaft, vertiefen können. Ich kenne eure Aufmerksamkeit gegenüber den Priesterberufüngen und der Erstausbildung der künftigen Hirten eurer Diözesen. Die menschliche, intellektuelle und pastorale Formung der Priesteramtskandidaten in den Seminaren stellt eine 1064 AD-LIMINA-BESUCHE wichtige und nötige Grundlage der Vorbereitung auf ihr Amt dar. Es ist allerdings wesentlich, eine spirituelle Bildung zu entfalten, die sie in eine tiefe Gemeinschaft mit Christus einfuhrt; durch eine Haltung des kindgleichen Vertrauens zum Vater und der Unterwerfung gegenüber dem Heiligen Geist werden sie ganz eng mit der Kirche verbunden und ihrem Auftrag treu bleiben. Die Erzieher, denen ich für ihren großherzigen Dienst danke, sollen stets darum besorgt sein, menschlich und geistig solide Hirten heranzubilden! 4. Die Beteiligung der Ordensmänner und Ordensfrauen am Leben der Kirche in eurem Land ist beachtlich. Mit euch danke ich dem Herrn für diese Generationen von Männern und Frauen aus anderen Erdteilen, die das Evangelium Christi in eure Region gebracht haben und seit über einem Jahrhundert mit selbstlosem Mut und zum Preis großer Opfer für den Aufbau einer autochthonen Kirche arbeiten. Heute macht ihre Gegenwart die Universalität der Kirche sichtbar und ist ein Aufruf zum gegenseitigen Austausch/Teilen der menschlichen und geistigen Ressourcen zwischen den Ortskirchen. Ich bestärke sie in ihrem pastoralen Dienst für eure Gemeinschaften und in ihrer Sorge um die gesamte Bevölkerung, besonders durch die gesundheitlichen und sozialen Einrichtungen und durch die Initiativen im Bereich der Erziehung und der Förderung des Menschen, die Zeichen der Liebe Gottes zu den Bedürftigsten sind. Mein Wunsch ist auch, dass die Institute geweihten Lebens, die in eurer Region gegründet worden sind, sich vollkommen entfalten und ihrerseits eine missionarische Tätigkeit jenseits der Grenzen ihrer Länder entwickeln können. Andererseits ist es im Hinblick auf den vollen Ausdruck der Verwurzelung des Evangeliums wünschenswert, dass das kontemplative Leben, das in manchen eurer Diözesen schon Fuß gefasst hat, sich noch weiter ausbreiten kann, um ein einzigartiges Zeugnis der Liebe der Kirche zum Herrn zu bieten und um mit einer geheimnisvollen apostolischen Fruchtbarkeit zum Wachstum des Volkes Gottes beizutragen (vgl. Apostolisches Schreiben Vita Consecrata, Nr. 8). 5. Bei der Einpflanzung und Entwicklung der Kirche spielen auch die Katecheten eine wesentliche Rolle in der christlichen Gemeinschaft. Ich bin ihnen aufrichtig dankbar für ihr missionarisches Engagement, das sie unter manchmal schwierigen Bedingungen übernommen haben. Eine vertiefte lehramtliche und pädagogische Vorbereitung, eine ständige spirituelle und apostolische Erneuerung und die Notwendigkeit, ihnen einen angemessenen Lebensstandard zu garantieren: All das sind Bedürfnisse, die zu den vorrangigen Sorgen der Bischöfe und Priester, die sie begleiten, zählen müssen. Innerhalb der Gemeinschaft tragen die Katecheten in der Tat die Verantwortung, wahre Zeugen des Evangeliums zu sein durch ein vorbildliches persönliches und familiäres Leben, das ihrer Lehre eine erhöhte Wirkkraft verleiht. Jedem von ihnen wünsche ich, sich den Anforderungen ihrer Berufung und des Vertrauens, das die Kirche auf sie setzt, immer besser bewusst zu werden - zum Wohle der ganzen christlichen Gemeinschaft. 1065 AD-LIMINA -BES UCHE 6. Das Engagement der Laien im Leben der Kirche und der Gesellschaft stellt eine wesentliche Dimension ihrer Berufung als Getaufte dar. Das Geheimnis der Gemeinschaft, die die Christen untereinander und mit dem Herrn verbindet, verpflichtet sie zum Aufbau einträchtiger Gemeinden, in denen jeder seinen Platz hat, ohne Unterschied in Bezug auf Herkunft oder sozialen Stand, also aufgeschlossener und großzügiger Gemeinden, die zum Teilen der erhaltenen Gnaden mit allen Menschen bereit sind. Denn „die christliche Würde, die Ursprung der Gleichheit aller Glieder der Kirche ist, gewährleistet und fordert den Geist der communio und der Brüderlichkeit und ist zugleich Geheimnis und Kraftquelle der apostolischen und missionarischen Dynamik der Laien“ (Apostolisches Schreiben Christifideles laici, Nr. 17). Auf diese Weise kann die Kirche als Familie Gottes wachsen. Im Übrigen sind die Laien dazu berufen, ihr Christsein im Sozialleben und im Dienst für die Gemeinschaft zu offenbaren. Durch ihren Einfluss und ihre Beziehungen tragen sie zur Verwandlung der Mentalitäten und Strukturen bei, damit sie dem Plan Gottes für die Menschheitsfamilie besser entsprechen. Dazu benötigen sie eine Ausbildung, die ihnen hilft, ein harmonisches christliches Leben zu führen und die Anforderungen des Evangeliums im Sozialleben umzusetzen. Eine ernsthafte Einführung in die Soziallehre der Kirche wird es ihnen ermöglichen, ihren wirksamen Beitrag zur solidarischen Entwicklung der Nation zu leisten, in die alle Menschen einbezogen werden und sich beteiligen sollen. Die Suche nach dem Gemeinwohl umfasst auch die Pflicht, alle Formen der Korruption, der Verschwendung oder Veruntreuung - zum Vorteil weniger Leute - von Gütern, die der Allgemeinheit gehören, mutig zu bekämpfen. Der Papst führ auf Englisch fort: 7. Die Erziehung junger Menschen sollte eine primäre Sorge aller sein. Das II. Vatikanische Konzil bemerkte: „Die wahre Erziehung erstrebt die Bildung der menschlichen Person in Hinordnung auf ihr letztes Ziel, zugleich aber auch auf das Wohl der Gemeinschaften, deren Glied der Mensch ist und an deren Aufgaben er als Erwachsener einmal Anteil erhalten soll“ (Gravissimum educationis, Nr. 1). Als Teil ihrer Sendung muss die Kirche allen, die dies wünschen, eine sittliche und religiöse Erziehung anbieten. Daher spielen die katholischen Schulen eine besondere Rolle. Trotz der Schwierigkeiten, mit denen sie in eurem Land heutzutage konfrontiert werden, sind sie aufgerufen, diese Sendung in einem Geist der Offenheit gegenüber allen zu erfüllen, ungeachtet ihrer Herkunft, ihres sozialen Standes oder ihrer Religion. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist die menschliche, kulturelle und religiöse Ausbildung der Erzieher, denn nur diese Ausbildung kann die Weitergabe der Werte gewährleisten. Das Zeugnis des eigenen Lebens ist schon an sich ein wesentliches Element der Wahrheit, die von den katholischen Schulen vermittelt wird. Zur französischen Sprache zurückkehrend, sagte der Papst: 8. In der heutigen Gesellschaft sind Ehe und Familie verschiedenen Bedrohungen ausgesetzt, die darauf abzielen, sie zu zerstören oder zumindest zu entstellen, wo- 1066 AD-LIMINA-BESUCHE bei sogar das Gleichgewicht der Gesellschaft als solche in Gefahr gebracht wird. Deshalb muß dringend eine Art der Katechese durchgesetzt werden, die die Größe und Würde der ehelichen Liebe im Plan Gottes und auch die sich daraus ergebenden Fordemngen darstellt. Die Gläubigen müssen ein stärkeres Bewusstsein für die Tatsache entwickeln, dass sie im Sakrament der Ehe eine besondere Gnade empfangen, die ihre Liebe vervollkommnen und die Einheit und Unauflöslichkeit des Ehepaares stärken soll. Kraft dieser Gnade fördern sich die Gatten gegenseitig zur Heiligung im ehelichen Leben sowie in der Annahme und Erziehung der Nachkommenschaft (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1641). Ich freue mich über das Zeugnis der Treue und Tatkraft zahlreicher glücklicher christlicher Haushalte; sie werden so ihrerseits zu lebendigen Vorbildern einträchtiger Familien, die für die anderen aufgeschlossen und in Schwierigkeiten solidarisch sind. Ich lade euch daher ein, zusammen mit euren Priestern und den Verantwortlichen eurer Diözesen für die Familienpastoral entschlossen die Bemühungen fortzusetzen, die ihr unternommen habt, um den Christen - vor allem den Jugendlichen - zu helfen, die Werte des Ehe- und Familienlebens anzunehmen, und um sie bei ihrer Vorbereitung auf die christliche Ehe - und auch danach in ihrem künftigen Leben als Eheleute und Eltern - zu begleiten. Eigentlich trägt die ganze Kirchengemeinschaft die Verantwortung für die Förderung der Evangelisierung in den Familien, denn diese sind berufen, immer mehr zu einer Gemeinschaft des Lebens und der Liebe zu werden, als „lebendiger Widerschein und wirkliche Teilhabe an der Liebe Gottes zu den Menschen und an der Liebe Christi, unseres Herrn, zu seiner Braut, der Kirche“ (Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, Nr. 17). 9. Eure Diözesen haben schon in der Vergangenheit bedeutende Anstrengungen zur Inkulturation des christlichen Glaubens unternommen, vor allem auf dem Gebiet der Liturgie und der Katechese. Die Art und Weise, den Glauben zu leben, ist immer von der Kultur des eigenen Milieus geprägt. So kann man sagen: „Die Herausforderung der Inkulturation in Afrika besteht darin, daß die Jünger Christi die Botschaft des Evangeliums immer besser aufhehmen und dabei doch allen echten afrikanischen Werten treu bleiben“ (Apostolisches Schreiben Ecclesia in Africa, Nr. 78). Diese Aufgabe ist eine Pflicht, der tagtäglich und beharrlich nachgegangen werden muß, damit alle Menschen das Evangelium im Innersten ihres Wesens aufnehmen können und das Evangelium reiche Frucht bringen kann. Kamerun ist ein Land der Begegnung, mit einem großen Reichtum verschiedener Kulturen. Die Verkündigung des Evangeliums in jeder von ihnen setzt die Bereitschaft der Christen voraus, die von Gott in seinem Sohn offenbarte Weisheit in diese Kulturen einzubringen. Die Kulturen können trotzdem ihre eigene Identität beibehalten; außerdem schafft diese Verkündigung keinerlei Spaltungen in den Kulturen, denn der christliche Glauben fördert in ihnen all das, was für die Aufnahme der vollkommenen Wahrheit offen ist. Er lädt sie darüber hinaus zur Achtung ihrer Verschiedenheit ein, denn er erkennt darin ein Zeichen des Überflusses der Gaben Gottes an jedes Volk. 1067 AD-LIMINA-BESUCHE In dieser Perspektive ist die Organisation einer wahren Pastoral der Kulturwelt für die Verkündigung des Evangeliums in der Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung. Zu einer Zeit, die oft den Verlust des Sinnes für sittliche Werte und Sorge um die Zukunft erlebt, hat die Kirche die Aufgabe, die Fruchtbarkeit des Glaubens in der Entwicklung der Kulturen zum Ausdruck zu bringen. Ihr sollt euch besonders darum bemühen, das Evangelium in die kulturellen, akademischen und intellektuellen Kreise eures Landes einzubringen, damit es dort eine Quelle der Erneuerung und des geistigen Wachstums für das Wohl aller Menschen sei! 10. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente hatte ich den Wunsch ausgesprochen, dass das dritte, Gottvater gewidmete Vorbereitungsjahr auf das Große Jubiläum 2000 eine Vertiefung des interreligiösen Dialogs nach den Weisungen der Konzilserklärung Nostra aetate erlaubt (vgl. Nr. 53). In eurem Land sind die Beziehungen zu den anderen religiösen Traditionen im Allgemeinen ungestört. Es ist daher angezeigt, diese günstige Zeit zu nützen, um einen wahrlich brüderlichen und respektvollen Geist zwischen den Katholiken und denen, die ihren Glauben nicht teilen - und zwar insbesondere mit den moslemischen Gläubigen —, wachsen zu lassen. Dieser Geist wird ihnen die Zusammenarbeit im Hinblick auf einen ganzheitlichen Fortschritt und auf die Gerechtigkeit ermöglichen. Derselbe Geist der Eintracht soll auch die Beziehungen zu den Anhängern der afrikanischen Naturreligionen beseelen. „Das Licht Christi bringt neues Leben und öffnet die Herzen der Menschen für die anderen. Von der Liebe, die von Gott kommt, beseelt, begegnen die Christen allen ihren Brüdern und Schwestern mit wahrer Freundschaft und Wertschätzung“ (Ansprache in der Kathedrale von Yaounde am. 15.9.1995, 7; in: O.R. dt., 29.9.95). Mit dieser Einstellung wird es klar, dass die effektive, allgemeine Anerkennung des Rechts auf Religionsfreiheit, das die Grundlage der anderen Menschenrechte bildet, dem Aufbau einer solidarischen und brüderlichen Nation nur forderlich sein kann und dass sie zum Erhalt des Friedens und Einvernehmens unter allen Gemeinschaften, aus denen der Staat besteht, beiträgt. 11. Liebe Brüder im Bischofsamt! Zum Abschluss dieses Treffens möchte ich die jungen Kamerunesen nachdrücklich einladen, vor der Zukunft nicht den Mut zu verlieren. Dazu möchte ich den Appell wiederaufnehmen, den ich schon öfters an die afrikanischen Jugendlichen gerichtet habe: Setzt euch für die Entwicklung eurer Nationen ein, liebt die Kultur eures Volkes und verwendet euch für ihre Revitalisierung in Treue zu eurem kulturellen Erbe, durch die Schärfung des wissenschaftlichen und technischen Geistes und vor allem durch das Zeugnis des christlichen Glaubens! (vgl. Apostolisches Schreiben Ecclesia in Africa, Nr. 115). Und ihr Erwachsenen: Helft ihnen, ihren Platz im Leben der Nation und der Kirche einzunehmen! Das Große Jubeljahr 2000 rückt näher, und ich möchte deshalb alle Gläubigen Kameruns auffordem, im Glauben und in der Liebe mit ihren Bischöfen vereint aus dieser Zeit der Gnade eine Zeit der intensiven spirituellen Erneuerung und des 1068 AD-LIMINA-BESUCHE kraftvollen missionarischen Engagements zu machen, damit die Liebe Gottes, des Vaters, in seinem Sohn Jesus offenbart und in Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist, der ganzen Menschheit verkündet werde. Jede eurer Diözesen und euer ganzes Land empfehle ich der Fürsprache der Jungfrau Maria, Mutter Christi und Mutter der Menschen, damit sie euch auf den Wegen zu ihrem göttlichen Sohn leite. Von ganzem Herzen spende ich euch den Apostolischen Segen, den ich auf die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen, Katecheten und alle Laiengläubigen eurer Diözesen ausdehne. Die Jugend auf der Suche nach dem Lebenssinn begleiten Ansprache Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus der apostolischen Region von Quebec (Kanada) am 22. April Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit Freude empfange ich euch, die Hirten der katholischen Kirche in der apostolischen Region Quebec, zu eurem heutigen Ad-limina-Besuch. Dieser Brauch fügt die auf der ganzen Welt verstreuten katholischen Gemeinschaften in die zweitausendjährige Tradition der Kirche ein und bringt eure Verbindung mit dem Papst und seinen Mitarbeitern zum Ausdruck. Herzlich begrüße ich Msgr. Pierre Morissette, euren Vorsitzenden, und jeden von euch, insbesondere die beiden neuen Weihbischöfe von Montreal sowie den maronitischen und den melkitischen Ordinarius. Unser Treffen erlaubt mir in Gedanken eine Begegnung mit den Priestern und Diakonen, die mit Hingabe an eurer Seite tätig sind, mit den geweihten Menschen die sich im Apostolat engagieren und einen speziellen Auftrag des Gebets haben, und mit den Laiengläubigen, die sich tapfer dem Dienst für die Kirche und die Gesellschaft ihres Landes widmen. ln euren Fünfjahresberichten bringt ihr eure Freude darüber zum Ausdruck, dass sich viele Menschen an der Sendung der Kirche beteiligen — ein jeder in seinem besonderen Tätigkeitsbereich. Mit euch möchte ich für diesen neuen Schwung der örtlichen Gemeinschaften danken. Den geweihten Amtsträgem, die eure nächsten Mitarbeiter sind und die Last des Alltags treu auf sich nehmen, sollt ihr die herzliche Ermutigung des Nachfolgers Petri übermitteln. Den Ordensleuten und Laien eurer Diözesen sollt ihr erneut mein Vertrauen und meine Wertschätzung für das aussprechen was sie - vom Herrn geleitet - bewirken. 2. Ihr seid die erste apostolische Region Kanadas, die dieses Jahr ihren fünfjährlichen Besuch macht. Zusammen mit den verschiedenen Gruppen von Bischöfen eures Landes, die in den kommenden Wochen folgen werden, möchte ich einige Themen anschneiden, die für die Kirche heute von Wichtigkeit sind und euch dazu einige Anhaltspunkte zur Betrachtung liefern und zwar im Geist der Aufforderung Jesu an Petrus: „Stärke deine Brüder“ (L/c 22,32). In euren Berichten stellt ihr das Problem „Jugendliche und Seelsorge“ heraus, das ihr mit ihnen besprechen möch- 1069 AD-LIMINA-BESUCHE tet. Auch ich werde heute besonders bei verschiedenen Aspekten dieses spezifischen Auftrags verweilen, ohne jedoch eine vollständige Übersicht der Situationen vor Ort und der Erwartungen der Jugendlichen, die euch ja bekannt sind zeichnen zu wollen. 3. Die Kirche in Quebec besitzt eine reiche Tradition des Engagements für die Jugend, die unsere Hoffnung für die Zukunft ist (vgl. Ecclesia in America, Nr. 47). Ich freue mich über die Aufmerksamkeit die den Jugendlichen gewidmet wird - sei es in den Familien in den Gemeinden in den schulischen Einrichtungen oder auch in den Verbänden. Ich begrüße eure Bemühungen - und auch die zahlreicher Erwachsener, Priester, Ordensmänner und -flauen Eltern und Erzieher -, um den Jugendlichen den Glauben auf erneuerte und ganzheitliche Art nahezubringen. Dabei wird die Gesamtheit der örtlichen Gemeinschaften zu einer Mobilisierung in diesem Sinne aufgefordert, besonders im Hinblick auf das Große Jubeljahr und auf den nächsten Weltjugendtag, der in Rom stattfinden wird. Das Heilige Jahr ist eine unvergleichliche Gelegenheit zu einem neuen Impuls für die Jugendseelsorge. 4. Das Erwachen zum Glauben innerhalb der Familie ist von wesentlicher Bedeutung; es erlaubt dem Kind, auf seiner inneren Suche nach Gott, dem Vater allen Lebens, voranzukommen und die tiefe Wahrheit des christlichen Geheimnisses zu entdecken. Auch das Gebet in der Familie ist ein großer Reichtum, denn es bietet jedem die Möglichkeit, die Worte der Beziehung als Kind des Herrn zu erlernen. Während der inneren Entwicklung des Kindes und wenn es „capax Dei“ wird, wie die Kirchenväter zu sagen pflegten, spielt die Familie eine unersetzliche und eigene Rolle bei seiner menschlichen und geistigen Formung. Die Kindheit ist ein wichtiger Zeitabschnitt für die Entdeckung menschlicher sittlicher und spiritueller Werte. Wie ihr selbst erkannt habt, ist diese Zeit auch oft eine Gelegenheit für die Eltern, sich über ihren eigenen Glauben über ihre Treue zu Christus und über die Übereinstimmung ihres Lebensstils mit dem Evangelium zu befragen. Denn wie können die Eltern auf die anspruchsvollen Fragen der Kleinsten antworten und Rede und Antwort stehen für die Hoffnung, die sie erfüllt, wenn sie sich nicht die Zeit nehmen zur Vertiefung ihrer eigenen christlichen Lebensführung und zur Begegnung mit Christus im Gebet im Lesen der Heiligen Schrift und im Leben der Kirche? Die Kirche muss den Ehepaaren und Familien helfen und sie unterstützen, damit sie sich ihrer Sendung als Erzieher im Glauben bewusst werden und sie voll umsetzen. 5. Ihr habt mich über die Schwierigkeiten in der Seelsorge der Heranwachsenden und Jugendlichen informiert. Ihr weist allerdings auch darauf hin, dass verschiedene Erwachsene sich dämm bemühen sie aufmerksam zu begleiten und dazu all ihre Qualitäten als Seelsorger und ihren Sinn für die Kirche einsetzen. Ich ermutige sie, den Mut nicht sinken zu lassen, auch wenn sie die Erfolge ihrer Bemühungen nicht sofort sehen. Sie dürfen nie vergessen, dass sie Werkzeuge sind, derer sich der Heilige Geist auf geheimnisvolle Weise bedient! In der heutigen Gesellschaft, die ihrem Dasein keinen Sinn anzubieten vermag, tragen die jungen Menschen 1070 AD-LIMINA-BESUCHE Fragen und Leiden mit sich. Diese offenbaren sich in persönlichen und gemeinschaftlichen Verhaltensweisen, die die Menschen um sie zuweilen aus der Fassung bringen können, insbesondere im Falle von Gewalt und Drogen oder selbstmörderischen Einstellungen. „Die Jugend ist die Zeit einer besonders intensiven Entdeckung des eigenen ,Ich’ und des eigenen ,Lebensentwurfes’, die Zeit des Wachsens, das Zunehmen an ,Weisheit’ an ,Alter’ und an ,Gefallen bei Gott und den Menschen’ (Lk 2,52)“ (Christifideles laici, Nr. 46). Erziehung erfordert unendliche Geduld und liebevolle Nähe. Das hilft den Jugendlichen sich selbst zu lieben und zu entdecken, dass sie von Erwachsenen geliebt werden und - durch diese - von Gott, der ihnen vertraut. Ich lade euch ein die Jugendpastoral unter ihnen zu entwickeln und zu stärken, insbesondere durch den Einsatz von jüngeren Leuten die sowohl auf spiritueller als auch auf menschlicher und psychologischer Ebene besonders geschult sind: Priester, Diakone, geweihte Menschen und Laien. Die Jugend braucht Erzieher und geistliche Begleiter, die in ihrer Führungsweise kompetent, weise und einfühlsam sind und sich dämm bemühen, ein fortschreitendes Reifen der Persönlichkeit zu ermöglichen, das Wort Gottes in die Herzen zu säen und sich in den Dienst ihrer Begegnung mit dem lebendigen Christus zu stellen, der ein Weg der Bekehrung, Gemeinschaft und Solidarität ist (vgl. Ecclesia in America, Nm. 7 und 27). In diesem Bereich ist es wichtig, dass die Priester den Jugendlichen ein grundlegendes sakramentales Leben anbieten, vor allem das Sakrament der Vergebung. In der persönlichen Begegnung mit dem Vertreter Christi und durch das persönliche Sündenbekenntnis wird sich der junge Mensch seiner Liebe zum Herrn bewusst und auch der Antwort, die er dem Herrn geben muss; er überlässt seine Schuld dem Herrn; er lernt, in der Wahrheit zu leben, er wird auf seinem Weg geleitet und findet die Mittel zum Kampf gegen die Sünde. 6. Außerdem kann ich nicht oft genug den Priestern, Ordensleuten und Laien mit Zuständigkeit in diesem Bereich ans Herz legen, den Jugendlichen die Erfahrung der spirituellen Leitung vorzuschlagen, um die verschiedenen Etappen ihres Daseins unter dem Blick Gottes zu betrachten, seine Gegenwart zu erkennen und seinen Willen zu tun, der die Quelle tiefer Freiheit ist. Die Begleitung durch einen Erwachsenen, dem der Jugendliche vertraut, wird diesem helfen, die schwierigsten Momente in seinem Inneren zu überwinden, sein eigenes Verhalten zu analysieren, eine Werteskala für seine Entscheidungen anzulegen und eine immer engere Beziehung zu Christus aufzubauen. Außerdem sind die Erwachsenen bei diesem Vorgang der Annäherung Gesprächspartner und Zeugen, die junge Leute benötigen, um ohne Ängste auf ihre Zukunft als Menschen und Christen zu schauen. So können die Jugendlichen den Aufruf Christi zur Ausfahrt auf die offene See mit Vertrauen aufnehmen (vgl. Lk 5,4), sie werden es wagen, ihre christliche Identität offen zutage treten zu lassen, und sie werden zu Missionaren bei ihren Altersgenossen in einer Gesellschaft in der - wie ihr selbst sagt - der Glaube zur Beschränkung auf die Privatsphäre neigt und in der es die Kirche aus diesem Grunde schwer hat, sich zu erkennen zu geben. 1071 AD-LIMINA-BESUCHE Damit die Jugendlichen im Glauben wachsen können, ist es angezeigt, ihnen einen Platz zu sichern und ihnen ihren Teil an Verantwortung zu übertragen, nicht nur in ihrer jeweiligen Altersgruppe, sondern auch innerhalb der Ortsgemeinschaften; auf diese Weise fühlen sie sich als bedeutsamer Teil der ganzen Kirche, die betet, sich zum sonntäglichen Gottesdienst versammelt, ihre Kraft aus dem sakramentalen Leben schöpft und Nächstenliebe wirklich lebt. So wird den Jugendlichen bewusst dass sie von Gesellschaft und Kirche gebraucht werden und dass sie dazu berufen sind, ihren Brüdern zu dienen, um die Zivilisation der Liebe aufzubauen. In euren Diözesen werden regelmäßig größere Versammlungen oder kleinere Gruppen organisiert, um der Jugend bei ihren Überlegungen über das Gefühlsleben und die Berufung zur Ehe zu helfen und ihr so den Sinn und Wert der menschlichen Sexualität zu vermitteln. Ich freue mich über alle Erwachsenen, die sich an diesem erzieherischen Unternehmen beteiligen, und fordere sie auf, ihren Auftrag fortzuführen, um den Jugendlichen die Lehre der Kirche vorzustellen, die ihrer menschlichen und spirituellen Formung als Gerüst dienen wird. In einer Welt, wo die Familie als Einheit brüchig ist und wo die Jugendlichen unter vielerlei tiefen Verwundungen leiden, hat die Kirche die Pflicht, sie zu einem Gefühlsleben zu erziehen, das auf gesunde menschliche und sittliche Werte gründet. So werden sie sich ihrer Verantwortung und ihrer entsprechenden Aufgabe gegenüber dem Ehepartner und den Kindern bewusst und können sich morgen im Eheleben engagieren. 7. Die christlichen Gemeinschaften und Erzieher müssen während des gesamten Kindes- und Jugendalters auf die Entfaltung einer ganzheitlichen Katechese achten, damit die jungen Menschen die Hauptelemente des christlichen Geheimnisses kennen lernen können. In dieser Hinsicht ist es wichtig, die Sakramente der christlichen Initiation weiterführend zu begleiten, so dass die Kinder ein tiefes geistliches und kirchliches Leben erfahren können, das ihnen im Verlauf ihres ganzen Lebens helfen wird. Ich fordere die Gläubigen auf, sich unermüdlich dafür einzu-setzen, dass den Kindern Glauben und christliche Werte vermittelt werden. Ihre Ausbildung darf nicht allein aus einer Unterweisung in wissenschaftlichen und technischen Fächern bestehen. Sie muss vielmehr eine anthropologische sittliche und spirituelle Dimension beinhalten, damit sich die Persönlichkeit der jungen Menschen entfalten kann. Ich möchte die Aufmerksamkeit aller, die in konfessionellen Lehreinrichtungen eine erzieherische Funktion haben, dahingehend wecken, dass die katholische Eigenart und Identität, die ja ein Reichtum sind, weder verloren gehen noch unter den Scheffel gestellt werden. 8. Zu den Hauptelementen des bischöflichen Amtes gehört die Pastoral der Priesterberufungen; es empfiehlt sich, diese Berufungen dank des Einsatzes von charakterstarken und tatkräftigen Priestern und Laien unaufhörlich auszubauen und zu entwickeln, wobei darauf geachtet werden soll, dass auch manchen jungen Priestern eine aktive Rolle in diesem Bereich zugeteilt wird, denn sie können Vorbilder 1072 AD-LIM1NA-BESUCHE und Beispiele sein und sind aufgrund ihres Alters und ihrer Mentalität den folgenden Generationen näher. Sie werden beweisen, dass das Priesteramt eine Quelle der Freude und des inneren Gleichgewichts ist. Die Berufungspastoral erfordert darüber hinaus das Engagement aller Verantwortlichen der Ortskirchen. Es geht darum, das Wort Gottes in das Herz junger Männer zu säen, in ihnen den Wunsch zu wecken, Christus nachzufolgen und den Aufruf des Herrn in seiner Fülle zu vermitteln, also „die Berufung zum Priestertum klar und nachdrücklich als eine reale Möglichkeit für jene jungen Männer vorzuschlagen bei denen sich zeigt, daß sie die entsprechenden Gaben und Anlagen besitzen“ (Pastores dabo vobis, Nr. 39). Es ist auch angezeigt, den radikalen Einsatz deutlich zu machen, den dies voraussetzt, nämlich die Selbsthingabe im Zölibat an Christus für den Dienst an den Brüdern. Mögliche Verwirrungen, die die Verbindung zwischen Priestertum und Zölibat verwischen, können der gesunden Suche der Jugendlichen und ihrem zukünftigen Engagement als Priester nur abträglich sein. Ich freue mich darüber, dass es in manchen Diözesen kleine Seminare gibt, in denen die jungen Leute zwar ihre traditionelle Ausbildung fortsetzen, sich dabei aber auch die Frage nach einer Berufung zum Priesteramt stellen können. Es sind dies Pflanzstätten für Berufungen, die man in keiner Weise vernachlässigen darf. Ich lade alle Priester ein, sich um die Jugendlichen zu kümmern, Berufungen zu wecken und den jungen Menschen den Weg des Priestertums furchtlos vorzuschlagen. 9. Jesus ruft bestimmte junge Männer und Frauen auf, ihm auf ausschließliche Art und Weise nachzufolgen und sich ihm im geweihten Leben ganz zu widmen, um der Welt ein Zeugnis zu bieten, das „vor allem die Bejahung der Vorrangstellung Gottes und der künftigen Güter betreffen [ wird], wie diese sich aus der Nachfolge und Nachahmung des keuschen armen und gehorsamen Christus erkennen läßt, der sich völlig der Verherrlichung des Vaters und der Liebe zu den Brüdern und Schwestern geweiht hat“ (Vita consecrata, Nr. 85). Dieser Aufruf Christi zum geweihten Leben ist ein beredtes Zeugnis für die heutige Welt; es erinnert daran, dass das wahre Glück von Christus kommt und dass die Freiheit des Menschen weder von der Wahrheit noch von Gott getrennt werden kann (vgl. ebd., Nm. 87-91). Ich fordere die Ordensmänner und Ordensfrauen auf, den Jugendlichen klarzumachen, dass ein in radikaler Liebe zu Christus und seiner Kirche hingegebenes Leben glücklich macht. 10. Ich ermutige euch, auch in Zukunft die lebendigen Kräfte der Kirche in Quebec anzuregen, damit alle - in den Familien und Gemeinden in den schulischen Einrichtungen und Bewegungen - sich an diesem Auftrag beteiligen und mit den jungen Menschen gehen, sie bei ihrem Wachstum begleiten und ihnen den Glauben durch ihre Erforschungen vermitteln, so dass sie die Güte des Vaters in der Freude entdecken, von der Frohbotschaft Jesu Christi leben und sich von der Kraft des Heiligen Geistes leiten lassen. So können sie sich öffnen gegenüber dem vom Herrn an sie gerichteten Appell, sich in Brüderlichkeit und Solidarität am 1073 AD-LIMINA-BESUCHE Schöpfungs- und Erlösungswerk zu beteiligen und auf diese Weise erkennen, dass ihr Leben einen Sinn hat und dass es sich lohnt, sich im Priesteramt, im geweihten Leben oder in der Ehe zu engagieren, sich für die Erreichung des Gemeinwohls in der Welt einzusetzen und sich von ganzem Herzen an der Gemeinschaft und Sendung der Kirche zu beteiligen. 11. Zum Abschluss unseres Treffens spreche ich euch meine Ermutigung für euer bischöfliches Amt aus und lade euch ein, eure brüderliche Zusammenarbeit fortzusetzen und euch gegenseitig in eurem Auftrag zu unterstützen. Auf diese Weise werden eure Diözesankirchen enger miteinander verbunden sein und einander beistehen, um eure spezifischen Herausforderungen als auf Christus zentrierte Gemeinschaften im Dialog mit der Welt auftiehmen zu können. Überbringt allen euren Mitarbeitern und dem Volk Gottes, das eurer Fürsorge anvertraut ist, die Grüße des Nachfolgers Petri und richtet besonders den Jugendlichen meine herzliche Zuneigung aus. Ich bitte um die mütterliche Fürsprache der sei. Jungfrau Maria und spende euch und allen Mitgliedern eurer Diözesen von Herzen den Apostolischen Segen. Eucharistie — unwandelbare Wahrheit christlichen Lebens Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus Ontario (Kanada) am 4. Mai Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Von der wunderbaren österlichen Hoffnung erfüllt grüße ich euch, die Bischöfe Ontarios, und freue mich mit euch, dass die österliche Verheißung „nicht zugrunde gehen [läßt]; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Möge der Geist, der Jesus von den Toten auferweckte, in diesen Tagen eures Ad-limina-Besuchs eure Herzen zutiefst bewegen, damit ihr erneut seinen Frieden und seine Freude im priesterlichen Dienst für „das Evangelium Gottes verkostet“ (vgl. Röm 15,16). Ihr kommt aus kleinen und großen Städten, aus den weiten ländlichen Gebieten Kanadas, sowohl aus dem englischen wie aus dem französischen Sprachbereich, und aus den Kirchen des Ostens und des Westens. Aber hier an den Gräbern der Apostel steht ihr als Brüder in hierarchischer Gemeinschaft, als Hirten, die Freuden und Hoffnungen, Leiden und Sorgen des Gottesvolkes tragen, zu dessen Dienern Christus euch berufen hat. Das Amt des Bischofs ist ein komplexer und anspruchsvoller Dienst, dessen zahlreiche Anforderungen gelegentlich unsere Aufmerksamkeit von dem ablenken, was wir im Namen Christi sein und tun sollen. Der Herr gewährt euch diese Zeit hier in Rom, um abzuschalten und euch erneut auf das zu konzentrieren, worauf es ankommt, um euch erleuchtet von der Liebe des Herrn zu seiner Kirche über euer Amt klarzuwerden und mit stets neuem Mut und größerer Zuversicht die Zukunft zu planen. 1074 AD-LIMINA-BESUCHE Der augenblickliche Zeitpunkt ist eine ernsthafte Herausforderung für die katholische Gemeinschaft; aber es ist auch eine gnadenreiche Zeit, und wir, die das Volk Gottes auf seiner Pilgerschaft fuhren, dürfen durchaus nicht das Geschenk übersehen, das uns nun angeboten wird. Wir stehen an der Schwelle eines neuen Jahrtausends, in einer Zeit tiefgreifender kultureller Veränderungen, die wie das nun zu Ende gehende Jahrtausend voller Ungewissheit ist. Dennoch bereitet sich die ganze Kirche trotz komplexer Probleme und zahlreicher Widersprüche auf die Feier des Großen Jubiläums 2000 Jahre seit der Geburt des Erlösers vor in der Gewissheit, dass Gottes Gnade Großes an uns tun wird (vgl. Lk 1,49). Vieles deutet darauf hin, dass Christus, die Fülle göttlichen Erbarmens, auf neue, wunderbare Weise in uns wirkt. Wie in anderen bedeutenden Augenblicken ihrer Geschichte steht die Kirche unter dem Gericht; sie wird danach beurteilt, ob sie fähig ist, die Anforderungen dieser „Stunde der Gnade“ zu erkennen und ihnen zu entsprechen oder nicht. Mehr als andere stehen wir Bischöfe unter dem Gericht: „Von Verwaltern aber verlangt man, daß sie sich treu erweisen“ (1 Kor 4,2). 2. Noch sehr deutlich erinnere ich mich an die Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika. Es könnte wohl kaum anders sein nach der Erfahrung so tiefer bischöflicher „communio“ in der „Sorge für alle Gemeinden“ {2 Kor 11,28). Von Mexiko-Stadt aus gelangte das Apostolische Schreiben Ecclesia in America zu euch und den Priestern, Ordensleuten und Christgläubigen eurer Diözesen als ernsthafte Aufforderung zum Einsatz für die „Neuevangelisierung“. Das Apostolische Schreiben enthält viele sowohl zum Denken als auch zum Handeln anregende Elemente; eines von ihnen möchte ich heute mit euch besprechen. Das Schreiben betont, dass „die Evangelisierung des Stadtlebens eine enorme Herausforderung für die Kirche ist. Ebenso wie die Kirche sich jahrhundertelang der Evangelisierung ländlicher Gebiete gewidmet hat, ist sie heute zu einer methodischen und weitreichenden Evangelisierung im städtischen Kulturbereich berufen“ (Nr. 21). Die Synodenväter riefen zu nichts anderem auf als zu jener Evangelisierung, die ich als „in Eifer, Methode und Ausdrucksform erneuert“ (Ansprache an die Versammlung von CELAM, 9. März 1983, III.) beschrieben habe. Eine solche Evangelisierung ist es die wir auf der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends brauchen, insbesondere in den Großstädten, in denen heute ein stets größerer Prozentsatz der Bevölkerung lebt. Wie die Synodenväter hervorhoben, ist es der Kirche in Europa und in anderen Teilen der Welt bisher gelungen, den ländlichen Kulturbereich zu evangelisieren, aber das ist nicht mehr ausreichend. Nun stehen wir vor einer neuen großen Aufgabe, und es ist undenkbar, dass wir bei der Evangelisierung der Stadtgebiete versagen sollten. „Gott, der euch beruft, ist treu; er wird es tun“ (I Thess 5,24). 3. Das Phänomen der großen Ballungsgebiete ist nicht neu, und die Kirche hat unverzüglich versucht, sich auf die Situation einzustellen. In seinem Apostolischen Schreiben von 1971, Octogesima adveniens, betonte Papst Paul VI., dass die ständig zunehmende und unwiderrufliche Urbanisierung eine große Herausforderung 1075 AD-LIMINA-BESUCHE an die Weisheit, die Phantasie und das Organisationstalent des Menschen ist (Nr. 10). Er hob hervor, dass die Verstädterung in der Industriegesellschaft traditionelle Lebensweisen und -Strukturen zerstört und in den Menschen „eine neue Art der Einsamkeit hervorruft; inmitten einer anonymen Menge sind sie einander fremd“ (ebd.). Auch verursacht sie das, was der Papst als „neues Proletariat“ am Rande der Großstädte bezeichnete, einen „Gürtel des Elends im stummen Protest gegen den von Zentren des Konsums und der Verschwendung ausgehenden Luxus“ (ebd.). Es entsteht eine neue Kultur der Diskriminierung und Gleichgültigkeit, „ein Nährboden für neue Formen der Ausbeutung und Dominierung“, die die Würde des Menschen zutiefst verletzen. Das ist zwar nicht die ganze Wahrheit der modernen Ballungsgebiete, aber sicherlich einer ihrer wesentlichen Aspekte, der die Kirche insbesondere ihre Hirten, vor eine dringende und unumgängliche Herausforderung stellt. Zwar ergeben sich durch Urbanisierung neue Möglichkeiten, werden neue Gemeinschaftsformen geschaffen, zahlreiche Ausdrucksweisen der Solidarität angeregt, aber „im Kampf gegen die Sünde“ (vgl. Hebr 12,4) ist es oft die dunkle Kehrseite der Urbanisierung, die eure unmittelbare pastorale Aufmerksamkeit erfordert. In den Jahren nach 1971 bestätigte der intensiv zunehmende Urbanisierungsprozess die Wahrheit der Worte Pauls VI. Die Synodenväter betonten, dass oft Armut, Aussichtslosigkeit und schlechte Dienstleistungen in ruralen Gebieten für die Umsiedlung der Bevölkerung in die Großstädte verantwortlich sind (vgl. Ecclesia in America, Nr. 21). Die große Anziehungskraft der Städte ist auch durch die Aussicht auf Arbeit und Vergnügen bedingt, die vermeintliche Antwort auf Armut und Langeweile, die jedoch nur neue Formen sowohl des einen als auch des anderen erzeugt. Für viele Menschen, insbesondere die Jugend, wird die Stadt zu einer Erfahrung der Entwurzelung, Anonymität und Diskriminierung, die schließlich zu Identitätsverlust und mangelndem Sinn für die Würde des Menschen führt. Das Ergebnis ist oft jene Gewalttätigkeit, die heute in so vielen Großstädten, nicht zuletzt auch eures Landes, zu finden ist. Ursprung dieser Gewalttätigkeit ist ein auf tiefer Enttäuschung beruhender Protest: Die Stadt verspricht so viel und hält doch so wenig. Dieses Gefühl der Enttäuschung ist auch mit mangelndem Vertrauen gegenüber den Institutionen verbunden, Institutionen politischer, juristischer und erzieherischer Natur, doch auch gegenüber der Kirche und der Familie. In einer solchen Welt, einer Welt großer Mängel, scheint der Himmel verschlossen (vgl. Jes 64,1) und Gott weit entfernt zu sein. Es ist eine zutiefst profane Welt eine eindimensionale Welt, die vielen Menschen wie ein Gefängnis erscheint. In dieser „Stadt der Menschen“ sind wir berufen, die „Stadt Gottes“ aufzubauen; und angesichts einer so beängstigenden Aufgabe sind wir vielleicht versucht wie der Prophet Jona in Ninive den Mut zu verlieren und zu fliehen (vgl. Jona 4,1-3; Octoge-sima adveniens, Nr. 12). Aber wie er es mit Jona tat, so wird Gott selbst auch uns entschieden auf dem für uns bestimmten Weg führen. 4. Die Synodenväter wollten die Neuevangelisierung der Städte nicht auf unbestimmte Art und Weise fordern: Sie präzisierten die einzelnen Elemente pastoraler 1076 AD-LIMINA-BESUCHE Arbeit, die eine solche Evangelisierung erfordert. Sie sprachen von der Notwendigkeit einer „methodischen und intensiven urbanen Evangelisierung durch die Katechese, die Liturgie und auch die eigentliche Art und Weise der Organisation ihrer pastoralen Strukturen“ (vgl. Ecclesia in America, Nr. 21). Wir haben also drei sehr konkrete Elemente: die Katechese, die Liturgie und die Organisation der pastoralen Strukturen, Elemente, die von Grund aus mit den drei Dimensionen des bischöflichen Dienstamtes verbunden sind: lehren, heiligen und leiten. Somit liebe Brüder kommen wir zum Mittelpunkt dessen, was wir, dem Aufruf Christi gemäß, in der Neuevangelisierung sein und tun sollen. Ziel dieser drei Dimensionen ist eine neue tiefere Erfahrung der Gemeinschaft in Christus, die einzige wirksame und bleibende Antwort in einer von Entwurzelung, Anonymität und Ungerechtigkeit gekennzeichneten Zivilisation. Wo diese Erfahrung schwach bleibt, müssen wir damit rechnen, dass sich mehr und mehr Gläubige von der Religion entfernen oder sich Sekten und pseudoreligiösen Gruppen zuwenden, die aus der Entfremdung der Gläubigen Nutzen ziehen und ihre Anhänger unter den aus irgendeinem Grund von der Kirche enttäuschten Christen finden. Man kann nicht mehr erwarten, dass die Menschen spontan in unsere Gemeinden kommen; vielmehr müssen wir für neue missionarische Impulse in den Städten sorgen, mit selbstlosen Männern und Frauen, insbesondere Jugendlichen, die sich im Namen Christi einsetzen und die Menschen einladen, sich der kirchlichen Gemeinde anzuschließen. Hier geht es um ein zentrales Element der Organisation pastoraler Strukturen, unerlässlich für die Neuevangelisierung der Städte. Sie wird der Kirche neuen Schwung geben, ähnlich jener kraftvollen Impulse, die die Geburt der Kirche in eurem Land ermöglichte: insbesondere der heroische Einsatz von Jean de Brebeuf und Isaak Jogues, von Marguerite Bourgeoys und Marguerite d’Youville. Heute ist aber die Stadt unser Ziel, und hier muss ebenso sehr wie früher, aber auf andere Art und Weise, neuer missionarischer Heroismus leuchten. Das wird weitgehend von dem Eifer und der Hingabe der in der Stadtmission tätigen Laien abhängig sein: Sie werden auch den Dienst wirklich eifriger Priester brauchen, die ihrerseits von missionarischem Geist erfüllt sind und diesen in anderen zu wecken wissen. Es ist wichtig, Seminare und Ausbildungshäuser eindeutig als Missionsschulen für die Ausbildung von Priestern anzusehen, die den Gläubigen helfen können, jene neuen Verkünder des Evangeliums zu werden, die die Kirche heute braucht. 5. Wenn die Gläubigen dem Aufruf des Herrn folgen und versuchen, sich der Glaubensgemeinschaft auf intensivere Art und Weise anzuschließen, müssen sie angeleitet werden, in inniger Beziehung zu Christus zu bleiben durch das kulturelle Leben und die von den Synodenvätem erwähnte Katechese. Trotz zahlreicher wesentlicher Veränderungen im heutigen urbanen Kontext bleibt die Pfarrge-meinde der beste Ort für diese Erfahrung (vgl. Ecclesia in America, Nr. 41). Sicher die Pfarrgemeinde muss sich anpassen, um dem schnellen Wandel von heute zu entsprechen, aber ebenso sicher ist, dass sie in der Vergangenheit ihre unglaubliche Anpassungsfähigkeit bewiesen hat, zu der sie auch heute noch fähig ist. 1077 AD-LIMINA-BESUCHE Dennoch muss bei jeder Anpassung dem Geist eindeutig klar bleiben, dass vor allem die Eucharistie die unwandelbare Wahrheit des christlichen Lebens offenbart. So erklärt sich die zentrale Rolle der Liturgie, und notwendigerweise müssen Bischöfe und Priester nach besten Kräften dafür Sorge tragen sicherzustellen, dass das kultische Leben der Kirche auf die wahre Gegenwart des Herrn hingeordnet ist, insbesondere die hl. Messe, denn „die Heiligste Eucharistie enthält ja das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle“ (Presbyterorum Ordinis, Nr. 5). Das erfordert gleichzeitig eine systematische Katechese für Jugendliche und Erwachsene wie auch einen tiefen Geist der Brüderlichkeit unter all jenen, die sich zur Feier des Herrn versammeln. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die Anonymität der Stadt auch auf unsere eucharistischen Gemeinden überträgt. Mit neuen Methoden und Strukturen müssen wir versuchen, Brücken zwischen den Menschen aufzubauen, um effektiv jene Erfahrung der gegenseitigen Annahme und Gemeinschaftlichkeit zu machen, die christliche Brüderlichkeit von uns verlangt. Möglicherweise lässt sich diese Erfahrung und die sie begleitende Katechese eher in kleineren Gemeinden verwirklichen, wie das postsynodale Schreiben betont: „Die Erneuerung der Pfarrgemeinde, die vor allem in den Städten von ganz besonderer Dringlichkeit ist, kann vielleicht erreicht werden, indem wir die Pfarrei als eine Gemeinde von Gemeinden ansehen“ (vgl. Ecclesia in America, Nr. 41). Die Realisierung eines solchen Vorhabens muss mit Vorsicht gehandhabt werden, um neue Spaltungen zu vermeiden; dennoch ist es möglicherweise „einfacher, sich in einem solchen menschlichen Kontext zum andächtigen Hören des Gotteswortes zu versammeln, um in seinem Licht über die verschiedenen Probleme der Menschheit nachzudenken und verantwortungsvolle an der universalen Liebe Christi inspirierte Entscheidungen zu treffen“ (vgl. ebd.). Neben den Pfarrgemeinden müssen sich auch die katholischen Schulen und andere Einrichtungen den zur Evangelisierung der Städte dringend notwendigen pastora-len Anforderungen öffnen, ln dieser Hinsicht sollten sie jedoch dafür sorgen, dass ihre katholische Identität in keiner Weise von Einflüssen beeinträchtigt wird, die mit Verweltlichung verbunden sind. In Kanada sind diese Einflüsse oft sehr stark, und ihr, liebe Brüder, habt ernsthaft versucht, ihnen zu widerstehen. Nachdrücklich fordere ich euch auf, diesen Weg mit Mut und Entschlossenheit fortzusetzen, damit die katholischen Einrichtungen gerade aufgrund ihrer katholischen Identität wirksam zu dem für die Kirche wichtigen Werk der Evangelisierung beitragen können. All das ist zutiefst mit jener Aufsichtspflicht verbunden, die Christus uns Bischöfen anvertraut hat. 6. Doch wir dürfen nie vergessen, dass die Entwicklung pastoraler Strukturen und Strategien einem Ziel allein dient: die Menschen zu Gott führen. Das war die einfache und klare Sicht der Synode, die auch in dem postsynodalen Schreiben zur Geltung kommt. Zweifellos ist es das, wonach die Menschen sich sehnen, auch wenn sie es oft selbst nicht erkennen. Die Heilige Schrift lässt keinen Zweifel daran, dass wir Christus nur innerhalb der christlichen Gemeinschaft begegnen können. 1078 AD-LIMINA-BESUCHE Ohne die Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens und der rettenden Gnade, können wir Christus nicht finden. Ohne die Kirche würden wir zweifellos eine Vorstellung von Christus schaffen, während es doch unsere eigentliche Aufgabe ist, uns von ihm nach seinem Ebenbild schaffen zu lassen. Auch das Neue Testament gibt eine präzise Darstellung von der Begegnung mit Christus. Das wird vor allem in der Osterzeit deutlich wenn wir die Berichte von den Erscheinungen des auferstandenen Herrn lesen. Sie waren die eigentliche Saat des Christentums als einer Religion nicht nur der Erleuchtung, sondern vor allem der Begegnung. Das Evangelium lehrt uns, dass die Begegnung mit Christus stets unerwartet beunruhigend und auftraggebend ist. Der Ruf Christi wie der Ruf Gottes im Alten Testament gilt denen, die ihn nicht erwarten - zu einer Zeit, an einem Ort und in einer Form die sie nie hätten voraussehen können. Er ist beunruhigend in dem Sinn, dass das Leben nie wieder das gleiche sein wird: stets ist der Ruf Christi von erschütternder Wirkung, wenn er sagt: „Folgt mir nach“ {Mt 4,19), denn er bewirkt grundlegende Veränderungen im Leben. Schließlich beauftragt Christus alle, die ihm begegnen, mit anderen das Geschenk zu teilen, das sie ihrerseits erhalten haben (vgl. Mt 28,19-20). Das ist die dreifache Ausdrucksform der Begegnung mit Christus, die die Menschen tiefer in die Glaubensgemeinschaft eingliedert und das eigentliche Ziel ihres Glaubenswegs in der Kirche bleibt. 7. ln einer der Gegenwart Christi voll bewussten Gemeinschaft wird die „Mcgalo-polis“ jenes Zeichen Gottes finden, das über eine Kultur der Entwurzelung, Anonymität und Diskriminierung hinausweist. Diese Gemeinschaft wird die Kultur des Lebens pflegen, um deren Förderung ihr, liebe Brüder, euch intensiv bemüht habt. Und darauf wiederum wird eine Kultur der menschlichen Würde aufgebaut werden, jener wahre im Schöpfungswerk Gottes verwurzelte Humanismus, der stets ein Zeichen der Erlösungskraft Christi ist. Eine solche Gemeinschaft wird das Samenkorn sein, aus dem sich „die heilige Stadt, das neue Jerusalem das von Gott her aus dem Himmel herabkommt“ (vgl. Offb 21,2), entwickelt. Wir sind es, die die Kirche so gesehen haben: daher „haben wir erfahren, daß es eine Stadt Gottes gibt, und wir sehnten uns danach, Bürger dieser Stadt zu werden“ (vgl. hl. Augustinus, Gottesstadt, XI. 1) „Da werden wir feiern und schauen, schauen und lieben, lieben und preisen“ {ebd., XII, 30. O. Bardenhewer, Bibliothek der Kirchenväter). Mit dem Lobpreis der Heiligsten Dreifaltigkeit in unseren Herzen und auf unseren Lippen wenden wir uns an Maria, „die Mutter Amerikas“ {Ecclesia in America, Nr. 76). Möge sie, durch die das Licht über der Erde aufging, auch euren Weg erleuchten, während ihr mit den euch anvertrauten Menschen durch die Finsternis der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn entgegengeht. Die Kirche in Ontario ihrer immerwährenden Fürsprache anvertrauend und die unendliche Gnade Gottes für euch die Priester Ordensleute und Christgläubigen erflehend, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1079 AD-LIMINA -BES UCHE Auftrag und Sendung der Laien in der Welt Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von New Bmnswick, Newfoundland, Nova Scotia, Prince Edward Island, der Weihbischöfe von Toronto und von Kardinal Ambrozic am 25. September Eminenz, liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. In der Liebe des Heiligen Geistes heiße ich euch, die Bischöfe von New Brunswick, Newfoundland, Nova Scotia, Prince Edward Island wie auch Kardinal Ambrozic und die Weihbischöfe von Toronto zu eurem Ad-limina-Besuch herzlich willkommen: „Gnade sei mit euch und Friede in Fülle durch die Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn“ (2 Petr 1,2). Hier in Rom, an den Gräbern der Apostel Petms und Paulus, erneuert ihr jene Bande der Gemeinschaft, die euch mit dem Nachfolger Petri verbinden, und holt euch neue geistliche Energien, wie euer Amt erfordert. Es sind Märtyrergräber, und sie erinnern in jedem Zeitalter an die Macht des christlichen Zeugnisses und lassen uns daran denken, dass die Kirche durch Hingabe des Blutes entstanden ist - durch das Blut des Lammes, das für immer im Himmel fließt, und das Blut jener, die ihre Gewänder in seinem Blut weiß gewaschen haben (vgl. Ojjb 7,14). Hier feiert ihr das eucharistische Opfer auf Altären, die zum Gedenken an jene errichtet wurden, „die hingeschlachtet worden sind wegen des Wortes Gottes“ (vgl. Offb 6,9); und mit ihnen singt ihr den großen Hymnus der Kirche: „Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit“ (Offb 5,13). Ihr werdet in die Geburtsstunde des Christentums zurückversetzt, um mit mehr Klarheit und Zuversicht in die Zukunft zu blicken, die Gott im anbrechenden Jahrtausend für die Kirche bestimmt hat. 2. Im Mittelpunkt des göttlichen Plans für die Kirche von heute steht ein großes Ereignis der Gnade, das Zweite Vatikanische Konzil. Die seit dem Konzil vergangenen Jahrzehnte waren gewiss nicht problemlos, aber überall lassen sich jene wunderbaren Früchte erkennen, die der Geist hervorbringen kann, wenn wir im Glauben seiner Eingebung folgen. Zweifellos gehört das Aufkommen neuer geistlicher Lebendigkeit und apostolischer Einsatzbereitschaft unter den Laien zu den Früchten, die der Geist in den Jahren nach dem Konzil bewirkt hat. Katholische Laien, Frauen und Männer, leben ihre Taufgnade in einer Art und Weise, die die Fülle der zur Belebung und Verschönerung der Kirche beitragenden Charismen deutlicher erkennen lässt. Die mit den vorherigen Gruppen kanadischer Bischöfe dieser Ad-limina-Reihe begonnenen Überlegungen möchte ich fortsetzen und einige kurze Gedanken über die Beziehung zwischen Priestern und Laien im pastoralen Leben eurer Gemeinschaften und im kirchlichen Zeugnis vor der Gesellschaft mit euch teilen. Wir nennen Bischöfe und Priester gern „Hirten“, entsprechend der biblischen und patristischen 1080 AD-LIMINA-BESUCHE Tradition mit ihrem reichen und sinnträchtigen Bild des Hirten. Manchmal jedoch meldet sich ein Widerstreben dagegen, von den Laien als von einer „Herde“, zu sprechen, so als ob die Laien zu einer streng passiven und abhängigen Rolle verurteilt wären. Keineswegs hat das Konzil das beabsichtigt, und sicherlich ist es nicht das, was die Kirche heute braucht. Daher lohnt es sich, über das Bild der Bibel nochmals nachzudenken, um darin den Sinn von gegenseitiger Ergänzung und Gemeinschaft neu zu entdecken. Das Bild stammt aus einer Welt, in der die Herde die Grundlage des wirtschaftlichen Lebens und der Schlüssel für das Überleben der Menschen war. Die Hirten sorgten für die Ernährung und das Tränken der Schafe und schützten sie Tag und Nacht gegen Raubtiere und Krankheiten; so gesehen lebten die Schafe dank des Hirten. Ihrerseits bedeutete die Herde nicht nur Nahrung, Kleidung und sogar Schutz für den Hirten, sondern auch für die gesamte Familien- oder Stammesgemeinschaft. In diesem Sinn war der Hirt von seiner Herde ebenso abhängig wie die Herde von ihm. Das Bild der Bibel ist somit Ausdruck lebenspendender Gegenseitigkeit: die Schafe leben dank des Hirten, und der Hirt lebt dank seiner Schafe. Die gleiche Sichtweise wird im Brief des hl. Paulus an die Kirche in Thessalonich deutlich: „Jetzt leben wir auf, weil ihr fest in der Gemeinschaft mit dem Herrn steht“ (7 Thess 3,8). Der Apostel rief die Gemeinde ins Leben, die ihm nun aufgrund ihrer Treue Trost spendet und Freude bereitet. 3. Mehr noch, die Schafe werden insbesondere als Nahrungsquelle zum Leib des Hirten. Hier wird die Bildsymbolik derart tiefgründig, dass sie uns zu dem Begriff von der Kirche als Leib Christi hinführt. Jesus Christus ist der ewige Hirt der Herde, in dessen Namen alle Hirten dienen; aber die Herde ist der Leib Christi in der Welt. Wieder haben wir die dramatische Gegenseitigkeit des Sichschenkens, die in diesem Fall nicht nur eine Sache der materiellen Existenz und des menschlichen Überlebens ist, sondern das große Mysterium der Selbstaufopferung Christi zur Erlösung der Welt, das bei jeder Eucharistiefeier vergegenwärtigt wird. Hiermit kommen wir zum Kern des Mysteriums christlichen Hirtentums, denn Christus, der Hirt, ist gleichzeitig auch das Lamm. Er ist der Hirt, eben weil er das Lamm ist. Kein Hirt kann die Herde Gottes wirklich weiden, wenn er nicht eins ist mit dem für die Sünden der Welt getöteten Lamm Gottes. Wir können keine Christus gleichförmigen Hirten sein, ohne das Mysterium seines Kreuzes zu leben (vgl. Phil 3,10). Das gilt für die Hirten der heutigen Kirche ebenso wie damals für die Apostel, deren Gräber ihr als Pilger besucht. Durch ihren Märtyrertod wurden sie vollends mit dem Lamm Gottes vereinigt und somit für immer die Hirten, die „uns von ihrem Platz im Himmel aus noch immer führen“ (vgl. Präfation von den Aposteln I). Was für die Hirten zutrifft, gilt auch für die gesamte Kirche, das priesterliche Volk Gottes in der Welt. Der Kem der gesamten pastoralen Arbeit und jeder Form des Apostolats ist die Einheit mit dem Ostergeheimnis Christi. Indem sie durch die Gnade des Heiligen Geistes eins werden mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn, können alle Getauften am Evangelisierungsauftrag der 1081 AD-LIMINA-BESUCHE Kirche und an ihrem Dienst für die menschliche Familie teilhaben. Hirt und Schafe folgen einer sich gegenseitig ergänzenden Berufung des Dienstes. 4. Eine solche Auffassung der Komplementarität und der Gemeinschaft zwischen Priestern und Laien fuhrt zu spezifischen Lebensformen für die Priester und für die Ausbildung in den Seminaren. Darin tritt klar zutage, dass der Priester ein für einen besonderen Dienst ausgewählter Mensch ist. ln der Liturgie und im pastoralen Auftrag für die Gemeinden setzen die Priester das einzige Priesteramt des obersten Hirten (vgl. 1 Petr 5,4) Jesus Christus fort. Indem er die Herde führt und ihre Gebete leitet, erhebt der Priester sie zu Gott und gibt der christlichen Berufung aller Gläubigen, deren Diener er ist, eine besondere Auszeichnung. Es ist wichtig, dass die Priester gleichzeitig „ausgesondert“ und „Diener“ sind, denn das eine ist Voraussetzung für das andere. Wenn der Priester nicht eindeutig ausgesondert ist, kann er den Dienst, den die Kirche von ihm verlangt, nicht erfüllen; und wenn er nicht wirklich Diener ist, wird er zu einer leeren und unproduktiven Einsamkeit verleitet, die einem wahren Hirten fremd ist. Der priesterliche Zölibat, die Disziplin des Gebets, die Einfachheit im Lebensstil und das Priestergewand sind offenkundige Zeichen dafür, dass der Priester ein Mensch ist, der für den Dienst am Evangelium ausgesondert wurde. Es ist unleugbar, dass solche Zeichen fruchtbringend sind -vor allem in einer Kultur, die mit Beklemmung nach Zeichen der Transzendenz fahndet, einer Kultur, die auf der Suche nach wahren Hirten und glaubwürdigen Zeugen ist. 5. Die einander ergänzenden verschiedenen Berufungen der Priester und Laien müssen den Rahmen für alle Bemühungen bilden, die Kräfte der Kirche im Hinblick auf die Neuevangelisierung Kanadas zu vereinigen. Dieses Einander-Ergän-zen entspricht dem Charakter des Leibes Christi als „Symphonie“: Alle sind Glieder, aber nicht alle haben dieselbe Funktion. Es ist also Vorbedingung für eine Zusammenarbeit, die für die Sendung der Kirche gnadenbringend ist. Das Hirtenamt der Priester ist in keinem Falle eine Methode, die Initiativen der Laien zu ersticken oder das Volk auf eine Haltung der Passivität oder Abhängigkeit zu beschränken. Es ist ganz im Gegenteil angezeigt, Formen des Laienzeugnisses zu fördern. Sie werden nicht nur die Gegenwart der Kirche im Herzen der Welt noch wirksamer machen, sondern auch zahlreiche und gute Priesterberufungen wecken. Man muss sich allerdings bemühen, den Unterschied zwischen Amtspriestertum und Laienbe-rufung nicht zu verwischen, denn das hatten die Konzilsväter gewiss nicht im Auge, als sie eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Priestern und Laien forderten und dabei vor allem versuchten, die Berufung der Laien in Kirche und Welt zu bestätigen. Eine unklare Vorstellung der unterschiedlichen Sendung von Priestern und Laien hat manchmal zu einer Identitätskrise und zu Vertrauensverlust innerhalb des Klerus geführt, aber auch zu Formen des Laienengagements, die allzu kle-rikalisiert oder allzu „politisiert“ sind. Der erste Bereich der Laienberufung ist das Leben in Gesellschaft, Kultur und Unternehmen, das sich weit über die sichtbaren Grenzen der Kirche hinaus er- 1082 AD-LIMINA-BESUCHE streckt. Die Laien, Männer und Frauen, sind darin aufgerufen, ihre Taufberufung zu erfüllen und die Kunst des Christseins in der Welt zu fordern. In unserer Zeit, in der sowohl Kircheneintritte als auch religiöse Praxis abnehmen, könnte es merkwürdig anmuten, dass die Kirche den Akzent auf die weltliche Berufung der Laien setzen möchte. Die Antwort der Kirche auf die Notlage der Gleichgültigkeit, die man oft als „Säkularisation“ bezeichnet, ist aber gerade die Evangelisierungssendung der Laien in der Welt. Die spezifische Aufgabe der Laien von heute, Männer und Frauen, war eines der Hauptthemen des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens Ecclesia in America, worin unter anderem gesagt wird: „Wenn auch das innerkirchliche Apostolat der Laien angeregt werden muß, so doch in einer Art und Weise, daß es nebeneinander mit der den Laien eigenen Tätigkeit besteht, wofür diese nicht durch Priester ersetzt werden können, nämlich im Bereich der irdischzeitlichen Wirklichkeiten“ (Nr. 44). 6. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Zweite Vatikanische Konzil nach den Zerstörungen zweier Weltkriege und im Hinblick auf das kommende Jahrtausend neue Evangelisierungskräfte in der Kirche aufbieten musste. Eine neue Form missionarischen Einsatzes war notwendig, eine neue Evangelisierung, und durch die Gnade des Heiligen Geistes wurde das Konzil zum Instrument, das diesen Dynamismus in Bewegung setzen sollte. Das war der vorrangige Zweck jeder neuen, das kirchliche Leben betreffenden Bestimmung des Konzils. Daher müssen wir sorgfältig jede den Absichten des Konzils nicht entsprechende Form kirchlicher Introversion vermeiden, denn sie würde den für die Erfordernisse des neuen Jahrhunderts notwendigen missionarischen Eifer eher mindern als fordern. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, wir sind aufgerufen, mit dem Ohr eines Jüngers auf das zu hören, was der Geist zu den Kirchen sagt (vgl. Offb 2,7), damit wir als Lehrer im Namen Christi voll Freude mit dem hl. Johannes von Damaskus sagen können: „Oh, glorreiches Volk der Kirche, gewaltiger Berg, rein und klar, das auf die Hilfe Gottes vertraut, in dem Gott ruht, empfange von unseren Lippen den wahren Glauben Christi, makellos, so wie er uns überliefert wurde, der die Kirche auferbaut und festigt“ (Glaubensbekenntnis). Ich bete inständig, dass ihr bei dieser großen pastoralen Aufgabe Erfolg habt, damit die Kirche Kanadas in all ihrer Herrlichkeit als Braut Christi leuchte, der in unendlicher Liebe an ihr Gefallen gefunden hat. Eure apostolische Mission der Fürsprache der Jungfrau Maria anvertrauend, dem allzeit leuchtenden Stern der Evangelisierung, erteile ich euch, euren Priestern, den Ordensleuten und Laien eurer Diözesen von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1083 AD-LIMINA-BESUCHE Christus ist der Herr der Zeit Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Kanadas (Alberta, British Columbia, Manitoba, Saskatchewan, Nordwest-Territorien, Yukon und Nunavit) am 30. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. In der Liebe Christi, „durch den wir Gnade und Apostelamt empfangen haben“ (vgl. Röm 1,5), heiße ich euch, die Bischöfe von Alberta, British Columbia, Manitoba, Saskatchewan, den Nordwest-Territorien, Yukon und des neuerrichteten Territoriums Nunavit, anläßlich eures Ad-Limina-Besuchs willkommen. Das Amt, das uns übertragen wurde, bringt nicht nur große Freuden mit sich, sondern zuweilen auch schwere Belastungen und sogar Kummer. All das tragt ihr zu den Gräbern der Apostel, um erneut aus ihrem ewigen Zeugnis zu erkennen, dass das uns anvertraute apostolische Amt, trotz aller Belastungen und Sorgen, fürwahr eine große Freude für uns und für das ganze Gottesvolk ist, denn es ist nichts anderes als die Freude der Verkündigung des Evangeliums: Sie „ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet“ (Röm 1,16). Wenn ihr diese Freude hier in Rom erneut erfahrt, stärkt ihr dadurch die Bande der hierarchischen Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri und dem gesamten Bischofskollegium. Das ist das sicherste Zeichen und der Schutz der Einheit der Kirche und ihres Festhaltens an dem einen, heiligen, katholischen und apostolischen Glauben. 2. Das nahe Jubeljahr und das neue Jahrtausend ermutigen uns, über das Geheimnis der Zeit nachzudenken, das in der Offenbarung und in der christlichen Theologie eine wesentliche Rolle spielt (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 10). Das ist so, weil die Welt in der Zeit geschaffen und der Plan Gottes für die Erlösung der Welt, der in der Menschwerdung des Gottessohnes seinen Höhepunkt fand, in der Zeit entfaltet wurde. Da die Zeit also der Schauplatz sowohl der Schöpfung als auch der Erlösung ist, die ihre Erfüllung in Christus haben, können wir sagen, dass „in Jesus Christus, dem fleischgewordenen Wort, die Zeit zu einer Dimension Gottes wird, der in sich ewig ist“ (ebd.). Daraus ergibt sich die Pflicht der Kirche, die Zeit zu heiligen; sie tut dies besonders im liturgischen Gedenken an die Ereignisse der Heilsgeschichte und in der Feier besonderer Anlässe und Jahrestage. Diese Heiligung der Zeit ist eine Anerkennung der von der Kirche während der Ostemacht verkündeten Wahrheit, dass Zeit und Ewigkeit Christus gehören (vgl. Osterlichtfeier). „Christus [ist] der Herr der Zeit; er ist ihr Anfang und ihre Erfüllung; jedes Jahr, jeder Tag und jeder Augenblick werden von seiner Menschwerdung und seiner Auferstehung umfangen und befinden sich auf diese Weise in der ,Fülle der Zeit1“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 10; vgl. Incarnationis myste-rium, Nr. 1; Dies Domini, Nr. 15). Die Zeit zu heiligen bedeutet also anzuerkennen, was Gott in Jesus aus der Zeit gemacht hat und wie die Zeit selbst im Ostergeheimnis verklärt wird. 1084 AD-LIMINA-BESUCHE Für die unerlöste Welt ist die Zeit immer ein Schrecken, denn sie fuhrt unweigerlich zur Erfahrung der Grenzen des Lebens und zum Rätsel des Todes. Deshalb befassen sich alle Religionen auf irgendeine Weise mit den grundsätzlichsten Fragen: Was ist der Mensch? Welchen Zweck hat das Leben? Was kommt nach diesem irdischen Leben? (vgl. Gaudium et spes, Nr. 10). In der Auferstehung Jesu Christi wird der Schrecken der Zeit ein für allemal ausgeschaltet, denn wenn schon der Tod in der Ostemacht seinen Stachel verliert (vgl. 1 Kor 15,55), dann trifft dies auch auf die Zeit zu. Die Auferstehung reißt die scheinbar unüberwindliche Barriere zwischen Zeit und Ewigkeit nieder und erschließt den Weg zu einer vollkommenen Erfahrung der Zeit als Geschenk und Herausfordemng. In diesem Sinne fordert Paulus die Jünger Christi auf: „Nutzt die Zeit; denn diese Tage sind böse“ (Eph 5,16). Sein Aufruf ist besonders bedeutsam, wenn er angewendet wird auf die Verantwortung des Bischofs für das Leben der christlichen Gemeinschaft, die seiner Obhut anvertraut worden ist. 3. Im Grunde genommen ist es wegen der Menschwerdung und der daraus folgenden sakramentalen Anschauung (vgl. Orientale lumen, Nr. 11), dass die Kirche so tief in die Welt - in die Zeit und daher in alle menschlichen Dinge - eingetaucht ist. Da das Wort Fleisch wurde, ist der Menschenleib wichtig; die materiellen, sozialen und kulturellen Verhältnisse der Menschheitsfamilie sind wichtig. Da das Wort in der Zeit Fleisch wurde, ist die Menschheitsgeschichte wichtig; das tägliche Leben der Männer und Frauen ist wichtig. Aus diesem Blickwinkel können wir sagen, dass die Kirche in einem ganz positiven Sinne „weltlich“ ist, genauso wie Gott selbst weltlich war, als er seinen Sohn als Menschen zu uns sandte. Auf diese Art und Weise weltlich zu sein bedeutet, dass die Kirche voll und ganz in Geschichte und Kultur eingebunden ist, aber nur um sie zu verwandeln und um die Angst durch die Kraft des Evangeliums in Freude zu wandeln. Und doch ist das Christentum auch eine Eschatologie. Das Neue Testament lässt keinen Zweifel daran, dass diese „die letzten Tage“ sind, dass die Welt, wie wir sie kennen, vergänglich ist und daher in keiner Weise absolut - von göttlich ganz zu Schweigen. Es trifft zu, dass wir sogar im Neuen Testament einige Anzeichen für eine gewisse Abkühlung des allerersten eschatologischen Eifers erkennen können, als nämlich die anfängliche Erwartung einer baldigen Rückkehr des Herrn dahinschwand. Aber trotz dieser Umstellung der eschatologischen Erwartung hat die Kirche nie aufgehört, nach der Rückkehr des Herrn Ausschau zu halten: Es wird das Ende der Welt aber auch die Erfüllung ihrer Erlösung sein. Deshalb erinnert uns das christliche Verständnis des Sonntags als „achter Tag“ - abgeleitet aus der reichen eschatologischen Symbolik des jüdischen Sabbats, um „die zukünftige Zeit“ anzudeuten (vgl. Dies Domini, Nr. 26) - nicht nur an den Anfang, als Gott alles erschuf, sondern es weist auch auf das Ende hin, wenn er alles in Christus vereinen wird (vgl. Eph 1,10). Das christliche Leben umfasst also Elemente sowohl der Menschwerdung als auch der Eschatologie; unser Hauptanliegen als Hirten ist die Gewährleistung eines guten Gleichgewichts zwischen beiden, damit die Kirchen, die wir in Christi 1085 AD-LIMINA-BESUCHE Namen leiten, weder allzu weltlich noch allzu weitabgewandt sind, damit sie eben „in der Welt aber nicht nicht von der Welt“ sind (vgl. Joh 17,11.15-16). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Frage des Verhältnisses zwischen Kirche und Welt; das war eines der Hauptthemen des II. Vatikanischen Konzils, und es bleibt auch zu Beginn des neuen Jahrtausends - nicht zuletzt auch in eurem Land — für das Leben der Kirche wesentlich. Die Antwort, die wir auf diese Frage geben, wird festlegen, welchen Kurs wir in Bezug auf eine ganze Reihe weiterer, dringender Themen nehmen. Der Papst fuhr auf Französisch fort: 4. Als Hirten müssen wir die Herde Christi auf einem Weg führen, auf dem die Versuchungen, die Trennung zwischen Kirche und Welt, zwischen der christlichen Botschaft und der in der heutigen Welt vorherrschenden Kultur zu unterdrücken oder übertrieben herauszustellen, vermieden werden; das Evangelium lehrt weder Unterdrückung noch Übertreibung; weder das eine noch das andere ist den Lehren des II. Vatikanischen Konzils treu, keines von beiden kann der Weg in die Zukunft sein, die Gott für die Kirche vorhat. Wir brauchen einen anderen Weg, und die Unterweisung von Papst Paul VI. kann uns helfen, diesen Weg zu finden. Die Enzyklika Ecclesiam suam wurde zu Recht oft als „Enzyklika des Dialogs“ bezeichnet, denn sie stellt sehr detailliert genau das dar, was Papst Paul VI. als die „Haltung“ beschrieb, die die Kirche in dieser Stunde der Weltgeschichte einnehmen muss (vgl. Kap. III), eine Haltung, die zugleich Form und Vorgehensweise beinhaltet, um Zugang zur modernen Gesellschaft zu finden. Die Verhältnisse haben sich seit den Jahren, als die Enzyklika Ecclesiam suam geschrieben wurde, sicherlich geändert, aber ihre Lehre über den Dialog der Kirche mit der Welt ist heute gewiss mindestens genauso zutreffend wie damals im Jahr 1964. Paul VI. bediente sich der Formel colloquium salutis. Dieser Dialog (colloquium) hat seine Grundlage in den Worten des Evangelisten Johannes: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (loh 3,16). Für die Männer und Frauen aller Zeiten und aller Orte hat die Kirche einen kostbaren Schatz, den sie ihnen unbedingt weitergeben muss, auch wenn ihr Angebot missverstanden oder abgelehnt werden sollte. 5. Ein wesentlicher Teil dieses Geschenks ist die Wahrheit über den nach dem Abbild Gottes geschaffenen Menschen; diese Wahrheit wurde in Jesus Christus vollständig offenbart und der Kirche anvertraut. Vor allem dürfen wir Bischöfe nie unser Vertrauen verlieren in den an uns gerichteten Aufruf, dieser Wahrheit bescheiden und entschlossen zu dienen, und zwar als Meister und Hirten, die dazu berufen sind, die Wahrheit zu verteidigen und sie in einer entscheidenden Epoche der Geschichte zu verbreiten, in einer Epoche nämlich, wo neue Erkenntnisse, neue Technologien und ein nie dagewesener materieller Wohlstand zum Eintritt in eine „neue Welt“ der menschlichen Verantwortung und Entfaltung drängen. Absolut vorrangig ist dabei die Verteidigung der unveräußerlichen Würde und des Wertes 1086 AD-LIMINA-BESUCHE des Lebens. Wie ihr in euren Unterweisungen herausgestellt habt, ist „das Evangelium des Lebens“ für die Christen nicht einfach eine Meinung: Es ist eine wesentliche Dimension unseres Gehorsams Gott gegenüber. Jeder ist ernsthaft verpflichtet, sich in den Dienst dieses Evangeliums zu stellen: „Wir sind alle durch die unausweichliche Verantwortlichkeit in die bedingungslose Entscheidung für das Leben involviert und daran beteiligt“ (Enzyklika Evangelium vitae, Nr. 28). In der Katechese, in der Erziehung, im Bereich der medizinischen Forschung und Praxis, in der Gesetzgebung, seitens der Verantwortlichen im öffentlichen Leben und in den Medien muss eine große Anstrengung unternommen werden, um das „Evangelium des Lebens“ in der vollen Kraft seiner Wahrheit darzustellen. Als Hirten sind wir uns voll bewusst, dass heute zahlreiche Wahrheiten über die Grundfragen des menschlichen Verhaltens zu hören sind, so dass in vielen Fällen die Ermahnungen und Lehren der christlichen Moral zu schwierigen Auseinandersetzungen werden. Viele von euch haben mir mitgeteilt, wie sehr ihnen der Katechismus der Katholischen Kirche bei der wichtigen Aufgabe der Schulung geholfen hat. Diese Zusammenfassung des kirchlichen Lehramts kann ein sehr wirksames Werkzeug zur Vermittlung einer tiefen und soliden Kenntnis des Glaubens und der Regeln des christlichen Lebens sein — in den Gemeinden, Schulen, Universitäten und Seminaren. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat es Fälle gegeben, wo die Bemühungen um einen einfacheren Zugang zu den Glaubenswahrheiten -vor allem in der Katechese der Kinder und Jugendlichen - dazu führten, dass die christliche Botschaft ihrer Substanz und Kraft entleert wurde. Es gibt in unserem Hirtenamt sicher nichts dringenderes und nichts, wofür wir vor dem Herrn eine größere Verantwortung trügen, als die Sicherstellung der Weitergabe des Glaubens, der uns von den Aposteln vermittelt wurde. Der Papst sagte dann wieder auf Englisch: 6. Den Glauben lehren und evangelisieren bedeutet, der Welt eine absolute und universale Wahrheit zu verkünden; wir allerdings haben den Auftrag, auf angemessene und bedeutungsreiche Weise zu verkünden, damit die Leute für diese Wahrheit empfänglich sind. In seinen Überlegungen, was dies zur Folge hat nannte Paul VI. vier Eigenschaften, die er als perspicuitas, lenitas, fiducia und prudentia bezeichnete - Klarheit, Sanftmut, Vertrauen und Klugheit (vgl. Ecclesiam suam, Nr. 81). Klar zu sprechen bedeutet, dass wir die Wahrheit der Offenbarung und die Lehren der Kirche verständlich erläutern müssen. Wir sollen nicht einfach wiederholen, sondern erklären. Mit anderen Worten: Wir brauchen eine neue, an den heutigen Bedürfnissen orientierte Apologetik, die sich bewusst ist, dass unsere Aufgabe nicht einfach darin besteht, Auseinandersetzungen zu gewinnen, sondern Seelen zu gewinnen, und auch nicht darin, uns in ideologischem Gezänk zu verstricken, sondern das Evangelium zu rechtfertigen und zu verbreiten. Für eine solche Apologetik muss man eine gemeinsame „Grammatik“ mit denen finden, die die Dinge an- 1087 AD-LIMINA-BESUCHE ders sehen als wir und unsere Ansichten nicht teilen; ansonsten werden wir letztlich verschiedene Sprachen sprechen, obwohl wir dieselben Wörter verwenden. Diese neue Apologetik muss auch einen Geist der Sanftmut ausströmen, einen Geist jener mitfühlenden Bescheidenheit, die die Sorgen und Fragestellungen der Menschen versteht und in ihnen nicht sofort böse Absicht vermutet. Zugleich wird sie sich nicht einer sentimentalen, von der Wahrheit getrennten Empfindung der Liebe und des Mitleids Christi ergeben, sondern nachdrücklich darauf hinweisen, dass wahre Liebe und Mitleid radikale Ansprüche stellen können, gerade weil sie untrennbar sind von der Liebe, die uns allein befreit (vgl. Joh 8,32). Mit Vertrauen sprechen wird bedeuten, dass - so sehr uns andere auch jede spezifische Kompetenz absprechen oder uns wegen der Fehler mancher Kirchenmitglie-der Vorwürfe machen mögen - wir doch die Tatsache nie aus den Augen verlieren, dass das Evangelium Jesu Christi die Wahrheit ist, nach der sich alle Menschen sehnen, egal wie distanziert, widerwillig oder feindlich sie auch scheinen mögen. Und schließlich Klugheit, wie Paul VI. praktische Weisheit und gesunden Menschenverstand definiert; sie wird von Gregor dem Großen als Tugend der Tapferen genannt (vgl. Moralia, 22,1) und bedeutet, dass wir eine klare Antwort geben, wenn die Menschen uns fragen: „Was sollen wir tun?“ (Lk 3,10.12.14). Papst Paul VI. schloss mit dem Hinweis, dass diese Vorgehensweise, nämlich mit per-spicuitas, lenitas, fiducia und prudentia zu sprechen, „uns weise und zu Meistern machen“ wird (Ecclesiam suam, 83). Denn vor allem das sollen wir, liebe Brüder, sein: Lehrer der Wahrheit, die nie aufhören, „für die Gnade, das Leben in seiner Gesamtheit zu sehen, und für die Kraft, wirksam davon zu sprechen,“ zu beten (vgl. Gregor d.Gr., In Ezechielem, 1,11,6). 7. Was wir lehren, ist nicht eine selbst ausgedachte Wahrheit, sondern eine offenbarte Wahrheit, die wie ein unvergleichliches Geschenk durch Christus zu uns gedrungen ist. Wir sind ausgesandt, diese Wahrheit zu verkünden und jene, die uns zuhören, zu dem zu ermahnen, was Paulus als „Gehorsam des Glaubens“ bezeichnet (Röm 1,5). Mögen die kanadischen Märtyrer, deren Gedenken ihr an diesem 350. Jahrestag ihres Todes mit besonderer Freude feiert, nie aufhören, den Gläubigen Christi in Kanada die Wahrheit dieses Gehorsams und dieser Selbsthingabe bis hin zum Tod um für Christus zu leben, zu lehren. Mögen sie die Kirche in Kanada das Geheimnis des Kreuzes lehren, und möge der Samen ihres Opfers in den Herzen der Kanadier reiche Frucht bringen! Der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, Königin der Apostel und Königin der Märtyrer, und dem Schutz ihres Ehemanns, des hl. Josefs, empfehle ich die ganze Familie Gottes in eurem Land. Euch und den Priestern, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laiengläubigen eurer Diözesen gewähre ich von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. 1088 AD-LIMINA -BESUCHE Zum Auftrag der Bischöfe in Familienbildung und Berufungspastoral Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Kenia am 20. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Voll Zuneigung im auferstandenen Herrn grüße ich euch, die Mitglieder der Bischofskonferenz Kenias, und heiße euch heute im Vatikan mit der gleichen Freundlichkeit willkommen, mit der ihr mich vor vier Jahren in Kenia empfangen habt. Mit wirklich großer Freude treffe ich erneut anlässlich dieses Ad-Iimina-Besuchs mit euch zusammen und danke unserem Gott und Vater von ganzem Herzen, „daß ihr euch gemeinsam für das Evangelium eingesetzt habt“ (vgl. Phil 1,5), um dem Volk Gottes zu dienen. Bitte versichert den Klerus, die Ordensleute und Laien eurer Diözesen meiner immerwährenden Zuneigung; stets werde ich für ihr ständiges Wachstum in Gnade und Heiligkeit beten. Ich danke dem Herrn der Ernte für die Kraft und Vitalität der stets wachsenden Kirche in Kenia, und „täglich fügt der Herr ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollen“ (vgl. Apg 2,Al). Seit eurem letzten Besuch an den Gräbern der Apostel habt ihr zwei neue Diözesen und ein apostolisches Vikariat errichtet. Mit Freude begrüße ich die Bischöfe von Kericho und Kitale wie auch den Apostolischen Vikar von Isiolo zu ihrem ersten Ad-limina-Besuch. Ebenso grüße ich diejenigen unter euch, die in den letzten fünf Jahren die Bischofsweihe empfangen haben: die Bischöfe von Kissi, Kitui, Bungoma und des Militärordinariats. „Der Gott des Friedens sei mit euch allen! Amen!“ (Rom 15,33). 2. Die in den vergangenen Jahren veröffentlichten Pastoralbriefe bringen eure lobenswerte Sorge für das geistige und religiöse Wohl eures Volkes im Zusammenhang mit der allgemeinen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lage eures Landes zum Ausdruck. Dieser Kontext wirkt sich unmittelbar auf das Leben der Gläubigen, ja auf das Leben aller Kenianer aus, und die in dieser Hinsicht auf Diö-zesan- und Pfarrebene getroffenen Initiativen entsprechen nicht nur einer tatsächlichen Notwendigkeit der Nation, sondern bieten auch ein wirksames Forum zur Darlegung der kirchlichen Soziallehre. Die von der Bevölkerung Kenias angestrebte gesunde Gesellschaftsordnung erfordert neue moralische und politische Verantwortung; Voraussetzung für das erwünschte gesunde demokratische System ist eine allseitige positive Antwort auf die Fordemng nach ethischer Erneuerung. Eine grundlegende Bedingung ist hier, wie ich in meiner Enzyklika Centesimus annus, betonte, „die Förderung sowohl der einzelnen Menschen durch die Erziehung und die Heranbildung zu den echten Idealen als auch der Subjektivität’ der Gesellschaft durch die Schaffüng von Strukturen der Beteiligung und Mitverantwortung“ (Nr. 46). Ohne eingehende moralische Erziehung wäre keine Bürgerschaft fähig, ihre politischen Funktionen einwandfrei auszuüben. Nur mit Klugheit, 1089 AD-LIMINA-BESUCHE Gerechtigkeit, Maß und Tapferkeit (vgl. Weish 8,7) können - sowohl bezüglich der gewählten Verantwortlichen wie auch im Hinblick auf die jeweilige politische Linie - jene Entscheidungen getroffen werden, die wirklich fördernd sind für das Wohl der Nation. Wie viele von euch in ihren fünljährlichen Berichten hervorgehoben haben, stellen die Veränderungen in der Wirtschaft wie in anderen sozialen Bereichen die Katholiken vor Herausforderungen, die ihnen insbesondere im familiären Leben die Erfüllung ihrer christlichen Verpflichtung erschweren. Finanzielle Schwierigkeiten, verbunden mit der raschen und intensiven Urbanisierung der Gesellschaft führen zu Situationen, in denen die Versuchung, mit unmoralischem Verhalten auf den erzeugten Druck zu antworten, ausgesprochen stark ist. Für euren Dienst als Hirten und spirituelle Führer muss daher die pastorale Sorge für die Familien unbedingt als vorrangige Aufgabe betrachtet werden. Unablässig müsst ihr die Gläubigen ermahnen und ermuntern, stets standhaft die Ideale der christlichen Ehe und des christlichen Familienlebens zu wahren. Ebenso ist es angebracht, auf den gleichen Gebieten den Dialog mit anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zu vertiefen: denn diese Angelegenheiten betreffen das Leben aller Kenianer, und derartige gemeinsame Bemühungen und Initiativen ermöglichen ein klareres Zeugnis für Christus und das Evangelium. Da die Werte, von denen hier die Rede ist, zunächst in der Familie vermittelt und später in der Schule gefestigt werden, sollten Familie und Erziehung stets Gegenstand eurer pastoralen Sorge sein. Die Familie als solche muss geschützt und gefördert werden, denn sie ist und bleibt „die erste Lebenszelle der Gesellschaft“ (Fa-miliaris consortio, Nr. 46; vgl. ebd., Nr. 42); und „im Bereich der Erziehung hat die Kirche eine eigene Rolle zu erfüllen ..., bei der es nicht nur darum geht, der Kirche die religiöse und sittliche Erziehung des Menschen anzuvertrauen, sondern ,zusammen mit’ der Kirche den gesamten Erziehungsprozeß der Person zu fördern“ (vgl. Brief an die Familien, Nr. 16). Die Rolle der Kirche auf dem Gebiet der Erziehung - insbesondere durch katholische Schulen und Programme religiöser Unterweisung — muss somit verteidigt und gefestigt werden. 3. In diesem speziellen Kontext erhält ein bedeutendes Konzept, das während der Arbeiten der Sondersynode der Bischofskonferenz für Afrika hervorgehoben wurde, stets größere Bedeutung: die Idee von der Kirche als Familie Gottes. Dieser Ausdruck für die Natur der Kirche ist ganz besonders passend für euren Kontinent, denn er „betont nämlich die Sorge um den anderen, die Solidarität, die Herzlichkeit der Beziehungen, die Annahme, den Dialog und das Vertrauen“ (Ecclesia in Africa, Nr. 63). Daher wird die Neuevangelisierung, ein fester Bestandteil der kirchlichen Sendung zur Vorbereitung des dritten christlichen Jahrtausends, „den Aufbau der Kirche als Familie anstreben, wobei jeder Ethnozentrismus und jeder übertriebene Partikularismus ausgeschlossen und statt dessen versucht werden soll, auf die Aussöhnung und eine echte Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Völkerschaften hinzuarbeiten durch Förderung der Solidarität und der Verteilung 1090 AD-LIM1NA -BES UCHE des Personals und der Mittel zwischen den Teilkirchen, ohne Ansehen der ethnischen Herkunft“ (ebd.). Dieses Konzept sollte ein Bestandteil jeder Ausbildung innerhalb der Kirche sein, insbesondere für die Christgläubigen: Ihr müsst den Laien helfen, sich selbst als aktive Mitglieder der kirchlichen Familie zu sehen, und ihnen verständlich machen, dass sie auf sehr konkrete Art und Weise zur Kirche gehören und die Kirche zu ihnen gehört; sie alle sind mitverantwortlich für sie! Diese Erkenntnis und Verpflichtung wird die Katholiken stärken gegen die Einflussnahme anderer religiöser Traditionen und Sekten, die in Kenia stets zahlreicher vertreten sind. Von unschätzbarem Wert wird dieses Bewusstsein auch für Programme zur Jugenderziehung sein, denn wahrscheinlich ist keine andere Gruppe in der Gesellschaft Kenias empfänglicher für materialistische, konsumorientierte und andere geistig abstumpfende Trends, die heute eine so dominierende Rolle spielen und häufig von den Massenmedien gefördert werden. 4. Die in euren Seminaren und Ordenshäusem erteilte Ausbildung muss auch zu euren wesentlichen Sorgen als Hirten gehören. Die steigende Zahl der Kandidaten sowohl für das priesterliche als auch für das geweihte Leben ist ein großes Geschenk und erfordert sorgfältige Prüfung bei der Auswahl und Ausbildung deijeni-gen, die sich auf ein Leben im Dienst der Kirche vorbereiten. Angesichts der Notwendigkeit einer stets aktiveren Laienschaft muss ferner darauf geachtet werden, kein zu klerikales oder autoritäres Modell des Priestertums zu vermitteln, das dann den zukünftigen Priestern die Zusammenarbeit mit den Laien und die Anerkennung von deren Rolle und Fähigkeiten erschwert. Vielmehr sollten eure priester-lichen Mitarbeiter ermuntert werden, möglichst viele gläubige Laien an der Verantwortung für das Gemeindeleben zu beteiligen: Der Pfarrer bleibt der Leiter, aber er kann nicht - und sollte nicht - alles selbst tun. In meinem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis betonte ich: „Besonders wichtig ist es, die künftigen Priester auf die Zusammenarbeit mit den Laien vorzubereiten. Sie sollen ... gern auf die Laien hören, ihre Wünsche brüderlich erwägen und ihre Erfahrung und Zuständigkeit in den verschiedenen Bereichen des menschlichen Wirkens anerkennen“ (Nr. 59). Wenn eure Seminare den grundlegenden Anforderungen des kirchlichen Programms der Priesterbildung entsprechen, insbesondere in Übereinstimmung mit dem Konzilsdekret Optatam totius und dem nachsynodalen Schreiben Pastores dabo vobis, dann werden sie für die kommenden Generationen zweifellos von großem Nutzen sein. Unter den wesentlichen Haltungen und Neigungen, die in den Seminaristen gefördert werden sollten, betonen diese Dokumente die bereitwillige Annahme des Zölibats, den Geist der Armut und Einfachheit und die unablässige Sorge und eifriges Bemühen um das Heil der Seelen, insbesondere die Rettung derer, die vom rechten Weg abgekommen oder in die Sünde verstrickt sind. Eine ganz persönliche Verantwortung des Bischofs ist die Zulassung von Kandidaten für die Priesterweihe. Im Hinblick auf das Wohl der Kirche sollte er keine Anwär- 1091 AD-LIMINA-BESUCHE ter zu den heiligen Weihen zulassen, ohne sicher zu sein, dass sie in moralischer Hinsicht reif sind für die priesterliche Verpflichtung. Eure Sorge für die Priesterbildung endet nicht an dem Tag, an dem eure geistigen Söhne geweiht werden. Vielmehr müsst ihr auch weiterhin nach Möglichkeiten für ihre Weiterbildung suchen, die dafür zu sorgen hat, dass eure Priester „der Gabe und dem empfangenen Dienstamt in besonderer Weise treu sind, so wie das Gottesvolk sie will und mit Recht will“ (Pastores dabo vobis, Nr. 79). Insbesondere solltet ihr jenen Priestern nahe stehen, die ihrer Berufung untreu werden könnten, und stets sollt ihr mit Nachdruck hervorheben, dass das priesterliche Amt kein Beruf oder ein Mittel zu gesellschaftlichem Aufstieg ist, sondern vielmehr ein heiliges Dienstamt. Dem Evangelium entsprechend sollten sich Bischöfe umgehend und auf offene und entschlossene Art und Weise mit jeder Situation befassen, die der Herde Ärgernis geben oder die Glaubhaftigkeit des kirchlichen Zeugnisses schwächen könnte. Dem Beispiel Christi, des Guten Hirten, folgend, sollt ihr euch denjenigen widmen, die in Schwierigkeiten sind und „sie als eure geliebten Kinder ermahnen“ (vgl. 1 Kor 4,14). Vor allem müsst ihr unablässig für eure Priester beten, damit das Geschenk Gottes, das sie durch das Auflegen der Hände erhalten haben, stets neu belebt werde. 5. Ebenso hat der Bischof - unter Achtung der legitimen Autonomie der Ordensgemeinschaften und der Gesellschaften des apostolischen Lebens - präzise pasto-rale Verantwortungen für die Betreuung der Mitglieder dieser Gemeinschaften. Stets solltet ihr bereitwillig die jungen Kenianer unterstützen, die den Wunsch haben, durch das Gelöbnis der evangelischen Räte ihr Leben dem Dienst an ihren Brüdern und Schwestern zu weihen. Von ganz besonderem Wert ist eure Unterstützung der Oberen bei ihrer schwierigen Aufgabe, die Eignung der Kandidaten für das geweihte Leben sorgfältig zu prüfen. Gerne teile ich eure Anerkennung für die hochherzige Arbeit der Missionare, Priester, Brüder, Schwestern und Laien, die, der Eingebung des Geistes folgend, nach Kenia gekommen sind, um den Austausch spiritueller Gaben zwischen den Teilkirchen, eine natürliche Frucht kirchlicher Gemeinschaft, zu bezeugen. Mit der gleichen Befriedigung habe ich ferner feststellen können, dass auch viele Priester und Ordensleute Kenias der Inspiration des Geistes gefolgt sind und nun als Missionare außerhalb ihrer heimatlichen Diözesen und selbst außerhalb ihres Landes dienen. Mit tiefer Dankbarkeit muss auch die unentbehrliche Rolle der Katechisten anerkannt werden, deren Aufgabe die Weitergabe der Glaubenswahrheit und die Hinführung anderer zum Herrn ist. Ich denke hier an ihr wichtiges Zeugnis und an die Selbstlosigkeit, mit der sie sich in ihrer Arbeit zur Vertiefung und Annahme des Evangeliums Christus und seiner Kirche widmen. Es sollte keine Mühe gescheut werden, ihnen die angemessene Ausbildung und Formung zukommen zu lassen, wie sie die Erfüllung ihrer Pflichten erfordert. Auch sollte es ihnen weder an materieller noch an spiritueller Unterstützung und Ermunterung fehlen. 1092 AD-LIMINA-BESUCHE 6. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, eure weise und eifrige Amtsführung als Hirten des Gottesvolkes in Kenia ist mir ein großer Trost. Möge eure Pilgerfahrt zu der Stadt, in der die Apostel Petrus und Paulus als Zeugen des Evangeliums ihr Leben opferten, euch für das euch übergebene apostolische Dienstamt neue Kraft geben, damit ihr nie müde werdet, das Wort Gottes zu verkünden, die Sakramente zu feiern und die eurer Fürsorge anvertraute Herde zu führen. Mit ganz besonderer Freude habe ich von der Gründung des Maria, der Mutter Gottes, geweihten nationalen Heiligtums in Subukia und von dem marianischer Wallfahrtsprogramm erfahren, das während des gesamten Jubeljahres in jeder Diözese stattfinden wird. Während ich euch, euren Klerus wie auch die Ordensleute und Laien eurer Ortskirchen dem liebevollen Schutz der heiligen Jungfrau Maria, Mutter Christi und unsere Mutter, anvertraue, erteile ich meinen Apostolischen Segen als Pfand der Gnade und des Friedens in ihrem Sohn, unserem auferstandenen Erlöser. Verkündigung des Evangeliums erfordert den Einsatz aller Kräfte Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Kroatiens am 18. März Verehrte Brüder im Bischofsamt! 1. „Er aber, der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können, er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, für ewige Zeiten. Amen“ (Eph 3,20-21). Liebe Hirten der Kirche in Kroatien, mit Freude und in brüderlicher Zuneigung heiße ich euch mit den Worten des Völkerapostels herzlichst willkommen. Dieser Ad-limina-Besuch bekräftigt eure Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, dem „sichtbaren Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23). Unser heutiges Treffen hier in Rom weckt die Erinnerung an jene beiden unvergesslichen Pastoralbesuche in eurem geliebten Land, die Gott mir im September 1994 und im Oktober des vergangenen Jahres gewährt hat. Mit Freude habe ich bei diesen providentiellen Anlässen den tiefen Glauben des kroatischen Volkes erleben können. Der Sendung entsprechend, die mir der Herr anvertraut hat, konnte ich die Brüder und Schwestern im Glauben bestärken und sie in der Hoffnung ermutigen, damit ihre Liebe tiefer und lebendiger werde. Das heutige Treffen ist gewissermaßen die Vervollständigung meiner apostolischen Reisen als „Pilger des Evangeliums“. Mein Dank gilt dem Metropolitanerzbischof von Zagreb, Josip Bozanic, für seine herzlichen Worte, die er als Präsident eurer Bischofskonferenz im Namen aller an mich gerichtet hat. Er hat darin den Erwartungen und Hoffnungen eurer Teilkirchen Ausdruck gegeben, als deren authentische Lehrer und Priester (vgl. Lumen 1093 AD-LIMINA-BESUCHE Gentium, Nr. 20; Christus Dominus, Nr. 2) und Verwalter der Gnade (vgl. Lumen Gentium, Nr. 26) ihr eingesetzt seid. Ganz besonders freut es mich, die Hirten der beiden unlängst gegründeten Diözesen, Pozega und Varazdin, wie auch den Militärbischof begrüßen zu können, die erstmalig an einem Ad-limina-Besuch teilnehmen. Hier haben wir ein klares Zeichen des Wachstums der kroatischen Kirche und ihrer apostolischen und missionarischen Vitalität. Bei dieser Gelegenheit bin ich in Gedanken auch bei dem emeritierten Erzbischof von Zagreb, Kardinal Franjo Kuharic. Ich danke ihm für alles, was er für die Kirche in Kroatien getan hat und auch weiterhin leistet, um den neuen Generationen die große Persönlichkeit seines Vorgängers, des sei. Alojzije Stepinac, nahe zu bringen. 2. Bei den einzelnen Begegnungen in den vergangenen Tagen habt ihr mir von euren Plänen und Erwartungen, von den Schwierigkeiten und Leistungen, den Freuden und Sorgen eures täglichen Dienstes berichtet. Während ich dem Herrn für das Gute danke, das ihr in euren Diözesen leistet, möchte ich euch meines unablässigen geistigen Beistands versichern. Liebe, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, folgt weiterhin dem Weg für den Aufbau des Gottesreiches in eurem Land, das nun nach ganz besonders schwierigen Zeiten einen neuen, vielversprechenden religiösen Frühling erlebt. Als ich im vergangenen Jahr euer Land betrat, habe ich während des ersten Treffens darauf hingewiesen, wie grundlegend es doch ist, „daß das kroatische Volk seinen christlichen Wurzeln treu bleibt und gleichzeitig offen ist für die Anforderungen der heutigen Zeit, die, trotz zweifellos schwerwiegender Probleme, doch auch Anlaß zu Trost und Hoffnung gibt“. Weiter betonte ich: „Es ist meine Hoffnung, daß die Christen durch ihr hochherziges Zeugnis für Christus, den Herrn, den Erlöser der Menschheit, der Neuevangelisierung entscheidende Impulse geben werden“ (vgl. O.R. ital, 4.10.1998, S. 4). Diese eindringliche Aufforderung möchte ich heute erneuern: die Evangelisierung muss als dringende pastorale Priorität betrachtet werden! In der Form erneuert und den aktuellen Erfordernissen angepasst, muss sie jedoch auch weiterhin ohne Kompromisse die authentische und unveränderliche Botschaft des Evangeliums verkünden. Kein Bereich des menschlichen, familiären und gesellschaftlichen Lebens darf von der Verkündigung des Evangeliums ausgeschlossen sein, denn die Frohbotschaft muss die Existenz jeder Person dort erreichen und durchdringen, wo sie wirklich lebt und arbeitet, wo ihr Leid und Freude widerfährt. Die Evangelisierung ist Aufgabe aller Glieder des Gottesvolkes, und - wie ich bereits im vergangenen Jahr in Spalato sagte - daher „muß die Kirche in Kroatien die Einheit zwischen den verschiedenen Kräften festigen, aus denen sie sich zusammensetzt, denn nur sie kann sie auf jene Herausforderungen antworten, die sie in dem heutigen Klima der Freiheit und Demokratie erwarten“ (O.R., 5./6. Oktober, S. 7). Nur so kann sie vor allen ein überzeugendes Zeugnis der Einheit in Christus geben, alten und neuen Herausfordemngen gewachsen sein und den Erwartungen 1094 AD-LIMINA-BESUCHE jener entsprechen, die, vom Heiligen Geist inspiriert, auf der Suche nach Wahrheit sind und ihrer Existenz einen vollen Sinn geben wollen. Verehrte Brüder, möge es eure erste Sorge sein, jedem Gläubigen zu helfen, der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit zu folgen. Versäumt daher nicht, alle, die eurer apostolischen Sorge anvertraut sind, auf die unerschöpflichen und reinen Quellen der Gnade, nämlich auf die Sakramente, aufmerksam zu machen, vor allem auf die Eucharistie und die Buße. Kraft der Gnadengaben wird sich jede christliche Gemeinde zusammen mit ihren Hirten als freudige Familie Gottes zeigen, in der Priester, Ordensleute und Christgläubige gemeinsam in Treue und Liebe zu Christus und den Brüdern wachsen. 3. Ein weiterer Grund, der die Verkündigung des Evangeliums in der heutigen Welt noch dringlicher macht, ist die Vorbereitung des nun unmittelbar bevorstehenden Großen Jubiläums des Jahres 2000. In dieser Hinsicht müssen neue Wege und Möglichkeiten zur Verkündigung der Botschaft des Evangeliums und des christlichen Zeugnisses gefunden werden, um den großen religiösen und spirituellen, menschlichen und kulturellen Reichtum des Gottesvolkes auf die beste Art und Weise hervorzuheben. Nur so werden die Gläubigen in der Lage sein, ihren speziellen Beitrag für die wahre Entwicklung und das harmonische materielle und geistige Wachstum der Gesellschaft zu leisten. Verschiedene Formen pastoraler Tätigkeit auf Pfarr- und Diözesanebene wie auch im Bereich der Kirchenprovinzen und der Bischofskonferenz können weitere Impulse zur Neuevangelisierung geben. In dieser Hinsicht sind die 1975 in Solin begonnenen und 1984 in Marija Bistrica beendeten Feierlichkeiten zur Erinnerung an die nun dreizehn Jahrhunderte zurückliegende Christianisierung des kroatischen Volkes ein konkretes Beispiel. Hier möchte ich eine ausgezeichnete Initiative aus dieser Zeit erwähnen, jenes tägliche Gebet, zu dem sich die kroatischen Katholiken allabendlich versammelten, um im gemeinsamen Lob für das Geschenk des Glaubens zu danken und für gegenwärtige und zukünftige Bedürfnisse Beistand zu erflehen. Der Eifer, Scharfsinn und Weitblick der Hirten jener Zeit waren sicherlich Frucht der Inspiration und der Eingebung des Heiligen Geistes. Gewiss werdet auch ihr diesem Weg folgen und das hören, was der Geist heute den Gemeinden sagt, die der Herr euch anvertraut hat (vgl. Offb 2,7). 4. Möge euer apostolischer Eifer und das am Evangelium orientierte Denken und Handeln nie nachlassen. Ihr seid berufen, Lehrer des Glaubens, Verkünder der Hoffnung, Zeugen der Liebe zu sein. Die Sorge für die Berufungen zum Priester-und Ordensleben und für die ständige religiöse Bildung der Laien seien stets Mittelpunkt eurer Anliegen. Meine eigene pastorale Erfahrung hat bestätigt, wie wichtig es ist, dass Seminare und, allgemein gesagt, Ausbildungsstätten der „Augenstern“ des Bischofs sind. Die Förderung der Berufung ist jedoch Aufgabe der gesamten christlichen Gemeinde (vgl. Optatam totius, Nr. 2). Die Berufung entsteht und festigt sich innerhalb der christlichen Gemeinde, und die Gemeinde wird es sein, die zur gegebenen Zeit die 1095 ÄD-LIMINA-BESUCHE Früchte dieses Einsatzes für die Berufungen genießt. Angesichts der gesellschaftlichen und spirituellen Krise, die auch euer Land nicht verschont hat, muss vor allem der religiöse Geist des Lebens gefestigt werden. Wir müssen den christlichen Familien helfen, der Bereich und die Schule zu sein, wo die immerwährenden menschlichen Werte und die des Evangeliums gelebt und weitergegeben werden. Junge Menschen brauchen überzeugende Beispiele, die ihnen helfen, Ideale nicht zu verlieren, die über das Unmittelbare, Unwesentliche hinausgehen; sie brauchen das Zeugnis eines ganz vom Glauben erfüllten Lebens, um sich tieferen und anspruchsvolleren Horizonten zu öffnen. Wie wichtig ist das Zeugnis der Bischöfe, Priester und Ordensleute, die in hochherziger Weise Christus Jesus gleichförmig geworden und vollkommen dem selbstlosen Dienst an Gott und den Mitmenschen hingegeben sind. Liebe Brüder, helft den jungen Generationen, dem Ruf treu zu folgen, den Gott an jeden einzelnen in der Kirche und in der Gesellschaft richtet. Seid vor allem bestrebt, den Priesterkandidaten eine ihrem zukünftigen Dienstamt angemessene Ausbildung zu gewährleisten. Bemüht euch in brüderlicher Sorge um die Priester, eure engsten Mitarbeiter. Sie sind keine im Namen der Kirche handelnden Amtspersonen, sondern Diener und Verkünder des Evangeliums, Mittler der Gnade Gottes. Als Teilhaber am Priestertum Christi und Mitarbeiter des Bischofs werden sie in die einzelnen Gemeinden gesandt, um mit dem Bischof die Sorge für das gesamte Volk Gottes zu teilen. Um ihre Aufgaben auf angemessene Art und Weise erfüllen zu können, muss ihr Leben in Christus verwurzelt sein, ein von intensivem kirchlichen Geist durchdrungenes, untadeliges Beispiel der Heiligkeit und des Gebets. Wacht darüber, liebe Brüder, dass sie gemeinsam mit euch immer und überall Vorbilder für die eurer pastoralen Sorge anvertraute Herde seien (vgl. 1 Tim, 12; 1 Petr 5,3). 5. Seit jeher erweist die Kirche der Berufung und Tätigkeit der Ordensleute ganz besondere Hochachtung, denn sie sind ein bedeutender spiritueller Reichtum, den Gott seinem Volk bietet. Ihre Charismen sind nicht nur eine Gabe zur persönlichen Heiligung, sondern auch für das Wachstum und die Sendung der Kirche, denn die besonderen Gnadengaben des Geistes „dienen direkt oder indirekt der Kirche: sie sind zum Aufbau der Kirche, zum Wohl der Menschen und für die Nöte der Welt geschenkt“ (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 799). Wie ich bereits betonte, ist es „Aufgabe des Bischofs ..., die Ordensleute in ihrer totalen Hingabe an den Herrn zu unterstützen, indem er sie dazu ermutigt, das jeweilige Ordenscharisma großzügig zu leben und umzusetzen und stets in Einheit mit ihrer Ortskirche, aber auch mit der Universalkirche zu handeln“ (Ansprache vor der Kroatischen Bischofskonferenz in Split am 4. Okt. 1998). Wenn auch die pastorale Leitung der Pfarrgemeinden in erster Linie dem Diöze-sanklerus obliegt, so ist es doch Aufgabe der Ordensleute, die konkrete Harmonie der verschiedenen für das Wohl der Kirche wirkenden Charismen zu bezeugen. Wahre Charismen bauen den mystischen Leib Christi auf in der Nächstenliebe, im Gehorsam, in der bedingungslosen Nachfolge des göttlichen Meisters. Verehrte 1096 AD-LIMINA-BESUCHE Brüder, unterstützt die Ordensleute mit eurem Gebet, eurer Zuneigung und Hilfe, damit sie ihrer Berufung stets treu bleiben. Gemeinsam mit euch und kraft ihrer Gaben werden sie einen wertvollen Beitrag für pastorale Initiativen leisten und ihre eifrige Mitarbeit zur Evangelisierung der gesamten Gesellschaft einsetzen können. 6. Die Neuevangelisierung erfordert den Einsatz aller Kräfte. Am Ende dieses Jahrhunderts stehen wir vor den materiellen und moralischen Trümmern zahlreicher Ideologien; in diesem letzten Jahrzehnt erlebten wir den Untergang langjähriger pressiver Diktaturen. Auch euer Land genießt nun nach Jahren der Prüfung eine Zeit des Friedens und der Freiheit. Denn ich muss darauf geachtet werden, dass wir dem Weg der wahren - auf der Achtung aller Menschenrechte begründeten - Freiheit folgen. Als stets für das Wohl ihrer Herde sorgende Hirten ist es eure Aufgabe, ohne Unterlass auf jene immerwährenden Grundsätze und unveränderlichen Werte hinzuweisen, die der Schöpfer der Würde jedes Menschen und jeder Nation zugrunde gelegt hat. Um die tief in der Geschichte verwurzelten gesellschaftlichen und kirchlichen Probleme Kroatiens auf positive Art und Weise angehen und lösen zu können, sind Liebe, Großmütigkeit, Geduld, Umsicht und Weitblick erforderlich. Nur so werden die Pflänzchen der Freiheit und der Demokratie zu kräftigen Bäumen heranwachsen. Verehrte Hirten der geliebten kroatischen Kirche, lehrt zusammen mit euren Priestern die Gläubigen, Licht und Salz der Gesellschaft zu sein (vgl. Mt 5,13-16). Die Christen werden ihrerseits dazu beitragen können, das neue Antlitz ihrer Heimat zu formen, indem sie öffentliche Verpflichtungen übernehmen und diesen als wahre Christgläubige nachkommen und das Gemeinwohl durch Gerechtigkeit und Solidarität fordern (vgl. Gaudium et spes, Nm. 43, 75). Bietet ihnen eurerseits eine ständige religiöse Bildung, die ihnen hilft, im Einklang mit ihrem Glauben zu leben und zu arbeiten. Durch das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen inspiriert (vgl. Mt 13,2—30), werdet ihr ihnen helfen, damit konstruktiver Dialog und aufbauende Liebe über zerstörende Kritik triumphieren. Immer und überall ist konsequenter Einsatz notwendig, damit der Glaube in der Liebe wirksam sei (vgl. Gal 5,6) und seine Vorteile allen, insbesondere den Armen und Ausgestoßenen, zugute kommen. Das II. Vatikanische Konzil erinnert daran, dass die Christen „dem Evangelium gewissenhaft folgend und aus seinen Kräften lebend, verbunden mit allen, die die Gerechtigkeit lieben und pflegen, das große Werk begonnen haben, das sie hier auf Erden zu erfüllen haben, über das sie ihm, der am Jüngsten Tag alle richten wird, Rechenschaft geben müssen. Nicht alle, die sagen ,Herr, Herr’, werden ins Himmelreich eingehen, sondern die den Willen des Vaters tun und tatkräftig ans Werk gehen“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 93). Die Kirche und die politische Gemeinschaft sind in ihren jeweiligen Gebieten voneinander unabhängig, dienen aber beide den gleichen Menschen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 76). Die gesunde und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat für das Wohl aller Bürger wird zweifellos durch beiderseitige Achtung und gegenseitiges Einvernehmen gefordert, die auch dank der unlängst zwischen dem 1097 AD-LIMINA-BESUCHE Hl. Stuhl und der Republik Kroatien Unterzeichneten Abkommen vertieft werden konnten. 7. „Steht fest in der Gemeinschaft mit dem Herrn“ (Phil 4,1). „Jesus Christus aber, unser Herr, und Gott, unser Vater, der uns seine Liebe zugewandt und uns in seiner Gnade ewigen Trost und sichere Hoffnung geschenkt hat, tröste euch und gebe euch Kraft zu jedem guten Werk und Wort“ (2 Thess 2,16-17). Liebe Brüder, diese Worte des Apostels sind auch an euch gerichtet; mögen sie euch Trost und Kraft geben für die standhafte und hochherzige Erfüllung eurer Sendung. Die in euren Regionen sie sehr geliebte und verehrte Gottesmutter begleite eure apostolische Arbeit und all eure Initiativen im Dienst der Kirche mit ihrer wirksamen Fürbitte und erflehe für euch und eure Diözesen in unserem Herrn Jesus Christus Gnade und Frieden in Fülle. In diesem Sinne spende ich euch, euren Priestern und Ordensleuten wie auch allen Christgläubigen in der Heimat und im Ausland erneut von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Überzeugender Beitrag der Laien zu gelebtem Glauben in Gesellschaft und Kirche Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Laos und Kambodscha am 11. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt, lieber Pater Administrator! 1. Mit großer Freude empfange ich euch anlässlich eurer Pilgerreise zu den Apos-telgräbem. Ihr Hirten der katholischen Kirche in Laos und Kambodscha seid zum ersten Mal gemeinsam hierher gekommen, um bei der Gelegenheit eures Ad-limina-Besuchs den Nachfolger Petri zu treffen. Ich wünsche von ganzem Herzen, dass euer Aufenthalt es euch ermöglicht, den kollegialen Geist untereinander in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom noch lebendiger zu machen. Möge dies eine Zeit der Gnade sein und eine Hilfe, die eurer pastoralen Fürsorge anvertrauten Gemeinschaften im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe wachsen zu lassen - eng eingebunden in die Universalkirche! Ich danke dem Vorsitzenden eurer Bischofskonferenz, Msgr. Yves Ramousse, für die herzlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Eindrucksvoll schildern sie die Prüfungen, die eure Völker im Laufe der vergangenen Jahre durchgemacht haben, und beleuchten die Vitalität eurer Gemeinden, die gegenwärtig eine spirituelle Wiedergeburt voll Hoffnung für die Zukunft erfahren. In diesen einzigartigen Augenblicken der Gemeinschaft mit euren Ortskirchen möchte ich mich auch an die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und alle Gläu- 1098 AD-LIMINA-BESUCHE bigen eurer Länder wenden. Überbringt ihnen bei eurer Rückkehr die herzlichen Grüße des Papstes und seine Ermutigung, damit sie auch in Zukunft hochherzige Zeugen der Liebe des Vaters zu allen Menschen bleiben! Übermittelt meine aufrichtigen Grüße auch an die Völker von Kambodscha und Laos; ich kenne ihren Mut und ihren Willen zum Aufbau von brüderlichen und blühenden Ländern! 2. Mit euch danke ich dem Herrn für die heldenhafte Treue, die die Jünger Christi in der Zeit bewiesen haben, als eure Staaten furchtbarem Leid ausgesetzt waren und es zahllose unschuldige Opfer der blinden Gewalt und der Leugnung der Menschenwürde gegeben hat. Viele Priester, Ordensleute und Laien haben - dem Beispiel des Herrn folgend - ihr Leben hingegeben, sie haben zusammen mit ihren Brüdern und Schwestern ihr Blut vergossen und sich den Prüfungen mit Würde und Seelenstärke gestellt. Dieses wunderbare Zeugnis darf von niemandem je vergessen werden! Es erinnert uns daran, dass die Zugehörigkeit zu Christus ein Zeichen des Widerspmchs für die Welt ist - heute wie gestern - und dass „Gott das Schwache in der Welt erwählt hat, um das Starke zuschanden zu machen“ (vgl. 1 Kor 1,27). Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich weiß, mit welcher Selbstlosigkeit ihr der Kirche in euren Ländern gedient habt und noch dient. Mehrere von euch haben Gefängnis oder Exil am eigenen Leibe erfahren, während manche eurer Brüder wie der Gute Hirte ihr Leben für ihre Herde hingegeben haben. Heute müsst ihr euer bischöfliches Amt oft unter schwierigen Bedingungen ausüben. Ihr könnt sicher sein, dass der Nachfolger Petri jedem von euch sowohl im apostolischen Leid als auch in seinen Freuden und Hoffnungen nahe ist. 3. Nun da die neuen Gegebenheiten in euren Ländern den christlichen Gemeinschaften ein Wiederaufleben ermöglichen, fordere ich euch auf, immer und überall tatkräftige Zeugen der Hoffnung zu sein, die ihr in euch tragt und die euch Leben gibt. Um dieses Geschenk des Herrn in euch zu bewahren und um der Kirche eurer Länder einen neuen apostolischen Impuls zu vermitteln, sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes, freiwillig, wie Gott es will, aus Neigung und indem ihr Vorbilder für die Herde werdet ( vgl. 1 Petr 5,2-3)! Von Christus in die Ortskirche eurer Zuständigkeit gesandt, seid ihr die Hauptverantwortlichen für die Verkündigung des Evangeliums. Dazu müsst ihr euch als Diener der Wahrheit verstehen und mit Demut und Beharrlichkeit verkünden, dass Christus der einzige Retter des Menschen ist und dass an ihn zu glauben bedeutet, zu glauben, „daß die Liebe in der Welt gegenwärtig ist und daß sie mächtiger ist als jedwedes Übel, in das der Mensch, die Menschheit, die Welt verstrickt sind“ (Dives in misericordia, Nr. 7). Außerdem habt ihr den Auftrag, die Gläubigen auf den Weg der Heiligkeit zu führen und alles zu tun, damit sie in größtmöglichem Maße an den Sakramenten teilhaben, vor allem an der Eucharistie, dem Gedächtnis des Todes und der Auferstehung des Herrn, das die Kirche aufbaut. Dem Dienst der Liebe vorstehend, durch welche die ganze Gemeinschaft Zeugnis ablegt für ihre Beteiligung an der Sendung Christi, der den Auftrag hatte, „den Armen eine gute Nachricht“ zu bringen 1099 AD-LIMINA-BESUCHE (vgl. Lk 4,18), ahmt den Guten Hirten nach, der am Elend und an der Schwäche seines Volkes Anteil nimmt und allen Leidenden nahe ist. 4. Bei ihrer Mitarbeit in eurer anstrengenden apostolischen Aufgabe werden eure noch nicht sehr zahlreichen Priester oft mit schwierigen Bedingungen in ihrem Leben und Amt konfrontiert. Ich grüße sie ganz herzlich und ermutige sie, ihren großzügigen Dienst für das Gottesvolk und ihren Beitrag zur Verkündigung der Frohbotschaft des Heils vertrauensvoll und mutig fortzusetzen. Sie dürfen nicht vergessen, dass sie immer auf die göttliche Kraft bauen können und daher in ihrer Tätigkeit nie allein sind! Christus, der sie zur Teilnahme an seiner Mission berufen hat, steht ihnen mit seiner Gnade bei, damit sie sich in vollem Vertrauen für ihr Amt einsetzen können. Sie seien die Menschen des Glaubens und des Gebets, die die Welt braucht! Ich lade sie ein, den Geist priesterlicher Brüderlichkeit und Zusammenarbeit untereinander immer mehr zu fordern im Hinblick auf ein gemeinsames pastorales Handeln, das reiche Frucht bringt, ihrer Berufung als Hirten gemäß sollen sie dem geistlichen Dienst an den ihnen anvertrauten Gläubigen den ersten Platz einräumen, um sie zu dem zu fuhren, den sie vertreten, dabei aber Männer der Mission und des Dialogs für alle bleiben! Liebe Brüder im Bischofsamt! Betrachtet eure Priester als „Söhne und Freunde ..., gleichwie Christus seine Jünger nicht mehr Knechte, sondern Freunde nennt“ (Lumen Gentium, Nr. 28). Um eine immer engere Gemeinschaft innerhalb der Kirche zu fördern, fordere ich euch außerdem auf, sie in brüderlicher Weise an der Leitung der kirchlichen Bezirke zu beteiligen - unter Achtung der Richtlinien des II. Vatikanischen Konzils und der Weisungen des kanonischen Rechts. Die Ordensmänner und Ordensfrauen aus euren eigenen oder anderen Ländern nehmen in vollem Ausmaß opferbereit und mutig am Evangelisierungswerk der Kirche teil; dabei nimmt die Betreuung der ärmsten und schwächsten Teile der Bevölkerung einen bevorzugten Platz ein. Im Namen der ganzen Kirche danke ich ihnen von ganzem Herzen für das beredte Zeugnis der Liebe, das sie durch ihre vollkommene Hingabe aus Liebe zu Gott und zu ihren Brüdern anbieten. Das geweihte Leben hat wesentlich zur Verwurzelung und Entwicklung der Kirche in euren Ländern beigetragen; ich wünsche, dass es immer mehr zum Gegenstand eurer besonderen pastoralen Fürsorge werde, um es in seinen aktiven und kontemplativen Formen zu fördern und seinen wesenseigenen Charakter im Dienst am Reich Gottes zu schützen. Es freut mich, zu wissen, dass gegenwärtig die Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben zunehmen. Ich beglückwünsche euch zu euren Bemühungen um Berufüngen und zu den lobenswerten Anstrengungen zugunsten der Ausbildung von Jugendlichen, die bereit sind, Christus nachzufolgen und der Kirche zu dienen. Der Aufbau eines Seminars ist wertvoll für die Zukunft des Priesteramts und der priesterlichen Brüderlichkeit. Überbringt allen jungen Menschen, die auf den Aufruf des Herrn antworten, und ihren Familien die Dankbarkeit des Papstes für das großzügige Geschenk, das sie der Kirche und Christus zu machen bereit sind! Sagt ihnen, dass der Nachfolger 1100 AD-LIMINA-BESUCHE Petri Gott dankt für all jene, die Arbeiter für die Ernte des Herrn werden wollen, und für jene, die sie dabei begleiten! 5. Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich nutze die Gelegenheit unseres Treffens, um den Laien eurer Diözesen meine aufrichtige Anerkennung für ihre zuweilen heldenhafte Treue zu Christus auszusprechen - besonders in den Zeiten, als sie in manchen Gegenden viele Jahre ohne priesterlichen Beistand leben mussten. Trotz ihrer geringen Zahl und der manchmal weiten Entfernung zum nächsten Gemeindezentrum beteiligen sie sich heute mit großer Hingabe am Leben ihrer Gemeinschaften und übernehmen mutig Eigenverantwortung in der Sendung der Kirche. Sie sollen nie müde werden, „das Bewußtsein ihrer Zugehörigkeit zur Kirche wachzuhalten, ja immer tiefer in ihrem Geist, in ihrem Herzen und in ihrem Leben zu verwurzeln. Es ist das Bewußtsein, Glieder der Kirche Jesu Christi zu sein, teilzuhaben am Geheimnis seiner ,communio’ und an seiner apostolischen und missionarischen Kraft“ (Christifideles laici, Nr. 64). Um den jungen und erwachsenen Gläubigen eine „immer eindeutigere Entdeckung der eigenen Berufung [zu ermöglichen] sowie die wachsende Bereitschaft, diese in der Erfüllung der eigenen Sendung zu leben“ (ebdNr. 58), ist es nötig, dass ihnen eine solide Katechese über die Glaubenswahrheiten und über deren konkrete Auswirkungen auf ihr Leben geboten wird. So wird man ihnen helfen, ihr Dasein zu gestalten, dass eine Einheit hergestellt wird zwischen den Anforderungen ihrer Verpflichtung in der Nachfolge Christi und ihren familiären und sozialen Tätigkeiten. Diese Bildung, in der Kirche gegeben und angenommen, wird den Aufbau solider und missionarischer christlicher Gemeinschaften ermöglichen. Im Laufe der schwierigen Zeiten, die ihr durchgemacht habt, hat die christliche Familie im Aufrechterhalten des Glaubens eine wesentliche Rolle gespielt. Es ist unerlässlich, dass die Eltern das, was sie selbst empfangen haben, auch ihren Kindern weitergeben. Wenn das Familienleben auf Liebe, Einfachheit, konkretes Engagement und tägliches Zeugnis gegründet wird, werden die Grundwerte, aus denen es besteht, vor dem Zerfall geschützt, der heute allzu oft diese wesentliche Einrichtung der Gesellschaft bedroht. Darum fordere ich euch auf: Helft den Familien, „im Glauben ,ein Herz und eine Seele1 [zu] sein durch die gemeinsame apostolische Gesinnung, die sie beseelt, und durch die Zusammenarbeit, die sie bei ihrem Einsatz im Dienst an der kirchlichen und bürgerlichen Gemeinschaft verbindet“ (Familiaris consortio, Nr. 50). 6. In euren Staaten haben sich antike und edle Kulturen entwickelt. Sie waren tief geprägt von den großen religiösen Traditionen Asiens, so reich an Weisheit und Wissen, allen voran der Buddhismus, der die traditionelle Religion der Mehrzahl der Einwohner dieser Region ist. Das Christentum seinerseits besteht dort seit mehr als vier Jahrhunderten. Im Geiste des II. Vatikanischen Konzils betrachtet die Kirche die kulturellen und spirituellen Reichtümer, die in euren Völkern verwurzelt sind und darüber hinaus zum Erbe der Menschheit gehören, mit Respekt und Achtung. Obwohl sie fest 1101 AD-LIMINA-BESUCHE daran glaubt, dass Christus der einzige Retter der Welt ist, versucht sie, „mit Klugheit und Liebe, durch Gespräch und Zusammenarbeit mit den Bekennem anderer Religionen sowie durch ihr Zeugnis des christlichen Glaubens und Lebens jene geistlichen und sittlichen Güter und auch die sozial-kulturellen Werte, die sich bei ihnen finden, anzuerkennen, zu wahren und zu fördern“ (vgl. Nostra aetate, Nr. 2). In brüderlicher Einstellung, die Freiheit eines jeden achtend, möchte sie mit den Menschen guten Willens die Botschaft der Hoffnung und des Friedens teilen, die sie von ihrem Gründer erhalten hat, und in gegenseitigem Verständnis mit ihnen zum Schutz des Lebens und der Menschenwürde Zusammenarbeiten wie auch zur Förderung der Versöhnung, der Gerechtigkeit und der Eintracht zwischen allen. So bringt sie ihre Absicht zum Ausdruck, an ihrem eigenen Platz zum Aufbau einer immer solidarischeren Gesellschaft, die dem Adel des menschlichen Wesens entspricht, beizutragen. Die Botschaft des Evangeliums kann nicht als eine fremde Kultur angesehen werden, die von außen eingepflanzt wird, denn der Heilsplan Gottes erstreckt sich auf alle Menschen und alle Völker. Es ist also wichtig, dass das Evangelium in der Kultur eurer Völker verkündet und aufgenommen wird und dort tiefe Wurzeln schlägt. Ich freue mich über die vor kurzem veröffentlichte erste ökumenische Übersetzung der Bibel in die Khmer-Sprache; das wird zahlreichen Christen eurer Gegend erlauben, das Wort Gottes in ihrer Muttersprache zu hören. 7. Im Laufe der vergangenen Jahre hat sich die Kirche — mit der großzügigen Hilfe von Freiwilligen vieler Länder - auf verschiedene Weise der Betreuung von Flüchtlingen und Menschen in Elendssituationen gewidmet, unabhängig von der politischen Zugehörigkeit der Betroffenen. Sie hat zu deren Wiedereingliederung in die jeweiligen Herkunftsländer beigetragen und sich um jene gekümmert, die im Ausland geblieben sind. Heute setzt sie sich überall, wo dies möglich ist, mutig für die Rehabilitierung der Personen ein, deren Dasein durch menschliche Gewalt gelitten hat oder die von den regionalen Naturkatastrophen betroffen waren. Außerdem arbeitet sie weiterhin entschlossen für die endgültige Abschaffung der Anti-Personen-Minen, dieser unmenschlichen Waffen, die in euren Ländern immer noch so viele Opfer fordern. Dem Vorbild ihres Herrn folgend, möchte die Kirche durch ihren Einsatz der Solidarität zugunsten des Menschen all das bekämpfen, was das menschliche Wesen knechtet und sein Leben bedroht. So möchte sie sich zusammen mit allen anderen am Wiederaufbau der Nation beteiligen. Ich fordere euch nachdrücklich zur Fortsetzung eurer großherzigen und selbstlosen Arbeit im Dienst an der Bevölkerung eurer Länder auf, vor allem zugunsten der Schwächsten. Auf diese Weise fördert ihr die Werte des Reiches Gottes und werdet zum Zeichen der Hoffnung für viele. Im Übrigen schauen wir heute mit Genugtuung auf die Ergebnisse der Bemühungen um größere Freiheit, damit die Kirche ihr Engagement für den Fortschritt und das Wohlergehen aller weiterführen kann. 1102 AD-LIMINA-BESUCHE 8. Liebe Brüder im Bischofsamt! Zum Abschluss unseres Treffens lade ich euch erneut ein, den Weg in die Zukunft mit Mut weiterzugehen. Inmitten der Völker von Laos und Kambodscha sollen die Katholiken Zeichen der Hoffnung sein, die Leben schenkt! Ich wünsche euren Staaten, mit ihren Regierenden den Aufbau einer immer brüderlicheren und solidarischeren Gesellschaft voranzutreiben, in der ein dauerhafter Frieden es allen Menschen erlaubt, zum Wohlstand zu gelangen und menschlich und geistig zu wachsen. Versichert jede eurer Gemeinden und deren Mitglieder, die noch fern von ihrer Heimat leben, der geistigen Nähe des Papstes! Nun, da wir uns auf den Beginn des dritten Jahrtausends vorbereiten, lade ich sie ein, ihre ganze Hoffnung auf Christus, den Retter, zu setzen und sich von ihm leiten zu lassen. Den Jugendlichen eurer Gemeinden möchte ich noch einmal deutlich sagen, dass die Kirche auf ihre Einsatzbereitschaft und Tatkraft zählt. Ich kenne die bedeutende Marienverehrung eurer Gläubigen, die ihren Ausdruck oft in herrlichen Kunstwerken findet, und ich empfehle sie dem Schutz der Mutter des Erlösers, der Mutter aller Menschen. Von ganzem Herzen erteile ich euch allen den Apostolischen Segen. Lebendige Ortskirche vor großen Herausforderungen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Litauens am 17. September Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Es freut mich, euch anlässlich dieses Ad-limina-Besuches wiederzusehen, der uns die Gelegenheit bietet, einen Augenblick intensiver Brüderlichkeit zu erleben, eingebunden in jenen fruchtbringenden Austausch, der für die Beziehungen zwischen den Hirten der Ortskirchen und dem Nachfolger Petri, dem Oberhirten der universalen Kirche, bezeichnend sein soll. Mein Dank gilt Msgr. Jänis Pujats, dem Erzbischof von Riga, der eure Gefühle der Verbundenheit zum Ausdruck brachte. Durch euch entbiete ich der gesamten Gemeinschaft Litauens, welcher ich vor sechs Jahren zu meiner großen Freude persönlich begegnen durfte, meinen Gruß. Besonders wertvoll sind mir vor allem die Erinnerungen an die Feierlichkeiten im Heiligtum von Aglona, im marianischen Herzen Litauens, wo wir der Seligen Jungfrau die Tränen der Vergangenheit sowie unsere Erwartungen an die Zukunft vortrugen. Nach langen Jahren der Prüfung stellte diese Feier die erhebende Stunde des Mag-nifikat dar. Denkwürdig war auch das ökumenische Klima, das meine Reise auszeichnete. Dass ich zusammen mit euch sowie mit den lutherischen und orthodoxen Brüdern beten durfte, ließ mich mit besonders intensiver Sehnsucht auf jenen Tag blicken, an welchem das gemeinsame Gebet durch die Gaben des Heiligen Geistes in die volle Gemeinschaft münden wird. Ihr, liebe Mitbrüder, seid als Oberhirten einer katholischen Gemeinschaft, die neben den anderen christlichen 1103 AD-LIMINA-BESUCHE Brüdern eine Minderheit darstellt, dazu berufen, mit besonderem Eifer den Weg der Ökumene zu beschreiten, der nunmehr unumkehrbar als ein Kennzeichen der Jünger Christi angesehen werden kann, ganz im Einklang mit seinem hohenpriesterlichen Gebet: „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,11.21). 2. Gemeinsam mit den Brüdern der verschiedenen Konfessionen habt ihr viele Jahre hindurch unter der Härte eines Regimes gelitten, das eine irdische Stadt ohne das Licht des Glaubens errichten wollte. Noch immer lassen sich die Nachwirkungen der atheistischen Propaganda verspüren, vor allem bei jenen Generationen, die deren Einfluss in besonderer Weise ausgesetzt waren. In nicht viel glücklicherer Lage befinden sich jedoch auch die Jugendlichen, da sich mit dem Einzug der Freiheit auch jenes in weiten Teilen der Welt vorherrschende kulturelle Modell ausbreitete, bei dem sich Gleichgültigkeit und religiöser Indifferentismus nicht selten mit Verhaltensweisen verbinden, die mit dem Evangelium Christi gänzlich unvereinbar sind. Hiervon ist die Familie betroffen, die zunehmend die Werte der Einheit und der Beständigkeit verliert. Hierdurch wird selbst der Wert des Lebens beeinträchtigt, das zum Ziel zahlreicher, oft sogar legalisierter Angriffe wird. Angesichts solch schwerer Probleme muss mit aller Kraft jener echte Humanismus als Vorschlag eingebracht werden, der auf allgemeingültigen moralischen Gesetzen gründet und durch die Botschaft des Evangeliums erhellt wird. Wie wir wissen, bedeutet dies jedoch ein „Gegen-den-Strom-Schwimmen“. Wie können wir uns nun Gehör verschaffen, wie sollen wir zu den Gewissen sprechen, wenn sich alles in eine andere Richtung zu bewegen scheint? Die Kirche braucht folglich einen Schub an Enthusiasmus und Eifer, indem sie sich wie am ersten Pfingsten vom Geist erfüllen lässt. 3. Auch hinsichtlich eines solchen neuen pastoralen Aufbruches erwies sich die neue Aufgliederung der katholischen Gemeinschaft, die mit der Schaffung weiterer Diözesen einherging, von großem Nutzen. Dank dieser weiter veränderten und den Gegebenheiten des Landes besser angepassten Strukturierung kann die Kirche Litauens bezüglich ihrer Präsenz und ihrer Handlungsmöglichkeiten wachsen. Wie das II. Vatikanische Konzil hervorhob, handelt es sich bei den Diözesen nicht lediglich um Verwaltungseinheiten, sondern um wahrhaftige Kirchen, „in denen und aus denen die eine und einzige katholische Kirche besteht“ {Lumen Gentium, Nr. 23). Der Sinn der Ortskirche erschließt sich vor dem Hintergrund der Ausführungen des Konzils über das Geheimnis der Kirche, welches in der Dreifaltigkeit selbst gründet. Es handelt sich hierbei um ein Geheimnis, das, obgleich es in ganzer Fülle in der Einheit der Weltkirche zum Ausdruck kommt, auch in den einzelnen Ortskirchen verwirklicht ist, wo man sich bei der Feier der Eucharistie unter der Leitung des Bischofs zum Hören des Wortes Gottes versammelt. Somit gibt es keinen Gegensatz, sondern vielmehr eine „gegenseitige Innerlichkeit“ zwischen dem universalen Aspekt jener Gemeinschaft und der je eigenen Berufung der verschiedenen 1104 AD-LIMINA-BESJJCHE Ortskirchen (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre Communionis notio, 28. Mai 1992, Nr. 9: X4S85[1993]842; 2X4S[1992]1258). Es handelt sich hierbei um eine Zusammenfassung des Amtes des Bischofs, der einerseits durch sein Eingebundensein in das Bischofskollegium an der universalen Dimension der Gemeinschaft und des pastoralen Dienstes teilhat. Andererseits verwirklicht er sein dreifaches ihm anvertrautes Amt als Lehrer, Verwalter der Sakramente und Vorsteher (vgl. Lumen Gentium, Nm. 25-27) des Volkes. Seit den Zeiten des Konzils wurde die Dimension der Kollegialität in besonderer Weise betont und durch neue Instrumente bereichert. Von großer Bedeutung ist diesbezüglich die Bischofskonferenz, die den Kirchen eines bestimmten Gebietes dabei hilft, ihr pastorales Handeln beständig aufeinander abzustimmen. Anhand eurer eigenen, wenn auch noch jungen Bischofskonferenz könnt ihr den Nutzen dieser Einrichtung erkennen. Es soll hierbei jedoch daran erinnert werden, dass die Bischofskonferenz in keiner Weise die Amtsbefugnisse des jeweiligen Oberhirten beschneidet, der für die gesamte Pastoral seines Gebietes direkt und persönlich verantwortlich bleibt (vgl. das Apostolische Schreiben Apostolos suos über die theologische und rechtliche Natur der Bischofskonferenzen, 21. Mai 1998, Nr. 20: AAS 90(1998); O.R.dt., Nr. 31-32, 1998, S. 9). 4. Eure Kirche, liebe Mitbrüder, durchlebt derzeit eine Periode des Übergangs und der Veränderungen. In den langen Jahren der kommunistischen Herrschaft habt ihr die Gabe der Treue und des Martyriums kennengelemt, was ein bedeutender Same der Hoffnung für eure Zukunft bleibt. Doch ihr selbst habt mich auf einige negative Spuren aufmerksam gemacht, die jener lange Zeitraum in eurer kirchlichen Gemeinschaft hinterlassen hat. Viele Katholiken gehen nicht regelmäßig zum Sonntagsgottesdienst und zu den Sakramenten. Eine nicht geringe Anzahl von Personen lässt nicht einmal die Kinder taufen oder schiebt deren Taufe auf. Unterdessen nimmt die Verbreitung der Sekten zu. Dies sind besorgniserregende Zeichen. Daher muss die Neuevangelisiemng zum vorrangigen Ziel und Gebot erhoben werden. Christus muss der lettischen Gesellschaft, und hierbei insbesondere den jungen Generationen, nahe gebracht werden, damit ihn alle als den Erlöser erkennen können, der Worte des ewigen Lebens spricht (Joh 6,68) und der „die Freude aller Herzen und die Erfüllung ihrer Sehnsüchte ist“ (Gaudium et spes, Nr. 45). Um so mehr freue ich mich über die Anstrengungen, die ihr auf dem Gebiet der Entwicklung der Katechese und der Heranbildung von Katecheten mittels der Errichtung des Katechetischen Institutes von Riga und der dazugehörigen, interdiözesanen Einrichtungen unternehmt. Das Ziel, das ins Auge gefasst werden soll, ist, dass der Glaube eines jeden Getauften zu einer echten Wahl werde, die durch eine Katechese unterstützt wird, die nicht nur zur Erkenntnis der Wahrheit, sondern auch zu Erfahrungen mit den göttlichen Geheimnissen und zu einem ganzheitlichen Leben führt. Ihr, liebe Mitbrüder, seid an „allererster Stelle für die Katechese verantwortlich: ihr seid die Katecheten im wahrsten Sinne des Wortes“ (Catechesi tradendae, Nr. 63). Gebt euch 1105 AD-LIMINA -BESUCHE weiterhin Mühe, damit das Wort Christi in überreichem Maße den einzelnen, den Familien und der Gesellschaft in allen ihren Bereichen verkündet wird. 5. Die gläubige Aufnahme des Wortes Gottes führt ihrerseits dazu, die Liturgie als „Quelle und Gipfel“ des kirchlichen Lebens zu erfahren (vgl. Sacrosanctum Con-cilium, Nr. 10). Wir müssen die liturgische Erneuerung, die vom Konzil durchgeführt wurde, als ein großes Geschenk Gottes an die Kirche unserer Zeit ansehen und unseren Gläubigen dabei helfen, ganz aus dieser Gabe heraus zu leben. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Wiederentdeckung der Feier des Sonntags als Tag des Herrn, dem ich im vergangenen Jahr das Apostolische Schreiben Dies Domini gewidmet habe. Die traditionelle Praxis des Sonntagsgebotes muss mit vollem Einsatz gefördert werden, wobei in der Seelsorge all jenen Schwierigkeiten verständnisvoll begegnet werde, mit denen die Gläubigen eines bestimmten Gebietes nicht selten konfrontiert werden. Es ist vor allem vonnöten, das Geheimnis dieses Tages begreiflich zu machen, in dem ja das christliche Geheimnis selbst enthalten ist. Der Sonntag ist nämlich jene wöchentliche Wiederkehr des Tages der Auferstehung Christi, der Tag, an dem die gesamte, von ihm erlöste Schöpfung in geheimnisvoller Weise zu einem neuen Leben „wiedergeboren“ wird in treuer Erwartung seiner glorreichen Wiederkunft am Ende der Zeiten. Somit ist also der Sonntag der Tag des Glaubens schlechthin: ein unverzichtbarer Tag! (vgl. Dies Domini, Nm. 29-30). 6. Zugleich handelt es sich beim Sonntag in besonderer Weise um den „dies Eccle-siae“, den Tag der Kirche. Es ist daher unerlässlich, dass die sonntägliche Eucharistiefeier so vorgenommen wird, dass sie den Sinngehalt der Kirche voll zum Ausdruck bringt. Am „Tisch des Wortes“ ruft Gott sein Volk zu einem beständigen Liebesdialog an. Beim eucharistischen Mahl formt Gott dieses Volk zu seinem „Leib“ und zu seiner „Braut“, indem er zum Brot des Lebens und zum Band der Einheit wird. Die sonntägliche Eucharistiefeier ist fürwahr ein privilegierter Augenblick, weil die Gläubigen dort ihr „Kirche-Sein“ verspüren und weil sie hierdurch in der Gemeinschaft wachsen können. Ihrem ureigensten Wesen nach bringen somit das Hören des Wortes Gottes und der Empfang des Leibes Christi die Gläubigen dazu, sich zu „Glaubensverkündem und Zeugen“ zu machen (Dies Domini, Nr. 45). Von der Messe hin zur Mission: dies ist der natürliche Weg einer jeden christlichen Gemeinschaft, der besonders im derzeitigen geschichtlichen Abschnitt vonnöten ist, in dem sich die Kirche Litauens vor die große Herausforderung der Neuevangelisierung gestellt sieht. 7. All dies kann lediglich in dem Maße geschehen, in dem sich der jeweilige Getaufte seiner Berufung bewusst wird. Diesbezüglich ist die Förderung der Laien von entscheidender Bedeutung. Bestimmte Auffassungen bezüglich des Wesens der christlichen Gemeinschaft führten nicht selten dazu, den Laien eine passive Haltung zuzuweisen. In eurem Land kann zudem die schmerzvolle Erinnerung an das vorherige Regime, das zahlreiche Mitarbeiter für antikirchliche Schikanen benutzte, das Vertrauen in eine weitergehende Übertragung von Verantwortung auf 1106 AD-LIMINA-BESUCHE die Laien mindern. Dennoch müssen wir voller Vertrauen auf die Zukunft blicken. Gemäß der vom Konzil vorgezeichneten Richtlinien sind die Laien, obgleich sie die Priester nie ersetzen können, zu einem wahren und echten Apostolat berufen, das unter den heutigen Bedingungen „noch intensiver werden und sich noch stärker ausweiten muss“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 1). Zu diesem Bewusstsein können die Laien auch mit Hilfe von durch die Kirche anerkannten Vereinigungen und kirchlichen Bewegungen gelangen, vorausgesetzt, dass sie in vollem Einklang mit den Bischöfen und gemäß der Pastoral der Diözese wirken. Über diese sozusagen „interne“ Pflicht hinaus kommt die Berufung der Laien vor allem auf dem Gebiet der Beziehungen zwischen Kirche und Welt zum Ausdruck. „Die Laien sind eigentlich, wenn auch nicht ausschließlich, zuständig für die weltlichen Aufgaben und Tätigkeiten“ (Gaudium et spes, Nr. 43). Es ist besonders dem täglichen Zeugnis der Laien zu verdanken, dass das Evangelium zum Hefeteig aller Aspekte des Lebens werden kann: von der Familie bis hin zur Kultur, von der Kunst über die Wirtschaft bis hin zum politischen Engagement. „Ein Christ, der seine irdischen Pflichten vernachlässigt, versäumt damit seine Pflichten gegenüber dem nächsten, ja gegen Gott selbst“ ([ebd., Nr. 43). 8. Liebe Mitbrüder, es liegt auf der Hand, dass das Geheimnis einer Erneuerung und eines Aufschwungs in der Kirche Litauens zu einem entscheidenden Teil bei jenen Personen liegt, die sich durch eine besondere Berufung der Sache des Reiches Christi gewidmet haben. Ich denke an die Ordensmänner und -flauen, von denen ich mir eine immer qualifiziertere und lebendigere Präsenz in euren Gemeinden erwarte. Meine Gedanken richten sich vor allem auf den priesterlichen Dienst. In euren Gemeinden lässt sich feststellen, dass ein zahlenmäßiges Anwachsen der Priester dringend nötig wäre, um den Bedarf der verschiedenen Pfarreien decken zu können. Dieser Bedarf kann gewiss durch die Mitarbeit der Laien wie auch durch die Förderung des ständigen Diakonats abgeschwächt werden. Dennoch bleibt der Priester unersetzbar. Ihm obliegt nämlich die Aufgabe, bei der Verwaltung der Sakramente „ in persona Christi“ zu handeln; er hat in getreuer Zusammenarbeit mit dem Bischof das Amt der Verkündigung des Wortes Gottes und des Gemeindevorstehers auszuführen. Das Volk Gottes hat ein Recht auf seinen Dienst als Hirte und Vater. Hierin liegt - gestützt auf das Gebet an den „Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,38) - die dringende Notwendigkeit einer Pastoral der Berufungen begründet, die es sich zur Aufgabe macht, die Familien und die gesamte christliche Gemeinschaft so zu sensibilisieren, dass Heranwachsende und Jugendliche dabei eine Hilfe erfahren, sich für eine etwaige Berufung durch Gott bereitzuhalten. Wir wissen genau, von welch großer Bedeutung die Ausbildung ist, die all jenen zugesichert werden muss, die sich darauf vorbereiten, in der Gemeinde eine solch bedeutende Aufgabe zu übernehmen. In der Tat wird eine solide theologische und kirchliche Ausbildung verlangt, die auf das menschliche und 1107 AD-LIMINA-BESUCHE emotionale Gleichgewicht bedacht ist, die in einer tiefen Spiritualität verwurzelt ist und sich durch eine herzliche Offenheit auszeichnet, welche jedoch gegenüber der Wirklichkeit der Welt, in der wir leben, wachsam bleibt. In der Ausbildung eurer Priester liegt ein gutes Stück der Zukunft der Kirche Litauens begründet. 9. Danke, liebe Mitbrüder, für die Freude, die ihr mir durch eure Anwesenheit gemacht habt. Ich möchte euch gegenüber noch einmal meine volle Wertschätzung zum Ausdruck bringen für all das, was ihr für das Volk Gottes tut und künftig noch tun werdet trotz der zahlreichen Schwierigkeiten, mit denen ihr euch konfrontiert wisst. Vergessen wir in den unvermeidbaren Stunden der Dunkelheit niemals, dass wir nicht allein sind: unsere Anstrengungen werden von der Gnade getragen, der wir uns voll überantworten wollen. Habt also Mut: „Caritas Christi urget nos“ (2 Kor 5,14). Lasst uns, wie der Apostel, mit der Kraft jener Liebe voranschreiten, die uns umgibt und begleitet. Hierbei diene uns auch der Blick auf das bevorstehende Große Jubiläum als An- sporn, welches uns alle anruft, einen besonderen Schritt hin zur Bekehrung zu unternehmen. Ich rufe die himmlische Mutter an, sie möge euch für euer apostolisches Wirken Kraft, Ausdauer und reiche Früchte schenken, und erteile euch und den euch anvertrauten Gläubigen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Zusammenarbeit von Kirche und Staat in allen Bereichen menschlicher Entwicklung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Malawi am 6. September Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Dank sei dem Vater aller Gnaden für das Geschenk dieses Treffens mit euch, den Bischöfen von Malawi, anlässlich eures Ad-limina-Besuchs hier in Rom. Mit großer Freude heiße ich euch willkommen und grüße durch euch von ganzem Herzen alle Gläubigen Malawis, deren Erinnerung ich voll Zuneigung im Herrn bewahre und die stets in meinem Gebet gegenwärtig sind. Vor allem jetzt, während sich die Nation auf das hundertjährige Gründungsjubiläum der ersten katholischen Mission auf malawischem Boden vorbereitet, bete ich für euch, die Hirten des heiligen Gottesvolkes, für die Priester, die Ordensleute und Laien, damit, wie der hl. Paulus sagt, „Gott euch eurer Berufung würdig mache und in seiner Macht allen Willen zum Guten und jedes Werk des Glaubens vollende. So soll der Name Jesu, unseres Herrn, in euch verherrlicht werden und ihr in ihm“ (2 Thess 1,11—12). 2. Als 1901 in Nzama die erste Mission gegründet wurde, fasste der christliche Glauben Wurzeln in Malawi und konnte sich seitdem stets weiter entwickeln. Täglich fügt der Herr der Gemeinschaft mehr und mehr hinzu (vgl. Apg 2,47), und auch die Kirche ist ihrerseits in zunehmendem Maße am Leben der Nation betei- 1108 AD-LIM1NA-BESUCHE ligt, sie betont die Notwendigkeit von Solidarität und Verantwortung gegenüber dem Staat, ruft auf zu Dialog und Versöhnung zur Überwindung von Spannungen. Kirche und Staat unterhalten gute Beziehungen, und die Kirche kann ihre geistliche Aufgabe auf den Bereichen des pastoralen Dienstes, der Erziehung, des Gesundheitswesens und der menschlichen und gesellschaftlichen Entwicklung ungehindert erfüllen. Allgemein anerkannt ist auch die wesentliche Rolle der Kirche in Malawi beim Übergang zur demokratischen Regierungsform. Aber dieser Übergangsprozess ist noch nicht abgeschlossen, und die Kirche muss weiterhin gemeinsam in allen Bereichen der Gesellschaft dafür sorgen, dass die Bemühungen der Nation um den Aufbau einer gerechten, gesunden und dauerhaften Demokratie nicht fehlschlagen. Das wird von der Qualität des geschaffenen Fundaments abhängen, und die einzig sichere Grundlage einer demokratischen Gesellschaft ist die zutreffende Sichtweise der menschlichen Person und des Gemeinwohls. Wenn eine Gesellschaft nicht auf dieser Wahrheit aufgebaut ist, dann ist sie wie das auf Sand gebaute Haus, das einstürzte (vgl. Mt 7,26-27). Es ist die heilige Pflicht der Kirche, diese Wahrheit zu verkünden, die von ihr ausgehenden menschlichen Werte hervorzuheben und jeden an die Pflicht zu erinnern, dementsprechend zu handeln. 3. Zahlreiche, schwere Herausforderungen stellen sich dem christlichen Leben und Dienst in einem Kontext verbreiteter, oft extremer Armut, schwacher moralischer und ethischer Überzeugung - die Ursache vieler gesellschaftlicher Übel, einschließlich Korruption und Angriffe auf die Heiligkeit des menschlichen Lebens selbst. Daher müssen den Gläubigen eingehende Evangelisierungs- und Katecheseprogramme zur Vertiefung ihres christlichen Glaubens und Verständnisses geboten werden, um ihnen zu ermöglichen, ihren berechtigten Platz in der Kirche wie auch in der Gesellschaft einzunehmen. Wie das II. Vatikanische Konzil betont, sind „die Laien ... von Gott gerufen, ihre eigentümliche Aufgabe, vom Geist des Evangeliums geleitet, auszuüben und so wie ein Sauerteig zur Heiligung der Welt gewissermaßen von innen her beizutragen“ (Lumen Gentium, Nr. 31). Weiter heben die Konzilsväter hervor, dass „alle Christgläubigen ... zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind. ... Alle Christgläubigen sind also zum Streben nach Heiligkeit und ihrem Stand entsprechender Vollkommenheit eingeladen und verpflichtet“ (ebd., Nm. 40, 42). Um das zu verwirklichen, sollten wir stets die an die Bischöfe gerichteten Worte des Konzils vor Augen haben: „Seien die Bischöfe ... gute Hirten, die ihre Schafe kennen und deren Schafe auch sie kennen, wahre Väter, die sich durch den Geist der Liebe und der Sorge für alle auszeichnen. ... Die ganze Familie ihrer Herde sollen sie so zusammenführen und heranbilden, daß alle, ihrer Pflichten eingedenk, in der Gemeinschaft der Liebe leben und handeln“ {Christus Dominus, Nr. 16). In dieser Hinsicht unterstütze ich gerne eure Initiativen zur Vorbereitung des Großen Jubeljahres 2000 und der für 2001 vorgesehenen Feier zum einhundertjährigen Bestehen der Kirche in Malawi; beide Anlässe sind ein Aufruf zur Festigung des christlichen Glaubens und Einsatzes. 1109 AD-LIMINA-BESUCHE Euer Hirtenbrief von 1996, „Der gemeinsame Weg im Glauben“, war eine aktuelle Aufforderung zu Umkehr und Erneuerung im christlichen Leben. Im Hinblick auf diese beiden besonderen Gnadenmomente habt ihr die Anweisung meines Apostolischen Schreibens Ter Ho millennio adveniente beachtet und „eure Herzen den Eingebungen des Geistes geöffnet, der es nicht unterlassen wird, die Herzen zu rühren, damit sie sich anschicken, das große Jubiläumsereignis mit erneuertem Glauben und offenherziger Beteiligung zu feiern“ (vgl. Nr. 59). Den Empfehlungen der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika und des Apostolischen Schreibens Tertio millennio adveniente folgend, habt ihr ein Vorbereitungsprogramm ausgearbeitet, um Priestern, Ordensleuten und Christgläubigen eurer Diözesen zu helfen, „für die Feier des nunmehr bevorstehenden Jubeljahres die nötige Erleuchtung und Hilfe zu empfangen“ (ebd.). Das wurde durch euren Hirtenbrief „Komm zurück zu mir und lebe“ bekräftigt, in dem ihr mit Recht die Notwendigkeit eines neuen Sündenbewusstseins hervorhebt, um so das Bewusstsein des göttlichen Erbarmens wiederzuerlangen, des Kemgedankens des Großen Jubeljahres. Das ist in der Tat jene Auffassung der menschlichen Existenz, die im Mittelpunkt des Evangeliums steht und die die Kirche allezeit und allerorts zu verkünden berufen ist. 4. Wenn die Verkündigung der Frohbotschaft durch die Katechese vervollständigt wird, kann der Glauben heranreifen, und die Jünger Christi werden durch die eingehende und systematische Erkenntnis der Person und Botschaft des Herrn geformt (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 19). Bibelstudien, das heißt der direkte Kontakt mit den heiligen Texten des Wortes Gottes, begleitet von frommen Lesungen (vgl. Dei Verbum, Nr. 25) und unterstützt durch eine klare Darlegung der Lehre wie im Katechismus der Katholischen Kirche, vermitteln den Laien einen starken Glauben und ermöglichen ihnen, seinen Anforderungen in allen Situationen zu entsprechen, nicht zuletzt in solch wesentlichen Bereichen wie der christlichen Ehe und Familie. Ein klares Zeichen der „Neuheit“ des Lebens in Christus ist zweifellos der im Einklang mit dem Aufruf des Erlösers zur Wiederherstellung des ursprünglichen göttlichen Plans gelebte eheliche Bund und die Familie. Eine gute Katechese ist vor allem für junge Menschen wichtig, denn für sie ist ein erleuchteter Glaube das Licht auf dem Weg in die Zukunft. Sie wird ihnen Kraft geben, wenn sie den Ungewissheiten einer schwierigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation gegenüberstehen. In der offenbarten Wahrheit gestärkt, werden Katholiken auch in der Lage sein, auf jene Einwände zu antworten, mit denen Anhänger von Sekten und neuen religiösen Bewegungen stets häufiger an sie herantreten. Das feste und treue Befolgen des Wortes Gottes, dem authentischen Lehramt der Kirche entsprechend, ist ferner auch die Grundlage für den Dialog mit den Anhängern traditioneller afrikanischer Religionen und des Islams wie für eure Beziehung zu anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, was von größter Wichtigkeit ist, wenn die christliche Sendung nicht - wie in der Vergangenheit - auch in Zukunft durch Spaltungen beeinträchtigt werden soll (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 34). 1110 AD-LIMINA-BESUCHE 5. Da die gute Leitung der Kirche insbesondere in einer Zeit wie dieser von grundlegender Wichtigkeit ist, möchte ich eure Bemühungen zur Gewährleistung einer wirksameren Ausbildung für eure Seminaristen und Priester unterstützen. Dieses Problem ist für eure Ortskirchen von wesentlicher Bedeutung und erfordert eure Lenkung, denn ohne eine solide Ausbildung werden Geistliche nicht in der Lage sein, ihre Berufung und ihren Dienst zu verwirklichen und täglich ihr Leben hinzugeben „für das Wachstum des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe in den Herzen und in der Geschichte der Männer und Frauen unserer Zeit“ (Pastores dabo vobis, Nr. 82). Nach Kräften habt ihr euch für die Intensivierung der Ausbildungsprogramme und die eingehende spirituelle, wissenschaftliche und pastorale Schulung eurer Seminaristen eingesetzt; und die Früchte dieser Bemühungen sind bereits erkennbar. Die Ratio institutionis sacerdotalis, die Ratio studiorum und die Regeln des Seminarlebens sind für die Diözesanseminare von Kachebere, Zomba und Mangochi gebilligt worden. Ferner ist auch die Einführung eines Spiritualitätsprogramms und eines propädeutischen Jahres für Priesteramtskandidaten, bevor sie mit dem Philosophiestudium beginnen, wie auch die Einberufung eines für Ausbildung, Seminarleben und -disziplin zuständigen Direktoriums als durchaus positiv zu beurteilen. Keineswegs ist die „formatio permanens“ [Weiterbildung] bereits geweihter Priester weniger wichtig als die Ausbildung zukünftiger Geistlicher. Pastorale Hingabe und Eifer im Dienstamt, moralische Disziplin und Rechtschaffenheit, Losgelöstsein von weltlichem Besitz und weltlichen Haltungen, Bereitschaft zur vollkommenen Hingabe im Dienst am Nächsten: das sind die Eigenschaften, die in euren Priestern gefordert werden und ihr Leben prägen müssen. Dann werden sie so sein wie nach den Worten des hl. Johannes Chrysostomus der Priester sein muss: „würdevoll und doch nicht aufgeblasen ... furchteinflößend und doch freundlich, zum Herrschen befähigt und doch herablassend, unbestechlich und doch dienstfertig, demütig und doch nicht unterwürfig, strenge und doch milde“ (Über das Priestertum, 3,16; in: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 27, Kempten/München 1916, S. 168 f.). „Nur ein Ziel soll er im Auge behalten: nämlich die Erbauung seiner Gemeinde, nichts darf er aus Feindschaft tun, nichts aus Liebedienerei“ (ebd.). Zu diesem Zweck sind wirksame Programme zur ständigen Weiterbildung des Klerus unerlässlich. Das muss zu euren vorrangigen Anliegen für die Kirche in Malawi gehören, während sie sich nun auf den Übergang in das dritte Jahrtausend vorbereitet, denn eine der wichtigsten Verantwortungen der Bischöfe ist es, ihren Priestern Gelegenheit zu spiritueller Erneuerung und Reifung zu geben (vgl. Optatam totius, Nr. 22). 6. Auch Ordensleute sollten sich Zeit ihres Lebens weiterbilden. Ihre besondere Weihe muss unablässig vertieft werden, damit sie stets fest in Christus verwurzelt bleiben und die hohen Ideale ihrer Berufung in ihren eigenen Herzen und in den Augen jener Menschen unvermindert aufrechterhalten, für die sie ein besonderes Zeichen der liebevollen Fürsorge Gottes sind. Durch das Gelübde der evangeli- 1111 AD-LIMINA-BESUCHE sehen Räte sind sie Zeugen des Gottesreiches und haben teil am Aufbau des Leibes Christi, indem sie andere zu Umkehr und einem Leben der Heiligkeit fuhren. Sie brauchen Hilfe, um den Charismen ihrer Institute treu zu bleiben und in enger Zusammenarbeit und Eintracht mit euch, den Hirten der Kirche, ihr Apostolat auszuüben (vgl. Mutuae relationes, Nr. 8). Ein von Keuschheit, Armut und Gehorsam geprägtes Leben, frei gewählt und treu gelebt, widerlegt die konventionelle Weisheit der Welt, denn es ist die Verkündigung des gekreuzigten Christus (vgl. 1 Kor 1,20-30). Durch ihr Zeugnis können geweihte Männer und Frauen die Gesellschaft und deren Denk- und Handlungsweise verändern, und zwar durch die Liebe, die sie allen Menschen entgegenbringen, insbesondere jenen, die keine Stimme haben, durch ihr Interesse vornehmlich für geistige und nicht materielle Dinge, durch ihr Gebet, ihre Hingabe und ihr Beispiel. An dieser Stelle möchte ich ein Wort der Anerkennung aussprechen für die wunderbare Arbeit der Ordensleute Malawis im Bereich der menschlichen Entwicklung, der Erziehung und Bildung und im Gesundheitswesen. Weder die Kirche noch die Nation könnten auf diesen einzigartigen Beitrag verzichten. 7. Liebe Brüder, als Hirten des heiligen Gottesvolkes habt ihr die dreifache Aufgabe, all jene zu führen, anzuspomen und zu vereinen, die auf „Gottes Ackerfeld“ (1 Kor 3,9) arbeiten. Diese eure Aufgabe ist nun um so dringlicher, da ihr euch auf das dritte Jahrtausend und die Feierlichkeiten zum hundertjährigen Bestehen der katholischen Kirche in Malawi vorbereitet und euch an die Worte des Herrn von der großen Ernte erinnert, die durch unseren Dienst am Evangelium eingebracht werden muss (vgl. Mt 9,37). Am Vorabend des Großen Jubeljahres sind wir aufgerufen, uns mit neuem Schwung einzusetzen, um mit allen Menschen das Licht der Wahrheit Christi zu teilen. Möge der Heilige Geist euch durch diese Pilgerreise zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus für die Arbeit der Neuevangelisierung stärken. ln der Liebe der Heiligsten Dreifaltigkeit vertraue ich euch, eure Priester, Ordensleute und Christgläubigen der glorreichen Fürsprache der Jungfrau Maria, Mutter der Kirche, an und erteile meinen Apostolischen Segen als Pfand der Gnade und des Friedens in ihrem göttlichen Sohn. 1112 AD-LIMINA-BESUCHE Eucharistie - Mitte und Höhepunkt christlichen Gemeindelebens Ansprache an die Bischöfe von Mosambik anlässlich ihres Ad-limina-Besuches am 20. März Verehrter Herr Kardinal liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine Freude, euch heute hier zu empfangen, die ihr vom Herrn den Auftrag empfangen habt, seine Kirche in Mosambik zu leiten. Ihr seid nach Rom gekommen, um den Apostelgräbem einen Besuch abzustatten und mit dem Nachfolger Petri zusammenzutreffen, wovon ihr euch neues Licht und Unterstützung in eurem Amt erhofft, den Leib Christi zu errichten (vgl. Eph 4,12) in Gemeinschaft mit der gesamten Kirche. Msgr. Francisco Silota, dem Vorsitzenden eurer Bischofskonferenz, danke ich für die liebenswürdigen Worte, die er an mich gerichtet hat. Aus ihnen konnte man die geistige Lebendigkeit und die missionarische Dynamik eurer Gemeinschaften und ihrer Treue zum Evangelium entnehmen. Zeichen dieser Dynamik und des kirchlichen Wachstums ist die neue Diözese Gurue, die im Jahre 1993 errichtet und Msgr. Manuel Chuanguira Machado anvertraut wurde, den ich auch ganz besonders bei dieser Gelegenheit seines ersten Besuches hier begrüßen möchte. Aus demselben Grund gilt auch ein besonderer Gruß dem neuen Bischof von Pemba, Msgr. Tome Makhweliha, und Msgr. Adriano Langa, dem Auxiliarbischof von Maputo. Euch alle begrüße ich ganz herzlich in Christus, und ich möchte euch hiermit auch zum Ausdmck bringen, wie hoch ich euren Dienst an der Kirche schätze. Auch versichere ich euch meines Gebetes, damit ihr voller apostolischem Ethusiasmus weiterhin jenen das Evangelium verkündet, die euch anvertraut sind. 2. Ihr wolltet diesen euren Besuch „Ad-limina-Apostolorum“ einbeziehen in die verschiedenen Jubiläumsfeierlichkeiten zur Erinnerung an die Evangelisierung Mosambiks, und dies ist auch der Anlass unserer Unterhaltung, wobei das erste Thema die Eucharistie sein soll, denn sie stellt,Mitte und Höhepunkt des ganzen Lebens der christlichen Gemeinde“ dar (Christus Dominus, Nr. 30). Auch war sie die heilige Pforte, durch die Jesus Christus euer Land betreten hat. In der Tat wird er selbst gegenwärtig durch folgende Worte: „Hoc est enim Corpus meum. Hic est enim calix Sanguinis mei ... qui pro vobis et pro multis effundetur in remissionem peccatorum“ Die erste Messe in diesen Landen zelebrierte der Ca-pelan der portugisischen Schiffe des Vasco da Gama am 11. März 1498. Fünfhundert Jahre später haben wir nun heute Morgen in persona Christi denselben heiligen Akt hier vollzogen, und dabei kommt einem unweigerlich in den Sinn, dass nahezu die Gesamtheit der Priester in Mosambik, welche „für die Kirche Gottes sorgt, die er sich durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben hat“ (Apg 20,28), dies zusammen mit uns tut. 1113 AD-LIMINA-BESUCHE Dieser Gedanke erzeugt in mir den Wunsch, einem jeden Einzelnen von euch und all euren Priestern meine ganze Hoffnung, meine Fürsorge und meine Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen, die ich für die Kirche empfinde, der ihr vorsteht. Auf den Knien zu Füßen des einzigen Altares des Kreuzes, der für all eure Gemeinschaften von den Kathedralen bis zu den kleinsten und entlegensten Kirchen, zu denen die Eucharistie gelangt, als Tisch bereitet ist, haben wir teil am einzigen göttlichen Opfer, [Christus], der freiwillig den Tod auf sich nahm für alle Menschen hier in Mosambik und überhaupt für die ganze Menschheit. Wir sind als Priester im einzigen und ewigen Priestertum verbrüdert, an dem wir durch die Gnade, ja nur durch die Gnade teilhaben. In diesem Sinne möchte ich auch den Moment, wenn ihr im eucharistischen Hochgebet meinen Namen aussprecht und den kirchlichen Dienst zum Ausdruck bringt, zum Anlass nehmen, zu jedem Zelebranten hinzutreten, ihn brüderlich zu umarmen und ihm zu sagen: „Danke, dass du Jesus in Mosambik auf sakramentale Weise ins Dasein gebracht hast. Wenn er nun durch deine Hände ins Dasein tritt, wenn du ihn ,mein Leib4 und ,mein Blut4 nennst, vergiss bitte keinen deiner Söhne und Töchter, die du durch Ihn und in Ihm hervorgebracht hast für unseren Gott und Vater! Leugne niemals und aus keinem Grund das, was du freiwillig erwählt hast, nämlich ,der Leib, der dahin gegeben wurde4 und ,das Blut, das vergossen wurde ... zur Vergebung der Sünden4. Ich bitte dich, dass du die Umarmung des Friedens und den Segen des Papstes allen Mitgliedern eurer kirchlichen Gemeinschaften überbringst, denen du in der Liebe Christi vorstehst. 3. Euren Berichten zufolge können die Kirchen die Menschenmassen nicht mehr fassen, so dass die Feier der Eucharistie oft im Freien stattfinden muss wegen des großen Zustroms der Christen, die nun endlich frei sind, ihren Glauben und ihre Zugehörigkeit zu Christus zu bekennen, und weil ihnen dank des wieder eingekehrten Friedens keine Hindernisse mehr in den Weg gelegt werden. Die Feiern sind auf ein Vielfaches angestiegen, doch hält das Phänomen nach wie vor an, das ist symptomatisch! Die Eucharistie kam nach Mosambik, als seine Völker den liebevollen Gast und Ankömmling noch nicht kannten, jetzt, wo sie ihn als „das wahre Brot vom Himmel“ kennen, das „der Welt das Leben gibt“ (vgl. Joh 6,32-33), kommen sie zu ihm. Ja, man könnte sagen, Gott hat Mosambik eucharistisch gemacht; denn ich sehe sein gläubiges Volk, das sich Gott hingibt, um Eucharistie zu sein. Gott hat es mit einer Hingabe und besonderen Verehrung für das Allerheiligste Altarsakrament gesegnet, als ob erst dieses Brot es sättigen könnte. Möge keine einzige Kommunität der regelmäßigen Feier der Sonntagsmesse sowie der Spendung der anderen Sakramente beraubt werden! Denn so besteht auch nicht das Risiko, an anderen Quellen ungestümer Gewässer zu trinken, und die Stimme des wahren Hirten mit der Stimme irgendeines Fremden zu verwechseln, der den Anspruch erhebt in den Stall einzutreten, ohne durch die Tür zu gehen, welche Christus ist (vgl. Joh 10,1— 9). Die Situation des Christentums in der Welt lehrt uns, dass jene Gemeinschaften, die regelmäßig durch das Brot des Wortes und der Eucharistie genährt wer- 1114 AD-LIMINA-BESUCHE den, weniger durch den Einfluss der Sekten verwundbar sind. Daher möchte ich auch an jeden einzelnen Priester in Mosambik folgenden Appell richten: Siehst du irgendeine andere Möglichkeit einer Gemeinschaft Kraft zu spenden als die der sonntäglichen Eucharistie?! Das sage ich ... für dich und für andere. Für den Diö-zesanpriester sowie auch für den Missions- und Ordenspriester gilt wörtlich jene Weisung des göttlichen Meisters, der besorgt war um die Menge, die ihm gefolgt war und die, falls man sie nüchtern nach Hause schickte, unterwegs vor Hunger schwach würde; deshalb sagte er zu seinen Jüngern: „Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mt 14,16; vgl. Mk 8,3). Es ist mir bekannt, dass in diesem Dienst und in vielen anderen Dienstleistungen, die innerhalb der kleinen Christengemeinschaften existieren, ein Heer von Katecheten und Pastoralhelfem auf ihre je eigene Weise mit euch Zusammenarbeiten, die ich bei dieser Gelegenheit ebenfalls grüßen möchte und denen ich auch danken und sie ermutigen möchte: eure Namen sind im Himmel eingeschrieben. Liebe Bischöfe und Priester, seid für sie aufmerksame Leiter und ständige Stütze, besonders dann, wenn sie in eurer Abwesenheit der sonntäglichen Versammlung vorzustehen haben. Allen jedoch muss klar sein, dass diese Versammlungen „in Erwartung eines Priesters“ (Direktorium „Sonntäglicher Gemeindegottesdienst ohne Priester, Nr. 26) abgehalten werden; dies ist auch der richtige Moment, den Herrn zu bitten, dass er mehr Arbeiter in seinen Weinberg sende (vgl. Mt 9,38). 4. Das Leben der christlichen Gemeinschaften wird ja wirklich nur dann in vollem Umfang garantiert, wenn es auch Priester gibt, denn sie sind die Verwalter der Sakramente der Buße und der Eucharistie, sie führen die Herde zu den Quellen des ewigen Lebens. Dem Herrn danke ich dafür, dass es in euren Diözesen so viele Priesterweihen gibt, aber wieviel mehr wären noch notwendig! Einige von euch haben dennoch darüber geklagt, dass sie nicht alle Jugendlichen aufnehmen konnten, die ins Seminar eintreten wollten, weil diese überfüllt sind. Das ist sehr bedauerlich. In meiner Heimat haben Umstände, die sich allerdings weitgehend von den eurigen unterscheiden, dazu geführt, das Seminar von Krakau zu schließen. Aber Msgr. Adam Sapieha, mein damaliger Erzbischof, hat es damals in seiner Residenz heimlich wieder errichtet, und dort wurde ich damals auch aufgenommen und verbrachte meine ersten beiden Jahre als Seminarist. Und das möchte ich nun auch euch ans Herz legen. Was ich damit sagen möchte ist, dass Gott euch sicher die Mittel und Wege eingeben wird, um die Berufungen anzunehmen, die Er euch sendet und derer ihr so nötig bedürft. Einen großen Einfluss hatte die Nähe meines Bischofs auf meine Ausbildung und meinen Werdegang zum Priester ausgeübt, die ich vor allem in jenen Jahren meines Aufenthalts in der bischöflichen Residenz empfand. Die Seminaristen brauchen die Begegnung mit ihrem Bischof, und sie müssen sozusagen „bei ihrem Hirten sein“; andererseits ist es auch eine große Hilfe und gehört zur Erfüllung der pastoralen Verantwortung, „daß der Bischof1 die Priesteramtskandidaten „häufig besuchen und auf bestimmte Weise bei ihnen .sein1 sollte“ (Pastores dabo vobis, Nr. 65). Diese Nähe zum Hirten braucht die gesamte 1115 AD-LIMINA-BESUCHE Herde. In diesem Sinne verpflichtet auch Kanon 395 des Kodex des kanonischen Rechts den Bischof zur persönlichen Residenz in der Diözese. Helft mit eurem Wort und Vorbild den Jugendlichen, damit sie verstehen, dass das Priestertum eine Gleichwerdung mit Christus, dem Bräutigam und Haupt der Kirche, aber auch dem Opferlamm und demütigen Diener bedeutet. Ein Seminar ist ein Presbyterium, und durch die Kraft des Gebets, die gegenseitige Unterstützung und Freundschaft wird ein Geist des Gehorsams gefördert, der den Priester auf seine zukünftige Seelsorgeaufgaben vorbereitet, die ihm vom Bischof anvertraut werden. Das Geheimnis der Kirche als Gemeinschaft tritt noch stärker zum Vorschein, wenn die bischöfliche Amtsgewalt als ein officium amoris ausgeübt wird (vgl. Joh 13,14) und der priesterliche Gehorsam dem Vorbild des Dienstes Christi folgt (vgl. Phil 2,7-8/ Außerdem dürfen weder das Seminar noch das Presbyterium zu einem privilegierten Lebensstil fuhren. Schlichtheit und Entsagung müssen die Wesensmerkmale jener sein, die dem Herrn folgen, denn auch er „ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen“ (Mk 10,45). Im Direktorium für Dienst und Leben der Priester heißt es: „In Wahrheit wird der Priester schwerlich zum wahren Knecht und Diener seiner Brüder werden, wenn er sich allzusehr um seine Annehmlichkeiten und um ein exzessives Wohlergehen kümmert“ (Nr. 67). 5. Nun möchte ich aber auch meiner hohen Wertschätzung für den unschätzbaren Dienst der Personen des geweihten Lebens Ausdruck verleihen. All jenen Männern und Frauen möchte ich die tiefe Dankbarkeit seitens der Kirche bekunden. Mögen sie durch das Absolute erstrahlen und immer und ewig mögen sie, die viele zum rechten Tun geführt haben, leuchten wie die Sterne (vgl. Dan 12,3). Ihr Herz ist entzündet von einem Feuer, das nicht von dieser Welt ist und das aus ihnen jenes „Licht“ macht, von dem es im Evangelium heißt, dass man kein „Gefäß [der eigenen Diözese] darüber stülpt, sondern man stellt es auf einen Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus“ (vgl. Mt 5,15) und zwar im Haus Gottes. Daher kommt auch ihre rechte Sorge um Wachstum bis an die Grenzen der Kirche, denn dann können sie von sich sagen: „Sie folgen dem Lamm, wohin es geht“ (Ojfb 14,4). Es ist wichtig, dass dieses Zeugnis in Mosambik aufstrahlt, und daher kann ich auch nur Freude darüber empfinden, dass in euren Diözesen die Berufung zum Ordensleben eine so große Blüte erfahrt und sogar mancherorts zu Neugründungen führt. Ich weiß, dass die Schwestern eine großartige Zusammenarbeit im pastoralen Leben innerhalb der christlichen Gemeinschaften leisten, indem sie bei unzähligen Mängeln des kirchlichen Lebens versuchen, Abhilfe zu schaffen, ja sie leiten jene Gemeinschaften sogar, wenn ein ständig ansässiger Priester fehlt. Aber niemals könnten sie als weiblicher Gegenpol zum Priestertum betrachtet werden, weil ihre Berufung sich nicht auf die Leitung der Herde richtet, sondern in ihnen bleibt vielmehr das Ideal der Seligpreisungen lebendig, das heißt, sie lassen dadurch, dass sie gemäß den evangelischen Räten leben, in definitiver Weise das Reich Gottes schon jetzt beginnen. Daher 1116 AD-LIMINA-BESUCHE helft ihr durch Umsicht und Unterscheidungsgabe (vgl. 1 Thess 5,21 [dort heißt es allerdings: „Prüft alles, und behaltet das Gute!“]) euren Gründungen, dass sie zu authentischen Ordensfamilien heranwachsen. Ja, es könnten sich dadurch sogar in verschiedenen Diözesen neue Gruppierungen bilden, deren Mitglieder sich in derselben Berufung und im selben Charisma wiederfinden. Wacht darüber, dass die Kandidatinnen mit Sorgfalt ausgewählt werden und eine umfassende humane, spirituelle, theologische und pastorale Ausbildung erhalten, die sie auf ihre Mission innerhalb der Kirche vorbereitet. 6. Eure direkten Mitarbeiter in der Seelsorge sollen die Priester sein, mit denen ihr als Apostel durch brüderliche Bande vereint seid, welche durch die Gnade der heiligen Weihen gestärkt sind. Ihr könnt bereits sehr viele Diözesanpriester zu euren Mitarbeitern zählen, die noch zu den Missions- und Ordenskongregationen gehören und ein fidei donum sind. Jeder von ihnen soll sich gemäß seiner Zugehörigkeit als „ein einziges Presbyterium und eine einzige Familie, deren Vater der Bischof ist“ (Christus Dominus, Nr. 28) fühlen. Zeigt Interesse für alle, egal welchen Alters, welchen Standes oder welcher nationalen Herkunft sie sind, ob sie nun zur einheimischen Bevölkerung gehören oder ob sie eingewandert sind (vgl. Christus Dominus, Nr. 16). Wenn ein Presbyterium aus Klerikern verschiedener Herkunft besteht, wird der Bischof keine „Unterschiede machen“ zwischen seinen Priestern (vgl. Tgo 2,4). Diesbezüglich beziehe ich mich nun auf die konkrete Zusammenarbeit, die der Heilige Stuhl regulär von euch verlangt, wie die Namensnennung geeigneter Kandidaten für das Bischofsamt aus den Reihen der Priester eurer Diözesen. Die Vorschläge sollen das Ergebnis einer unparteiischen Bewertung der besten Möglichkeiten sein, die der Klerus bietet, ohne sich dabei durch dessen Herkunft beeinflussen zu lassen, da nämlich dann dem Hl. Stuhl die Auswahl des für die Leitung einer Diözese geeignetsten Hirten Vorbehalten ist. 7. Die Kirchengeschichte ist voll von missionarischen Gestalten, die auf den Spuren des hl. Paulus „allen alles geworden sind, um auf jeden Fall einige zu retten“ (vgl. 1 Kor 9,22). Man denke nur an P. Gonalo da Silveira und an die Anfänge der Evangelisierung in eurem Land. Nun kann aber keine Diözese und kein Bischof, der einen Missionar an seinen Tisch lädt und mit ihm sein Brot teilt, ihm sein Herz öffnet, indem er mit ihm gemeinsame Projekte unternimmt und ihn an seinen Schwierigkeiten teilnehmen lässt, so dass sie die tägliche Last des Apostolates gemeinsam tragen, von ihm sagen: Er ist ein „Fremder“! Denn seit schon fast 2000 Jahren gilt folgende kirchliche Norm: „Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph 2,19)! Für die Kirche hebt diese Norm alle Bräuche und Gewohnheiten, alle Kriterien und Werte dieser Welt auf, die dieser biblischen Aussage entgegenstehen oder ein Hindernis darstellen. Wir sind die Familie Gottes! Mit diesem Begriff haben die Synodenväter während der Sonderversammlung für euren Kontinent einen „für Afrika besonders 1117 AD-LIMINA-BESUCHE passenden Ausdruck für das Wesen der Kirche“ aufgenommen, und haben vorgeschlagen, „den Aufbau der Kirche als Familie an[zu]streben, wobei jeder Ethnozentrismus und jeder übertriebene Partikularismus ausgeschlossen und statt dessen versucht werden soll, auf die Aussöhnung und eine echte Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Völkerschaften hinzuarbeiten durch Förderung der Solidarität und der Verteilung des Personals und der Mittel zwischen den Teilkirchen, ohne Ansehen der ethnischen Herkunft (Ecclesia in Ajrica, Nr. 63), damit sie sicher sind, dass die „Einheit der menschlichen Familie ... durch die Einheit der Familie der Kinder Gottes ... in vieler Hinsicht gestärkt und erfüllt“ wird (Gaudium et spes, Nr. 42). 8. Die Entscheidung der Synode, das Bild der Kirche als Familie zu privilegieren, liegt auch folgender Feststellung zugrunde: „Besonders in Afrika stellt die Familie einen Stützpfeiler dar, auf dem das Gebäude der Gesellschaft errichtet ist“ {Ecclesia in Ajrica, Nr. 80), und so muss sie auch fortfahren. In diesem Sinne wird es die Kirche in seelsorglicher Hinsicht auch keine große Mühe kosten, wenn es darum geht, eine Familie zu retten; denn wenn eine Familie zugrunde geht, wird eine Bresche in die Zukunft der Gesellschaft geschlagen, aus der all ihre Lebenskraft entweicht. Helft also daher der Gesellschaft in Mosambik, vor allem aber all denen, die für ihre Planung und Führung mittels Normen und öffentlicher Institutionen zuständig sind, sie neu zu durchdenken und zu organisieren, indem ihr die Familie zur Grundlage und zum Maßstab macht. Mosambik wird morgen die Familie sein, die es heute zu gründen gilt, weil nämlich die Bürger in ihr die Wiege und erste Schule vorfinden. Die menschliche Bildung gestaltet sich, wenn sie innerhalb der Familie beginnt, wie in einer Schule. Leider haben der lang anhaltende Krieg und seine Folgen das nationale Bildungsnetz ziemlich lahm gelegt und dem Land die Möglichkeit genommen, den Lern- und Bildungsbedürfnissen der Jugend nachzukommen, welche nicht gering sind. Die Kirche hat täglich die Klagen ihrer Kinder in eurem Land vernommen, und da es ihr Recht ist, aktiv im Bildungswesen präsent zu sein, hat sie auch diesbezüglich nach Möglichkeit - und so weit es in ihrer Kraft stand -investiert. Daher möchte ich all den christlichen Lehrern, die mit ihrer ganzen Energie und all ihrem Wissen von der Grundschule bis zur Katholischen Universität in Mosambik engagiert sind, meine hohe Anerkennung aussprechen. Die katholischen Schulen verfügen über ein solides humanes, kulturelles und religiöses Ausbildungsangebot ungeachtet der sozialen und religiösen Unterschiede und in Achtung des Gewissens der Schüler und der Einstellungen ihrer Familien. In diesen Schulen können die Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft allmählich den Dialog des Lebens erlernen, um so an der Errichtung einer Gesellschaft mitzuwirken, die allen offensteht und Unterschiede respektiert. Die Einheit aller Bürger ungeachtet der Herkunft und Glaubensüberzeugung, gegründet auf der Liebe zum gemeinsamen Vaterland, muss im Hinblick auf eine Zusammenarbeit zugunsten einer integralen Entfaltung der Nation in Eintracht 1118 AD-LIMINA-BESUCHE und Gerechtigkeit mit Eifer angestrebt werden. Die Jugendlichen sollen keine Angst haben, sich für die Zukunft ihres Landes zu engagieren! 9. Geliebte Brüder, ihr habt des öfteren aus verschiedenen Gründen auf die Schwierigkeit hingewiesen, die aus altüberlieferten Bräuchen und Sitten der jeweiligen Bevölkerungsgruppen stammen, sich aber nicht völlig mit den Erfordernissen des Evangeliums in Einklang bringen lassen, und habt aber im selben Atemzug auch gleich die Bereitwilligkeit betont, die dabei zur Annahme des Evangeliums zugrunde liegt. Ich weiß, dass der Widerspruch erst dann auffallt, wenn das zur Debatte stehende Niveau der Einbeziehung unterschiedlich ist. Aber steckt in diesem zu Tage tretenden Widerspruch nicht vielleicht die wirklich größte Herausforderung, wie sie sich seit eh und je und so auch heute gestaltet, nämlich die Dringlichkeit der Evangelisierung?! In diesen fünfhundert Jahren der Evangelisierung eurer Völkergruppen habt ihr mehr als einmal das Wunder erlebt, dass sich die Kirche mit außerordentlicher Kraft aus der Asche erhebt. Heute hat die Kirche in Mosambik eine solide Grundlage, und es ist daher an der Zeit, eine große Missionswelle auszulösen, die sich eurem Land zuwendet, wo es Millionen von Menschen gibt, die das Evangelium noch nicht erreicht hat, um „die Frohe Botschaft allen zu verkünden und diejenigen, die auf sie hören, zur Taufe und zum christlichen Leben zu führen Wenn ihr euch „mit Nachdruck und ohne Zögern auf diesen Weg“ einlasst, „wird überall ... zur Rettung der Völker, die ohne Furcht dem Erlöser die Türen öffnen, das Kreuz eingepflanzt werden können“ (Ecclesia in Africa, Nr. 74). 10. Verehrter Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! Am Ende unserer Begegnung möchte ich euch nochmals meinen Dank für euren Besuch aussprechen. Es ist sozusagen die üppige Ernte der Aussaat des Evangeliums vor fünfhundert Jahren in eurem Land. Daher erflehe ich für die ganze Nation das Wohlwollen Gottes und bitte ihn, dass er die Herzen der Einwohner von Mosambik von Hass, Verbitterung und Rachsucht befreien möge, damit sie ganz versöhnt mit Gott und den Menschen das Große Jubiläum des Jahres 2000 beginnen mögen. Diese Versöhnung - und das sei den Christen bewusst - hat ihre Gnaden- und Kraftquelle in der Eucharistie. „Das Jahr 2000 soll ein intensiv eucharistisches Jahr sein“, denn im akrament der Eucharistie bietet sich der Erlöser, der vor zweitausend Jahren im Schoß Mariens Mensch geworden ist, weiterhin der Menschheit als Quelle göttlichen Lebens dar“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 55). Maria, die Mutter des Erlösers, stehe euch bei, wenn ihr das Gottesvolk in Mosambik zu dieser Begegnung des Heils führt. In diesem Sinne erteile ich euch meinen Apostolischen Segen. 1119 AD-LIMINA-BESUCHE Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Portugals am 30. November Liebe Hirten der Kirche in Portugal! 1. Eure Anwesenheit hier anlässlich des Ad-limina-Besuches ist für mich Anlass zu großer Freude, denn ich weiß, dass ich ein Bruder unter Brüdern bin, die mit mir „die Sorge für alle Gemeinden“ (2 Kor 11,28) teilen. In der Tat ist ja euer Besuch ein Ausdruck und die Verwirklichung dieses besonderen gemeinschaftlichen Bandes, das uns im Bischofskollegium, dem Gremium der Nachfolger der Apostel, verbindet. Seid hier herzlich willkommen! Stellvertretend empfange und grüße ich auch in einem jeden von euch die Priester und Diakone, die Ordensleute und alle Gläubigen der verschiedenen Diözesen der Kirchenprovinzen Braga, Evora und Lissabon. Auch danke ich für die freundlichen Worte, die Msgr. Antonio Marcelino in seiner Eigenschaft als Vizepräsident der Bischofskonferenz an mich gerichtet und mir so die Situation der Kirche in Portugal verdeutlicht hat, die gekennzeichnet ist durch ihre tiefe Treue zu Christus und durch die großen Herausfordemngen, vor die die Kirche in der heutigen Zeit gestellt ist. Ich hoffe inständig, dass eure Wallfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus, ein Höhepunkt des Segens und Trostes von Oben sei, damit ihr voller neuer Energie für den Dienst an den Teilkirchen, welche die göttliche Vorsehung eurer Obhut anvertraut hat, weiterhin demütigen und freudigen Herzens Gott loben könnt für die überreiche Gnade , die ihr erfahrt und jeden Tag durch euer Seelsorgeamt weitergebt, da ihr „vom Geist gesalbt seid, der euch gesandt hat, ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen“ (vgl. Zi: 4,18-19). 2. Im Vertrauen auf die Großherzigkeit unseres Gottes warten wir darauf, in einem Monat als die Verwalter der Heilsgnade die heiligen Pforten unserer Basiliken, Kathedralen und Kirchen zu öffnen und zu durchschreiten, wobei wir um den vollständigen Ablass und die himmlische Vergebung der Sünden der ganzen Menschheit flehen, die vor zweitausend Jahren den eingeborenen Sohn Gottes, unseres Erlösers zur Erde herabsteigen und menschliche Natur annehmen sah. Da nun dieser Besuch kurz vor dem Beginn des Großen Jubiläums stattfmdet, möchte ich gerne die Gelegenheit dieser einzigartigen Begegnung mit der portugiesischen Kirche benutzen, um zu deren Wohl - es sei mir an dieser Stelle eine Metapher gestattet - die Mauer niederzureißen, die sich hinter der Heiligen Pforte befindet und deren Öffnung noch verhindert. Andererseits gab es im Laufe der letzten Jahre zahlreiche nützliche Initiativen, die sowohl von eurer Bischofskonferenz als auch von den einzelnen Diözesen ausgingen. Es wäre unmöglich, all diese Initiativen erschöpfend aufzulisten, deshalb erwähne ich hier der Einfachheit halber nur die verschiedenen Briefe und Seelsorgeinstruktionen, die in den Jahren der Vorbereitungsphase auf das Jubiläum veröffentlicht wurden; auch erwähne ich die 1120 AD-LIMINA-BESUCHE zahlreichen Diözesanversammlungen (viele dieser Versammlungen waren regelrecht synodaler Natur), die einberufen worden waren, um die kirchliche Gemeinschaft zu sensibilisieren und sie auf dieses Gnadenjahr vorzubereiten, das uns in das neue christliche Jahrtausend hinüberbringen wird. Es sind also zahlreiche und nützliche Initiativen gestartet worden. Vielleicht sollte man jetzt noch an die Tür einer jeden Person klopfen und zwar an die Tür des Herzens, denn nur dort besteht die letzte und entscheidende Möglichkeit, das Jubiläum zu eröffnen und es nachzuvollziehen. Deshalb habe ich euch auch gesagt, dass ich diese kollegiale Begegnung gerne zum Anlass nehmen würde, um gemeinsam die Mauer einzureißen, die vielleicht noch die Herzen der Portugiesen behindern könnte, durch die „Heilige Pforte“, welche Christus ist, in die Gnade des Jubeljahres einzugehen. 3. Verehrte Brüder, es entspricht dem Willen Gottes, dass die Gnade des Jubiläums je nach Teilnahme und Antwort auf das Wirken des Heiligen Geistes sich auf alle Katholiken und alle Christen ausbreiten möge, die „durch den Empfang der einen Taufe denselben Glauben an den Herrn Jesus Christus teilen“ (Verkündigungsbulle Incarnationis mysterium, Nr. 4); auch möge sie sich auf alle „Brüder und Schwestern der einen Menschheitsfamilie“ (ebdNr. 6) ausbreiten, die mit uns gemeinsam „die Schwelle eines neuen Jahrtausends“ (ebd., Nr. 6) überschreiten und deren Erwartungen, deren Probleme und Lösungen aufgmnd der wachsenden Globalisierung einer harmonischen Zusammenarbeit aller Menschen bedürfen. Lesen wir die Zeichen der Zeit, so sehen wir in der Tat, dass die Welt immer mehr zum Dorf zusammenrückt, jedoch ist die Diagnose im Hinblick auf das Herz der Menschen nicht gerade ermutigend. Sie zeigt ein großes Leeregefühl auf, das die Menschen wohl empfinden; ebenso groß ist auch die ablehnende Haltung jenem Vakuum gegenüber, das mit vergänglichen Nichtigkeiten aufgefüllt wird und so nur noch die Verwirrung steigert. Da des Menschen Herz nicht mehr zu sich zu finden weiß, findet es sich auch nicht mehr inmitten seiner Umgebung zurecht und endet einsam in einer anonymen Masse. Und eben diesem desorientierten, getäuschten und von der in verschiedenen Formen auftretenden Entfremdung enttäuschten menschlichen Herz bietet die Kirche das Heilige Jahr an als einen günstigen Zeitpunkt, um in sich zu kehren und jenes Leben in Fülle zu spüren, nach dem es sich sehnt. „Denn“ - und das ist auch das Gebet der Kirche - „das Leben wurde offenbart; wir haben gesehen und bezeugen und verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns offenbart wurde“ (1Joh 1,2) in Jesus von Nazaret. Mit seiner Ankunft hat unsere Geschichte aufgehört, trockenes Land zu sein, so wie sie vor und jenseits der Menschwerdung erschien. Nun erhält sie eine Bedeutung und den Wert universaler Hoffnung. „Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt. Mit Menschenhänden hat er gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen hat er gehandelt, mit einem menschlichen Herzen geliebt. Geboren aus Maria, der Jungfrau, ist er in Wahrheit einer aus uns geworden, in allem uns gleich außer der Sünde“ (Gaudium et spes, Nr. 22). , Allen aber, die ihn 1121 AD-LIMINA-BESUCHE aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12). Auf diese Weise erfüllt das christliche Angebot nicht nur das Dasein mit Sinn, sondern es eröffnet Jedem Menschen die Aussicht, ,vergöttlicht4 und damit mehr Mensch zu werden“ (Verkündigungsbulle Incarnationis mysterium, Nr. 2). Die göttliche Liebe dringt in sein Herz ein und durch die Taufe lässt sie den Menschen als Kind Gottes neu geboren werden und macht ihn zum Glied des Leibes Christi und der Kirche. 4. Ein solches Leben in Fülle kommt grundsätzlich nicht von den Vorstellungen und klaren und präzisen Denkansätzen hinsichtlich des Heils, welches ein Individuum zu erlangen sucht, sondern es kommt von der Einheit in Liebe zwischen Jesus und seinen Gläubigen und durch Jesus mit dem Vater. Man muss die ziemlich verbreitete Tendenz überwinden, jegliche Heilsvermittlung abzulehnen, indem man die einzelnen Sünder in direkten Kontakt mit Gott bringt, denn das Heil ist vor allem durch Vermittlung der geschichtlich menschlichen Natur Jesu zu uns gekommen, und dann erst durch die Auferstehung und seinen mystischen Leib, die Kirche. Folglich hat der Plan Gottes eine sakramentale Dimension, das heißt, er wird Gegenwart in der konkreten menschlichen Gestalt Jesu oder in den sakramentalen Zeichen der Kirche. In der Schule des Glaubens lernen wir, dass „für den Christen das Bußsakrament der ordentliche Weg ist, um Vergebung und Nachlass seiner schweren Sünden zu erlangen, die nach der Taufe begangen worden sind ... Es wäre deshalb unvernünftig, ja vermessen, willkürlich von den Gnaden- und Heilsmitteln abzusehen, die der Herr bestimmt hat; das heißt in unserem Zusammenhang, Verzeihung erlangen zu wollen ohne das Sakrament, das Christus gerade für die Sündenvergebung eingesetzt hat“ (Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia, Nr. 31). Die Kirche „würde in einem ihrer wesentlichen Aspekte und in einer unentbehrlichen Funktion versagen, wenn sie nicht klar und entschlossen, gelegen oder ungelegen, die ,Botschaft der Versöhnung1 (2 Kor 5,19) und der Welt das Geschenk der Versöhnung nicht anbieten würde“ (ebd., Nr. 23). Bei einer solchen Zielsetzung reichen ein paar theoretische Aussagen nicht aus; präzise Amtsfünktionen im Dienste der Buße und Versöhnung werden notwendig. Daher, geliebte Brüder, hört nicht auf, eure Priester an diese kirchliche Disziplin zu erinnern, die auf einen solchen Zweck ausgerichtet ist, und helft ihnen auch, diesen Zweck in wirkungsvoller Weise zu erfüllen: „Jeder, dem von Amts wegen die Seelsorge aufgetragen ist, ist zur Vorsorge dafür verpflichtet, daß die Beichten der ihm anvertrauten Gläubigen gehört werden, die in vernünftiger Weise darum bitten; des weiteren, daß ihnen an festgesetzten Tagen und Stunden, die ihnen genehm sind, Gelegenheit geboten wird, zu einer persönlichen Beichte zu kommen“ (Kodex des kanonischen Rechtes, can. 986 [lateinisch-deutsche Ausgabe, Butzon & Bercker, Kevelaer]). Da „das Volk Gottes die Heiligen Jahre stets gelebt hat“ und es „in ihnen eine wiederkehrende Gelegenheit“ sah, „bei der die Aufforderung Jesu zur Umkehr auf intensivste Weise spürbar wird“ (Verkündigungsbulle Incarnationis mysterium, Nr. 5), wäre es zu wünschen, daß eine der Früchte des 1122 AD-LIMINA-BESUCHE Großen Jubiläums des Jahres 2000 die allgemeine Rückkehr der Christgläubigen zur der sakramental praktizierten Beichte ist. 5. Im Gleichnis des verlorenen Sohns (vgl. Lk 15,11-32) folgt auf die Umarmung des Vaters das Festmahl für den wiedergefundenen Sohn. Auf dieselbe Weise gestattet uns die sakramentale Vergebung, dass wir „als Zeichen für die wiedergewonnene Gemeinschaft mit dem Vater und mit seiner Kirche, wieder an der Eucharistie teilnehmen“ (Verkündigungsbulle Incarnationis mysterium, Nr. 9). Und dessen sind wir bewusst: „Im Zeichen der konsekrierten Gestalten von Brot und Wein offenbart der auferstandene und verherrlichte Jesus Christus als Licht der Heiden (vgl. Lk 2,32) die Kontinuität seiner Menschwerdung“ (ebd., Nr. 11). Ihn feiern wir, und das Datum des Jahres 2000 ist das Seinige. „Er bleibt“ - auch zweitausend Jahre später - „lebendig und wahrhaftig mitten unter uns, um die Gläubigen mit seinem Leib und seinem Blut zu speisen“ (ebd., Nr. 11). Unsere eigentliche heilige Jubiläumspforte besteht in der Eucharistie, sie ist Christus, der Herr, der von sich sagte: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden“ (Joh 10,9). Geliebte Hirten der portugiesischen Kirche, auf diese Weide leiten wir die uns anvertraute Herde. Mit all unseren durch die Kraft des Heiligen Geistes unterstützten Kräften verkünden wir, feiern wir und führen wir (das Volk) zum eucharistischen Jesus. Aber wie viele folgen uns? Wie viele versäumen den Aufruf? Die Zählung der Teilnehmer an der Sonntagsmesse, die ihr 1991 durchführen habt lassen, hat einen Durchschnitt von 26% der praktizierenden Gläubigen innerhalb der in Portugal lebenden Bevölkerung ergeben. Das ist ein bedeutender Anhaltspunkt für die unermessliche Seelsorgearbeit, die geleistet werden muss. Es ist dies aber auch eine große Sorge, wenn man bedenkt, dass der Anteil der Bevölkerung, der gewöhnlich ohne Eucharistie lebt, dreimal so groß ist. Hätten die Jünger bei der Brotvermehrung (vgl. Lk 9,12-17) nicht die aus den fünf Laib Brot und den zwei Fischen hervorgegangene Speise, die der göttliche Meister gesegnet hat, an die Menge verteilt, hätte man sicherlich auch nicht sagen können, dass „alle aßen und satt wurden“. Nun müssen wir im Fall der Eucharistie in Portugal erkennen, dass viele nicht gegessen haben und nur wenige satt wurden. Selbstverständlich hat es nicht an Großzügigkeit seitens der Kirche gemangelt, als es darum ging, Christus die „fünf Brote und die zwei Fische“ zu bringen, sowie es auch nicht an der Vermehrung derselben gefehlt hat ... Und es ist ja auch wirklich der apostolische Eifer zu bewundern, der aus euren Initiativen und Seelsorgeaktivitäten deutlich wird. Lobenswert sind auch die kurz umrissenen pastoralen Entscheidungen und Initiativen. Aber wer weiß, vielleicht hat gerade jene letzte Anstrengung gefehlt, einem jeden einen Teil davon zu bringen? Wer weiß, ob nicht vielleicht jene Lebensrevision gefehlt hat, die notwendig ist, um sich darüber ins Bild zu setzen, ob alle gegessen haben und satt geworden sind? Ich bin aber sicher, dass ihr es mit dem nötigen pastoralen und pädagogischen Einfühlungsvermögen versteht, aus diesem Jahr eine günstige Zeit zu machen, die dazu dient, die nicht praktizierenden Christen zu ermutigen, nicht nur gelegentlich 1123 AD-LIMINA-BESUCHE und interessenorientiert an der Eucharistiefeier teilzunehmen (nämlich um einen Ablass zu erlangen), sondern die Teilnahme an der Eucharistiefeier als Gewohnheit und Pflicht anzusehen; ähnlich wie es sich auch im Fall der Märtyrer von Abitana (304 nach Christus) verhielt, die sagten: „Wir haben ohne jede Furcht das Mahl des Herrn gefeiert“ (Apostolisches Schreiben Dies Domini, Nr. 46). Möge jede Eucharistiefeier im Jubeljahr eine solche Anziehungskraft ausüben und das Weihnachtsmysterium widerspiegeln, denn „seit zweitausend Jahren ist die Kirche die Wiege, in die Maria Jesus legt und in allen Völkern zur Anbetung und Betrachtung anvertraut“ (Verkündigungsbulle Incarnationis mysterium, Nr. 11)! Jede Eucharistiefeier muss den Teilnehmern vor allem die Möglichkeit zur Begegnung und zum persönlichen Zwiegespräch mit dem göttlichen Emmanuel, dem Gott mit uns (vgl. Mt 1,23), bieten, dessen Epilog die geistige und, wenn möglich, auch die sakramentale Gemeinschaft sein soll. 6. Wie wir alle wissen, ist darin das Geheimnis der Treue und der Beharrlichkeit der Christen, ihrer Sicherheit und der Solidität ihres inneren „Hauses“ inmitten der weltlichen Anfechtungen und Schwierigkeiten dieser Welt enthalten; das Evangelium lehrt ja gerade, dass die Stabilität des Hauses grundsätzlich nicht von der Wucht der Wolkenbrüche noch von den brausenden Stürmen abhängt, sondern davon, ob es auf Fels gebaut ist oder nicht (Mt 7,24—27). Auch hat erst vor kurzem die Zweite Zusammenkunft der für Europa einberufenen Bischofssynode gemahnt, die inneren Grundfeste dieses „Gotteshauses“ zu stärken, womit jeder einzelne Christ, die kirchlichen Gemeinschaften, ja, die ganze Menschheit gemeint ist, die den menschgewordenen Gott aufgenommen hat: „In einer Gesellschaft und Kultur, die oft verschlossen sind für die Transzendenz, erdrückt vom Konsumverhalten, Sklaven alter und neuer Götzen, wollen wir mit Staunen den Sinn des ,Mysteriums“ wiederentdecken, unsere liturgischen Feiern erneuern, damit sie beredtere Zeichen der Gegenwart Christi, unseres Herrn, sind, wollen wir neue Räume für das Schweigen, das Gebet und die Kontemplation schaffen“ (Schlußbotschaft der Sonderversammlung für Europa, 5). Man muss daher die Hindernisse des Aktivismus meiden, an denen die besten Seelsorgepläne sowie viele Menschen gescheitert sind, die ihr Leben bis zum Äußersten ihrer Kräfte dafür eingesetzt haben. Auch sind die Hindernisse einer säkularisierten Welt zu meiden, wo Gott nicht mehr gehört werden will und keinen Platz mehr hat, denn dadurch wird sein Kommen auf die Erde der Menschen behindert. Liebe Brüder, wacht wie ein Wächter des Gotteshauses, damit sich im ganzen kirchlichen Leben der zweigleisige Rhythmus der heiligen Messe, bestehend aus Wortgottesdienst und eucharistischer Liturgie wieder einstellt. Als Beispiel soll euch der Fall der Emmausjünger dienen, die Jesus erst erkannten, als er das Brot brach (vgl. Lk 24,13-35). In den letzten Jahrzehnten haben einige, die auf einen übertriebenen Sakramentalismus reagieren wollten, dem Wortgottesdienst den Primat, wenn nicht sogar eine Ausschließlichkeit eingeräumt. Nun aber besagt die Konzilslehre: „Das Offenbarungsgeschehen ereignet sich in Tat und Wort, die innerlich miteinander verknüpft sind: die Werke nämlich, die Gott im Verlauf der 1124 AD-LIMINA-BESUCHE Heilsgeschichte wirkt, offenbaren und bekräftigen die Lehre und die durch die Worte bezeichneten Wirklichkeiten; die Worte verkündigen die Werke und lassen das Geheimnis, das sie enthalten, ans Licht treten“ {Del Verbum, Nr. 2). Abschließend heißt dies, dass wir das Wort Gottes brauchen, „und jetzt ist es in euch, den Gläubigen, wirksam“ (1 Thess 2,13). Wir bedürfen auch des Sakramentes, das die Heilstat Jesu vergegenwärtigt und sie in der Geschichte verlängert. 7. Geliebte Brüder, dies sind einige Gedanken, die ich euch anlässlich eures „Ad-limina-Besuches ungefähr einen Monat vor der Öffnung der Heiligen Pforte mit-geben möchte. Es ist mein Wunsch, sie weit aufzureißen, damit das ganze Gottesvolk eintreten und sich an den Quellen des Heils laben kann. Daher möchte ich nicht, dass irgend eine „Mauer“ den Zugang der portugiesischen Christen zu den besonderen Gnaden des Herrn, die an das Jubeljahr 2000 gebunden sind (vgl. Apostolisches Schreiben Tertio Millennio adveniente, Nr. 55) verstellt. In Fatima finden wir ein leuchtendes Beispiel der persönlichen Dimension der apostolischen Pläne und Aufgaben, die übernommen werden müssen und im Herzen eines jeden einzelnen Christen Frucht bringen sollen; mit mütterlicher Pädagogik fragt U.lb. Frau die Hirtenkinder: „Wollt ihr euch Gott aufopfem ...?“ „Ja, wir wollen“, antworten sie ihr (Erscheinung vom 13.05. 1917). Bald werden nun auch Francisco und Jacinta zur Ehre der Altäre erhoben, so dass durch deren Lebensvorbild der Appell der Muttergottes der ganzen Kirche unterbreitet wird. Dieser Appell soll nun mein Wort der Ermutigung werden, und ich bitte euch, es euren Priestern, Diakonen und Ordensleuten, euren Seminaristen, Novizen und Pastoralassistenten, all euren Gläubigen und allen jenen, die die Wahrheit Christi suchen, und schließlich den christlichen Familien und euren Pfarrgemeinden zu überbringen. Seid meines unablässigen Gebets für die Kirche versichert, die sich in Portugal auf der Pilgerschaft befindet und dem Himmel zustrebt. Ich bete, dass alle ihre Glieder mutig und großherzig auf das Gnadenjahr antworten, dessen Beginn kurz bevorsteht. Für alle erbitte ich das Glück der Umarmung des einzigen und dreifältigen Gottes, und von ganzem Herzen erteile ich euch, euren unmittelbaren Mitarbeitern und allen Gläubigen eurer Diözesen meinen Apostolischen Segen. Pastorale Aufgaben einer notwendigen Neuevangelisierung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus Puerto Rico am 11. September Liebe Brüder im Bischofsamt 1. Es ist mir eine Freude, euch, die Hirten der Kirche Gottes in Puerto Rico bei eurer Pilgerreise zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus heute zu empfangen. Diese Reise ist ein Zeichen eurer Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom und mit der ganzen Kirche. Der Ad-limina-Besuch bietet die Gelegenheit zur Be- 1125 AD-LIMINA-BESUCHE gegnung mit dem Nachfolger Petri und seinen Mitarbeitern, von welchen ihr die notwendige Unterstützung für eure seelsorgliche Tätigkeit erfahren könnt. Ganz herzlich danke ich Msgr. Ulises Aurelio Casiano Vargas, dem Erzbischof von Mayagüez und Präsidenten der Bischofskonferenz für seine liebenswürdigen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat, um so den Ausdruck eurer Verbundenheit und Wertschätzung zu erneuern und um mich an den Sorgen und Hoffnungen der Kirche in Puerto Rico teilnehmen zu lassen. Auch grüße ich von ganzem Herzen Kardinal Luis Aponte Martlnez und danke ihm für sein Engagement, mit dem er während so vieler Jahre der Erzdiözese San Juan gedient hat, welcher nun Msgr. Robert Octavio Gonzales Nieves vorsteht. Durch euch grüße ich auch die Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen. Überbringt ihnen allen die aufrichtigsten Grüße des Papstes, und teilt ihnen mit, dass der Papst ihrer immer im Gebet eingedenk sein wird, damit sie im Glauben an Christus und in der Liebe zum Nächsten wachsen. 2. Bei der euch anvertrauten Mission als Hirten des Volkes müsst ihr vor allem als Förderer und Vorbild der Gemeinschaft auftreten. So, wie es nur eine Kirche gibt, so gibt es auch nur einen Episkopat. Der Papst ist, so drückt es das Zweite Vatikanische Konzil aus, „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ (Lumen Gentium, Nr. 23). Daher ist die kollegiale Einheit des Episkopates eines der konstitutiven Elemente der kirchlichen Einheit. Diese Einheit unter den Bischöfen ist besonders heutzutage notwendig, schon allein deshalb, weil die pastoralen Initiativen so vielerlei Formen angenommen haben und die Grenzen der eigenen Diözesen längst überschreiten. Die Gemeinschaft muss sich außerdem in seelsorglicher Zusammenarbeit und gemeinsamen Programmen und Projekten konkretisieren. Dies wird immer notwendiger, wenn man die geographischen Ausmaße von Puerto Rico, die einfache Handhabung und Vielfalt der Massenmedien und die Mobilität der Bevölkerung bedenkt, die aus beruflichen oder anderen Gründen besonders in der Hauptstadt zutage tritt, wodurch auch das Phänomen der Urbanisation mit all ihren Problemen hervorgerufen wird. Diese Phänomen stellt große Herausforderungen für die Seelsorge der Kirche dar (vgl. Ecclesia in America, Nr. 21). Anderseits brauchen die kirchlichen Gemeinschaften gläubige und untereinander geeinte Hirten, die im Stande sind, die Herausforderungen einer immer säkulari-sierteren Gesellschaft anzunehmen. Wenn auch die Mehrheit der Einwohner Puerto Ricos in der katholischen Kirche getauft wurden und eine sehr vielfältige Volksfrömmigkeit aufweisen, so fehlt ihnen doch mitunter ein solider und reifer Glaube. Daher suchen vor allem viele Jugendliche nach Wegen, ihre innere Leere und das fehlende Lebensziel auf alle möglichen Arten zu ersetzen, wobei sie sich dem Hedonismus hingeben und ihrer eigenen Verantwortung ausweichen (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 7). In diesem Sinne sind Konsumismus, Hedonismus, der Mangel an positiven Idealen und die Gleichgültigkeit hinsichtlich der religiösen Werte und der ethischen Prinzipien ein großes Hindernis für die Evangelisierung. All das wird 1126 AD-LIMINA-BESUCHE noch schwieriger durch das Vorhandensein von Sekten und pseudoreligiösen Gruppierungen, deren Ausbreitung in traditionell katholischen Gebieten stattfindet. Dieses Phänomen erfordert ein vertieftes Studium, „um die Gründe zu entdecken, warum nicht wenige Katholiken aus der Kirche austreten“ (Ecclesia in Amerika, Nr. 73). Hört in Anbetracht dieser Tatsache nicht auf, als Meister der gesunden Lehre, als Bischofskonferenz vereint die Lehre weiterzugeben über die Probleme, die eure Insel bewegen, denn ihr seid dazu berufen, wirkliche Veränderungen aufzuzeigen, die zum Vater führen, und ihr seid die Diener des Lichtes, welches Christus ist. „Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ {Kol 1,15). Das soll nicht heißen, dass die Verantwortung der Politiker und Laien dadurch aufgehoben wird. Auch muss dabei die Entscheidungsfreiheit der Katholiken hinsichtlich des „Status“ und der Zukunft Puerto Ricos gewahrt bleiben. 3. Bei eurer pastoralen Mission zählt ihr auf die eifrige Mitarbeit der Priester, die in Gemeinschaft mit euch stets und in allen Situationen glaubwürdige und großzügige Diener Christi und seiner Kirche sein müssen. Diesbezüglich mahnt das Zweite Vatikanische Konzil: „Wegen dieser Gemeinschaft also im gleichen Priestertum und Dienst sollen die Bischöfe die Priester als ihre Brüder und Freunde betrachten. Sie seien nach Kräften auf ihr leibliches Wohl bedacht, und vor allem ihr geistiges Wohl sei ihnen ein Herzensanliegen. Denn hauptsächlich auf ihnen lastet die schwere Sorge für die Heiligung ihrer Priester; deshalb sollen sie die größte Mühe für deren ständige Formung aufwenden. Sie sollen sie gern anhören, ja sie um Rat fragen und mit ihnen besprechen, was die Seelsorge erfordert und dem Wohl des Bistums dient“ {Presbyterorum Ordinis, Nr. 7). Daher versucht, eure Priester persönlich im Seelsorgeamt zu begleiten und zwar sowohl in ihren Schwierigkeiten als auch in ihren Freuden, indem ihr sie häufig besucht und empfangt, die Freundschaft mit ihnen fordert und sie mit brüderlichem Geist anhört. Auch sollt ihr sie dazu anhalten, ihren priesterlichen Pflichten gegenüber treu zu bleiben, vor allem aber sollen sie beharrlich sein im persönlichen Gebet. Da der Klerus eurer Diözesen recht unterschiedlich, wenn nicht gar zahlenmäßig unzureichend vorhanden ist, erhält das Seminar eine herausragende Bedeutung. Es ist das Zentrum, in dem sich die zukünftigen Priester auf ihr Amt vorbereiten. Daher ermuntere ich euch, weiterhin in den Pfarreien eine intensive Berufüngsseel-sorge zu betreiben, damit sich alle Priester verantwortlich und verpflichtet fühlen für das Entstehen und Reifen neuer Berufungen. Gleichzeitig muss den neuen Kandidaten die größte Aufmerksamkeit gewidmet und die besten Kräfte dafür aufgewendet werden, damit sie lernen, was brüderliche Gemeinschaft bedeutet und damit sie eine solide theologische und kulturelle Grundlage erhalten. Es soll danach getrachtet werden, dass sie vor allem Gott geweihte Männer werden, die stetes Zeugnis für die Liebe und die evangelische Armut ablegen sollen, die vor allem empfindsam werden für die Nöte der Ärmsten und Ausgestoßenen. Für sie wäre es angebracht, das Seminar von San Juan und das Seminar von Ponce wieder zu beleben, wobei man heiligmäßige und geeignete Leiter dafür bestellen sollte, die die 1127 AD-LIMINA-BESUCHE Jugendlichen bei ihrer Nachfolge Christi im Dienst der Kirche ständig begleiten. Es wäre zu wünschen, dass alle Seminaristen von Puerto Rico in diesen beiden Zentren ausgebildet werden; so könnten sie von ihren Bischöfen öfter besucht werden, was ein Klima größeren Vertrauens schaffen und die gegenseitige Kenntnis fordern würde. 4. Innerhalb der Bistumsseelsorge nehmen die in den Bereichen Erziehung, Ge-sundheits- und Sozialwesen tätigen Ordensleute einen einzigartigen Platz ein. Auch mit ihnen müssen Bande der Gemeinschaft geknüpft werden, und gleichzeitig muss man ihnen auch helfen, in Heiligkeit und Treue zum eigenen Charisma zu leben, was eine Bereicherung des kirchlichen Lebens bedeutet; denn so legen sie in ihrem je eigenen Tätigkeitsbereich ihr persönliches Zeugnis ab. Ebenso sind die kontemplativen Gemeinschaften eine Art schweigender aber sehr wirkungsvoller Gegenwart innerhalb der Diözese. Ihnen gebührt besondere Aufmerksamkeit, da sie durch ihre radikale Entscheidung hinsichtlich der Nachfolge Christi ebenfalls zur Ausdehnung dessen Reiches beitragen. 5. Anderseits muss die Seelsorge in den Bistümern hauptsächlich auf die Laien ausgerichtet sein, die sich durch ihr in der Taufe empfangenes Priestertum direkt eingebunden fühlen müssen in das kirchliche und gesellschaftliche Leben. Über dieses Eingebundensein sagt das Zweite Vatikanische Konzil: „Darum besteht die Sendung der Kirche nicht nur darin, die Botschaft und Gnade Christi den Menschen nahezubringen, sondern auch darin, die zeitliche Ordnung mit dem Geist des Evangeliums zu durchdringen und zu vervollkommnen“ (Apostolicam actuosita-tem, Nr. 5). Die gesamte, die zeitliche Ordnung darstellende Wirklichkeit - wobei in besonderem Maße Familie, Kultur, Wirtschaft, Kunst, Arbeit, Politik und internationale Beziehungen hervorgehoben werden müssen - sollen dank dem Einsatz reifer Christen auf Gott ausgerichtet sein. Die Kirche muss den Laien durch deren eifrige und tiefgründige Unterweisung auf spirituellem, moralischem und humanem Niveau helfen, in der heutigen Gesellschaft ein Ferment des Evangeliums zu sein. Hinsichtlich der Familie als einem konstitutiven Element der Gesellschaft weiß ich, dass Puerto Rico derzeit eine Phase durchmacht, die von großen Schwierigkeiten gezeichnet ist, was die wachsende Zahl der Ehescheidungen und der hohe Prozentsatz an Kindern aufzeigt, die nicht mehr in ehelichen Verhältnissen zur Welt kommen. Daraus lässt sich die dringende Notwendigkeit erahnen, eine Katechese zu fordern, die die Größe der Würde der ehelichen Liebe gemäß dem göttlichen Heilsplan und die Erfordernisse hinsichtlich des Wohls der Eheleute und deren Rinder aufleuchten lässt. Die Familie als „Hauskirche“ ist dazu berufen, der Bereich zu sein, in dem die Eltern den christlichen Glauben weitergeben, denn sie sollen „durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sein“ {Lumen Gentium, Nr. 11). Daher ersuche ich euch, in der Familienpastoral nicht an Kräften zu sparen, sondern die Familien als den Kern vorzubereiten, aus dem auch die Katecheten durch ihr Wort und Lebensbeispiel für die anderen hervorgehen. 1128 AD-LIMINA-BESUCHE Daraus folgt, dass man für die Erziehung der Kinder und Jugendlichen größte Sorge aufwenden muss. „Die Jugendlichen stellen eine große Kraft innerhalb der Gesellschaft und bei der Verkündigung des Evangeliums dar. Sie bilden in vielen Ländern Amerikas einen großen Bevölkerungsanteil und in ihrer Begegnung mit dem lebendigen Christus liegen ihre Hoffnungen und Erwartungen einer größeren Gemeinschaft und Solidarität für Kirche und Gesellschaft in Amerika begründet“ (Ecclesia in America, Nr. 47). Sorgt also dafür, dass die Neuevangelisierung durch Gruppen, Bewegungen und Vereinigungen auch zu den Jugendlichen gelangt, durch welche sie angeregt werden, am kirchlichen Leben und auch an Solidaritätsbekundungen den Ärmsten gegenüber teilzunehmen. Die Jugendunterweisung darf sich nicht von der religiösen und moralischen Erziehung entfernen, welche von den katholischen Schulen und Universitäten angeboten wird. Deshalb muss man die religiöse, humane und kulturelle Unterweisung der Erzieher mit Sorgfalt pflegen, damit sie die Weitergabe der Werte garantieren und vervollständigen, ein Vorgang, der in jeder Familie seinen Anfang nehmen sollte. 6. Bei dem ganzen Ausbildungsprozess jener Menschen treffen wir mitunter auf eine Gesetzgebung, die den christlichen Prinzipien entgegen steht. In diesem Sinne hält die Kirche dafür, dass eine echte Kultur den Menschen in seiner Gesamtheit betrachten muss, das heißt, in all seinen persönlichen Dimensionen, wobei die ethischen und religiösen Aspekte nicht vergessen werden dürfen. Daher ist es genau so dringlich, dass gut ausgebildete Menschen sich der Kulturpastoral annehmen. Hierbei sind verschiedene Initiativen lobend hervorzuheben, wie zum Beispiel die der katholischen Erziehung gewidmeten Wochen, die Kongresse und andere kulturelle Aktivitäten. Leider tendiert das kulturelle Umfeld momentan dazu, eine gott-ferne Kultur und ein gottfemes Gesellschaftsleben zu fördern, und Puerto Rico bildet hier keine Ausnahme. Einige Ideen, die man als Pfeiler der modernen oder postmodemen Kultur betrachtet, sind ganz eindeutig unchristlich. Was den ethischen Bereich anbelangt, so präsentieren sich Ehescheidung, Abtreibung, Euthanasie unter Beihilfe, voreheliche Beziehungen und Hedonismus als „Errungenschaften“ der postmodemen Kultur auf den Altären einer falsch verstandenen individuellen, der Verantwortung enthobenen Freiheit. Angesichts dieser in gewisser Weise besorgniserregenden Wirklichkeit hielt die von der Bischofssynode abgehaltene Sonderversammlung für Amerika dafür, dass „die Neuevangelisierung klare, ernsthafte und geordnete Anstrengungen erfordert, um die Kultur mit dem Evangelium zu durchwirken“ (Ecclesia in America, Nr. 70). 7. Liebe Brüder: Bevor wir nun zum Ende dieser Begegnung gelangen, die kurz vor Eröffnung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 stattfmdet, versichere ich euch zutiefst meine Verbundenheit im Gebet, an die ich die feste Hoffnung auf die spirituelle Erneuerung eurer Diözesen anknüpfe, damit die Katholiken in Puerto Rico ihren Glauben vermehren, die christlichen Tugenden immer mehr pflegen und in ihrem eigenen Umfeld mutiges Zeugnis ablegen. 1129 AD-LIMINA -BESUCHE All diese Wünsche zusammen sowie euer Seelsorgeamt vertraue ich der Fürsprache U. lb. Frau von der göttlichen Vorsehung an. Sie ist die Mutter und Patronin von Puerto Rico, und sie möge euch mit ihrer mütterlichen Fürsorge begleiten und das geistliche Wachsen all ihrer Kinder in einem Klima der Heiterkeit und des sozialen Friedens beschützen. In Anbetracht dessen bitte ich euch erneut, meine herzlichsten Grüße euren Priestern, Ordensleuten, euren Seminaristen und Erziehern, euren Seelsorgern und allen Gläubigen eurer Diözesen zu überbringen. Euch und ihnen allen erteile ich nun von Herzen den Apostolischen Segen. Förderung von Berufungen im Dienst an Kirche und Welt Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Sambia am 3. September Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude heiße ich euch, die Bischöfe Sambias, zu eurem Ad-limina-Besuch hier in Rom willkommen. Eure Gegenwart ist Ausdruck und Bestätigung jener Gemeinschaftsbande, die euch und eure jeweiligen Gemeinden mit dem Nachfolger Petri verbinden, der berufen ist, den Glauben seiner Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32). In brüderlicher Zuneigung grüße ich euch mit den Worten des Apostels: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Röm 1,7). Den gleichen Gruß richte ich durch euch auch an die Priester, die Ordensleute und Christgläubigen der Teilkirchen, denen ihr in Liebe vorsteht. Unsere Begegnungen in diesen Tagen haben den selbstlosen Eifer gezeigt, mit dem ihr euer Hirtenamt erfüllt, und ich hatte Gelegenheit, Hoffnungen und Wünsche, Schwierigkeiten und Sorgen, Freuden und Erfolge eures Dienstes am Volk Gottes in Sambia zu teilen. Auch erinnerte mich euer Besuch an meine nunmehr zehn Jahre zurückliegende Pastoraireise durch euer Land, die mir ermöglichte, aus erster Hand „die Herzlichkeit eurer Beziehungen zueinander und euren sehnsüchtigen Wunsch nach einer von Achtung für die Würde jedes Menschen geprägten Gesellschaft erleben zu können“ (vgl. Ansprache bei der Abschiedsfeier, Lusaka, 4. Mai 1989, Nr. 1). Damals war es mir eine ganz besondere Freude, Zeuge „der Festigkeit und Kraft der katholischen Kirche in Sambia zu sein“ (vgl. ebd., Nr. 2), etwas, das ich nie vergessen habe. 2. In den zehn Jahren, die seit meinem Besuch vergangen sind; hat sich die dramatische Situation auf dem afrikanischen Kontinent, einschließlich Sambia, weiterhin verschlechtert, eine Tatsache, die von der Weltöffentlichkeit oft vergessen wird, die aber der Kirche und dem Papst stets zutiefst am Herzen liegt. Jahrhundertealte Plagen wie Krieg, Hunger, Armut und Krankheit bedrängen weiterhin die Völker Afrikas, und auch Sambia ist nicht verschont geblieben. Konflikte in benachbarten Staaten haben auch Sambia betroffen, nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Ver- 1130 AD-LIMINA-BESUCHE triebenen, die in eurem Land Zuflucht gesucht haben. Aids wirft seinen Schatten auf euren Kontinent und fordert erschreckend viele Menschenleben. Die Fähigkeit, diese Probleme zu lösen, wird durch die erdrückende Last der Auslandsverschuldung weiterhin beeinträchtigt. In einer solchen Situation werden die Menschen oft zu Opfern von Angst und Verzweiflung, klammem sich an falsche Versprechen und Lösungen, die die Lage oft noch verschlechtern. Dennoch geht aus euren Fünf-Jahres-Berichten deutlich hervor, dass die Kirche Sambias trotz des großen Leids standhaft geblieben ist und mit neuem Leben und neuer Kraft wächst. Zweifellos ist das ein Anlass zu Hoffnung, und ich danke dem allmächtigen Gott. Mehr denn je braucht Sambia nun die Kirche als Zeugin des gekreuzigten Christus, denn er allein ist das Licht, das keine Finsternis erfassen kann (vgl. Joh 1,5). Unlängst feierte euer Land das hundertjährige Jubiläum seiner Evangelisierung; und nun, nach hundertjährigem Wachstum, ist die Kirche mehr und mehr präsent und erfüllt ihre religiöse Aufgabe, ihren Dienst im Bereich des Bildungs- und Gesundheitswesens und bemüht sich um die ganzheitliche menschliche Entwicklung der Menschen. Dieser Einsatz ist von größter Bedeutung und wird auch weiterhin eine Herausfordemng für das pastorale Leitungsamt sein. Aber als weise Hirten der Kirche seid ihr euch auch sehr wohl bewusst, dass darüber das noch grundlegendere Anliegen der Festigung der natürlichen Familie und ihrer heiligen Aufgabe als „ecclesia domestica“ und der spirituellen kirchlichen Familie in ihrer heiligen Aufgabe als „ecclesia publica“ steht. Von der erfolgreichen Verwirklichung dieser zweifachen Aufgabe - die in Wahrheit lediglich eine einzige ist - wird das Schicksal der kirchlichen Sendung in Sambia abhängen. 3. Mit Recht war die Familie somit Gegenstand eurer besonderen pastoralen Anliegen. Wie überall ist die Familie auch in Sambia heute mancherlei Belastungen ausgesetzt, deren Ursprung politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und auch kultureller Natur ist. Arbeitslosigkeit, Bildungsmangel, externe kulturelle Einflüsse und traditionelles Brauchtum wie Polygamie bedrohen die Einheit und Stabilität der Familien Sambias. Gleiches gilt für Ehescheidung, Abtreibung, die Verbreitung einer für Empfängnisverhütung offenen Mentalität und das die Verschärfung des Aids-Notstands verursachende verantwortungslose Sexualverhalten. All diese Faktoren erniedrigen die Würde des Menschen auf eine Art und Weise, die die Verpflichtungen der ehelichen Gemeinschaft zunehmend erschweren, denn naturgemäß gründet die Ehe auf dem tiefen Sinn für den Wert des menschlichen Lebens und seiner Würde. Daher war euer jüngster Hirtenbrief über die Heiligkeit des menschlichen Lebens so aktuell. Zweifellos wird er zur Festigung des christlichen Zeugnisses in Sambia beitragen und das Bewusstsein im Hinblick auf dieses grundlegende Thema im ganzen Land stärken. Ohne gesunde Familien ist keine Gesellschaft entwicklungsfähig; daher müssen alle kirchlichen Mittel und Institutionen eingesetzt werden, um den Familien Sambias zu helfen, in Treue und Hochherzigkeit als wahre „Hauskirchen“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11) zu leben. Das gilt für katholische Schulen, die stets jene Werte 1131 AD-LIMINA-BESUCHE lehren sollten, die der von Christen gelebten Sexualität ihren Sinn verleihen. Das gilt für Jugendprogramme, die auf dieser Grundlage gefestigt und aufgebaut werden und vor allem die Rolle und Würde der Frau hervorheben müssen. Das gilt für Ehevorbereitungskurse, die das Brautpaar mit der christlichen Bedeutung und der Schönheit ehelicher Liebe vertraut machen sollen. Ferner bedeutet es, dass pasto-rale Unterstützung auch jenen Familien zuteil werden soll, die von Schwierigkeiten betroffen sind. Die Zukunft Sambias ist die Zukunft seiner Familien. Im Allgemeinen erfordert die Unterstützung der Familie als Grundzelle der Gesellschaft ein entschlossenes Vorgehen, um jenen Schwierigkeiten entgegenzuwirken, mit denen Eheleute konfrontiert sind, einschließlich familienfeindlicher kultureller Belastungen und Politiken. Die gesamte Kirche muss sich nun mit aller Kraft ein-setzen, um die Familien Sambias so stark zu machen, wie Gott es wünscht, damit auch die Zukunft der Nation so reich sein wird, wie Gott es wünscht. 4. Als Hirten richtet sich euer Amt hauptsächlich auf die Stärkung der geistigen Familie der Kirche, damit „die Kraft des Evangeliums, die jeden rettet“ (vgl. Rom 1,16), alle Aspekte im Leben der Christgläubigen durchtränken und den Weg der Gesellschaft zu stets größerer Wahrheit, Gerechtigkeit und Eintracht erleuchten möge. In vieler Hinsicht wird die Kirche ein Zeichen des Widerspruchs in einer Situation sein, in der die Kräfte der Entfremdung nicht zu übersehen sind, und das verlangt von euch eine zutiefst geistige Sicht der Dinge und ein „heiliges, untadeliges und schuldloses Leben“ vor Gott (vgl. Kol 1,22). Das Nachsynodale Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa erinnert die Bischöfe an die Mahnung von Papst Gregor dem Großen, wonach „der Hirte vor allem durch ein vorbildliches und von Heiligkeit geprägtes sittliches Verhalten ein Licht für seine Gläubigen ist“ (Nr. 98). 5. Da in der kirchlichen Familie so viel von der Führungsqualität der Geistlichen abhängt, müssen sie unbedingt die erste Sorge eures Dienstes sein. Eure Beziehungen zu ihnen sollten sich stets durch Einheit, Brüderlichkeit und Ermutigung auszeichnen. In der Priesterweihe sind sie mit Christus, dem Haupt und Hirten der Kirche, gleichgestaltet geworden. Daher teilen sie sein vollkommenes Aufopfem für die Herde und das Kommen des Reiches. Wie ihr sehr wohl wisst, erfordert das treue und fruchtbare Leben der priesterlichen Berufung ständige Weiterbildung. Aufgrund dessen habt ihr spezielle Programme für Priester, insbesondere für die neugeweihten unter ihnen, ausgearbeitet, um ihnen bei der Fortsetzung ihrer geistigen, pastoralen und spirituellen Bildung zu helfen. Zahlreiche eurer Priester haben bereits von diesen Programmen Gebrauch gemacht. Meinerseits möchte ich diese Initiative voll unterstützen und euch ermutigen, alles zu tun, um möglichst viele eurer Geistlichen in den Prozess einzubeziehen. Ständige persönliche Erneuerung ist eine wesentliche Komponente jedes christlichen Lebens, und bei Priestern ist sie mit einem eindeutigen Geist des Loslösens von allen weltlichen Dingen und Einstellungen verbunden. Ganz klar kommt das durch den priesterlichen Zölibat zum Ausdruck, jenen Wert, der als vollkommene Hingabe an den Herrn und seine Kirche sorgfältig bewahrt werden muss. Demnach 1132 AD-LIMINA-BESUCHE muss jedes eventuell anstößige Verhalten strengstens vermieden oder, wo notwendig, korrigiert werden. Bei all dem ist die Seminarausbildung von größter Bedeutung, denn wenn die in jenem Stadium geschaffene Grundlage schwach ist, dann wird Sambia nicht jene eifrigen und selbstlosen Priester haben, die es jetzt braucht. Doch schon vor der Seminarausbildung entstehen und wachsen gute Priesterberufungen in wirklich christlichen Familien - was wiederum ein Grund für euch ist, bei der Familienpastoral keine Mühe zu scheuen. 6. Ein weiteres positives Zeichen in der Kirche Sambias ist die ständig wachsende Zahl der Berufungen für das geweihte Leben. Um auch hier jene Führung zu gewährleisten, die die kirchliche Familie braucht, möchte ich dringend dazu auffor-dem, bei der Auswahl und Ausbildung der Kandidaten größte Sorgfalt anzuwenden. Auch hier ist das Familienleben wiederum von wesentlicher Bedeutung: zahlreiche zum geweihten Leben berufene junge Frauen und Männer stammen aus Familien, die noch nicht lange mit dem christlichen Leben vertraut sind und kaum eine christliche Ausbildung haben. Im geweihten wie auch im priesterlichen Leben besteht die Gefahr, es als Mittel zu gesellschaftlichem Aufstieg oder aus Prestigegründen zu missbrauchen. Die Kandidaten dürfen nicht der Versuchung nachgeben, sich für etwas Besseres zu halten als andere oder nach höherem materiellen Wohlstand zu streben. In solchen Fällen wird der eigentliche Charakter des geweihten oder priesterlichen Dienstes nur äußerlich angenommen, nicht aber auf zutiefst persönlicher Ebene verinnerlicht. Ausbildungsprogramme sollten die höchsten Ideale aufrecht erhalten und wirklich beispielhaften Priestern und Ordensleuten anvertraut werden. 7. Während sich die geistige Familie der Kirche festigt, werdet ihr bessere Möglichkeiten haben, jenen ökumenischen Dialog und jene Kooperation zu verwirklichen, die notwendig sind, damit die verschiedenen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in gegenseitigem Einvernehmen und Achtung wachsen und die Christen jene Trennungen überwinden können, die ihre Sendung in diesem nun zu Ende gehenden Jahrtausend beeinträchtigt haben (vgl. Tertio millennio adve-niente, Nr. 34). Auch bessern sich die Voraussetzungen für den Dialog mit dem Islam, der, obwohl eine Minderheit in eurem Land, stets an Einfluss gewinnt und in verschiedenen Teilen der Nation Moscheen, Schulen und Krankenhäuser errichtet. Unter diesen Umständen ist eine zweifache Antwort der Kirche unerlässlich - einerseits intensive und unablässige Evangelisierung und Katechese für Katholiken und andererseits aufrichtige Bereitschaft für den interreligiösen Dialog. Eine wesentliche pastorale Herausforderung völlig anderer Art ist die durch die Verbreitung fundamentalistischer Sekten verursachte Schwächung und in manchen Fällen auch der Verlust wahrer christlicher Identität. Sie finden Nährboden in Zeiten gesellschaftlicher Erschütterungen und kultureller Entfremdung, wenn Angst und Hoffnungslosigkeit vorherrschen; sie sind dann am stärksten, wenn die Erfahrung der Kirche als Familie am schwächsten ist. Um ihren trügerischen Versprechen und falschen Lösungen entgegenzuwirken, braucht die Kirche in Sambia Pro- 1133 AD-LIMINA-BESUCHE gramme, um den Gläubigen eine klare und korrekte Katechese zu bieten, die ihnen ein tieferes Verständnis jener Heilswahrheiten des Glaubens und wahren Verheißungen Christi vermitteln, die allein vertrauenswürdig sind. Im Rahmen solcher Programme könnte ein intensiverer Einsatz von audiovisuellem religiösen Material und Rundfunksendungen eurer Bischofskonferenz und der einzelnen Diözesen nützlich sein. Intensivere Bemühungen dieser Art würden den Laien Sambias auch ermöglichen, ein stets sichtbareres öffentliches Zeugnis ihres katholischen Glaubens zu geben und so zu wahren Verkündern des Evangeliums in ihren Familien und Gemeinden zu werden. Euer Einsatz für den Aufbau kleiner christlicher Gemeinschaften auf lokaler Ebene hat viel zur Intensivierung der aktiven Teilnahme der Laien am Pfarrgemeinde-und Diözesanleben beigetragen. In der Tat sind diese Gemeinschaften zu einem charakteristischen Merkmal der dynamischen Präsenz der Kirche in Sambia geworden. Hier möchte ich zwei wichtige Vereinigungen erwähnen, die sich fiir die Förderung der verschiedenen heute in Sambia aktiv tätigen Apostolatsbewegungen der Laien einsetzen: der Nationale Rat für die Laien und der Nationale Rat Katholischer Frauen. Auch das sind Zeichen des ständigen Wachstums der Kirche Sambias, die beweisen, dass ihr, liebe Brüder, euch die Worte aus dem Ritus der Bischofsweihe zu eigen gemacht habt: „Wie ein Vater und ein Bruder sollst du all jene lieben, die Gott dir anvertraut. ... Ermutige die Gläubigen zur Anteilnahme an deiner apostolischen Aufgabe, höre bereitwillig auf das, was sie zu sagen haben.“ Liebe Brüder, heute habe ich diese kurzen Gedanken mit euch geteilt und versucht, euch im Herrn Mut zu machen und in eurem Dienst an seinem Volk zu stärken. Während für euer Land das zweite christliche Jahrhundert beginnt und es sich auf den Übergang in das dritte Jahrtausend vorbereitet, steht Sambia vor der Herausforderung, sich als christliche Nation zu zeigen, und zwar nicht nur kraft einer offiziellen Erklärung, sondern vielmehr weil es ein Land ist, in dem der christliche Glauben in Wort und Tat gelebt wird, in dem das Gesetz der Liebe vorherrscht und in dem das Gebot des Herrn: „Laßt euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (vgl. Mt 5,16) von allen, die seinen Namen hören, treu befolgt wird. Euch und die Katholiken Sambias vertraue ich der liebevollen Fürsprache Marias, der Mutter der Kirche, an. Möge euch das Anrufen ihres heiligen Namens zu noch größerem Dienst an Christus, ihrem Sohn, führen. Euch, den Priestern, Ordensleuten und Christgläubigen eurer Diözesen erteile ich von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. 1134 AD-LIMINA-BESUCHE Bildung und Erziehung aller Mitglieder der Gemeinden fördern Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe des Tschad am 9. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude empfange ich euch im Laufe eurer Wallfahrt zu den Gräbern der Apostel. Ihr Bischöfe der katholischen Kirche im Tschad seid an dieselben Orte gekommen, wo Petrus und Paulus Zeugnis für Christus gegeben haben bis zum erhabensten Geschenk ihres eigenen Lebens. An diesen Stätten werdet ihr Frieden und Zuspruch finden, um den euch anvertrauten Auftrag im Dienst des Gottesvolkes erfüllen zu können. Möge der Flerr - durch eure Treffen mit dem Nachfolger Petri und seinen Mitarbeitern - den Geist der Gemeinschaft mit der Universalkirche und ihren mit dem Bischof von Rom verbundenen Hirten in euch immer weiter wachsen lassen! Msgr. Charles Vandame, der Vorsitzende eurer Konferenz, hat in eurem Namen die Freuden, Sorgen und Hoffnungen, die zu eurem bischöflichen Dienst gehören, klar und einsichtig zum Ausdruck gebracht. Ich danke ihm sehr herzlich dafür. Überbringt euren Priestern, den Ordensmännem und -ffauen, den Katechisten und Laien eurer Diözesen den herzlichen Gruß des Papstes. Gott schenke ihnen seinen Segen in Fülle, damit sie alle großherzige Zeugen des Evangeliums seien! Übermittelt außerdem meine Wünsche für Wohlergehen und Frieden dem ganzen Volk des Tschad, dessen Edelmut ich kenne. 2. Seit eurem letzten Ad-limina-Besuch wurden zwei neue Diözesen errichtet, um die Verkündigung des Evangeliums auch in bisher eher isolierten Gegenden zu fordern. Man kann sich nur freuen über die Lebenskraft eurer Gemeinden, und die Neuerrichtungen sind ein beredtes Zeichen dafür. Ich wünsche, dass die Bischöfe, die eure Bischofskonferenz mit dem Reichtum ihrer missionarischen Erfahrung erweitert haben, in den vollen Genuß der brüderlichen und kollegialen Atmosphäre kommen, die diese Konferenz auszeichnet. Es ist für mich eine Freude, die geistlichen Fortschritte der Kirche im Tschad festzustellen oder auch ihre lobenswerten Bemühungen für eine immer tiefere Eingliederung in die sozialen und kulturellen Gegebenheiten des Landes. Ich lade eure Gemeinden ein, dem Werk, das der Heilige Geist in ihnen vollzieht, treu zu bleiben und ein Zeugnis aufrichtiger gegenseitiger Liebe zu geben, damit alle Den erkennen, der die Quelle dieser Liebe ist, und an ihn glauben. Jeder soll sich daran erinnern, dass „man Missionar zuallererst ist durch das, was man ist, als Kirche, die zutiefst die Einheit der Liebe lebt, bevor man es ist durch das, was man sagt oder tut“ (Redemptoris missio, Nr. 23). 3. Im Laufe der letzten Jahre hat die Zahl der Priester im Tschad in bedeutendem Maße zugenommen. Ich grüße sie herzlich und ermutige sie in ihrem oft schwierigen, aber begeisternden Auftrag, ihren Brüdern das Evangelium Christi zu verkün- 1135 AD-LIMINA -BESUCHE den und ihnen die Sakramente der Kirche zu spenden. Ich weiß um ihre Treue zu ihrer Berufung und ihre seelsorgerische Hingabe. Ich fordere sie auf, die Tiefe ihrer priesterlichen Identität immer weiter zu entdecken. In der persönlichen Begegnung mit dem auferstandenen Herrn, durch das Gebet und die Sakramente, mögen sie die lebendige Quelle ihres Daseins und ihrer kirchlichen Sendung finden! Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich weiß, wie sehr ihr auf ihr priesterliches Leben und ihre Bedürfnisse achtet, besonders im Bereich der Weiterbildung. Mögen sie in euch immer den Vater finden, der sie in ihrem Dienst zu ermutigen und zu leiten versteht! Ihr habt darauf Wert gelegt, dass die Missionare, die sich am Werk der Evangelisierung in eurem Land beteiligt haben, aus unterschiedlichen Ländern kommen. Ich beglückwünsche sie zu ihrer großzügigen Antwort auf die Aufrufe der Kirche des Tschad und wünsche, dass sie überall eifrige Zeugen des Geistes des Evangeliums sind, der „zur Überwindung von kulturellen und nationalistischen Barrieren fuhren und jedes Sich-Verschließen zu vermeiden suchen“ muss {Ecclesia in Africa, Nr. 130). Als Einheimische aus Afrika, einem Kontinent, der inzwischen vollkommen in die Missionstätigkeit der Kirche integriert ist, oder auch aus anderen Teilen der Welt stammend, manifestieren sie deutlich die Universalität der Botschaft des Evangeliums und der Kirche sowie ihren Wunsch, den Priestern im Tschad zu helfen, die Zukunft der Ortskirche immer mehr in ihre eigenen Hände zu nehmen. Auch die Ordensmänner und Ordensffauen beteiligen sich in vollem Umfang und mit großer Opferbereitschaft am Leben eurer Diözesen. Ihr Einsatz für das Werk der Evangelisierung und der Dienst an euren Gemeinden ist wesentlich. Es ist daher mein Anliegen, dass das geweihte Leben bei den Jugendlichen des Tschad einen neuen Aufschwung findet, damit die Kirche in den Genuss dieses Geschenks kommt, das für die Gegenwart und Zukunft des Gottesvolkes wertvoll und unerlässlich ist, „weil es zutiefst zu dessen Leben, Heiligkeit und Sendung gehört“ {Vita consecrata, Nr. 3). In der Tat ist das geweihte Leben ein beredtes Zeugnis der Selbsthingabe an den Herrn und einer Lebenseinstellung, die auf das Absolute und das beglückende Wesentliche ausgerichtet ist. Es ist auch unentbehrlich, dass die Grundwerte des religiösen Lebens in der Kultur eures Landes tiefe Wurzeln schlagen, damit sie dort zum Sauerteig des Evangeliums werden. Die Ausbildung der künftigen Priester ist eines eurer Hauptanliegen. Schon jetzt seht ihr die ersten Früchte eurer Bemühungen zur unterscheidenden Erkenntnis der Berufungen, die dazu in der Lage sind, die Bürde der mit dem Priesterleben zusammenhängenden Verpflichtungen zu tragen. Die Errichtung eines weiteren Seminars ist für euch ein ermutigendes Zeichen und eine gute Gelegenheit, um für die großherzige Reaktion der jungen Menschen auf den Aufruf des Herrn zu danken. Ich fordere euch auf, den Priesteramtskandidaten nicht nur eine solide intellektuelle und spirituelle Ausbildung zukommen zu lassen, sondern auch eine ernsthafte Erziehung „zu Wahrheitsliebe, Aufrichtigkeit, Achtung vor jedem Menschen, Gerechtigkeitssinn, Einhaltung des gegebenen Wortes, zu echtem Mitgefühl, zu 1136 AD-LIMINA-BESUCHE einem konsequenten Lebensstil und besonders zu Ausgewogenheit in Urteil und Verhalten“ (Pastores dabo vobis, Nr. 43). Durch den sorgsamen Umgang mit diesen menschlichen Eigenschaften können sie zu ausgeglichenen Persönlichkeiten werden, die fähig sind, die ihnen übertragenen pastoralen Verantwortlichkeiten zu übernehmen. 4. In euren Diözesen sind die kirchlichen Basisgemeinschaften ein bevorzugtes Mittel, um die Kirche als Familie Gottes wachsen zu lassen und um zur Evangelisierung beizutragen. Man muss sich in der Tat freuen über die Entwicklung eines qualifizierten Laienstandes, der Schritt für Schritt seinen besonderen Platz im Leben der Kirche und der Gesellschaft einnimmt. In der Pastoral eurer Diözesen muss deshalb einer angemessenen lehramtlichen und spirituellen Bildung der Laien immer größere Bedeutung zukommen, damit ihr Glauben gefestigt werde und ihr Zeugnis wahrhaft und glaubwürdig sei. Von ganzem Herzen grüße ich die Katechisten, die den ihnen anvertrauten Auftrag großherzig erfüllen. Durch eine seriöse lehramtliche und geistige Ausbildung erhalten sie eine Sachkenntnis, die sie ihres Amtes würdig macht. Ich ermutige sie, ihre Zugehörigkeit zur Kirche im Dienst am Evangelium und inmitten ihrer Brüder mit Glauben und Hingabe zu leben. In ihrem ganzen Dasein sollen sie eifrige Jünger Christi und Vorbilder christlichen Lebens sein! Die Gläubigen, die immer noch tief von den Lebenseinstellungen und Praktiken der traditionellen Kultur geprägt sind, tun sich oft schwer, den Anforderungen der christlichen Ehe zu entsprechen. Es ist also angezeigt, ihnen die Grundbegriffe zur Betrachtung an die Hand zu geben, die zu einem größeren Verständnis der Würde und Rolle der Ehe, die ein echter Weg der Heiligkeit ist, beitragen können. Aus diesem Grunde setzt die Ehe eine unauflösliche Liebe voraus: „Dank dieser ihrer Beständigkeit vermag sie wirksam zur vollen Verwirklichung der aus der Taufe erwachsenen Berufung der Eheleute beizutragen“ {Ecclesia in Africa, Nr. 83). Eine stärkere Bewusstwerdung der gleichen Würde von Mann und Frau, besonders in ihrer gegenseitigen Liebe, wird dazu beitragen, klar herauszustellen, dass die eheliche Verbindung einen einzigen Ehebund erfordert. Eine ernsthafte Vorbereitung auf den Ehebund sowie das Zeugnis einträchtiger und ausstrahlungskräftiger christlicher Familien - dessen Wichtigkeit für den Ausdruck der Echtheit einer Lebensentscheidung wohlbekannt ist - werden in den Jugendlichen starke Überzeugungen wecken, damit sie ihre Verantwortung als Eheleute und Eltern auf sich nehmen können. In dieser Hinsicht freue ich mich über die Aufmerksamkeit, die der Familienseelsorge gewidmet wird, denn die Kinder lernen sowohl die Grundelemente des geistlichen und sittlichen Lebens als auch ein gesundes gesellschaftliches Verhalten von den Ehepaaren. Dieselbe Fürsorge hat euch zur Förderung der Achtung der Frau und des Schutzes ihrer Rechte veranlasst, denn Mann und Frau sind zwar verschieden, aber unter dem Gesichtspunkt ihrer Menschlichkeit im Wesentlichen gleich. 1137 AD-LIMINA-BESUCHE 5. Den Richtlinien der Soziallehre der Kirche folgend, habt ihr seit mehreren Jahren zahlreiche Initiativen in den Bereichen des Gesundheitswesens, der Erziehung und der sozial-karitativen Werke ins Leben gerufen. Auch habt ihr vertiefte Überlegungen über die Auswirkungen des Evangeliums auf die verschiedenen Lebensumstände der Bevölkerung eures Landes angestrengt. Das Engagement eurer Gemeinden im Dienst der Förderung der Menschen und der Entwicklung verdient lebhafte Unterstützung. So haben die Gläubigen ein neues Bewusstsein ihrer Verantwortung als Jünger Christi im Gemeinschaftsleben erlangt, sie haben jede Beihilfe zu Ungerechtigkeit und Gewalt entschlossen von sich gewiesen und sich auf breiter Basis für die Verteidigung der Menschenrechte eingesetzt - und zwar dort, wo diesen Rechten Gefahr droht. Die bevorstehende Feier des Großen Jubeljahrs ist im Übrigen eine geeignete Zeit für die Christen, um sich zur Stimme aller Armen der Welt zu machen und die bevorzugte Option der Kirche für die Armen und die Randgruppen klar zum Ausdruck zu bringen. Dies werden sie — wie ich schon schrieb - vor allem tun, indem sie „an eine Überprüfung, wenn nicht überhaupt an einen erheblichen Erlaß der internationalen Schulden ... denken, die auf dem Geschick vieler Nationen lasten“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 51), und zwar unter Bedingungen, die die bedürftigsten Bevölkerungsgruppen nicht anderweitig benachteiligen, und indem sie die Menschen zu einer Verwaltung der Ressourcen der Nation anregen, die allen ein würdiges und solidarisches Leben ermöglicht. Die katholischen Schulen stellen einen wichtigen Beitrag der Kirche zur Erziehung der Jugend des Tschad dar - ohne jede Diskriminierung in Bezug auf soziale oder religiöse Herkunft. Wir freuen uns sehr über das Ausgeglichensein von den Anforderungen eines erzieherischen Projekts, das dem Evangelium entspricht, und den verwaltungseigenen Zwängen. Die Gesellschaft eures Landes erlebt gegenwärtig große Veränderungen, und es ist deshalb nötig, den Jugendlichen Bezugspunkte vor Augen zu stellen, die es ihnen erlauben, die heutigen Herausforderungen aufzunehmen und die ihrer Entfaltung entgegenstehenden Hindernisse zu überwinden. Dazu müssen sie eine Erziehung bekommen, die die menschlichen und spirituellen Gegebenheiten ihrer Existenz berücksichtigt und ihnen hilft, unter jungen Menschen aus unterschiedlichen religiösen und sozialen Milieus zu leben. Dadurch sind sie besser darauf vorbereitet, ihre Zukunft in einem Geist gegenseitiger Achtung und Zusammenarbeit aufzubauen. Damit das Leben eurer Gemeinden und der Dienst an ihren Mitbewohnern sich konfliktlos gestalten kann, seid ihr gehalten, den Dialog mit den Vertretern der Zivilbehörden stets weiterzuführen, damit die katholische Kirche immer bessere Anerkennung als vollintegrierte Institution innerhalb der Gesellschaft erfährt. 6. In eurer Nation, die traditionsgemäß ein Land der friedlichen Begegnung unterschiedlicher Kulturen und Religionen ist, müssen wohlwollende Beziehungen zwischen der katholischen Gemeinschaft, den anderen Christen und den Muslimen gefordert werden, damit die Ursachen möglicher Missverständnisse oder Konfrontationen ausscheiden und die Prinzipien der Toleranz und Brüderlichkeit den Auf- 1138 AD-LIM1NA-BESUCHE bau einer solidarischen und einigen Nation anführen. Gewisse Entwicklungen in jüngster Zeit konnten zuweilen zu Gegensätzen führen, die sich in dauerhafte Feindschaften zu entwickeln drohten. Es ist nötig, dass die Katholiken jede Einstellung der Angst und der Ablehnung des anderen entschlossen zurückweisen. In diesem Sinne ermutige ich euch zur beharrlichen Fortführung der Initiativen, die ihr im Hinblick auf eine bessere gegenseitige Kenntnis, jenseits aller Vorurteile, ergriffen habt. Es geht in der Tat darum, die Begegnung der Menschen in Wahrheit zu fordern und vor allem den Dialog des Lebens zu entwickeln, der es ermöglicht, einander mit allen Unterschieden anzunehmen und für das Gemeinwohl zusammenzuarbeiten. Außerdem ist es vorteilhaft, einen ehrlichen Dialog mit den religiösen Autoritäten des Islam aufrechtzuerhalten, um das Verständnis zwischen beiden Gemeinschaften zu erleichtern. In dieser Perspektive der Aufgeschlossenheit und des Dialogs ist es allerdings auch nötig, dass sich die Christen ihrer eigenen Rechte im nationalen Gemeinwesen, dessen vollberechtigte Mitglieder sie sind, bewusst bleiben und dass sie diese Rechte in einem Geist der Gerechtigkeit verteidigen, indem sie zu allen Menschen brüderliche Beziehungen suchen, die die Rechte und Pflichten jedes Menschen und jeder Gemeinschaft achten. Ich hatte schon öfters Gelegenheit, daran zu erinnern, dass die Religionsfreiheit - die das Recht auf Äußerung des eigenen Glaubens beinhaltet, sei es allein oder mit anderen, in der Öffentlichkeit oder im privaten Bereich, und die jede Diskriminierung aus religiösen Gründen ausschließt — das wahre Herz der Menschenrechte ist und die anderen persönlichen und gemeinschaftlichen Freiheiten erst möglich macht. Der Rückgriff auf Gewalt im Namen des eigenen religiösen Credo ist eine Entstellung der eigentlichen Lehre der Weltreligionen (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 1999, Nr. 5). Es ist mein sehnlicher Wunsch, dass alle Gläubigen ihre Gegensätze resolut überwinden und ihre Bemühungen Zusammenlegen, um gegen all das zu kämpfen, was sich dem Frieden und der Versöhnung widersetzt und um auf diese Weise zum Aufbau der Zivilisation der Liebe beizutragen, die für jeden eine Ausdrucksform des Lobpreises an Gott sein sollte. 7. Zmn Abschluss unseres Treffens, liebe Brüder im Bischofsamt, möchte ich euch mit Blick auf die Feier des Großen Jubeljahrs 2000 einladen, vertrauensvoll in die Zukunft zu schauen. Der Samen, den die ersten Missionare vor sechzig Jahren in die Erde senkten, hört nicht auf, Frucht zu bringen. Die selbstlose Hingabe der Männer und Frauen, die in den vergangenen Jahren ihr Leben für die Weitergabe der Fackel des christlichen Glaubens im Tschad einsetzten und denen ich hier die Ehre erweisen möchte, muss für die heutigen und künftigen Generationen ein Beispiel apostolischen Lebens bleiben und ein konstanter Aufruf zum engagierten Zeugnis für die Botschaft, die sie erhalten haben, und für den Herrn, der zum Treffen mit ihnen gekommen ist, damit sie das wahre Leben haben. Euer Amt und jede eurer Diözesen empfehle ich dem mütterlichen Schutz der Jungfrau Maria, Mutter Christi und Mutter der Menschen. Sie möge eure Schritte sicher zu ihrem Sohn führen! Von ganzem Herzen gebe ich euch den Apostolischen Segen, den ich auf die Priester, die Ordensleute, die Katechisten und alle Gläubigen im Tschad ausdehne. 1139 AD-LIMINA-BESUCHE Wiederaufbau der Kirche nach Jahren des Atheismus im Geist der Ökumene Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe der katholischen Gemeinden des lateinischen Ritus in der Ukraine am 25. März Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Zu eurem ersten Ad-limina-Besuch als Hirten der katholischen Gemeinden des lateinischen Ritus der Ukraine heiße ich euch alle herzlich willkommen und begrüße euch mit den Worten des Apostels: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Eph 1,2). Nun, am Ende eines Jahrhunderts, in dem die euch anvertrauten Diözesen viele schmerzliche Erfahrungen machen mussten, schenkt die göttliche Vorsehung euren Gemeinden schließlich den Trost eines erneuten Wiederauflebens. Gelobt sei Gott, der in seiner unendlichen Güte noch vor dem Ende dieses Jahrtausends eurer geliebten Heimat den fundamentalen Wert der Freiheit wiedergegeben und euch somit erlaubt hat, mit vollem Eifer einer vielversprechenden Ernte zu dienen. In der Geschichte eurer Bischofskonferenz ist das die erste offizielle Begegnung mit dem Nachfolger Petri und der römischen Kurie im Rahmen der traditionellen Kontakte der Ad-limina-Besuche. Ich danke dem Präsidenten der Bischofskonferenz, Msgr. Marian Jaworski, für die im Namen aller an mich gerichteten Worte des Glaubens und der Einheit. Jeden von euch versichere ich meines ständigen Gebetes für das anspruchsvolle Amt, das ihr im Dienst der eurer pastoralen Fürsorge anvertrauten Kirchen verseht. In Anbetracht des schwierigen Erbes der jüngsten Vergangenheit verdient das wundervolle Werk Anerkennung und Bewunderung, das der Herr in den letzten acht Jahren durch die Opfer, die Hingabe und den pastoralen Eifer von euch Bischöfen, von Priestern, Ordensleuten und zahlreichen Laien vollbracht hat, die sich an eurer Seite und unter eurer Führung für die Wiedergeburt der Diözese eingesetzt haben. Wie dieses providentielle Wiederaufblühen eurer Gemeinden bewiesen hat, waren das Zeugnis vieler der Verfolgung ausgesetzter Helden des Glaubens und der Mut unzähliger Eltern, welche die Liebe zum Evangelium stetig an ihre Kinder weitergegeben haben, nicht vergeblich. 2. In relativ kurzer Zeit ist es euch - sicherlich auch dank der Solidarität der Schwesterdiözesen — gelungen, eine zerstörte Kirche wieder aufzubauen. Wenn wir die uns wohlbekannten damaligen Verhältnisse mit der heutigen Realität vergleichen, verspüren wir unweigerlich den Wunsch, Gott von ganzem Herzen für all das zu preisen, was er getan hat. Gleichzeitig müssen wir auch die Verdienste zahlreicher Priester, Ordensleute und Laien anerkennen, die wertvolle Werkzeuge im Dienst des Heilsplans waren. Geht diesen Weg weiter nach dem Beispiel Olgas, Wladimirs und Izjaslao-De-metrios’, die am Dnjeprufer getauft wurden. Seid stets von tiefem apostolischen 1140 AD-LIMINA-BESUCHE und missionarischen Eifer erfüllt. Mögen eure Gemeinden von lebendigem und tiefem Glauben beseelt, mit ihren Hirten vereint und ganz auf die Evangelisierung hingeordnet sein. So könnt ihr voll Vertrauen in die Zukunft blicken und eure Sendung in der geliebten Ukraine stets besser erfüllen. Das Feld pastoraler Arbeit ist groß, und ihr habt bereits nützliche Initiativen sowohl zur Vertiefung des Glaubens als auch für ein intensiveres Zeugnis des Evangeliums in der Gesellschaft ergriffen. 3. Trotz zahlreicher Schwierigkeiten war es in diesen Jahren eure erste Sorge, eure Gemeinden mit den notwendigen Strukturen und den unerlässlichen Gotteshäusern zur Versammlung der Gläubigen und zur Feier der Liturgie auszustatten. Viele Pfarrkirchen und Kapellen wurden für den Gottesdienst wieder zugelassen, drei Priesterseminare und eine Katechetenschule haben die Lehrtätigkeit aufgenommen. Nun richtet sich eure Aufmerksamkeit auf die Anforderungen der Neuevangelisierung, um die Gläubigen bei der Vertiefung des Glaubens zu unterstützen und um auch den neuen Generationen das lebenspendende Wort des Evangeliums zu vermitteln. Zu diesem Zweck ist eine den Anforderungen unserer Zeit entsprechende Katechese unerlässlich. In Fortsetzung der vom II. Vatikanischen Konzil eingeleiteten Erneuerung fordere ich euch zur gesunden Modernisierung der Methodik auf. Ohne die Substanz der Botschaft Christi zu verändern, soll die Art und Weise ihrer Darlegung dem Empfinden der Zeit angepasst sein. Hierbei wird euch der unlängst veröffentlichte Katechismus der Katholischen Kirche eine große Hilfe sein. Jeder Getaufte, ja jeder Mensch guten Willens hat das Recht, durch die Kirche eine solche Unterweisung und Ausbildung zu erhalten, die es ihm ermöglicht, Christus wirklich kennenzulemen. Wenn die kirchliche Gemeinschaft der Katechese - und nicht anderen vielleicht spektakuläreren Initiativen - den Vorrang gibt, verfugt sie über ein konkretes Mittel zur Festigung ihres eigenen inneren Lebens und zur wirksamen Annäherung an die äußere Welt (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 15). Ein organisches Katecheseprogramm ist die angemessene Antwort auf die Herausforderungen unserer heutigen Zeit, einschließlich des zunehmenden, besorgniserregenden Phänomens der Sektenverbreitung. Die graduelle Zunahme des Lokal-, Diözesan- und Ordensklerus, theologisch und pastoral ausgebildet durch spezialisiertes Personal der verschiedenen geistlichen Disziplinen, wird euch eine bessere Organisation der Pastoral und die Förderung der Evangelisierung und der Katechese, insbesondere für Jugendliche und Familien, erlauben. Auch der grundlegende Beitrag darf nicht übersehen werden, den Ordensleute und hilfsbereite, mit der christlichen Botschaft vertraute Laien in diesem Prozess haben. 4. Hiermit kommen wir zur Berufüngspastoral und der Notwendigkeit, sie, insbesondere im Hinblick auf das Priester- und Ordensleben, zu intensivieren. Das Seminar und die verschiedenen Ausbildungsstrukturen für das geistliche Amt oder das geweihte Leben sind der „Augapfel“ des Bischofs. Diesen Einrichtungen muss 1141 AD-LIMINA-BESUCHE er die besten Kräfte der Gemeinschaft zur Verfügung stellen, denn die Dimension der Berufung gehört zur Natur der Kirche und ist wichtig für ihr Leben. Jede Berufung ist ein Geschenk Gottes, der „uns vor der Erschaffung der Welt erwählt hat, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus“ (vgl. Eph 1,4— 5). Die Kirche selbst ist ihrer Natur gemäß „Berufung“ und weckt und fordert Berufungen, die zum Aufbau des Reiches Gottes in der Welt bestimmt sind (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 3). Ganz natürlich ergibt sich daraus für das christliche Volk die Notwendigkeit, sich mit Hochherzigkeit und allen geistigen und materiellen Mitteln für die Förderung der Berufungen einzusetzen. Wir brauchen heilige Priester und Ordensleute für das breite Feld der Evangelisierung. Unerlässlich ist auch der Beitrag der Familien. Je mehr die christlichen Familien und die kirchlichen Gemeinschaften an den Werten des Evangeliums festhalten, eifrig im Gebet und im sakramentalen Leben, offen für den Ruf des Herrn, stark im Opfer und in bedingungsloser Hingabe, um so deutlicher wird ihnen die Dringlichkeit bewusst werden, sich konkret für diejenigen einzusetzen, die Gott zu einem besonderen Bund mit sich und zu einem speziellen Dienst in der Kirche aufruft (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 41). 5. Dieser natürliche Wachstumsprozess wird im Laufe der Zeit die „katholische“ Identität eurer Kirchen stets deutlicher hervorheben. Er wird zeigen, dass sie im Dienst aller steht und die religiöse und nationale Identität der verschiedenen Volksgruppen eures Landes achtet, ohne die ihr eigenen Charakteristiken zu verlieren. In eurem Land zeigt sich der Reichtum der katholischen Kirche in der Vielfältigkeit ihrer Riten: der byzantinische und der lateinische Ritus wie auch der weniger verbreitete armenische vereinen sich zu dem einen Lobgesang, den die auf Erden pilgernde Braut unablässig zum himmlischen Bräutigam erhebt. Die Kirche ist stolz auf diese Vielfalt in der Einheit. Als besonderes Kennzeichen der christlichen Gemeinschaft sollte sie auch ein idealer Anhaltspunkt für die bürgerliche Gesellschaft sein, die ebenfalls aufgerufen ist, eine Gemeinschaft zu bilden, deren verschiedene kulturelle Bestandteile sie achten und berücksichtigen muss. Wenn die Achtung jeder Identität eine Anforderung der Gerechtigkeit ist, dann gilt das noch mehr für die Nächstenliebe, das oberste Gebot für jeden Christen. Die durchaus nicht einfache besondere religiöse Situation eures Landes darf euch nicht davon abhalten, stets nach neuen Möglichkeiten des Dialogs, des gegenseitigen Verständnisses und, soweit möglich und angebracht, nach konkreten Formen der Zusammenarbeit zu suchen. Von großem Nutzen wird hier eine aufmerksame und mutige missionarische Einstellung sein, die sich dafür einsetzt, dass die Barrieren abgebaut werden, die militanter Atheismus in siebzig Jahren verheerender Unterdrückung aufgebaut hat. Wie viele eurer Mitbürger hungern und dürsten nach Gott! Um ihnen zu helfen, ihre christlichen Wurzeln neu zu entdecken, müssen wir ihnen wie wahre Apostel begegnen, damit niemand sie mit leeren Philosophien und falschen Lehren täusche (vgl. Kol 2,8). 1142 AD-LIMINA-BESUCHE 6. Eure ganz besondere Sorge gelte den jungen Generationen. Das Bemühen um den Dialog lenke jeden eurer Schritte. Auf allen Ebenen und in jedem Zuständigkeitsbereich des kirchlichen Lebens darf keine Mühe gescheut werden, um konkret zu beweisen, dass die Verschiedenheit dazu bestimmt ist, in der Harmonie der Einheit zu verschmelzen. Nur wenn wir anhand von Tatsachen nachweisen können, dass die katholische Kirche fähig ist, in ihrem Inneren die Kraft und Verbundenheit zu einträchtigem Handeln zu finden, wird ein wirklich ökumenisches Zeugnis möglich sein. Um das zu verwirklichen, muss das Bemühen um gegenseitiges Kennenlemen und Gemeinschaftssinn vorrangig sein. Jede konkrete Gelegenheit zur Begegnung sollte genutzt werden, damit die Hirten für ihre Herde ein Beispiel der Aufnahme und des Wohlwollens allen gegenüber sein können. Nur der Herr kennt Rhythmus und Zeiten dieses Wegs. Uns überlassen ist die Aufgabe, intensiv zu beten und jede Begegnung entschlossen wahrzunehmen. Der Geist lädt die katholischen Gläubigen zu einer ernsthaften Prüfung ein und fordert sie auf, in jenen Dialog einzutreten, den man den „Dialog der Bekehrung“ nennen könnte. Er öffnet sie für jene „brüderlichen Beziehungen, die etwas anderes sind als ein herzliches Einverständnis oder eine rein äußerliche Tischgemeinschaft. Die Bande der brüderlichen ,koinonia‘ müssen vor Gott und in Christus Jesus verflochten werden“ (vgl. Ut unum sint, Nr. 82). 7. Verehrte Brüder, „der Ökumenismus ist ja nicht nur eine interne Frage der christlichen Gemeinschaften. Er betrifft die Liebe, die Gott in Jesus Christus der ganzen Menschheit zugedacht hat, und diese Liebe behindern bedeutet eine Beleidigung für ihn und seinen Plan, alle in Christus Zusammenzufuhren“ (ebdNr. 99). Diese Dimension des Ökumenismus ist von ganz besonderer Aktualität, wenn man bedenkt, wie notwendig die Verkündigung und das Zeugnis der Jünger Christi im Kontext der ukrainischen Gesellschaft ist! Nach ihr verlangen die in ihrer Einheit und der Achtung des Lebens so gefährdeten Familien; die Schutzlosen brauchen sie, insbesondere Kinder, die nicht selten sich selbst überlassen sind. Sie ist notwendig für die Gesellschaft, die ein Gemeinwohl anstrebt, das die Privilegien der Minderheiten und die Ausgrenzung der Schwachen vermeidet; nach ihr verlangt die Jugend, die nach neuen Hoffnungen und konkreten Idealen sucht, für die sie sich im Leben einsetzt. Könnte man eure pastorale Arbeit als etwas anderes sehen als einen wesentlichen Beitrag für den Aufbau und das Wachstum der gesamten ukrainischen Gesellschaft? Die katholische Kirche betrachtet ihrerseits die ökumenische Verpflichtung als eine jener Prioritäten, auf die sie weder verzichten kann noch will. Bei dieser Aufgabe sollten sich eure Diözesangemeinschaften nicht allein gelassen fühlen oder glauben, sie seien unfähig, die vor ihnen stehenden Probleme zu lösen. Der Gemeinschaftsgeist, der die überall in der Welt verstreuten Teilkirchen eng miteinander verbindet, wird euch den tröstenden Beistand brüderlicher Liebe spüren lassen. Ich fordere die kirchlichen Gemeinschaften im Westen auf, nicht in der Pflicht nachzulassen, wo immer es möglich ist, sich an geplanten Diensten zu beteiligen und zur Realisierung dessen beizutragen, was eure Diözesen zugunsten 1143 AD-LIMINA-BESUCHE des Volkes unternehmen. Ich bin auch sicher, dass eure westlichen Brüder in den Gebieten gemeinsamer Präsenz nie eine Haltung an den Tag legen, die respektlos gegenüber den mühsamen Anstrengungen erscheinen könnte, für die euch um so höheres Verdienst gebührt, je prekärer die euch zur Verfügung stehenden Mittel sind (vgl. Orientale lumen, Nr. 23). Liebe Brüder im Bischofsamt! Während wir gemeinsam Gott preisen, der uns vor der Erschaffung der Welt erwählt hat, damit wir heilig und untadelig in Liebe vor ihm leben (vgl. Eph 1,4), hoffe ich von ganzem Herzen, dass die Feier des unmittelbar bevorstehenden Großen Jubiläums des Jahres 2000, dem wir alle entgegengehen, für jeden Christen eures Landes eine Gelegenheit zu neuem Aufschwung in der Bekehrung und im Einsatz sein möge. Es sei auch ein Anlass für intensivere und hochherzigere Bemühungen im Rahmen der brüderlichen Zusammenarbeit aller Kirchen in der Ukraine, damit bald der Tag kommen möge, an dem die Jünger des göttlichen Meisters in voller Gemeinschaft Zeugnis ablegen für denjenigen, der war, der ist und der kommen wird. Mit diesen Wünschen rufe ich die betende Madonna von Wladimir an, „die den Glaubensweg der Völker des alten Rus’ stets begleitet hat“ (Redemptoris Mater, Nr. 33). Möge sie aufs Neue Gnadengaben für eure Kirchen erwirken. Euch, euren Priestern, Ordensleuten und allen eurer Sorge anvertrauten Gläubigen erteile ich meinen besonderen Apostolischen Segen. Anerkennung der menschlichen Würde verpflichtet zum Handeln Ansprache an die Bischöfe der Zentralafrikanischen Republik anlässlich ihres Ad-limina-Besuchs am 27. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Wenn ihr gemeinsam euren Ad-limina-Besuch durchführt, so kommt ihr hierher um Gott zu bitten, in euch die innerliche Kraft und die missionarische Dynamik wachsen zu lassen, die schon Petrus und Paulus beseelten, als sie bis nach Rom kamen, um für das Evangelium Christi Zeugnis zu geben. Als Nachfolger des Apostels Petras freue ich mich, euch, die ihr mit der Leitung der katholischen Kirche in der Zentralafrikanischen Republik beauftragt seid, zu empfangen, um euch zu ermutigen und in dem gemeinsamen, von unseren Vätern erhaltenen Glauben zu bestätigen. Bei meinen Mitarbeitern an der Römischen Kurie werdet ihr die Unterstützung und Hilfe finden, die ihr zur Erfüllung des euch anvertrauten Auftrags benötigt. Ich danke Msgr. Paulin Pomodimo, Bischof von Bossangoa und Präsident eurer Bischofskonferenz. In eurem Namen hat er die Empfindungen, die euch in dieser besonderen Zeit der Betrachtung über euer Hirtenamt beseelen, klar zum Ausdruck gebracht. 1144 AD-LIMINA-BESUCHE Überbringt den Priestern, Ordensmännem, Ordensfrauen, Katechisten und Laien eurer Gemeinden den herzlichen Gruß des Papstes, wenn ihr in eure Diözesen zurückkehrt. Ich bitte den Herrn, sie in ihrem christlichen Leben und ihrem apostolischen Engagement zu stärken. Vermittelt allen euren Mitbürgern meine besten Wünsche für Frieden und Glück in einem wichtigen Zeitabschnitt für die Zukunft des Landes. 2. Der Zeitpunkt des feierlichen Eintritts in die Freude des Großen Jubiläumsjahrs 2000 rückt näher, und die ganze Kirche, die sich ihres Geheimnisses und ihrer Sendung immer stärker bewusst wird, ist aufgerufen, „bei der Verkündigung des Reiches Gottes im Glauben auf neue Horizonte hinauszublicken“ (Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums des Jahres 2000 Incarnationis mysterium, Nr. 2). Es ist mir eine große Freude, feststellen zu können, dass die Zeichen der aktiven Gegenwart des Geistes Gottes in eurem Volk zahlreich sind. Die Errichtungen von zwei neuen Diözesen in jüngster Zeit hat die apostolische Vitalität eurer Gemeinden und die Aufgeschlossenheit der Männer und Frauen eurer Region gegenüber den Aufrufen des Herrn verdeutlicht. Mögen die Katholiken Zentralafrikas darin eine dringende Aufforderung zu einer erneuerten missionarischen Dynamik erkennen! Ich wünsche euch allen und insbesondere den neuen Bischöfen, dass sie mutig und beherzt die spirituellen Bedürfnisse des Volkes erfüllen, das ihr zu versammeln beauftragt seid, um die Kirche als Familie Gottes zu bilden. In der gegenwärtigen schwierigen und komplizierten Situation eures Landes trägt die Kirche eine besondere Verantwortung, bei allen Mitgliedern der Nation die Hoffnung zu erhalten und ihnen bei ihrer Suche nach echten und glaubwürdigen Lebensinhalten behilflich zu sein, damit sie vertrauensvoll in die Zukunft blicken können. Im Laufe der letzten Jahre war sie das Sprachrohr der „Sprachlosen“ und hat auf diese Weise sowohl die Versöhnung als auch das Aufkommen eines gemeinsamen Bewusstseins im Hinblick auf den Aufbau einer geeinten und solidarischen nationalen Gemeinschaft gefordert. Die Kirche hat die Pflicht, zu gelegener und ungelegener Zeit an die grundlegenden Werte zu erinnern, die mit der Würde jedes menschlichen Wesens verbunden sind, und an die Wahrheit und Verantwortung persönlichen Handelns; denn Gott will, dass alle Menschen eine einzige Familie bilden und einander als Brüder behandeln. „Christus verkündigen heißt also dem Menschen seine unveräußerliche Würde offenbaren, die Gott durch die Menschwerdung seines eingeborenen Sohnes wiederhergestellt hat ... Da der Mensch nun einmal mit dieser unvergleichlichen Würde ausgestattet ist, kann er nicht unter menschenunwürdigen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Lebensbedingungen leben“ (Apostolisches Schreiben Ecclesia in Africa, Nr. 69). Ich lade euch und eure Gemeinden ein, eure mutigen Bemühungen für die umfassende Entfaltung des Menschen und für die Fördemng von Gerechtigkeit und Eintracht zwischen allen Bestandteilen der Nation fortzusetzen. 3. Durch ihr soziales Engagement möchte die Kirche ihre prophetische Rolle im Dienst des Menschen und seiner Würde wahmehmen. In der Tat existiert eine enge 1145 AD-LIMINA-BESUCHE Verbindung zwischen Evangelisierung und sozialer Tätigkeit. Man kann nicht das Gebot der Liebe verkündigen, ohne sich für ein wahres Wachstum der menschlichen Person und der Gesellschaft einzusetzen. Ich kenne die Großherzigkeit eurer Gemeinschaften, die oft von Armut und Mangel geprägt, aber reich an Menschlichkeit und Spiritualität ist. Von ganzem Herzen ermutige ich die Menschen, die sich mit großer Hingabe in den Dienst ihrer Brüder und Schwestern in Not und Elend, der Kranken, der Einsamen, der alten Leute oder der Flüchtlinge aus benachbarten Ländern stellen. Möge sich jeder Christ, der Sinn für das Teilen hat und die Schätze seines Herzens großzügig öffnet, als Gesandter des Herrn betrachten, um Not zu lindem, jede Art von Ausgrenzung zu bekämpfen und auf diese Weise das Evangelium Christi durch seine Handlungen zu verkünden! Ihr wolltet, dass die katholischen Schulen in eurem Dienst an der Gesellschaft Zentralafrikas einen besonderen Platz einnehmen, um die jungen Menschen auf die Verpflichtungen des Lebens, auf ihre Rolle als Bürger und auf ihre sittliche Pflicht vorzubereiten. In der Tat sind die Schulen „zugleich Orte der Evangelisierung, der ganzheitlichen Erziehung, der Inkulturation und des Erlemens eines wichtigen Dialogs zwischen Jugendlichen unterschiedlicher Religionen und sozialer Schichten“ (Ecclesia in Africa, Nr. 102). Diese Ausrichtung muss mit der gebührenden Umsicht unterstützt werden, damit die Kirche wirksam dazu beitragen kann, dass alle Jugendlichen Zugang zur Bildung bekommen, und damit sie die Mittel findet, um den Ärmsten unter ihnen ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Dies erfordert, dass die Weltkirche auch weiterhin eine echte Solidarität konkret zum Ausdruck bringt, um die menschliche, kulturelle und religiöse Ausbildungvon Lehrkräften in ausreichender Zahl zu gewährleisten und um die materiellen Schwierigkeiten, die ein solches Projekt mit Sicherheit verursachen wird, überwinden zu können. 4. In euren Diözesen erlebt die Berufimgspastoral gegenwärtig einen neuen Impuls, über den ich mich freue. Es ist unerlässlich, dass alle Katholiken, und zwar besonders innerhalb ihres Familienlebens, ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sie für die Fördemng und Ermutigung der Bemfüngen zum Priesteramt und zum geweihten Leben Verantwortung tragen. Den jungen Menschen, die sich vom Herrn berufen fühlen, ihm auf diesem Weg nachzufolgen, wünsche ich, dass sie die Liebe, mit der der Herr ihnen begegnet, ohne Furcht annehmen und darauf frei und hochherzig reagieren. Es wird dann Aufgabe der Bischöfe sein, mit Hilfe der Verantwortlichen für die Begleitung der Berufungen und später der Ausbilder im Seminar den erhaltenen Aufruf zu erkennen und dessen Echtheit zu bestätigen. Um den Jugendlichen einen Fortschritt in ihrer Suche zu ermöglichen und um ihnen die nötigen Elemente zur Vertiefung ihrer menschlichen, kulturellen und spirituellen Kenntnisse an die Hand zu geben, erscheint die Einrichtung eines propädeutischen Jahrs von großer Bedeutung. So können sie dann mit größerem Nutzen in den ersten Lehrzyklus des Priesterseminars eintreten. Die Ausbildung der Priesteramtskandidaten ist ein wesentlicher Verantwortungsbereich des Bischofs, und sie erfordert eine besondere Sorgfalt sowohl in Bezug auf 1146 AD-LIMINA-BESUCHE ihre Organisation als auch hinsichtlich des Lebens der Ausbilder und jedes Seminaristen. Eine ernsthafte spirituelle, intellektuelle und seelsorgliche Ausbildung, die für die Ausübung des Priesteramts imverzichtbar ist, muss mit einer soliden menschlichen und kulturellen Unterweisung verbunden sein. ,„Ohne eine angemessene menschliche Bildung entbehrte die ganze Priesterausbildung ihrer notwendigen Grundlage“1 {Pastores dabo vobis, Nr. 43). Die zukünftigen Priester müssen die zum Aufbau einer ausgeglichenen, starken und freien Persönlichkeit unentbehrlichen menschlichen Eigenschaften erwerben. Besonders wichtig wird es sein, sich um die Reifung des Gefühlslebens der Kandidaten zu bemühen, denn dies ist ein wesentliches Element der Erziehung zur wahren und verantwortungsvollen Liebe. Sie ist für den zum Zölibat Berufenen unabdingbar, denn das Zölibat besteht darin, „mit der Gnade des Geistes und mit der freien Antwort seines eigenen Willens, mit der Gesamtheit seiner Liebe und seiner Sorge für Jesus Christus und die Kirche verfügbar zu sein“ (ebdNr. 44). Herzlich grüße ich jeden eurer Priester. Sie sind für euch wertvolle und bei der Verkündigung des Evangeliums unverzichtbare Mitarbeiter, und ihr zeigt ihnen gegenüber eine Fürsorge und Wachsamkeit, die mich freut. Ich danke ihnen für ihre großherzige Bereitschaft, unter oft schwierigen Bedingungen Christus und seiner Kirche zu dienen. Sie sollen nicht vergessen, dass sie in tiefer Gemeinschaft mit ihrem Bischof und als Brüder unter ihren getauften Brüdern den Auftrag haben, das Volk Gottes zu versammeln, damit sich alle seine Mitglieder, vom Heiligen Geist geheiligt, „als lebendiges und heiliges Opfer darbringen, das Gott gefallt“ (vgl. Röm 12,1). Die Priester sollen also ein würdiges und heiliges Leben führen gemäß ihrer Berufung und dem Zeugnis, das sie zu geben haben als Männer Gottes, die zum Dienst des Evangeliums bestellt sind und die sich nicht von den Begehrlichkeiten der Welt anziehen lassen (vgl. Eph 4,22). „Die Priester müssen also ihr Leitungsamt so ausüben, daß sie nicht das ihre, sondern die Sache Jesu Christi suchen“ (Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 9). Durch ein kraftvolles geistliches Leben, das auf das Gebet, die Eucharistie und das Sakrament der Versöhnung gründet, werden sie für die Gläubigen zu wahren Führern auf den Wegen der Heiligkeit, zu der alle Getauften berufen sind. 5. In seiner großen Vielfalt ist das geweihte Leben ein Reichtum der Kirche in eurem Land. Die spirituelle Qualität der Mitglieder, die auf die Gläubigen zurückstrahlt und die eine wertvolle Unterstützung für die Priester darstellt, lässt im Bewusstsein des Gottesvolkes immer mehr das Bedürfnis aufbrechen, „mit der Heiligkeit des Lebens auf die durch den Heiligen Geist in die Herzen ausgegossene Liebe Gottes zu antworten (vgl. Röm 5,5), indem sich in der Haltung die sakramentale Weihe widerspiegelt, die durch Gottes Wirken in der Taufe und in der Firmung oder in der Weihe erfolgt ist“ (Apostolisches Schreiben Vita consecrata, Nr. 33). Ich ermutige die Verantwortlichen der in euren Diözesen vertretenen Gemeinschaften dazu, den jungen Ordensmännem und Ordensffauen eine in der Kultur des Landes verankerte menschliche, intellektuelle und spirituelle Ausbildung zu geben, die eine Bekehrung ihres ganzen Daseins zu Christus ermöglicht, 1147 AD-LIMINA-BESUCHE damit ihre Weihe in der „sequela Christi“ sie immer mehr dem Herrn Jesus in seiner Hingabe an den Vater angleiche. Die gottgeweihten Menschen mögen sich auch darauf besinnen, dass ihre Berufung die Verpflichtung mit sich bringt, sich der Mission zu widmen. In der Treue zu ihrem jeweiligen Charisma, in Gemeinschaft und im Dialog mit den anderen Bestandteilen der Kirche, in erster Linie mit den Bischöfen, mögen die Ordensgemeinschaften hochherzig auf die Aufrufe des Geistes antworten und nach neuen Wegen für die Mission suchen, damit Christus allen Kulturen bis in die entlegendsten Gegenden verkündet wird. Ich ergreife diese Gelegenheit, Gott zu danken für das enorme Werk, das die Ordensgemeinschaften seit der Ankunft der ersten Missionare vor über einem Jahrhundert in Zentralafrika geleistet haben. Die Entwicklung einer schon gut konstituierten Ortskirche ist das Zeichen der spirituellen und apostolischen Tatkraft, die sie durch die Weitergabe der Botschaft des Evangeliums einzuflößen vermochten. Ich danke auch den Fidei-Donum-Priestem und den Laienmissionaren, die ihre eigene Solidarität und die der Ortskirchen in ihren Herkunftsländern mit der Mission in Zentralafrika konkret zum Ausdruck bringen. 6. Ihr habt in euren Berichten herausgestellt, dass die Laien in euren Diözesen sich in großer Zahl in katholischen Bewegungen und Verbänden engagieren. Ich beglückwünsche sie zu ihrer Einsatzbereitschaft und ihrem Eifer. Nachdrücklich ermutige ich sie, aus ihren verschiedenen Gruppen bevorzugte Orte zur Entfaltung ihres missionarischen Einsatzes unter ihren Brüdern zu machen. Sie sollen überall Zeichen der Barmherzigkeit Gottes sein, indem sie sich den materiellen und spirituellen Bedürfnissen der anderen großzügig öffnen! Sie sollen keine Angst davor haben, das Evangelium durch ein vorbildliches und den Verpflichtungen ihrer Taufe angepaßtes christliches Leben zu verkünden! Der Ausbildung der Laien kommt im Hinblick auf die Zukunft der Kirche eine wesentliche Bedeutung zu. Ihr Grundziel ist daher „die immer eindeutigere Entdeckung der eigenen Berufung sowie die wachsende Bereitschaft, diese in der Erfüllung der eigenen Sendung zu leben“ (Apostolisches Schreiben Christifideles laici, Nr. 58). Ich lade euch ein, der lehramtlichen und spirituellen Ausbildung der jungen Menschen und der Personen, die auf allen Ebenen und in allen Bereichen des Soziallebens Verantwortung übernehmen sollen, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. In einer Welt, die Bezugspunkte und Gründe zur Hoffnung wiederfinden muss, wird die Unterweisung in der Soziallehre der Kirche es ermöglichen, die Christen, die in ihrem jeweiligen Lebensumfeld aktive Zeugen Christi sein und sich effektiv am Aufbau der Nation beteiligen können, auf ihre Aufgaben in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Soziales vorzubereiten. Unter den Laien, die sich besonders im Dienst an der Gemeinschaft engagieren, grüße ich die Katechisten, deren großherzigen Einsatz ich kenne, mit ihren Familien, und ich spreche ihnen meine Anerkennung aus. Sie sind für euch und die Priester unersetzliche Mitarbeiter im Apostolat. Die gegenwärtigen Veränderungen in Kirche und Gesellschaft verlangen von jedem eine vertiefte lehramtliche und pädagogische Vorbereitung sowie eine ständige spirituelle und apostolische Emeu- 1148 AD-LIMINA-BESUCHE erung. Ich wünsche, dass sie - in ihrer für die Verwurzelung und Verbreitung der Kirche so entscheidenden Aufgabe - ein immer stärkeres Gefühl ihrer Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft und der Würde ihres Amtes zum Ausdruck bringen. 7. Zahlreich und vielfältig sind die Bedrohungen, die heutzutage auf der afrikanischen Familie und ihren Fundamenten lasten und auf diese Weise den Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft angreifen, denn die Familie ist eine unersetzliche Säule des sozialen Gefüges. „Unter pastoralem Gesichtspunkt stellt dies eine echte Herausforderung dar, wenn man die Schwierigkeiten politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Natur bedenkt, mit denen sich im Zusammenhang mit den großen Veränderungen in der modernen Gesellschaft die Kemfamilien in Afrika konfrontiert sehen“ (.Ecclesia in Africa, Nr. 80). Es ist also unerlässlich, die Katholiken zu ermutigen, sich mit all ihrer Kraft für den Erhalt und die Förderung der Grundwerte der Familie einzusetzen. Die Gläubigen müssen die Würde der christlichen Ehe hochschätzen, denn sie reflektiert und realisiert die Liebe Christi zu seiner Kirche. Deshalb muss man die Wahrheit über die Ehe und die Familie, so wie Gott sie eingesetzt hat, mit Klarheit lehren; dabei soll man insbesondere daran erinnern, dass die Liebe zwischen den Eheleuten einzigartig und unauflöslich ist und dass die Ehe - dank ihrer Beständigkeit - zur vollen Verwirklichung ihrer menschlichen und christlichen Berufung beiträgt. Eine ernsthafte Ehevorbereitung der Paare, die auch ihrer persönlichen Situation und ihrer Kultur Rechnung trägt, wird ihnen bewusst machen, dass das Sakrament der Ehe eine Gnade Gottes für die lebenslange Entfaltung ihrer Liebe ist. Es soll ihnen also geholfen werden, die menschliche Reife zu erreichen, die es ihnen erlaubt, ihre Verantwortung als christliche Eheleute und Eltern zu übernehmen; außerdem soll ihnen eine solide Ehespiritualität angeboten werden, damit sie die Ehe und das Familienleben als Wege zur Heiligung entdecken können. Mögen sie im Laufe ihres ganzen Daseins bei ihren Hirten und in der christlichen Gemeinschaft — insbesondere durch das Zeugnis eines Lebens nach dem Evangelium — eine Unterstützung finden, um die täglichen Aufgaben und Schwierigkeiten zu meistern! 8. Die Kirche ist dazu berufen, Zeichen und Sakrament der Einheit des Menschengeschlechts zu sein; um ihre Sendung der Gemeinschaft unter allen Menschen zu entfalten, muss sie brüderliche Beziehungen zu allen unterhalten und fordern im Hinblick auf den Aufbau einer geeinten und solidarischen Gesellschaft. Der Ausbau der Zusammenarbeit unter den Jüngern Christi sowie mit den anderen Gläubigen und allen Menschen guten Willens in einem Geist des Dialogs kann dem Gemeinwohl nur forderlich sein. Trotzdem muss man das Differenzierungsvermögen der Katholiken in Dingen des Glaubens und seiner kirchlichen Ausdrucksformen fördern, insbesondere in der Begegung mit ihren getauften Brüdern anderer christlicher Konfessionen; dadurch sollen auf die Wahrheit gegründete Beziehungen ge- 1149 AD-LIMINA -BESUCHE fördert werden, die sowohl die einenden Elemente als auch die Aspekte, die die volle Gemeinschaft immer noch verhindern berücksichtigen. In einer Gesellschaft, in der sich der religiöse Pluralismus vestärkt, wird es auch immer mehr notwendig, den Beziehungen zu den Muslimen besondere Sorgfalt zu widmen. Eine echte Kenntnis der spirituellen und sittlichen Werte des Islam, auf dem Willen zur gegenseitigen Achtung basierend, wird ein besseres Verständnis und eine aufrichtige Akzeptanz der Religionsfreiheit erleichtern. In dieser Hinsicht ermutige ich euch, und manche von euch tun dies ja schon, Experten in Religionswissenschaft und interreligiösen Fragen heranzubilden, die dann in der Lage sind, mit Scharfblick und Weisheit einen authentischen Dialog mit den anderen Gläubigen zu begründen und die direkt betroffenen Christengemeinden zu beraten. 9. Liebe Brüder im Bischofsamt! Wenn ihr nun in euer Land zurückkehrt, fordere ich euch auf, vertrauensvoll in die Zukunft zu schauen. Das nahende Jubiläumsjahr, mit dem wir den 2000. Jahrestag des zentralen Geheimnisses unseres Glaubens feiern werden, ist eine machtvolle Einladung zur Hoffnung. Ich hoffe stark, dass diese Zeit der Gnade für eure Gemeinden eine günstige Gelegenheit sei zur Vertiefung ihres Glauben an Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, der am Ursprung und am Ziel unseres Weges steht. Mögen alle Gläubigen eurer Diözesen in der Betrachtung der Menschwerdung des Gottessohnes die Offenbarung des Antlitzes unseres barmherzigen und mitfühlenden Vaters finden! Mögen sie weiterhin auf den Geist hören und so, die Zeichen der neuen Zeiten erkennen und die Erwartung der glorreichen Wiederkunft des Herrn immer lebendiger machen! Ich empfehle euer Bischofsamt der mütterlichen Fürsprache Marias, jener heiligsten Jungfrau, die dazu berufen war, Mutter des Herrn zu sein. Sie sei für euch und für das euch anvertraute Volk die Mutter, die all ihren Kindern den Weg zu ihrem Sohn zeigt und euch ihren Schutz auf allen Lebenswegen zusichert! Von ganzem Herzen erteile ich euch den apostolischen Segen, ebenso den Priestern, Ordensmännem, Ordensfrauen, Katechisten und allen Gläubigen eurer Diözesen. 1150 V Erklärungen der Kongregationen und der Räte KONGRETATIONEN UND RÄTE Christen und Muslime: Zeugen der Liehe Gottes und seines Erbarmens Botschaft zum Ende des Ramadan’ID AL-FITR 1419/1999 von Francis Kardinal Arinze, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, vom 9. Januar Liebe muslimische Freunde! 1. Die großen Feste, wie ’ld al-Fitr, das Sie am Ende des Ramadans feiern, sind zugleich eine Zeit für Gott und eine Zeit für die Menschen. Sie sind eine Zeit für Gott, um uns stärker und auf gemeinschaftliche Weise an seine Gegenwart und sein Handeln in der Geschichte der Menschheit und in unserem familiären und persönlichen Leben zu erinnern. Diese Feste sind auch eine Zeit für uns als menschliche Wesen: um uns auszuruhen on unseren gewöhnlichen Arbeiten, um mehr Zeit dem Gebet und der Betrachtung zu widmen, um zu uns selbst zu finden und so besser unseren Verwandten, Freunden und Nachbarn zu begegnen. 2. Gott liebt alle menschlichen Wesen und schließt niemand aus. Er ist die Quelle aller Liebe in der Familie, in der Gesellschaft und in der Welt. Von Ihm lernen wir, einander mit einer selbstlosen Liebe zu lieben, die keine Belohnung hier auf Erden erwartet. Gott ist barmherzig. Er ist seinen Dienern nahe. Er hört ihre Gebete. So können wir sagen, da der Glaube an Gott uns zu einer Haltung des Wohlwollens gegenüber unseren Brüdern drängt. 3. Die Äußerungen der Liebe, Ausdruck unserer Treue gegenüber Gott, sind zahlreich: das Almosengeben - die Almosen anlässlich des ’ld al-Fitr haben für Sie eine besondere Bedeutung —, die Sorge um die Waisen, die Alten, die Kranken, die Fremden sowie auch der Einsatz für die Förderung der Menschenwürde und der Menschenrechte, für die Entwicklung und für den Kampf gegen viele Übel unserer Gesellschaften wie Analphabetismus, Drogen, der Missbrauch von Minderjährigen und Frauen. Die Vergebung, die Versöhnung, die Wiederaufnahme unterbrochener Gespräche, die Förderung des Friedens, die Erziehung zur Achtung des anderen sind ebenso Äußerungen der Liebe. Es gibt zwischen unseren beiden Religionen ein großes Maß an Übereinstimmung bezüglich der tätigen Barmherzigkeit gegenüber dem Nächsten. Gibt es hier nicht ein weites Feld für die Zusammenarbeit zwischen Muslimen und Christen, die noch weiter entfaltet werden muss? 4. Verstöße gegen die Nächstenliebe sind gleichfalls zahlreich: die Unkenntnis der Bedürfnisse der anderen, die Verweigerung der Solidaritätspflicht, der Hass, die Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, der Rasse oder der Religion, die Ungerechtigkeit in allen ihren Formen. Es gibt eine große Annäherung zwischen unseren beiden Religionen bei der Verdammung dieser Verstöße. 5. Die Liebe Gottes zur Menschheit ist eine allumfassende Liebe. Sie geht über die Grenzen der Politik, der rassischen, kulturellen und religiösen Verschiedenheit, der 1153 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE politischen oder ideologischen Wahl, der besonderen sozialen Lage hinaus. Wir sind somit eingeladen, einander im Namen unseres Glaubens zu heben. Echte Liebe hegt in der Tat dem Verhalten des Gläubigen zugrunde. 6. Ich schreibe Ihnen diese Botschaft in dem Bewusstsein, dass wir, Christen und Muslime, uns nicht immer so geliebt und geachtet haben, wie Gott es von uns verlangt. Leider ist dieser Mangel an gegenseitiger Liebe nicht nur eine Tatsache der verflossenen Geschichte, sondern auch der jetzigen Wirklichkeit. Dennoch ist es gleichzeitig wichtig, die zahlreichen Situationen hervorzuheben und bekannt zu machen, wo das Zusammenleben von Christen und Muslimen friedlich und fruchtbar ist. Diese Beispiele ermutigen uns, all unseren guten Willen aufzubieten, damit das gute Zusammenleben der Christen und der Muslime überall sich verwirklichen kann. Wir sind eingeladen, unsere Beziehungen in der Vergangenheit und Gegenwart einer Prüfung zu unterziehen und uns vor allem dafür zu entscheiden, immer mehr das zu werden, was zu sein Gott uns auffordert: Zeugen seiner Güte und seines Erbarmens, vor allem gegenüber den Schwächeren. 7. Indem ich Ihnen die Fülle des göttlichen Segens wünsche, bitte ich Sie, liebe muslimische Freunde, den Ausdruck meiner Freundschaft und den der ganzen katholischen Welt entgegenzunehmen. Francis Kardinal Arinze Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog 1154 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE Für eine bessere Zukunft gemeinsam Verantwortung übernehmen Botschaft an die Buddhisten zum Vesakh-Fest von Francis Kardinal Arinze, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, vom 5. Mai Liebe buddhistische Freunde! 1. Als Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, der Einrichtung des Hl. Stuhls für die Beziehungen zu den Menschen anderer Religionen, wünsche ich euch ein frohes Vesakh-Fest. Wie in den vergangenen Jahren möchte ich auch diese Gelegenheit wahmehmen und einige Gedanken mit euch teilen, insbesondere in dieser Zeit, in der wir Christen uns auf das Große Jubeljahr 2000 vorbereiten. Wir laden euch ein, bei diesem Anlass der 2000jährigen Wiederkehr der Geburt Jesu Christi, des fleischgewordenen Gottessohnes, unseres Herrn und Erlösers, unsere Freude zu teilen. Ferner möchte die katholische Kirche bei dieser Gelegenheit ihre Freundschaft zu den verschiedenen Religionen in aller Welt und ihre Bereitschaft zum Dialog mit ihnen bekräftigen, damit uns allen durch den gemeinsamen Einsatz für das Wohl der Menschheit die Erfahrung tiefer Läuterung und innerer Erneuerung zuteil wird. Für uns Christen bedeutet diese innere Erneuerung Offenheit für das Wirken Gottes in uns. Trotz der zahlreichen Unterschiede zwischen dem Dharma Buddhas und dem christlichen Glauben gibt es viele Möglichkeiten und Voraussetzungen für einen Dialog, wie die bisherigen durchaus nicht unwesentlichen Ergebnisse gezeigt haben. 2. Mit Recht kann unsere Welt auf viele Errungenschaften stolz sein: die von der Wissenschaft, der Technik und vor allem von der Medizin erzielten Fortschritte im Dienst am menschlichen Leben, das lebhaftere Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Umwelt, die Anstrengungen zur Wiederherstellung des Friedens und der Gerechtigkeit überall, wo sie verletzt wurden, der Wille zu Versöhnung und Solidarität zwischen den verschiedenen Völkern, besonders in den umfassenden Beziehungen zwischen dem Norden und dem Süden der Erde (Tertio millennio adve-niente, Nr. 6). 3. Unsere Welt ist aber auch von zahlreichen schmerzlichen und beunruhigenden Umständen gekennzeichnet, die oft die Folgen menschlicher Eigennützigkeit und Habsucht sind. Die Missachtung objektiver sittlicher Normen von Recht und Unrecht, der Verfall der sittlichen Ordnung, die Zerstörung familiärer Werte, verschiedene Formen von Ungerechtigkeit und Ausgrenzung, Intoleranz und Gewalttätigkeit, geschlechtlich, rassistisch und religiös bedingte Diskriminierung usw. sind lediglich einige in unserer heutigen Gesellschaft sichtbare Phänomene, die im Gegensatz zu den Lehren unserer jeweiligen Religionen stehen. 1155 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE Sie trüben das Vorstellungsbild von Religion. Könnten Buddhisten und Christen denn nicht, von den sowohl auf globaler wie auf lokaler Ebene bereits bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Religionen ausgehend, in engerer und solidarischer Zusammenarbeit zur Besserung dieser Probleme beitragen? Es ist meine feste Überzeugung, dass eine solche Initiative möglich ist. 4. Diese Botschaft an euch will auch eingestehen, dass wir, Christen und Buddhisten, einander nicht immer - den Anweisungen unserer jeweiligen Religionen entsprechend - geliebt und geachtet haben. Einerseits halte ich es für wichtig, auf die zahlreichen ermutigenden Situationen aufmerksam zu machen, die zeigen, dass ein friedliches und fruchtbares Zusammenleben zwischen Buddhisten und Christen möglich ist, andererseits müssen wir uns notwendigerweise mehr und mehr unserer beiderseitigen Verantwortungen in dieser Welt bewusst werden, um gemeinsam sodem neuen Jahrtausend entgegenzugehen, dass die kommenden Generationen neue Hoffnung schöpfen können. 5. Liebe buddhistische Freunde, ich wünsche euch den reichen Segen Gottes und bekräftige erneut meine Freundschaft und Hochachtung. Francis Kardinal Arinze Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog 1156 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE Heilige Stätten Erinnerung, Gegenwart und Prophezeiung des lebendigen Gottes Arbeitshilfe für Wallfahrten herausgegeben vom Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs als Vorbereitung auf das Jahr 2000 vom 8. Mai Einführung 1. Sinn und Zweck des Dokuments „Jeder Christ ist eingeladen, sich einzufügen und teilzunehmen ah dem großen Pilgerweg, den Christus, die Kirche und die Menschheit gegangen sind und in ihrer Geschichte noch weitergehen. Das Heiligtum, zu dem er uns führt, muß ,das Offenbarungszelt“ werden wie die Bibel die Bundeslade nennt.“ <603> Diese Worte verbinden die Betrachtungen über die Wallfahrt <604> direkt mit denen über das Heiligtum, das normalerweise das sichtbare Ziel des Pilgerwegs ist: „Unter Heiligtum versteht man eine Kirche oder einen anderen heiligen Ort, zu dem aus besonderem Frömmigkeitsgrund zahlreiche Gläubige mit Gutheißung des Ortsordinarius pilgern.“ <605> Im Heiligtum wird die Begegnung mit dem lebendigen Gott durch die belebende Erfahrung des verkündeten gefeierten und gelebten Mysteriums angeboten: „In den Heiligtümern sind den Gläubigen reichlicher die Heilsmittel anzubieten durch eifrige Verkündigung des Gotteswortes, durch geeignete Pflege des liturgischen Lebens, besonders der Feier der Eucharistie und des Bußsakramentes, wie auch der gutgeheißenen Formen der Volksfrömmigkeit.“ <606> ,Die Heiligtümer sind gleichsam Meilensteine, die diesem Weg der Kinder Gottes über die Erde die Richtung weisen.“ <607> <603> Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs Die Pilgerfahrt zum Großen Jubiläum (11.4.1998) Nr. 32; der Text bezieht sich auf j5z 27,21; 29,4.10-11.30.32.42.44; O.R. dt. 1998, Nm. 36 u. 37. <604> Vgl. das oben zitierte Dokument und das der Italienischen Bischofskonferenz:,,Kommt wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn“ {Jes 2,3). Die Wallfahrt auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend (29.6.1998). <605> Codex des kanonischen Rechtes (CIC) can. 1230. <606> Ebd. can. 1234 § 1. <607> Johannes Paul II., Predigt in Corrientes (Argentinien) am 9.4.1987; in: Der Apostolische Stuhl [im Folgenden: DAS] 1987, S. 538 f. Sie fördern ein Erlebnis der Zusammengehörigkeit der Begegnung und des Aufbaus der kirchlichen Gemeinschaft. Diese Eigenschaften treffen ganz einzigartig auf die Wallfahrtsorte im Heiligen Land zu, die an den von der Gegenwart des menschgewordenen Wortes geheiligten Stätten entstanden, und sind an den Orten die vom Martyrium der Apostel und jener, die den Glauben mit ihrem Blut bezeugt haben, besonders gut erkennbar. Im 1157 KONGRETATIONEN UND RÄTE Übrigen spiegelt sich die gesamte Geschichte der pilgernden Kirche in zahlreichen Heiligtümern wider: Sie sind „ständige Antennen der Frohbotschaft“ <608> und an entscheidende Ereignisse der Evangelisierung oder des Glaubenslebens von Völkern und Gemeinschaften gebunden. Jedes Heiligtum ist als Träger einer klaren Botschaft zu verstehen, weil sich dort auch im Heute das Gründungsereignis der Vergangenheit wieder findet, das immer noch zum Herzen der Pilger spricht. Besonders die Marienwallfahrtsorte bieten eine wirkliche Schule des Glaubens nach dem Vorbild und durch die mütterliche Fürsprache Marias. Als Zeugen des mannigfaltigen Reichtums des Heilswirkens Gottes sind alle Wallfahrtsorte auch in unserer Zeit eine unschätzbare Gnadengabe an seine Kirche. <608> Johannes Paul II., Angelus am 12.7.1992; in: DAS 1992, S. 124. Daher können die Überlegungen über Wesen und Funktion des Heiligtums wirksam zur Aufnahme und zum Erleben des großen Geschenks der Versöhnung und des neuen Lebens beitragen, das die Kirche allen Jüngern des Erlösers und - durch sie - der ganzen Menschheitsfamilie ständig anbietet. Daraus lassen sich Sinn und Zweck dieses Dokuments folgern: Es soll sozusagen ein Echo sein für das spirituelle Leben das in den Heiligtümern aufkeimt für den pastoralen Einsatz derer, die dort ihr Amt ausüben, und für die Ausstrahlung die diese Stätten in der Ortskirche entfalten. Die nachstehende Betrachtung ist nur ein bescheidener Beitrag zu einer immer besseren Würdigung des Dienstes, den die Heiligtümer dem Leben der Kirche leisten. 2. Die Offenbarung hören Damit die Betrachtung über die Heiligen Stätten den Glauben nähren und das seelsorgliche Wirken fruchtbar machen kann, ist es nötig, dass sie aus dem gehorsamen Hören der Offenbarung schöpft, in der die im „Geheimnis des Tempels“ enthaltene Botschaft und Heilskraft konzentriert vorgestellt werden. In der Sprache der Bibel - vor allem bei Paulus - drückt die Bezeichnung „Mysterium“ den göttlichen Heilsplan aus, der sich im menschlichen Geschick erfüllt. Wenn man an der Schule des Gotteswortes das „Geheimnis des Tempels“ beobachtet, erkennt man - über die sichtbaren Zeichen der Geschichte hinaus - die Gegenwart der göttlichen Herrlichkeit (vgl. Ps 29,9), das heißt die Offenbarung des dreifach heiligen Gottes (vgl. Jes 6,3), seine Anwesenheit im Dialog mit der Menschheit (vgl. 1 Kön 8,30-53), seinen Eintritt in Raum und Zeit durch das „Zelt“, das er unter uns aufgebaut hat (vgl. Joh 1,14). So zeichnen sich die Linien einer Theologie des Tempels ab, in deren Licht auch die Bedeutung der Heiligen Stätten besser verständlich wird. Diese Theologie ist von einer fortschreitenden Konzentration gekennzeichnet: An erster Stelle tritt die Gestalt des „kosmischen Tempels“, auf der beispielsweise im Psalm 19 durch das Bild der „zwei Sonnen“ gefeiert wird: „die Sonne der Torah“, das heißt der ausdrücklich an das Volk Israel gerichteten Offenbarung (vgl. V. 8— 15) und die „Sonne des Himmels“, die durch eine allgemeine stille und dennoch 1158 KONGRETA TIONEN UND RÄTE wirksame und an alle Menschen gerichtete Offenbarung „die Herrlichkeit Gottes rühmt“ (vgl. V. 2-7). Im Innern dieses Tempels ist die göttliche Gegenwart überall lebendig - wie im Psalm 139 zu lesen ist und sie wird in einer Liturgie des Halleluja gefeiert, wie der Psalm 148 berichtet. Neben den himmlischen Geschöpfen gibt es darin auch 22 irdische Geschöpfe (so viele wie die Buchstaben des hebräischen Alphabets, um damit die Gesamtheit der Schöpfung anzudeuten); alle zusammen stimmen sie ein universales Halleluja an. Dann gibt es den Tempel in Jerusalem als Wächter der Bundeslade, heiliger Ort des jüdischen Glaubens „par excellence“ und ständiges Gedächtnis an den Gott der Geschichte, der einen Bund mit seinem Volk geschlossen hat und ihm treu bleibt. Der Tempel ist das sichtbare Haus des Ewigen (vgl. Ps 11,4), von der Wolke Seiner Gegenwart erfüllt (vgl. 1 Kön 8,10.13) und von Seiner Herrlichkeit überströmend (vgl. 1 Kön 8,11). Schließlich gibt es den neuen und endgültigen Tempel, errichtet vom ewigen menschgewordenen Sohn (vgl. Joh 1,14), dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus (vgl. Joh 2,19-21), der aus denen die an ihn glauben den Tempel aus lebendigen Steinen macht, nämlich die in der Zeit pilgernde Kirche: „Kommt zu ihm dem lebendigen Stein der von den Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und geehrt worden ist. Laßt euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen“ (1 Petr 2,4-5). Indem man sich dem „lebendigen Stein“ anschließt, baut man das geistige Gebäude des neuen und vollkommenen Bundes auf und bereitet das Fest des „noch nicht“ vollkommene Wirklichkeit gewordenen Reiches durch jene spirituellen Opfer (vgl. Röm 12,1-2) vor, die Gott eben deshalb gefallen, weil sie in Christus durch ihn und mit ihm dem personifizierten Bund gebracht werden. Die Kirche stellt sich so vor allem dar als „heiliger Tempel, den die heiligen Väter in den steinernen Heiligtümern“ sehen. <609> II. Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium, Nr. 6. 3. Die tragenden Bögen Im Lichte dieser Zeugnisse kann man das „Geheimnis des Tempels“ in drei verschiedene Richtungen vertiefen, die den drei Dimensionen der Zeit entsprechen und auch die tragenden Bögen einer Theologie der Heiligen Stätten als Gedenken Gegenwart und Prophezeiung des Gott-mit-uns darstellen. In Bezug auf die einzige und endgültige „Vergangenheit“ des Heilsereignisses bietet sich das Heiligtum als Gedenkstätte an unseren Ursprung beim Herrn des Himmels und der Erde an; in Bezug auf die „Gegenwart“ der Gemeinschaft der Erlösten, die im Zeitraum zwischen der ersten und letzten Ankunft des Herrn versammelt werden, erscheint es als Zeichen der Anwesenheit Gottes als Ort des Bundes, wo die Bundesgemeinschaft immer neue Ausdmcksformen findet und sich neu erbaut; in Bezug auf die „zukünftige“ Erfüllung des Versprechens Gottes auf jenes 1159 KONGRETATIONEN UND RÄTE „noch nicht“, das Gegenstand der größten Hoffnung ist, nimmt das Heiligtum die Konturen einer Prophetie vom Morgen Gottes im Heute der Welt an. Zu jeder dieser drei Dimensionen kann man auch die grundlegenden Richtlinien einer Wallfahrtspastoral entwickeln die in der Lage ist die symbolische Botschaft des Tempels, in dem sich die vom Bischof und von seinen Mitarbeitern, den Priestern, einberufene christliche Gemeinde versammelt, in das persönliche und kirchliche Leben zu übertragen. I. Das Heiligtum als Erinnerung an den Ursprung 4. Gedenken des Wirkens Gottes Das Heiligtum ist in erster Linie der Ort des Gedenkens an das machtvolle Tun Gottes in der Geschichte, das dem Volk des Bundes und dem Glauben jedes Gläubigen zugrunde liegt. Schon die Patriarchen gedenken der Begegnung mit Gott durch die Errichtung eines Altars oder Steinmals (vgl. Gen 12,6-8; 13,18; 33,18— 20), zu der sie als Treuebeweis zurückkehren (vgl. Gen 13,4; 46,1), und Jakob bezeichnet den Ort seiner Vision als „Gotteshaus“ (vgl. Gen 28,11-22). In der biblischen Tradition ist das Heiligtum also nicht einfach das Ergebnis von Menschenwerk, mit kosmologischer und anthropologischer Symbolik überhäuft, sondern es bezeugt die Initiative Gottes in seiner Selbstmitteilung an die Menschen, um den Heilsvertrag mit ihnen zu schließen. Die tiefe Bedeutung jedes Heiligtums ist das Gedenken im Glauben an das Heilswerk des Herrn. <610> Die verschiedenen Heiligtümer des Volkes Israel (Sichern, Betel, Bersabei, Silo) weisen alle einen Bezug zur Geschichte der Patriarchen auf und sind Gedenkstätten für die Begegnung mit dem lebendigen Gott. In einer Atmosphäre des Verehrens, des Anrufens und des Lobes weiß das Volk Israel, dass es sein Gott war, der aus freien Stücken den Tempel gewollt hat, und nicht etwa die menschliche Forderung, die ihn dazu gezwungen hat. Ein beispielhafter Beweis dafür ist das wunderschöne Gebet Salomos, das genau von dem dramatischen Bewusstsein einer Möglichkeit der götzendienerischen Versuchung zu verfallen seinen Ausgang nimmt: „Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde? Siehe, selbst der Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe. Wende dich, Herr, mein Gott, dem Beten und Flehen deines Knechtes zu! Höre auf das Rufen und das Gebet, das dein Knecht heute vor dir verrichtet. Halte deine Augen offen über diesem Haus bei Nacht und bei Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast, dass dein Name hier wohnen soll. Höre auf das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte verrichtet“ (i Kön 8,27-29). Das Heiligtum wird also nicht deshalb errichtet, weil Israel die Gegenwart des Ewigen einschließen möchte, sondern - genau im Gegenteil - weil der lebendige Gott, der in die Geschichte eingetreten und bei Tag in einer Wolkensäule und bei 1160 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE Nacht in einer Feuersäule mit seinem Volk gegangen (vgl. Ex 13,21) ist, ein Zeichen seiner Treue und seiner allzeit aktuellen Gegenwart unter seinem Volk geben will. Der Tempel wird also nicht das von Menschenhand gebaute Haus sein, sondern der Ort, der die Initiative Dessen bezeugt, der allein das Haus erbaut. Das ist die große und einfache Wahrheit, die in den Worten des Propheten Natan zum Ausdruck kommt: „Geh zu meinem Knecht David und sag zu ihm: So spricht der Herr: Du willst mir ein Haus bauen damit ich darin wohne? ... Nim verkündet dir der Herr, daß der Herr dir ein Haus bauen wird. Wenn deine Tage erfüllt sind und du dich zu deinen Vätern legst, werde ich deinen leiblichen Sohn als deinen Nachfolger einsetzen und seinem Königtum Bestand verleihen. Er wird für meinen Namen ein Haus bauen, und ich werde seinem Königsthron ewigen Bestand verleihen. Ich will für ihn Vater sein, und er wird für mich Sohn sein“ (2 Sam 7,5.11— 14). Das Heiligtum nimmt also den Charakter eines lebendigen Gedenkens des himmlischen Ursprungs des von oben auserwählten und geliebten Bundesvolkes an. Es ist der stete Hinweis auf die Tatsache, dass man nicht aus Fleisch und Blut als Volk Gottes geboren wird (vgl. Joh 1,13), sondern dass das Glaubensleben sich aus dem wunderbaren Eingreifen Gottes ergibt, der in die Geschichte eingetreten ist, um uns mit ihm zu vereinen und unser Herz und Leben zu verwandeln. Das Heiligtum ist die wirksame Gedenkstätte des Wirkens Gottes, das sichtbare Zeichen, das allen Generationen verkündet, wie groß er in der Liebe ist, und bezeugt dass er uns zuerst geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,19) und dass er der Herr und Retter seines Volk sein wollte. Bezüglich der Heiligen Stätten schrieb Gregor von Nyssa, dass in jedem Heiligtum „die Spuren der großen Güte des Herrn uns gegenüber“ „die heilbringenden Zeichen des Gottes, der uns lebendig machte“ <611>, „die Erinnerungen an die Barmherzigkeit des Herrn in unserer Bedrängnis“ <612> erkennbar sind. Epistolae 3, 1: vgl. Sources Chretiennes 363, 124. Epistolae 3, 2: vgl. SC 363, 126. 5. Die Initiative „von oben“ Was im Alten Testament der Tempel von Jerusalem ist, findet im Neuen Testament seine höchste Erfüllung in der Sendung des Gottessohnes, der selbst zum neuen Tempel, zur Wohnung des Ewigen unter uns, zum personifizierten Bund wird. Die Episode der Vertreibung der Händler aus dem Tempel (vgl. Mt 21,12-13) veranschaulicht, dass der geheiligte Raum sich einerseits auf alle Völker ausgedehnt hat - wie das stark symbolträchtige Detail des Tempelvorhangs der „von oben bis unten entzwei“ riss (Mk 15,38) bestätigt - und andrerseits in der Person Dessen Gestalt angenommen hat, der den Tod überwunden hat (vgl. 2 Tim 1,10), und daher für alle Menschen das Sakrament der Begegnung mit Gott sein kann. Den religiösen Führungskräften sagt Jesus: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.“ Der Evangelist zitiert ihre Erwiderung: „Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei 9 10 1161 KONGRETATIONEN UND RÄTE Tagen wieder aufrichten?“ und kommentiert dann: „Er aber meinte den Tempel seines Leibes. Als er von den Toten auferstanden war, erinnerten sich seine Jünger, daß er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte“ (Joh 2,19-22). Auch in der Ökonomie des Neuen Bundes ist der Tempel das Zeichen des Wirkens der Liebe Gottes in der Geschichte: Christus, der Gesandte des Vaters, der für uns Mensch gewordene Gott, der höchste und vollkommene Priester (vgl. Hebr 7), ist der neue Tempel, der erwartete und verheißene Tempel, das Heiligtum des neuen und ewigen Bundes (vgl. Hebr 8). Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament ist das Heiligtum also das lebendige Gedächtnis an den Ursprung, das heißt an jene Initiative, mit der Gott uns zuerst geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,19). Jedes Mal, wenn das Volk Israel mit gläubigem Blick auf den Tempel schaute - und jedes Mal, wenn die Christen mit demselben Blick auf Christus den neuen Tempel und auf die Heiligtümer schauen, die sie selbst seit dem Konstantinischen Edikt als Zeichen des unter uns lebenden Christus errichtet haben - haben sie in diesem Zeichen das Wirken der Liebe des lebendigen Gottes für die Menschen erkannt. <613> So bezeugt das Heiligtum, dass Gott größer ist als unser Herz, dass er uns schon immer geliebt und uns seinen Sohn und den Heiligen Geist geschenkt hat, weil er in uns wohnen und aus uns seinen Tempel und aus unseren Gliedern das Heiligtum des Heiligen Geistes machen will, wie Paulus schreibt: „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wer den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben. Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr“ (i Kor 3,16-17; vgl. 6,19); „Wir sind doch der Tempel des lebendigen Gottes; denn Gott hat gesprochen: Ich will unter ihnen wohnen und mit ihnen gehen. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein“ (2 Kor 6,16). <613> In den Heiligtümern kann man in jeder Feuerstelle „den Brand der göttlichen Liebe anzünden“ wie Theodore-tos von Kyros bezüglich der Kirche der hl. Thekla schreibt (vgl. Historia Religiosa 29 7; Mönchsgeschichte; in: Bibliothek der Kirchenväter [im Folgenden: BKV\ Bd. 50, München 1926, S. 176). Das Heiligtum ist die Stätte der ständigen Vergegenwärtigung der Liebe Gottes, der sein Zelt unter uns aufgeschlagen hat (vgl. Joh 1,14); daher entsteht nach Meinung des hl. Augustinus am geheiligten Ort „die Gesamtheit ,aller Tage des Lebens’ nicht dadurch, daß sie kommen, auch ist dort nicht der Anfang des einen Tages das Ende des anderen, sondern alle Tage sind dort zugleich und ohne Ende; hat ja doch auch das Leben selbst, dessen Tage sie sind, kein Ende“. <614> Im Heiligtum erklingt daher immer neu folgende freudige Verkündigung: „Gott hat uns zuerst geliebt und uns die Fähigkeit geschenkt, ihn zu lieben ... Er hat uns geliebt, nicht um uns hässlich, wie wir waren, zu lassen, sondern damit wir uns verändern und etwas leisten. Auf welche Weise werden wir gütig sein? Wer ihn liebt, der ist immer anmutig. Je mehr in dir die Liebe wächst, je mehr wächst die Anmut. Die Nächstenliebe ist genau die Anmut der Seele.“ <615> <614> Hl. Augustinus, Brief an Proba, 130 8 15; in: BKV Bd. 30, Kempten/München 1917, S. 22 f. 12 Hl. Augustinus, Kommentar zum Johannesbrief, IX 9. 1162 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE Das Heiligtum soll also stets daran erinnern, dass das neue Leben seinen Ursprung nicht „von unten“ und von einer rein menschlichen Initiative hat, dass die Kirche nicht einfach das Ergebnis von Fleisch und Blut ist (vgl. Joh 1,13), sondern dass das erlöste Dasein und die kirchliche Gemeinschaft, in der es seinen Ausdruck findet, „von oben“ (vgl. Joh 3,3) kommen und aus der unentgeltlichen und überraschenden Initiative der dreifältigen Liebe, die der Liebe des Menschen vorausgeht (vgl. 1 Joh 4,9-10), hervorgehen. 6. Staunen und Anbetung Welche Auswirkungen hat diese erste und wesentliche Botschaft die das Heiligtum als Gedenken an unseren Ursprung im Herrn vermittelt auf das christliche Leben? Dazu sind drei grundsätzliche Perspektiven auszumachen. Erstens erinnert das Heiligtum daran, dass die Kirche aus dem Wirken Gottes hervorgeht, einer Initiative, welche die Frömmigkeit der Gläubigen und die öffentliche Billigung der Kirche im Gründungsereignis eines jeden Heiligtums erkennen. Daher muss man in allem, was mit dem Heiligtum zu tun hat, und darin seinen Ausdruck findet, die Gegenwart des Geheimnisses erkennen - als Wirken Gottes in der Zeit und Offenbarung seiner wirksamen Gegenwart, verborgen in den Zeichen der Geschichte. Diese Überzeugung wird im Heiligtum auch in der damit verbundenen besonderen Botschaft vermittelt sowohl in Bezug auf die Geheimnisse im Leben Jesu Christi als auch in Bezug auf manche der Titel Mariens, „die der ganzen Gemeinschaft der Auserwählten als Urbild der Tugenden voranleuchtet“, und schließlich in Bezug auf die einzelnen Heiligen, deren Gedenken „die Wunder Christi in seinen Knechten“ kündet. Man nähert sich dem Mysterium in einer Haltung des Staunens und der Verehrung, in Verwunderung vor dem Geschenk Gottes; deshalb betritt man das Heiligtum im Geiste der Anbetung. Wer nicht fähig ist, die Werke Gottes zu bewundern, wer nicht das Neue, was Gott mit der Initiative seiner Liebe wirkt, empfindet wird auch nicht den tiefen Sinn und die Schönheit des Mysteriums des Tempels, die sich im Heiligtum erkennen lassen, wahmehmen können. Die Achtung, die den Heiligen Stätten gebührt, ist Ausdruck der Überzeugung, dass man sich angesichts des göttlichen Wirkens nicht menschlicher Logik bedienen darf, die den Anspruch erhebt, alles auf der Grundlage des Sichtbaren und Machbaren zu definieren; man muss vielmehr eine Haltung der Anbetung annehmen, reich an Erstaunen und an Sinn für das Mysterium. Es bedarf sicherlich einer angemessenen Vorbereitung auf die Begegnung mit dem Heiligtum, um jenseits aller sichtbaren künstlerischen oder folkloristischen Aspekte das unentgeltliche Wirken Gottes begreifen zu können, das in den ver- 14 15 II. Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium, Nr. 65. II. Vatikanisches Konzil, Sacrosanctum concilium, Nr. 111. 1163 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE schiedenen Zeichen hervortritt: Erscheinungen, Wunder, Gründungsereignisse, die den wahren ersten Beginn jedes Heiligtums als Ort des Glaubens ausmachen. Diese Vorbereitung entwickelt sich vor allem in den verschiedenen Etappen des Weges, der den Pilger zum Wallfahrtsort hinfuhrt - so wie es für die Pilger nach Zion geschah, die sich auf die Begegnung mit dem Heiligtum Gottes durch das Singen der Psalmen zum Aufstieg (120-134) bereit machten: Sie sind eine wahre liturgische Katechese über die Bedingungen, Eigenschaften und Früchte der Begegnung mit dem Geheimnis des Tempels. Die bauliche Anordnung des Heiligtums und seiner einzelnen Räumlichkeiten, das respektvolle Verhalten, das auch in einfachen Besuchern angeregt wird, das Hören des Wortes, das Gebet und die Feier der Sakramente werden wertvolle Mittel sein zum Verständnis der spirituellen Bedeutung dessen, was man dort erlebt. Die verschiedenen Handlungen zeigen die Aufhahmebereitschaft des Heiligtums an, das allen offen steht, besonders der Vielzahl von Menschen, die in der Einsamkeit einer säkularisierten und entheiligten Welt in den Tiefen ihres Herzen die Faszination und Sehnsucht nach Heiligkeit empfinden. <616> <616> Johannes Paul II., Predigt im Heiligtum von Belem, Brasilien am 8.7.1980; O.R. dt. 1980, Nr. 30, S. 6. 7. Dankgebet Zweitens erinnert das Heiligtum an die Initiative Gottes und macht uns bewusst, dass diese Initiative ein reines Geschenk ist und in einem Geist des Dankens angenommen werden muss. Das Heiligtum betritt man in erster Linie, um zu danken, in dem Bewusstsein nämlich, dass wir von Gott geliebt wurden noch bevor wir selbst fähig, waren ihn zu lieben; um dem Herrn zu lobsingen für die Wunder, die er wirkt (vgl. Ps 13,6); um ihn für unsere Sünden um Vergebung zu bitten; um die Gabe der Treue in unserem Leben als Gläubige und die zu unserem Pilgerweg durch die Zeit nötige Hilfe zu erflehen. Die Heiligtümer stellen in diesem Sinne eine ausgezeichnete Schule des Gebets dar, wo die beharrliche und vertrauensvolle Einstellung der Demütigen den Glauben an die Verheißung Jesu: „Bittet, dann wird euch gegeben“ (Mt 7,7) auf besondere Weise bezeugt. <617> <617> Der Katechismus der Katholischen Kirche bestätigt: „Heiligtümer sind für Pilger auf der Suche nach ihren lebendigen Quellen besonders geeignete Orte um die Formen christlichen Betens ,als Kirche1 zu leben“ (2691). Das Heiligtum als Gedenkstätte der göttlichen Initiative aufzufassen bedeutet also diese Danksagung zu erlernen, indem ein Geist der Versöhnung der Betrachtung und des Friedens im Herzen genährt wird. Das Heiligtum vergegenwärtigt uns, dass Freude am Leben vor allem das Ergebnis der Gegenwart des Heiligen Geistes ist der uns darüber hinaus auch zum Lob Gottes veranlasst. Je besser wir fähig sind Gott zu loben und aus unserem Leben ein stetes Dankgebet für den Vater zu machen (vgl. Röm 12,1) in Verbindung - besonders in der Feier der Eucharistie - mit dem einzigartigen und vollkommenen Dankgebet des Priesters Jesus Christus, 1164 KONGRETA TIONEN UND RÄTE desto besser können wir die Gabe Gottes aufnehmen und sie in uns fruchtbar machen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Jungfrau Maria „Urbild der Tugenden“. <618> In einer Haltung des Dankgebets ließ sie sich vom Heiligen Geist überschatten (vgl. Lk 1,35), damit das Wort in ihr gezeugt und den Menschen geschenkt werden konnte. Wenn man auf sie schaut, versteht man, dass das Heiligtum die Stätte der Annahme des Geschenks von oben ist, die Wohnung, wo man sich bei der Danksagung vom Herrn lieben lässt, eben nach dem Beispiel Mariens und mit ihrer Hilfe. So erinnert das Heiligtum auch daran, dass man dieses Geschenk verliert, wenn man nicht dankbar dafür ist; wenn der Mensch seinem Gott, der ihn jeden Tag -und auch in Zeiten der Prüfung - immer neu liebt, nicht danken kann, bleibt das Geschenk ohne Wirkung. Der geheiligte Ort bezeugt, dass die Berufung des Lebens nicht Verschwendung, Betäubung und Flucht ist, sondern Lobpreis, Friede und Freude. Das tiefe Verständnis des Heiligtums führt so zur Erfahrung der kontemplativen Dimension des Daseins hin, und zwar nicht nur am Wallfahrtsort selbst, sondern überall. Es ist vor allem die sonntägliche Eucharistiefeier, die sich als Höhepunkt und Quelle des ganzes Lebens des Christen darstellt - als gelebte Antwort der Dankbarkeit und Opfergabe für das Geschenk von oben. Daher lädt das Heiligtum ganz besonders dazu ein, den Sonntag neu zu entdecken, denn er ist „der Tag des Herrn“ und auch der „Herr der Tage“ <619>, „ursprüngliches Fest“, „das nicht nur den Rhythmus der Zeitabfolge anzeigen, sondern auch deren tiefen Sinn offenbaren soll“, nämlich die Herrlichkeit Gottes in allen. <620> <618> II. Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium, Nm. 54 und 65. <619> Pseudo-Eusebios von Alexandria, Sermo 16: PG 86, 416. <620> In Dies Domini (31.5.1998) bemerkt Johannes Paul II: „Wiederentdeckt werden auch alte Frömmigkeitsformen wie die Wallfahrt, und oft nutzen die Gläubigen die Sonntagsruhe, um sich zu Heiligtümern zu begeben und dort sogar mit der ganzen Familie einige Stunden intensiver Glaubenserfahrung zu erleben. Das sind Gnadenstunden, die es durch geeignete Evangelisierung zu fördern und mit echter seelsorglicher Weisheit zu lenken gilt“ (Nr. 52; O.R. dt. 1998, Nr. 29, S. 15). 8. Anteilnahme und Engagement Drittens zeigt uns das Heiligtum - als Gedenken an unsere Herkunft -, dass diese Haltung des Staunens und Dankgebets nie von der Anteilnahme und vom Engagement für die anderen getrennt werden darf. Das Heiligtum erinnert an das Geschenk eines Gottes, der uns so sehr geliebt hat, dass er sein Zelt bei uns aufschlug, um uns das Heil zu bringen und um unser Lebensbegleiter zu werden, solidarisch mit unserem Schmerz und unserer Freude. Diese Solidarität Gottes wird auch von den Gründungsgeschehen der verschiedenen Wallfahrtsorte bezeugt. Wenn Gott uns so geliebt hat, dann sind auch wir berufen, die anderen zu lieben (vgl. Joh 4,12), um mit unserem Leben der Tempel Gottes zu sein. Das Heiligtum drängt uns zur Solidarität und dazu, „lebendige Steine“ zu sein, die sich gegenseitig stützen beim Aufbau des Bauwerks, um den einen Eckstein, der Christus ist (vgl. 1 Petr 2,4—5). 1165 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE Es würde nichts nützen, die „Zeit des Heiligtums“ zu erleben, wenn uns dies nicht auch zu einer „Zeit des Weges“, einer „Zeit der Sendung“ und einer „Zeit des Dienens“ antreiben würde, und zwar dort, wo Gott sich als Liebe zu den schwächsten und ärmsten Geschöpfen offenbart. Die Worte von Jeremias, die auch in der Lehre Jesu wiederaufgenommen werden, weisen daraufhin, dass ohne Glaube und Einsatz für die Gerechtigkeit der Tempel zu einer „Räuberhöhle“ verkommt (Jer 7,11; Mt 21,13). Die von Arnos genannten Heiligtümer haben keinen Sinn, wenn man darin nicht wirklich den Herrn sucht (vgl. Am 4,4; 5,5-6). Ohne ein auf Gerechtigkeit gegründetes Leben verwandelt sich die Liturgie in Farce (vgl. Jes 1,10-20; Am 5,21—25; Hos 6,6). Das prophetische Wort ruft das Heiligtum zu seiner ursprünglichen geistlichen Bestimmung zurück und nimmt ihm den leeren Sakralismus und die Götzendienerei, um ihn zu fruchtbarem Samen des Glaubens und der Gerechtigkeit in Raum und Zeit zu machen. Auf diese Weise wird das Heiligtum als Erinnerungsstätte an unseren Ursprung im Herrn zum ständigen Verweis auf die Liebe Gottes und auf das Teilen der erhaltenen Gaben. Der Besuch an der Heiligen Stätte wird seine Früchte dann vor allem im karitativen Engagement zeigen sowie in den Bemühungen zur Förderung der Menschenwürde, der Gerechtigkeit und des Friedens als Werte, zu denen sich die Gläubigen auf neue Art und Weise aufgerufen fühlen. II. Das Heiligtum - Stätte der Gegenwart Gottes 9. Stätte des Bündnisses Das Geheimnis des Heiligtums verweist nicht nur auf unseren Ursprung im Herrn, sondern erinnert uns auch daran, dass der Gott, der uns einmal geliebt hat, uns immer lieben wird und dass er heute in dem konkreten Augenblick der Geschichte, in dem wir uns befinden, und angesichts der Widersprüche und Leiden der Gegenwart bei uns ist. Die einhellige Stimme des Alten und Neuen Testaments bezeugt, dass der Tempel nicht nur die Stätte des Gedenkens an eine heilbringende Vergangenheit ist sondern auch Raum gegenwärtiger Gnadenerfahrung. Das Heiligtum ist das Zeichen der Gegenwart Gottes, die Stätte der immer neuen Vergegenwärtigung des Bündnisses der Menschen mit dem Ewigen und untereinander. Beim Besuch im Heiligtum entdeckte der fromme Israelit aufs Neue die Treue des Gottes der Verheißung zu jedem „Heute“ der Geschichte. <621> <621> In diesem Zusammenhang lohnt eine Betrachtung der Psalmen über den Aufstieg zum Tempel von Jerusalem und des Bildes Gottes als Wächter Israels, das darin geboten wird (vgl. insbesondere Ps 121 und 127). Wenn die Jünger Christi auf ihn das neue Heiligtum schauen, für dessen lebendige Gegenwart im Geiste die christlichen Tempel Zeichen sind, dann wissen sie, dass Gott unter ihnen und für sie immer gegenwärtig und lebendig ist. Der Tempel ist die heilige Wohnung der Bundeslade, die Stätte, wo der Bund mit dem lebendigen 1166 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE Gott aktualisiert wird und das Gottesvolk das Bewusstsein erlangt, die Gemeinschaft der Gläubigen zu sein, „ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm“ (1 Petr 2,9). Paulus schreibt: „Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes. Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlussstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Durch ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut“ (Eph 2,19-22). Durch sein Innewohnen in den Seinen und in ihren Herzen macht Gott sie zu seinem lebendigen Heiligtum. Das Heiligtum toter Steine verweist auf den, der aus uns ein Heiligtum aus „lebendigen Steinen“ macht. <622> <623> <622> Gregor von Nyssa schreibt: „Wo du auch immer sein magst, Gott wird zu dir kommen, wenn die Wohnstatt deiner Seele so befunden wird, daß der Herr in dir wohnen kann“ (Epistula 2,16; SC 363, 121). <623> n. Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium, Nr. 6. Das Heiligtum ist die Stätte des Geistes, denn es ist der Ort, an dem die Treue Gottes uns erreicht und verwandelt. Zur Heiligen Stätte geht man vor allem, um den Heiligen Geist anzurufen und aufzunehmen und um diesen Geist dann in alle Handlungen des Lebens zu übertragen. In diesem Sinne stellt das Heiligtum sich dar als ständiger Hinweis auf die lebendige Gegenwart des Heiligen Geistes in der Kirche, die uns zur Herrlichkeit des Vaters vom auferstandenen Christus geschenkt worden ist (vgl. Joh 20,22). Das Heiligtum ist eine sichtbare Aufforderung, aus der imsichtbaren Quelle lebendigen Wassers zu schöpfen (vgl. Joh 4,14); diese Aufforderung kann man immer neu erleben, um in Treue zum Bund mit dem Ewigen in der Kirche zu leben. 10. Stätte des Wortes Im Abschnitt des Glaubensbekenntnisses über das Werk des Heiligen Geistes findet sich der Ausdruck „Gemeinschaft der Heiligen“. Diese Bezeichnung kann dazu dienen, einen Aspekt der in der Geschichte pilgernden Kirche verdichtet zu erläutern. Der Heilige Geist durchdringt die Glieder des Leibes Christi und macht die Kirche zum lebendigen Heiligtum des Herrn, wie das II. Vatikanische Konzil bestätigte: „Des öfteren wird die Kirche auch Gottes ,Bauwerk1 genannt (7 Kor 3,9) ... Dieser Bau trägt verschiedene Benennungen: Haus Gottes (7 Tim 3,15), in dem nämlich die Familie Gottes wohnt, Wohnstatt Gottes im Geiste (Eph 2,19-22), Zelt Gottes unter den Menschen (Offl> 21,3), vor allem aber heiliger Tempel, den die heiligen Väter in den steinernen Heiligtümern dargestellt sehen und preisen und der in der Liturgie mit Recht verglichen wird mit der heiligen Stadt, dem neuen Jerusalem: In dieser Stadt auf Erden sind wir als lebendige Steine eingefügt in den Bau (7 Petr 12,5).“ <624> <624> Gregor von Nyssa schreibt: „Wo du auch immer sein magst, Gott wird zu dir kommen, wenn die Wohnstatt deiner Seele so befunden wird, daß der Herr in dir wohnen kann“ (Epistula 2,16; SC 363, 121). In diesem heiligen Tempel der Kirche wirkt der Heilige Geist vor allem durch die Zeichen des Neuen Bundes, die das Heiligtum birgt und anbietet. Darunter befindet sich auch das Wort Gottes. Das Heiligtum ist der Ort des Wortes schlechthin, wo 1167 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE der Geist zum Glauben ruft und die „Gemeinschaft der Gläubigen“ errichtet. Es ist äußerst wichtig, das Heiligtum mit dem beständigen und aufhahmebereiten Hören des Wortes Gottes zu verbinden. Denn es handelt sich nicht um einfaches Menschenwort, sondern um Gott selbst, der im Zeichen seines Wortes lebt. Das Heiligtum, in dem das Wort erklingt, ist die Stätte des Bundes, wo Gott seinem Volk die Treue bestätigt, um den Weg zu erleuchten und um Trost zu spenden. Das Heiligtum kann auch ein ausgezeichneter Ort für die Vertiefung des Glaubens sein, die sich in einem bevorzugten Rahmen zu einer günstigen außerhalb des Alltags liegenden Zeit vollzieht. Es kann Möglichkeiten zur Neuevangelisierung bieten. Es kann zur Förderung einer Volksfrömmigkeit beitragen, „reich an Werten“ <625>, wenn diese nämlich zu einem zutreffenderen und reiferen Glaubensbewusstsein geführt wird <626>; schließlich kann es den Inkulturationsprozess unterstützen. <627> <625> Paul VI., Evangelii nuntiandi, (8.12.1975) Nr. 48. <626> Vgl. Johannes Paul II., Predigt in Zapopän (Mexiko) am 30.1.1979; O.R. dt. 1979, Nr. 7, S. 5. <627> Vgl. Internationale Theologen-Kotnmission, Fides et inculturatio (1987), 111,2-7. Daher ist es notwendig, in den Heiligtümern „eine angemessene Katechese“ zu entwickeln <628>; „andererseits sollte diese katechetische Darbietung, indem sie die in den zu besuchenden Orten gefeierten Ereignisse und die ihnen eigene Natur berücksichtigt, weder die notwendige Rangordnung in der Darlegung der Glaubenswahrheiten noch ein Hineinstellen in den liturgischen Verlauf, an dem die ganze Kirche teilhat, vergessen“ <629>. <628> Päpstl. Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, Cammina verso lo splendore, il Signore cammina con te. Akten des 1. Weltkongresses der Pastoralßir Wallfahrtsorte und Wallfahrten (Rom 26-29.2.1992), Schlußdokument, Nr. 7, S. 240. <629> Die Pilgerfahrt zum Großen Jubiläum, s.o., Nr. 34. In diesem seelsorglichen Dienst der Evangelisierung und Katechese müssen jene besonderen Aspekte herausgestellt werden, die in Verbindung stehen mit dem jeweiligen Heiligtum, mit der mit ihm verbundenen besonderen Botschaft, mit dem „Charisma“, das der Herr dieser Stätte anvertraut und das die Kirche anerkannt hat - hinsichtlich des manchmal überreichen Erbes an Traditionen und Bräuchen, die dort Fuß gefasst haben. Unter demselben Gesichtspunkt des Dienstes für die Evangelisierung können auch Initiativen kultureller und künstlerischer Art ins Leben gerufen werden, wie z. B. Konferenzen, Seminare, Ausstellungen, Wettbewerbe und Veranstaltungen religiöser Art. „In der Vergangenheit füllten sich unsere Heiligtümer mit Mosaiken, Bildern, religiösen Skulpturen an, um den Glauben zu vermitteln. Haben wir genügend geistige Kraft und Begabung, um wirkungsvolle Bilder’ von großer Qualität zu schaffen, der heutigen Kultur angepasst? Es handelt sich dabei nicht nur um die Erstverkündigung des Glaubens in einer sehr häufig säkularisierten Welt oder um Katechesen 1168 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE zur Vertiefung des Glaubens, sondern auch um die Inkulturation der Botschaft des Evangeliums im Bereich eines jeden Volkes, einer jeden Kulturtradition.“ <630> Zu diesem Zweck ist im Heiligtum die Anwesenheit von begabten Seelsorgern unerlässlich, die zum Dialog mit Gott und zur Kontemplation des unermesslichen Geheimnisses, das uns umgibt und anzieht, hinführen können. Ebenfalls muss die Bedeutung des Dienstes der Priester, Ordensleute und für die Wallfahrtsorte zuständigen Gemeinschaften hervorgehoben werden <631> und konsequenterweise auch die Wichtigkeit ihrer besonderen Ausbildung, die ihrem Auftrag angemessen sein muss. Gleichzeitig muss die Mitarbeit der Laien gefordert werden: Sie sollen auf ihren Einsatz in Katechese und Evangelisierung, der mit dem geheiligten Ort verbunden ist, gut vorbereitet werden, damit auch in den Heiligen Stätten die Vielfalt an Charismen und Ämtern zum Ausdruck kommt, die der Heilige Geist in der Kirche des Herrn weckt und damit die Pilger von dem mannigfaltigen Zeugnis der verschiedenen in der Seelsorge tätigen Gruppen profitieren. <630> Johannes Paul II., Botschaft zum 50. Jubiläum der Internationalen Katholischen Organisation ßir Filmwerke am 31.10.1978. <631> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Presbyterorum Ordinis, Nr. 4. 11. Stätte sakramentaler Begegnung Die Heiligen Stätten sind Orte, an denen der Geist auch durch die besondere Botschaft spricht, die mit jeder von ihnen verknüpft und von der Kirche anerkannt ist; sie sind auch die bevorzugten Orte sakramentaler Handlungen, insbesondere der Versöhnung und der Eucharistie, in der das Wort seine intensivste und wirksamste Umsetzung findet. Die Sakramente verwirklichen die Begegnung der Lebenden mit dem, der ihnen ständig Leben schenkt und sie im Trost des Heiligen Geistes mit stets neuem Leben nährt. Es sind nicht eintönige Riten, sondern Heilsereignisse persönliche Begegnungen mit dem lebendigen Gott, der im Geist all jene erreicht, die hungrig und durstig nach seiner Wahrheit und seinem Frieden zu ihm kommen. Wenn im Heiligtum ein Sakrament gefeiert wird, „tut“ man also nicht etwas, sondern man begegnet jemandem ja noch mehr: Dieser Jemand Christus macht sich in der Gnade des Geistes gegenwärtig, um sich uns mitzuteilen, unser Leben zu verändern und uns auf immer fruchtbringendere Weise in die Gemeinschaft des Bundes, nämlich die Kirche, einzufügen. Als Ort der Begegnung mit dem Gott des Lebens ist das Heiligtum als solches das sichere Zeichen der Anwesenheit Gottes, der in seinem Volk wirkt, denn durch sein Wort und die Sakramente teilt er sich uns dort mit. Zum Heiligtum geht man also wie zum Tempel des lebendigen Gottes zum Ort des lebendigen Bundes mit ihm, damit die Gnade der Sakramente die Pilger von ihren Sünden befreit und ihnen die Kraft zu einem Wiederbeginn mit neuer Frische und neuer Freude im Herzen schenkt, um unter den Menschen eindeutige Zeugen des Ewigen sein zu können. Oft kommt der Pilger zum Wallfahrtsort in einer Einstellung besonderer Bereitschaft, um die Gnade der Vergebung zu bitten; es muss ihm geholfen werden, sich 1169 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE dem Vater, der „voll Erbarmen (Eph 2,4)“ <632> ist, in Wahrheit und Freiheit mit vollem Bewusstsein und in voller Verantwortung zu öffnen, so dass aus der Gnadenbegegnung ein wirklich neues Leben hervorgehen kann. Eine angemessene gemeinschaftliche Bußliturgie kann dabei helfen, die persönliche Feier des Bußsakraments besser zu erleben: „Das Bußsakrament ist das Mittel, um den Menschen mit jener Gerechtigkeit zu sättigen, die vom Erlöser selber kommt.“ <633> Die Orte, an denen diese Feier stattfindet, sollen so angelegt sein, dass sie der innerlichen Sammlung zuträglich sind. <634> 31 Vgl. Johannes Paul II., Dives in misericordia (30.11.1980), Nr. 1. <633> Johannes Paul II., Redemptor hominis (4.3.1979), Nr. 20. <634> Zu den grundlegenden Aspekten der Katechese und Abhaltung des Sakraments der Versöhnung vgl. Johannes Paul II., Reconciliatio etpaenitentia (2.12.1984). Da „die von Gott imgeschuldet gewährte Vergebung als notwendige Folge eine tatsächliche Lebensänderung einen tatsächlichen Abbau des Bösen und eine Erneuerung der eigenen Existenz einschließt“, sollen die Seelsorger in den Wallfahrtsorten die Beständigkeit der Gläubigen in den Früchten des Fleiligen Geistes mit allen möglichen Mitteln unterstützen. Außerdem sollen sie dem Angebot des Ablasses - als Ausdruck jenes ,,Vollgeschenk[s] des göttlichen Erbarmens“ - ihre besondere Aufmerksamkeit widmen, denn dadurch wird „dem reuigen Sünder die zeitliche Strafe für Sünden erlassen, die hinsichtlich der Schuld schon getilgt sind“. <635> <635> Johannes Paul II., Incarnationis mysterium (29.11.1998), Nr. 9. In der tiefen Erfahrung der „Gemeinschaft der Heiligen“, die der Pilger am Wallfahrtsort macht, kann er leichter verstehen, „wie sehr ein jeder den anderen -Lebenden oder Verstorbenen - helfen kann, immer inniger mit dem Vater im Himmel verbunden zu sein“. <636> <636> Ebd., Nr. 10.; Vgl. Paul VI., Indulgentiarum doctrina (1.1.1967). Was die Feier der Eucharistie betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass sie Mittelpunkt und Kernstück des gesamten Lebens des Heiligtums ist, ein Gnadenereignis, das „das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle“ <637> enthält. <637> II. Vatikanisches Konzil, Presbyterorum Ordinis, Nr. 5. Daher ist es angezeigt, dass die Einheit, die sich aus dem Sakrament der Eucharistie ergibt, auf ganz besondere Weise zum Ausdruck kommt, indem nämlich die verschiedenen Besuchergruppen in einer einzigen Feier zusammengebracht werden. Außerdem soll die eucharistische Gegenwart des Herrn Jesus nicht nur von Einzelnen, sondern auch von allen Pilgergmppen verehrt werden und zwar durch besondere und gut vorbereitete Akte der Frömmigkeit. Dies ist in sehr vielen Wallfahrtsorten schon jetzt der Fall in der Überzeugung, dass „die Eucharistie alle diese Gebetsformen enthält und sie zum Ausdruck bringt“. <638> <638> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2643; vgl. Paul VI. Mysterium fidei (3.9.1965); Kongregation für den Gottesdienst, Inaestimabile donum (3.4.1980). 1170 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE Vor allem die Feier der Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie verleiht den Wallfahrtsorten eine besondere Würde: „Sie dürfen sich nicht Nebensächlichkeiten widmen, sondern müssen ganz im Gegenteil Orte sein, zu denen man pilgert, um nicht so sehr ,Gnaden’, sondern um vielmehr die ,Gnade’ zu empfangen.“ <639> <639> Johannes Paul II., Brief zum 700. Jubiläum des Heiligen Hauses von Loreto (15.8.1993), Nr. 7; O.R. dt. 1993, Nr. 42, S. 11. 12. Stätte kirchlicher Gemeinschaft Vom Wort und von den Sakramenten erneuert, werden die Menschen, die zum Heiligtum aus toten Steinen gekommen sind, zu einem Heiligtum aus lebendigen Steinen. So sind sie in der Lage, eine neue Erfahrung von der Gemeinschaft des Glaubens und der Heiligkeit zu machen, die die Kirche darstellt. In diesem Sinne kann man behaupten, dass am heiligen Ort die Kirche der lebendigen Menschen im lebendigen Gott neu entstehen kann. Dort kann jeder das Geschenk wiederentdecken, das ihm die Kreativität des Geistes zum Nutzen aller gemacht hat; dort kann jeder auch die eigene Berufung erkennen und reifen lassen und sich bereit machen, diese Berufung im Dienst an den anderen in die Tat umzusetzen, besonders in der Pfarrgemeinde, eben dort, wo die menschlichen Unterschiedlichkeiten zusammengeschlossen und in die Gemeinschaft der Kirche eingefiihrt werden. <640> Daher soll auf die Berufungspastoral und die Seelsorge für die Familien, bevorzugter Ort und Heiligtum, in der sich das ganz große und vertrauliche Ereignis einer jeden einmaligen menschlichen Person entwickelt, besonderer Wert gelegt werden. <641> Die Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist, verwirklicht in Gemeinschaft mit dem heiligen Geschehen des Wortes und der Sakramente, schafft die Gemeinschaft der Heiligen, das Volk des höchsten Gottes. <640> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Apostolicam aktuositatem, Nr. 10. <641> Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz am 3.1.1979; O.R. dt. 1979, Nr. 2, S. 1 f.; II. Vatikanisches Konzil, Apostolicam actuositatem, Nr. 11. Besonders die Jungfrau Maria, „Typus der Kirche unter der Rücksicht des Glaubens der Liebe und der vollkommenen Einheit mit Christus“ <642>, die in so vielen Wallfahrtsstätten verehrt wird <643>, hilft den Gläubigen dieses Wirken des Heiligen Geistes, das die Gemeinschaft der Gläubigen in Christus schafft, zu verstehen und aufzunehmen. <642> II. Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium, Nr. 63. <643> Johannes Paul II. bekräftigt: „Die Marienheiligtümer sind wie das Haus der Mutter Haltepunkte und Raststätten auf dem langen Weg, der zu Christus führt, Stätten, an denen man durch den einfachen und demütigen Glauben derer, die ,arm sind vor Gott’ (vgl. Mt 5,3), mit den großen Reichtümem in Beziehung kommt, die Christus der Kirche anvertraut und geschenkt hat, vor allem die Sakramente, die Gnade, die Barmherzigkeit, die Liebe zu den leidenden und kranken Brüdern“ (Angelus am 21.6.1987; in: DAS 1987, S. 131). Die lebendige Erfahrung der Einheit der Kirche, die man an den Heiligen Stätten macht, kann den Pilgern darüber hinaus auch helfen, jenen Impuls des Geistes zu 1171 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE erkennen und anzunehmen, der sie ganz besonders dazu anregt, für die Einheit aller Christen zu beten und zu arbeiten. <644> <644> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Unitatis redintegratio, Nr. 4. Das ökumenische Engagement kann an den Heiligen Stätten ganz ausgezeichnet gefordert werden, denn sie sind äußerst geeignete Orte für jene Bekehrung des Herzens und jene Heiligkeit des Lebens, die „die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung“ <645> sind. Außerdem erlebt man dort die Gnade der vom Herrn geschenkten Einheit. Am geheiligten Ort kann auch die „Kommunikation spiritueller Angelegenheiten“ konkret realisiert werden - speziell im gemeinschaftlichen Gebet und in der Nutzung der Heiligen Stätte <646> -, die den Weg zur Einheit, wenn dies unter voller Achtung der von den Hirten aufgestellten Kriterien geschieht, sehr begünstigt. <645> Ebd., Nr. 8. <646> Päpstl. Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus (25.3.1993), Nm. 29 und 103. Diese Erfahrung von Kirche muss besonders unterstützt werden durch eine angemessene Aufnahme der Pilger am Wallfahrtsort, wobei die Besonderheiten jeder Gruppe und jeder Person, die Erwartungen der Herzen und die wahren geistigen Bedürfnisse der Menschen berücksichtigt werden sollen. Im Heiligtum lernt man, das Herz für alle zu öffnen, vor allem für jene, die anders sind als wir: Gäste, Fremde, Einwanderer, Flüchtlinge, Bekenner anderer Religionen, Nichtgläubige. Also bietet der geheiligte Ort sich nicht nur als Stätte kirchlicher Erfahrung an, sondern er wird auch zum offenen Ort für ein Zusammenrufen aller Menschen. Hierzu muss bemerkt werden, dass bei zahlreichen Gelegenheiten die Christgläubigen - sowohl aufgrund geschichtlicher und kultureller Traditionen als auch aufgrund der Bedingungen, die von der heutigen Mobilität der Menschen begünstigt werden - verschiedene Begleiter auf ihrem Pilgerweg zu den Wallfahrtsorten haben, nämlich einerseits die Brüder und Schwestern, die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften angehören, und andererseits die Gläubigen anderer Religionen. Die Gewissheit, dass der Heilsplan auch sie einbezieht <647>, die Anerkennung ihrer Treue zu ihren religiösen Überzeugungen, die in vielen Fällen vorbildlich ist <648>, und die gemeinsam erlebte Erfahrung derselben Ereignisse in der Geschichte eröffnen einen neuen Horizont der Dringlichkeit für den ökumenischen und interreligiösen Dialog. Ihn zu leben, hilft das allen Menschen offenstehende Heiligtum im Angesicht des heiligen Geheimnisses Gottes. <649> Allerdings darf man dabei nicht vergessen, dass das Heiligtum der Ort der Begegnung mit Christus durch das Wort und die Sakramente ist. Deshalb ist stets darüber zu wachen, jede mögliche Art von Synkretismus zu vermeiden. Gleichzeitig stellt <647> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium, Nr. 16. <648> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis (4.3.1979), Nr. 6. 4% Vgl. Johannes Paul II., Tertio millennio adveniente (10.11.1994), Nm. 52-53. 1172 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE sich das Heiligtum dar als Zeichen des Widerspruchs gegenüber pseudo-spiritua-listischen Bewegungen - wie zum Beispiel New Age. Der geheiligte Ort stellt nämlich einem allgemein religiösen Empfinden, das auf die ausschließliche Potenzierung der menschlichen Fähigkeiten gegründet ist, den starken Sinn des Primates Gottes und die Notwendigkeit, sich seinem Heilswirken in Christus zur vollen Verwirklichung des menschlichen Daseins zu öffnen, entgegen. III. Das Heiligtum - Prophezeiung der himmlischen Heimat 13. Zeichen der Hoffnung Das Heiligtum, Erinnerung an unseren Ursprung im Herrn und Zeichen der Gegenwart Gottes, ist auch eine Prophezeiung unserer letzten und endgültigen Heimat: das Reich Gottes, das sich dann erfüllen wird, wenn ich „mitten unter ihnen für immer mein Heiligtum errichten werde“ (Ez 37,26) - wie der Ewige uns versprochen hat. Das Zeichen des Wallfahrtsortes ruft uns nicht nur in Erinnerung, woher wir kommen und wer wir sind, sondern es weitet unseren Blick auch auf die Erkenntnis, wohin wir gehen, auf welches Ziel hin unser Pilgerweg im Leben und in der Geschichte orientiert ist. Der geheiligte Ort - als Menschenwerk - verweist auf das himmlische Jerusalem, unsere Mutter, die Stadt, die von Gott her aus dem Himmel herabkommt und wie eine Braut geschmückt ist (vgl. Offb 21,2), das vollkommene eschatologische Heiligtum, wo die glorreiche Gegenwart Gottes direkt und persönlich ist: „Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt. Denn der Herr, ihr Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung, ist ihr Tempel, er und das Lamm“ (Offb 21,22). In dieser „Tempel-Stadt“ werden keine Tränen, keine Trauer, kein Schmerz und kein Tod mehr sein (vgl. Offb 21,4). Das Heiligtum bietet sich also an als prophetisches Zeichen der Hoffnung und Hinweis auf den weiteren Horizont, den das Versprechen, das nicht enttäuscht, eröffnet. In den Widersprüchen des Lebens wird das steinerne Heiligtum zum Verweis auf die erahnte, wenn auch noch nicht in Besitz genommene Heimat. Diese vom Glauben und von der Hoffnung durchdrungene Erwartung stützt die Jünger Christi auf ihrem Weg. In diesem Sinne ist es bedeutsam, dass das auserwählte Volk nach den schweren Prüfungen des Exils das Bedürfnis empfand, das Zeichen der Hoffnung zum Ausdruck zu bringen, indem der Tempel, das Heiligtum der Anbetung und des Gotteslobes, wiederaufgebaut wurde. Das Volk Israel hat alle möglichen Opfer gebracht, damit dieses Zeichen den Augen und Blicken dieses Volkes wiedergegeben werde, denn es sollte nicht nur an die Liebe jenes Gottes erinnern, der dieses Volk auserwählt hat und unter ihm lebt, sondern auch die Sehnsucht nach dem letztendlichen Ziel des Versprechens wecken, zu dem die Pilger Gottes aller Zeiten unterwegs sind. Das eschatologische Ereignis, auf das der Glaube der Christen gründet, ist der Wiederaufbau des Tempels des Leibes des 1173 KONGRETATIONEN UND RÄTE Gekreuzigten durch seine glorreiche Auferstehung, die das Unterpfand unserer Hoffnung ist (vgl. 1 Kor 15,12-28). Lebendiges Abbild dieser Hoffnung ist in den Wallfahrtsorten vor allem die Anwesenheit von Kranken und Leidenden. <650> Die Meditation über das Heilswirken Gottes möge ihnen verstehen helfen, dass sie durch ihre Leiden auf bevorzugte Art und Weise an der heilenden Kraft der in Christus erwirkten Erlösung beteiligt sind <651> und vor der Welt den Sieg des Auferstandenen verkündigen. An ihrer Seite sind die Menschen, die sie begleiten und in tätiger Nächstenliebe betreuen, Zeugen der Hoffnung auf das Reich, die uns der Herr Jesus - eben von den Armen und Leidenden ausgehend - eröffnet hat: „Geht und berichtet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder Lahme gehen und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet“ (Lk 7,22). <650> Vgl. Johannes Paul II., Predigt bei der Messe für die Kranken in der Peterskirche am 11.2.1990. <651> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium, Nr. 41; Johannes Paul II., Salvißci dolohs (11.2.1984). 14. Aufforderung zur Freude Die Hoffnung, die nicht zugrunde gehen lässt (vgl. Röm 5,5), erfüllt das Herz mit Freude (vgl. Röm 15,13). An Heiliger Stätte lernt das Gottesvolk, eine „Kirche der Freude“ zu sein. Wer in das Geheimnis des Heiligtums eingedrungen ist, weiß, dass Gott schon jetzt in dieser Menschheitsgeschichte am Werk ist; dass schon jetzt - trotz der Finsternis der heutigen Zeit - die Morgenröte der kommenden Zeit angebrochen ist; dass das Reich Gottes schon gegenwärtig ist und dass deshalb unser Herz voller Freude, Vertrauen und Hoffnung sein kann - trotz allem Schmerz, Tod, Tränen und Blut, die das Antlitz der Erde bedecken. In Psalm 122 einem der Psalmen die von den Pilgern beim Aufstieg zum Tempel gesungen wurden steht: „Ich freute mich, als man mir sagte: ,Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern’“ (V. 1). Diese Aussage steht für die Empfindungen aller, die sich zum Wallfahrtsort begeben, in erster Linie die Freude über das Treffen mit den Brüdern (vgl. Ps 133,1). Im Heiligtum feiert man die „Freude der Vergebung“, die dazu drängt, sich zu „freuen und ein Fest [zu] feiern“ (Lk 15,32), denn „ebenso herrscht auch bei den Engeln Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt“ (Lk 15,10). Um denselben Tisch des Wortes und der Eucharistie versammelt, erfährt man die „Freude der Gemeinschaft“ mit Christus, wie auch Zachäus sie erlebte, als er Ihn „freudig bei sich aufhahm“ (vgl. Lk 19,6). Diese „vollkommene Freude“ (vgl. Joh 15,11) kann niemand der Obhut eines treuen Herzens nehmen (vgl. Joh 16,22), das selbst zum lebendigen Tempel des Ewigen und zum leibhaftigen Heiligtum der Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit geworden ist. Mit dem Psalmisten ist jeder Pilger eingeladen, folgende Worte zu sprechen: „So will ich zum Altar Gottes treten, zum Gott meiner Freude. Jauchzend will ich dich auf der Harfe loben, Gott mein Gott“ (Ps 43,4). 1174 KONGRETATIONEN UND RÄTE 15. Aufforderung zur ständigen Bekehrung und Erneuerung Das Zeichen des geheiligten Ortes bezeugt, dass wir nicht zum Leben und Sterben geschaffen sind, sondern zum Leben und zum Überwinden des Todes im Sieg Christi. Demnach soll sich die Gemeinschaft, die ihren Gott im Heiligtum feiert, daran erinnern, eine zur verheißenen Heimat pilgernde Kirche zu sein, die sich in einem Zustand andauernder Bekehrung und Erneuerung befindet. Das gegenwärtige Heiligtum ist nicht letztendlicher Zielpunkt. Die Gläubigen können dort von der Liebe Gottes kosten und erkennen, dass sie noch nicht angekommen sind. So spüren sie eine sogar noch heftigere Sehnsucht nach dem himmlischen Jerusalem, die Sehnsucht nach dem Himmel. So stellen uns die Wallfahrtsorte einerseits die Heiligkeit der Menschen vor Augen, denen sie geweiht sind, und andererseits unseren Zustand als Sünder, die ihren Pilgerweg zur Gnade jeden Tag neu beginnen müssen. Auf diese Weise helfen sie uns zu entdecken, dass die Kirche „zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig“ ist <652>, weil ihre Glieder Sünder sind. <652> II. Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium, Nr. 8; vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 6-7. Das Wort Gottes hilft uns auch diese Ermahnung wachzuhalten, besonders durch die Kritik der Propheten an den Heiligtümern, die zu Orten inhaltslosen Ritualismus verkommen waren: „Wer hat von euch verlangt, daß ihr meine Vorhöfe zertrampelt? Bringt nur nicht länger sinnlose Gaben, Rauchopfer, die mir ein Gräuel sind. Neumond und Sabbat und Festversammlung - Frevel und Feste - ertrage ich nicht ... Laßt ab von eurem üblen Treiben! ... Lernt Gutes zu tun! Sorgt für das Recht! Helft den Unterdrückten! Verschafft den Waisen Recht, tretet ein für die Witwen!“ (Jes 1,12-17). Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz (vgl. Ps 51,19-21). Und Jesus sagt: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt“ (Mt 7,21). Die stete Bekehrung ist nicht zu trennen von der Verkündigung des Horizonts, auf den die theologische Hoffnung hinorientiert ist. Jedes Mal, wenn sich die Gemeinschaft der Gläubigen an einem Wallfahrtsort versammelt, tut sie dies um sich selbst an das andere Heiligtum zu erinnern, an die zukünftige Stadt, an die Wohnung Gottes, deren Aufbau wir schon in dieser Welt beginnen wollen. Wir können nicht umhin, sie voller Hoffnung herbeizuwünschen, sind uns dabei allerdings unserer Grenzen bewusst und setzen uns dafür ein, das Kommen des Reiches so gut wie möglich vorzubereiten. Das Geheimnis des Wallfahrtsortes verweist also die auf der Welt pilgernde Kirche auf ihre Vorläufigkeit, auf die Tatsache, dass sie zu einem höheren Ziel unterwegs ist, nämlich zur zukünftigen Heimat, die das Herz mit Hoffnung und Frieden erfüllt. Dieser Ansporn zur ständigen Bekehrung in der Hoffnung und dieses Zeugnis für den Primat des Gottesreiches, dessen Beginn und Erstlingsfrucht die Kirche ist, müssen in der Seelsorge an den Wallfahrtsorten und im Hinblick auf das Reifen der Gemeinde und der einzelnen Gläubigen besonders gepflegt werden. 1175 KONGRETA TIONEN UND RÄTE 16. Symbol des neuen Himmels und der neuen Erde Der geheiligte Ort nimmt eine prophetische Bedeutung an, weil er Zeichen der größten Hoffnung ist, die auf das letzte und endgültige Ziel verweist, wo jeder Mensch vollkommen Mensch sein kann und nach der Gerechtigkeit Gottes geachtet wird und sich verwirklicht. Deshalb wird dieser Ort zu einer ständigen Aufforderung zur Kritik an der Kurzsichtigkeit aller menschlichen Vorhaben, die sich als „Absolutes“ durchsetzen wollen. Die Heilige Stätte kann daher als Gegensatz zu jeder weltlichen Überheblichkeit jeder politischen Diktatur und jeder Ideologie, die alles über den Menschen aussagen will, verstanden werden. Sie erinnert nämlich daran, dass es noch eine weitere Dimension gibt, nämlich die des Reiches Gottes, das in seiner Fülle noch kommen muss. Im Heiligtum erklingt ohne Unterlass das „Magnifikat“, worin die Kirche erkennt „daß die Sünde, die am Anfang der irdischen Geschichte des Mannes und der Frau steht, die Sünde der Ungläubigkeit, der ,Kleingläubigkeit’ gegenüber Gott an der Wurzel besiegt ist“ und worin Maria „ kraftvoll die leuchtende Wahrheit über Gott [verkündet]: über den heiligen und allmächtigen Gott, der von Anfang an die Quelle jeder Gnadengabe ist, der,Großes’ getan hat“. <653> <653> Johannes Paul II., Redemptoris Mater {25.3.1987), Nr. 37. An der Heiligen Stätte findet sich der Beweis für die eschatologische Dimension des christlichen Glaubens, d.h. für ihr Streben nach der Fülle des Reiches. Auf dieser Dimension gründet und blüht die ethisch-politische Berufung der Gläubigen, das kritische am Evangelium ausgerichtete Gewissen der menschlichen Vorhaben, in der Geschichte zu sein. Dieses Gewissen mahnt die Menschen an ihr höheres Schicksal, das sie davon femhält, in der Kurzsichtigkeit ihrer Machenschaften zu verkümmern, und sie zwingt, unaufhörlich als Sauerteig (vgl. Mt 13,33) für eine gerechtere und menschlichere Welt zu wirken. Gerade weil es auf eine andere Dimension verweist, nämlich auf die des ,freuen Himmels und der neuen Erde“ (vgl. Offb 21,1), regt das Heiligtum die Menschen an, als kritisches und prophetisches Ferment im gegenwärtigen Himmel und auf der heutigen Erde zu leben, und es erneuert die Berufung der Christen, in der Welt zu leben, obwohl sie nicht von dieser Welt sind (vgl. Joh 17,16). Diese Berufung beinhaltet die Ablehnung jeder Form von ideologischer Instrumentalisierung, um antreibende Kraft im Dienst für den Aufbau des ganzen Menschen in jedem Menschen nach dem Willen des Herrn zu sein. In dieser Perspektive kann man verstehen, dass umsichtiges pastorales Handeln aus den Wallfahrtsorten wahre Stätten der Erziehung zu ethischen Werten - insbesondere der Gerechtigkeit, der Solidarität, des Friedens und der Verteidigung des Glaubens - machen kann, um zu einer erhöhten Lebensqualität für alle beizutragen. 1176 KONGRETATIONEN UND RÄTE Schluss 17. Abstimmung der Bemühungen Das Heiligtum ist nicht nur ein Werk des Menschen, sondern auch ein sichtbares Zeichen der Gegenwart des imsichtbaren Gottes. Deshalb erfordert es eine adäquate Abstimmung der Bemühungen der Menschen und ein angemessenes Bewusstsein der Rollen und Verantwortung seitens der Gestalter der Wallfahrtspasto-ral, um die volle Anerkennung und die fruchtbare Aufnahme des Geschenks zu fordern, das der Herr seinem Volk in jedem Heiligtum macht. Der Wallfahrtsort leistet den einzelnen Ortskirchen einen wertvollen Dienst, indem man sich nämlich dort vor allem um die Verkündigung des Wortes Gottes und um die Feier der Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie bemüht. <654> Dieser Dienst offenbart und belebt die geschichtlichen und spirituellen Bande zwischen den Wallfahrtsorten und den jeweiligen Kirchen, in deren Mitte sie entstanden sind, und erfordert die volle Eingliederung der seelsorgerischen Tätigkeit an den Wallfahrtsorten, in die der Bischöfe - mit einem besonderen Augenmerk auf die Aspekte, die für das „Charisma“ des Ortes und für das spirituelle Wohl der dorthin pilgernden Gläubigen zuträglich sind. <654> Es ist dagegen in seelsorgerischer Hinsicht vorzuziehen, die Sakramente der Taufe, der Firmung und der Ehe in den Pfarreien zu spenden und damit den Gläubigen zu helfen, den gemeinschaftlichen Sinn dieser Sakramente besser zu verstehen; vgl. Johannes Paul II., Christifideles laici (30.12.1988), Nr. 26. Unter der Leitung der einzelnen Bischöfe oder der gesamten Bischofskonferenz, je nach Bedarf, definieren die Wallfahrtsstätten ihre spezifische pastorale Identität und ihre Organisationsstruktur, die sich in eigenen Statuten widerspiegeln muß. <655> Diese Beteiligung der Wallfahrtsorte an der Diözesanseelsorge erfordert im übrigen, dass auch für eine ortsbezogene Vorbereitung der Personen und Gemeinschaften, die ein solches Amt übernehmen, gesorgt wird. <655> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 1232. In diesem Sinne hat die Französische Bischofskonferenz eine Charta der Wallfahrtsorte erarbeitet. Gleichermaßen wichtig ist die Förderung der Zusammenarbeit und der Verbindung zwischen den Heiligen Stätten, vor allem wenn sich diese in ein und demselben geographischen und kulturellen Gebiet befinden, sowie die Koordinierung der Pastoralen Tätigkeit mit den touristischen Aktivitäten und der allgemeinen Mobilität. Die Zunahme verschiedener Initiativen in dieser Richtung - von Weltkongressen bis hin zu kontinentalen und nationalen Versammlungen <656> — hat den wachsenden Besucherstrom zu den geheiligten Orten herausgestellt, das Bewusstmachen von neuen Bedürfnissen angeregt und neue seelsorgerische Antworten auf die veränderten Herausforderungen von Ort und Zeit gefordert. 5$ Der Päpstliche Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs ist in dieser Richtung tätig gewesen, wie die Organisation der zwei Weltkongresse (Rom 26.-29.2.1992 und Efesos, Türkei 4.-7.5.1998) und der zwei Regionalkongresse (Märiapöps, Ungarn 2.-4.9.1996 und Pompeji, Italien 17.-21.10.1998) zeigt (vgl. die jeweiligen Kongressdokumente). 1177 KONGRETATIONEN UND RÄTE Das „Mysterium des Tempels“ bietet also eine Vielzahl von Anregungen, die durchdacht werden und sich in der pastoralen Aktion niederschlagen müssen. Als Erinnerung an unseren Ursprung verweist das Heiligtum auf die Initiative Gottes und führt den Pilger dahin, dieses Geheimnis in einer Haltung des Staunens der Dankbarkeit und des Engagements aufzunehmen. Als Stätte göttlicher Gegenwart bezeugt es die Treue Gottes und sein ständiges Wirken in seinem Volk durch das Wort und die Sakramente. Als Prophezeiung, das heißt Verweis auf die himmlische Heimat, erinnert es uns daran, dass noch nicht alles erfüllt ist, sondern dass es sich nach dem Versprechen Gottes, zu dem wir unterwegs sind, noch erfüllen muss: Das Heiligtum führt uns die Relativität von allem, was gegenüber der letzten Heimat vorläufig ist, vor Augen und lässt uns dadurch Christus als neuen Tempel der mit Gott versöhnten Menschheit entdecken. Die Pastoral der Wallfahrtsorte muss diese drei theologischen Dimensionen der Heiligen Stätten berücksichtigen und sich um eine stete Erneuerung des spirituellen Lebens und des kirchlichen Engagements bemühen - in einer Einstellung kritischer und aufmerksamer Wachsamkeit gegenüber allen Kulturen und menschlichen Errungenschaften, aber auch in einem Geist der Zusammenarbeit, der allen Anforderungen des ökumenischen und interreligiösen Dialogs gegenüber aufgeschlossen ist. 18. Maria - lebendiges Heiligtum Die Jungfrau Maria ist das lebendige Heiligtum des Wortes Gottes, die Lade des neuen und ewigen Bundes. In der Tat macht Lukas seinen Bericht der Verkündung des Engels an Maria in feiner kontrapunktischer Manier an den Bildern des Zeltes der Begegnung mit Gott auf dem Berg Sinai und des Zionstempels fest. Wie die Wolke über dem Volk Gottes bei seinem Marsch durch die Wüste war (vgl. Num 10,34; Dtn 33,12; Ps 91,4) und wie dieselbe Wolke Zeichen des im Volk Israel gegenwärtigen göttlichen Geheimnisses über der Bundeslade lag (vgl. Ex 40,35), so umgibt und durchdringt nun der Schatten des Allerhöchsten den Tabernakel des neuen Bundes, den Schoß Marias (vgl. Lk 1,35). Auf subtile Weise verbindet der Evangelist Lukas die Worte des Engels mit dem Gesang, den der Prophet Zefanja in der Gegenwart Gottes in Zion erhebt. Der Engel sagt zu Maria: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir ... Fürchte dich nicht, Maria ... Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären“ {Lk 1,28-31). Und an Zion richtet der Prophet diese Worte: „Juble, Tochter Zion! ... Der König Israels, der Herr, ist in deiner Mitte ... Fürchte dich nicht, Zion! ... Der Herr, dein Gott ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt“ (Zef3,14-17). In der Mitte („be qereb“) der Tochter Zion, Symbol Jerusalems, Sitz des Tempels, offenbart sich die Gegenwart Gottes mit seinem Volk; im Schoß der neuen Tochter Zion errichtet der Herr seinen vollkommenen Tempel für eine volle Gemeinschaft mit der Menschheit durch seinen Sohn, Jesus Christus. Dieses Thema wird in der Szene vom Besuch Marias bei Elisabet wiederaufgegriffen. Die Frage Elisabets an die zukünftige Mutter Jesu enthält nämlich eine An- 1178 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE spielung in diesem Sinne: „Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“ (Lk 1,43). Diese Worte verweisen in der Tat auf den Ausspruch Davids vor der Lade des Herrn: „Wie soll die Lade des Herrn jemals zu mir kommen?“ (2 Sam 6,9). Maria ist also die neue Lade der Gegenwart des Herrn: Unter anderem erscheint an dieser Stelle im Lukasevangelium zum ersten Mal die Bezeichnung „kyrios“, Herr, in Bezug auf Christus; mit dieser Bezeichnung wurde in der griechischen Bibel der heilige Name Gottes JHWH übersetzt. Wie die Lade des Herrn drei Monate lang im Haus Obed-Edom blieb und dieses Haus segnete (vgl. 2 Sam 6,11), so blieb auch Maria, die lebendige Lade Gottes, drei Monate mit ihrer heiligmachenden Anwesenheit im Hause Elisabets (vgl. Lk 1,56). In diesem Zusammenhang ist folgende Behauptung des hl. Ambrosius aufschlussreich: „Maria war der Tempel Gottes, nicht der Gott des Tempels, und deshalb darf nur der angebetet werden, der im Tempel am Werk war.“ <657> Aus diesem Grunde „weiß sich die Kirche in ihrem ganzen Leben mit der Mutter Christi durch ein Band verbunden, das Vergangenheit Gegenwart und Zukunft des Heilsgeheimnisses umfaßt, und verehrt Maria als geistige Mutter der Menschheit und Fürsprecherin der Gnade“ <658>, wie die Errichtung der zahlreichen Marienheiligtümer auf der ganzen Welt beweist <659>; sie sind wirklich ein „missionarisches Magnifikat“. <660> In der Vielzahl von Marienwallfahrtsorten, so bestätigt der Heilige Vater, „suchen nicht nur einzelne oder örtliche Gruppen, sondern bisweilen ganze Nationen und Kontinente die Begegnung mit der Mutter des Herrn, mit deijenigen, die selig ist, weil sie geglaubt hat, die die erste unter den Gläubigen ist und darum Mutter des Emmanuel geworden ist. Das ist der Ruf der Erde Palästinas, der geistigen Heimat aller Christen, weil es die Heimat des Erlösers der Welt und seiner Mutter ist. Das ist der Ruf so vieler Kirchen, die der christliche Glaube in Rom und über die ganze Welt hin die Jahrhunderte hindurch errichtet hat. Das ist auch die Botschaft der Orte wie Guadalupe, Lourdes, Fatima und der anderen in den verschiedenen Ländern, unter denen auch, wie könnte ich nicht daran denken, jener Ort meiner Heimat ist, Jasna Gora. Man könnte von einer eigenen ,Geographie’ des Glaubens und der marianischen Frömmigkeit sprechen, die alle diese Orte einer besonderen Pilgerschaft des Gottesvolkes umfasst, das die Begegnung mit der Muttergottes sucht, um im Bereich der mütterlichen Gegenwart derjenigen, die geglaubt hat’, den eigenen Glauben bestärkt zu finden“. <661> <657> De Spiritu Sanctu, III, 11, 80. <658> Johannes Paul II., Redemptoris Mater (25.3. 1987), Nr. 47. <659> Johannes Paul II. bemerkt dazu: „Ich weiß sehr gut, daß jedes Volk, jedes Land, jede Diözese ihre heiligen Stätten hat, an denen das Herz des ganzen Gottesvolkes sozusagen höher schlägt: Orte besonderer Begegnungen zwischen Gott und Menschen; Orte, an denen Christus in besonderer Weise mitten unter uns weilt. Wenn diese Stätten so oft seiner Mutter geweiht sind, so macht uns das nur um so deutlicher das Wesen seiner Kirche offenbar.“ (Predigt im Heiligtum von Knock/Irland am 30.9.1979.) <660> Vgl. Johannes Paul II., Botschaft an den III. Lateinamerikanischen Missionskongreß (Bogota 6.7.1987). <661> Johannes Paul II., Redemptoris Mater (25.3. 1987), Nr. 28. 1179 KONGRETATIONEN UND RÄTE Zu diesem Zweck sollen die Verantwortlichen für die Pastoral in den Wallfahrtsorten stets darüber wachen, dass sich die verschiedenen Ausdrucksformen der marianischen Frömmigkeit in das liturgische Leben integrieren, das Mittelpunkt und inhaltliche Bestimmung der Heiligen Stätte ist. Wenn der Pilger Maria nähertritt, soll er sich berufen fühlen, jene „österliche Dimension“ <662> zu erfahren, die sein Leben durch die Aufnahme des Wortes, die Feier der Sakramente und das Engagement zugunsten der Brüder schrittweise verändern wird. <662> Vgl. Kongregation für den Gottesdienst, Rundbrief an die Präsidenten der nationalen Liturgischen Kommissio-neu, Orientierungshilfen und Vorschläge für die Feier des marianischen Jahres (3.4.1987), Nr. 78; Notitiae Nr. 23 (1987), S. 386. Aus der gemeinschaftlichen und persönlichen Begegnung mit Maria, „Stern der Evangelisierung“ <663>, ergibt sich für die Pilger - wie für die Apostel - der Drang, „Gottes große Taten“ (Apg 2,11) mit dem Wort und dem Zeugnis des Lebens zu verkünden. <663> Paul VI. Evangelii nuntiandi (8.12.1975) Nr. 82. Vatikanstadt, 8. Mai 1999 Erzbischof Stephen Fumio Hamao Präsident Erzbischof Francesco Gioia Sekretär 1180 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE Die Bischofskonferenzen und das Authentische Lehramt Brief der Kongregation für die Bischöfe an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen vom 13. Mai An die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen! Eminenz, Exzellenz! Die Kongregation für die Bischöfe und die Kongregation für die Evangelisierung der Völker wurden von verschiedenen, ihrem Kompetenzbereich zugeordneten Bischofskonferenzen gebeten, einige hilfreiche Leitlinien im Hinblick auf die vom Motu Proprio Apostolos Suos (AS) über die theologische und rechtliche Natur der Bischofskonferenzen vom 21. Mai 1998 geforderte Revision ihrer Statuten (vgl. Art. 4 der ergänzenden Normen) zu unterbreiten. In diesem Sinne legen die genannten Kongregationen - in Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat der Kongregation für die Glaubenslehre, der Kongregation für die Orientalischen Kirchen und dem Päpstlichen Rat für die Interpretation der Gesetzestexte - nach gründlicher Prüfung im Geiste brüderlichen Dienstes die folgenden Leitlinien vor. Sie beschäftigen sich vor allem mit dem Gegenstand und dem Verfahren der Billigung der Lehraussagen, die ein Authentisches Lehramt darstellen, aber sie beziehen sich auch auf andere Fragen, die die Zusammensetzung der Bischofskonferenzen und ihre Arbeitsweise betreffen. 1) Hinsichtlich der Lehraussagen der Bischofskonferenzen sind jene Erklärungen einer Abstimmung zu unterwerfen, in denen die in der Konferenz versammelten Bischöfe beabsichtigen, „neue Aufgaben in Angriff [zu] nehmen und sie es sich zu ihrem Anliegen machen, daß die Botschaft Christi das Gewissen der Menschen erleuchte und leite, um die mit den gesellschaftlichen Umwälzungen verbundenen neuen Probleme zu lösen“ (AS, Nr. 22). Solche Erklärungen stellen, wenn sie ordnungsgemäß gebilligt worden sind, ein „Authentisches Lehramt“ dar. Bei der vereinten Ausübung des Hirtenamtes sollen die Bischöfe bedenken, dass die Lehre der Kirche ein Gut des ganzen Volkes Gottes und ein Band seiner Einheit ist und dementsprechend „vor allem darauf besorgt [sein], dem Lehramt der universalen Kirche zu folgen und es in angemessener Weise zu dem ihnen anvertrauten Volk gelangen zu lassen“ (AS, Nr. 21). Demzufolge können gemäß Motu Proprio Ad tuendam Fidem (18. Mai 1998, Nm. 2-3) die folgenden Lehraussagen oder Teile derselben zwar bekräftigt, nicht aber einer Abstimmung unterworfen werden: — Lehraussagen, die alles betreffen, „was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche als von Gott geoffenbart zu glauben vorgelegt wird, sei es durch feierliches Urteil sei es durch das ordentliche und allgemeine Lehramt“; 1181 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE - die Wahrheiten, die „bezüglich der Lehre des Glaubens und der Sitten von der Kirche endgültig vorgelegt“ werden; - „die Lehren, die der Papst oder das Bischofskollegium vorlegen, wenn sie ihr authentisches Lehramt ausüben, auch wenn sie nicht beabsichtigen, diese in einem endgültigen Akt zu verkünden“. 2) Aufgrund der Tatsache, dass die Lehraussagen der Bischofskonferenzen wesentlich anderer Natur sind als die von ihnen erlassenen allgemeinen Dekrete, ist es unter redaktionellem Gesichtspunkt sinnvoll, in den Statuten den Lehraussagen einen eigenen Artikel zu reservieren und die allgemeinen Dekrete in einem davon verschiedenen abzuhandeln, nicht zuletzt auch, weil die Vorgangsweise hinsichtlich der Billigung der allgemeinen Dekrete (vgl. can. 455, § 2 CIC) eine andere ist als bei der Billigung der Lehraussagen. 3) Im Hinblick auf die Billigung der Lehraussagen wird gemäß AS, Nr. 22 der folgende Text vorgeschlagen, der in die Statuten der einzelnen Bischofskonferenzen eingefügt werden könnte: „Damit die Lehraussagen der Konferenz ein authentisches Lehramt darstellen und im Namen der Konferenz veröffentlicht werden können, ist es notwendig, dass sie in der Vollversammlung von den bischöflichen Mitgliedern einstimmig gebilligt werden oder dass sie, nachdem sie von einer wenigstens Zweidrittelmehrheit der Bischöfe, die entscheidendes Stimmrecht besitzen, gebilligt wurden, vor der Promulgation die ,recognitio’ des Hl. Stuhles erhalten.“ 4) Die Kompetenz zur Gewährung der „recognitio“ des Hl. Stuhles für die Lehraussagen der Bischofskonferenzen liegt je nach Zuständigkeitsbereich bei der Kongregation für die Bischöfe beziehungsweise bei der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Demzufolge sind die Texte der authentischen Erklärungen an die soeben genannten Dikasterien zu senden, welche nach Konsultation der Kongregation für die Glaubenslehre und des Päpstlichen Rates für die Interpretation der Gesetzestexte die „recognitio“ gewähren. Im Falle der Bischofskonferenzen, deren Statuten die Mitgliedschaft von Bischöfen der orientalischen Riten mit entscheidendem Stimmrecht vorsehen, konsultiert das für die „recognitio“ zuständige Dikasterium auch die Kongregation für die Orientalischen Kirchen. 5) Die gültige allgemeine Lehre und die spezielle Norm für die Lehraussagen (AS, Nr. 22) sehen nicht vor, dass Lehramt und Gesetzgebung durch vereintes Handeln mehrerer Konferenzen oder von den internationalen Zusammenschlüssen derselben ausgeübt werden können. Deshalb muss die lehramtliche Aussage, um authentisch sein zu können, von den einzelnen Bischofskonferenzen getroffen werden. Falls ein gemeinsames Handeln mehrerer Konferenzen für notwendig erachtet wird, muss dieses vom Hl. Stuhl autorisiert werden, welcher zugleich auch die entsprechenden jeweils zu beobachtenden Direktiven mitteilen wird. 6) Aufgrund der besonderen Natur der Bischofskonferenzen kann ein Mitglied derselben seine Teilnahme nicht an andere delegieren (vgl. AS, Nr. 17). Dennoch kann 1182 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE davon ausgehend, dass verschiedene Konferenzen nur eine eingeschränkte Zahl von Mitgliedern aufweisen, in den Statuten als Ausnahme zu dieser Verfügung die Delegation zugunsten eines bischöflichen Mitgliedes der Konferenz oder aber des Generalvikars der Diözese vorgesehen werden, jedoch nur, um den Standpunkt des Delegierenden einzubringen. Das heißt, der Delegat hat kein Recht, im Namen des Delegierenden abzustimmen, wenn es um verbindliche Normen mit Gesetzescharakter und wenn es um Lehraussagen geht. 7) Wenn der Präsident und der Vizepräsident einer Bischofskonferenz, die aus den Diözesanbischöfen zu wählen sind (AS, Nr. 17), vom Amt des Diözesanbischofs zurücktreten, erlischt auch ihr Amt als Präsident bzw. Vizepräsident der Bischofskonferenz und zwar ab dem Tag der Veröffentlichung der Annahme des Rücktrittsgesuches seitens des Heiligen Vaters. 8) Das Motu Proprio AS legt in Nr. 18 nahe, eine Bürokratisierung der Einrichtungen der Konferenz zu vermeiden. Von daher sollte auf der Ebene der Bischofskonferenzen nicht der von der allgemeinen Gesetzgebung für die Diözesankurien und für die diözesanen Organismen - in denen alle Glieder des Volkes Gottes gemäß der eigenen Stellung in der Kirche an der Durchführung der Sendung der Kirche mitarbeiten können und sollen - vorgesehene Aufbau nachgeahmt werden. 9) Die ständigen Kommissionen der Bischofskonferenz oder jene „ad hoc“ einbe-rufenen (AS, Nr. 18) die den Namen „bischöflich“ tragen, müssen aus bischöflichen oder den Bischöfen im Recht gleichgestellten (vgl. can. 381 §2 CIC) Mitgliedern zusammengesetzt sein. Wenn die Zahl der Bischöfe einer Konferenz nicht ausreichen sollte, um solche Kommissionen zu bilden, können andere Organismen [Ausschüsse Räte ...] vorgesehen werden, denen ein Bischof vorsteht und denen Priester Ordensleute und Laien angehören; diese Organismen dürfen jedoch nicht „bischöflich“ genannt werden. 10) Es wäre wünschenswert, dass die Anzahl der von den bischöflichen Kommissionen erlassenen Dokumente verringert wird, um einerseits eine übermäßige Vermehrung derselben und andererseits Schwierigkeiten zu vermeiden, die sich oftmals hinsichtlich ihrer autoritativen Einordnung stellen. 11) Die Konferenzen sollten, wie in Nr. 17 des Motu Proprio und in den am 31. Oktober 1988 von der Kongregation für die Bischöfe erlassenen Normen „In vita ecclesiae de epis opis ab officio essantibus“ bedeutet, die Teilnahme der emeritierten Bischöfe an den Versammlungen mit beratendem Stimmrecht vorsehen. Unter Würdigung ihrer pastoralen Erfahrung und ihrer Kompetenz sollten sie auch an einigen Studienkommissionen beteiligt werden. 12) Nichtmitglieder der Bischofskonferenz können ausnahmsweise und in besonderen Fällen an bestimmten Sitzungen der Vollversammlung der Konferenz oder ihrer Kommissionen teilnehmen, jedoch nur mit beratender Stimme (vgl. Authenti- 1183 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE sehe Interpretation der Pontificia Commissio Decretis Concilii Vaticani II inter-pretandis von 1970 -AAS 62[1970]793). Ich darf abschließend darum bitten, dass diese Bischofskonferenz ihre Statuten möglichst bald und unter Berücksichtigung der vorgenannten im Dienst eines fruchtbringenden Wirkens derselben stehenden Leitlinien und Anregungen überprüft. In diesem Sinne spreche ich Ihnen, sehr geehrter Herr Kardinal/Bischof, sowie allen Mitgliedern dieser Bischofskonferenz die besten Wünsche für ein fruchtbares Wirken im Dienst der Teilkirchen aus und verbleibe mit brüderlichen Grüßen Vatikanstadt, den 13. Mai 1999 Eurer Eminenz, Exzellenz im Herrn ergebener Lucas Kardinal Moreira Neves Präfekt 1184 KONGRETA TIONEN UND RÄTE Notifikation betreffend Schwester Jeannine Gramick SSND und Pater Robert Nugent SDS Kongregation für die Glaubenslehre vom 31. Mai Schwester Jeannine Gramick SSND und Pater Robert Nugent SDS sind seit mehr als 20 Jahren in der Seelsorge für homosexuelle Personen tätig. Im Jahr 1977 haben sie in der Erzdiözese Washington die Organisation New Ways Ministry gegründet, um „Gerechtigkeit und Versöhnung zwischen den lesbischen und homosexuellen Katholiken und der größeren katholischen Gemeinschaft“1 zu fordern. Sie haben das Buch Building Bridges. Gay & Lesbian Reality and the Catholic Church (Mysti 1992) verfasst und den Band Voices of Hope. A Collection of Positive Catholic Writings on Gay & Lesbian Issues (New York 1995) herausgegeben. Von Anfang an haben P. Nugent und Sr. Gramick zentrale Elemente der kirchlichen Lehre über die Homosexualität wiederholt in Frage gestellt. Aus diesem Grund teilte ihnen der Erzbischof von Washington, Kardinal James Hickey, im Jahr 1984 im Anschluss an eine Reihe von erfolglosen Klärungsversuchen mit, dass sie ihre Tätigkeiten in dieser Erzdiözese nicht mehr ausüben dürfen. Zur gleichen Zeit ordnete die Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens an, dass sie sich ganz und vollständig von New Ways Ministry trennen müssen und keinerlei Apostolat ausüben dürfen, wenn sie nicht getreu die kirchliche Lehre vortragen, gemäß der homosexuelle Handlungen in sich schlecht sind. Trotz dieser Anordnung durch den Hl. Stuhl setzten P. Nugent und Sr. Gramick ihre Mitarbeit an Aktivitäten fort, die von New Ways Ministry organisiert wurden, obwohl sie sich von leitenden Positionen zurückzogen. Sie vertraten und förderten weiterhin zweideutige Ansichten über die Homosexualität und kritisierten ausdrücklich Dokumente des kirchlichen Lehramts zu dieser Frage. Wegen der Stellungnahmen und Aktivitäten der beiden Ordensleute erreichten die Kongregation für die Glaubenslehre und die Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens zahlreiche Klagen und dringende Bitten um Klarstellung sowohl von Bischöfen wie auch von anderen Gläubigen aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Es war deutlich, dass die Tätigkeiten von Sr. Gramick und P. Nugent in nicht wenigen Diözesen Schwierigkeiten auslösten und dass sie weiterhin die Lehre der Kirche als eine mögliche Option unter anderen vorlegten, offen für grundlegende Veränderungen. Im Jahr 1988 setzte der Hl. Stuhl eine Kommission unter dem Vorsitz von Kardinal Adam Maida ein, um die öffentlichen Stellungnahmen und Aktivitäten der beiden Ordensleute zu untersuchen und zu bewerten und um zu bestimmen, ob sie der katholischen Lehre über die Homosexualität entsprechen. Voices ofHope. A Collection of Positive Catholic Writings on Gay & Lesbian Issues, New York 1992, ix. 1185 KONGRETATIONEN UND RÄTE Die Kommission wandte sich nach der Veröffentlichung von Building Bridges vor allem der Untersuchung dieses Buches zu, in dem ihr Wirken und Denken zusammenfassend dargelegt sind. Im Jahr 1994 erstellte die Kommission ihren Befund und ließ ihn den beiden Autoren zukommen. Nach Erhalt der Antworten auf diesen Befund verfasste die Kommission ihre abschließenden Empfehlungen und übermittelte sie der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens. Ohne einige positive Aspekte im Apostolat von P. Nugent und Sr. Gramick zu übersehen, fand die Kommission ernsthafte Mängel in ihren Schriften und pastoralen Tätigkeiten, die nicht voll mit der christlichen Moral zu vereinbaren sind. Deshalb empfahl die Kommission, disziplinäre Maßnahmen zu ergreifen und auch in irgendeiner Form eine Notifikation zu veröffentlichen, um den Schaden und die Verwirrung, die durch die Irrtümer und Zweideutigkeiten in ihren Publikationen und Aktivitäten verursacht wurden, auszugleichen und wiedergutzumachen. Weil die von den beiden Autoren verursachten Probleme vorwiegend lehrmäßiger Natur waren, übergab die Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens im Jahr 1995 die gesamte Angelegenheit der zuständigen Kongregation für die Glaubenslehre. In der Hoffnung, dass Pater Nugent und Schwester Gramick gewillt wären, der katholischen Lehre über die Homosexualität zuzustimmen und die Irrtümer in ihren Schriften richtigzustellen, unternahm die Glaubenskongregation zu diesem Zeitpunkt einen weiteren Lösungsversuch und lud sie ein, unzweideutig auf einige Fragen bezüglich ihrer Haltung zur moralischen Bewertung homosexueller Handlungen und zur homosexuellen Neigung zu antworten. Ihre Antworten vom 22. Februar 1996 waren nicht klar genug, um die ernsten Zweideutigkeiten ihrer Haltung zu beseitigen. Sr. Gramick und P. Nugent zeigten wohl, dass sie die kirchliche Lehre über die Homosexualität klar verstanden, unterließen es aber, sich in irgendeiner Weise zustimmend zu dieser Lehre zu bekennen. Darüber hinaus ging aus der Veröffentlichung ihres Buches Voices of Hope. A Collection of Positive Catholic Writings on Gay & Lesbian Issues im Jahr 1995 klar hervor, dass sie ihre abweisende Haltung gegenüber grundlegenden Elementen der kirchlichen Lehre nicht geändert hatten. Weil einige der Ansichten von P. Nugent und Sr. Gramick offensichtlich nicht mit der Lehre der Kirche vereinbar waren und die weite Verbreitung dieser Irrtümer durch ihre Schriften und pastoralen Tätigkeiten für die Bischöfe in den Vereinigten Staaten von Amerika zu einer immer größeren Sorge wurde, beschloss die Kongregation, die Angelegenheit gemäß dem in der Ordnung für die Lehrüberprüfung dargelegten Verfahren (Kapitel 4) <664> zu lösen. <664> Vgl. Kongregation fiir die Glaubenslehre, Agendi ratio in doctrinaru examine, Art. 23-27: AAS 89(1997)834. In der Ordentlichen Versammlung vom 8. Oktober 1997 trafen die Kardinäle und Bischöfe, die Mitglieder der Kongregation sind, das Urteil, dass die gemäß dem oben genannten Verfahren für die Lehrüberprüfimg ausfindig gemachten Ansich- 1186 KONGRETA TIONEN UND RÄTE ten von P. Nugent und Sr. Gramick tatsächlich irrig und gefährlich sind. Nach der Approbation durch den Papst wurden die erwähnten irrigen Ansichten den beiden Ordensleuten durch die zuständigen Generaloberen vorgelegt. Die beiden Autoren wurden ersucht, ihre Antworten persönlich und unabhängig voneinander vorzubereiten, um jedem von ihnen die größtmögliche Freiheit im Ausdruck der jeweils eigenen Haltung zu geben. Die Antworten wurden im Februar 1998 von den beiden Generaloberen an die Kongregation gesandt. In den Ordentlichen Versammlungen vom 6. und 20. Mai 1998 unterzogen die Mitglieder der Kongregation die Antworten einer sorgfältigen Bewertung, nachdem zuvor Gutachten von Bischöfen aus den Vereinigten Staaten sowie von Fachleuten auf dem Gebiet der Moraltheologie eingeholt worden waren. Die Mitglieder der Kongregation trafen einmütig die Entscheidung, dass die Antworten der beiden trotz gewisser positiver Elemente unannehmbar sind. Sowohl P. Nugent als auch Sr. Gramick hatten nämlich versucht, die Veröffentlichung ihrer Bücher zu rechtfertigen, und keiner von ihnen hatte der kirchlichen Lehre über die Homosexualität in ausreichend klarer Form persönlich zugestimmt. Deshalb wurde beschlossen, sie zu ersuchen, eine öffentliche Erklärung zu verfassen und sie dem Urteil der Kongregation vorzulegen. In dieser Erklärung sollten sie ihre innere Zustimmung zur Lehre der katholischen Kirche über die Homosexualität ausdrücken und eingestehen, dass die beiden oben genannten Bücher Irrtümer enthalten. Die Erklärungen der beiden Ordensleute, die im August 1998 eintrafen, wurden von der Kongregation in der Ordentlichen Versammlung vom 21. Oktober 1998 geprüft. Sie waren wiederum nicht ausreichend, um die mit ihren Schriften und Pastoralen Tätigkeiten verbundenen Probleme zu lösen. Schwester Gramick brachte wohl ihre Liebe zur Kirche zum Ausdmck, verweigerte aber jedwede Zustimmung zur Lehre der Kirche über die Homosexualität. Pater Nugent legte eine umfassendere Antwort vor, die jedoch hinsichtlich der inneren Zustimmung zur Lehre der Kirche nicht eindeutig genug war. Die Mitglieder der Kongregation beschlossen deshalb, P. Nugent noch eine Gelegenheit zu einer unzweideutigen Zustimmung zu geben. Aus diesem Grund verfaßte die Kongregation eine entsprechende Erklärung, die P. Nugent mit Schreiben vom 15. Dezember 1998 durch den Generaloberen zugesandt und zur Unterschrift vorgelegt wurde. Aus seiner Antwort vom 25. Januar 1999 ging hervor, dass auch dieser Versuch erfolglos blieb. Pater Nugent war nicht bereit, die ihm vorgelegte Erklärung zu unterschreiben, und sandte als Antwort einen anderen Text, in dem er die Erklärung der Kongregation in einigen wichtigen Punkten umgeändert hatte. Er war vor allem nicht gewillt anzuerkennen, dass die homosexuellen Handlungen in sich ungeordnet sind, und fügte einen Absatz hinzu, in dem er den endgültigen und unveränderlichen Charakter der katholischen Lehre in diesem Punkt in Frage stellte. Weil die wiederholten Versuche der rechtmäßigen kirchlichen Autoritäten nach einer Lösung der Schwierigkeiten in den Schriften und pastoralen Tätigkeiten der beiden Autoren gescheitert sind, ist die Kongregation für die Glaubenslehre ver- 1187 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE pflichtet, um des Wohls der katholischen Gläubigen willen zu erklären, dass die von Sr. Jeannine Gramick und P. Robert Nugent geäußerten Ansichten über die homosexuellen Handlungen, die in sich schlecht sind, und die homosexuelle Neigung, die objektiv ungeordnet ist, lehrmäßig unannehmbar sind, weil sie nicht getreu die klare und beständige Lehre der katholischen Kirche in diesem Punkt wiedergeben <665>. P. Nugent and Sr. Gramick haben oft behauptet, dass sie sich in Übereinstimmung mit der kirchlichen Lehre darum bemühen, homosexuellen Personen „mit Achtung, Mitleid und Takt“ <666> zu begegnen. Die Verbreitung von Irrtü-mem und Zweideutigkeiten ist aber nicht vereinbar mit einer christlichen Haltung wahrer Achtung und echten Mitleids. Personen, die mit Homosexualität ringen, haben nicht weniger als alle anderen das Recht, von denen, die sie seelsorglich begleiten, die authentische Lehre der Kirche zu erhalten. Die Zweideutigkeiten und Irrtümer der Haltung von P. Nugent und Sr. Gramick haben im katholischen Volk Verwirrung gestiftet und der Gemeinschaft der Kirche Schaden zugefiigt. Aus diesen Gründen wird Schwester Jeannine Gramick SSND und Pater Robert Nugent SDS jedweder seelsorgliche Dienst an homosexuellen Personen auf Dauer untersagt, und sie können in ihren jeweiligen Ordensgemeinschaften auf unbestimmte Zeit nicht in irgendwelche Ämter gewählt werden. <665> Vgl. Gen 19,1—11; Lev 18,22; 20,13; 1 Kor 6,9; Rom 1,18-32; 1 Tim 1,10; Katechismus der Katholischen Kir-che, Nm. 2357-2359, 2396; Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Persona humana, Nr. 8: AAS 68(1976)84—85; Schreiben Homosexualitatisproblema: AAS 79(1987)543-554. <666> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2358. Papst Johannes Paul II. hat in einer am 14. Mai 1999 dem Unterzeichneten Sekretär gewährten Audienz die vorliegende Notifikation, die in der Ordentlichen Versammlung dieser Kongregation beschlossen worden war, gutgeheißen und ihre Veröffentlichung angeordnet. Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, dem 31. Mai 1999. + Joseph Kardinal Ratzinger Präfekt + Tarcisio Bertone SDB, Erzbischof em. von Vercelli Sekretär 1188 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE Schutz der Allerheiligsten Eucharistie Päpstlicher Rat für die Interpretation von Gesetzestexten Bezüglich der authentischen Auslegung der cann. 1367 CIC und 1442 CCEO, die heute, 9. Juli, im „L‘Osservatore Romano“ veröffentlicht wird, ist auf Folgendes hinzuweisen: 1. Mit einer genauso knappen wie reichhaltigen und prägnanten Formulierung hat das II. Vatikanische Konzil festgestellt: „Die Heiligste Eucharistie enthält ja das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Und der Kodex des Kanonischen Rechtes, der die reichhaltigen Unterweisungen des Konzils zu dieser Frage und das Lehramt der Kirche fortwährend zusammenfasst, bestimmt: „Das erhabenste Sakrament ist die heiligste Eucharistie, in der Christus der Herr selber enthalten ist, als Opfer dargebracht und genossen wird; durch sie lebt und wächst die Kirche beständig“ (can. 897); deshalb sind „die Gläubigen zu größter Wertschätzung der heiligsten Eucharistie gehalten, indem sie (...) in tiefer Andacht und häufig dieses Sakrament empfangen und es mit höchster Anbetung verehren“ (can. 898). So versteht man die Sorge und das Bemühen der Hirten der Kirche, damit dieses unschätzbare Geschenk tief und fromm geliebt, geschützt und mit jener Verehrung umgeben sei, die der menschlichen Begrenztheit den Glauben an die wirkliche Gegenwart Christi - Leib, Blut, Seele und Göttlichkeit - in den eucharistischen Gestalten auf die bestmögliche Weise nahe bringt, und dies auch nach der Feier des Heiligen Opfers. 2. Wie die Gläubigen aufgefordert sind, diesen Glauben durch Handlungen, Gebete und würdevoll geeignete Gegenstände zum Ausdruck zu bringen, so wird empfohlen, dass jede Nachlässigkeit oder Geringschätzung, die Zeichen eines verminderten Bewusstseins für die göttliche Gegenwart in der Eucharistie sind, sorgfältig aus dem Verhalten der geweihten Amtsträger und der Gläubigen ausgeschlossen werden. Es erscheint hingegen nötig, dass in unserer Zeit, die auch in der persönlichen Beziehung zu Gott von Eile geprägt ist, die Katechese das Christenvolk zu einer vollendeten eucharistischen Verehrung zurückführt. Sie soll nicht auf die Teilnahme an der Heiligen Messe und auf die Kommunion nach den entsprechenden Bestimmungen beschränkt sein, sondern auch die häufige - persönliche und gemeinschaftliche - Anbetung des Allerheiligsten beinhalten, sowie eine liebevolle Fürsorge, damit der Tabernakel, in dem die Eucharistie aufbewahrt wird, sich auf einem Altar oder an einem anderen, gut sichtbaren Ort der Kirche befindet, mit wirklich würdigem Aussehen und passend geschmückt, damit er 2mm Anziehungspunkt wird für jedes Herz, das Christus liebt. 3. Im Gegensatz zu einer so tiefen Verehrung für das lebendige, vom Himmel herabgekommene Brot kommt es zuweilen — es hat sie schon manchmal gegeben und es gibt sie noch immer - nicht nur zu beklagenswerten disziplinarischen Miss- 1189 KONGRETA TIONEN UND RÄTE brauchen, sondern sogar zu Gesten der Verachtung und Schändung durch die Personen, die — fast schon unter satanischem Einfluss — sich anmaßen, das, was die Kirche und das gläubige Volk als ihr Heiligstes bewahren, verehren und lieben, auf diese Weise zu bekämpfen. Um diejenigen, die sich von solchen Empfindungen irreleiten lassen könnten, von ihrer Absicht abzubringen, fordert die Kirche einerseits die Gläubigen auf, jede Form von beklagenswerter Vernachlässigung und Achtlosigkeit zu vermeiden; andererseits sieht sie auch den höchst unerfreulichen Fall solcher Taten vor, die aus Hass und als Schmähung vorsätzlich gegen das Allerheiligste Sakrament gerichtet sind. Aufgrund ihres Gegenstands sind solche Taten ohne jeden Zweifel als sehr schwere sittliche Schuld des Sakrilegs zu betrachten. Der Katechismus der Katholischen Kirche erinnert: „Eine besonders schwere Sünde ist das Sakrileg dann, wenn es sich gegen die Eucharistie richtet, denn in diesem Sakrament ist der Leib Christi substantiell gegenwärtig“ (Nr. 2120). 4. In bestimmten Fällen stellen diese Sakrilegien - nach den Bestimmungen sowohl der lateinischen wie der orientalischen kirchlichen Gesetzgebung - sogar wirkliche Straftaten dar, die daher mit einer Strafe verbunden sind. Das sieht can. 1367 CIC vor, dem - mit den Änderungen, die sich aus jener Gesetzgebung ergeben - can. 1442 des CCEO entspricht. Der Text von can. 1367 lautet folgendermaßen: „Wer die eucharistischen Gestalten wegwirft oder in sakrilegischer Absicht entwendet oder zurückbehält, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu; ein Kleriker kann außerdem mit einer weiteren Strafe belegt werden, die Entlassung aus dem Klerikerstand nicht ausgenommen.“ 5. In Anbetracht der verschiedenen Übersetzungen, die vom Kodex des Kanonischen Rechts angefertigt worden sind, mit den daraus folgenden verschiedenen Nuancierungen der Worte jeder Sprache, wurde an diesen Päpstlichen Rat die Frage gestellt, ob das Wort „abicit“ nur in seinem eigentlichen - aber enggefassten - Sinn als „Wegwerfen“ der eucharistischen Gestalten verstanden werden soll, oder eher im allzu allgemeinen Sinn von „Profanieren“. Unter Beibehaltung der beiden straftätlichen Sachverhalte der Entwendung „abducit“ oder Zurückbehaltung („retinet“) der eucharistischen Gestalten - in beiden Fällen „mit sakrilegischer Absicht“ - wurde eine authentische Auslegung des ersten Tatbestands angefordert, die mit dem Verb „abicit“ dargestellt wird. Nach gründlicher Untersuchung wurde die nachfolgende authentische Interpretation erarbeitet und vom Heiligen Vater bestätigt, der deren Veröffentlichung angeordnet hat (vgl. CIC, can. 16, § 2; CCEO, can. 1498, § 2). Das Verb „abicit“ soll nicht nur in seinem engen Sinne als Wegwerfen und auch nicht im allgemeineren Sinne als Profanieren gedeutet werden, sondern im weitesten Sinne als Verachten, Verschmähen, Herabwürdigen. Es begeht also derjenige die schwere Straftat des Sakrilegs gegen den Leib und das Blut Christi, der die eucharistischen Gestalten mit sakrilegischer (imanständiger, abergläubischer, gottes- 1190 KONGRE TA TIONEN UND RÄTE lästerlicher) Absicht fortträgt und/oder einbehält, oder wer sie, auch ohne sie aus dem Tabernakel, der Monstranz oder dem Altar zu entfernen, zum Gegenstand jedweden äußerlichen, absichtlichen und schwerwiegenden Aktes der Verunglimpfung macht. Wer sich dieses Vergehens schuldig macht, zieht sich in der lateinischen Kirche die Strafe der Exkommunikation „latae sententiae“ (d. h. als automatische Folge -Tatstrafe) zu, deren Nachlass dem Hl. Stuhl Vorbehalten ist, und in den katholischen Ostkirchen die Exkommunikation „ferendae sententiae“ (d. h. sie muss gerichtlich verhängt werden - Spruchstrafe). 6. Es ist nicht müßig, daran zu erinnern - wie auch oben schon angedeutet -, dass die „Sünde“ des Sakrilegs nicht mit der „Straftat“ des Sakrilegs verwechselt werden darf, denn nicht alle solche Sünden sind auch als Straftaten zu werten. Die kirchenrechtliche Lehre sieht vor, dass die Straftat eine „äußerliche und“ zurechenbare Verletzung eines Gesetzes der Kirche ist, die üblicherweise eine Strafe nach sich zieht. Es finden also alle Bestimmungen über Umstände der Milderung oder Rechtfertigung Anwendung, die in den - lateinischen und orientalischen - Codices festgeschrieben sind. Insbesondere muss bemerkt werden, dass das Vergehen des Sakrilegs, von dem hier die Rede ist, eine „äußerliche“, aber nicht unbedingt „öffentliche“ Handlung beinhalten muss. 7. Auch dann, wenn die Kirche sozusagen „gezwungen“ ist, eine Strafe zu verhängen, ist sie stets von der Notwendigkeit veranlasst, die moralische Integrität der kirchlichen Gemeinschaft zu wahren und das spirituelle Wohl sowie die Besserung der Straftäter zu fördern; in diesem Falle tut sie es aber auch und vor allem, um das größte Gut zu schützen, das sie von der göttlichen Barmherzigkeit erhalten hat, nämlich den Herrn Christus selbst, der in der heiligsten Eucharistie zum „Brot des ewigen Lebens“ (vgl. Joh 6,27) wird. + Julian Herranz Titularerzbischof von Vertara Präsident 1191 VI. Anhang ANHANG Erklärende Note zum Brief des Heiligen Vaters an die deutschen Bischöfe vom 3. Juni Papst Johannes Paul H. hat in der schwierigen Frage der rechten Zuordnung der katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen zur staatlich geregelten Beratung gemäß dem Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz vom 21. August 1995 zum dritten Mal ein Schreiben an die deutschen Bischöfe gerichtet. 1. Dieses Schreiben vom 3. Juni 1999 ist im Zusammenhang mit den beiden vorausgehenden päpstlichen Interventionen zu lesen. Bereits in seinem Brief vom 21. September 1995 nahm der Papst zu der neuen gesetzlichen Abtreibungsregelung in Deutschland Stellung. Er verwies auf einige ernste Bedenken hinsichtlich der Einbindung der kirchlichen Beratungsstellen in den Vollzug straffreier Abtreibungen und ersuchte die Bischöfe, die kirchliche Beratungstätigkeit neu zu definieren. In den folgenden zwei Jahren wurde in einem intensiven Dialog zwischen dem Hl. Stuhl und der Deutschen Bischofskonferenz gemeinsam nach einer Lösung in der heiklen Frage gesucht. Mit Schreiben vom 11. Januar 1998 wandte sich der Heilige Vater wiederum an seine Mitbrüder in Deutschland. Er bat sie eindringlich, auf wirksame Weise in der Beratung der hilfesuchenden Frauen präsent zu bleiben, aber keine Bescheinigung mehr ausstellen zu lassen, die nach dem Gesetz die notwendige Voraussetzung für die straffreie Abtreibung darstellt. Mit der festen Absicht, dieser Bitte Folge zu leisten, setzte die Deutsche Bischofskonferenz eine Arbeitsgruppe ein, um Lösungen für deren praktische Umsetzung zu erarbeiten. Die Vorschläge der Arbeitsgruppe wurden am 22. und 23. Februar 1999 von der Vollversammlung der Bischöfe in Lingen eingehend erörtert. Im Anschluss daran leitete Bischof Karl Lehmann, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, den Bericht der Arbeitsgruppe sowie die Ergebnisse der bischöflichen Beratungen an den Papst weiter. In dem Schreiben vom 3. Juni 1999 legt der oberste Hirte der Kirche nun seine Entscheidung vor, nachdem er die verschiedenen Gesichtspunkte der Frage noch einmal in Studium und Gebet vor dem Herrn sorgfältig erwogen hat. 2. Die Deutsche Bischofskonferenz gelangte in der Angelegenheit zu keiner einmütigen Auffassung. Die Mehrheit der Bischöfe sprach sich für einen neuen „Be-ratungs- und Hilfeplan“ aus, der Beratung und verbindliche Zusagen über Unterstützungen, Hilfen und Vermittlungen integriert und mit einer Neuformulierung der Beratungsbescheinigung verbindet. Eine nicht geringe Anzahl von Bischöfen war jedoch der Meinung, dass dieser Vorschlag der päpstlichen Bitte nicht voll entspreche, und optierte deshalb für eine Beratung, die auf die Ausstellung einer Bescheinigung im Sinne des Gesetzes verzichtet. In seinem Schreiben geht Johannes Paul II. auf die wesentlichen Anliegen beider Auffassungen innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz ein und legt eine Ent- 1195 ANHANG Scheidung vor, die - in Übereinstimmung mit den beiden vorhergehenden Interventionen - eine vermittelnde Synthese darstellt. Es ist offensichtlich, dass dem Heiligen Vater die Einheit in der Wahrheit und in der Liebe auch in dieser Frage sehr am Herzen liegt. Seine Sendung als Nachfolger Petri besteht ja wesentlich darin, sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in der katholischen Kirche zu sein. Ausdrücklich dankt der Papst den deutschen Bischöfen, dass sie mehrmals auf die Bedeutung der Einheit untereinander und mit dem Hl. Stuhl hingewiesen haben, um eine glaubwürdige Lösung zu finden und die vorhandenen Polarisierungen unter den Gläubigen zu überwinden. Er bekundet auch seine Hoffnung, dass die von ihm vorgelegte Entscheidung hilft, die Einheit in der Bischofskonferenz in dieser wichtigen Frage zurückzugewinnen und die entstandenen Spannungen in der katholischen Öffentlichkeit zu überwinden. Wie schon früher bringt er unmissverständlich seine Wertschätzung dafür zum Ausdruck, dass die deutschen Bischöfe seit Jahren das Lebensrecht der ungeborenen Kinder verteidigen und keine Mühe scheuen, um den Frauen in schwierigen Situationen im Geist des Evangeliums mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. 3. Die von Johannes Paul II. vorgelegte Entscheidung geht von der weitgehenden Anerkennung des „Beratungs-und Hilfeplans“ aus. Dieser Plan, der die auf das Leben orientierte Beratung mit einer Reihe von Hilfsangeboten verbindet, macht das Ziel der kirchlichen Beratungstätigkeit noch klarer verständlich als bisher; es geht um die tatkräftige Unterstützung der Frauen in Konfliktsituationen und um die unbedingte Verteidigung des Lebensrechtes der ungeborenen Kinder. Die Bescheinigung, die den Frauen gemäß dem „Beratungs- und Hilfeplan“ ausgestellt wird, ist jedoch weiterhin mit einer ernsten Zweideutigkeit behaftet. Sie dokumentiert zwar die Ausrichtung der kirchlichen Beratung auf das Leben und bildet eine Garantie für die Gewähr der zugesagten Hilfen. Zugleich kann sie aber auch verwendet werden, um gemäß StGB §218a (1) eine straffreie Abtreibung durchführen zu lassen. Der Papst führt an, dass wohl aus diesem Grund dem „Beratungs- und Hilfeplan“ die einmütige Zustimmung der Bischöfe versagt blieb. Damit die Verwendung des Scheins als Zugang zur Abtreibung nicht möglich ist, ordnet der Heilige Vater an, in Zukunft die erste von der Arbeitsgruppe vorgeschlagene Textvariante zu gebrauchen, in der nur das Ziel der kirchlichen Beratung und Hilfe erwähnt ist und nicht explizit auf die gesetzlichen Regelungen verwiesen wird, und den Vermerk anzufügen: „Diese Bescheinigung kann nicht zur Durchführung straffreier Abtreibungen verwendet werden.“ Infolge dieses Zusatzes handelt es sich dann wirklich um einen Schein anderer Art, dessen Funktion allein darin besteht, die kirchliche Beratung zu bestätigen und ein Anrecht auf die zugesagten Hilfen zu geben. Diese Klärung trägt dazu bei, die katholische Kirche aus einer Situation zu befreien, welche die Klarheit und Entschiedenheit ihres Zeugnisses für die Unantastbarkeit jedes menschlichen Lebens verdunkelt. Der Papst verweist darauf, dass die Kirche immer am unbedingten Einsatz für jedes ungeborene Leben festhalten und 1196 ANHANG in dieser wichtigen Frage überall in Wort und Tat mit ein und derselben Sprache -ohne Zweideutigkeiten, und Kompromisse - sprechen muss. 4. Johannes Paul II. ersucht die deutschen Bischöfe, seine Entscheidung einmütig anzunehmen und innerhalb dieses Jahres in die Praxis umzusetzen. Dies wird zur Folge haben, dass die Kirche eine Konfliktberatung eigener Art anbietet und in einem konkreten Punkt vom Weg des Gesetzgebers abweicht. Nicht der Schein, der zur Abtreibung verwendet werden kann, sondern die vielfältigen Beratungs- und Hilfsangebote sollen die Frauen, die sich ein Leben mit dem Kind kaum oder gar nicht vorstellen können, in die kirchlichen oder der Kirche zugeordneten Beratungsstellen führen. Die Qualität des „Beratungs- und Hilfeplans“ soll die wirksame Präsenz der Kirche in der Schwangerenkonfliktberatung garantieren. Darüber hinaus vertraut der Papst darauf, dass die Bischöfe den „Beratungs- und Hilfeplan“ auch allen anderen Frauen anbieten werden, die aufgrund ihrer schwierigen Situation Hilfe brauchen. Abschließend dankt der Heilige Vater den Beraterinnen und all jenen, die sich öffentlich oder im Verborgenen für das ungeborene Leben einsetzen. Er bekundet sein Vertrauen, dass die katholischen Gläubigen in Einheit mit den Bischöfen und dem Papst sowie in Zusammenarbeit mit vielen anderen Christen und Menschen guten Willens weiterhin mutig dem Leben dienen. Aus dem Schreiben geht klar hervor, dass in der Frage jede Polemik fehl am Platz ist und es ausschließlich darum geht, sich in Liebe und Wahrheit für Mutter und Kind einzusetzen. Die einzigen Gewinner sollen die Frauen in Not und die ungeborenen Kinder sein. Jesus Christus, der lebt in seiner Kirche, Quelle der Hoffnung für Europa* Instrumentum laboris der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa, veröffentlicht während der 5. Vorsynodalen Ratsversammlung, die vom 16.-18. März 1999 in Rom stattfand Einführung Die Zweite Sonderversammlung für Europa, die kurz vor Beginn des Jahres 2000 vom 1. bis 23. Oktober 1999 stattfindet, ist die letzte in der Reihe der kontinentalen Synoden und gleichsam der Höhepunkt der Vorbereitungsphase. In dieser gab es bedeutsame Momente, wie zum Beispiel die Beratung über das zu wählende Synodenthema, dessen Formulierung dann vom Heiligen Vater genehmigt wurde, sowie die Veröffentlichung der Lineamenta (16. März 1998) mit dem Fragenanhang, die den Interessenten und vor allem den europäischen Bischofskonferenzen zugesandt wurden. Mit der Veröffentlichung des vorliegenden „Arbeitspapiers “ oder Instru- Der vorliegende Text entspricht der Veröffentlichung in der Reihe Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 138; hrsg. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 1999 1197 ANHANG mentum laboris, das die auf das erste Dokument eingegangenen Antworten berücksichtigt, endet nun die Vorbereitung der Synode. Die Ankündigung der Feier der Zweiten Sonderversammlung für Europa weckte in jeder Hinsicht unter den Teilkirchen des Kontinents wie auch in der gesamten Kirche großes Interesse. Das ist aus den vielen Antworten und Stellungnahmen zu den Lineamenta zu ersehen, die im Generalsekretariat eingegangen sind. Viele Teilkirchen nutzten die Vorbereitungsphase und das Li neamenta-Dokument zum gemeinsamen Beten und vertieften Nachdenken über verschiedene Punkte des Synodenthemas, wodurch sie die Reichhaltigkeit des Instrumentum laboris sicherstellten. Während der 5. Vorsynodalen Ratsversammlung, die vom 16. bis 18. März 1999 in Rom stattfand, legte der Vorsynodale Rat anhand des ganzen dem Generalsekretariat aus der Vorbereitungsphase zugeleiteten Materials und mit Hilfe europäischer Fachkräfte den endgültigen Entwurf dieses Arbeitspapiers vor. Die Ratsmitglieder prüften bei dieser Tagung den ersten Textentwurf der aufgrund der Antworten zusammengestellt und gemäß den Themenkreisen gegliedert war, die sich aus den von den Lineamenta gestellten Fragen ergeben hatten. Die Stellungnahmen der Mitglieder des Vorsynodalen Rates wurden dann bei dieser Tagung in den endgültigen Text eingearbeitet, der dem Heiligen Vater zur Approbation vorgelegt wurde. Bei der Abfassung des Textes, der die Antworten und Stellungnahmen inhaltlich wiedergeben sollte, wurden drei Aspekte besonders beachtet, die in gewisser Form im endgültigen Text zu finden sind: 1. die gemeinsamen Gesichtspunkte, 2. die gegensätzlichen Aspekte und 3. die möglichen Versehen in den Antworten. Darüber hinaus ist der Hinweis angebracht, dass das Arbeitspapier nicht nur die oben genannten Themen, sondern auch solche Punkte behandelt, die den Antworten entsprechend weiter geprüft und entwickelt werden sollten. In diesen Fällen werden sie, obwohl sie im vorliegenden Text nicht ausführlich behandelt werden, dennoch erwähnt, so dass sie in den synodalen Debatten auf die Tagesordnung zu setzen sind. Das in vier Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch) vorliegende Instrumentum laboris gliedert sich entsprechend der logischen Entfaltung des Synodenthemas: „Jesus Christus, der lebt in seiner Kirche, Quelle der Hoffnung für Europa. “ Dementsprechend setzt sich das Arbeitspapier aus einer Einleitung und drei Hauptteilen zusammen, deren Titel sich auf die Hauptbegriffe des Themas beziehen. Diese drei Teile sind jeweils in Untertitel aufgeteilt, die damit zusammenhängende Punkte behandeln. Das Arbeitspapier schließt mit einer kurzen Zusammenfassung. Die Einleitung beschreibt den gegenwärtigen Kontext, in dem die Synode stattfindet, und vergleicht ihn mit dem der vorhergehenden Synode. Im ersten Teil, Europa auf dem Weg ins dritte Jahrtausend, findet sich ausreichendes Material für die notwendige Unterscheidung der „ Zeichen der ZeitEs werden die in Europa in den vergangenen zehn Jahren stattgefundenen Veränderungen sowie die Möglichkeiten und Gründe zur Hoffnung, aber auch die Enttäu- 1198 ANHANG schungen, Gefahren und Besorgnisse beschrieben, die diese Wandlungen mit sich bringen. Desweiteren werden einige besonders schwierige Probleme beleuchtet, die aus der derzeitigen Lage Europas erwachsen. Gefragt wird nach den kulturellen Ursachen, die den genannten wahrnehmbaren Neuheiten und Phänomenen zugrundeliegen, und es wird darauf hingewiesen, wie wichtig und entscheidend die anthropologische Frage und noch mehr die „ Glaubensfrage “ ist. Der zweite Teil, Jesus Christus lebt in seiner Kirche, beschreibt die notwendigen Voraussetzungen und Hilfen für die Wahrhaftigkeit und Lebenskraft des Glaubens. Es ist der grundlegende Teil, der hervorheben will, dass man die Hoffnung nur wiedererwecken und wiederfinden kann, wenn man sich auf den Glauben an den Auferstandenen stützt, wenn man das in jedem Menschen lebendige Verlangen nach Jesus erkennt; wenn man an ihn als den einzigen Erlöser glaubt und die Gewissheit hat, dass Jesus Christus und die Kirche eins sind, weil man die Kirche in ihrer innersten Wirklichkeit als „ Geheimnis “ und „ Gemeinschaft “ sieht. Im dritten Teil, Jesus Christus, Hoffnung für Europa, wird darauf hingewiesen, dass die Sendung der Kirche und der Jünger aus der Begegnung mit Christus erwächst. Es werden die Vorbedingungen für die Kirche — will sie dem heutigen Europa Hoffnung vermitteln — aufgezählt mit dem Hinweis, jede wahrhaftig und mutig zu prüfen. Damit will man sagen, dass es notwendig ist, dass die Kirche die Gegenwart und das Handeln Christi und seines Geistes zu erkennen und anzunehmen vermag, dass sie wirkliche, ständige, ihm gleichgestaltete Transparenz Christi, wahrer Ort der Gemeinschaft ist. Der dreifachen Sendung der Kirche, „ martyria ", „ liturgia “ und „ diakonia “ folgend, werden die Möglichkeiten zur Debatte gestellt und gegebenenfalls neu angestoßen, wie die Kirche in Europa heute das „Evangelium der Hoffnung“ durch die Verkündigung, den Gottesdienst und den Dienst am Nächsten verbreiten kann. In diesem Rahmen werden in Bezug auf die Verkündigung und das Zeugnis die Themenkreise der Neuevangelisierung, der Ökumene und des Dialogs mit dem Judentum und den anderen Religionen sowie der Sekten behandelt. Im Hinblick auf den Gottesdienst wird eine Gewissensprüfung über die Gegenwart des Herrn in der Liturgie und der heutigen konkreten liturgischen Praxis angeregt. Für den Dienst am Nächsten liegt der Schwerpunkt auf dem Zeugnis der Liebe, auf dem Bemühen, Gemeinschaft und Solidarität aufzubauen, auf einigen pastoralen Bereichen, die im derzeitigen Kontext scheinbar einen besonderen Einsatz erfordern, und auf der Verpflichtung und dem Einsatz für den Aufbau eines neuen Europas. Im Text wird an die europäischen Märtyrer dieses Jahrhunderts erinnert und auf die Bedeutung dieses Gedächtnisses hingewiesen, das in Europa neue Hoffnung wecken soll. Außerdem wird die Verbindung von Synode und Jubiläum des Jahres 2000 hervorgehoben. Das vorliegende Instrumentum laboris will den Synodenverlauf und die unmittelbare Vorbereitung der Teilnehmer erleichtern und deshalb die Kernprobleme der Kirche in Europa herausstellen. Auf diese Weise will es entsprechende Orientierungen geben für die Aufgabe der Unterscheidung, die den Hirten aufgetragen ist 1199 ANHANG aufgrund ihres Charismas und ihrer Verpflichtung, über den Zeitstrom zu wachen, dessen Zeichen zu erforschen, das zu erfassen, was der Geist den Kirchen sagt, und die zukünftigen Schritte zu bestimmen. Es soll also auch ein Ansporn zur heilsamen „ Gewissensprüfung “ sein. Aber es will vor allem einige Leitlinien als wesentliche Hoffnungsträger für das Europa von heute zur Debatte stellen und zur Überprüfung vorlegen. Sie bestehen in der Erneuerung und Bekräftigung des Glaubens an Jesus, der in seiner Kirche lebt; an Jesus, der als einziger den Menschen, den Völkern und Nationen sichere Hojfnung zu geben vermag; sowie in der Klärung der Bedingungen und Weisen, die es der Kirche ermöglichen, ihrem Auftraggemäß das „Evangelium der Hoffnung“ durch die Verkündigung, den Gottesdienst und den Dienst am Nächsten zu verbreiten. Die im Instrumentum laboris enthaltenen Informationen sind eine Zusammenfassung der beim Generalsekretariat eingegangenen Antworten und werden nun den europäischen Bischöfen, die an der Sonderversammlung teilnehmen, für ihre persönliche Vorbereitung zurückgegeben, damit sie einzelne Punkte für ihre Wortmeldung in der Synode auswählen können. Der Heilige Vater hat die Veröffentlichung dieses Dokuments gern genehmigt; deshalb ist es wünschenswert, dass die Bischöfe in Europa es auch in ihren Teilkirchen für weitere Anstöße und für die Teilnahme aller Gläubigen am Synodenverlauf nutzen mögen. Seiner Natur nach ist das Instrumentum laboris ein Arbeitspapier. Es darf keineswegs als Vorwegnahme der Beschlüsse der Synodenversammlung gesehen werden, wenn auch der Konsens, der sich in gewissen Punkten aus den Antworten ergibt, sich zweifellos in den Ergebnissen der Synode niederschlagen wird. Es ist meine feste Hoffnung, dass Maria, die mit den Jüngern im Abendmahlssaal anwesend war, diese letzten Vorbereitungen leiten und den Synodenteilnehmern in den Beratungen beistehen wird. So möge diese Versammlung viele Menschen zu Christus führen, der in seiner Kirche lebt als Quelle der Hoffnung für Europa, und dem Werk der Evangelisierung des europäischen Kontinents frischen Antrieb geben, während die Kirche sich anschickt, die Schwelle des dritten Jahrtausends zu überschreiten. Jan P. Kardinal SCHOTTE, C.I.C.M. Generalsekretär Einleitung: Zwei Synoden für Europa 1. Im Jahr 1991, als die erste Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa durchgeführt wurde, stand Europa noch ganz unter dem Zeichen der Wiedervereinigung. Für viele Völker Europas war die große Stunde der Befreiung angebrochen, gleichsam des Herauskommens aus den Katakomben und einer Art „Durchzug durch das Rote Meer“. 1200 ANHANG Groß war die Hoffnung. Wie Johannes Paul II. betonte, „scheint ein gemeinsames Empfinden heute die große Menschheitsfamilie zu beherrschen. Alle fragen sich, was für eine Zukunft ... in Frieden und Solidarität aufzubauen ist. Mauern sind gefallen. Grenzen haben sich geöffnet. Ein irdischer Messiasglaube ist zusammengebrochen, und in der Welt steigt der Durst nach einer neuen Gerechtigkeit auf. Eine große Hoffnung hat sich erhoben, Hoffnung auf Freiheit, auf Verantwortung, auf Solidarität und geistige Werte. In dieser bevorzugten Stunde, in der wir leben, rufen alle nach einer vollmenschlichen Zivilisation. Diese ungeheure Hoffnung der Menschheit darf nicht enttäuscht werden“. <667> Der Augenblick ist „günstig, um die Steine der gestürzten Mauer aufzulesen und zusammen das gemeinsame Haus zu bauen“. <668> <667> Johannes Paul II., Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates fiir die Kultur (12. Januar 1990), Nm. 1-2, in „L’Osservatore Romano deutsch “ Nr. 4/1990, S. 9. <668> Johannes Paul II., Ansprache an das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Corps beim Austausch der Neujahrsglückwünsche (13. Januar 1990), 9, in „L’Osservatore Romano deutsch "Nr. 5/1990, S. 7. Gleichzeitig war es dringend notwendig, sich zu fragen, was die wiedererlangte Freiheit bedeutete. Die grundlegende Frage betraf - wie aus dem Synodenthema ,, Ut festes simus Christi qui nos liberavit“ hervorgeht - den wahren Begriff von Freiheit. Denn die Kirche ist wie alle christlichen Kirchen gesandt, diese Freiheit zu bezeugen, zu verkünden und aufzubauen in dem vollen Bewusstsein, dass diese Freiheit keine andere Freiheit als die sein kann, die Christus uns erlangt hat, und dass folglich die angemessene Antwort der Kirche nur eine „Neuevangelisierung“ sein kann. Die Synode, entstanden aus der Erkenntnis, dass Europa eine besonders schwierige geschichtliche Periode durchlebte, bedeutete zugleich eine Quelle der Gnade und Neuheit sowie einen Anruf Gottes und erwies sich als eine besonders günstige Gelegenheit für ein Treffen der Bischöfe sowie für die Erfahrung der Katholizität der Kirche. Aufgabe der Synode war, gründlich über die historische Tragweite der Stunde, die Europa und die Kirche erlebten, nachzudenken und die Zeichen der Zeit zu erforschen sowie entsprechende Weisungen zu entnehmen für den Weg, der im Hinblick auf die Evangelisierung des dritten Jahrtausends durch den gegenseitigen Austausch der Gaben einzuschlagen ist. Es zeigte sich ganz klar, wie der Weg verlaufen sollte. Es ging darum, „den europäischen Menschen die befreiende Botschaft des Evangeliums erneut anzubieten“. <669> Es gab also für die Kirche keine andere Aufgabe als die „Neuevangelisierung“. Denn nur Jesus Christus ist der wahre Befreier des Menschen. Nur er kann die Situation der Befreiung Europas in die rechte Bahn lenken. <669> Bischofssynode, erste Sonderversammlung für Europa, Schlußerklärung, Nr. 3. 2. Heute, acht Jahre danach, befindet sich Europa hingegen in einer Lage, in der -so könnte man sagen - die Einheit bedroht ist. „Ist es nicht so“ - sagte der Papst -, „daß nach dem Fall der sichtbaren Mauer eine andere, unsichtbare Mauer zum Vorschein kam, die unseren Kontinent noch immer teilt - die Mauer, die durch die 1201 ANHANG Herzen der Menschen geht? Es handelt sich um eine Mauer, die gebaut ist auf Angst und Aggressivität, auf dem Mangel an Verständnis für die Menschen anderer Herkunft, anderer Hautfarbe oder anderer Glaubensüberzeugungen. Es ist die Mauer des politischen und wirtschaftlichen Egoismus, des schwindenden Gespürs für den Wert des menschlichen Lebens und für die Würde eines jeden Menschen. Sogar die Erfolge, die in jüngster Zeit im wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Bereich zweifellos zu verzeichnen sind, können die Existenz dieser Mauer nicht verbergen. Sie wirft ihren langen Schatten auf ganz Europa. Das Ziel einer wahren Einheit Europas liegt noch in weiter Feme“. <670> <670> Johannes Paul II., Predigt bei der heiligen Messe in Gnesen [Polen] (3. Juni 1997), Nr. 4, in „L'Osservatore Romano deutsch “ Nr. 24/1997, S. 9-11. Viele Menschen glaubten, die außerodentlichen Ereignisse von 1989 führten zu einem radikalen Wandel der Geschichte und Europa bliebe in Zukunft von solchen Dramen und Teilungen verschont; diese haben aber auch in diesen Jahren europäische Länder und Völker getroffen. An der Schwelle des dritten Jahrtausends ist unser Erdteil zwar noch sehr reich an deutlichen Glaubenszeugnissen im Rahmen eines zweifellos freieren und einmütigeren Zusammenlebens. Er spürt aber die ganze Abnutzung, die durch die ältere und jüngere Geschichte im tiefsten Inneren seiner Völker entstanden ist, was oft zu Enttäuschungen führt. Deshalb ist die Gefahr sehr groß, dass die Hoffnung immer mehr schwindet. Die Aufgabe von heute ist es, die verlorene Hoffnung nicht nur vorübergehend an der Oberfläche, sondern tiefgreifend, überzeugend und auf Dauer wiederzuerwecken. Die Aufgabe besteht wiederum in der Rückkehr zum Evangelium und in der Überzeugung, dass es in Europa „keine Einheit geben (wird), solange diese nicht auf der Einheit des Geistes beruht. Dieses tiefste Fundament der Einheit wurde vom Christentum nach Europa gebracht; es wurde im Laufe der Jahrhunderte von seinem Evangelium, seinem Menschenbild und seinem Beitrag zur Entwicklung der Geschichte der Völker und Nationen gefestigt“. <671> Wenn das die Vergangenheit gelehrt hat, dann gilt auch für heute, dass „sich die Mauer, die sich heute in den Herzen erhebt, die Mauer, die Europa teilt, nicht abzutragen ist ohne die Rückkehr zum Evangelium“. <672> <671> Ebd.. Nr. 5. <672> Ebd. 3. In diesen Kontext ist die Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa einzuordnen. Von Johannes Paul II. in Berlin angekündigt, gehört sie zu den Synoden der einzelnen Erdteile, die in Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 stattfinden. <673> Sie wird an das Ergebnis der vorhergehenden Synode anknüpfen und es weiterentwickeln. Sie wird eine Bestandsaufnahme der jüngsten Jahre machen, alles sorgsam prüfen und sich weiterhin um einen gegenseitigen Austausch der Gaben bemühen. Dadurch legt sie die grundlegenden Zielsetzungen fest: die Lage der Kirche in Europa im Blick auf das Jubiläum zu analysieren, Bei- <673> Vgl. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Tertio millennio adveniente, (10. XI. 1994), Nr. 38: AAS 87(1995)30. 1202 ANHANG träge und Weisungen anzubieten, damit die gewaltigen geistlichen Kraftreserven dieses Erdteils in allen Breiten wirkliche Entfaltung finden, und eine neue Verkündigung des Evangeliums zu fördern, so dass die Voraussetzungen für eine wahre religiöse, soziale und wirtschaftliche Wiedergeburt geschaffen werden. <674> Die Synode will vor allem bekennen, dass „Jesus Christus in seiner Kirche lebt und die Quelle der Hoffnung für Europa ist“. Sie will diese „Hoffhimg gegen alle Hoffnung“ verkünden. Sie will es durch eine aufmerksame und gewissenhafte Lektüre der heutigen Zeit tun, um in ihr die „Zeichen“ und die „Samen“ der Hoffnung zu entdecken, die keinesfalls fehlen. Sie will es vor allem tun, indem sie die Hoffnung einer glaubenden Kirche erneuert. Vgl. Johannes Paul II., Ansprache beim Angelus in Berlin [Deutschland] (23. Juni 1996), Nr. 2, in „L’Osservatore Romano deutsch “ Nr. 26/1996, S. 8. Das ist die wahre „göttliche Hoffnung“. Sie besteht nicht im Optimismus dessen, der meint, er werde es schon schaffen und das erreichen, was er sich vorgenommen hatte. Sie besteht auch nicht im einfachen Vertrauen auf die gute Sache Europas, die durchaus positiven und anregenden Einfluss ausüben mag. Sie ist die Hoffnung, die auch mit dem Risiko des Misserfolgs und der Anstrengung rechnet. Aber weit mehr ist sie eine Hoffnung, die in Gott gründet. Sie ist die wahre göttliche Tugend, die die „Herrschaft“ und liebevolle und siegreiche Gegenwart Christi anerkennt. Sie ist die Hoffnung Abrahams und des Apostels Paulus, die auch vor den Städten im Niedergang nicht aufgegeben haben. Sie ist die Hoffnung dessen, der „entgegen aller Hoffnung weiter hofft“ in der Gewissheit, dass Gott treu ist und seine Verheißungen erfüllt und dass er in Jesus und mit der Kraft des Geistes den Menschen, die Gesellschaft und die Welt nicht verlässt, sondern sich zum Gefährten und Licht auf dem Weg, zur Kraft und Stütze bei der Arbeit macht. 4. Textgrundlage ist die Begegnung der zwei Jünger mit dem Auferstandenen auf dem Weg nach Emmaus (Lk24,13—35), die als „Sinnbild“ für die heutige europäische Situation genommen wird. Denn wie die beiden Jünger scheinen auch viele Menschen in Europa im Gegensatz zur Euphorie, die während der ersten Sonderversammlung der Synode herrschte, entmutigt und niedergeschlagen, denn ihre Erwartungen wurden nicht erfüllt, und sie blicken verunsichert und ohne Hoffnung in die Zukunft. Wie für die Jünger am Abend des Ostertages kann in diesen Menschen nur die Begegnung mit dem Auferstandenen, der in seiner Kirche lebt, „das Herz entbrennen lassen“, so dass sie „noch in derselben Stunde aufbrechen“ und dorthin zurückkehren, wo sich die europäische Geschichte im Leben des Einzelnen entfaltet. So tragen sie dazu bei, in ganz Europa ein Zusammenleben nach dem Maß des Menschen, ohne Ausnahme und Schranken, voll Aufnahmebereitschaft, Solidarität und Frieden zu fordern. Durch diesen Dienst können die Christen und die Kirchen mithelfen, ein neues Europa der geistigen Werte aufzubauen, das fähig ist, über die eigenen Grenzen und Interessen hinweg der ganzen Welt einen neuen Beitrag an Zivilisation, Weisheit und Frieden anzubieten. 1203 ANHANG Erster Teil: Europa auf dem Weg ins dritte Jahrtausend Unterscheidung der „Zeichen der Zeit“ 5. Zwei von den Jüngern waren „auf dem Weg in ein Dorf namens Emmaus, das sechzig Stadien von Jerusalem entfernt ist. Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte“ (Lk 24,13-14). Selbst mit einbezogen in den geschichtlichen Ablauf, konnten sie nicht unbeteiligt bleiben, sondern schauten auf das, was in ihrer Umgebung geschah, und versuchten sich zurechtzufinden. Ja, sie „redeten und tauschten ihre Gedanken aus“ (vgl. V. 17). Aber ihr Weg war von Trauer gekennzeichnet, „sie blieben traurig stehen“ (V. 21), und noch mehr vom Verlust des Glaubens. Da „kam Jesus hinzu und ging mit ihnen. Doch sie waren wie mit Blindheit geschlagen, so daß sie ihn nicht erkannten“ (V. 15-16). Augustinus kommentiert: „Sie sagen: Wir aber hatten gehofft, daß er der sei, der Israel erlösen werde. Ihr Jünger, ihr hattet gehofft, das heißt, daß ihr jetzt nicht mehr hofft. Schaut, Christus lebt, aber eure Hoffnung ist tot. Ja, Christus lebt wirklich. Aber dieser lebendige Christus findet die Herzen der Jünger tot... Sie hatten den Glauben und die Hoffnung verloren. Obwohl sie mit einem Lebenden gingen, waren sie tot. Als Tote gingen sie, begleitet vom Leben. Mit ihnen ging das Leben, aber in ihren Herzen war das Leben noch nicht erwacht“. <675> <675> Augustinus, Rede 235,2.3: PL 38, 1118. Die beiden Jünger sind also ein Sinnbild für viele unserer Zeitgenossen im Europa von heute, das von der Hoffnung auf den Herrn geprägt wurde und das der Herr nicht verlassen hat. Viele Europäer scheinen verstört, verwirrt, verunsichert und fast ohne Hoffnung zu sein. Nicht wenige Christen befinden sich in diesem Seelenzustand und scheinen den Glauben verloren zu haben oder beschränken sich darauf, eine gewisse Praxis beizubehalten oder eine bestimmte oberflächliche Frömmigkeitsform auszuüben. Die Zeichen der Zeit unterscheiden 6. Ihrer prophetischen Sendung getreu wollen die Bischöfe mit ihren Kirchen auf der Synode sich prüfen, um die Zeichen der Zeit zu erforschen und im Licht des Evangeliums zu beurteilen. <676> Es geht darum, „über all das zu sprechen, was sich in Europa ereignet hat“, und - im Unterschied zu den Jüngern von Emmaus — sich von der Gegenwart und vom Wort des Herrn prüfen und erleuchten zu lassen in dem Bewusstsein, dass der Herr mit ihnen, mit ihren Kirchen und mit Europa auf dem Weg ist. <676> Vgl. II. Vatikanisches Ökumenisches Konzil, Const. past. de Ecclesia in mundo huius temporis Gaudium et spes, Nm. 4.11. So war es schon bei der ersten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa, die Johannes Paul II. einberufen hatte, um eingehend über die Tragweite der historischen Stunde nachzudenken, die für Europa und für die Kirche durch die 1204 ANHANG Ereignisse von 1989 angebrochen war. Zugleich sollten die Zeichen der Zeit erforscht werden und Wegweisungen gefunden werden, <677> indem man zu verstehen suchte, was der Geist Christi der Kirche durch die Erfahrungen der Vergangenheit sagen und welchen Weg er ihr für die Zukunft weisen wollte. <678> Die Aufgabe der Unterscheidung endet jedoch nicht mit der Synode, sondern ist den Hirten im Leben der Kirche ständig aufgetragen und wird noch dringlicher angesichts des im Laufe der Geschichte sich wandelnden und immer neuen Weltbildes. Wie Johannes Paul II. hervorhob, ist es also wieder „notwendig, daß die Christen es verstehen, diese vom kairbs unserer Stunde gebotenen Möglichkeiten aufzugreifen und zu zeigen, daß sie auf der Höhe der pastoralen Aufgaben stehen, die sich aus der konkreten geschichtlichen Situation ergeben“. <679> Deshalb fühlt sich die Synode gedrängt, die konkreten geschichtlichen Ereignisse der vergangenen Jahre in Europa und die sich gegenwärtig abzeichnenden Tendenzen mit großer Aufmerksamkeit zu beobachten. Es ist eine Aufmerksamkeit, verbunden mit der Unterscheidung und der kritischen Beurteilung, die die positiven und negativen bzw. problematischen Aspekte beleuchtet und Wege weist, damit Europa seine Identität nicht aufgibt, seine Verpflichtungen nicht vernachlässigt und so die Hoffnung wieder aufleben lässt. Es geht also darum, wie Johannes Paul II. betont und lehrt, voll Liebe und Sympathie auf Europa zu schauen: mit einer Haltung, die dem eigen ist, der alles Positive und Förderliche, das ihm begegnet, anzuerkennen, hochzuschätzen und zu nutzen weiß, der aber auch nicht die Augen verschließt vor dem, was dem Evangelium nicht entspricht, und es anprangert, wobei er nicht müde wird, weitere Ziele aufzuzeigen und anzupeilen. <677> Vgl. Johannes Paul U., Ansprache heim „Regina caeli“ in Velehrad [Tschechische Republik] (22. April 1990), Nr. 2, in „L'OsservatoreRomano deutsch “ Nr. 17/1990, S. 3. <678> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Mitglieder der Tagung zur Vorbereitung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa (5. Juni 1990), Nr. 9, in „L’Osservatore Romano deutsch “ Nr. 26/1990, S. 10. <679> Johannes Paul II., Ansprache an die Niederländische Bischofskonferenz beim „ ad limina “-Besuch (11. Januar 1993), Nr. 2, in „L’Osservatore Romano deutsch “Nr. 4/1993, S. 11. Die „ res novae “ im Europa des letzten Jahrzehnts 7. Obwohl seit 1989 zehn Jahre vergangen sind und jene Ereignisse für viele Menschen weit zurückliegen, sind ihre Auswirkungen auf das Leben Europas und seine Kirchen noch deutlich spürbar. Zweifellos haben nach diesen Ereignissen bedeutsame Veränderungen im Leben der Kirchen stattgefünden. Wie bereits in der Synode vor acht Jahren betont wurde, zeigt die Kirche in Ost-und in Westeuropa „eine neue Lebenskraft, besonders in der biblischen und liturgischen Erneuerung, in der aktiven Teilnahme der Gläubigen am Pfarrleben, in den neuen Formen des Gemeinschaftslebens sowie in der Wiederentdeckung des Gebets und des kontemplativen Lebens und in den vielfältigen Formen des hochher- 1205 ANHANG zigen Dienstes an den Armen und Ausgegrenzten“. <680> Bedeutsam ist auch die Präsenz kleiner Kommunitäten und neuer kirchlicher Gruppen und Bewegungen, insgesamt Lebensformen, die die Frische und Lebenskraft des Glaubens wecken und fordern und die kirchliche Gemeinschaft beleben sowie „dem Leben der Kirche eine unerwartete und manchmal sogar überraschende Neuheit verliehen“ <681> haben. Unterschiedliche Menschen wurden von Charismen, die der Heilige Geist bewirkt hatte, gepackt und zu „neuen Wegen des missionarischen Einsatzes im Dienst am Evangelium angetrieben, während sie ständig die Wahrheiten des Glaubens verkündeten, den lebendigen Fluß der Tradition annahmen und in jedem einzelnen das brennende Verlangen nach Heiligkeit weckten“. <682> <680> Bischofssynode, erste Sonderversammlung für Europa, Schlußerklärung, Nr. 1. <681> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache bei der Begegnung mit den kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften (30. Mai 1998), Nm. 5-6, in „L ’Osservatore Romano deutsch " Nr. 24/1998, S. 8. <682> Ebd. Die neue Freiheit und die Verkündigung der Menschenrechte in den Ländern hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang ermöglichten den jahrzehntelang „in Ketten“ lebenden Kirchen eine neue Handlungsfreiheit. Trotz der Mühen und Schwierigkeiten, die der Wiederaufbau einer von der Diktatur und einem irrigen Lebenssystem besonders im inneren Wachstum gestörten Welt mit sich bringt, war das Zeugnis dieser Kirchen sehr bedeutsam. Gleiches gilt für die verheißungsvollen Programme, die die Kirchen erstellt hatten, um dem Wunsch entsprechend auf allen Ebenen das lange Zeit unterdrückte und ausgegrenzte religiöse und kulturelle Erbe „sicherzustellen“ und durch die konziliare und nachkonziliare Lehre zu bereichern. Zur gleichen Zeit haben vor allem typisch westeuropäische negative Phänomene wie der praktische Materialismus, das Konsumverhalten, der Hedonismus und der kulturelle und religiöse Relativismus auf die osteuropäischen Völker Einfluss genommen und die Arbeit der Ortskirchen erschwert. Es fehlte nicht an Haltungen des Misstrauens seitens einiger Kirchen des Ostens gegenüber den westlichen Kirchen aus Furcht, mit ihnen nicht Schritt halten und den Dialog nicht „auf gleicher Ebene“ führen zu können und den oft mit heroischen Opfern erkämpften Einfluss zu verlieren. Manchmal war es für Ordensleute aus Westeuropa, die zu den Kirchen des Ostens gesandt wurden, nicht leicht, die Situation vor Ort zu verstehen und mit den Vertretern der Ortskirche zusammenzuarbeiten. Der Übergang von einem unterdrückten Christentum zu einem in Freiheit gelebten Christentum brachte die Schwächen mancher Positionen zutage, was negative Auswirkungen auf die Anzahl geistlicher Berufe hatte, vor allem in Ländern, die zuvor sehr viele Berufungen hatten. 8. Große und bedeutsame Veränderungen gab es auch im kulturellen, sozialen und politischen Bereich. Zu berücksichtigen ist vor allem, dass in den letzten zehn Jahren eine Entwicklung im Gang ist, die manchmal einer Neugründung des Staates und des gesamten Zusammenlebens ähnelt, so dass man in jedem Fall von einem noch unvollendeten 1206 ANHANG Übergang auf politischer und institutioneller Ebene spricht, d.h. von einem Vorgang, der leider die Form schwerer blutiger Konflikte angenommen hat. Es ist ein Übergang, der in vielen Ländern mit der Suche nach Wegen zur korrekten Ausübung der Freiheit und der Demokratie nach jahrzehntelanger kommunistischer Herrschaft verbunden ist. In anderen Ländern wird dieser durch die Krise und den Zusammenbruch des kommunistischen Blocks hervorgerufene Übergang im Wandel der politischen Ordnung deutlich. Weitere Folgen sind die fortschreitende Zerbröckelung des Katholizismus durch unterschiedliche Parteinahmen, die die Kirchen zwingen, neue Formen der Beziehung und Präsenz zu suchen. Der Übergang wird auch durch das Auftreten neuer Personen, Völker und Nationalitäten auf der Bühne Europas und der Welt deutlich, mit allem, was das in Bezug auf eine rechte Interpretation der Völker- und Nationenrechte bedeutet. Der Fall des Eisernen Vorhangs hat nach Jahrzehnten erstmals eine direkte Kon-taktnahme mit den mittel- und osteuropäischen Ländern ermöglicht. Es hat sich eine Wanderungsbewegung aus Osteuropa und zusätzlich auch aus dem Süden und aus den verschiedenen afrikanischen und asiatischen Ländern entwickelt. Die Armen und Obdachlosen kommen aus vielen Ländern hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang sowie aus Afrika und Asien in die westeuropäischen Städte, und nicht selten handelt es sich um illegale Einwanderungen. Diese Wanderungsbewegung bringt in Europa vielfältige soziale und kulturelle Probleme mit sich, die aufmerksam zu unterscheiden sind und verantwortlich bewältigt werden müssen. So entsteht von Jahr zu Jahr eine immer pluralistischem Situation in Bezug auf die ethnischen, kulturellen, religiösen und sozialen Bedingungen. Und das alles stellt eine Herausforderung dar für die Kirchen, die sie - nicht ohne Schwierigkeiten -zu bewältigen suchen, indem sie neue Formen der Aufnahme, der Solidarität schaffen und einen interreligiösen und interkulturellen Dialog in Gang bringen. Man darf auch das allgemein verbreitete Phänomen der Globalisierung nicht außer acht lassen, das die europäischen Völker und Staaten erfasst und miteinbezogen hat. In den jüngsten Jahren hat sich der europäische Einigungs- und Integrationsprozess zwischen den Mitgliedstaaten der Union sogar bis zur Herausgabe der gemeinsamen Geldwährung beschleunigt. Die Beteiligung an diesem Entwicklungsprozess ermöglichte vielleicht erstmals einem Großteil der europäischen Völker, die wachsende Bedeutung der europäischen Institution für das nationale Leben konkret zu ermessen, weil sie über eine rhetorische und distanzierte Sicht des europäischen Horizonts hinausging. In diesem Kontext entfalteten sich feste Formen der Beziehungen, des Dialogs und der Konsultation zwischen den europäischen Institutionen und der katholischen Kirche (durch die Bischöfliche Kommission bei der Europäischen Gemeinschaft) und zwischen den katholischen Kirchen ganz Europas (durch den Rat der Europäischen Bischofskonferenzen), Formen, die für die Beteiligung der Kirche am Aufbau des neuen Europas grundlegend sind. Es ist unschwer festzustellen, dass auch der gegenwärtige historische Zeitpunkt in Europa deutlich macht, dass es sich noch an einem Kreuzpunkt befindet, wo der Aufbau, die Vereinigung und die Evangelisierung Europas ebenso grundlegende 1207 ANHANG Aufgaben sind. Und zugleich zeigt sich deutlich, dass die derzeitige europäische Geschichte — wie der Heilige Vater mehrmals betont hat - von tiefgreifenden Veränderungen und vielen Problemen gekennzeichnet ist, aber gleichfalls unerwartete Möglichkeiten in Bezug auf die Evangelisierung, das Zusammenleben und die Zusammenarbeit mit sich bringt. <683> Mit anderen Worten, es sind Umstände, die Grund zu Hoffnung und Sorge geben, und diese verantwortlich zu unterscheiden und zu beurteilen, ist Aufgabe der Synode. <683> Vgl. Johannes Paul![., Ansprache zum Abschluß des vorsynodalen Symposions europäischer Wissenschaftler im Vatikan (31. Oktober 1991), Nr. 1, in „L’Osservatore Romano deutsch " Nr. 46/1991, S. 7; Ansprache an den neuen Botschafter Großbritanniens beim Hl. Stuhl, Andrew Eusace Palmer, bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens (26. September 1991), in „L’OsservatoreRomano“, 27. September 1991, S. 6; Brief an die Bischöfe Europas zum Beginn der Sonderversammlung der Synode (9. Oktober 1991), in „L’Osservatore Romano“, 12. Oktober 1991, S. 1; Weihnachtsbotschaft „ Urbi et Orbi“ (25. Dezember 1991), Nr. 7, in „L’Osservatore Romano“, 27./28. Dezember 1991, S. 5. Möglichkeiten und Gründe zur Hojfnung 9. In der gegenwärtigen europäischen Geschichtsperiode gibt es nicht wenig Grund zur Hoffnung, obwohl meist begründete Besorgnisse oder Enttäuschungen zu überwiegen scheinen. Es geht vor allem darum, diese „Samenkörner und Zeichen der Hoffnung “ zu entdecken und zu erschließen. Im allgemeinen ist leicht festzustellen, dass die veränderten sozialen und politischen Umstände einer wachsenden Zahl von Europäern eine bessere Lebensqualität ermöglichen, den freien Verkehr und Kontakt der Personen untereinander sowie ein gegenseitiges Kennenlemen der Völker des Ostens und des Westens erleichtern, ihren kulturellen Austausch fördern, gemeinsame religiöse Erfahrungen vor allem unter der Jugend begünstigen und gemeinsame Initiativen entfalten, um Europa als das gemeinsame Haus aufbauen zu helfen. Im engeren kirchlichen Bereich bietet der oben beschriebene Horizont zweifellos neue und ausgedehnte Möglichkeiten gemeinschaftlicher Beziehungen, der Solidarität und des Teilens unter allen Kirchen Europas und auf allen höheren Führungebenen, wenn auch die Kommunikation nicht immer ausgewogen erscheinen mag und das wiedererlangte „Atmen mit zwei Lungen“, um ein Lieblingswort Johannes Pauls II. zu zitieren, noch auf Schwierigkeiten und Verzögerungen stößt. In manchen Kirchen des Ostens stellt man einen bedeutsamen Aufschwung der katechetischen, liturgischen, caritativen und kulturellen Aktivität fest. Neue Bereiche öffnen sich der Evangelisierung der Kirche, und die Möglichkeit zur Nutzung der sozialen Kommunikationsmittel für den Missionsauftrag wachsen. In einigen Ländern bietet sich die Gelegenheit für eine Neuevangelisierung vor allem im Bereich der christlichen Bildung und in dem der Priester- und Ordensberufe, die zuvor auch mit bürokratischen Mitteln behindert worden waren. Durch die wiedererlangte Freiheit konnten die Angehörigen der Ordensinstitute wieder in Gemeinschaft leben und Pastoralprogramme teilen, während sie allmählich und nicht ohne Schwierigkeiten und Leiden die frühere Situation überwanden. Zu den positiven 1208 ANHANG Ergebnissen zählt in einigen Nationen eine Zunahme der geistlichen Berufe, die Grund zur Hoffnung bietet. In einigen Ländern des Ostens, wo das liturgische Leben stark behindert worden war, wurde der Gottesdienstbesuch wiederaufgenommen und allgemein die liturgische Praxis in vielfältiger Form eingeführt. Auch geistliche Bewegungen sind dabei, sich auszubreiten - wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten. Nicht zuletzt zeigt sich unter den Jugendlichen ein Verlangen nach authentischer Spiritualität. In den westlichen Kirchen sind Aufhahmezentren und Gelegenheiten der Begegnung entstanden, wo ehemalige Anhänger verschiedenster Ideologien Zusammentreffen. In zunehmendem Maß entstehen auch Aufhahmezentren für die wachsende Zahl der Einwanderer. In manchen großen westlichen Ländern ist eine Entfaltung des Katechumenats und die Rückkehr von lange der Kirche fernstehenden Christen zum Glauben zu verzeichnen. Manche westliche Kirchen, die den tiefgreifenden Wandel als Beobachter von außen erlebt haben, konnten die Wirklichkeit der „communio“ mit den Schwesterkirchen wachsen sehen. Sie lernten Leben und Kultur von bisher fremden oder sogar feindlichen Völkern kennen. Durch den Fall der Mauern erhielten die kirchlichen Hochschulen Westeuropas einen starken Zustrom von Priesteramtskandidaten, Priestern, Ordensleuten und Laien aus den ehemaligen kommunistischen Ländern und forderten gleichzeitig die Entsendung der eigenen Hochschullehrer und Fachexperten zu den Kirchen des Ostens als Dozenten und Berater. 10. Im kulturellen und sozialen Bereich fehlt es nicht an Möglichkeiten und Zeichen der Hoffnung, die es zu erkennen und zu erschließen gilt. In und hinter diesem auf politischer und institutioneller Ebene stattfindenden Wandlungsprozess kann man leicht ethische Gründe und Ansprüche erkennen, die nicht unterschätzt werden dürfen, auch wenn sie oft einer tiefgehenden Reinigung bedürfen. Es sind Ansprüche, die auf ein tiefes Verlangen nach politischer Freiheit und noch tiefer auf die Möglichkeit zurückgehen, eine pluralistische Gesellschaft aufzubauen, in der die Rechte aller, auch der Minderheiten, tatsächlich geschützt werden, sowie auf den Wunsch nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit, der gleichfalls als potentieller positiver Entwicklungs- und Verantwortungsfaktor zu berücksichtigen ist. Die Anwesenheit verschiedener Völker, Kulturen und Religionen kann sich als günstige Gelegenheit und beinahe als Plicht erweisen - will man nicht in einer Situation ständigen Konflikts und der Ausgrenzung der Schwächsten leben -, eine kulturelle Einheit anzustreben, die heute nicht mehr „ausschließlich christlich“, sondern „im Dialog und in der Zusammenarbeit pluralistisch“ denkbar ist, bei dem die Christen eine unabdingbare Aufgabe haben. Sie sollen die Gelegenheit nutzen, das „Zusammenleben der Kulturen“ zu verwirklichen, das jede Versuchung zur Auseinandersetzung in einen Wettlauf wechselseitigen Dienstes und der Aufnahme umwandelt, in eine Synthese nach dem Maß des Menschen und der Bürger, das heißt in eine größere Wirklichkeit, in der alle Nationen und Kulturen Platz finden. 1209 ANHANG Auch das Phänomen der Globalisierung mit all seinen Zwiespältigkeiten und Gefahren bringt günstige Möglichkeiten mit sich: Es bedeutet sicher zunehmende Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit sowie Produktionssteigerung und kann zugleich den Interdependenz- und Einigungsprozess unter den Völkern als wahren Dienst an der ganzen Menschheitsfamilie vorantreiben. Beim Aufbau Europas hat auch die Währungsunion ihren Platz und ihre Bedeutung und bietet eine große Chance. Sie erfordert nicht nur eine Überprüfung der Zweckmäßigkeit und der Ausdehnung der Souveränität der einzelnen Staaten, sondern kann die Solidarität Europas und seine wirtschaftliche Entwicklung in globaler Sicht besser stabilisieren und sicherstellen. Sie kann ein mächtiges Instrument zum freien Wechsel und Austausch werden und einen Qualitätssprung für das Zusammenleben in Europa darstellen. Sie kann, wenn auch nur Schritt für Schritt, zu konkreten Fortschritten führen, die für die Zielsetzung von dringenden und grundlegenden Werten notwendig sind. Enttäuschungen, Gefahren und Besorgnisse 11. Die Lektüre der in Europa in den vergangenen zehn Jahren stattgefündenen Veränderungen darf nicht zu einfältigem Optimismus veranlassen. Sie soll vielmehr vom Realismus gekennzeichnet sein, der vor der Unsicherheit und Brüchigkeit der gegenwärtigen Situation in Europa nicht die Augen verschließt. Denn es mangelt nicht an neuen gefährlichen Illusionen und Enttäuschungen, auf die Johannes Paul II. von vornherein hinwies. <684> Unverkennbar bestehen große Gefahren und Besorgnisse. Gerade diese Mischung von Enttäuschungen, Besorgnissen und Gefahren zeigt ein Europa, das scheinbar jede Hoffnung verloren hat. <684> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates fiir die Kultur (12. Januar 1990), 2, in „L’OsservatoreRomano deutsch“Nr. 4/1990, S. 9. Das Klima der Enttäuschung wird - so scheint es - vor allem von der verbreiteten Meinung genährt, der Aufbau eines gemeinsamen europäischen Hauses, das auf den Werten des Evangeliums gründet, habe sich trotz aller Anstrengungen und Versuche und entgegen der von den Kirchen zu Anfang der neunziger Jahre ausgesprochenen Erwartung als ein sehr schwer erreichbares Ziel erwiesen. Der Plan, die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Bündnisse neuzuordnen, abgesehen von einer Bezugnahme auf die christlichen Werte, hat sich als ein Kampf um die Macht und nur teilweise zum Wohl der Bevölkerung der einzelnen Länder entpuppt. Im Allgemeinen hat man erkannt, dass der Kommunismus nicht der einzige Feind ist. An die Stelle der kulturellen Herrschaft des Marxismus ist die Herrschaft eines undifferenzierten und tendenziös skeptischen oder nihilistischen Pluralismus getreten. Er ist im heutigen Leben der Gesellschaft weit verzweigt und führt zu einer stark eingeschränkten Anthropologie, ja nicht selten zum Verzicht auf jede Möglichkeit von Sinngebung. 1210 ANHANG Insbesondere in den Ländern Osteuropas wurden so manche Erwartungen enttäuscht. Man hat die Auswirkungen des Kommunismus und die durch ihn hervorgerufene anthropologische und ethische Leere nicht genügend berücksichtigt. Man hegte die törichte Illusion, dass mit dem Zusammenbruch des Kommunismus alles automatisch an die rechte Stelle gerückt würde. Manche dachten, die Demokratie bringe automatisch Reichtum und Wohlstand, und mit der Freiheit erlangten alle Konsumenten die Güter des Westens und alle fanden einen sicheren Arbeitsplatz, was zu einem Wirtschaftswachstum führen sollte. Hingegen gerieten Tausende Familien in eine Armutskrise. Auf politischer Ebene wird die Enttäuschung dadurch verstärkt, dass nicht wenige Menschen, die den früheren führenden kommunistischen Kräften angehörten, wieder Machtpositionen erlangt haben, und dass an die Stelle von Freiheit und Frieden gewalttätige Nationalismen getreten sind. Es fehlt auch nicht an Enttäuschungen, die auf die Abkapselung und das Desinteresse Westeuropas angesichts der Dramen einiger ehemaliger kommunistischer Länder zurückzufuhren sind, die sich weniger bereit und offen gezeigt haben, die Verschiedenheit und die Rechte der einzelnen Völker und einiger Minderheiten, die auf dem Weg zur Selbstbestimmung sind, zu achten und zu schützen. 12. Offensichtlich gibt es auch heute Gefahren für Europa, und sie werden von mehreren Seiten aufgezeigt. Auf sozialer Ebene zum Beispiel kann das bereits genannte Phänomen der Globalisierung, weil es oft ausschließlich oder überwiegend vom kommerziellen Denken und zum Vorteil der Mächtigen gesteuert wird, Vorbote weiterer Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten und Ausgrenzungen sein. Es kann zum Anstieg der Arbeitslosigkeit führen, den Sozialstaat in Gefahr bringen und die Tendenz zur Ungleichheit zwischen den einzelnen Ländern und innerhalb der industrialisierten Länder begünstigen. Die Globalisierung kann Fragen aufwerfen hinsichtlich des Begriffs der „tragbaren Entwicklung“, neue Formen der sozialen Ausgrenzung, der Instabilität und Unsicherheit bewirken, die harmonische Beziehung zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in Frage stellen, die Macht der nationalen Autorität in wirtschaftlichen Angelegenheiten verringern und eine Art ungezügelter „Hyperkonkurrenz“ usw. mit sich bringen. Auch die Einführung der gemeinsamen europäischen Währung birgt gewisse Gefahren, weil sie die Hegemonie der Finanz und das Übergewicht der wirtschaftlichen und kommerziellen Aspekte begünstigt. Sie kann dazu beitragen, in Europa neue vorwiegend gegen den Osten gerichtete Mauern aufzubauen, um die stabileren Wirtschaftssysteme zu schützen und sich gegen den Einwandererstrom zu verteidigen. Denn zweifellos besteht immer noch die Gefahr einer neuen Teilung Europas in zwei Hälften: auf der einen Seite die Länder mit stabiler Währung, auf der anderen Seite diejenigen mit nichtkonvertierbarem Geld. Auf der einen Seite ein verhältnismäßig stabiles Wirtschaftssystem, auf der anderen ein schwächliches Wirtschaftssystem mit entsprechenden Auswirkungen auf das Zusammenleben und die Sicherheit. 1211 ANHANG 13. Im kulturellen Bereich „breiten sich eine Mentalität und Verhaltensweisen aus, die ausschließlich die Befriedigung der eigenen spontanen Wünsche und der wirtschaftlichen Interessen gelten lassen durch eine irrige Verabsolutierung der Freiheit des Einzelnen und durch den Verzicht auf jede Begegnung mit einer Wahrheit und mit Werten, die über den persönlichen Horizont oder den der Gruppen hinausgehen. Obwohl der aufgezwungene Marxismus zusammengebrochen ist, sind der praktische Atheismus und der Materialismus in ganz Europa weit verbreitet. Ohne daß sie aufgezwungen und nicht einmal ausdrücklich genannt werden, leiten sie dazu an, zu denken und zu leben, ,als ob Gott nicht existierte“1. <685> <685> Bischofssynode, erste Sonderversammlung für Europa, Schlußerklärung, Nr. 1. In dieser Hinsicht ist in den westlichen Ländern durch den Zusammenbruch der Ideologien und Utopien eine wachsende Gleichgültigkeit zu verzeichnen, und eine Art pragmatischer Materialismus scheint zu dominieren. Zugleich scheint das Konsumverhalten durch die damit verbundene Säkularisierung auch ganz Osteuropa erfasst zu haben. Ja, es ist sogar festzustellen, dass sich in manchen Ländern Osteuropas die ungezügelte Verbreitung des Kapitalismus in seinen strengsten Formen auf Mafia-Mechanismen stützt, die das gesamte öffentliche Leben bedrohen. In manchen osteuropäischen Ländern begegnet man gegenüber den aus westlichen Ländern stammenden Meinungen und Mentalitäten einerseits einer Haltung unkritischer Annahme, anderseits einer ebenso unkritischen Ablehnung mit der Gefahr schwerer Auseinandersetzungen und Polarisierungen innerhalb der Gesellschaften. Ebenso gibt es im Innern der Kirche die Tendenz, alles in Frage zu stellen, so als müsse in ihr in Bezug auf Fragen der Ethik und Glaubenslehre gleichfalls das demokratische Mehrheitsprinzip gelten. In diesem Gesamtbild wird die Gefahr immer spürbarer, dass durch die Verabsolutierung und einseitige Bekräftigung einiger Werte und gültiger Prinzipien zum Nachteil anderer die europäische Zivilisation in Frage gestellt wird. Wird zum Beispiel die Freiheit verabsolutiert und aus ihrem Bezug zu anderen Werten wie der Solidarität herausgerissen, kann sie zum Zerfall unseres Gesellschaftssystems führen. Eine als absoluter Wert beanspmchte Freiheit läuft Gefahr, die Gesellschaft zu zerstören, die sie hat aufbauen helfen. 14. Im rein religiösen und kirchlichen Bereich besteht weiterhin die in der vergangenen Synode für Europa beschriebene Situation. Denn heute wie damals „gibt es die Suche nach religiösem Erleben, wenn auch in einer Vielfalt von nicht immer kohärenten Formen, die oft weit fort vom wahren christlichen Glauben führen. Vor allem junge Menschen suchen ihr Glück in vielen Symbolen, Bildern und auch leeren Dingen und neigen leicht zu neuen Formen von Religiosität und Sekten unterschiedlicher Herkunft“. <686> Zu den unsichersten Faktoren gehört nach Meinung vieler die wachsende religiöse Nachfrage, weil sie von einer Flucht in den Spiritualismus und vor allem vom religiösen und esoterischen Synkretismus begleitet wird, <686> Ebd. 1212 ANHANG was zum Aufblühen von Sekten und Gruppenbildungen fuhrt, die nur eine wirre Beziehung zum „Heiligen“ haben. Diese neuen Angebote schöpfen ihre Kraft nicht so sehr aus einer wesentlichen Lebensneuheit, sondern aus dem Anschluss an ein ichbezogenes Lebenssystem, das den übersteigerten Individualismus mit der Suche nach Schutz und Belohnung bietenden Gruppen maskiert. Europa droht die Gefahr einer fortschreitenden und tiefgreifenden Entchristlichung und eines Rückfalls ins Heidentum. In manchen Ländern ist die Zahl der Nichtge-tauften äußerst hoch. Oft sind die Grundelemente des Christentums nicht mehr bekannt. In manchen Fällen steht man vor einem radikalen Schwund von Katechese und christlicher Bildung. Das alles fuhrt auch zu einer tiefen Krise der europäischen kulturellen Identität, so dass man schon von einer Art „Apostasie Europas“ spricht. Das starke Absinken der Anzahl der Priester- und Ordensberufe in einigen Ländern bringt die Gefahr einer unklaren oder mangelhaften und unangemessenen Sicht der Kirche mit sich. So heißt es z.B., die Präsenz des geweihten Amtes sei nicht wichtig und nicht unbedingt notwendig und könne - nach einem rein zweckmäßigen Verständnis von kirchlicher Gemeinschaft - durch die Präsenz von Personen ersetzt werden, die die erforderliche Qualifikation auf einem bestimmten Bildungsweg erworben haben. Hingewiesen wird auch auf die Gefahr, dass die Initiativen der westeuropäischen Kirchen zugunsten der osteuropäischen unbewußt und tatsächlich dazu neigen, sie „zu verwestlichen“, anstatt ihnen dem Evangelium entsprechend zu dienen und ihre kulturellen und religiösen Reichtümer zu erschließen. 15. Das alles trägt dazu bei, in manchen Kirchen berechtigte Besorgnisse hervorzurufen. Die erste, ernste Besorgnis ist mit der Tatsache verbunden, dass Europa immer mehr ein Ort wird, der eine Neuevangelisierung und neue missionarische Anstrengung braucht. Und das aufgrund der tiefgehenden, radikalen Veränderungen seiner vielfältigen kulturellen und religiösen Tradition, ohne deshalb das zu verkennen, was die Anwesenheit der einzelnen Kirchen und christlichen Gemeinschaften in den verschiedenen Gebieten getan haben und weiterhin tun. In manchen Fällen geht es darum, das Evangelium Christi denen zu verkünden, die es noch nicht kennen. Anderswo ist das ganze christliche Netz der christlichen Gemeinschaften neu zu knüpfen. In den osteuropäischen Ländern, wo man den negativen Folgen des kommunistischen Atheismus begegnet, ist eine Art „Erstevangelisierung“ notwendig, weil viele, obwohl sie in Ländern leben, die die Botschaft und das auch heroische Zeugnis des Evangeliums bereits kennengelemt hatten, Jesus, unseren Herrn, noch keineswegs kennen. In den westlichen Ländern, die von raschen Entwicklungen und den Herausforderungen der Säkularisierung, Globalisierung und Urbanisierung erfasst sind, ist es dringend notwendig, eine „Neuevangelisierung“ in Gang zu bringen, die eine neue Inkulturation des Evangeliums bewirkt. Im einen und im anderen Fall wächst die Notwendigkeit, innerhalb der einzelnen Kirchen und zwischen den verschiedenen Kirchen und christlichen Gemeinschaften mit Hilfe einer 1213 ANHANG intensiven und achtungsvollen ökumenischen Zusammenarbeit alle verfügbaren Kräfte zu vereinen und die Anstrengungen auf einige primäre Schwerpunkte zu konzentrieren. Dabei bedient man sich der vorhandenen wiederhergestellten und neuen Wirkungs- und Bildungsmöglichkeiten und der sozialen Kommunikationsmittel, um eine korrekte öffentliche Meinung zu bilden. In diesem Bemühen wird auch die Notwendigkeit deutlich, den Dialog und die Zusammenarbeit, die sich im übrigen schon verbessert haben, zwischen den Bischöfen und den Instituten des geweihten Lebens zu verstärken. In der jetzigen religösen und moralischen Lage Europas tritt eine andere wesentliche Besorgnis zutage, auf die die Synode ihr Augenmerk lenken sollte. Sie betrifft vor allem den Westen und bezieht sich auf die Tatsache, dass die Pastoralmöglich-keit verschwunden ist, die auf einen „verbreiteten Zustand des allgemein geteilten Christentums“ gestützt war, so dass jetzt das Hineinwachsen in einen persönlichen und reifen Glauben zu fördern ist. Das geschieht durch eine Pastoral, die den augenscheinlichen Grad der Instabilität, Unsicherheit und Differenzierung in der kirchlichen Zugehörigkeit vieler Getaufter wie auch den großen Priestermangel berücksichtigen muß. In dieser Situation spürt mancher die Gefahr, weiterhin eine Pastoral anzuwenden, die nicht mehr typisch für ein vorherrschendes Christentum und noch weniger psychologisch fähig ist, eine verringerte Hochschätzung oder soziale Anerkennung zu akzeptieren, aber trotzdem versucht, die Strukturen und den Einfluss der Kirche um jeden Preis zu sichern. Letzteres führt auch zu Kompromissen, die es vielen Menschen erlauben, in einer oberflächlichen kirchlichen Zugehörigkeit auf Kosten klarer und radikaler Entscheidungen zu leben. Die Lage der Kirchen in Osteuropa scheint in dieser Hinsicht verschieden zu sein, weil sie aufgrund der vergangenen jahrzehntelangen Schwierigkeiten daran gewöhnt sind, in der Gesellschaft keine Anerkennung zu finden und folglich eine ernsthaftere Konzentration auf die Grundwerte des Glaubens vorziehen. Unter den besorgniserregenden Faktoren wird auch die Beziehung zu den Massenmedien herausgestellt, weil man erkannt hat, dass die Kirche oftmals diese modernen Mittel noch nicht ausreichend zu nutzen versteht und weil andererseits die Medien oft ein negatives Bild der Religion und vor allem der Kirche vermitteln, das manchmal sogar von offener Feindschaft geprägt ist. Kritische Untersuchung einiger Fragen und Probleme 16. In dieser Gesamtübersicht sind einige besondere Aspekte eingehender und genauer zu betrachten. Nicht zu verkennen ist vor allem eine wachsende Kluft zwischen Fortschritt und geistigen Werten, die zum Teil in allen europäischen Ländern in der gleichen Form, teilweise aber in West- und Osteuropa unterschiedlich zutage tritt. Dieses Phänomen ist oft mehr an die Lebensart als an philosophische oder ideelle Beweggründe gebunden. Denn für viele Menschen sind die Lebensbedingungen schwierig und komplex, so dass die Alltagssorgen überwiegen und keinen Raum für die Aufnahme anderer Werte lassen. Unzählige Menschen leiden unter Ar- 1214 ANHANG beitslosigkeit, unter vielfach schwierigen und gescheiterten Familiensituationen und unter sozialen Umständen, die mit unzähligen Formen von Ausgrenzung und Ungerechtigkeit verbunden sind, so dass für die geistigen Werte kein Interesse oder höchstens Gleichgültigkeit übrig bleibt. Auf der anderen Seite ist nicht alles immer so klar und deutlich ausgerichtet. In den europäischen Gesellschaften zeigen sich in ungleichem Maß gemischte Situationen. Einerseits spürt man die Tendenz, sich in die eigene kleine Welt einzukapseln, um die eigene „privacy“ und den eigenen gesellschaftlichen und kulturellen „Status“ zu schützen. Andererseits zeigt man sich offen für den andern, vor allem für den Armen und Ausgegrenzten. Einerseits bietet die viele Freizeit die Möglichkeit, Wertangebote wie z.B. Sport, Tourismus und Kontakt mit der Natur zu pflegen. Auf der anderen Seite verwandeln sich diese positiven Möglichkeiten für viele Menschen in kleine oder große Idole und in eine Art kollektiver Besessenheit, von der die Persönlichkeit des Einzelnen gleichsam verschlungen wird. Im Westen zeigt sich die Kluft zwischen Fortschritt und geistigen Werten vor allem in einer Mentalität, die dazu neigt, die bequemste und praktischste Lösung und augenblickliche Befriedigung zu suchen mit der Folge, dass der Sinn für Selbsthingabe und Askese verlorengeht, das Leben verflacht wird und das Gute, Wahre und Schöne nur dann wichtig zu nehmen ist, wenn es unmittelbar von Nutzen sein kann. Außerdem hat der soziale und kulturelle Fortschritt einige Werte, die verschiedene menschliche Lebensaspekte berühren, neu beleuchtet. Die Frauen sind sich ihrer Rolle stärker bewusst und fordern energischer in allen Lebensbereichen die gleichen Rechte und Möglichkeiten wie die Männer. In vielen Familien ist die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern gut. Die jungen Generationen scheinen die Werte der Familie sehr hoch zu schätzen. Abschließend kann man vielleicht sagen, dass der Verlust der religiösen Werte scheinbar Schritt hält mit dem Wachstum des Fortschritts. Der materielle Fortschritt allein befriedigt aber die tiefste Sehnsucht des Menschen nicht, und so nimmt die Suche nach manchmal auch vagen und unklar definierten religiösen Werten in West- und Osteuropa unterschiedlich, aber ständig zu. 17. Die Solidarität als Wert scheint oft gefährdet im heutigen Europa. Zu erkennen sind in ganz Europa Haltungen und Verhaltensweisen des Einzelnen und der Gemeinschaft, die oft von kapitalistisch und konsumistisch geprägten Systemen inspiriert und genährt werden und Abkapselung und Egoismus bedeuten. Obwohl in der Gesellschaft nur geringe Solidarität zu herrschen scheint, fehlt es dennoch nicht an Tendenzen und Initiativen, die von Männern und Frauen ausgehen und gefördert werden, die sich der Schäden solcher ideologischen Anschauungen bewusst sind. Ziel dieser Initiativen ist es, ein neues Bewusstsein für die Notwendigkeit zu wecken, auf persönlicher, familiärer und nationaler Ebene Lebensmodelle zu erstellen und anzuwenden, die die Sparsamkeit im Blick haben und durch die voraussichtlichen großen Einsparungen solche Völker unterstützen wollen, die unter dem Überlebensminimmn oder jedenfalls hilfsbedürftig sind. Tat- 1215 ANHANG sächlich nimmt die Solidarität gegenüber den Armen vor Ort und den Völkern des Ostens und der südlichen Hemisphäre in vielen Kirchen vor allem Westeuropas einen viel größeren Platz ein, als man sich allgemein vorstellt. Hilfsaktionen, die regelmäßig von vielen kirchlichen Vertretern zu bestimmten Zwecken veranstaltet werden, finden großen Anklang. Die Initiativen der Partnerschaft zwischen europäischen christlichen Gemeinden und Ländern der sogenannten „Dritten Welt“ werden immer zahlreicher. Nicht zu vergessen ist, was die Ordensleute durch ihre Hilfswerke in den Kirchen und unter den Völkern, wo sie dem Evangelium dienen, durch die Bildung und Hinführung der jungen Generationen zu den menschlichen und christlichen Werten einer konkreten und tatkräftigen Solidarität leisten. 18. Unterschiedlich und vielfältig sind die Überlegungen über die Religionsfreiheit und Toleranz. Wenn man in gewisser Hinsicht sagen kann, dass in weiten Teilen Europas wahre Religionsfreiheit herrscht und dass sie kaum behindert wird, ist andererseits nicht zu leugnen, dass noch manche Formen von Intoleranz andauem oder hervorgerufen werden. In einigen Bereichen herrscht, wenn auch unter formeller Achtung der Religionsfreiheit, immer noch eine gewisse Intoleranz, wenn Katholiken als einzelne oder als Gruppe öffentlich ihre Glaubensüberzeugungen und ihre Einstellungen ausdrü-cken wollen. Ein Zeichen, dass die Kirche manchmal nur „toleriert“ wird, solange sie sich auf die Privatsphäre beschränkt. In manchen Nationen ist jahrzehntelang eine gewisse fundamentalistische Intoleranz mit Konflikten einhergegangen, wenn sie sie nicht sogar genährt hat. Seit einiger Zeit verliert diese Intoleranz allmählich an Boden und gibt auch der gegenseitigen Annahme der unterschiedlichen Traditionen und Überzeugungen Raum. Nach vielen Jahren des aufgezwungenen Atheismus treten in einigen Kirchen Osteuropas manchmal ein imfreundliches Klima und strenge Haltungen gegenüber anderen Konfessionen oder Denkweisen zutage. Daraus folgt, dass gewisse Gruppen der Katholiken um jeden Preis der ganzen Gesellschaft die eigene Denk- und Lebensweise aufdrängen wollen und offensichtlich Schwierigkeiten haben, die in der ökumenischen Bewegung, im interreligiösen Dialog und in einem korrekten demokratischen System enthaltenen Werte wahrzunehmen. Noch nicht ganz verschwunden, aber doch seltener sind feindliche und intolerante Handlungen gegenüber Katholiken in einigen Gebieten mit orthodoxer Mehrheit. Auch Anzeichen von Antisemitismus gibt es in einigen Teilen Europas. Was die Beziehung zu den Muslimen betrifft, ist zu beobachten, dass sie zwar die religiöse Toleranz für sich einfordem, hingegen in den islamischen Ländern keineswegs die gleiche Toleranz gegenüber den Katholiken oder den Anhängern anderer Religionen garantiert wird. Nicht zu vergessen ist, dass die allgemeine Atmosphäre der Toleranz in fast allen westlichen Gesellschaften eine schwere Herausforderung für die Kirche bedeutet. In einer Gesellschaft, in der die Toleranz als wesentlicher, vorherrschender und unverzichtbarer Wert gilt, meint so mancher, jede Form von Monotheismus und folglich auch der christliche Monotheismus seien die Wurzel aller Intoleranz und 1216 ANHANG dass man - wenn die notwendige Toleranz bewahrt werden soll - zu einer Art unterschiedslosen verschwommenen Zusammenlebens religiöser Bekenntnisse und am Ende auch möglicher Gottheiten zurückkehren solle. Man fragt sich also: Wie kann die Kirche ihrem Evangelisierungsauftrag gerecht werden, ohne intolerante Verkünderin zu sein, und, genauer genommen, wie kann und wie soll man das Evangelium verkündigen, wenn man alle Andersgläubigen anerkennen und annehmen, aber gleichzeitig vermeiden soll, dass „Toleranz“ in „Gleichgültigkeit“ oder „Relativismus“ umschlägt? 19. Hält man sich die Wirklichkeit des Staates gegenüber den vermittelnden Instanzen und selbst der Kirche vor Augen, ist zu berücksichtigen, dass die Staatsmacht in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Ländern überhand genommen hat, was eine Verringerung oder Auflösung der vermittelnden Instanzen zur Folge hatte. Das hat die Einzelpersonen und viele kleine Institutionen gegenüber der Staatspolitik sehr verwundbar gemacht. Dieser Zustand scheint besonders in den osteuropäischen Ländern zu herrschen, wo Jahrzehnte des Kommunismus diese Institutionen ausgelöscht und das zivile und soziale Leben ausgehöhlt haben. Aber festzuhalten ist auch, dass Jahrzehnte des Kapitalismus in den westeuropäischen Ländern ähnliche Auswirkungen hatten. In solchen Situationen ist die Kirche aufgerufen, die vermittelnden Instanzen zu unterstützen und ihr Entstehen zu fördern. In einigen westeuropäischen Ländern, in denen die Kirche volle Religionsfreiheit genießt und vielfältige Kultur-, Bildungs- und soziale Hilfseinrichtungen unterhält, die nicht selten die mangelnden Dienstleistungen des Staates ersetzen, soll scheinbar die Kirche die „Säkularisierung“ des Staates und damit seine Autonomie noch mehr anerkennen und achten. Aber zugleich steht die Kirche vor der Aufgabe, ihre Rechte einzufordem, z.B. in Bezug auf die Schulgleichheit und die staatliche Finanzierung der nichtstaatlichen Schulen, auf den Schutz des Lebens, auf die Option für die „Ärmsten“ und auf die tatsächliche Religionsfreiheit. In gewissen osteuropäischen Ländern besteht eine enge Verbindung zwischen Religion und Staat. Dadurch entstehen manchmal ablehnende Haltungen der Verwaltungsbehörden gegenüber der katholischen Kirche, die im Vergleich zu anderen religiösen Bekenntnissen sogar noch gesetzlich diskriminiert wird. Es fehlt auch nicht an Formen der Instrumentalisierung der Religion und der Kirche zu politischen und nationalistischen Zwecken, vor allem in manchen Ländern Osteuropas. Haltung der Kirchen und Suche nach den kulturellen Wurzeln 20. Bisher wurden die in Europa heute anzutreffenden Wesensmerkmale beschrieben, demgegenüber scheinen die Reaktionen und Haltungen der christlichen Gemeinschaften sehr unterschiedlich und vielfältig zu sein. Den immer weiter verbreiteten Pluralismus von Glaube und Kultur betrachten manche Europäer, die in einer Art christlicher Monokultur geformt sind, voll Misstrauen, weil sie nicht vorbereitet sind, ihn zu verstehen, ihn anzunehmen und 1217 ANHANG ihn mit Offenheit und im kritischen Dialog anzuwenden. Manche kirchlichen Bereiche zeigen sich bereit, den Pluralismus anzunehmen, aber mehr in der Theorie als in der Praxis, mehr außerhalb der Kirche als in ihr. Davon zeugen eindeutig die auftretenden Schwierigkeiten und die daraus folgende Unfähigkeit, entsprechenden Raum zu schaffen, in dem die Katholiken anderer Traditionen oder die Einwanderer anderer Religionen ihre kulturellen, geistigen und religiösen Werte auch in den europäischen Kirchen ausdrücken können. Aber es gibt auch kirchliche Gemeinschaften, Ordenshäuser, Gruppen und Bewegungen, die diesem Pluralismus positiv gegenüberstehen. Es genügt, auf die kulturellen, caritativen, vereinsmäßigen und ökumenischen Initiativen der Diözesen oder nationalen und regionalen Bischofskonferenzen hinzuweisen. Angesichts der verschiedenen Formen von Gleichgültigkeit, Relativismus und Agnostizismus, betonte man, sei es notwendig, das wahre in Jesus offenbar gewordene Antlitz Gottes wiederzuentdecken, entschieden die Wahrheit zu bekräftigen, die eigene Identität mit Überzeugung zu leben und die Gemeinschaft auch in der Ökumene zu verwirklichen. Mit besonderer Aufmerksamkeit für ethische Fragen und in Anbetracht dessen, dass oftmals die Würde der als Bild und Gleichnis Gottes geschaffenen menschlichen Person geleugnet oder verletzt wird, wird die Notwendigkeit und Dringlichkeit hervorgehoben, eine rechte und ganzheitliche anthropologische Sicht als unerlässliche Grundlage anzubieten, um ein Zusammenleben in Achtung des Lebens und der Rechte aller und des Einzelnen zu ermöglichen. Es fehlt nicht an Denkströmungen, die diesem ethischen Relativismus kritisch gegenüberstehen und sich bemühen, an christlichen Werten orientierte sittliche Haltungen und Verhaltensweisen zu fördern; diese werden auch von einer weltlichen Kultur geteilt, die sich von ihren Dogmen befreit hat, Dogmen, die durch die tragischen Geschehnisse der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts zu Fall gebracht wurden. 21. Es genügt jedoch nicht, mehr oder weniger eingehend oder mit größerem oder geringerem Nachdruck die einzelnen Wesenszüge des Europa von heute zu beschreiben. Ebensowenig genügt es, unterschiedlich auf diesen Umstand zu reagieren. Notwendig ist vielmehr, einer aufmerksamen Unterscheidung und Beurteilung Raum zu geben, die in erster Linie die Ursachen erfasst, indem sie nach den tiefen Beweggründen fragt, die den verschiedenen beobachteten Phänomenen zugrunde liegen. Und das ist die Aufgabe, die die Synode und die Kirchen zu bewältigen haben, wenn sie ihrer pastoralen Verpflichtung nachkommen wollen. Was insbesondere das verbreitete Phänomen der religiösen Gleichgültigkeit betrifft, werden von vielen vor allem Gründe angegeben, die im weiten Gewebe der Gesellschaft anzutreffen sind. Man bezieht sich hauptsächlich auf folgende Aspekte: das Entstehen eines Denkens, das als zu schwach befunden werden muss, und damit ist verbunden, dass die „Sinnfrage“ weniger gestellt wird; die immer weiter verbreitete „individualistische Ausrichtung“, die soziale Systeme im Blick hat, die das Privatinteresse ihrer Glieder, aber kein gemeinsames Ideal und Gemeinwohl fördern soll; das ständig zunehmende Streben nach Autonomie, das in 1218 ANHANG dem wachsenden Wunsch nach subjektiver Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung besteht, mit dem in gewissem Sinn auch eine größere persönliche Verantwortlichkeit und Beteiligung verbunden ist; das komplexe Phänomen der Säkularisierung, verbunden mit verschiedenen Tendenzen zu sozialer und kultureller Differenzierung (die die Anwesenheit mehrerer Religionen und Glaubensbekenntnisse auf dem gleichen Territorium erlaubt), die Tendenz zur Privatisierung der Religion, zur „Entheiligung“ so vieler Orte, in denen früher die Religion manchmal dominierenden Einfluß ausübte; die Tendenz zur Rationalisierung, verstanden als Entwicklung, die jede Entscheidung und jede Handlung programmieren und kontrollieren soll. Untersucht man eingehender die Gründe, die im kirchlichen Bereich über die bereits beschriebenen hinaus vorhanden sind, meint man im allgemeinen, die religiöse Gleichgültigkeit erwachse aus besonderen Schwierigkeiten und Problemen, die da sind: ungeordnete Nutzung der Güter und geringes Interesse für die verschiedenen Armutsformen; Gleichgültigkeit des Klerus angesichts der Zweifel und Dramen so vieler Menschen in Schwierigkeiten; geringe Glaubwürdigkeit vieler „Männer der Kirche“; Mangel an katholischen Bildungsstätten für Laien; auf nationaler und gesamteuropäischer Ebene mangelhafte Organisation der katholischen Presse und anderer Agenturen, die christliche Kulturprojekte erstellen und verbreiten. 22. Es ist nicht schwer, aus diesen verschiedenen beschriebenen Phänomenen, d.h. aus den Faktoren, die die derzeitige Lage Europas bestimmen und erklären, einen wachsenden Bruch zwischen privatem Gewissen und öffentlichen Werten zu erkennen. Aber man muss betonen, dass dieser Bruch eine logische Folge bestimmter Haltungen und Kulturrichtungen ist. Wenn das demokratische Leben mit Werteneutralität verbunden wird, kann jede Entscheidung als private Option des Handelnden betrachtet werden, abgesehen von den mit ihr verknüpften Auswirkungen fiir die Gesellschaft. In dieser Situation kann sich die Kluft zwischen Werten des Einzelnen und sozialem Leben nur vergrößern mit dem Ergebnis, dass die Gesellschaft immer unfähiger wird, die vielen von weiten Teilen erhobenen Ansprüche in Bezug auf den Sinn des Lebens zu erfüllen. In diesem kulturellen Klima gedeihen und verbreiten sich Atheismus, Agnostizismus und religiöse Gleichgültigkeit. Auch das eigene religiöse Bekenntnis gerät in Gefahr, immer mehr eine private Entscheidung zu werden. So breitet sich ein Konsumverhalten gegenüber der religiösen Praxis aus. Die ethisch-religiöse Wahl bildet nicht mehr den grundlegenden Bezugspunkt für alle weiteren Optionen, sondern ist eine von vielen, die dazu beitragen, die Persönlichkeit des Einzelnen zu bestimmen. Die Ursache davon ist ein falsches Verständnis von Freiheit, die als Selbstbestimmung des Einzelnen begriffen und gelebt und nicht auf transzendente und feststehende Werte hingeordnet wird. Daraus erwachsen Mentalitäten und Haltungen, die von vielen Seiten als ethischer Relativismus, individualistischer Subjektivismus und nihilistischer Hedonismus eingestuft werden. Deshalb wird das Problem der 1219 ANHANG Ausübung der Freiheit in der Beziehung zwischen Wahrheit, persönlichem Gewissen und ziviler Gesetzgebung immer drängender. Denn die Freiheit gründet auf der konstitutiven Würde der menschlichen Person als Ausdruck der Tatsache, dass jeder Mensch Kind Gottes ist. Ausübung der Freiheit impliziert Verantwortlichkeit des Menschen und schließt die Fragen der Wahrheit mit ein, die ihr Fundament ist, und des Gemeinwohls, das das Ziel der sozialen Ausübung der Freiheit ist. Insgesamt ist festzustellen, dass am Ende dieses Jahrhunderts tiefgreifende und entscheidende Veränderungen zu erkennen sind, die einen sich erschöpfenden Antrieb der Modernität anzeigen. Aber der Ausgang dieses Entwicklungsprozesses ist nicht klar. Gegensätzliche und widersprüchliche Tendenzen treten zutage, die eine aufmerksame und eingehende Lektüre erfordern. Andererseits kann das Überwinden der Modernität nur mit Komplexität und Unsicherheit einhergehen.Wenn aus gewissen Gründen die Sendung der Kirche in diesem Kontext schwieriger und weniger an traditionelle Sicherheiten gebunden erscheint, bietet andererseits der Wandel in den europäischen Ländern der Kirche neue Entwicklungsmöglichkeiten für eine wirksame und tiefgreifende Evangelisierung. Die zentrale Rolle der „ Glaubensfrage “ 23. Außer Zweifel steht - wie der Papst sagte <687> -, dass durch die Ereignisse von 1989 in Europa eine große Hoffnung auf Freiheit, auf Verantwortlichkeit, auf Solidarität und Spiritualität geweckt wurde. Aber diese große Hoffnung will heute erneuert und gefestigt werden, denn in den vergangenen Jahren sind neue Gefahren aufgetaucht, die den heutigen Europäern keineswegs Grund zur Hoffnung geben. „Nach dem Zusammenbruch der ideologischen Konstruktion des Marxismus-Leninismus ist in den ehemals kommunistischen Ländern nicht nur ein Orientierungsverlust zu beobachten, sondern auch eine weit verbreitete Anhänglichkeit an individualistische und egoistische Ordnungen, wie sie im Westen praktiziert wurden und werden. Solche Ordnungen können dem Menschen letztlich keinen Sinn des Lebens vermitteln und keine Hoffnung geben. Allenfalls können sie ihn momentan mit dem zuffiedenstellen, was er als individuelle Erfüllung begreift. In einer Welt, in der nichts mehr wirklich wichtig ist, in der man tun kann, was man will, besteht die Gefahr, daß Prinzipien, Wahrheiten und Werte, die in Jahrhunderten mühsam erworben wurden, auf die Müllhalde eines übertriebenen Liberalismus gekippt werden“. <688> <687> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates ßir die Kultur (12. Januar 1990), Nr. 2, in „L ’Osservatore Romano deutsch “Nr. 4/1990, S. 9. <688> Johannes Paul II., Ansprache an die bayerischen Bischöfe anläßlich des „ad limina "-Besuches (4. Dezember 1992), Nr. 3, in „L ’Osservatore Romano deutsch “ Nr. 50/1992, S. 7. Es ist auch nicht schwer festzustellen - wie bereits gesagt -, dass in dem erwähnten und beschriebenen Kontext eine Grundfrage immer wiederkehrt, die den Begriff der menschlichen Person und ihrer Freiheit betrifft. In gewisser Weise wird 1220 ANHANG der personalistische Humanismus in Frage gestellt, der die europäische Geschichte und Erfahrung geprägt hat. Daher in dieser historischen Stunde Europas die große Bedeutung der „ ethischen Frage Aber zugleich wurzelt diese Frage in der „religiösen Frage“, wie man feststellen kann, wenn man die beiden entgegengesetzten Freiheitsbegriffe erwägt, die in Europa heute geläufig sind. Der eine gründet auf dem Gehorsam gegenüber Gott und wird als „Quelle der wahren Freiheit“ betrachtet, „der Freiheit, die niemals willkürlich und ohne Ziel und Zweck ist, sondern Freiheit für das Wahre und Gute“, und der andere Freiheitsbegriff, der „die Unterordnung der Kreatur unter Gott oder eine transzendente Ordnung der Wahrheit und des Guten ausschließt und den Menschen allein als Prinzip und Zweck aller Dinge betrachtet“. <689> <689> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an das Europa-Parlament in Straßburg [Frankreich] (11. Oktober 1988), Nm. 7-8, in „L ’Osservatore Romano deutsch “ Nr. 46/1988, S. 9. 24. Daraus folgt letztlich die Zentralität und Tragweite der „Frage des Glaubens“ an Jesus. Das bekräftigte auch Johannes Paul II. während seiner ersten Reise nach Slowenien, als er darauf hinwies, dass in Europa „sich einerseits die von den Ideologien zurückgelassene Leere bemerkbar macht und andererseits ein bedeutsames Wiedererwachen der Erinnerung an die eigenen Wurzeln und an die Reich-tümer vergangener Zeiten sich seinen Weg bahnt. Dies ist die Stunde der Wahrheit für Europa. Die Mauern sind zusammengebrochen, die Eisernen Vorhänge existieren nicht mehr; aber die Herausforderung im Hinblick auf den Sinn des Lebens und den Wert der Freiheit stellt sich im Innersten von Verstand und von Gewissen deutlicher denn je. Und wie könnte man übersehen, daß das Fragen nach Gott im Mittelpunkt dieses Problems steht? Entweder versteht sich der Mensch als Geschöpf Gottes, von dem er die Freiheit erhält, die ihm riesige Möglichkeiten eröffnet, aber auch sehr genaue Pflichten auferlegt, oder er erhebt sich selbst zum absoluten Wesen, mit einer Freiheit ausgestattet, die vollkommen gesetzlos ist und sich deshalb jeder Art von Trieb hingibt und sich in Hedonismus und Narzißmus verschließt.“ Und der Papst sagte abschließend: „Das gegenwärtige Klima der Angst und Mutlosigkeit, was den Sinn des Lebens anbelangt, und die offensichtliche Verwirrung der europäischen Kultur fordern uns auf, die Beziehungen zwischen Christentum und Kultur, zwischen Glaube und Vernunft neu zu sehen. Ein neuer Dialog zwischen Kultur und Christentum wird sowohl der einen als auch dem anderen dienen, und den größten Nutzen wird der Mensch daraus ziehen, der sich nach einem Leben in größerer Wahrheit und Fülle sehnt“. <690> Nicht vergessen darf man, betont der Papst, dass „die Begegnung des Glaubens mit den verschiedenen Kulturen ein Erfordernis der Suche nach Wahrheit ist. Sie ,hat tatsächlich eine neue Wirklichkeit ins Leben gerufen. Wenn die Kulturen tief im Humanen verwurzelt sind, tragen sie das Zeugnis der typischen Öffnung des Men- <690> Johannes Paul II., Ansprache an die Vertreter von Wissenschaft und Kultur in der Kathedrale von Maribor [Slowenien] (19. Mai 1996), Nr. 3, in „L ’Osservatore Romano deutsch “ Nr. 23/1996, S. 9. 1221 ANHANG sehen für das Universale und für die Transzendenz in sich1 (Enzyklika Fides et ratio, Nr. 70). Auf diese Weise werden die Menschen eine Hilfe und eine Stütze bei der Suche nach der Wahrheit finden und durch das Geschenk der Gnade dem begegnen, der ihr Schöpfer und Erlöser ist“.25 Abschließend darf man in gewisser Weise das auf Europa beziehen, was Johannes Paul II. über Italien gesagt hat: Europa, „das ein herausragendes und in gewissem Sinn einmaliges Glaubenserbe besitzt, wird seit langem und auch ganz besonders heute von Kulturströmungen geschüttelt, die das Fundament dieses christlichen Erbes in Gefahr bringen: den Glauben an die Menschwerdung und an die Erlösung, die Besonderheit des Christentums, die Gewißheit, daß Gott durch seinen Sohn Jesus Christus aus Liebe gekommen ist, um den Menschen zu suchen (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 6-7). Anstelle dieser Gewissheiten ist in vielen Menschen ein unbestimmtes für das Leben wenig verpflichtendes religiöses Gefühl oder verschiedene Formen von Agnostizismus und praktischem Atheismus getreten, die alle in einer persönlichen und sozialen Lebensführung münden, ,etsi Deus non dareturals ob Gott nicht existierte“.26 Daraus ergibt sich für die Synode und die europäischen Kirchen die Notwendigkeit und Dringlichkeit, nach der Wahrhaftigkeit und Lebenskraft des christlichen Glaubens der europäischen Gläubigen zu fragen und ihnen zu helfen, diesen Glauben wiederzufinden und zu leben. Das alles in der Überzeugung, dass die Wahrhaftigkeit des Glaubens die persönliche Begegnung und Gemeinschaft mit Jesus Christus, dem Sohn des lebendigen Gottes, und die Annahme der gesamten Wahrheit des Evangeliums erfordert. Ihre Lebenskraft geht auf einen Glauben zurück, der zum Urteils- und Entscheidungskriterium wird, indem er eine Mentalität und sittliche Lebensweise erweckt und stützt, die dem Wort und Gesetz Gottes entsprechen. Zweiter Teil: Jesus Christus lebt in seiner Kirche als Stütze der Wahrhaftigkeit und Lebenskraft des Glaubens 25. Nachdem die beiden Jünger von Emmaus Jesus die Gründe ihrer Traurigkeit und ihrer enttäuschten Hoffnung dargelegt hatten, „sagte er zu ihnen: Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fallt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben. Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen? Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht“ (Lk 24,25-27). Jesus selbst verkündet also den Jüngern seine Auferstehung und führt sie zum Glauben. Auf die <691> <692> <691> Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer des vorsynodalen Symposions über Europa (14. Januar 1999), Nr. 3, in „L’OsservatoreRomano“, 15. Januar 1999, S. 5. <692> Johannes Paul II., Ansprache beim 3. Treffen der Kirche Italiens in Palermo [Italien] (23. November 1995), Nr. 2, in „L ’Osservatore Romano 24. November 1995, S. 5. 1222 ANHANG Propheten zurückgreifend, die ihm vorausgegangen waren, erklärt er den Plan der herrlichen und geheimnisvollen Liebe Gottes: Leiden und Tod widersprechen der Erlösungstat des Messias nicht, sondern sind der von Gott gewählte Weg, um den Menschen seine „Herrlichkeit“, d.h. seine Liebe, die erlöst und rettet, mitzuteilen. Und aufgrund dieser Botschaft - die die ganze Geschichte des ersten Bundes durchzieht und ihre endgültige und unumkehrbare Besiegelung darin findet, dass sie den Herrn am Brotbrechen erkennen - brennt ihr Herz, und sie schöpfen neue Hoffnung. Die Erzählung über die Begegnung auf dem Weg nach Emmaus erweist sich für uns als eine lange Katechese mit dem Ziel, die Jünger zum Glauben an die Auferstehung des gestorbenen Jesus Christus zu führen. Als getreuer Widerschein der Lehre der Urkirche bleibt dieser Text auch für die Kirche von heute und für ihre Pastoralarbeit beispielhaft. Diese besteht in einem geduldigen, beständigen, zähen und mutigen Zeugnisgeben und Verkündigen, das den Glauben an den vom Tod auferstandenen Jesus Christus als Quelle und Stütze der festen und dauerhaften Hoffnung weckt und wachsen läßt. Wie der Apostel Paulus schreibt, „wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen“ (i Kor 15,19). Der Glaube an den Auferstandenen, der die Herrlichkeit Gottes offenbart 26. Auch die Kirche ist gesandt, in der Geschichte Christus, den Auferstandenen, zu verkündigen. Wie in Europa gestern, heute und für alle Zeiten und allerorts ist die Kirche nicht gesandt, sich selbst, sondern Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, zu verkündigen. Das tut sie seit ihren Anfängen, wie aus der ersten Predigt des Petrus am Pfmgsttag zu ersehen ist: „Israeliten, hört diese Worte: Jesus, den Nazoräer, den Gott vor euch beglaubigt hat durch machtvolle Taten, Wunder und Zeichen, die er durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wißt - ihn, der nach Gottes beschlossenem Willen und Vorauswissen hingegeben wurde, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht. Gott aber hat ihn von den Wehen des Todes befreit und auferweckt; denn es war unmöglich, daß er vom Tod festgehalten wurde ... Mit Gewißheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt“ (.Apg 2,22-24.36). Mit diesen Worten von Petrus verkündet die Kirche der Anfänge wie die Kirche aller Zeiten mit Sicherheit, dass Jesus Christus lebt, in unserer Zeit wirkt und das Leben umwandelt. Das tut sie zu allen Zeiten, denn „die Auferstehung Christi ist die Wahrheit, in der unser Glauben an Christus gipfelt; die christliche Urgemeinde glaubt und lebt sie als zentrale Wahrheit, die Überlieferung gibt sie als gmndlegend weiter, die Dokumente des Neuen Testamentes weisen sie nach; zugleich mit dem Kreuz wird sie als wesentlicher Teil des Pascha-Mysteriums verkündet. ,Christus ist von den To- 1223 ANHANG ten auferstanden. Durch seinen Tod hat er den Tod besiegt, den Toten das Leben gegeben“ (Byzantinische Liturgie, Troparion von Ostern)“. <693> Das war auch die klare Absicht des II. Vatikanischen Konzils, und die Synode will sie sich zu eigen machen: „Christus, unseren Anfang, Christus, unseren Weg und unseren Führer! Christus, unsere Hoffnung und unser Ende“ <694> der Kirche zu verkündigen und der Welt bekanntzumachen. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 638. Paul VI., Ansprache zur Eröffnung der zweiten Sitzungsperiode des Konzils (29. September 1963), in AAS 55(1963)841-859. Nicht zu vergessen ist, dass im gestorbenen und auferstandenen Christus die Herrlichkeit Gottes in Fülle offenbar geworden ist. Jesus ist die Hoffnung des Menschen, Europas und der Welt, denn er ist der einzige und universale Weg, der zum Vater führt (vgl. Joh 14,6-7), dem Fundament und endgültigen Lebensziel jedes Menschen und jeder Wirklichkeit, und zwischen ihm und dem Vater besteht eine erhabene gegenseitige Immanenz (vgl. Joh 14,10), er und der Vater sind eins (vgl. Joh 10,30), er ist Gott. 27. Und gerade durch diesen Glauben und die Begegnung mit dem Auferstandenen kann die Kirche, können die Menschen von heute wie die Jünger von Emmaus auf die Geschichte zurückgreifen, die Schriften lesen und schon im Teil des Alten Bundes die Zeichen, die Gestalten, die Spuren der Gegenwart Christi entdecken, eine vorweggenommene Darstellung dessen, was im Gekreuzigten und Auferstandenen volle Wirklichkeit werden sollte. Das tat auch Petrus am Pfingsttag, als er mit dem Hinweis auf die Ereignisse aus dem Leben Christi, die dazu geführt hatten, ihn als Messias und Herrn zu bekennen, das Zeugnis der Schriften hervorhob, weil er in ihnen einen genau auf Jesus ausgerichteten Plan erkannt hatte (vgl. Apg 2,17-21.25-28.34-35). Das tat Paulus, als er im Rückblick auf die Geschichte Israels und besonders auf das Ereignis des Wassers, das bei Massa und Meriba aus dem Felsen herauskam (vgl. Ex 17,1-7; Num 20,1-11), bekräftigte: „Alle tranken den gleichen gottgeschenkten Trank; denn sie tranken aus dem lebensspendenden Felsen, der mit ihnen zog. Und dieser Fels war Christus“ (1 Kor 10,4). So können und sollen auch wir die Schriftseiten wieder lesen und in ihnen Zeichen, Ereignisse und Worte finden, die die „Gestalt“ Christi und seiner Gegenwart sind. Auf diese Weise werden wir auch die Zeiten der Schwierigkeiten, der Ermüdung und Prüfungen überstehen, ohne die Hoffnung zu verlieren, denn wir haben die Gewissheit, dass der Herr auch heute gegenwärtig ist und sein Volk in allen Ereignissen der Geschichte führt - wie er damals beim Auszug aus Ägypten die Israeliten in der Wüste nicht allein gelassen hat, sondern „vor ihnen her(zog), bei Tag in einer Wolkensäule, um ihnen den Weg zu zeigen, bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten. So konnten sie Tag und Nacht unterwegs sein {Ex 13,21). Ebenso können wir auch mit dem Propheten Zefanja sprechen: „Juble, Tochter Zion! Jauchze, Israel! Freu dich, und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jeru- 27 28 1224 ANHANG salem! ... Der König Israels, der Herr, ist in deiner Mitte; du hast kein Unheil mehr zu furchten... Fürchte dich nicht, Zion! Laß die Hände nicht sinken! Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt. Er freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir, er jubelt über dich und frohlockt, wie man frohlockt an einem Festtag“ (3,14-18), denn wir wissen, dass diese Bekräftigungen in Christus, dem Auferstandenen, ihre endgültige Vollendung gefunden haben. Durch diesen Glauben an den auferstandenen Herrn und die Begegnung mit ihm, der lebt und gegenwärtig ist, dürfen und sollen wir mit neuen Augen auf die Geschichte der Menschen und der Welt schauen — und damit auch auf die vergangenen und jetzigen Ereignisse in Europa. So entdecken wir in den Ereignissen und Personen einen Bezug auf Christus und darauf, dass er der „Gott mit uns“ ist. Das Verlangen nach Jesus Christus 28. Geführt und erleuchtet durch die neuen Augen des Glaubens, die uns in Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, die zentrale Mitte der Geschichte und das Herz der Welt erkennen lassen, fallt es uns nicht schwer festzustellen, dass der Prozess der Säkularisierung oder besser gesagt der Entchristlichung in unserem Europa, der manchmal ganz dramatisch zu einer Art verbreitetem Neuheidentum führt, noch nicht beendet ist, obwohl eine neue starke Nachfrage nach Spiritualität und Religiosität sich auszubreiten scheint. Denn diese kann nicht sofort als christlich bezeichnet werden, schon wegen ihrer Wurzel im Eklektizismus oder Relativismus, der es sehr erschwert, in Jesus Christus den einzigen Erlöser zu erkennen. Es ist eine Nachfrage, die zum guten Teil mit dieser sozialen und kulturellen Entwicklung verbunden ist und wohl auch eine Reaktion auf diese darstellt. Aber wir dürfen nicht verkennen, dass „die Suche nach religiösem Erleben, wenn auch in einer Vielfalt von nicht immer kohärenten Formen, die oft weit fort vom wahren christlichen Glauben führen, ganz Europa heute vor die Herausforderung stellt, sich neu für Gott zu entscheiden“. <695> <695> Bischofssynode, erste Sonderversammlung für Europa, Schlußerklärung, Nr. 1. Wir leben also nicht in einer Zeit, in der es einfach das Alte zu bewahren gilt, sondern in einer Zeit, in der von neuem und vor allem Jesus Christus verkündigt werden soll, der lebt in seiner Kirche und der die einzige wahre unversiegbare Quelle der Hoffnung ist. In diese Richtung zielten die Schlusserklärungen der ersten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa. Denn aus ihr ging das klare Bewusstsein hervor, dass sich die Kirche nicht darauf beschränken kann, einfache und allgemeine Trägerin von Zivilisation zu sein, auch wenn es sich um eine ursprüngliche humane Zivilisation handelt. Aufgabe der Kirche ist vielmehr, das Evangelium in seiner Gesamtheit und gemäß seiner genauen Inhalte zu verkündigen und dem Menschen von heute zu helfen, gemäß den Regeln der Seligpreisungen in einer personalen Beziehung und Gemeinschaft mit Jesus Christus zu leben. In diesem Sinn wurde bekräftigt, dass „Europa heute nicht einfach auf sein vergangenes christliches Erbe 1225 ANHANG zurückgreifen darf. Es muß in die Lage versetzt werden, seine Zukunft in der Begegnung mit der Person und der Botschaft Jesu Christi neu zu bestimmen“. <696> Es handelte und handelt sich also darum, die Begegnung des europäischen Menschen mit der lebendigen Person Jesu zu begünstigen, eine Begegnung, die Gefolgschaft ermöglicht, sie hervorruft und unterstützt. Deshalb die Notwendigkeit, den Kernpunkt des Evangeliums zu betonen und somit einen lebendigen Gott zu verkündigen, der mit uns ist und sich uns in einer Erfahrung von Gemeinschaft mitteilt, die bereits begonnen hat und die den Ausblick und die sichere Hoffnung auf das ewige Leben schenkt in der Überzeugung, dass, „wenn die Kirche diesen Gott verkündigt, sie nicht von einem unbekannten Gott spricht, sondern von dem Gott, der uns so sehr geliebt hat, daß sein Sohn für uns Fleisch geworden ist. Es ist der Gott, der sich uns naht, der sich uns mitteilt, der einer von uns wird, der wahre ,Immanuel <697> (vgl. Mt 1,23)“. 31 <696> Ebd., Nr. 2. <697> Ebd., Nr. 3. Daraus ergibt sich auch die Notwendigkeit, alle aus dem Evangelium zu ziehenden Folgerungen zu verkündigen, besonders die, die den Menschen, sein Dasein, seine Wahrheit betreffen, in dem Bewusstsein, dass „die Sache Gottes in keiner Weise der Sache des Menschen entgegengestellt ist. Es sind vielmehr die rein irdischen Verheißungen, die - wie es die jüngste Geschichte lehrt - die Menschen am Ende in die totalitäre Knechtschaft stürzen“. <698> <698> Ebd. Jetzt, acht Jahre später, geht es darum, den zurückgelegten Weg zu prüfen und ihn mit noch größerer Entschlossenheit und Bestimmtheit weiterzugehen. Wegweiser sind uns die Worte Johannes Pauls II.: „Wenn es in Europa zu einer neuen Begegnung mit dem Evangelium Jesu Christi kommen soll, ist zu allererst ein geistiger Aufbruch, eine neue Entschiedenheit und Freudigkeit des Glaubens unter Christen nötig. Nur so können sie ,Zeugnis von unserer Hoffnung geben1; nur so wird der Glaube wieder schöpferische, geistige und kulturelle Kraft werden“. <699> Zu diesem Zweck will die Synode vor allem den wahren Glauben an Jesus Christus, unsern Herrn, den Auferstandenen, den einzigen Erlöser, der lebt und gegenwärtig ist in seiner Kirche, erneut vorstellen. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend - und in den Fußstapfen des II. Vatikanischen Konzils, das der Heilige Vater als ein Ereignis bezeichnete, „durch das die Kirche die unmittelbarere Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres 2000 in Gang gesetzt hat“ <700> will die Synode den Kirchen in Europa zu einer neuen, vollen Aufmersamkeit verhelfen für „die vielfältige und einmalige, feste und amegende, geheimnisvolle und klare, bedrängende und beseligende Beziehung zwischen uns und Jesus, zwischen dieser heiligen und lebendigen Kirche, die wir sind, und Christus, von dem wir kommen, für den wir <699> Johannes Paul II., Ansprache an die österreichischen Bischöfe anläßlich des „ad limina “-Besuches (25. April 1992), Nr. 3, in „L’OsservatoreRomano deutsch“^. 18/1992 S. 1. <700> Johannes Paul II., Apost. Schreiben Tertio millennio adveniente (10.XI.1994), Nr. 18: AAS 87(1995)16. 1226 ANHANG leben und zu dem wir unterwegs sind“. <701> Die Synode möchte also wie schon das Konzil Jesus Christus, unsem Herrn, bekennen und lobpreisen, „das menschgewordene Wort, den Gottessohn und den Menschensohn, den Erlöser der Welt, das heißt die Hoffnung der Menschheit, und ihren höchsten Lehrer, den Hirten, das Brot des Lebens, unseren Hohenpriester und unser Opfer, den einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen, den Erlöser der Welt, den König der ewigen Herrlichkeit, der kommen wird“. <702> <701> Paul VI., Ansprache zur Eröffnung der zweiten Sitzungsperiode des Konzils (29. September 1963), in: AAS 55(1963)841-859. <702> Ebd. Jesus Christus, der Auferstandene, einziger Erlöser 29. Es geht darum, mit Nachdruck und Überzeugung zu bekräftigen, dass Christus für uns notwendig ist. Er ist notwendig für unser Heil und auch für die volle Verwirklichung der menschlichen Werte. Die Kirchen Europas sind heute aufgefordert, im festen und überzeugten Glauben mit Paul VI. zu wiederholen, dass „Christus für uns notwendig ist, ohne ihn geht es nicht. Ohne ihn kann man nicht leben“. <703> „Christus ist unser Erlöser. Christus ist unser höchster Wohltäter. Christus ist unser Befreier. Christus ist für uns notwendig, damit wir in der zeitlichen Ordnung würdige und wahre Menschen und in der übernatürlichen Ordnung erlöste und erhöhte Menschen sein können“. <704> Wie Johannes Paul II. gegenüber den Europäern betont hat, will die Synode verkünden, dass Jesus Christus Herr der Geschichte ist, Inhalt und Wesenskem der Heilsbotschaft, der Weg, die Wahrheit und das Leben (vgl. Joh 14,6), die einzige gültige Hoffnung für alle Generationen, der Ausgangspunkt der Neuevangelisierung. Er ist unser Ostern. In ihm, durch sein Kreuz und seine Auferstehung, hat Gott mit dem Menschen einen neuen und ewigen Bund für alle Zeiten geschlossen. Er ist das Geheimnis der Lebenskraft Europas. Jesus Christus ist, heute und in Ewigkeit, Quelle der Hoffnung, denn in ihm haben sich die göttlichen Verheißungen voll verwirklicht. Er offenbart uns ohne Furcht vor Widerruf, dass unser Gott ein treuer Gott ist, der seine Verheißungen erfüllt und verwirklicht. <703> Paul VI., Ansprache bei der Generalaudienz (3. Februar 1963), in: Insegnamenti di Paolo VI, 111(1965)849. <704> Paul VI., Predigt bei der heiligen Messe im „ Quezon Circle “ in Manila [Philippinen] (29. November 1970), in. Insegnamenti di Paolo VI, VIII(1970)12—42. Jesus Christus ist vor allem deijenige, der den Menschen von jeder Knechtschaft befreit. Er ist der einzige, der die ununterdrückbare menschliche Sehnsucht nach Freiheit vollständig stillen kann. Er ist die einzige endgültige Antwort auf alle Fragen nach dem Sinn des Lebens und auf die verborgensten Rätsel, die auch heute viele suchende Menschen in Europa bedrängen, denn nur in ihm findet die tiefste Sehnsucht des Menschen eine volle, angemessene Antwort. Wie Johannes Paul II. kürzlich bekräftigte, will die Synode Christus als den verkündigen, „der dem Menschen den Menschen in seiner Fülle als Kind Gottes, in seiner unveräußerlichen 1227 ANHANG personalen Würde, in seiner Verstandesfähigkeit, die Wahrheit zu erkennen, und in seiner Willenskraft, das Gute zu tun, kundmacht“. <705> Das stimmt überdies voll mit dem west- und osteuropäischen Humanismus überein, obwohl „im Lauf der Zeit, insbesondere der sogenannten modernen Zeit, Christus als Urheber des europäischen Geistes, als Urheber dieser Freiheit, die in ihm ihre erlösende Wurzel hat, in Klammem gesetzt wurde ... und eine andere europäische Mentalität sich zu formen begann, eine Mentalität, die man kurz mit dem Satz bezeichnen kann:,Denken wir so, leben wir so, als ob Gott nicht existierte““. <706> <705> Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer des vorsynodalen Symposions über Europa (14. Januar 1999), Nr. 3, in „L’Osservaiore Romano", 15. Januar 1999, S. 5. <706> Johannes Paul II., Predigt bei der Messe zur Seligsprechung von P. Rafal Chylinski in Warschau [Polen] (9. Juni 1991), Nr. 6, in „L’OsservatoreRomano deutsch", Nr. 35/1991, S. 14. 30. Es gibt dann noch einen anderen Aspekt, den die Synode im Zusammenhang mit dem derzeitigen immer spürbareren religiösen Pluralismus in Europa bekennen will: Die Einzigartigkeit und Universalität Christi, des Erlösers, und damit die absolute Unvergleichlichkeit des Christentums mit anderen Religionen. Entsprechend der Konzilslehre und des jüngeren Lehramtes <707> geht es darum, den eigenen Glauben zu erneuern und zu verkündigen, dass Jesus der einzige und eingesetzte Mittler des Heils fiir die gesamte Menschheit ist. Nur in ihm finden die Menschheit, die Geschichte und der Kosmos ihre endgültige positive Sinngebung und volle Verwirklichung. Er birgt in seinem Ereignis und in seiner Person die Gründe der absoluten Heilsendgültigkeit. „In keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12). Von dieser klaren Bekräftigung des Petras erleuchtet, fühlen wir uns mit Johannes Paul II. an der Schwelle des Großen Jubiläums des Jahres 2000 gedrängt, „die Wahrheit über Christus als einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen und einzigen Erlöser der Welt (zu) erläutern und (zu) vertiefen“, indem wir ihn „klar von den Stiftern anderer großer Religionen unterscheide^), in denen auch Wahrheitselemente zu finden sind, welche die Kirche mit aufrichtiger Achtung betrachtet“. <708> <707> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, in: AAS 83(1991)249-340; Päpstlicher Rat für den interreligiösen Dialog, Kongregation für die Glaubensverbreitung, Instr. Dialogo e annuncio. Reflessioni e orientamenti sul dialogo interreligioso e Vannuncio del Vangelo di Gesü Cristo (19. Mai 1991) in: AAS 84(1992)414-446. <708> Johannes Paul II., Apost. Schreiben Tertio millennio adveniente (10. XI. 1994), Nr. 38: AAS 87(1995)30. Jesus Christus ist in der Kirche gegenwärtig 31. Auch in den schwierigsten Situationen, wenn die Hoffnung schwindet und der Glaube wankt, ist Jesus gegenwärtig: Er verlässt seine Kirche nicht, sondern wird ihr Wegbegleiter. Er ist wie der Weggefährte, der auf dem Weg der Kirche durch die Zeit seine geliebte Braut nie verlässt, sondern ihr zuvorkommt und sie begleitet mit einer Zärtlichkeit, die die absolute Unentgeltlichkeit seiner Liebe bezeugt. 1228 ANHANG Das lehrt uns erneut die Begegnung mit den beiden Jüngern von Emmaus: „Jesus (kam) hinzu und ging mit ihnen. Doch sie waren wie mit Blindheit geschlagen, so daß sie ihn nicht erkannten“ (Z& 24,15-16). Auch unerkannt ist Jesus gegenwärtig, kreuzt ihren Weg, ist ihr fürsorglicher Weggefährte und Führer. Augustinus schreibt darüber: „Er ging mit ihnen wie ein Weggefährte, ja, er war es, der sie an-fuhrte. Sie sahen ihn, aber sie konnten ihn nicht erkennen. Sie waren - wie wir gehört haben - wie mit Blindheit geschlagen und konnten ihn nicht erkennen. Sie waren wie mit Blindheit geschlagen, nicht weil sie ihn nicht sahen, sondern weil sie ihn nicht erkannten“. <709> <709> Augustinus, Rede 235,2: PL 38, 1118. Das hat der Glaube der Kirche immer bekannt und bekennt es weiterhin. Denn Jesus, zum Himmel aufgestiegen und verherrlicht, bleibt bei seiner Kirche auf Erden: „Als seine sichtbare Gegenwart den Jüngern genommen wurde, ließ Jesus sie nicht als Waisen zurück. Er versprach, bei ihnen zu bleiben bis zum Ende der Zeiten, und sandte ihnen seinen Geist. In gewissem Sinne wurde die Gemeinschaft mit Jesus dadurch noch vertieft: ,Indem er nämlich seinen Geist mitteilte, hat er seine Brüder, die er aus allen Völkern zusammenrief, in geheimnisvoller Weise gleichsam zu seinem Leib gemacht“ (Lumen Gentium, Nr. 7)“. <710> Jesus handelt weiterhin durch das mächtige Eingreifen des Heiligen Geistes, der das ständige und treue „Gedächtnis“ dessen ist, was Jesus gesagt und getan hat (vgl. Joh 14,26), und der Tag für Tag im Kommen ist, um Jesus Christus in der Kirche und in den Jüngern nachzubilden und sie so zum lebendigen Leib Christi zu formen. <710> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 788. 32. Unterschiedlich und vielfältig sind - wie das Konzil lehrt - die Weisen der Gegenwart unseres Herrn Jesus: „Christus (ist) seiner Kirche immerdar gegenwärtig, besonders in den liturgischen Handlungen. Gegenwärtig ist er im Opfer der Messe sowohl in der Person dessen, der den priesterlichen Dienst vollzieht ... wie vor allem unter den eucharistischen Gestalten. Gegenwärtig ist er mit seiner Kraft in den Sakramenten ... Gegenwärtig ist er in seinem Wort, da er selbst spricht, wenn die heiligen Schriften in der Kirche gelesen werden. Gegenwärtig ist er schließlich, wenn die Kirche betet und singt, er, der versprochen hat: ,Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20)“. <711> Er ist auch „gegenwärtig in seiner Kirche, die die Werke der Barmherzigkeit übt, nicht nur, weil wir, wenn wir etwas für einen seiner geringsten Brüder tun, es für Christus tun (vgl. Mt 25,40), sondern auch, weil Christus selbst diese Werke durch seine Kirche tut, indem er den Menschen immer mit göttlicher Liebe zu Hilfe kommt. Er ist seiner pilgernden Kirche gegenwärtig, die sich nach dem Hafen des ewigen Lebens sehnt, weil er durch den Glauben in unseren Herzen wohnt (vgl. Eph 3,17) und in sie die Liebe durch das Wirken des Heiligen Geistes, der uns ge- 43 II. Vatikanisches Ökumenisches Konzil, Const. de sacra liturgia Sacrosanctum Concilium, Nr. 7. 1229 ANHANG geben ist, eingießt“. <712> Er ist gegenwärtig „in den Armen, den Kranken, den Gefangenen (vgl. Mt 25,31 —46), in seinen Sakramenten, deren Urheber er ist“. <713> Eine andere besondere Gegenwart des Elerm ist auch in einzelnen Personen wahrzunehmen, die in besonders enger Gemeinschaft mit ihm leben. „Im Leben derer, die, zwar Schicksalsgenossen unserer Menschlichkeit, dennoch vollkommener dem Bilde Christi gleichgestaltet werden (vgl. 2 Kor 3,18), zeigt Gott den Menschen in lebendiger Weise seine Gegenwart und sein Antlitz. In ihnen redet er selbst zu uns, gibt er uns ein Zeichen seines Reiches“ <714> Auf derselben Linie ist Jesus in den Familien, in den Gruppen, in den Bewegungen und in den Pfarrgemeinden gegenwärtig, überall dort, wo ein Mensch die Liebe lebt und das neue Gebot der Liebe verwirklicht (vgl. Joh 15,1-17). Seine Gegenwart manifestiert sich in der Konkretheit einer christlichen Gemeinschaft, die in der Liebe lebt, eines Herzens und einer Seele ist und sich die Haltungen der apostolischen Kirche zu eigen macht (vgl. Apg 2,42-48; 4,32-35). <712> Paul VI., Enzyklika Mysterium fldei (3. September 1965): AAS 57(1965)762-763; vgl. auch Ritenkongregation, Instr. Eucharisticum mysterium (25. Mai 1967) Nr. 9: AAS 59(1967)547. <713> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1373, vgl. auch Nr. 1374. <714> II. Vatikanisches Ökumenisches Konzil, Const. dogm. de Ecclesia Lumen Gentium, Nr. 50. Jesus Christus ist in der Kirche, seinem Leib, so sehr gegenwärtig, dass das Wirken der Kirche Teilhabe an der Sendung Jesu ist. Alles, was die Kirche „hat“ und „ist“, ist Frucht der schenkenden Liebe Christi. Sie „erwächst“ nicht nur aus der Liebe und dem Geschenk Christi, der sie geliebt und sich fiir sie hingegeben hat (vgl. Eph 5,25), sondern „ist“ die in der Geschichte sichtbar und wirksam gewordene Liebe und Hingabe. Wie Christus das „Sakrament“ der Liebe des Vaters ist, so ist die Kirche das „Sakrament“ der Liebe Christi, darum existiert sie. Darum ist sie von Christus in die Welt gesandt. Daraus folgt, dass die Kirche, obwohl in verschiedenen Formen und mit Schwächen und Unvollkommenheiten behaftet, den Herrn repräsentiert, an seiner Heilssendung teilhat und von der Kraft seines Geistes beseelt und gestützt wird. Ambrosius schreibt, dass „die Kirche nicht im eigenen Licht, sondern im Glanz Christi erstrahlt“. <715> Sie ist sein lebendiges Sakrament. „Gewiß sind wir uns sehr wohl unserer Grenzen bewußt, aber ebenso mächtig ist unsere Gewißheit über seine Gegenwart und sein ständiges Heilswirken“. <716> Das ist das Glaubensbekenntnis, das die Synode rückhaltlos verkündigen will. Aber es ist auch ein Beweggrund zur Gewissensprüfimg, die die Synode in unseren Kirchen begünstigen will. <715> Ambrosius, Exameron, dies IV, ser. VI, c. 8,32: CSEL 32/1,1/138. Johannes Paul II., Ansprache an den Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (16. April 1993), Nr. 9, in: „L’OsservatoreRomano deutsch“Nr. 17/1993, S. 8. Die Kirche als „ Geheimnis “ und „ Gemeinschaft “ 33. Die Verkündigung der Gegenwart Jesu in seiner Kirche führt dazu, die Kirche in ihren Dimensionen von „Geheimnis“ und „Gemeinschaft“ zu betrachten. 1230 ANHANG Vom „ Geheimnis “ der Kirche sprechen heißt, ihre sakramentale Natur zu bekräftigen, bzw. ihre Verwurzelung im Geheimnis Christi, auf dem sie gründet, hervorzuheben. Sie ist Geschenk Gottes, manifestiert in Jesus Christus und mitgeteilt durch den Heiligen Geist, der ihr zuvorkommt und sie belebt. Das durch das Wort verkündete und in den Sakramenten verwirklichte Ostergeheimnis Christi ist die Quelle ihrer Existenz und Sendung. „Als Sakrament ist die Kirche Werkzeug Christi. Die Kirche ist in den Händen Christi ,Werkzeug der Erlösung aller1 {Lumen Gentium, Nr. 9), ,allumfassendes Sakrament des Heiles1 {Lumen Gentium, Nr. 48), durch das Christus die ,Liebe Gottes zum Menschen zugleich offenbart und verwirklicht1 {Gaudium et spes, Nr. 45,1). Sie ist ,das sichtbare Projekt der Liebe Gottes zur Menschheit1 (Paul VI., Ansprache vom 22. Juni 1973). Diese Liebe will, ,daß das ganze Menschengeschlecht ein einziges Volk Gottes bilde, in den einen Leib Christi zusammenwachse und zu dem einen Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut werde1 {Ad gentes, Nr. 7)“. <717> 51 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 776. Von der Kirche als „Gemeinschaft11 sprechen heißt vor allem, zu bekräftigen, dass die Kirche nicht nur „um Christus“ versammelt, sondern „in ihm“, in seinem Leib geeint ist. <718> Christus und die Kirche bilden somit den ,ganzen Christus1 [...] Die Kirche ist der Leib, dessen Haupt Christus ist. Sie lebt aus ihm, in ihm und für ihn; er lebt mit ihr und in ihr“. <719> Mit dieser Gewißheit dürfen und sollen wir ein Wort der hl. Jeanne d‘Arc an ihre Richter wiederholen: „Von Jesus und der Kirche denke ich, daß alles eins ist und daß man daraus kein Problem machen soll.“ Zusammengefasst heißt das Bezugnahme auf die „ communio ", die auf der Gemeinschaft mit Gott im Heiligen Geist durch Jesus Christus gründet und in der kirchlichen Gemeinschaft Wirklichkeit geworden ist, welche wiederum auf die Gemeinschaft der ganzen Menschheit ausgerichtet ist. <718> Vgl. ebd., Nr. 789. <719> Ebd., Nm. 795, 807. 34. Angesichts dieser wenn auch zwischen Ost- und Westeuropa verschieden akzentuierten Ausblicke erscheint die Auffassung, die man heute in Europa von der Kirche als „ Geheimnis “ hat, sehr unterschiedlich und spiegelt das bunte Bild des heutigen Christentums wider. Auch wenn sie im allgemeinen eine Minderheit ausmachen, begreifen diejenigen, deren Leben deutlich auf Gemeinschaft ausgerichtet ist und die auf verschiedene Weise die Last des kirchlichen Lebens in Form von Mitarbeit und Mitverantwortung tragen, die Kirche als Geheimnis, Gemeinschaft und Sendung, wie sie - ausgehend von einigen in den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils wiedergegebenen Ansätzen - in den Synodenversammlungen und päpstlichen Weisungen noch deutlicher beschrieben worden ist. Dazu gehören viele Gemeinschaften des geweihten Lebens, die verschiedenen in der Seelsorge wirkenden Männer und Frauen sowie die Mitglieder der kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen. 1231 ANHANG Ein Großteil der Menschen, auch der Christen, teilt hingegen die heute in der öffentlichen wie auch kirchlichen Meinung vorherrschende Sicht der Kirche, wonach sie allgemein als hierarchisch gegliederte Institution gesehen wird, die sich durch ihre Lehraussagen besonders im moralischen Bereich den Bestrebungen derer widersetzt, die für sich und für die anderen weite Freiheitsräume beanspruchen und sich nicht von oben sagen lassen, was sie tun und wie sie sich verhalten sollen. In vielen Fällen wird dann die Kirche als Institution und kulturelle, caritative und humanitäre Einrichtung und damit als eine Art Angebot vielfältiger „Dienstleistungen“ verstanden, die als solche auch hochzuschätzen und zu nutzen sind. Zu den Beweggründen dieser Mentalität scheinen zu zählen: die von den Medien verbreitete Darstellung der Kirche; die schwere Erblast der individualistischen Philosophie der vergangenen Jahrhunderte; eine geringe Betonung des mystischen Wesenszuges der Kirche in Predigt und Lehre; seitens der kirchlichen Vertreter eine Praxis, die oft nicht auf Gemeinschaft ausgerichtet und nicht genügend auf gegenseitigem Respekt und offenem Hören der Meinungen anderer gründet. Diese verbreitete Mentalität scheint besonders mit dem besorgniserregenden Verlust der Sicht der Kirche als sakramentale Wirklichkeit zusammenzuhängen und hat auf viele Bereiche negative Auswirkungen. So ist die Verringerung der Priesterweihen in vielen europäischen Ländern auf diese veränderte Kirchensicht zurückzuführen, die das Priesteramt nicht mehr als einen sakramentalen Lebensstand, sondern nur als eine möglicherweise austauschbare Rolle des strukturellen Aufbaus der Kirche versteht. Damit verbunden ist ein verringertes Bewußtsein der Gegenwart Jesu Christi mit seinem Geist im Leben der Kirche. Von daher die Notwendigkeit, das Verständnis von Kirche als Geheimnis, Gemeinschaft und Sendung durch die Verkündigung des Evangeliums, durch Katechese und Seelsorge zu vermitteln und zu vertiefen. Außerdem gibt es kleine Gruppen nostalgischer Katholiken, die auf verschiedenen Ebenen in den Ortskirchen Spannungen hervorrufen können. Betrachtet man die Kirche als „Gemeinschaft", werden unter den konkreten Ausdrucksformen dieser Wirklichkeit normalerweise aufgezählt: der Gottesdienst, das Gebet, die Schriftlesung, das sakramentale Leben und die Wallfahrten. Hervorzuheben ist hier die immer größere Rolle, die einige Gemeinschaften und Gmppen mit christlicher Spiritualität spielen, abgesehen von der Bedeutung der Pfarrge-meinde als ursprünglichen „Raum gelebter Gemeinschaft“. 1232 ANHANG Dritter Teil Jesus Christus Hoffnung für Europa Für eine Kirche, die das „Evangelium der Hoffnung “ durch die Verkündigung, den Gottesdienst und den Dienst am Nächsten verbreitet Aus der Begegnung mit Jesus geht die Sendung hervor 35. Nachdem die beiden Jünger den auferstandenen und lebendigen Christus erkannt hatten, konnten sie meinen, ihr Weg sei in Emmaus zu Ende und Jesus bleibe bei ihnen. Aber gerade als „ihnen die Augen aufgingen und sie ihn erkannten, sahen sie ihn nicht mehr“ (vgl. Lk 24,31). Weder das tröstliche Verständnis der Schrift noch die freudige Erfahrung der Eucharistie waren das Ziel ihres Weges. Es war Jerusalem, die Stadt Gottes, der Ort des wahren menschlichen Zusammenlebens, die ideale Stadt, das Symbol jedes menschlich-geschichtlichen Ereignisses und der endgültig von der Herrlichkeit Gottes erfüllten Stadt (vgl. Offb 21,10). Das heißt, dass das Erkennen Jesu als Auferstandenen, der in seiner Kirche lebt und gegenwärtig ist, notwendigerweise „Sendung“ wird, die in der konkreten Geschichte bis zur endgültigen Vollendung in der Wiederkunft des Herrn gelebt wird. Deshalb „brachen sie noch in derselben Stunde auf und kehrten nach Jerusalem zurück, und sie fanden die Elf und die anderen Jünger versammelt“ (Lk 24,33). Hier spielt man auf eine wesentliche Dimension der Sendung an: Sie kann nur in Gemeinschaft und um das Wort und die Eucharistie und um die Apostel und ihre Nachfolger versammelt gelebt werden. Ja, wir können sagen, dass die Sendung ein Anspruch ist, der der Gemeinschaft innewohnt, der Gemeinschaft mit Jesus, aus der die Gemeinschaft der Christen untereinander erwächst: „Communio und Sendung sind zutiefst miteinander verbunden, sie durchdringen und bedingen einander, so daß die communio zugleich Quelle und Frucht der Sendung ist: die communio ist missionarisch und die Sendung gilt der communio“. <720> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici (30. XII. 1989), Nr. 32: AAS 81 (1989)451—452. In Jerusalem angekommen, hörten die beiden Jünger die Nachricht: „Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen“ {Lk 24,34), und „da erzählten auch sie, was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach“ (Lk 24,35). Wir werden also auf den Keminhalt der gesamten Sendung der Kirche, der Verkündigung, des Gottesdienstes und des Dienstes am Nächsten, hingewiesen: Die Botschaft, dass der auferstandene und lebendige Christus der einzige Erlöser aller Menschen ist, muss heute und für alle Zeiten in den einzelnen Kirchen, unter den verschiedenen Kirchen und allerorts in der Welt verkündigt werden. Das will die Synode anregen und bewirken in der Überzeugung, dass wir das, was wir unentgeltlich von Gott durch die lebendige Tradition unserer Väter im 1233 ANHANG Laufe der Evangelisierung ganz Europas empfangen und was wir durch das Hören des Wortes und die Feier der Sakramente aufgenommen haben, unsererseits dem Europäer von heute und allen, zu denen der Herr uns sendet, unentgeltlich anbieten müssen. Die Freude, die der Auferstandene uns spüren läßt, indem er uns die Schriften erklärt und das Brot für uns bricht, drängt uns und alle unsere Kirchen, „von Emmaus aufzubrechen“, um den anderen Menschen diesen Lebensvollsinn zu vermitteln, der uns geschenkt wurde und nach dem sie sich in ihrem Innersten sehnen, auch wem sie gleichgültig sind oder ihn scheinbar ablehnen. 36. Das ist die dringende Aufgabe, vor die die Kirchen Europas gestellt sind. Auch für sie wie für alle Kirchen in der Welt gelten die verantwortungsschweren Worte Johannes Pauls II.: „Indem sie sich an der Pädagogik der Menschwerdung inspiriert, ist die christliche Gemeinschaft aufgerufen, mit Christus an der Seite des Menschen von heute zu gehen, ihn in der schwierigen Wahrheitssuche zu stützen und ihn die Gegenwart des Erlösers irgendwie dort deutlich zu machen, wo er sein tägliches Leben lebt, das mit unsicheren Zukunftaussichten, mit Ungerechtigkeit, Orientierungslosigkeit und manchmal Verzweiflung verbunden ist. Im Vertrauen auf die Gegenwart des Herrn, werden die Christen durch Hören, durch den Dialog, den Dienst am Wort und den Sakramenten ihre Zeitgenossen von der Mutlosigkeit zum freudigen Zeugnis für den auferstandenen Christus führen körnen“. <721> Angesichts dieser Ausblicke, die die missionarische Dimension des Geheimnisses der Kirche betreffen, ist in unseren Kirchen eine gewisse Trägheit festzustellen. Der Sendungsauftrag ist gemäß einer Pastoral der „Bewahrung“ oft zum Lebensalltag und zur kirchlichen Praxis zusammengeschrumpft. Man hat große Mühe, „aus sich herauszugehen“ und eine verstärkte und erneuerte Pastoral in Gang zu bringen (eine Mühe, die zumindest in einigen kirchlichen Gemeinschaften der ehemals kommunistischen Länder scheinbar auf das Klima zurückzuführen ist, das durch Angst, Mißtrauen, Abhängigkeit und mangelnde Kreativität jahrzehntelang vom damals herrschenden Regime auferlegt wurde). Selbst die „Mission ad gen-tes“, die zwar aufgrund der oft heroischen Präsenz der ersten Missionare der eigenen Kirchen hochgeschätzt wird, hat Schwierigkeiten durch den Rückgang der Berufungen, der zum Teil darauf Zurückzufuhren ist, dass die Kirchen in ihren Bedürfnissen verhaftet sind. <721> Johannes Paul II., Ansprache an die Mitglieder des Zentralkomitees fiir das Große Jubiläum des Jahres 2000 (5. Juni 1996), Nr. 5, in „L’OsservatoreRomano deutsch“Nr. 37/1996, S. 5. Aber weit davon entfernt, zu entmutigen und zu hemmen, wird dieser Zustand ein weiterer Ansporn, zu einer Sendung zu befähigen, die dem Europa von heute neue Hoffnung gibt. Europa neue Hoffnung geben 37. Die Synode will verkündigen, dass die Hoffnung Europas das Kreuz Christi ist, das „Zeichen der versöhnenden, Leid und Tod überwindenden Liebe Gottes zu uns 1234 ANHANG Menschen, Verheißung der Brüderlichkeit aller Menschen und Völker, göttliche Kraftquelle für die beginnende Erneuerung der ganzen Schöpfung“, <722> und dass die Hoffnung ein festes Fundament hat, wenn wir versuchen, dem Willen Gottes durch eine „persönliche Glaubensbereitschaft“ zu entsprechen. <723> <722> Johannes Paul II., Ansprache bei der Vesperfeier ßir Europa auf dem Heldenplatz in Wien [Österreich] (10. September 1983), Nr. 1, in: „L’Osservatore Romano deutsch“Nr. 37/1983, S. 5. <723> Vg]. Johannes Paul II., Botschaft an den 90. Katholikentag in Berlin [Deutschland] (23. Mai 1990), in: „L’Osservatore Romano deutsch “ Nr. 22/1990, S. 8. Dabei stützt und leitet uns die Gewissheit, dass „Christus, der Herr, der Weg ist; er heilt unsere inneren und äußeren Wunden, stellt in uns das göttliche Bild wieder her, das wir durch die Sünde verdunkelt haben“; <724> desweiteren die Gewissheit, dass die christlichen Wurzeln Europas, wenn sie wiederentdeckt und wiederbelebt werden, in allen lebendige Hoffnung und neue Dynamik wecken können, die zur Überwindung der gegenwärtigen Schwierigkeiten beitragen und eine geistige und menschliche Weiterentwicklung für die Zukunft sicherstellen. <725> Heute, an der Schwelle des neuen Jahrtausends, ist es notwendig, diese Überzeugungen zu hegen, um Europa neue Hoffnung anzubieten. Tatsächlich wird sich „die Heilige Tür des Jahres 2000 für eine Gesellschaft öffnen, die der Erleuchtung durch das Licht Christi bedarf. Das ,alte Europa1 hat das Geschenk des Evangeliums empfangen, ruft aber jetzt nach einer neuen christlichen Verkündigung, die den Menschen und Völkern hilft, die Freiheit mit der Wahrheit zu verbinden, und die geistigen und ethischen Fundamente für die wirtschaftliche und politische Vereinigung des Kontinents sicherstellt“. <726> <724> Johannes Paul II., Ansprache an die bulgarischen Bischöfe anläßlich des „ad limina“-Besuches (7. November 1998), Nr. 3, in: „L'Osservatore Romano 8. November 1998, S. 5. <725> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die spanischen Bischöfe der Kirchenprovinzen Granada, Sevilla und Valencia anläßlich des „ad limina“-Besuches (7. Juli 1998), Nr. 8, in „L’Osservatore Romano“, 9. Juli 1998, S. 7. <726> Johannes Paul II., Ansprache beim Angelus (14. Februar 1999), Nr. 1, in „L’Osservatore Romano deutsch", Nr. 8/1999, S. 1. Es besteht kein Zweifel, dass sich auch die soziale Erneuerung Europas nur auf den auferstandenen Christus stützen kann und dass die Kirchen mit ihren Hirten zu dieser Erneuerung beitragen können, indem sie sich um Christus scharen, ihr Vertrauen auf ihn setzen und ihre apostolischen und missionarischen Pläne auf ihn und einzig auf ihn gründen, der unter uns bis zum Ende der Zeiten gegenwärtig ist und lebt. <727> Trotz aller Probleme und Schwierigkeiten darf ebensowenig die Zuversicht schwinden, dass - wie der Papst trotz pessimistischer Stimmen wiederholt bekräftigt - „unmittelbar vor Anbruch des 3. Jahrtausends der Erlösung Gott dabei ist, einen großen christlichen Frühling zu bereiten, dessen Morgenröte man schon ahnend erkennen kann (Redemptoris missio, Nr. 86)“. <728> <727> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an den Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (16. April 1993), Nr. 1, in: „L’Osservatore Romano deutsch “Nr. 17/1993, S. 8. <728> Johannes Paul II., Ansprache beim „ad limina“-Besuch einer Gruppe polnischer Bischöfe (12. Januar 1993), Nr. 2, in: „L’Osservatore Romano deutsch “Nr. 5/1993, S. 10. 1235 ANHANG 38. Wenn wir unter diesem Gesichtspunkt auf die Wirklichkeit unserer Kirchen schauen und ihre Ansicht über sie selbst hören, bringen sie die Überzeugung zum Ausdruck, dass Jesus Christus, der in seiner Kirche lebt, weiterhin Quelle der Hoffnung für Europa ist. Aber zugleich wird hervorgehoben, dass das gewiss nicht automatisch geschieht, sondern in dem Maß, in dem sich die Kirchen heute mit ihren vielfältigen Gliederungen konkret bemühen, die von Jesus von Nazaret in seiner geschichtlichen Existenz angewandte Evangelisierung neu zu leben und zu verwirklichen: d.h. seine Menschlichkeit und Demut, seine Beziehung als Sohn zum Vater des Lebens, sein Gefühl, vom Geist gesalbt und in die Welt gesandt zu sein; sein tätiges Mitleid mit den Armen, seine vielen Gesten der Befreiung von so vielen Formen der Unterdrückung; die Gesten, Gesundheit, Leben und Freude zu schenken; seine Wahrheitsliebe, sein Zeugnis vom Reich der Gerechtigkeit und des Friedens bis zum totalen Selbstopfer. Zusammenfassend ist die Notwendigkeit zu unterstreichen, dem Leben des europäischen Menschen von heute einen Sinn zu geben und gewisse Voraussetzungen zu schaffen, damit die Person Jesu als Hoffnung für Europa dargestellt werden kann. Das heißt, in der Treue zum Herrn und seiner Auferstehung die Quelle und Stütze der eigenen Hoffnung zu erkennen; die Notwendigkeit, in verständlicher, aber auch anregender Weise die Person Christi und die christlichen Werte vorzustellen; die Personen und Kulturen für das Übernatürliche zu sensibilisieren; die Erfahrung der heilsamen Kraft des göttlichen Erbarmens anzubieten; den Glauben in Wort und Tat und in einer Sprache zu verkündigen, die insbesondere vom heutigen jungen Menschen verstanden wird; das Zeugnis einer Gemeinschaft in Vielfalt auch im sozialen Bereich in besonderen Fällen anzubieten. Im Einzelnen kann der Beitrag der Kirche zum Wachstum der Hoffnung in Europa so beschrieben werden: Die Spiritualität kann eine Antwort auf die Leere und Frustration der Konsumgesellschaft sein. Der Sinn für Gemeinschaft kann die Schranken der Voreingenommenheit und der Nationalismen durchbrechen sowie den drohenden Zerfall der Gesellschaft aufhalten. Das missionarische Zeugnis ist Ausdruck der Sorge um das Wohl des Einzelnen, damit er den Sinn seines Lebens findet. Im Grunde handelt es sich darum, vor allem in der Zeit des Pluralismus von heute zu glauben und zu verkündigen, dass die Dreifaltigkeit Ursprung und Quelle des Lebens des ganzen Menschen und für alle Menschen ist und dass in der Offenbarung der Dreifaltigkeit die Würde aller Menschen als Kinder Gottes des Vaters wurzelt, die zur Teilhabe berufen sind und dazu, mit dem Heiligen Geist eine Lie-besgemeinschaft aufzubauen. Es handelt sich darum, eine Kirche zu sein, die in Treue zu den im Credo aufge-zählten theologischen Eigenschaften - Einheit, Heiligkeit, Katholizität, Apostoli-zität - fähig ist, Zeugnis abzulegen durch einen wahrhaften Glauben, durch brüderliche Liebe, durch ein Leben gemäß den Seligpreisungen, deren Modell Jesus ist; durch ein menschliches, einfaches Leben; durch die Vergebung in brüderlicher 1236 ANHANG Gemeinschaft; durch die Bereitschaft, mit den Menschen guten Willens zum Wohl aller und besonders der Notleidenden wirksam zusammenzuarbeiten. In einer solchen Kirche können die Gläubigen, vereint mit dem Vater und gesalbt im Geist der Wahrheit, Hoffnung vermitteln, indem sie das Leben Jesu nachleben, d.h. mit ihm zum Haus des Vaters pilgern. So kann in ihnen seine Menschlichkeit und Einfachheit durchscheinen, sie können außer der Befreiung und Freude Mitleid und Vergebung schenken, Gerechtigkeit und Frieden stiften und privat und in der Liturgie ein Gebetsleben als persönliche Begegnung mit dem Herrn fuhren. 39. Es gibt aber auch von manchen Seiten den Einwand, dass die Verbindung zwischen Jesus Christus, der Kirche und der Hoffnung im konkreten Geflecht vieler Gemeinschaften nicht so deutlich hervortritt. Erkennbar sind in manchen Kirchen verschiedentlich anzutreffende Haltungen und Verhaltensweisen, die die Hoffnung verdunkeln. Darunter sind zu nennen: die Versuchung zu weltlicher Macht und dazu, sich auf die Macht des Geldes und einer gut funktionierenden Einrichtung zu stützen; eine wenn auch latente neue Form von Klerikalismus; der unterschwellige Anreiz, beim Angebot stärkeren Druck auszuüben auf die Gefahr hin, das Gewissen zu manipulieren und eine Evangelisierungstätigkeit zu verhindern; die Gefahr, bei der Ausübung vieler caritativer und pflegerischer Dienste verfeinerten Formen von Paternalismus nachzugeben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zur Gewissenprüfung; die Notwendigkeit, einer neuen Anstrengung zur „Umkehr“ Raum zu geben zu dem Zweck, die mehr oder weniger tiefe Kluft zwischen einem nur mit den Lippen verkündeten Evangelium und einem in der Tat gelebten Evangelium zu verringern; die Dringlichkeit, in den einzelnen Kirchen zu Arm und Reich, aber auch zu den außereuropäischen Kirchen Beziehungen wahrer Solidarität durch eine echte Öffnung zur Welt aufzubauen. Es wird auch unterstrichen, dass, um Hoffnung zu vermitteln, es notwendig ist, die christliche Bildung der freien Berufe, der Politiker und der verschiedenen Vertreter des öffentlichen Lebens zu fördern; durch die Medien eine öffentliche Meinung zu bilden, die sich an den christlichen Werten inspiriert; zum Sinn für Europa und zur Weltweite als Glaubensanspruch heranzubilden. Aber vor allem gibt es einige Grundvoraussetzungen, damit unsere Kirchen Hoffnungsträger für das Europa von heute sein können. Es sind Bedingungen, die das Antlitz der Kirche und ihre Seins- und Lebensweise betreffen. Auf sie will die Synode die Aufmerksamkeit lenken und die Gewissensprüfung konzentrieren. Eine Kirche, die die Gegenwart und das Handeln Christi und seines Geistes erkennt und annimmt 40. Die Hoffnung erlahmt und schwindet, wenn die Gewissheit erlahmt und schwindet, dass in den Ereignissen des persönlichen, familiären, sozialen und kirchlichen Lebens der Herr und sein Geist gegenwärtig sind, dagegen die Überzeugung überhand nimmt, dass alles dem Zufall überlassen und ohne Sinn ist. 1237 ANHANG Wenn das, wie es scheint, ein charakteristischer Zug der schweren derzeitigen Krise ist, dann ist die unerlässliche Aufgabe der Kirche, zu glauben und zu bezeugen, dass Jesus Christus und das Geschenk seines Geistes auch heute in der Geschichte präsent sind. Es handelt sich also darum, die Überzeugung zu stärken, dass der Geist Christi präsent ist und handelt, dass er uns zuvorkommt, dass er mehr als wir und besser als wir handelt. Er führt wirklich unsichtbar und oft unscheinbar und verborgen seinen siegreichen Wettkampf. Er setzt in Zeit und Raum die Sendung Christi, unseres Herrn, fort und formt die Kirche zum Strom neuen Lebens, der die Menschheitsgeschichte als Zeichen der Hoffnung für alle durchfließt. In ihrem Leben und in ihrer Sendung ist die Kirche deshalb gerufen zu glauben und zu bezeugen, dass der Heilige Geist imstande ist, die Spaltung und Zersplitterung zu überwinden, den Herzen Frieden zu geben und sie in der Freude der Gemeinschaft mit dem Vater und mit dem Sohn in ihm zu vereinigen; dass er die Seele der Einheit der Kirche ist und die christliche Gemeinschaft zum Zeichen, zum Werkzeug und zur Prophetie der Einheit der Welt macht. Es geht darum, zu glauben und damit zu bekennen, dass Jesus im Heiligen Geist heute die Herzen in Besitz nimmt, die sich ihm öffnen im Hören des Wortes und in der Teilhabe an den Sakramenten sowie allgemein in der Annahme des Geheimnisses des Lebens und des Todes und in der Erfahrung von Liebe, Solidarität und Gerechtigkeit. Es handelt sich darum, eine Kirche zu sein, die glaubt und durch ihren Lebensstil bezeugt, dass der Heilige Geist der Herr ist, der das Leben schenkt, weil er hier und jetzt den Lebendigen gegenwärtig macht über alle sozialen, rassischen, kulturellen und religiösen Schranken hinweg. Eine Kirche die glaubt und bezeugt, dass derselbe Heilige Geist im Herzen jedes Menschen, im Herzen der Städte und der Geschichte Europas und der Welt wirkt, um in ihnen heute wie gestern Personen und Gruppen zu erwecken, die Jesus ähnlich sind, die wie er denken und handeln, die als wahre Kinder Gottes leiden und wie er das Leben für die Brüder hingeben. Zeichen dieser Seins- und Lebensweise sind unter anderem die Fähigkeit realistischer Unterscheidung zwischen den positiven und negativen Glaubensbedingungen in unserer Zeit, ohne einem leeren Optimismus oder sterilem Pessimismus nachzugeben, und das Netz der Liebesbeziehungen wahrzunehmen und zu stützen, die der Heilige Geist auch heute in Europa knüpft und die ein Widerschein des Netzes der Liebesbeziehung der Heiligsten Dreifaltigkeit sind. Geschieht das nicht, könnten auch unsere kirchlichen Gemeinschaften einer der stärksten und heimtückischsten Versuchungen erliegen, die eben darin besteht, die Gegenwart des Heiligen Geistes außer acht zu lassen. Und das würde unweigerlich zu Müdigkeit, Enttäuschung, Bedeutungslosigkeit und reiner pastoraler Wiederholbarkeit führen. Es wäre das Zeichen für mangelndes Vertrauen, typisch für den, der meint, Gott habe uns allein gelassen in einer bösen Welt, gegen die man mit ungleichen Waffen kämpft, weil Gleichgültigkeit, Egoismus und die Abkehr von Gott nach und nach unweigerlich überhand nehmen. So würde die Kirche, anstatt Hoffnungsträger zu sein, zur Traurigkeit, die in Europa zu herrschen scheint, noch beitragen. 1238 ANHANG Zu den Zeichen und Gaben der Gegenwart und des Handelns des Heiligen Geistes in unserer Zeit, die zugleich wichtige Weisungen für unseren Weg sind, gehören das II. Vatikanische Konzil, der Katechismus der Katholischen Kirche, die Feier und die Anleitungen der Synode für Europa von 1991. <729> Heute ist es notwendig, diese drei großen Geschenke der Wegweisung gegenwärtig zu halten, die der Heilige Geist auf den Weg der Kirche gestellt hat, und sich zu fragen, inwieweit wir uns diese Geschenke zu eigen gemacht haben und uns von diesen Weisungen in den vergangenen Jahren haben leiten lassen; desweiteren nach den Ausblicken zu fragen, die diese geschenkten Wegweisungen für die Zukunft enthalten können. ^3 Vgl. ebd. Eine Kirche, in der Christus durchscheint und die ihm gleichgestaltet ist 4L Wenn, wie gesagt, die Kirche ganz auf Christus bezogen ist, wenn sie Frucht seiner Liebe und vollen Hingabe ist (vgl. Eph 5,25), und wenn diese Liebe in der Geschichte gegenwärtig und wirksam ist, ist es notwendig, dass ihre Pastoral nicht auf Menschenkraft gründet und vertraut, sondern auf der Gnade Gottes, auf seiner liebevollen und allmächtigen Vorsehung, auf den Kräften, die von Christus und von seinem Geist geschenkt werden. Die lebendige und lebenspendende Wurzel des Handelns der Kirche soll also in ihrer Gemeinschaft mit Christus, in der wachsenden Liebe zu ihm und in der Lebensvertrautheit mit ihm verhaftet sein. Um klarer Widerschein Christi zu sein, muss die Kirche Christus, ihren Bräutigam, mit unermüdlicher Liebe betrachten. Ihn bitten, sein Wort hören, seine Gesten erwägen, sein Geheimnis aufhehmen und an seiner Gnade teilhaben sind die wesentlichen unauslöschlichen Voraussetzungen, um Christus, die Quelle der Zuversicht und Hoffnung, aufscheinen zu lassen. Folglich ist die vorrangige Aufgabe, das Gesicht unserer Kirchen zu prüfen und es dem Antlitz Christi immer gleichförmiger zu machen. Denn wenn die Kirche ganz vom Wort des Herrn, aus dem sie hervorgeht, abhängig ist, müssen wir, wenn wir von ihr sprechen, uns bewusst sein, dass wir von Jesus sprechen, und wenn wir ihr Antlitz beschreiben, müssen wir uns auf das Antlitz Jesu beziehen, so dass die Kontemplation ihres Antlitzes sich in Handlungen, Strukturen und Regeln in der Freude und im Frieden des Heiligen Geistes umsetzt. Wenn wir imstande sein wollen, Hoffnung zu bezeugen und zu verbreiten, müssen unsere Kirchen den Willen haben, Leib des in der Geschichte gekreuzigten Christus, die Neuerscheinung seines Antlitzes in der Zeit zu sein im Vertrauen auf die Gnade des Heiligen Geistes und auf das Erbarmen dessen, der die Verfehlungen vergibt, durch die wir täglich dieses heilige und gütige Antlitz verunstalten. Heute geht es vor allem darum, bei der Betrachtung des Schmerzensmannes, vor dem man gewöhnlich die Augen verschließt, zu begreifen, dass unser Antlitz sich von seinem nicht unterscheiden darf; dass unsere Schwachheit Kraft und Sieg bedeutet, 1239 ANHANG wenn sie die Neuerscheinung des Geheimnisses der Schwachheit, der Demut und der Milde unseres Gottes ist. Diese kirchliche Mystik der „imitatio Christi“ hat das Konzil inspiriert und kehrt am Anfang und in anderen Abschnitten der Konstitution über die Kirche wieder: „Christus ist das Licht“, um „alle Menschen durch seine Herrlichkeit, die auf dem Antlitz der Kirche widerscheint, zu erleuchten“. <730> Die Kirche wird „von der Kraft des auferstandenen Herrn gestärkt, um ihre Trübsale und Mühen, innere gleichermaßen wie äußere, durch Geduld und Liebe zu besiegen und sein Mysterium, wenn auch schattenhaft, so doch getreu in der Welt zu enthüllen“. <731> <730> II. Vatikanisches Ökumenisches Konzil, Const. dogm. de Ecclesia Lumen Gentium, Nr. 1. <731> Ebd., Nr. 8. Darauf soll die Synode hinweisen, dazu soll sie Anstöße geben, und darüber soll sie eine mutige und heilsame Gewissensprüfung anregen. 42. In derselben Richtung soll man sich fragen, ob man in der Pastoralarbeit jenseits der notwendigen Planung und Programmierung nicht Gefahr läuft, ihren Erfolg an der Anzahl der Initiativen und der Beteiligten oder an den verfügbaren Mitteln und Kräften zu messen. Um die Hoffnung zu erneuern und zu stärken, ist es notwendig, nicht der Versuchung zu übersteigertem Aktivismus nachzugeben, sondern in der Pastoral den Primat der Spiritualität um jeden Preis zu retten, vor allem durch ständige Zuhilfenahme des Gebets in der Gewissheit, dass „letzteres immer eine Art,Bekenntnis“ bedeutet, eine Anerkennung der Gegenwart Gottes in der Geschichte und seines Wirkens zum Wohl der Menschen und der Völker“, und dass „das Gebet gleichzeitig eine engere Verbundenheit mit ihm und eine gegenseitige Annäherung unter den Menschen fördert“. <732> Außerdem in der Überzeugung, dass es keine wahre soziale Erneuerung gibt, die nicht von der Kontemplation ausgeht: „Die Begegnung mit Gott im Gebet läßt in die Geschichte eine geheimnisvolle Kraft einfließen, die die Herzen rührt, sie zur Umkehr und zur Erneuerung bewegt und gerade dadurch auch eine gewaltige geschichtliche Umwälzung der sozialen Strukturen bewirkt“. <733> <732> Johannes Paul II., Brief an die italienischen Bischöfe (6. Januar 1994), Nr. 8, in: „L'Osservatore Romano deutsch “ Nr. 3/1994, S. 11. <733> Johannes Paul II., Ansprache beim 3. Treffen der Kirche Italiens in Palermo [Italien] (23. November 1995), Nr. 11, in: „L'Osservatore Romano“, 24. November 1995, S. 5. In dieser Sicht wird die Synode sehen müssen, ob die Kirchen in Europa Kirchen sind, die, bevor sie etwas „tun“, Gott loben, sein absolutes Primat anerkennen und vor ihm in schweigender Anbetung stehen. 1240 ANHANG Anspruch und Verlangen nach Spiritualität müssen geprüft werden 43. In Bezug auf diese wesentlichen Bedingungen, die den Kirchen Europas erlauben, Träger der Freude und Hoffnung zu sein, wird von vielen Seiten festgestellt, dass trotz des umfassenden Säkularisierungsprozesses in Europa vor allem unter den Jugendlichen Zeichen des Verlangens und der Suche nach Spiritualität zu erkennen sind. Diese Suche zeigt sich manchmal ganz allgemein und vielfach „spontan“, sie will verstanden und gesteuert werden, indem man auf die Grunddimensionen einer wahrhaft christlichen Spiritualität hinweist, die als persönliche Umkehr, als Erfahrung von Kirche, als Nachfolge des Herrn und Dienst an den Brüdern zu leben ist. Das Ideal der Selbstverwirklichung, begleitet von einem Klima des Individualismus, Subjektivismus, Pragmatismus und Hedonismus, kann einerseits eine Art Abbau der religösen Symbolwelt hervormfen und die Krise der traditionellen religiösen Ausdrucksweise verstärken. Andererseits kann es zur Suche nach anderen religiösen Erfahrungen anregen, die dem Bedürfnis nach Aufnahme, nach mehr Wärme in den zwischenmenschlichen Beziehungen, nach persönlicher Belohnung, nach Unterstützung, nach Sicherheit abhelfen möchten. Auf dieser Linie und in der Sicht einer Suche nach eigener Identität, um im derzeitigen Zerfall der Gesellschaft nicht unterzugehen, sind der Erfolg neuer religiöser Ausdrucksformen und das Auftreten neuer religiöser außerkirchlicher Gruppen, paralleler Bekenntnisse, der „Sekten“, neuer Integrierungsformen, des Zulaufs zu den fernöstlichen Religionen, des „New Age “ und sogar der Hinwendung zu manchen Formen von Satanismus zu erklären. Zusammenfassend könnte man sagen, dass die Auflistung des religiösen Verhaltens der Europäer und insbesondere der jungen Generationen Wesenszüge zeigen, die einerseits von der Auflösung des traditionellen Modells der Religiosität und dem Abbau der verschiedenen religiösen Bekenntnisse gekennzeichnet sind und andererseits ein wachsendes Verlangen nach religösen Bezügen, nach Sicherheit und nach Spiritualität deutlich machen, die aber oftmals ganz allgemein und verschwommen, ohne unmittelbare Auswirkungen auf das ethische Verhalten und die persönlichen Entscheidungen bleiben. Etwas günstiger vollzieht sich in vielen Gemeinschaften Ost- und Westeuropas der Übergang von einer traditionellen Religiosität zu einer persönlichen überzeugten religiösen Lebensform. Dieses Ziel - Frucht der freien Entscheidung und überzeugten Zugehörigkeit zur Kirche, die sich in fruchtbare Verhaltensweisen, in echte Spiritualität und in wirksamen apostolischen Einsatz umsetzen - scheint in vielen Ländern nur von kleineren oder größeren Minderheiten der Christen angestrebt zu werden, zu denen die Gemeinschaften des geweihten Lebens und die mit ihnen verbundenen Laienvereinigungen, die Mitglieder der kirchlichen Gruppen und Bewegungen und auch Einzelpersonen sowie Familien aus verschiedenen Pfarreien gezählt werden können. 1241 ANHANG 44. Dennoch fehlt es nicht an besorgnisserregenden Zeichen, die in den christlichen Gemeinschaften zutage treten, z. B. das Nachlassen oder der Schwund des Gebets im privaten und Familienbereich; eine gewisse Erschlaffung des Sakramentes der Versöhnung; die Suche nach außerordentlichen und wunderbaren Ereignissen; die Flucht in esoterische Religionserfahrungen und Sekten. Daraus folgt die Dringlichkeit und Notwendigkeit einer gründlichen Unterscheidung, die hilft, wachsam zu sein angesichts einer gefährlichen selektiven synkre-tistischen Spiritualität, die unter den verschiedenen „Sinnangeboten für das Leben“ die der Person angemessenen Bruchstücke auswählt, aber weder bereit noch imstande ist, eine Glaubensüberzeugung konkret zu leben. Hervorzuheben ist besonders, dass in einer echten kirchlichen Spiritualität die verschiedenen Elemente und Wege sich keineswegs in schädliche Polarisierungen verwandeln, sondern sich integrieren und gegenseitig vervollkommnen sollen und dass es notwendig ist, unter ihnen die persönliche Dimension mit der gemeinschaftlichen Dimension zu verbinden, um die Spiritualität nicht zu einer allgemeinen Art von „Privatffömmig-keit“ zu machen. Was schließlich die Wege betrifft, die zu einer gesunden christlichen Spiritualität hinführen, geht man oft von eifrigen kleinen charismatischen Gemeinschaften und Gebetsgruppen aus; man eröffnet neue Spiritualitätszentren und sorgt für das Aggiomamento der alten; man fördert Wallfahrten zu Heiligtümern und heiligen Stätten, wo ein intensives Gebetsleben gepflegt wird (besonders in Klöstern und Ordensgemeinschaften). Angeboten werden auch geistliche Einkehrtage für Ehepaare und Jugendliche sowie neue Arten des Katechumenats für Erwachsene, desweiteren neue Literatur, die Themen der Spiritualität behandelt und vertieft. Man bietet ein reicheres Gebetsleben in den Pfarreien an, indem man das Wort Gottes und das Nachdenken darüber, insbesondere durch die regelmäßige „ lectio divina “ in den Mittelpunkt stellt. Nicht zu vergessen ist auch wegen ihrer Bedeutung in ganz Europa eine rechte christlich ausgerichtete Marienverehrung und Volksfrömmigkeit. Eine Kirche als wahrer Ort der Gemeinschaft 45. Damit die Kirche sich wirklich als lebendiger Leib Christi vorstellen kann, als glaubwürdiges Zeichen der Gegenwart des Vaters durch Christus, den Erlöser, in der Kraft des Heiligen Geistes, als Zufluss neuen Lebens zur Geschichte der Menschen, ist es notwendig, dass die Jünger Christi eins werden in der Liebe. Nur so sind sie der strahlende Widerschein der Dreifaltigkeit: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Denn wenn die Eucharistie die höchste Gegenwart des auferstandenen Herrn ist, ist die dem Evangelium entsprechend gelebte gegenseitige Liebe der klarste Widerschein dieser Gegenwart, der stärkste Anruf, der zum Glauben führt. 1242 ANHANG Es stellt sich also die Frage, wie sich die christliche Gemeinschaft darstellen soll, damit sie das „Evangelium der Hoffnung“ durch die Verkündigung, den Gottesdienst und den Dienst am Nächsten verbreitet. Die Antwort kann nur in einem Modell brüderlicher und missionarischer Gemeinschaft gesucht werden, das in jeder einzelnen Kirche mit größerer Entschlossenheit und Kohärenz aufzubauen ist. Dazu gehören ein Klima freundschaftlicher Beziehungen, der Kommunikation, des Dienstes, der Mitverantwortung und Teilhabe, des verstärkten missionarischen Bewusstseins, der Aufmerksamkeit für die verschiedenen Armutsformen; eine Kultur der Gegenseitigkeit, wie sie aus den Briefen des Apostels Paulus hervorgeht: gegenseitige Achtung, einander annehmen und aufbauen, dienen und stützen, zurechtweisen und trösten (vgl. z. B. Rom 12,10, 15,7.14; Gal 5,13; 6,2; Kol 3,13; 1 Thess 5,11); die vielfältigen Charismen, Berufungen und Verantwortlichkeiten, die so zu nutzen sind, dass sie der Einheit und der Gemeinschaft zugute kommen (vgl. 1 Kor 12); eine herzliche Zusammenarbeit unter den verschiedenen Vereinigungen der Gläubigen; eine Vielfalt von spirituell, theologisch und pastoral ausgebildeten seelsorglichen Mitarbeitern soll in affektiver und effektiver Gemeinschaft mit dem Bischof und dem Presbyterium für besondere kirchliche Angebote verantwortlich sein; eine Verstärkung der diözesanen und pfarrlichen Pastoralräte, verstanden als Zeichen und wirksame Mittel für das Wachstum der Gemeinschaft und die Förderung einer gemeinsamen missionarischen Tätigkeit; eine einheitliche, aufgegliederte kirchliche Pastoral; eine erzieherische und missionarische Pastoral am Ort, die offen ist für die universale Mission „adgentes Das sind die Wesenszüge einer lebendigen kirchlichen Gemeinschaft, die fähig ist, heute Glauben zu erwecken und zum Glauben hinzuführen. Die Gemeinschaft in der Kirche muss geprüft werden 46. Im allgemeinen ist zu sagen, dass zwar bemerkenswerte Fortschritte in der Entwicklung einer Theologie der „koinonia“ gemacht wurden, aber immer noch keine gemeinschaftliche Praxis in der Kirche gepflegt wird. Daher die Notwendigkeit, in einer offenen gegenseitigen Aussprache die Folgerungen der communio-Theologie zu vertiefen, die sich ergeben für die Beziehung zwischen der Kirche, die der universalen Gemeinschaft und den Teilkirchen vorsteht, für die Beziehung der Teilkirchen untereinander, für den Lebensalltag der Ortskirchen und insbesondere für die kirchlichen Entscheidungsmechanismen. Unter den deutlichen und konkreten Zeichen, durch die die Gemeinschaft in den europäischen Kirchen zum Ausdruck kommt, werden normalerweise genannt: das Vereinsleben in den Gruppen und Bewegungen; der sich ausbreitende Freiwilligendienst; die zahllosen Initiativen der Solidarität für die Bedürftigen im eigenen Land und in den ärmeren Ländern, besonders in der südlichen Hemisphäre und im Orient. Als Schwerpunkte der Einheit innerhalb der christlichen Gemeinschaft werden genannt: die Pfarrgemeinde als unumgänglicher grundlegender Ort der Gemein- 1243 ANHANG Schaft; die Gemeinschaft im Presbyterium und unter den verschiedenen Kommunitäten auch durch Neugliederung derselben (wie die sogenannten Pastoralein-heiten); die Zusammenarbeit unter den Kirchen in der Mission „adgentes " sowohl bei der Verkündigung als auch durch konkrete Formen der Solidarität mit den ärmeren Kirchen, wie es z.B. durch die „Partnerschaften“ unter den Gemeinden geschieht. 47. Hervorzuheben ist, dass für eine rechte Sicht und Erfahrung der Kirche als wirkliche Gemeinschaft die Rolle der Pfarrei außerordentlich wichtig ist, d.h. als Wirklichkeit, in der man trotz all ihrer Schwächen den Wert der Gemeinschaft und Mitverantwortung greifbar und ausnahmslos erleben kann. Es geht darum, die Pfarrei als bevorzugten Ort der allgemeinen Pastoral zu verstehen und zu leben (in der der Glaube im Alltagsleben allen zugänglich gemacht wird), als Ort der pasto-ralen Mitverantwortung und missionarischen Dynamik. Denn die Pfarrgemeinde bleibt der Ort, „wo Gläubige mit unterschiedlicher Sensibilität sich in derselben Liturgie verständigen, wo die Katechese, die Bildung, die Vorbereitung auf die Sakramente, das Apostolat und die Hilfsdienste gemeinsam koordiniert werden“. <734> Man betont, wie wichtig es sei, eine rechte Koordinierung und gute Integration innerhalb der Pfarrgemeinde und der verschiedenen kirchlichen Vereinigungen herzustellen. Denn unter diesen Bedingungen können letztere dem Sendungsauftrag einen wertvollen Impuls geben, zu einem reiferen geistlichen Leben beitragen, die Jugendlichen heranbilden, die apostolische Sorge in den verschiedenen Lebensbereichen teilen und die Aufnahme und den Dienst für die Notleidenden wirksamer und dauerhafter gestalten. <735> <734> Johannes Paul II., Ansprache beim „ad limina“-Besuch der Bischöfe der apost. Region Nordfrankreich (18. Januar 1992), Nr. 5, in: „L’OsservatoreRomano deutsch“Nr. 7/ 1992, S. 8. <735> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache beim „ ad limina “-Besuch der Bischöfe der apost. Region Südwestfrankreich (25. Januar 1997), 5, in: „L'Osservatore Romano", 29. Januar 1997, S. 5. Weil die Beziehungen zwischen den konkreten christlichen Gemeinschaften mehr oder weniger von Haltungen und Verhaltensweisen aufrichtiger Annahme oder einfacher Toleranz, gegenseitiger Distanzierung, polemischer Gegenüberstellung oder sogar Ablehnung gekennzeichnet sind, wird von manchen Seiten der gemeinschaftliche Wert all dieser Initiativen hervorgehoben, die auf pfarrlicher oder höherer Ebene Wege anbieten wollen, die besonders auf die Lebensbedingungen und wirklichen Lebenslagen der einzelnen Menschen achten. 48. Es fehlt auch nicht an Stimmen, die laut werden und fordern, die Frauenfrage in der Gesellschaft und Kirche anzugehen, wobei zu betonen ist, dass in den kirchlichen Gemeinschaften mehr oder weniger große und mutige Fortschritte gemacht wurden. Es sind aber noch einseitige Sichtweisen abzubauen in Bezug auf die Anerkennung der gleichen Würde und der gleichen Rechte und Pflichten der Männer und der Frauen in den Lebensbereichen von Familie und Gesellschaft und des besonderen Beitrags der christlichen Frauen zum Leben und zur Evangelisierungsar- 1244 ANHANG beit der Kirche. Man muss ehrlich zugeben, dass vor allem in einigen Kirchen diesbezüglich noch ein weiter Weg zurückzulegen ist. Ein weiterer Bereich, in dem - so heißt es - die Glaubwürdigkeit der Kirche als Förderin der Gemeinschaft auf eine harte Probe gestellt wird, ist ihre Haltung und ihr Verhalten gegenüber den Menschen in ungeordneten ehelichen Verhältnissen. Hier besteht die Aufgabe darin, die moralischen Werte in Treue zum Evangelium zu verkündigen und gleichzeitig Hilfe zu leisten. Auch die Dringlichkeit und Bedeutung der Gemeinschaft zwischen den europäischen und außereuropäischen Kirchen werden unterstrichen, die durch Kontakte und einen wahren gegenseitigen „Austausch von Gaben“ verwirklicht werden soll. 49. Besonders herausgestellt wird das Thema Beziehung und Zusammenarbeit zwischen Priestern und Laien. Hier sind sehr unterschiedliche, manchmal auch widersprüchliche Situationen anzutreffen, wobei aber eine gute Zusammenarbeit allgemein wünschenswert scheint. Sie soll - so heißt es - nicht nur den durch Priestermangel entstandenen Notsituationen abhelfen, sondern immer mehr auf der Überzeugung gründen, dass das Weiheamt und das gemeinsame Priestertum sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grad nach unterscheiden, aber einander zugeordnet sind und vervollkommnen. <736> <736> Vgl. II. Vatikanisches Ökumenisches Konzil, Const. dogm. de Ecclesia Lumen Gentium, Nr. 10. Unter denen, die mit Überzeugung und aktiv am Leben der kirchlichen Gemeinschaft teilhaben, auch dank so vieler Beiräte und Organismen pfarrlicher und übergeordneter Ebene, ist eine positive Entfaltung der Zusammenarbeit und oft auch der Mitverantwortung auf der Ebene anerkannter Gleichheit und unter Achtung der Rolle und Zuständigkeit jedes einzelnen festzustellen. Außer im Pfarrleben zeigt sich das auch im Bereich der neuen Bewegungen und in den Gemeinschaften des geweihten Lebens. Dennoch gibt es weiterhin viele Situationen, in denen die Priester eine ziemlich dominierende und autoritäre Mentalität beibehalten, die die Reife der Laien und ihren Stand als erwachsene und verantwortliche Personen in vielen Lebensbereichen von Familie und Gesellschaft nicht genügend anerkennt; ebensowenig weiß eine solche Mentalität den wertvollen Beitrag zu schätzen, den sie der kirchlichen Gemeinschaft leisten können. Obwohl diese Situation sich nach und nach zu ändern scheint, ist man noch weit entfernt davon, in der gemeinsamen Sendung wirksam zusammenzuarbeiten. Es mangelt auch nicht an Kirchen, in denen die Zusammenarbeit zwischen Priestern und Laien als vordringlich empfunden wird. In Bezug auf Mittel- und Osteuropa stellt man einerseits fest, dass die Schwierigkeit, eine lebendige Zusammenarbeit zwischen Priestern und Laien festzulegen und zu formalisieren, manchmal auch darauf beruht, dass unter den kommunistischen Regimen jede Verantwortung und Initiative oft verboten und unterdrückt und deshalb weder begünstigt noch gestattet wurde. Aber andererseits darf man nicht verschweigen, dass gerade während der Jahre der Diktatur nicht wenige Laien eine 1245 ANHANG wirkliche, wenn auch verborgene und nach außen hin unansehnliche kirchliche Mitverantwortung getragen haben, die oft bis zum heroischen Zeugnis des Glaubens und der Liebe zur Kirche führte, d.h. die wesentlichen und wertvollen Voraussetzungen für eine verstärkte strukturelle Zusammenarbeit mit den Priestern bildete. Was in jedem Fall und in den unterschiedlichsten Situationen der Laien notwendig ist, ist ein tiefer Mentalitätswandel, der von allen Beteiligten zu vollziehen ist und Zeit, Geduld und Formung erfordert. 50. Ein weiterer spezieller Aufgabenbereich der Gemeinschaft, der den Kirchen gestellt ist, ist der der Aufmerksamkeit und Sorge für die am Rand der christlichen Gemeinschaft Stehenden und insbesondere die „Fernstehenden“, ohne letztere irgendwie moralisch beurteilen zu wollen. Im Allgemeinen wird betont, dass unter den Ausdracksformen des gemeinschaftlichen Wesenszuges der Kirche vor allem die Beziehungen genannt werden, die man bei besonderen und vereinzelten Gelegenheiten anknüpft, wie bei der Vorbereitung und Feier des Sakramentenempfangs für die Kinder, bei der Eheschließung oder bei einem Begräbnis; in Zeiten der Lebenskrise; bei bestimmten liturgischen oder Volksfesten; im religiösen Tourismus oder bei Wallfahrten; bei der jährlichen Segnung der Familien und bei den Volksmissionen. Es fehlen auch nicht die von einigen Kirchen geforderten Initiativen wie Gesprächsforen für Vertreter der Humanismen mit qualifizierten katholischen Sprechern; kulturelle Diskussionsrunden in Radio- und Fernsehsendungen; die Eingliederung des katholischen Denkens in die weltliche Presse und Gastbeiträge des Denkens weltlicher Autoren in der katholischen Presse; Dialogforen auf verschiedenen Ebenen. Sehr geschätzt werden auch die Möglichkeiten, die sich der Pastoralarbeit in bestimmten Kategorien bieten, z. B. die Militärseelsorge. Hervorzuheben ist sodann die Rolle der katholischen Schulen, die oft auch bei denen, die der Kirche nicht besonders nahe stehen, beliebt sind, sowie die des Religionsunterrichts in den staatlichen Schulen. Ein weiteres Angebot wird vom künstlerischen und kulturellen Erbe geliefert, das für die der Kirche fern Stehenden ein Bezugspunkt werden kann. Nicht unterzubewerten, aber schwer wahrzunehmen ist das enge Netz der Beziehungen, die in der Familie, am Arbeitsplatz, im gesellschaftlichen Bereich, in der Freizeit zwischen sogenannten praktizierenden, aktiven, für Religion aufgeschlossenen Christen und den Gläubigen geknüpft werden, die jenem Teil des Christentums angehören, der der Kirche nur teilweise und schwankend gegenübersteht; Lebensbereiche, in denen mehr ein „gelebtes“ als ein „verkündetes“ Evangelium spontan und eindrucksvoll vermittelt wird. 1246 ANHANG Das „Evangelium der Hoffnung“ verkündigen Martyria Ein „ Mehr an Seele “ für Europa 51. In einer Zeit wie der heutigen, die eine große geschichtliche Wende bedeutet, während Europa und die Welt neue Gestalt annehmen, wird der erneute Drang zu evangelisieren geweckt: „Heute fühlt sich die Kirche vom Meister angespomt, die Evangelisierungsarbeit ,nach innen1 und ,nach außen1 zu verstärken. Sie sieht sich unablässig als missionarische Kirche, die ausgesendet ist, den Samen des Wortes Gottes in das Terrain der heutigen Welt einzupflanzen11. <737> Wenn das die Aufgabe der Kirche von heute ist, genügt sicher nicht ein Aufruf mit dem nostalgischen oder romantischen Hinweis auf das, wenn auch sehr reiche, europäische Erbe und auf seine Wurzeln und seine christliche Seele. <737> Johannes Paul II., Ansprache beim „ad limina“-Besuch einer Gruppe polnischer Bischöfe (12. Januar 1993), Nr. 2, in: „L’OsservatoreRomano deutsch“Nr. 5/1993, S. 10. Denn hier zeigt sich u.a., dass nicht wenige meinen, man könne noch behaupten, Europa habe eine christliche Seele. Diese Behauptung wirft notwendigerweise ernste Fragen auf, wenn man die europäische Geschichte dieses Jahrhunderts mit ihren Dramen, Konflikten, Unterdrückungen des Menschen und den sie begleitenden Ideologien berücksichtigt und auf die verschiedenen teils negativen und teils problematischen kulturellen Phänomene schaut, die die heutige Situation in Europa kennzeichnen. Vielleicht wäre es besser zu sagen, dass immer noch tiefe christliche Wurzeln in der Geschichte und im Leben Europas festzustellen sind, und dass vor allem diese Wurzeln nicht unwiderbringlich vom Säkularisierungsprozess geschädigt sind und dass ein großes Verlangen nach dem Heiligen und eine vielversprechende Rückkehr auf religiös geartete Bezüge besteht. Nicht zu vergessen ist, dass das heutige Europa und noch mehr das zukünftige als eine weitgehend multikulturelle und multireligöse Wirklichkeit erscheint, in der die Präsenz des Islams neben einer weitverbreiteten religiösen Gleichgültigkeit wächst. Es handelt sich also nicht darum - wie schon aus der ersten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa hervorging eine niemals vorhandene und noch weniger anzubietende Übereinstimmung zwischen Europa und dem Christentum vorauszusetzen. Denn zweifellos sind Europa und die europäische Kultur aus vielen Wurzeln erwachsen. Aber niemand kann leugnen, dass der christliche Glaube entscheidend und wesentlich zu den Grundlagen der europäischen Identität gehört. Das heißt, man kann bekräftigen, dass das Christentum Europa geformt hat, indem es ihm einige Grundwerte einprägte: den Glauben an einen transzendenten Gott, der aus Liebe in das Leben der Menschen eingetreten ist; den neuen und wichtigen Begriff der menschlichen Person und ihrer Würde, so dass man sagen kann, die ethische Mitte der menschlichen Person bildet den vorrangigen Bezug und das Unterscheidungsmerkmal der europäischen Identität; die Brüderlichkeit unter den 1247 ANHANG Menschen als Prinzip solidarischen Zusammenlebens in der Unterschiedlichkeit der Menschen und der Völker. <738> <738> Vgl. Bischofssynode, erste Sonderversammlung für Europa, Schlußerklärung, Nr. 2. Es geht darum, durch Anerkennung und Neubelebung dieses wertvollen Erbes dem heute neu entstehenden Europa „ ein Mehr an Seele “ zu geben. Das ist außerdem eine Forderung, die auch von den Verantwortlichen und aufmerksamen Beobachtern Europas erhoben wird. Um das zu tun, hat die Kirche keine andere Kraft und keinen anderen Weg als den des Evangeliums. Daher wieder die Dringlichkeit und Bedeutung, die „Neuevangelisierung“ zu entwickeln, von der Johannes Paul II. unermüdlich und mit besonderem Bezug auf Europa spricht. Sie beginnt sicher nicht von Grund auf, muss aber dennoch als vordringliche Aufgabe betrachtet werden. Sie muss sich erneut mit dem Fundament, d.h. mit Jesus Christus und dem Gott Jesu Christi befassen und folglich auch mit der transzendenten Dimension der menschlichen Person in der Überzeugung, dass deren ethische Mitte nicht mehr lange bestehen kann, wenn sie ihrer ontologischen Grundlage beraubt wird. Es genügt also nicht, Werte anzubieten, die als dem Evangelium entsprechend und humanistisch bezeichnet werden, wie Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit. Nicht weil sie nicht wesentlich wären, sondern weil etwas Ursprünglicheres und Grundlegenderes auf dem Spiel steht. <739> <739> Vgl. ebd., Nr. 3. Die Neuevangelisierung 52. Wenn man heute - wie weitgehend zugegeben wird - eine gewisse übereinstimmende Meinung darüber antrifft, daß die Neuevangelisierung eine vorrangige Verpflichtung im Leben und Wirken der Kirche sei, muss man feststellen, dass sich das alles auf eine ständige verbale Wiederholung im Reden und Denken zu beschränken scheint, dem die Wirklichkeit nicht entspricht. Deshalb ist noch ein weiter Weg zurückzulegen bis zu dem Ziel, der Neuevangelisierung tatsächlich den ersten Platz in der ganzen pastoralen Tätigkeit der Kirche einzuräumen. Es fehlt nicht an Hinweisen, dass die Neuevangelisierung nicht als vorrangige Verpflichtung betrachtet werde oder sogar auf Widerstand stoße aufgrund einer gewissen konservativen Mentalität oder eines gewissen Unverständnisses für die Wirklichkeit der Neuevangelisierung und deren Bedeutung. Dabei wird empfohlen, die Wortformulierung zu überdenken, um zu sehen, ob nicht die Bezeichnung „neue Evangelisierung“ geeigneter sei als „Neuevangelisierung“, um herauszustellen, dass es nicht um die Verkündigung eines neuen Evangeliums gehe, sondern darum, den einzelnen Generationen das immerwährende Evangelium Jesu Christi, der lebt in seiner Kirche, in einem neuen Kontext, mit neuer Kraft und neuen Methoden und Mitteln anzubieten in der Überzeugung: „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hehr 13,8). 1248 ANHANG 53. Wie bereits gesagt, ist das Hauptziel der Neuevangelisierung und ihr wesentlicher Inhalt, Jesus Christus als einzige Quelle des Heils für alle Menschen anzubieten. Die Methoden können verschieden sein: Jesus und der Glaube an ihn kann bei öffentlichen Anlässen und im freundschaftlichen und brüderlichen Dialog verkündet werden. Er kann konkret verkündet werden durch die Bewältigung persönlicher, familiärer und gemeinschaftlicher Lebenssituationen, die das Evangelium widerspiegeln und so andere zum Glauben an den Herrn hinführen. Wie das Licht auf dem Leuchter oder die Stadt auf dem Berg, gilt es Freude, Liebe und Hoffnung „auszustrahlen“, damit viele unsere guten Werke sehen und den Vater im Himmel preisen (vgl. Mt 5,16), so dass sie „angesteckt“ und erobert werden, wenn sie die untadelige und von der Liebe inspirierte Lebensführung der Einzelnen, Gruppen und Gemeinschaften sehen (vgl. 1 Petr 3,1-2), und als „Sauerteig“ wirken, der umwandelt, belebt und von innen her jede kulturelle Ausdrucksform anregt. Das sind Methoden, die nicht immer klar voneinander zu trennen sind und oft ineinander übergehen. In jedem Fall bemühen sich alle, eine „Neuevangelisierung“ in Gang zu setzen. Daraus ergibt sich wiederum die Verpflichtung zur Evangelisierung, denn neu sind die Barrieren und Widerstände gegen die Kraft und die Wahrheit des Evangeliums. Der heutige Mensch neigt besonders dazu, auf die Wissenschaft und die Vernunft zu vertrauen, so dass er sie für die einzigen Faktoren hält, aus denen Sinn und Maßstäbe für das menschliche Leben erwachsen. Auf dieser Grundlage wird der Freiheit ein absoluter und unbestreitbarer Wert zugebilligt. Der Glaube wird als eine Schranke gegen die wissenschaftliche und technologische Macht und als eine unannehmbare Fessel für die Freiheit empfunden. Es handelt sich also darum, durch Wort und Zeugnis - wobei jede Flucht in Spiritualismus zu vermeiden ist -, die Vernünftigkeit des Glaubens aufzuzeigen und zu verstehen zu geben, dass Vernunft und Freiheit ohne das Licht des Glaubens nicht nur nicht die erhofften Resultate bringen, sondern sich in eine Gefahr für den Menschen und die Gesellschaft umkehren. Die tragischen Ereignisse dieses Jahrhunderts sollen eine ständige Mahnung angesichts der wiederholten Verabsolutierungen der Rechte des Einzelnen oder der Ethnien darstellen. Die Botschaft und das Zeugnis des Evangeliums bilden die große Kraftquelle, die Europa die unerlässliche und oft zitierte Seele wiedergeben, die fähig ist, die Wirtschaft in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen, die Politik zu einem Ort verantwortlicher und weitblickender Entscheidungen zu machen, das soziale Leben zum Raum für die Förderung der Institutionen von der Familie bis zu den Vereinigungen zu machen, die das lebendige Gewebe der neuen europäischen Gemeinschaft darstellen. 54. In vielen Fällen ist die Neuevangelisierung tatsächlich auf die Verkündigung der Person Jesu ausgerichtet, und das in zunehmendem Maße in der Predigt und Katechese. Es ist außerdem ein Erfordernis, das aus dem heutigen sozio-kulturellen Kontext erwächst, in dem die Gestalt Jesu eine große Anziehungskraft auf unsere Zeitgenossen und besonders auf die Jugendlichen ausübt und die persönliche Be- 1249 ANHANG ziehung zu ihm als sehr wichtig und wertvoll erachtet wird. Es ist aber darauf zu achten, dass Jesus der Herr nicht nur als ethisches Muster oder als vorbildlicher Mensch dargestellt wird, sondern auch und vor allem als Sohn des lebendigen Gottes und als einziger und notwendiger Erlöser. Daher das Erfordernis einer systematischen Katechese, einer ständigen und rechten Bezugnahme auf das Wort Gottes und eines Neuaufschwungs des Ostergeheimnisses. Schwieriger hingegen scheint in vielen Fällen zu sein, den Herrn Jesus, der „ in unserer Kirche lebt", wahrzunehmen. Denn nicht wenige Christen spüren zwar, wie wichtig die Beziehung zu Jesus ist, halten aber die Beziehung zur Kirche keineswegs für ebenso wichtig. Das mag davon kommen, dass die konkrete Erfahrung von Kirche, die einige gemacht haben, nicht immer den Herrn durchscheinen lässt. Oft geht es darum - auch unter dem Einfluss der Medien -, dass die Kirche als am Rand der Gesellschaft stehende Wirklichkeit erscheint oder dass ihre Rolle oft auf die sozialen und caritativen Dienste beschränkt wird, während ihre Führungsrolle verschwiegen, ja sogar verneint oder belächelt wird. Daraus ergibt sich für die Kirche - wie schon gesehen - die Notwendigkeit und Dringlichkeit, ihr Antlitz in Treue zu ihrem Herrn zu erneuern, wirklich Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe zu sein und sich als solche darzustellen, die Begegnung der heutigen Menschen mit dem Auferstandenen zu begünstigen und zu unterstützen und authentischer Ort des Zeugnisses für das Evangelium nicht nur von einzelnen Gliedern, sondern als lebendige Gemeinschaft zu sein. 55. Besondere Aufmerksamkeit verdient dann die Beziehung zwischen Freiheit und Evangelisierung. Hier stimmt man in der Meinung überein, dass die neue Atmosphäre der Freiheit, die in allen europäischen Ländern zu spüren ist, gewiss einen vom Evangelium geprägten Wert darstellt, aber es gibt auch Anzeichen dafür, dass er nicht immer als solcher empfunden und gelebt wird. Zweifellos erlaubt er es, ein enges Netz von Beziehungen, von Kommunikation und Solidarität unter den Völkern, den Kulturen, den sozialen und politischen Systemen sowie unterschiedlichen religiösen Bekenntnissen zu knüpfen. Das ist ein wichtiger, sichtbarer Baustein der Neuevangelisierung Europas, das in der jüngsten Vergangenheit Schauplatz so vieler tiefer Spaltungen, schmerzlicher Konflikte und tragischer Kriege gewesen ist. Einige bitten um Klarstellung, worin Freiheit wirklich besteht, weil der heute in Europa verbreitete Freiheitsbegriff auf eine neuliberale, individualistische und utilitaristische Sicht der Wirklichkeit zurückgeht und als solche das Werk der Evangelisierung nicht begünstigt, sondern eher behindert. Zu berücksichtigen ist auch, dass das Christentum und damit besonders die Kirche oft als Hindernis und Feind der Freiheit betrachtet werden und man den Menschen und die Gesellschaften davon zu überzeugen versucht, dass Gott ein Hindernis auf dem Weg zur Freiheit sei. Hier ist es notwendig, das wahre Bild des Gottes Jesu Christi darzustellen, der kein Hindernis für die Freiheit, sondern Garant der wahren Freiheit ist. Zugleich ist es wichtig, dass die Kirche sich selbst darzustellen weiß mit der Bereitschaft, die Fragen und Probleme der Menschen anzunehmen und 1250 ANHANG dass sie ihnen die Antwort des Evangeliums in der Wahrheit und Nächstenliebe anbietet in einer - wie betont wird - dem synodalen Prinzip entsprechenden Atmosphäre wahrhafter Brüderlichkeit innerhalb der Kirche und der einzelnen Bischofskonferenzen sowie zwischen den einzelnen Ortskirchen und regionalen oder universalen kirchlichen Instanzen-. 56. Verschieden sind auch die Hindernisse und Schwierigkeiten, denen die Neuevangelisierung heute in Europa begegnet. In vielen Ländern sind sie auf einige soziale und kulturelle Phänomene zurückzuführen, die da sind: die vielen Formen religiöser Gleichgültigkeit, eine Art undifferenzierter und skeptisch oder agnostisch gefärbter Pluralismus, der ethische Relativismus, das Gewicht eines schrankenlosen Liberalismus im Westen und sein wachsender Einfluß auf Osteuropa; eine verbreitete Abflachung auf materielle Interessen mit dem daraus folgenden Klima des praktischen Materialismus und individuellem Hedonismus; eine gewisse Oberflächlichkeit in den zwischenmenschlichen Beziehungen; der Individualismus und die Uninteressiertheit angesichts aufkommender Notwendigkeiten und Anforderungen in vielen Bereichen des zivilen und sozialen Lebens; die wachsende verführerische Rolle der sozialen Kommunikationsmittel; ein gewisser sektiererischer Fundamentalismus! und Fanatismus, der vor allem in einigen Ländern anzutreffen ist; ein gewisses Gefühl der Gewöhnung, das manchmal den befällt, der meint, das Evangelium schon genügend zu kennen. Es gibt auch manche kirchliche Situationen, die gleichfalls die Evangelisierung erschweren. Darunter werden von vielen Seiten genannt: die Überalterung der in der Evangelisierung tätigen Personen, die Unwirksamkeit so vieler religiöser sprachlicher Ausdrucksweisen und die mangelnde Bewährtheit in der Ausübung der Autorität. Besonders in den Kirchen und Gemeinschaften Westeuropas bietet die Überalterung des Klerus, der Angehörigen der Institute des geweihten Lebens und der im Pfarrleben aktiven Laien ein ziemlich veraltetes und wenig dynamisches Bild der Kirche, wodurch der Zufluss von Berufungen behindert und eine kreative Evangelisierungsarbeit erschwert werden. Man spricht auch von der Unwirksamkeit und Unverständlichkeit der Sprache und der Aussagen des Lehramtes. In der Tat ist die in den offiziellen Texten der Kirche, in der Predigt und Katechese angewandte sprachliche Ausdrucksweise des Glaubens scheinbar weit entfernt von der allgemeinen menschlichen Erfahrung. Daher das Bedürfnis, eine neue Ausdrucksweise zu finden, in der man eindringlich und überzeugend vom heiligen und unerforschlichen Geheimnis Gottes spricht. Eine Sprache, die aus dem schweigenden Hören der Schriften und der Personen erwächst, indem man sich von ihren Problemen und ihren Sichtweisen in Frage stellen lässt. Nicht zu vergessen ist, dass die Krise der Bewährtheit in den Aussagen der Kirche auch darauf zurückzuführen ist, dass die Weisungen des Lehramtes als wiederholte Bekräftigungen im Bereich des Glaubens und der Moral wahrgenommen werden und dass es ihnen nicht gelingt, die Beweggründe überzeugend 1251 ANHANG darzulegen und sich ernsthaft mit den verschiedenen Standpunkten und Begründungen auseinanderzusetzen. 57. Entscheidend für die Evangelisierung im heutigen europäischen kulturellen Kontext scheint jedenfalls die Präsenz lebendiger und transparenter Zeichen zu sein, die die Gegenwart des Herrn deutlich machen können, so dass sie Staunen erwecken und die Gewissen wachrütteln. Denn „der heutige Mensch hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind“ ... und dass, „um zu evangelisieren, die Einzelnen und die gesamte Kirche vor allem das gelebte Zeugnis der Treue zu Jesus dem Herrn, das gelebte Zeugnis der Armut und inneren Loslösung und der Freiheit gegenüber den Mächten dieser Welt, kurz, der Heiligkeit, bieten müssen“. <740> <740> Vgl. Paul VI., Apost. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. XII. 1975), Nr. 41: AAS 68(1976)31. Entscheidend ist also die Präsenz und das Zeugnis von Heiligen. Die Heiligkeit ist wesentliche Voraussetzung für eine authentische Evangelisierung, um Hoffnung geben zu können. Erforderlich ist das glaubwürdige, persönliche und gemeinschaftliche Zeugnis des neuen Lebens in Christus. Es genügt nicht, dass die Wahrheit und die Gnade durch die Verkündigung des Wortes und die Feier der Eucharistie und der Sakramente angeboten werden. Sie müssen aufgenommen, gelebt und bezeugt werden in allen Beziehungen und Tätigkeiten des konkreten Lebens, in der Weise, Christ, kirchliche Gemeinschaft zu sein. Ansprachen und Riten, so schön sie sein mögen, genügen nicht. Erforderlich sind sinnvolle, anziehende, schöne Lebensformen. In dem Maß, in dem sie die Liebe Gottes annehmen, leben und manifestieren, nehmen die Christen und kirchlichen Gemeinschaften Christus an, der in ihnen gegenwärtig ist, leben und manifestieren ihn, geben ihm die Möglichkeit zur Begegnung mit den Gleichgültigen und Nichtglaubenden und zum wirksamen Anruf ihrer Gewissen. 58. Unterschiedlich und vielfältig sind die Bereiche und der Verlauf der Neuevangelisierung. Darunter sind zu nennen und besonders zu beachten: die Jugendlichen, die Armen, der soziale und politische Einsatz, die soziale Kommunikation. Die Jugendlichen sind die Zukunft Europas, auf denen im Übrigen die schwere Hypothek des unzureichenden Generationenwechsels lastet. Hauptsächlich um sie muß man sich bemühen, ihnen muss man die Möglichkeit zum Wachstum im Glauben geben, und ihnen muss man helfen, im Evangelium die Antwort auf ihre Suche nach Glück, Wahrheit und Gerechtigkeit zu finden, so dass sie ihrerseits Verkünder des Evangeliums sein können. In einem Europa, wo alles nach wirtschaftlichen Maßstäben bemessen wird, bleibt die Kirche eines der festesten Bollwerke der Aufmerksamkeit für die Ärmsten und für die Achtung der Menschenwürde. Diese Grundwerte erfordern es, dass angemessene kulturelle und soziale Wege gefunden werden für den Beitrag der Kirche, der sich in diesem entscheidenden Augenblick, in dem die Fundamente für die Zukunft Europas gelegt werden, nicht im religiösen Bereich erschöpft. 1252 ANHANG Die in Europa entstandenen „res novae“ - will man nicht in neue Formen der Nichtanerkennung und der Leugnung der geistigen Werte zurückfallen - fordern von den Christen ein Mehr an moralischem Gewissen und dem Evangelium entsprechender Inspiration. Daher die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer angemessenen Bildung von Laien, die sich im sozialen und politischen Bereich engagieren. Eine Kirche, die nicht kommunikativ ist, evangelisiert weder, noch schafft sie Kultur. Daher die Notwendigkeit und Dringlichkeit für die Kirche, im neuen Kontext der Kommunikation präsent zu sein, sowohl durch ihre Aufmerksamkeit für die Medien und ihre kluge Anwendung als auch durch eine wirksame Pastoral der sozialen Kommunikation. 59. In dieser Hinsicht ist hervorzuheben, dass die wichtigsten Initiativen der Neuevangelisierung, die bisher in den verschiedenen Kirchen Europas anzutreffen sind, gerade die Initiativen der Neuevangelisierung sind, die auf die heute besonders spürbaren Erfordernisse und Herausforderungen antworten wollen. So können beispielsweise genannt werden: verstärkte Bildungsangebote, Katechese und kulturelle Begegnungen zur Vertiefung des Glaubens als Antwort auf die Suche nach Wahrhaftigkeit; persönliche oder vereinsmäßige Formen der Evangelisierung mit dem Ziel, im Dialog Beziehungen der Versöhnung, des gegenseitigen Annehmens und hochherzigen Begleitens aufzubauen als Antwort auf das Bedürfnis nach Beziehung und Nähe, das in nicht wenigen menschlichen und sozialen Situationen auftaucht; Initiativen der Evangelisierung mit dem Ziel, die unveräußerliche Würde jeder menschlichen Person und den Sinn des Lebens wiederzuentdecken als Antwort auf die verbreitete anthropologische Suche; ein alternativer Lebensstil in Pfarrgemeinden, in Vereinigungen, in Bildungseinrichtungen für soziale Berufe, im Bildungsweg für Politik und öffentliches Leben als Antwort auf die ethische und zivile Anfrage; Angebote der Jugendpastoral, die auf eine wahre und freudige Wiederentdeckung und Nachfolge des Herrn ausgerichtet sind, um Berufe in der Kirche und Gesellschaft reifen zu lassen als Antwort auf die heute von den Jugendlichen selbst vorgebrachten Anfragen. Evangelisierung und Ökumene 60. Zu den wichtigen Merkmalen einer echten Evangelisierung gehört gewiss die Ökumene. Denn die Einheit der an Christus Glaubenden wäre besonders in Europa eine günstige Gelegenheit, um dem Glauben und seinem Einfluss auf das kulturelle und soziale Leben neuen Schwung zu geben. Deshalb muss die ökumenische Frage - auch im Hinblick auf den Weg, der in den vergangenen Jahren gemäß den Weisungen der ersten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa zurückgelegt wurde <741> - von der Synode eingehend geprüft werden. <741> Vgl. Bischofssynode, erste Sonderversammlung für Europa, Schlußerklärung, Nr. 7. 1253 ANHANG Trotz da und dort fortdauernder ablehnender Haltungen dem ökumenischen Dialog gegenüber, scheint die übereinstimmende Überzeugung zu herrschen, dass der Mangel an Einheit unter den Christen das gemeinsame Glaubenszeugnis schwächt und deshalb eine enge Zusammenarbeit mit den anderen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften notwendig und dringlich ist. In dieser Hinsicht wurden beachtliche Fortschritte gemacht. Aktiv beteiligt sind die örtlichen Gemeinden, die Gemeinschaften des geweihten Lebens und kirchlichen Vertreter bei Treffen und Gesprächen auf Diözesan-, Regional- und ortskirchlicher Ebene. Obwohl das alles dort, wo die anderen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften in Minderheit sind, etwas mühevoll vorangeht, darf man doch sagen, dass auch in diesen Ländern langsam das Bewusstsein der unumgänglichen ökumenischen Dimension im Leben und in der Sendung der Kirche wächst. Zu den Faktoren, die diese verbreitete ökumenische Sensibilität verstärken, zählt man auch die erfolgreichen Begegnungen wie die in Graz und jene, die im „Geist von Assisi“ stattfanden, sowie eine „praktische Ökumene“ im Lebensalltag vieler Gläubigen und besonders im caritativen und sozialen Bereich. Nicht zu vergessen ist im ökumenischen Dialog die Bedeutung des Mönchtums in Ost- und Westeuropa und die Rolle der Kirnst und Kultur. Was die Lehre betrifft - wobei die Bereitschaft erkennbar ist, Wege der theologischen Gegenüberstellung und Annäherung zu suchen, die bereits positive Ergebnisse brachten, die sich in einigen gemeinsamen Erklärungen deutlich niedergeschlagen haben -, <742> wird hervorgehoben, dass das Bemühen, zur Einheit zu gelangen, nicht auf Kosten der Wahrheit gehen dürfe und dass eine „Ökumene der Oberfläche“ im Widerspruch stünde zu einer im Glauben und in der „versöhnten Verschiedenheit“ festgefügten Einheit. Vgl. u. a. Gemischte intemat. Kommission für den theologischen Dialog zwischen der römisch-kath. Kirche und der orthodoxen Kirche, Uniatism, Method of Union of the Past, and the Present Search for Full Communion (Balamand, 23. Juni 1993), in: Päpstlicher Rat für die Förderung der Einheit der Christen, Information Service, 83 (1993/11) 96-99; Intemat. anglikanische/römisch-katholische Kommission, Clarifications of Certain Aspects of the Agreed Statements on Eucharist and Ministry (September 1993), in: Päpstlicher Rat für die Förderung der Einheit der Christen, Information Service 87 (1994/IV) 239-242; Lutheran-Catholic International Dialogue, Church and Justification: Understanding the Church in the Light of the Doctrine of Justification (11. September 1993), in: Päpstlicher Rat für die Förderung der Einheit der Christen, Information Service 86 (1994/II-III) 128-181; Päpstlicher Rat für die Einheit der Christen/Lutherischer Weltbund, The Joint Declaration on the Doctrine of Justification (1997), in: Päpstlicher Rat für die Einheit der Christen, Information Service 98 (1998/III) 81-86. 61. Aber zugleich ist allgemein zu sagen, dass man sich im Augenblick in einer schwierigen Phase, wenn nicht sogar in einer Krise befindet. Durch den Fall der Berliner Mauer und der europäischen Erweiterung wurden die Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen zu einer großen Herausforderung, vor allem weil eine Art gegenseitigen Misstrauens wuchs, auch durch Probleme hinsichtlich der Rückgabe der Gotteshäuser und des Kirchenbesitzes, der rechtlichen Anerkennung der einzelnen katholischen Institutionen, der Möglichkeiten, Grenzen 1254 ANHANG und Methoden der Evangelisierungsarbeit sowie der Möglichkeit und Praxis der „Interkommunion“. Starke Spannungen sind vor allem mit den katholischen orientalischen Kirchen entstanden, und die gegenseitigen Beziehungen sind manchmal sehr schwierig und durch Konflikte erschwert. Aber es fehlt nicht an Anzeichen dafür, dass die Spannungen nachlassen und manche Schwierigkeiten überwunden werden. Man versucht, freundschaftliche Beziehungen zum besseren gegenseitigen Verständnis anzuknüpfen und die Kontaktaufnahme unter den Verantwortlichen aufzubauen. Man gibt Gelegenheit zu kulturellen Begegnungen, zum Austausch von Hochschullehrern in einigen Institutionen und zur Teilnahme an den jeweiligen liturgischen Festen. In den Ländern mit mehrheitlich protestantischer Bevölkerung erwachsen nicht selten Probleme aufgrund der unterschiedlichen Bewertung einiger ethischer Fragen. Der Dialog mit dem Judentum und den anderen Religionen 62. Bereits in der ersten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa hat man im Hinblick auf das, was mit der Neuevangelisierung verbunden ist und von ihr gefordert wird, den Akzent auf die Notwendigkeit gelegt, eine besondere Beziehung zu unseren „ älteren Brüdern ", den Juden, anzuknüpfen. Und das soll in der Überzeugung geschehen, „daß die Zusammenarbeit zwischen Christen und Juden auf vielen Ebenen und in Achtung der Verschiedenheit und der besonderen Inhalte der jeweiligen Religionen eine außerordentlich große Bedeutung für die religiöse und gesellschaftliche Zukunft Europas und für seine Aufgabe gegenüber der übrigen Welt haben kann“. <743> Und das nicht nur aus dem Grund, weil der Glaube und die Kultur des Judentums einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der europäischen Gesellschaft darstellen, sondern auch aufgmnd der gemeinsamen Wurzeln, die zwischen dem Christentum und dem jüdischen Volk bestehen. Denn die Kirche hat, von ihrem Ursprung her, eine ganz besonders enge, ständige Beziehung zum jüdischen Volk. Deshalb ist der Dialog mit dem Judentum von grundlegender Bedeutung für das christliche Selbstbewusstsein und damit für die Ökumene selbst. <743> Bischofssynode, erste Sonderversammlung für Europa, Schlußerklärung, Nr. 8. Es handelt sich also darum, festzustellen, was in diesen Jahren getan wurde, und diesen Weg weiterzugehen. Es geht im einzelnen nicht nur darum, alle Formen von Antisemitismus auf allen Ebenen zu verurteilen und abzulehnen. Positiver und entscheidender ist es, „dahin zu wirken, daß ein neuer Frühling in den gegenseitigen Beziehungen zwischen den beiden Religionen erblüht“. <744> Das kann u.a. bedeuten, zu lernen, die einzigartige Rolle Israels in der Heilsgeschichte anzuerkennen, das Neue Testament zu lesen, wobei man es aber nicht als Gegensatz und Berichtigung des Alten Testaments, sondern als kontinuierlich mit ihm sehen sollte; das Ge- <744> Ebd. 1255 ANHANG heimnis des jüdischen Volkes zu ehren, seine Geschichte und religiösen Traditionen, die Kultur und die geistigen Reichtümer kennenzulemen sowie echt brüderliche und freundschaftliche Beziehungen und eine Zusammenarbeit mit den Angehörigen der jüdischen Gemeinden aufzubauen mit dem Ziel, eine gemeinsame Verantwortlichkeit angesichts der Probleme der Gesellschaft in Europa und in den einzelnen Ländern zu schaffen. 63. Der wachsende Einwandererstrom, durch den ein verstärkter Kontakt mit Menschen anderer religiöser Traditionen entsteht, bringt notwendigerweise die Frage mit sich, wie die Kirche ihre Verpflichtung, das Evangelium zu verkünden, im multikulturellen und multireligösen Kontext wahmehmen soll. Weder die Synode noch die christlichen Kirchen in Europa dürfen sich dieser Aufgabe entziehen. Wie schon bei der ersten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa vor acht Jahren bekräftigt wurde, ist es notwendig, dass man „die anderen Religionen besser kennenlemt, um ein brüderliches Gespräch mit den unter uns lebenden Anhängern anzuknüpfen“. <745> Es genügt nicht, die pastorale Aufmerksamkeit für die verschiedenen religiösen Traditionen durch caritativen Einsatz und Hilfswerke deutlich zu machen. Ebensowenig genügt ein gemeinsamer Einsatz der Christen und Anhänger anderer Religionen in Bezug auf Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit, Bewahrung der Schöpfung. Vielmehr ist eine Gegenüberstellung dringend notwendig, die zur Wiedererlangung und Vertiefung der Grundwerte der christlichen Tradition anregt. Und zwar deshalb, weil „die Achtung der Freiheit und das rechte Bewusstsein von Werten, die sich auch in den anderen religiösen Traditionen finden, nicht zum Relativismus führen noch das Wissen um die Notwendigkeit und Dringlichkeit des Gebotes, Christus zu verkündigen, schwächen dürfen“, <746> und weil ein aufrichtiger und vorsichtiger Dialog den Glauben keineswegs schwächen, sondern ihn festigen und vertiefen soll. <747> <745> Ebd., Nr. 9. <746> Ebd. <747> Vgl. Päpstlicher Rat für den interreligiösen Dialog - Kongregation für die Glaubensverbreitung, Dialogo e annuncio. Riflessioni e orientamenti sul dialogo inteireligioso e Vannuncio del Vangelo di Gesü Cristo (19.5.1991), Nr. 50: AAS 84(1992)431. 64. Notwendiger denn je ist aufgrund der wachsenden Präsenz des Islams in Europa der Dialog mit den Muslimen. Aber dieser Dialog „muß mit Klugheit und mit der klaren Vorstellung seiner Möglichkeiten und seiner Grenzen sowie im Vertrauen auf den Heilsplan Gottes für alle seine Kinder geführt werden. Damit die gegenseitige Solidarität aufrichtig ist, ist die Wechselseitigkeit in den Beziehungen, vor allem im Bereich der Religionsfreiheit erforderlich, die ein in der Würde der menschlichen Person gründendes Grundrecht ist und deshalb an jedem Ort der Welt Gültigkeit haben muß“. <748> Es ist also notwendig, den aus dieser Situation entstandenen Herausfordemngen ernsthaft: und weitblickend zu begegnen, dadurch dass die verschiedenen Strömungen des Islams analysiert und genau unterschieden <748> Bischofssynode, erste Sonderversammlung für Europa, Schlußerklärung, Nr. 9. 1256 ANHANG werden und der Dialog mit den Muslimen mit ganzer Klarheit weitergeführt wird. „Es geht darum, ihre geistigen und moralischen Werte besser kennenzulemen und ihnen zugleich ein rechtes Verständnis des Glaubens und des Lebens der Kirche zu ermöglichen, mit der sie ein Gespräch fuhren. Deshalb ist es nützlich, daß Priester und Laien ausgebildet werden, um diesen Dialog zu führen oder den stärker interessierten Gemeinschaften beratend beistehen“. <749> <749> Johannes Paul II., Ansprache beim „ad limina"-Besuch der Bischöfe der apost. Region Nordfrankreich (18. Januar 1992),Nr. 4, in „L'OsservatoreRomano deutsch“Nr. 7/1992, S. 8. Das Sektenproblem 65. Die Verkündigung des „Evangeliums der Hoffnung“ muss heute auch das komplexe und vielfarbige Phänomen der Sekten berücksichtigen. Sie unterscheiden sich schon im Hinblick auf ihr Entstehen sehr deutlich voneinander. Es ist also notwendig, die Sekten christlichen Ursprungs von denen mit anderen religiösen Wurzeln oder von einem bestimmten Humanismus zu unterscheiden. Die Sekten christlichen Ursprungs sind dann auch noch von den Kirchen, den kirchlichen Gemeinschaften oder den rechtmäßigen innerkirchlichen Bewegungen zu unterscheiden. Unterschiedlich sind die Sekten auch in Bezug auf Größe, Bekenntnis, Haltung und Verhaltensweise gegenüber anderen religiösen Gruppen und der Gesellschaft. Im Allgemeinen treten sie in verhältnismäßig kleinen religiösen Gruppen auf, die in ihren Anhängern eine starke Identität fördern, was bis zur vollkommenen Abhängigkeit führen kann. Oft suchen sie die Konfrontation mit dem religiösen und sozialen Umfeld, wobei sie auch sehr aggressive Propagandamethoden benutzen. Sie begünstigen sehr die herzliche Atmosphäre der Aufnahme unter den Einzelpersonen, die sie aus ihrer Isolierung herausholen. Sie verbreiten apokalyptische Botschaften und solche aus dem Jenseits sowie über die Ankunft einer „neuen Welt“. Unterschiedlich wenn auch nicht gegensätzlich sind die Auslegungen dieses Phänomens. Einige halten es für einen Beweis der derzeitigen Säkularisierung. Andere meinen, es sei die Auswirkung der Krise des wissenschaftlich-technischen Rationalismus mit dem Verlangen nach etwas „anderem“ und Beglückendem. Für andere wiederum bedeutet es eine Reaktion auf die Bürokratisierung und Anonymität mancher religiöser Erfahrungen bei der Suche nach Gemeinschaft, die eine inte-grative und therapeutische Rolle übernehme. Mancher hält es für einen Ausdruck des religiösen Hungers und damit für ein untrügliches positives oder negatives Zeichen der religiösen Lebenskraft des ausgehenden Jahrhunderts. 66. In jedem Fall handelt es sich um ein Phänomen, das die Kirchen herausfordert und an ihre Verantwortung erinnert. In Ost- wie in Westeuropa suchen die Kirchen diesem Phänomen durch Initiativen zu begegnen, die ihre Gemeinschaften vor Ort zu einer liebevolleren und herzlicheren Aufhahmestätte machen sollen, wo die Menschen ihre Erwartungen erfüllt sehen, auf die die Sekten nur teilweise und 1257 ANHANG nicht selten menschenunwürdige Antworten geben. Zugleich sucht man der Verbreitung dieses Phänomens allgemein durch eine gefestigte Bildung der Gläubigen vorzubeugen. In vielen Ländern gibt es auch auf diözesaner oder überdiöze-saner Ebene Institutionen, die das Phänomen durch eine angemessene Informations- und Beratungstätigkeit angehen. Genau gesehen, sieht sich die Kirche zur ernsthaften Gewissensprüfung über sich selbst und zur tiefgehenden Erneuerung aufgerufen angesichts der eventuellen Verlangsamung, der Leere oder der Verzerrungen ihrer Pastoraltätigkeit, aber auch und vor allem angesichts der obersten Pflicht, allen Völkern Jesus Christus, den einzigen Erlöser des Menschen, zu verkündigen. Die Antwort der Kirche - im Lebensgeflecht der einzelnen Gläubigen (Laien, Ordensleuten, Priestern), der Familien, der Pfarreien, der Vereinigungen und der verschiedenen kirchlichen Gruppen und Bewegungen - muss „global“ sein. Sie muss den Christen mit freiem und überzeugtem Glauben die Freude, die Begeisterung und den Stolz auf ihre Identität als Jünger Jesu in der Kirche wiedergeben. Sie muss den Primat der Spiritualität stützen und verstärken. Wie der Papst sagte: „Auf das besorgniserregende Phänomen der Sekten müssen wir mit einer Pastoral antworten, die das Ganze der Person in den Mittelpunkt stellt, ihre gemeinschaftliche Dimension und ihr Verlangen nach einem persönlichen Verhältnis zu Gott. Es ist eine Tatsache: Dort, wo die Kirche dynamisch präsent ist wie in den Pfarreien, wo eine ständige Einführung in das Wort Gottes stattfindet, wo man eine aktive Liturgie mit der Beteiligung aller feiert, eine gediegene Marienverehrung und wirksame Solidarität auf sozialem Gebiet pflegt, sich in der Seelsorge nachdrücklich um die Familien, die Jugendlichen und Kranken kümmert, da sehen wir, daß die Sekten und para-religiösen Bewegungen keinen Fuß fassen oder Vordringen können“. <750> <750> Johannes Paul II., Ansprache an die IV. Generalversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe (12. Oktober 1992), Nr. 12, in „L’OsservatoreRomano deutsch“Nr. 43/1992, S. 7. Das „Evangelium der Hoffnung“ durch den Gottesdienst feiern Liturgia Die Gegenwart des Auferstandenen in den heiligen Geheimnissen 67. Das „Evangelium der Hoffnung“ durch den Gottesdienst verbreiten, bedeutet für die Kirche heute mehr denn je, die lebendige und handelnde Gegenwart des auferstandenen Herrn in den „ heiligen Geheimnissen " zu erkennen und in ihnen die Kraft und Nahrung für die eigene pastorale Tätigkeit zu suchen und zu finden. So bezeugt sie auch die eigene Identität als Gemeinschaft von Jüngern, die sich um Christus versammeln und auf ihn ihre Zuversicht und Hoffnung setzen. Das war außerdem die tiefe Absicht der wunderbaren Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils. Denn diese Reform drückt nicht nur „das für unsere Zeit 1258 ANHANG scheinbar kennzeichnende starke Streben nach Veränderung oder den berechtigten Wunsch aus, die Feier der heiligen Geheimnisse der heutigen Sensibilität und Kultur anzupassen. Hinter diesem Phänomen steckt in Wirklichkeit das Bestreben der Gläubigen, ihre tiefste und wahrste Identität als Jünger zum Ausdruck zu bringen, die um Christus versammelt sind, der unter ihnen in seinem Wort und in den Sakramenten, besonders in der Eucharistie in unvergleichlicher Weise gegenwärtig ist (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 7)“. <751> In der Gewissheit - so bekräftigt der Papst -, dass „auf diese Weise nicht nur ein festes und dauerhaftes Glaubensfundament aufgebaut wird (vgl. Lk 6,48), sondern, daß die ganze christliche Gemeinschaft sich der Pflicht bewußt wird, das Geheimnis Christi, des Erlösers der Menschheit, zu feiern und ihn zu verkündigen und den Menschen von heute freimütig bekanntzumachen. Dabei ist die manchmal von außen und auch von innen kommende Versuchung zu überwinden, der Kirche andere Identitäten und andere Interessen zuzuschreiben. Tatsächlich lebt die Kirche mehr von dem, was sie von ihrem Herrn empfangt, als von dem, was sie aus eigenen Kräften tun kann“. <752> 86 Johannes Paul II., Ansprache beim „ ad limina “-Besuch der Bischöfe der spanischen Kirchenprovinz Grenada, Sevilla und Valencia (7. Juli 1998),Nr. 4, in: „L’OsservatoreRomano“, 9. Juli 1998, S. 7. <752> Ebd. Das liturgische Leben braucht eine Prüfung 68. Betrachtet man die konkrete Wirklichkeit unserer Kirchen, dann sieht man, dass die Begegnung mit dem großen und heiligen Geheimnis des von Jesus offenbarten dreifältigen Gottes in der Liturgie und in anderen Gottesdienstformen ein weitgefächertes Spektrum von Situationen und Erfahrungen zeigt. In den Gemeinschaften, in denen eine angemessene Katechese und liturgische Bildung die Vorbereitung der liturgischen Feiern ermöglichen, werden diese zu entscheidenden Augenblicken der überzeugten und tiefgehenden Begegnung mit dem göttlichen Geheimnis und wahrer Gemeinschaft mit den Brüdern und Schwestern im Glauben durch den Lobpreis, die Gebete und die Gesten gegenseitiger froher Annahme. Abgesehen von den Pfarrgemeinden in Ost- und Westeuropa, sind diese Erfahrungen auch in den erneuerten religiösen Gemeinschaften, in den Neugründungen des geweihten Lebens und in den neuen kirchlichen Bewegungen sehr verbreitet. Es fehlt nicht an Gemeinschaften, die eine lange Tradition des Gottesdienstbesuches an Sonn- und auch an Werktagen sowie eine große Beteiligung an Anbetungsstunden des Allerheiligsten und an Marienandachten verzeichnen können. Nicht zu vergessen ist, dass viele vorzugsweise dem Geheimnis des lebendigen Gottes in Gottesdiensten begegnen, die in der traditionellen Volksfrömmigkeit wurzeln. Daher die Bedeutung der sogenannten Volksreligiosität und -frömmig-keit, die es zu reinigen und zu leiten gilt. Im Allgemeinen ist jedoch zuzugeben, dass man eine wahrhafte Anwendung der Liturgiereform vor sich hat, auch wenn sie nicht immer zur wirklich tiefen liturgi- 1259 ANHANG sehen Erneuerung geführt hat und noch viel zu tun bleibt, um jene „participatio actuosa “ aller Gläubigen zu verstärken, die vom Konzil so sehr erhofft und angeregt worden war. Jedenfalls bleibt die Liturgie der Brennpunkt in Bezug auf das Wachstum des Glaubens. 69. Auch auf manche problematische Situationen ist hinzuweisen. In vielen westlichen Ländern werden Gottesdienste fast ausschließlich von älteren Leuten, hauptsächlich Frauen, und von Kindern besucht, während die Jugendlichen und die mittlere Altersstufe fembleiben. Daraus ergibt sich auch das Bild einer alten, femininen und infantilen Kirche. Sowohl in Ost- wie in Westeuropa gibt es Erfahrungen, in denen das Bemühen, anziehend zu sein, die Dimension des Geheimnisses, der Anbetung und des Lobes in den Schatten stellt und die Formelhaftigkeit, die Beteiligung und ein gewisses Geltungsbedürfnis des Zelebranten und/oder der aktiv bei der Versammlung Mitwirkenden in den Vordergrund rückt. Daraus folgt u.a. ein zweifellos lebendiges und lebhaftes Kirchenbild, das aber mehr auf Äußerlichkeit und Emotivität als auf Vertiefung in die Begegnung mit dem heiligen Geheimnis Gottes achtet. Es fehlt auch nicht an Erfahrungen mit Gottesdiensten und Andachten, die sehr streng auf die Formelhaftigkeit achten, was sie für manche Personen in der Tat trocken und entmutigend macht. Im Gegensatz dazu gibt es Erfahrungen, in denen man zur Förderung der Religiosität Gottesdienste und Gebetstreffen veranstaltet und improvisiert, die die geltenden Regeln missachten und eine Art unannehmbarer ungezügelter liturgischer Kreativität hervorrufen. Ein weiteres Problem erwächst aus der Haltung traditionalistischer Gruppen, die einige äußerliche liturgische Formeln hervorheben und diese zum Kriterium des rechten Glaubens machen. In dieser Richtung fordern manche, die daraus folgenden Schwierigkeiten auch in Bezug auf die kirchliche Gemeinschaft zu betrachten. Es besteht kein Zweifel, dass diese verschiedenen manchmal sich widersprechenden Weisen, die Gottesdienste zu gestalten und zu leben, oft zu Polarisierungen führen, zu denen noch andere Aspekte kommen, die dazu beitragen, ein Bild deutlich zu machen, nach dem in Wirklichkeit zwei verschiedene Seins- und Lebensweisen von Kirche sich gegenüberstehen und leider gegeneinander prallen. Vielerorts sind zwei Probleme besonders offensichtlich: das erste innerhalb des kirchlichen Lebens, das zweite vom kulturellen Kontext hervorgerufen. Einerseits spürt man in der konkreten Gottesdienstpraxis Ermüdung, Wiederholung, Langeweile und einen immer wiederkehrenden gewohnten Stil, der Resignation hervorruft, auf der anderen Seite führt die Kultur der Modernität dazu, dass der Ritus vom Glaubensfundament losgelöst wird. 70. Deshalb wird das dringende Erfordernis einer angemessenen Bildung deutlich, die eine Anleitung zur Kunst des Feierns sein sollte. Daraus erwächst die Notwendigkeit, in Verkündigung und Katechese eine verstärkte „liturgische Mystagogie“ anzubieten. Dazu erscheint es nützlich: Glaubenswege zu entwickeln, in denen Verkündigung, Liturgie und Dienst am Nächsten immer miteinander verbunden 1260 ANHANG sind und in Beziehung zueinander stehen; für eine rechtzeitige liturgische Ausbildung der zukünftigen Priester und der verschiedenen pastoralen Mitarbeiter, der Gottesdiensthelfer und all derer, die darin einen Dienst ausüben, zu sorgen; die Eucharistiefeier als „Höhepunkt und Quelle“ der ganzen Liturgie zu betrachten, ohne aber das gemeinsame Stundengebet außer acht zu lassen und eine rechte Integration zwischen liturgischem Leben und Volksreligiosität zu fordern; die Riten an die verschiedenen und neuen Situationen anzupassen, in denen die Gläubigen leben. All das muss in der Überzeugung geschehen, dass, wenn man im Geist und in der Wahrheit feiert, wenn die Leier eine Handlung ist, an der die Versammlung teilhat, wenn Texte und Gesten alle Gläubigen miteinbeziehen, die Liturgie zu einer wirklich gelebten Erfahrung des Geheimnisses wird, weil sie Teilhabe am österlichen Ereignis und damit Quelle und Ausdruck wahrhaften geistlichen Lebens ist. Hinzuweisen ist auch auf die Opportunität eines fruchtbaren Austausches zwischen der orientalischen Tradition, die in der liturgischen Handlung hauptsächlich die Dimension des Geheimnisses hervorhebt und nutzt, und der westlichen lateinischen, die mehr dazu neigt, die Dimensionen der Gemeinschaft und Sendung ins Licht zu stellen. Das „Evangelium der Hoffnung“ durch den Dienst am Nächsten verbreiten Diakonia 71. Um wirklich das „Evangelium der Hoffnung“ durch den Dienst am Nächsten zu verbreiten, gibt es nur den längst bewährten Weg. Er besteht in der Liebe, die zum authentischen Liebeszeugnis wird, das bedeutet: Förderung der Gemeinschaft in und außerhalb der Kirche, Erneuerung und Ansporn einiger pastoraler Prioritäten sowie Einsatz für den Aufbau eines neuen Europas. Die Aufgabe besteht darin, in der Geschichte Europas die Liebe wirksam zu machen. Zeugnis der Liebe zum Nächsten 72. Vor allem geht es darum, dass die Menschen der Liebe Gottes und Christi im Heiligen Geist begegnen. Auf diese Weise kann man dem Hoffnung geben, der sich bedroht sieht oder verloren hat, denn nur wer sich geliebt weiß und geliebt fühlt, kann dem eigenen Dasein Sinn geben und weiter Hoffnung haben, auch unter Mühen und Schwierigkeiten. Um das alles zu verwirklichen, ist das gelebte Zeugnis der Liebe unerlässlich. Das führt dazu, dass die Christen und die Kirchen in Europa nicht einfach damit zufrieden sind, Gesten - wenn auch wichtige und notwendige - der Liebe zu vollbringen, sondern dass sie „Liebe sind“, indem sie dieses Geschenk und diese Kraft aus der unversiegbaren Quelle schöpfen, die Gott selbst ist. In diesem Sinn darf sich das Liebeszeugnis nicht auf einen Pragmatismus ohne Wurzeln beschränken, sondern muss die Liebe Gottes, ja Gott, der Liebe ist, aussagen und verkünden. Es 1261 ANHANG geht darum, dem heutigen europäischen Menschen wie den Menschen aller Zeiten die beseligende Nachricht mitzuteilen, dass Gott uns zuerst geliebt hat, dass Jesus uns bis zur Vollendung geliebt hat, indem er den Kreuzestod auf sich nahm und uns den Vater offenbart hat, der mit den Menschen solidarisch ist und ihnen entgegenkommt, dadurch dass er ihnen den Heiligen Geist mitteilt. Die Synode will deshalb im Bewusstsein der Christen und der Kirche die Gewissheit erneuern, dass uns die Liebe des Vaters, die sich in Christus allen zuwendet, durch die Ausgießung des Heiligen Geistes mitgeteilt wird. Diese Liebe des Vaters, die einmal für immer in Jesus Christus gekommen ist und mit dem immer neuen Geschenk des Geistes ständig kommt, kann nur in der gelebten Erfahrung der Liebe, vor allem der gegenseitigen Liebe voll angenommen und erkannt werden. Es geht also darum, gerade durch das glaubwürdige, wenn auch immer unzureichende Zeichen der gelebten Liebe die Menschen mit der Liebe Gottes und Christi, der sie sucht, in Berührung zu bringen. Das ist die schwierige Aufgabe, die unseren Kirchen gestellt ist und die sie erfüllen müssen, wollen sie noch Träger der Hoffnung sein. Es geht in dieser Hinsicht darum, dass in unseren Kirchen im Gewebe des täglichen Lebens und der Geschichte unserer Länder Einzelpersonen, Familien und Gemeinschaften sind, die das Evangelium der Liebe intensiv zu leben wissen. Gefragt sind also Personen und Gemeinschaften, die im engen Dialog mit den göttlichen Personen leben, der mit dem Hören des Wortes, dem Gebet und den Sakramenten beginnt und sich im Dialog mit den anderen Menschen in allen Beziehungen und Tätigkeiten und in jedem Umfeld fortsetzt. Diese Personen und Gemeinschaften sollen sich von der Kraft und Weisheit der Liebe formen lassen und jeden Menschen und jedes Ereignis als Geschenk und Gelegenheit zum Guten annehmen. Sie sollen sich selbst zum Geschenk für andere machen durch ihre Aufmerksamkeit, ihren Dienst, ihre Anteilnahme, ihren ethischen und zivilen Einsatz und in der Vergebung erlittenen Unrechts. So kann ihr Liebeszeugnis zu einem wirksamen Mittel gegen die Krankheiten unserer Zeit werden und viele Herzen für die Freude und Hoffnung öffnen. Baumeister der Gemeinschaft und Solidarität 73. Zweifelsohne bedeutet das Zeugnis der Liebe leben gleichzeitig Baumeister der communio in der christlichen Gemeinschaft zu sein. Wie schon gesagt, ist das eine der Grundbedingungen dafür, dass die Kirchen Träger der Hoffnung für das Europa von heute sein können. <753> <753> Vgl. oben § 45-50. Aber das Zeugnis der Liebe geht auch über die Grenzen der kirchlichen Gemeinschaft hinaus. Hier, in der ganzen bürgerlichen Gesellschaft, wird die gegenseitige Liebe, die die Kirche zur brüderlichen und missionarischen Gemeinschaft aufbaut, Faktor der Solidarität. Baumeister der Gemeinschaft sein heißt also auch, den Aufbau einer solidarischen Gesellschaft zu fördern, die gemäß dem Prinzip der Subsi- 1262 ANHANG diarität geordnet ist. Die Kirche ist gerufen, in diesem Sinn auch in sozialer Hinsicht primärer Faktor der Stabilität und der Gemeinschaft zu sein. Und zwar ausgehend von jenem tiefen und theologischen „Geheimnis der Gemeinschaft“, auf dem sie gründet: Aus der Gemeinschaft in der Kirche, die ihren Mittelpunkt in der Eucharistie hat, dem bevorzugten Ort der Begegnung mit Christus und mit den Brüdern, und aus der Begegnung am Tisch des Herrn erwächst jene typische Brüderlichkeit der christlichen Gemeinschaft, die ihren wohltuenden Einfluss auf die bürgerliche Gesellschaft ausübt. In dieser Hinsicht und dieser Denkweise entsprechend bleiben die Werte der Solidarität, der Versöhnung, der Vergebung, der Zuwendung zu den Ärmsten, des Dienstes am Nächsten auch in Form des Freiwilligendienstes - Werte, die zur wesentlichen christlichen Erfahrung gehören - nicht ausschließlich Güter der Gläubigen, sondern werden zur Kraftquelle für die ganze Gesellschaft. Ohne Zweifel geht es darum, diese Überzeugungen erneut anzubieten und auf ihre Verwirklichung zu achten. 74. Besonders in jenem Kontext, der die Werte Freiheit und Gleichheit herausstellt, aber die Brüderlichkeit beiseite gelassen hat, muss die Kultur der Freiheit und Gleichheit mit der Kultur der Solidarität verschmolzen werden, einer nicht nur als Hilfeleistung verstandenen Solidarität, sondern als Aufwertung der einzelnen Kategorien. In diesem Sinn muss die Solidarität bei dem wachsenden Zustrom von Einwanderern in Formen des Zusammenlebens zum Ausdruck kommen, die den verschiedenen Präsenzen in der Gesellschaft entsprechenden Raum geben. Mit der zunehmenden Globalisierung wollen die Einforderungen der Staatsangehörigkeit, der vollen Anerkennung ihrer Identität und Verschiedenheit seitens Gruppen und Minderheiten im Rahmen der Werte und gemeinsamen Normen anerkannt und geschützt werden. Im Zusammenhang der Globalisierung darf die Verantwortlichkeit Europas und seiner Kirchen gegenüber den Ärmsten und die daraus folgende Ge-wissensprüfung hinsichtlich der Beziehungen zwischen den reicheren und den ärmeren Kirchen in Europa und in der übrigen Welt nicht vergessen werden. Angesichts der schweren Mängel des freien Marktes und der Unwirksamkeit und der Kosten des bürokratischen und sozialen Staates sollte die Rolle der zivilen Wirtschaft und allgemein der zivilen Gesellschaft, die fähig ist, Solidarität und Verantwortlichkeit miteinander zu verbinden, immer mehr Anerkennung finden. Das sind alles deutliche Anzeichen für die Dringlichkeit und Notwendigkeit, jede Form von privatisierter Ethik zu überwinden, wie die in Europa weitverbreitete, die kein angemessenes Fundament für das Zusammenleben sein kann, weil der Verlust und die Aushöhlung der Werte den Aufbau einer solidarischen Gesellschaft erschweren. In der Solidarität, verstanden als Nutzung der sozialen Subjektivität, ist der Schlüssel zu finden für einen alternativen und fruchtbaren Lösungsversuch der sozialen Spannungen, die die europäische Gesellschaft kennzeichnen, die aber alle Gesellschaften der Welt erfasst haben. Dafür kann Europa ein ganz entscheidendes Zeichen friedlichen Zusammenlebens setzen. Dieser Versuch nach christlichem Muster sollte auf europäischer Ebene verbreitet werden. In Europa ist 1263 ANHANG Einheit nötig, die den Pluralismus zu nutzen weiß, nicht nur den Pluralismus der Staaten, sondern auch den der kulturellen und religiösen Gemeinschaften, der sozialen Institutionen und der Familien. Die Politik muß all diesen Wirklichkeiten das Heimatrecht einräumen. Im Rahmen der allgemein anerkannten Werte und der gemeinsamen Normen muß die Vielfalt zum menschlichen und auch wirtschaftlichen Reichtum werden. Dazu können und müssen die Christen sehr viel beitragen. Denn durch den Glauben an Gott, den Vater aller, hat das Christentum das Bewusstsein der Würde der Person und der Brüderlichkeit in die Geschichte eingepflanzt. Dadurch, dass die Christen die gegenseitige Liebe auch in der bürgerlichen Gesellschaft als Baumeister und Anwälte der Solidarität leben und bezeugen, verdeutlichen sie die Gegenwart Christi, des Erlösers aller Menschen und des ganzen Menschen. Von Ihm allein kann die Hoffnung kommen, die nicht trügt. Einigepastorale Aufgaben und Prioritäten müssen gefördert werden 75. Im heutigen Europa, das von neuen und alten Problemen bedrängt und von neuen Hoffnungen und Möglichkeiten erfasst wird, soll das gelebte Zeugnis der Liebe als Dienst am „Evangelium der Hoffnung“ auch heißen, einem pastoralen Wirken Raum zu geben, das von einem tiefen missionarischen Antrieb ausgeht und belebt wird. Sie ist nicht nur als mutige Verkündigung des Evangeliums zu verstehen, sondern auch als Bereitschaft, aus den engen kirchlichen Bereichen herauszugehen. Der christliche missionarische Stil ist geprägt von der „Sympathie“ für die Menschen, vom Anhören ihrer Fragen, von der Begleitung in den Leiden und vom frohen und befreienden Angebot der Botschaft Christi. Dieser Stil erfordert heute mehr denn je, neue Formen der Suche nach dem Menschen zu finden durch eine missionarische Präsenz der Kirche und der Christen unter den Jugendlichen, unter den Kulturschaffenden, unter den Arbeitnehmern, unter den Leidenden und unter den Suchenden. Die missionarische Tätigkeit muss sich also in eine Präsenz in der Welt und in eine Denkweise umsetzen, die eine Alternative zur weltlichen Denkweise darstellt, aber für die Menschen unserer Zeit verständlich ist. Die entscheidende Frage an unsere Kirchen könnte also bei den Beratungen der Synode so lauten: Wie können wir heute in Europa Zeugen eines Gottes sein, der den Menschen weiterhin sucht? Wie können wir gleichzeitig bereit sein, Überzeugungen aufzugeben, die uns vorspiegeln, dass unsere Länder noch christlich sind, während wir aber fest entschlossen sind, die große Hoffnung zu bezeugen, die in uns ist? In dieser Hinsicht handelt es sich darum, jene grundlegende Gleichung unseres Glaubens anzubieten, nach der die Rechte Gottes die Rechte des Menschen und die Rechte des Menschen die Rechte Gottes sind. Das führt dazu, in der Pastoralarbeit den Schutz des Menschen, vor allem der Schwächsten und der Ärmsten, in den Mittelpunkt zu stellen, aber nicht in der Sicht reiner Fürsorge und Hilfeleistung, sondern als Förderung und Wachstum der Person. Das ist gewiss ein weiteres Zeichen von Hoffnung, das die Christen in Europa als Sauerteig in einer Gesellschaft 1264 ANHANG setzen können, die den Menschen mit seinen Problemen und seinen Bestrebungen in den Mittelpunkt rückt. So wird verständlich, dass in unseren Kirchen weitgehende Übereinstimmung darüber herrscht, folgende Aufgaben und Prioritäten für ein wirksames Zeugnis der Liebe herauszustellen: das Angebot eines individuellen, familiären und sozialen Lebens, das dem eigenen Glaubensbekenntnis entspricht; den Schutz der menschlichen Person und des Lebens, verdeutlicht in öffentlichen Erklärungen und vielfältigen Initiativen von Solidarität, wobei besonders auf die wachsende Gruppe von Menschen in Not zu achten ist, die dem materiellen und moralischen Elend und der Ausbeutung stärker ausgesetzt ist; die Förderung einer angemessenen pastoralen und sozialen Aufmerksamkeit für die komplexe Welt des Gesundheitswesens mit seinen heutigen Problemen; die Aufmersamkeit und Hilfe für die Ärmsten; den Schutz für die Schwächsten; eine Atmosphäre der Achtung und Aufnahme für die Einwanderer zu schaffen, um so die kulturelle Integration und den interreligiösen Dialog zu fördern; Zeichen der Hoffnung zu setzen in Bereichen, wo Mutlosigkeit überhand zu nehmen scheint. Hier ist Raum für eine besondere Betonung der pastoralen Präsenz und Tätigkeit in manchen Bereichen, die heute mehr Aufmerksamkeit von den Kirchen erfordern, damit das „Evangelium der Hoffnung“ noch angemessener und wirklichkeitsnäher angeboten werden kann. 76. Von vielen Seiten wird die grundlegende Bedeutung einer angemessenen und wirksamen Familienpastoral unterstrichen, die mit den Familien und für die Familien auszuüben ist. Sie ist eine Aufgabe und Verpflichtung, die unserer Kirche mit aller Dringlichkeit obliegt im Hinblick auf nicht wenige kulturelle, soziale und politische Faktoren, die in verschiedener Weise, aber in allen Ländern zu der immer stärker hervortretenden Krise der Familie beitragen. Und gerade diese Krise der Ehe und Familie bewegt die europäischen Kirchen dazu, „die Wahrheit über die Ehe und die Familie, wie Gott sie festgelegt hat, als einen wahren Dienst an der Familie und der Gesellschaft mit Festigkeit zu verkünden. Das zu unterlassen, wäre eine schwere Verfehlung der Hirtenaufgabe, die die Gläubigen und alle diejenigen irreführte, die die schwere Verantwortung haben, Entscheidungen über das Gemeinwohl der Nation zu treffen“. <754> In der Überzeugung, dass der Dienst an der Familie letztlich ein wahrhafter Dienst am Menschen und an der ganzen Gesellschaft werden kann, geht es um die entsprechende Erziehung und Bildung, Vorbereitung, Begleitung und Hilfe wie auch um das Engagement, so dass eine wirklich angemessene Familienpolitik gefördert wird und die Familien diese Politik selbst gestalten und die Verpflichtung übernehmen, die Gesellschaft umzuwandeln. <754> Johannes Paul II., Ansprache an eine Gruppe spanischer Bischöfe (19. Februar 1998), Nr. 4, in: „L’Osservatore Romano21. Februar 1998, S. 4. 1265 ANHANG 77. In Bezug auf das menschliche Leben wird von mehreren Seiten unterstrichen, dass man oftmals eine ganz inkohärente Kultur vorfindet, die einerseits die Würde des menschlichen Lebens bekräftigt, andererseits Haltungen der Bedrohung oder Verweigerung des Lebens akzeptiert oder sogar begünstigt. Besonders bei dem Problem der Abtreibung zeigt sich ein klarer Unterschied zwischen den Ländern, in denen Abtreibungen sehr häufig sind, und denen mit einer geringeren Abtreibungszahl. Immer dringlicher und notwendiger wird in diesem Zusammenhang eine umfassende und allgemeine kulturelle, pastorale und soziale Initiative im Dienst des menschlichen Lebens und zur Förderung einer authentischen Kultur des Lebens. Bedeutsam ist diesbezüglich die Übereinstimmung, die hinsichtlich der aufgezeigten Angebote und zum Teil schon verwirklichten Initiativen herrscht. Das gilt für vorhandene Strukturen (Häuser für alleinstehende Mütter, Krankenhäuser und Altenheime, Hilfs- und Beratungsstellen); für die Förderung von Vereinigungen und Bewegungen, die für das Leben arbeiten; es gilt für die Bedeutung des Freiwilligendienstes, für die Notwendigkeit eines verstärkten Einsatzes im Erziehungsund Bildungswesen und in der Verkündigung der Lehre der Kirche, auch durch Bekämpfung der Propaganda der sozialen Kommunikationsmittel; es gilt, Einfluss im kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Bereich zu gewinnen auch durch das direkte und verantwortliche Engagement der Christen in diesem Umfeld. 78. „Die Jugendlichen sind die Hoffnung der Kirche, die ins dritte Jahrtausend eintritt. Sie dürfen im kritischen Augenblick ihrer Lebensentscheidungen nicht ohne Hilfe und Führung gelassen werden. Man muß die Anstrengungen vervielfachen, damit die Kirche unter den Jugendlichen präsent ist“. <755> Diese Worte Johannes Pauls II. weisen genau und zweifelsohne auf eine weitere pastorale Priorität für die europäischen Kirchen von heute hin. Es handelt sich darum, die Jugendpasto-ral zu erneuern und in Schwung zu bringen, sie wirksam und harmonisch zu gestalten im Rahmen eines umfassenden Programms, das die Kreativität und Geisteskraft der Jugendlichen anregt und ihre Erwartungen prüft und unterstützt, so dass sie persönlich die Evangelisierung und den Aufbau der Gesellschaft gestalten helfen. <755> Johannes Paul II., Ansprache beim „ad limina“-Besuch polnischer Bischöfe (2. Februar 1998), Nr. 5, in: „L ’Osservatore Romano “ Nr. 27, 2./3. Februar 1998, S. 6. Die Treffen, an denen viele Jugendliche teilnehmen - wie die Weltjugendtreffen, die von der Gemeinschaft von Taize veranstalteten Treffen, die Tagungen und Wallfahrten auf Orts- und nationaler Ebene -, manifestieren ihren Hunger nach dem Absoluten, ihren versteckten Glauben, der nur gereinigt und entfaltet werden will, und ihre Sehnsucht nach Gemeinschaft, um aus der Isolierung herauszukommen. Diese Treffen sind auch der erste absichtliche Schritt zur Christusnachfolge. <756> All das will erkannt, aufgenommen, begleitet, unterstützt und geleitet wer- <756> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache beim „ad limina “-Besuch der Bischöfe der apostol. Region Südfrankreich (7. März 1992), Nr. 3, in: „L’OsservatoreRomano deutsch“Nr. 25/1992, S. 16. 1266 ANHANG den. Es ist also notwendig, sich einbezogen zu fühlen und den neuen Generationen die Möglichkeit zur persönlichen Begegnung mit Christus im Bereich einer brüderlichen Gemeinschaft zu geben, wo jedem geholfen wird, die eigene Identität zu entwickeln und die eigene Berufung zu entdecken und zu entfalten. Dabei gilt es, nicht nur intelligente, eifrige Erzieher und Lehrer auszubilden, die wirklich fähig sind, den Jugendlichen entgegenzukommen und ihnen unterschiedliche, anspruchsvolle und gestufte Wege menschlichen und christlichen Wachstums anzubieten, sondern auch dahin zu wirken, dass die kirchlichen Gemeinschaften sie tatsächlich annehmen. Denn dort sollen die Jugendlichen vor allem in den Erwachsenen dialogfähige Zeugen und Personen finden, so dass sie als selbständige Menschen ihre eigene Bildung und missionarische Tätigkeit bewerkstelligen. 79. Aufgrund der heute ständig wachsenden Bedeutung der sozialen Kommunikationsmittel müssen die Kirchen in Europa, wenn sie durch die Evangelisierung und Förderung von Kultur neue Hoffnung geben wollen, ein besonderes Augenmerk auf die vielschichtige und komplexe Welt der Massenmedien richten. Es geht vor allem darum, sich in die Prozesse der sozialen Kommunikation einzuschalten, um sie authentischer und achtungsvoller gegenüber der Wahrheit, der Information und der Würde der menschlichen Person zu machen. Einfaches Verwalten von noch so fortschrittlichen Mitteln reicht aber nicht aus. Unerlässlich ist es vielmehr, die kulturelle Herausforderung des neuen Kommunikationshorizonts anzunehmen, vor die seine Protagonisten gestellt sind. Die sogenannte „Medienkultur“ erfordert deshalb von der Kirche ein Überdenken und eine Überprüfung ihres Glaubens, ihrer Botschaft und ihres Lebens. Das alles scheint die Gemeinschaft der Gläubigen aufzurufen, sich auch auf europäischer Ebene noch mehr zu strukturieren. Denn um den heutigen Anforderungen zu entsprechen, genügen improvisierte und bahnbrechende Initiativen nicht. Man muss wirksam und der Situation entsprechend methodisch Vorgehen. Es ist wichtig und notwendig, eine gezielte Strategie zu entwickeln, die für alle Kirchen Europas gilt, damit man in der Medienkultur einen Weg der Evangelisierung und des Dienstes am Menschen aufzeigt, der die neuen Ausdrucksmittel und neuen Technologien berücksichtigt. 80. Im heutigen Kontext, der vor allem eines tiefgehenden kulturellen und nicht so sehr wirtschaftlichen, sozialen und politischen Wandels bedarf, scheint es wichtig — will man Europa neue Hoffnung geben —, eine neue Pastoral der Kultur anzuwenden. Durch die Schule wie auch durch die Förderung und Entwicklung des intellektuellen und akademischen Lebens soll diese Pastoral darauf zielen, die zur Zeit verstreuten Aspekte der europäischen Kultur zu einer wirklich auf menschliche Bildung ausgerichteten Synthese zusammenzufassen, die für die geistigen Werte offen ist und die Würde der Person achtet. Und das soll auf der Linie jener europäischen kulturellen Tradition geschehen, die ihre Wurzeln im Evangelisierungswerk der Kirche und in der Christus-Begegnung 1267 ANHANG möglichst vieler Menschen aller Stände und Kulturen hat. Die Grundwerte, die Europa entwickelt und der Menschheit vermittelt hat, sind tatsächlich das greifbare Zeichen einer vollzogenen Inkulturation des Glaubens, die eine Synthese der Präsenz und des Zeugnisses hervorgebracht hat, die zur Entwicklung des ganzen Menschengeschlechtes beigetragen haben. Aus der Begegnung der Griechen, der Latiner, der Barbaren, der Slawen mit Christus, ist „eine europäische und christliche Lebens- und Denkweise“ entstanden, die eines der bedeutendsten Modelle der Inkulturation des Glaubens und eine der reichhaltigsten Synthesen zwischen Glaube und Vernunft, zwischen Christusnachfolge und Zugehörigkeit zu einem Volk oder einer Tradition darstellt. Die Aufgabe, die Europa bevorsteht, wobei die Bedeutung seiner Identität und seiner Urtümlichkeit im Gesamten der Menschheit auf dem Spiel steht, liegt in der Fähigkeit der Christen, zu den Wurzeln ihres Glaubens an den Auferstandenen zurückzukehren, um eine neue Ära zu beginnen mit einer Inkulturation, die die neuen Probleme in Europa anzupacken weiß. 81. Angesichts eines heute verbreiteten anthropologischen Modells, das sich auf den Begriff der Person „ohne Berufung“ bezieht, und angesichts des Problems der Anzahl und Qualität von Berufungen, das in fast allen europäischen Kirchen deutlich hervortritt und Besorgnis erregt, scheint allen eine angemessene Pflege der Berufungen vordringlich und wichtig zu sein. Unerlässliche Voraussetzung für die Kirche ist auch, dass sie ihre umfassende Pastoraltätigkeit ausüben kann. Die Pflege der Berufungen ist eine Schlüsselaufgabe für die Zukunft des christlichen Glaubens in Europa und zugleich für die religiöse Emeuemng der europäischen Völker. Somit ist die Förderung geistlicher Berufe ein obligatorischer Schritt für die Kirche, wenn sie dem heutigen Europa neue Hoffnung geben will. In dieser Hinsicht und in der Gewissheit, dass der Geist auch heute wirksam ist und ruft und dass1 die Zeichen dieser Gegenwart nicht fehlen, geht es darum, den Be-rufsauffuf in die allgemeine Pastoral einzugliedem und der Berufungspastoral den Anstrich der Gemeinsamkeit, der Popularität und der Kontinuität zu geben. Wie Johannes Paul II. betonte, ist es notwendig, „vor allem in den Jugendlichen eine tiefe Sehnsucht nach Gott zu wecken und damit das Terrain für hochherzige Berufsentscheidungen zu bereiten“. Es ist dringlich, dass „eine ausgedehnte Gebetsbewegung die kirchlichen Gemeinschaften Europas erfasst und sich dem Ansturm des Säkularismus entgegenstellt, der dazu drängt, die menschlichen Mittel, die Leistungsfähigkeit und das pragmatische Lebensmodell vorzuziehen“. Es ist notwendig, „einen Qualitätssprung in der Berufungspastoral der europäischen Kirchen zu vollziehen“, weil „die veränderten geschichtlichen und kulturellen Bedingungen es erfordern, daß die Berufungspastoral als eine der vorrangigsten Zielsetzungen der ganzen christlichen Gemeinschaft gesehen werden“. Es geht darum, „eine neue Kultur der Berufung unter den Jugendlichen und den Familien zu fordern“. <757> <757> Johannes Paul II.. Ansprache an die Teilnehmer des Europa-Kongresses über die Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben (9. Mai 1997), in: „L’Osservatore Romano deutsch " Nr. 26/1997, S. 11. 1268 ANHANG Nicht vernachlässigen darf man in diesem Bereich diejenigen, die bereits in das geweihte Amt oder in das geweihte Leben eingegliedert sind und gestützt und ermutigt werden müssen. Angesichts ihrer zahlenmäßigen Verringerung in vielen Teilen Europas und der größeren pastoralen Last und damit verbundenen Ermüdung geht es darum, brüderlichen und aufmerksamen Trost zu spenden. Das möge ihnen helfen, den hohen Wert ihres Dienstes zu erkennen, ihre Arbeitsweise und ihr Pensum zu überdenken und die Freude eines ganz dem Herrn geschenkten Lebens wiederzufinden und zu manifestieren als konkretes Zeugnis der Sinngebung, das ansteckend wirkt auf andere und sie zur radikalen Nachfolge des Herrn einlädt. 82. Von außerordentlicher Bedeutung ist auch die Bildung engagierter christlicher Laien als Verantwortungsträger. Der soziale Kontext und das moralische, kulturelle und geistige Klima im heutigen Europa erfordern ganz dringend eine solche Bildung der Laien, und diese ist besonders notwendig aufgrund der aggressiven Rhythmen und des Alltagsstresses sowie des Drucks, der vom Erfolgsstreben, vom Konsumverhalten und insbesondere von einem massiv zur Schau gestellten Erotismus ausgeübt wird. Die vorgenannte Bildung der Laien ist auch notwendig aufgrund der Unsicherheit und des Skeptizismus, die einen großen Teil der Kultur beherrschen und sich sogar in die Suche nach Spiritualität und Religiosität einschleichen, die in den jüngsten Jahren in Formen aufgetaucht ist, die einer aufmerksamen Unterscheidung bedürfen. Diese Bildung erfordert eine allgemeine Spiritualität als Ausgangspunkt für eine Präsenz als Christen in Europa, die in neuer Weise das christliche Menschenbild darzustellen weiß, das eines der schönsten kulturellen Erbteile unserer Geschichte ist. Diese ganzheitliche und durch strenge Übung im kirchlichen Leben gereifte Bildung und Formung soll darauf abzielen, dass die Laien den Lebensalltag als bevorzugten Ort entdecken, um den Glauben an den auferstandenen Christus zu bezeugen und zu verkündigen. Im Bewusstsein, dass die konkrete und komplexe Welt der Bereich ihrer Evangelisierungstätigkeit ist, sollen die Laien immer mehr selbständige und verantwortliche Mitwirkende an der Geschichte werden, die im Licht des Evangeliums gestaltet wird. So ausgebildet, „wird es den Christen noch mehr angelegen sein, die wahren, dem Evangelium entsprechenden Werte in allen Lebensbereichen und besonders im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben, deren Evangelisatoren sie sind, zu manifestieren und zu schützen. Das wird noch wichtiger in den letzten Jahren dieses Jahrhunderts, in denen wir auf eine Neuordnung Europas zugehen, wo neue Bande zwischen den Mitgliedsstaaten, aber auch mit den anderen Kontinenten geknüpft werden. Eine Neuordnung, die der Förderung der moralischen Dimension der zwischenmenschlichen Beziehungen bedarf1. <758> Johannes Paul II., Ansprache beim „ad Iimina “-Besuch der belgischen Bischöfe (3. Juli 1992), Nr. 4, in: „L’Osservatore Romano deutsch“ Nr. 31—32/1992, S. 11. 92 ANHANG In diesem weitgesteckten und gegliederten Rahmen scheint es dringend geboten, wertvolle Berufungen zu wecken und zu fordern, die dem Gemeinwohl dienen: Menschen, die nach dem Beispiel und dem Stil der sogenannten „Väter Europas“ fähig sind, Baumeister der europäischen Gesellschaft von morgen zu sein, und sie auf die soliden Fundamente des Geistes gründen. Der Einsatz fiir den Aufbau des neuen Europa 83. Wie bereits bei der ersten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa festgehalten wurde, „stellen der europäische Einigungsprozeß und besonders die europäischen Institutionen und die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa die Kirchen vor eine schwere, verantwortungsvolle Aufgabe. Das gemeinsame europäische Haus kann nur dann auf sichere Fundamente gebaut werden, wenn es nicht nur aus wirtschaftlichen Beweggründen erwächst. Ja, das neue Europa setzt für seinen Aufbau immer den Konsens und die Anerkennung der Grundwerte voraus und erfordert eine rein ideelle Inspiration. In dieser Hinsicht ist der Beitrag der Kirche für das neue Europa gewiß nicht zweitrangig und muß mit dem Einsatz der im sozialen und politischen Bereich tätigen Laienchristen einhergehen“. <759> <759> Bischolssynadc. erste Sonderversammlung fiir F.uropa, Schlußerklärung, Nr. 10. Das ist eine Überzeugung, die die Synode auch heute zum Ausdruck bringen will in einem Augenblick, wo die europäische Situation neue Fragen aufwirft und ein Überdenken der kirchlichen Präsenz in Europa geboten scheint. Die europäische Einigung geht jetzt auf einem vorwiegend wirtschaftlichem Geleise voran, auf dem das politische Element den eisernen Regeln des Geldes unterworfen ist. In sozialer und kultureller Hinsicht ist der Weg noch ungewiss. Welche Rolle die Kirchen übernehmen können, ist noch unklar, und es besteht die große Gefahr, dass sie zu Untergruppen des Gesellschaftssystems zusammenschrumpfen. Die Lage würde sich noch verschlechtern, wenn man über die Ausgrenzung der Kirche in eine Randposition hinaus ein soziologisches Rollenverständnis der Gläubigen in der neuen europäischen Situation vorzöge. Daraus erwächst eine geschichtliche Verantwortung, die die Kirchen und die Christen unbedingt mit großer Wachsamkeit und Engagement wahmehmen müssen. In diesem Sinn sind die Präsenz und der Einsatz von Christen, Männern und Frauen, entscheidend, die in das Leben Europas und in seine Einigung die Achtung jeder Person und der verschiedenen menschlichen Gemeinschaften einzubrin-gen wissen, indem sie deren geistige, kulturelle und soziale Dimension anerkennen und so denjenigen neue Hoffnung geben, die sie verloren haben, und die soziale Integration derer begünstigen, die in Europa leben oder ihren Wohnsitz nehmen. <760> <760> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Abgeordneten der Europäischen Volkspartei des Europa-Parlaments (7. März 1997), in: „L’OsservatoreRomano deutsch“Nr. 12/1997, S. 7. 1270 ANHANG 84. Einen Beitrag, den die Kirche zum Aufbau Europas leisten soll, bildet auch die soziale Lehre der Kirche. Die in diesem Jahrhundert entwickelte Soziallehre wurde im Lehramt Johannes Pauls II. vollendet, der in Centesimus annus eine universale Lehre mit den europäischen Ereignissen von 1989 verbinden wollte. Aus diesem Weg erwächst auch die Aufgabe, die den Kirchen beim Aufbau der europäischen Einheit gestellt ist. Es geht wirklich darum, die Würde des europäischen Menschen von heute und von morgen zu festigen, zu schützen und zu fordern, wobei man sich von der kirchlichen Soziallehre leiten und ausrichten läßt, die sich schon mit den heutigen Problemen auseinandersetzt, die Europa hauptsächlich kennzeichnen. Darunter sind zusammenfassend zu nennen: das Problem und die Bedeutung der Arbeit im Zusammenhang mit der Globalisierung; das Phänomen der Wanderung als Schwierigkeit, die es zu überwinden gilt, wobei aber nicht nur die Gefahren, sondern auch die damit verbundenen Kapazitäten zu sehen sind; die Beziehungen zwischen den Staaten und den Nationen und die Art und Weise, „Politik zu betreiben“ im Hinblick auf ein allmähliches Überdenken der absoluten nationalen Souveränität; die Verantwortung gegenüber den ärmeren Ländern in der Welt mit dem ernsten Problem der internationalen Verschuldung; der Einsatz für den Frieden, der in der Wahrheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Überzeugung aufzubauen ist, dass Europa angesichts der Tragödien und Kriege, die weiterhin Völker und Nationen treffen, nicht femstehen, tatenlos, gespalten oder ständig hinterher sein darf, sondern seine tatsächliche Fähigkeit beweisen muß, allen Völkern des Kontinents und auch darüber hinaus die Bedingungen für eine freie Entwicklung und eine authentische Demokratie sicherzustellen. 85. Gemäß der Soziallehre der Kirche ist es die besondere Aufgabe der Christen, die mit den in Europa wiederauflebenden Formen von Nationalismus verbundene Problematik anzugehen. Die Problematik erwächst manchmal aus einer unverschuldeten und unannehmbaren Überbewertung und Verabsolutierung der nationalen Zugehörigkeit und der Rolle der Nation. Indem man an das in der vergangenen Synode Gesagte anknüpft und jede Überlappung von „nationaler Identität“ und „religiöser Identität“ vermeidet, ist es notwendig, ein aufnahmebereites und solidarisches Zusammenleben anzustreben, das durch ein angemessenes Verständnis der „Katholizität“ der Kirche herbeigeführt und gefördert wird. In dieser Beziehung könnte auch von der Synode ein starker Anstoß kommen, die Vorstellung von Nation neu zu überdenken mit der Überzeugung einerseits, dass die nationalen Unterschiede als Fundament der europäischen Solidarität beibehalten und gepflegt werden müssen, und andererseits, dass die nationale Identität nur durch die Öffnung zu anderen Völkern und durch die Solidarität mit ihnen verwirklicht werden kann. Daher ist es dringend notwendig, sich vom Begriff der „Familie der Nationen“ inspirieren und leiten zu lassen, der noch vor dem einfa- 1271 ANHANG chen Recht die Beziehungen zwischen den Völkern kennzeichnen muss. <761> Dabei können die Religionen und unter ihnen vor allem die katholische Kirche - weit entfernt davon, Unrechte nationalistische Tendenzen zu unterstützen, in die sie manchmal verwickelt waren - eine entscheidende Rolle spielen, ausgehend von der grundlegenden Anerkennung des göttlichen Primats und der damit verbundenen universalen Brüderlichkeit. <761> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Vollversammlung der Vereinten Nationen (5. Oktober 1995), Nr. 14, in: „L'Osservatore Romano deutsch“ Nr. 41/1995, S. 1; Ansprache an den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac (20. Januar 1996), Nr. 4, in: „L’OsservatoreRomano“, 21. Januar 1996, S. 4. In dieser Richtung geht es dämm, in angemessener Weise zwischen Nationalismus und Patriotismus zu unterscheiden; zwischen positiven und negativen nationalen Gefühlen auszuwählen; die Rechte der Minderheiten gegen die Tendenz der Einförmigkeit anzuerkennen und zu schützen; das Recht jeder Nation zu achten und zu fördern, die eigene nationale Souveränität zu bewahren; Formeln zu finden, die, indem sie die Identifizierung zwischen „Staat“ und „Nation“ überwinden, den verschiedenen Völkern erlauben, in einer einzigen Staatseinheit zu leben, weil sie die eigenen Rechte und die eigene Identität weitgehend geschützt sehen. Ein Leitbild für dieses dringend notwendige Überdenken dürfte das der „Kultur der Nation“ sein, gesehen als Ort, wo die fundamentale Souveränität der Gesellschaft zum Ausdruck kommt; dabei werden der Begriff und die Wirklichkeit der Nation in der vitalen Spannung zwischen Universalität und Partikularität, die für die menschliche Befindlichkeit charakteristisch ist, bewahrt und interpretiert; in einer unvermeidlichen, aber außerordentlich fruchtbaren Spannung, wenn sie ausgewogen gelebt wird. All das erfordert natürlich Intelligenz und Weitblick für entsprechende juridische Formulierungen, aber auch für den Erfolg, zu dem die Christen einen nicht unbedeutenden Beitrag leisten können. Partikularität und Universalität aufeinander abstimmen in einer positiven Sicht, die die Reichtümer der Singularitäten und die Notwendigkeit der gemeinsamen Synthese anerkennt, ist ein Zeichen der Hoffnung, das die Kirche von ihrem Wesen her in Europa setzen kann. Ihre Aufgabe besteht darin, die Entwicklung der nationalen, partikulären und ethnischen Gesellschaften zu begleiten und zu stärken, indem sie den Glauben an Christus in die neuen Kontexte durch den Einsatz der Gläubigen in den verschiedenen Lebensbereichen einpflanzt, aber auch dadurch, dass sie das Entstehen einer national übergeordneten Gesellschaft begünstigt, das von der Katholizität des christlichen Glaubens geprägt ist. Um wahrhaft Hoffhungsträger auf einer Bühne der nationalistischen Gegensätze zu sein - d.h. der historischen Erfahrung des Faschismus, des Nazismus und des Kommunismus mit den von ihnen verursachten Übeln und mit der schweren Erblast, die sie in den Herzen der Menschen, in der Kultur und im Zusammenleben hinterlassen haben -, ist es notwendig, der Vergebung und Versöhnung Raum zu geben. Von der Synode könnte ein machtvolles Wort und eine dringende Einladung hierzu kommen, mit der Überzeugung, dass „Vergebung und Versöhnung be- 1272 ANHANG deuten, das Gedächtnis von Haß, Groll und Rachegelüsten zu reinigen; sie bedeuten, auch den, der uns Böses angetan hat, als Bruder anzunehmen; sie bedeuten, sich nicht vom Bösen besiegen zu lassen, sondern das Böse durch das Gute zu besiegen (vgl. Röm 12,21)“. <762> 9^ Johannes Paul II., Predigt bei der heiligen Messe zur Seligsprechung von Kard. Alojzije Stepinac in Marija Bistrica [Kroatien] (3. Oktober 1998), Nr. 5, in: „L’Osservatore Romano deutsch “Nr. 47/1998, S. 10. 86. Nicht zu vergessen ist, dass der Beitrag der Kirchen zum Aufbau der Einheit eines neuen nach den Werten des Geistes geformten Europas auch durch den Lebensalltag der Kirchen verwirklicht wird. In dieser Richtung z. B. gilt es: einen tatsächlichen und fruchtbaren „Gabenaustausch“ zwischen allen Kirchen und allen kirchlichen Gemeinschaften in Europa fortzusetzen, der Voraussetzung und Beitrag für die Überwindung der Distanz zwischen Ost- und Westeuropa ist; die Präsenz und das Wirken des geweihten Lebens zu nutzen, wobei man das gemeinschaftliche Zeugnis, das von ihm ausgeht, in den Vordergrund rückt; Gelegenheiten zu Begegnung und zum Austausch auch unter den Laien zu fördern, etwa durch besondere Initiativen, die sie weitgehend miteinbeziehen; den Formen der „Volksökumene“ Raum zu geben, die schon bedeutsame Erfahrungen in den Tagungen von Basel und Graz gebracht hat. Eine Sonderrolle können und müssen in dieser Beziehung die europäischen Strukturen und Organismen der kirchlichen Gemeinschaft spielen, angefangen vom Rat der Europäischen Bischofskonferenzen. Er hat die Aufgabe, „zwischen den Diözesen und den nationalen Bischofskonferenzen eine immer intensivere Gemeinschaft aufzubauen, ferner die ökumenische Zusammenarbeit unter den Christen und die Überwindung der Hindernisse zu fördern, die die Zukunft des Friedens und des Fortschritts der Völker bedrohen; endlich auch die affektive und effektive Kollegialität und die hierarchische communio zu verstärken“. <763> Indem er sich bei seiner Tätigkeit von der communio und Solidarität inspirieren lässt, kam der Rat die Planung und Verwirklichung gemeinsamer pastoraler Strategien fordern, die von allen Kirchen Europas geteilt werden. Dank seines Bemühens „wird die Kirche versuchen müssen, der kontinentalen Gemeinschaft ein ,Mehr an Seele1 einzuflößen, um in ihr das neu lebendig zu machen, was man die ,Seele Europas1 nennen körnte“. <764> Nicht zu vergessen ist die Notwendigkeit, die Aktivität dieses Rates und die der Bischöflichen Kommission der Europäischen Gemeinschaft auszubauen und enger miteinander zu verbinden mit Rücksicht auf die notwendige Präsenz der Kirchen in den europäischen zivilen Institutionen. <765> <763> Johannes Paul II., Ansprache an den Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (16. April 1993), Nr. 5, in: „L’OsservatoreRomano deutsch“^. 17/1993, S. 8. <764> Ebd., Nr. 6. <765> Vgl. Bischofssynode, erste Sonderversammlung fiir Europa, Schlußerklärung, Nr. 6. 87. Wem dam, wie es sein soll, das neue Europa ein für die universale Solidarität offenes Europa ist, körnen und sollen die europäischen Kirchen ihren Beitrag leisten, indem sie zu einer wahren und universalen „Kultur der Solidarität“ anre- 1273 ANHANG gen, der Mission „ad gentes“ neuen Antrieb und Schwung geben, den eigenen Horizont erweitern und auch mit den Kirchen der anderen Erdteile Kontakt aufnehmen und Vereinbarungen treffen. „Es geht darum, die starke Solidarität hervorzuheben, die zwischen Europa und den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas besteht. Der europäische Kontinent und die auf ihm wirkenden Kirchen besitzen hier Verdienste, haben aber auch Pflichten zu erfüllen. In diesem Bewusstsein zu wachsen und in der solidarischen Überzeugung zu reifen, dass die einen für die anderen verantwortlich sind, vor allem für die Ärmsten und weniger vom Glück Begünstigten“, wird ein ständiges Anliegen der Christen und der Kirchen sein, wenn sie das „Evangelium der Hoffnung“ durch das Zeugnis der Liebe und den Dienst am Nächsten verbreiten wollen. <766> Das ständige Bestreben der Christen und der Kirchen, das Zeugnis der Liebe zu leben, wird ein weiterer Beitrag zur Verbreitung des „Evangeliums der Hoffnung“ sein. Johannes Paul II., Ansprache an den Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (16. April 1993), Nr. 8, in: „L’OsservatoreRomano deutsch“Nr. 17/1993, S. 8. Schluss Das Gedächtnis der Märtyrer 88. Höchste Inkarnation des „Evangeliums der Hoffnung“ ist das Martyrium. Tatsächlich verkünden die Märtyrer dieses Evangelium und legen dafür Zeugnis ab durch die Hingabe ihres Lebens bis zum Blutvergießen, denn sie sind sicher, dass sie ohne Christus nicht leben können, und bereit, für ihn zu sterben in der Überzeugung, dass Jesus der Herr und der Erlöser des Menschen ist und dass also der Mensch nur in ihm die wahre Fülle des Lebens findet. Auf diese Weise sind sie bereit, der Mahnung des Apostels Petras entsprechend, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die sie erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15). Die Märtyrer bezeugen das „Evangelium der Hoffnung“ auch, weil die Hingabe ihres Lebens die äußerste und größte Manifestation jenes lebendigen und heiligen Opfers darstellt, das Gott gefällt und das der wahre und angemessene Gottesdienst ist (vgl. Röm 12,1), Ursprung, Seele und Höhepunkt jedes christlichen Gottesdienstes. Sie verbreiten das „Evangelium der Hoffnung“, indem sie durch ihr Martyrium in höchstem Grad die Liebe und den Dienst am Menschen ausdrücken, insofern sie zeigen, dass der Gehorsam gegenüber dem Gesetz des Evangeliums ein moralisches Leben und ein soziales Zusammenleben bewirkt, das die Würde und die Freiheit jeder Person hochschätzt und fördert. Von diesen Gewissheiten angeregt, weiß die Synode, dass sie dem Europa von heute ein „großes Zeichen der Hoffnung“ anbieten kann, wenn sie das Gedächtnis der „großen Erfahrung des Martyriums“ ehrt, „in welcher Orthodoxe und Katholiken in den Ländern Osteuropas in diesem unserem Jahrhundert verbunden wur- 1274 ANHANG den“. <767> Diese besondere Ernte von Märtyrern des 20. Jahrhunderts, vielleicht die größte seit den ersten Jahrhunderten des Christentums, <768> erstrahlt als Zeichen der Hoffnung, weil es für heute und für morgen die Lebenskraft der Kirche deutlich macht, die aus der Ernte des Evangeliums erwächst, denn - wie Tertullian sagte -„das Blut der Märtyrer ist der Samen für neue Christen“. <769> „Die wirklichen Märtyrer des 20. Jahrhunderts ... sind Licht für die Kirche und die Menschheit: ,Die Christen Europas und der Welt, die an der Schwelle der ehemaligen Konzentrationslager und Gefängnisse im Gebet ihr Haupt senken, müssen ihnen für jenes Licht dankbar sein; es war das Licht Christi, das sie in der Finsternis zum Leuchten gebracht haben1 {Apostolisches Schreiben zur Vierhundertjahrfeier der Union von Brest, 12. November 1995, Nr. 4)“. <770> Gerade weil sie verschiedenen christlichen Konfessionen angehörten, erstrahlen diese neuen Märtyrer auch als Zeichen der Hoffnung für den ökumenischen Weg mit der Gewissheit, dass ihr Blut auch Lebenssaft für die Einheit der Kirche ist. „Wenn am Ende des zweiten Jahrtausends ,die Kirche erneut zur Märtyrerkirche geworden <771> ist {Tertio millennio adve-niente, Nr. 37), dürfen wir hoffen, daß ihr Zeugnis - mit Sorgfalt in den neuen Martyrologien gesammelt - und vor allem ihre Fürsprache den Zeitraum bis zur vollen Gemeinschaft zwischen Christen aller Konfessionen ... verkürzen mögen“. <772> <767> Johannes Paul II., Ansprache beim Angelus (25. August 1996), Nr. 2, in: „L’Osservatore Romano“, 26727. August 1996, S. 1. <768> Ygj Johannes Paul II., Ansprache an die Vorsitzenden der Europäischen Bischofskonferenzen (1. Dezember 1992), Nr. 2, in: „L’Osservatore Romano deutsch “Nr. 50/1992, S. 7. 1^3 Tertullian, Apologeticum, 50, 13 :CCL I, 171. <770> Johannes Paul II., Ansprache beim Angelus (25. August 1996), 2, in: „L ’Osservatore Romano 26./27. August 1996, S. 1. <771> Ebd. 1^3 Tertullian, Apologeticum, 50, 13 :CCL I, 171. Die Gegenwart Marias, Mutter der Hoffnung 89. Aber es gibt ein anderes „Zeichen der Hoffnung“, das die Kirchen Europa anbieten können. Es ist die Gegenwart Marias, der Mutter der Hoffnung, eine lebendige und wahre Gegenwart, an die die christlichen Völker Europas immer geglaubt haben, wie es die zahlreichen Marienheiligtümer bezeugen, die als deutliches Zeichen der innigen Verehrung ihr gegenüber in allen Nationen und in allen Ländern über ganz Europa verstreut sind. Die heiligste Jungfrau, die „Frau der Hoffnung, die wie Abraham den Willen Gottes anzunehmen wußte ,voll Hoffnung gegen alle Hoffnung1 (Rom 4,18)“, <773> hat sich mehrmals als Mutter gezeigt, fähig, in schwierigen Augenblicken der Geschichte Europas Hoffnung zu geben. Sie hat durch ihren ständigen Schutz ungeheure Schäden und Zerstörungen vermieden, den Fortschritt und die modernen sozialen Errungenschaften begünstigt und die Wiedergeburt von Völkern unterstützt, <773> Johannes Paul II., Apost. Schreiben Tertio millennio adveniente (10. XI. 1994), Nr. 48: AAS 87(1995)35. 1275 ANHANG die lange Zeit unterdrückt und gedemütigt waren. <774> Heute wie gestern ist sie unterwegs mit den Menschen jeden Alters und jeden Standes, mit den Völkern, die auf Solidarität und Liebe zielen, mit den Jugendlichen, den Baumeistern der kommenden Tage des Friedens, mit allen in West- und Osteuropa, die ihre wahre Identität suchen, mit denen, die noch von so vielen gewalttätigen Konflikten bedroht sind. <774> Vgl. Johannes Paul II., Weihegebet an die Gottesmutter Maria in Fatima [Portugal] (13. Mai 1991), Nr. 2, in: „L’Osservatore Romano“, 13./14. Mai 1991, S. 1. Um Europa neue Hoffnung zu geben, müssen die Kirchen auf Maria schauen und sie anrufen, damit sie sich weiterhin als Mutter der Hoffnung zeigt und ganz Europa auf dem Weg des Erbarmens zur erneuernden Begegnung mit „Jesus Christus, unsere Hoffnung“ (7 Tim 1,1) führt. Denn Maria lehrt uns, für die Eingebungen Gottes offen zu sein, das Wort Gottes aufzunehmen und zu befolgen. Wie sie am Pflngstmorgen mit ihrem Gebet unter dem Wirken des Heiligen Geistes den Beginn der Evangelisierung einleitete, so ist Maria auch heute, am Vorabend des dritten Jahrtausends, der „Leitstern der Evangelisierung“ und schützt und stützt die Kirche weiterhin bei ihrer Aufgabe, das „Evangelium der Hoffnung“ durch die Verkündigung, den Gottesdienst und den Dienst am Nächsten zu verbreiten. <775> <775> Vgl. Paul VI., Apost. Schreiben Evangelii nuntiandi (8.12.1975), Nr. 82: AAS 68(1976)75-76; Bischofssynode, erste Sonderversammlung für Europa, Schlußerklärung, Abschluß. Von der Synode zum Jubiläum 90. Begleitet und beschützt von dieser Schar von Märtyrern und der mütterlichen Gegenwart Marias sicher, bereiten sich die europäischen Kirchen auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vor. Die Synode - die letzte der Synoden mit kontinentalem Charakter, die in diesen Jahren der Vorbereitung abgehalten wurden - stellt die offene Tür zum Jubiläum dar. Gerade weil sie als letzte in der Reihe der anderen Sonderversammlungen der Bischofssynode stattfmdet - die über die Sendung der Kirche heute in Afrika, in Amerika, in Asien und in Ozeanien beraten haben, wobei sie geschichtliche, kulturelle und religiöse Besonderheiten der einzelnen Erdteile herausstellten kann sie eine günstige Gelegenheit sein, um an das Band zu erinnern, das Europa mit den anderen Erdteilen aufgrund des Evangeliums und seiner Verkündigung verbindet, aber auch um die Ursprünglichkeit der europäischen Erfahrung und seiner Kulturen wiederzufinden, die trotz der verschiedenen Strömungen, die sie bilden halfen, gemeinsam ist, und um die Verpflichtungen zu übernehmen, die Europa und seine Kirchen der Welt gegenüber haben. Die Synode wird auch eine günstige Gelegenheit sein, um im Sinn eines Gabenaustausches das aufzunehmen, was die anderen Kirchen den europäischen Kirchen zu sagen haben, so dass sie zusammen im Zeichen der universalen Gemeinschaft in der Erkenntnis, der Begegnung und der Verkündigung Christi zum Wohl der Menschheit wachsen. 1276 ANHANG 91. Gerade weil sie unmittelbar vor Beginn des Jubiläums stattfmdet, kann und soll die Synode in enger Verbindung mit diesem außerordentlichen Ereignis der universalen Kirche gesehen werden. In diesem Sinne wirft das Jubiläum durch seine Inhalte und vielfältigen Schattierungen ein wohltuendes Licht der Interpretation auf die Synode und ihre Arbeiten, und die Synode ihrerseits bietet den europäischen Kirchen anspruchsvolle Aufgaben und konkrete Weisungen an, damit sie das Geschenk des Heiligen Jahres voll leben können. Jubiläum und Synode verweisen also aufeinander, und das, was das Jubiläum in Erinnerung ruft, ist für die Arbeiten der Synode Antrieb und noch deutlicher Bild des heutigen Europas und seines Anspruchs auf Erneuerung. Das Jubeljahr war von Anfang an (vgl. Lev 25) eine Zeit, die in besonderer Weise Gott gewidmet war, eine Gelegenheit, um das wahre Antlitz Gottes wiederzufinden und wiederzuerkennen und um zu ihm zurückzukehren. <776> So bot sich dem ganzen Volk die Möglichkeit eines neuen Lebens in Gerechtigkeit. Das ist auch die Aufgabe, die dem heutigen Europa gestellt ist: Es muss zu Gott zurückfmden und die festen Fundamente seines Hauses auf ihn stützen. Nur so wird es neue Hoffnung schöpfen und eine neue Zeit der Freiheit, der Einheit und des Friedens anbrechen sehen. Während die Kirche auf der Synode den Glauben an den Herrn Jesus, Gottes vollkommene Offenbarung, bekennt und vorstellt, leistet sie ihren unersetzlichen Beitrag zum Beginn einer neuen Ära für Europa. <776> Vgl. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Tertio millennio adveniente (10.11.1994), Nr. 12: AAS 87(1995)12-13. Das Erkennen des wahren Antlitzes Gottes war mit der Verpflichtung zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit verbunden. <777> Denn wer erkennt, dass der uns von Jesus offenbarte biblische Gott ein Gott ist, der auf der Seite derer ist, die Gerechtigkeit suchen und in Not sind, ein Gott, der aus Ägypten herausführt und Herrscher der Welt ist, der muss sich darum bemühen, Gerechtigkeit walten zu lassen. Das ist eine Aufgabe, die Europa heute gestellt wird, denn es soll innerhalb seiner Grenzen ein Zusammenleben verwirklichen, das Schranken, Konflikte und Teilungen überwindet und Einheit, Aufhahmebereitschaft, Solidarität und Frieden wachsen läßt, und durch konkrete, verantwortliche Entscheidungen auf den Schrei des Leidens antworten, der von so vielen Menschen kommt, die in der Welt in Ungerechtigkeit, im Krieg und im Elend leben. Auf der Synode macht sich die Kirche zur Bahnbrecherin eines so gestalteten Europas, indem sie Wege zeigt, die durch das Zeugnis der Liebe und der wachsenden Solidarität das „Evangelium der Hoffnung“ verbreiten. <777> Vgl. ebd., 13.51. Das ausgehende zweite Jahrtausend ruft alle zur Gewissensprüfung auf, und die Kirche - will sie in das Jubiläum eintreten und es leben - kann die Schwelle des neuen Jahrtausends nicht überschreiten, ohne ihre Kinder anzuleiten, sich durch Reue von Irrungen, Treulosigkeiten, Inkonsequenzen und Verspätungen zu reini- 1277 ANHANG gen. <778> Wie die geschichtlichen Ereignisse dieses Jahrhunderts und der früheren Jahrhunderte von Europa den Mut und Weitblick einer ernsthaften Gewissensprü-fung in Anerkennung von Schuld und Irrtümem erfordern, die im Laufe der Geschichte auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet gegenüber Nationen begangenen wurden, <779> so verlangt das geistige, kulturelle und soziale Klima von den heutigen Europäern, nach den tiefen Ursachen zu forschen und zu bekennen, dass sie die Inspiration und die Wurzeln oft außer Acht ließen, die den Weg Europas gestützt und gefordert haben. Die Kirche will auf der Synode diese Gewissensprüfung begünstigen und anregen, weil sie in der ethisch-anthropologischen Frage und in der Glaubensfrage die deutlichen Ursachen einer Situation und eines Lebensstils erkannt hat, die einer wegweisenden und sinngebenden Inspiration bedürfen. <778> Vgl. ebd., 33. <779> Vgl. ebd., 27. Das Jubiläum „soll ein großes Lob- und Dankgebet vor allem für das Geschenk der Menschwerdung des Gottessohnes und der von ihm vollbrachten Erlösung sein“ <780> sowie für die lebendige und heilbringende Gegenwart Christi in der Kirche und in der Welt. Indem die Gegenwart des Auferstandenen anerkannt und gefeiert wird, wird es auch ein intensiv eucharistisches Jahr sein. <781> Europa ist aufgerufen, für seine 2000-jährige Geschichte zu danken, die von der Begegnung mit dem Evangelium geprägt und beseelt wird, und für die Zeit voll Verantwortung und Gnade, die ihm heute zu leben gegeben ist. Indem sie eine neue Begegnung mit Christus begünstigt und anregt, hilft die Kirche auf der Synode mit dieser Wegweisung ihren Gliedern und allen Europäern, die Freude wiederzufinden und zu erneuern, die sich dem bietet, der verantwortlich durch die Straßen der Welt geht und andere mit dieser Freude ansteckt und sie miteinbezieht, wie es den Jüngern von Emmaus ergangen ist, nachdem sie Ihn beim Brotbrechen erkannt hatten (vgl. Lk 24,30-31). Dank dessen und durch das, was die Synode in das Leben der Kirchen und ganz Europas säen wird, wird die Hoffnung neu erblühen, und die europäischen Menschen werden voller Eifer ein neues Europa aufbauen, und ihre Herzen werden voll Freude sein. <780> Ebd., 32. <781> Vgl. ebd., 55. Es geht darum, weitblickende Augen zu haben, um die Zeichen dieser Hoffnung zu erkennen, die schon da sind und die es zu erkennen und zu nutzen gilt. Dann wird das Jubiläum auch für Europa eine Einladung zum Fest und eine Quelle der Freude sein. 1278 ANHANG Die Organe der Römischen Kurie Stand: 20. August Johannes Paul II., Bischof von Rom, Statthalter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten, Oberhaupt der Gesamtkirche, Patriarch des Abendlandes, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Kirchenprovinz Rom, Souverän des Staates der Vatikanstadt, Diener der Diener Gottes, Karol Wojtyla Staatssekretariat - Kardinalstaatssekretär: Kardinal Angelo Sodano Erste Sektion: Allgemeine Angelegenheiten: - Substitut: Erzbischof Giovanni Battista Re - Assessor: Msgr. Pedro Lopez Quintana - Vize-Assessor: N.N. Zweite Sektion: Beziehungen mit den Staaten: - Sekretär: Erzbischof Jean-Louis Tauran - Untersekretär: Msgr. Celestino Migliore Angegliedert ist das Zentralamt für kirchliche Statistik: - Leiter: Msgr. Vittorio Formend Kongregationen Kongregation für die Glaubenslehre: - Präfekt: Kardinal Joseph Ratzinger - Sekretär: Erzbischof Tarcisio Bertone - Untersekretär: P. Gianfranco Girotti OFMConv Kongregation für die Orientalischen Kirchen: - Präfekt: Kardinal Achille Silvestrini - Sekretär: Erzbischof Miroslav Stefan Marusyn - Untersekretär: Msgr. Claudio Gugerotti Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung: - Präfekt: Kardinal Jorge Arturo Medina Estevez - Sekretär: Erzbischof Francesco Pio Tamburrino OSB - Untersekretäre: Msgr. Vincenzo Ferrara Msgr. Mario Marini Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse: - Präfekt: Erzbischof Jose Saraiva Martins CMF - Sekretär: Erzbischof Edward Nowak - Untersekretär: Msgr. Michele Di Ruberto 1279 ANHANG Kongregation für die Bischöfe: - Präfekt: Kardinal Lucas Moreira Neves OP - Sekretär: Erzbischof Francesco Monterisi - Untersekretär Msgr. Giovanni Maria Rossi Der Kongregation für die Bischöfe angeschlossen ist die Päpstliche Kommission für Lateinamerika: - Präsident: Kardinal Lucas Moreira Neves OP - Vizepräsident: Bischof Cipriano Calderön Polo Kongregation für die Evangelisierung der Völker: - Präfekt: Kardinal JozefTomko - Sekretär: Erzbischof Marcello Zago OMI - Beigeordneter Sekretär Erzbischof Charles A. Schleck CSC - Untersekretär: Msgr. Luigi Ghidoni Kongregation für den Klerus: - Präfekt: Kardinal Dario Castrillön Hoyos - Sekretär: Erzbischof Csaba Temyäk - Untersekretär: Msgr. Antonio Silvestrelli Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens: - Präfekt: Kardinal Eduardo Martinez Somalo - Sekretär: Erzbischof Piergiorgio Silvano Nesti CP - Untersekretäre: P. Jesus Torres Llorente CMF Msgr. Juan Jose Dorronsoro Allo Kongregation für das Katholische Bildungswesen (für die Seminare und Studieneinrichtungen): - Präfekt: Kardinal Pio Laghi - Sekretär: Erzbischof Giuseppe Pittau SJ - Untersekretär: Msgr. Giuseppe Baldanza Gerichtshöfe Apostolische Pönitentiarie: - Großpönitentiar: Kardinal William Wakefield Baum Oberster Gerichtshof der Apostolischen Signatur: - Präfekt: Erzbischof Zenon Grocholewski Gericht der Römischen Rota: - Dekan: Erzbischof Mario Francesco Pompedda 1280 ANHANG Päpstliche Räte: Päpstlicher Rat für die Laien: - Präsident: Kardinal James Francis Stafford - Sekretär: Bischof Stanislaw Rylko - Untersekretär: Prof. Guzmän Carriquiry Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen: - Präsident: Kardinal Edward Idris Cassidy - Sekretär: Bischof Walter Kasper - Untersekretär: Msgr. Eleuterio Francesco Fortino Päpstlicher Rat für die Familie: - Präsident: Kardinal Alfonso Lopez Trujillo - Sekretär: Bischof Francisco Gil Hellln - Untersekretär: Msgr. Francesco Di Felice Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden: - Präsident: Erzbischof Francois Xavier Nguyen Van Thuän - Sekretär: Msgr. Diarmuid Martin - Untersekretär: Msgr. Giampaolo Crepaldi Päpstlicher Rat „ Cor Unum “ - Präsident: Erzbischof Paul Josef Cordes - Sekretär: Msgr. Karel Kasteei - Untersekretär: Rev. Francisco Azcona San Martin Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs: - Präsident: Erzbischof Stephen Fumio Hamao - Sekretär: Erzbischof Francesco Gioia OFMCap - Untersekretär: Msgr. Giuseppe De Andrea Päpstlicher Rat für die Pastoral im Krankendienst: - Präsident: Erzbischof Javier Lozano Barragän - Sekretär: P. Jose Luis Redrado Marchite OH - Untersekretär: P. Felice Ruffini MI Päpstlicher Rat für die Interpretation von Gesetzestexten: - Präsident: Erzbischof Julian Herranz - Sekretär: Bischof Bruno Bertagna - Beigeordneter Sekretär: Bischof Umberto Tramma - Untersekretär: P. Marino Maccarelli OSM Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog: - Präsident: Kardinal Francis Arinze - Sekretär: Bischof Michael Louis Fitzgerald MAfr - Untersekretär: Rev. John Bosco Masayuki Shirieda SDB 1281 ANHANG Päpstlicher Rat für die Kultur: - Präsident: Kardinal Paul Poupard - Sekretär: P. Bemard Ardura OPraem - Untersekretär: P. Fabio Duque Jaramillo OFM Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel: - Präsident: Erzbischof John Patrick Foley - Sekretär: Bischof Pierfranco Pastore - Untersekretär: N.N. Päpstliche Kommissionen: Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche: - Präsident: Erzbischof Francesco Marchisano - Sekretär: Rev. Cario Chenis SDB - Untersekretär: Rev. Lino Piano SSC Päpstliche Kommission für sakrale Archäologie: - Präsident: Erzbischof Francesco Marcisano - Sekretär: Prof. Frabrizio Bisconti Päpstliche Bibelkommission: - Präsident: Kardinal Joseph Ratzinger - Sekretär: P. Albert Vanhoye SJ - Technischer Sekretär: P. Marino Maccarelli OSM Päpstliche Kommission „Ecclesia Dei “ - Präsident: Kardinal Angelo Felici - Aktuar: Msgr. Camille Perl Besondere Einrichtungen: Apostolische Kammer: - Camerlengo der Hl. Römischen Kirche: Kardinal Eduardo Martinez Somalo - Vize-Camerlengo: Erzbischof Ettore Cunial Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls: - Präsident: Erzbischof Agostino Cacciavillan - Sekretär: Erzbischof Claudio Maria Celli Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheitendes Hl. Stuhls: - Präsident: Kardinal Sergio Sebastiani - Sekretär: Msgr. Franco Croci Präfektur des Päpstlichen Hauses: - Präfekt: Bischof James Michael Harvey - Beigeordneter Präfekt: Bischof Stanislaw Dziwisz 1282 ANHANG Amt für die liturgischen Feiern des Papstes: - Zeremonienmeister: Bischof Piero Marini Schweizer gar de: - Kommandant: Oberst Pius Segmüller - Kaplan: Alois Jehle Vatikanisches Geheimarchiv: - Archivar der Hl. Römischen Kirche: Erzbischof Jorge Maria Mejia - Präfekt: P. Sergio Pagano B - Vizepräfekt: P. Ugo Paoli OSB Vatikanische Apostolische Bibliothek: - Bibliothekar der Hl. Römischen Kirche: Erzbischof Jorge Maria Mejia - Präfekt: Rev. Raffaele Farina SDB - Vizepräfekt: Dr. Ambrogio M. Piazzoni Vatikanische Museen: - Reggente: Dr. Francesco Buranelli Päpstliche Akademie der Wissenschaften: - Präsident: Prof. Nicola Cabibbo Institut für kirchliche Einrichtungen (IOR): - Generaldirektor: Lelio Scaletti Dombauhütte von St. Peter: - Präsident: Kardinal Virgilio Noe - Delegat: N.N. Päpstlicher Wohltätigkeitsdienst: Erzbischof Oscar Rizzato Prof. Mario Agnes Dr. Carlo De Lucia in Deutsch: Dr. Hans-Joachim Kracht in Englisch: Msgr. Robert Dempsey in Französisch: Dr. Jean-Michel Coulet in Portugiesisch: Msgr. Antonio Expedito de Barros Marcondes in Spanisch: P. Arturo Gutierrez Gomez LC in Polnisch: P. Czeslaw Drazek SJ - Almosenpfleger: Osservatore Romano: - Direktor: - Sekretär der Redaktion: - Wochenausgaben: eine monatl. Ausgabe 1283 ANHANG Vatikanische Druckerei: - Generaldirektor: - Verwaltungsdirektor: - Technischer Direktor: Rev. Elio Torrigiani SDB Giacomo Bonassoli SDB Giuseppe Canesso SDB - Kaufmann. Direktor: Antonio Maggiotto SDB Vatikanische Verlagsbuchhandlung: - Direktor: Rev. Nicolö Suffi SDB Radio Vatikan: - Präsident: - Generaldirektor: - Leiterder P. Roberto Tucci SJ P. Pasquale Borgomeo SJ deutschen Sektion: P. Eberhard von Genimingen SJ Vatikanisches Fernsehzentrum: - Generaldirektor: Rev. Ugo Moretto - Präsident des Verwaltungsrats: Dr. Emilio Rossi Presseamt des Hl. Stuhls: - Direktor: - Vizedirektor: Dr. JoaquinNavarro-Valls P. Ciro Benedettini CP 1284 ANHANG Fünf Jahre nach der Konferenz von Kairo Sondertagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Vorrang des Rechts auf Leben und der Würde der menschlichen Person und Familie am 2. Juli Erklärung von Erzbischof Renato R. Martino, Leiter der Delegation des Hl. Stuhls, bei der Abschlusskonferenz der 21. Sondertagung der Generalversammlung zur allgemeinen Überprüfung und Beurteilung der Durchführung des Aktionsprogramms der Internationalen Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung in New York am 2. Juli 1999 Herr Präsident! Der Hl. Stuhl begrüßt die Fortschritte, die in den letzten Monaten bei den Vorbereitungsarbeiten für die Sondertagung der Generalversammlung zur allgemeinen Überprüfung und Beurteilung des Aktionsprogramms der Internationalen Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung erzielt worden sind. Dennoch ist meine Delegation der Ansicht, dass einige ihrer Erwartungen nicht erfüllt worden sind. Zweifellos teilen zahlreiche Delegationen ähnliche Ansichten. Die Delegation des Hl. Stuhls hat auf konstruktive Art und mit gutem Willen gearbeitet. Jedoch möchte meine Abordnung mit ernsthafter Sorge auf verschiedene Aspekte dieses Überprüfungsprozesses, während der Vorbereitungsarbeiten für die Sondertagung wie auch während der Tagung selbst, hinweisen. Von Anfang an hat meine Delegation wiederholt ihre Zustimmung zu den in Resolution 53/183 der Generalversammlung festgesetzten Richtlinien betont, insbesondere, dass „die Sondertagung auf der Grundlage und in voller Achtung des Aktionsprogramms abgehalten wird und die in ihm enthaltenen bereits bestehenden Abkommen nicht Gegenstand neuer Verhandlungen sein werden“. Meiner Delegation ist nicht entgangen, dass zahlreiche andere Abordnungen diese Richtlinien nicht befolgt haben. Diese offenkundige Missachtung der Resolution der Generalversammlung hat nicht nur den gesamten Überprüfungsprozess negativ beeinflusst, sondern muss auch als gefährlicher Präzedenzfall für die Arbeit der Vereinten Nationen gewertet werden. Bekanntlich konnte der Hl. Stuhl nur mit schweren Vorbehalten dem Aktionsprogramm der Kairoer Konferenz zustimmen. Der Hl. Stuhl hält auch weiterhin an diesen Vorbehalten fest. Trotz der positiven Aspekte des vorgelegten Textes mit dem Titel Key actions for thefurther Implementation of the Programme of Action of the International Conference on Population and Development können zahlreiche weiterreichende Verflechtungen nicht ignoriert werden. Der Text weicht von den sorgfältig gewählten Formulierungen des Aktionsprogramms ab, in dem sich das Bedürfnis der Jugendlichen nach „privacy“ und Vertraulichkeit mit den - in,Artikel 26 der Allgemeinen , Erklärung der Menschenrechte enthaltenen - Rechten, Pflichten und Verantwortungen der Eltern die Waage halten. Einige Hinweise könnten als Billigung außer- 1285 ANHANG ehelicher sexueller Beziehungen, insbesondere unter Jugendlichen, verstanden werden. Ferner scheint er zu vertreten, dass Abtreibung nicht nur eine Dimension der Bevölkerungspolitik, sondern auch ein mögliches Verfahren primärer Gesundheitspflege sei. Zusammen mit unzähligen Menschen in aller Welt bekräftigt der Hl. Stuhl, dass menschliches Leben im Augenblick der Empfängnis beginnt und dass es verteidigt und geschützt werden muss. Nie wird der Hl. Stuhl Abtreibung oder eine sie fordernde Politik dulden können. Nichts, was der Hl. Stuhl in diesem Prozess unternommen hat, sollte als Billigung von Konzepten verstanden oder interpretiert werden, die er aus moralischen Gründen nicht vertreten kann. Vor allem sollte nichts als Andeutung einer Zustimmung zur Abtreibung durch den Hl. Stuhl oder als Änderung seines moralischen Standpunkts im Hinblick auf Abtreibung, Empfängnisverhütung oder Sterilisation gewertet werden. Der Hl. Stuhl hat somit die Absicht, diese Übereinstimmung der Sondertagung zu begrüßen und entsprechend seine Interpretationserklärung abzugeben. Ich beantrage, dass der Text dieser Erklärung, welche die folgende offizielle Haltung des Hl. Stuhls einschließt, im Bericht der 21. Sondertagung der Generalversammlung erfasst wird. Offizielle Stellungnahme des Hl. Stuhls zu den wesentlichen Initiativen für die weitere Durchführung des Aktionsprogramms der Internationalen Konferen für Bevölkerung und Entwicklung vom 2. Juli 1999 Seinem Wesen und besonderem Auftrag entsprechend, möchte der Hl. Stuhl durch seine Zustimmung zur Annahme des Abschlussdokuments der Sondertagung der Generalversammlung für die allgemeine Überprüfung und Beurteilung der Durchführung des Aktionsprogramms der Internationalen Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung seine Anerkennung des Dokuments mit dem Titel Key Action for the Further Implementation of the Programme of Action of the International Conference on Population and Development zum Ausdruck bringen. 1. Der Hl. Stuhl sieht die Begriffe „sexuelle Gesundheit“, „reproduktive Gesundheit“ und „sexuelle und reproduktive Gesundheit“ im Zusammenhang mit einem holistischen Gesundheitskonzept, das die menschliche Person in der Ganzheit ihrer oder seiner Persönlichkeit, in Geist und Körper, umfasst, und die Erlangung personaler Reife im Bereich der Sexualität wie in jener gegenseitigen Liebe und jenen gemeinsamen Entscheidungen fördert, die die eheliche Beziehung den sittlichen Normen entsprechend kennzeichnen. Der Hl. Stuhl betrachtet weder Abtreibung noch den Zugang zu Abtreibung als eine Dimension dieser Begriffe. 2. Hinsichtlich der Begriffe „Empfängnisverhütung“, „Familienplanung“, „reproduktive Rechte“, „female-controlled methods“ (von Frauen gesteuerte Methoden), „das größtmögliche Angebot von Methoden und Einrichtungen zur Familienpla- 1286 ANHANG nung“, „neue Optionen“ und „wenig genutzte Methoden“ wie jeder andere im Zusammenhang mit Familienplanung und Fruchtbarkeitsregelung gebrauchte Ausdruck sollte die Begrüßung der Übereinstimmung durch den Hl. Stuhl keinesfalls als Änderung seiner wohlbekannten Einstellung bezüglich jener Familienplanungsmethoden interpretiert werden, die die katholische Kirche als moralisch unvertretbar erachtet, oder gegenüber Familienplanungseinrichtungen, die die Freiheit der Eheleute, die menschliche Würde und die Rechte der Beteiligten missachten. 3. Bezüglich aller internationaler Abkommen, vor allem über in diesem Dokument erwähnte bereits bestehende Vereinbarungen, behält sich der Hl. Stuhl vor, seine Position von ihrer Anerkennung oder Nichtanerkennung abhängig zu machen. 4. Hinsichtlich des Begriffs „Paare und Individuen“ nimmt der Hl. Stuhl an, dass damit Ehepaare und der Mann und die Frau gemeint sind, die das Paar bilden. Das Dokument, insbesondere im Gebrauch dieses Begriffs, ist nach wie vor von einer individualistischen Auffassung der Sexualität gekennzeichnet, die der gegenseitigen Liebe und dem gemeinsamen Entscheiden, die die eheliche Beziehung auszeichnen, nicht genügend Beachtung schenkt. 5. Der Hl. Stuhl interpretiert Hinweise auf „Familie“ oder „Familien“ im Licht von Prinzip 9 des Aktionsprogramms, das heißt als Ausdruck der Verpflichtung, die Familie, die Grundzelle der Gesellschaft, zu festigen, und hinsichtlich der Ehe, als eine gleichwertige Partnerschaft zwischen Mann und Frau, nämlich Ehemann und Ehefrau. 6. Im Hinblick auf den Begriff „gender“ behält sich der Hl. Stuhl seine Stellung vor in der Annahme, dass er auf der biologischen sexuellen Identität gründet, das sind die beiden Geschlechter männlich und weiblich. 7. Der Hl. Stuhl bekräftigt, dass die Erziehung, junger Menschen“, von „Kindern“, „Jugendlichen“, , jungen Männern“ und Jungen Frauen“, einschließlich der Erziehung im Bereich sexueller und reproduktiver Gesundheit, nach Artikel 26, Paragraph 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vor allem und im Wesentlichen das Recht, die Pflicht und die Verantwortung der Eltern ist: „Eltern haben das vorrangige Recht, die Erziehungsform ihrer Kinder frei zu wählen.“ 8. Hinsichtlich des Zugangs Junger Menschen“, einschließlich „Jugendlicher“, Junger Männer“ und Junger Frauen“ zu Beratungsstellen für Familienplanung und reproduktive Gesundheit sind nach Auffassung des Hl. Stuhls Ehepaare und der einzelne Mann und die einzelne Frau gemeint, die diese Paare ausmachen. Hier möchte der Hl. Stuhl den besonderen Aspekt der gegenseitigen Liebe und des gemeinsamen Entscheidens betonen, der die eheliche Beziehung kennzeichnet. 9. Insbesondere im Hinblick auf Paragraph 73a interpretiert der Hl. Stuhl „das Recht der Jugendlichen auf ,privacy‘ und Vertraulichkeit und informationsbedingte Zustimmung“ im Kontext von Problemfeldem, unter anderem sexueller 1287 ANHANG Missbrauch, Gewalttätigkeit oder Inzest. Damit Eltern ihre Rechte, Pflichten und Verantwortungen zur Lenkung ihrer Kinder wahmehmen können, dürfen ihre vorrangigen menschlichen Rechte im Hinblick auf die Wahl der Erziehung ihrer Kinder nicht aufgehoben werden, und sowohl die Regierungen wie auch die zivilen Gesellschaften müssen sich alle Mühe geben, Eltern bei der Erfüllung dieser wesentlichen Rolle zu unterstützen. Ferner interpretiert der Hl. Stuhl in dieser Hinsicht „die Achtung ihrer kulturellen Werte und religiösen Überzeugungen“ im Bezug auf die kulturellen Werte und den religiösen Glauben ihrer Eltern, das heißt bis zur Volljährigkeit des Jugendlichen. Der Hl. Stuhl beantragt, diese Interpretation in Paragraph 73b zu vermerken. 10. Bezüglich Paragraph 63 bekräftigt der Hl. Stuhl, dass das menschliche Leben im Augenblick der Empfängnis beginnt und dass das Leben verteidigt und geschützt werden muss. Nie wird der Hl. Stuhl Abtreibung oder eine sie befürwortende Politik billigen können. Ferner bekräftigt der Hl. Stuhl das unter anderem in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gewährleistete Recht auf Gewissensentscheidung des im Gesundheitsdienst tätigen Personals. Der Hl. Stuhl beantragt, dass diese Interpretation in Paragraph 63 vermerkt wird. Der Hl. Stuhl beantragt, dass diese Interpretationserklärung wortgetreu im Abschlussdokument der 21. Sondertagung der Generalversammlung wiedergegeben wird. Grundsteinlegung für die neue Apostolische Nuntiatur in Berlin Schreiben von Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano an den Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Giovanni Lajolo, vom 10. September Hochwürdigster Herr Nuntius! Am 30. September wird während eines feierlichen Aktes in der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland der Grundstein für den neuen Sitz der Apostolischen Nuntiatur gelegt. Der Heilige Vater hat mit Freude von diesem Ereignis Kenntnis erlangt und sendet herzliche Grüße und Segenswünsche vom Tiber an die Spree. Mit Berlin verbinden ihn selbst tiefe persönliche Erinnerungen. Unvergesslich hat sich ihm der Gang durch das Brandenburger Tor eingeprägt, mit dem er seinen dritten Pastoralbesuch in Deutschland 1996 beschloss. Was durch die sanfte Revolution vor fast genau zehn Jahren politisch Wirklichkeit wurde, ist die Grundlage dafür, dass sich heute der Apostolische Nuntius anschickt, von Bonn nach Berlin umzuziehen. Berlin, einst Symbol der Trennung, ist mittlerweile zu einem Zeichen der Einheit Deutschlands geworden. Diese Einheit ist nicht nur Gabe, sondern auch Aufgabe. Denn trotz der „Wende“ sind bis in unsere Tage längst noch nicht alle 1288 ANHANG inneren geistigen Mauern gefallen, die einst zwischen Ost und West die Menschen voneinander trennten. Deshalb gibt Papst Johannes Paul II. seinem Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland ein Wort mit auf den Weg, durch das der Völkerapostel Paulus seine eigene Mission treffend umschrieben hat: „Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). Das Amt des Apostolischen Nuntius ist in besonderer Weise ein mitunter unauffälliger, aber nicht minder wirkungsvoller Dienst der Versöhnung und der Einheit. Mit der Grundsteinlegung möge nicht nur ein festes Fundament für das neue Gebäude gesichert, sondern auch das Wirken des Vertreters des Heiligen Vaters in Berlin auf eine solide und fruchtbare Basis gestellt sein. Seine Heiligkeit möchte es an dieser Stelle nicht versäumen, für die Hochherzigkeit des Verbandes der Diözesen Deutschlands zu danken, durch die das Bauvorhaben der Apostolischen Nuntiatur in der Bundeshauptstadt erst verwirklicht werden konnte. Möge dieser Akt der Großzügigkeit ein Zeichen für das Band unverbrüchlicher Treue sein, das die Kirche in Deutschland mit dem Nachfolger des hl. Petrus verbindet. Indem Papst Johannes Paul II. dem Bau ein gutes Gelingen wünscht, dankt er den Planem und Ausführenden für ihren Einsatz und ihr Mühen. Schon jetzt betet er dämm, dass dem Wirken des Apostolischen Nuntius und seinen Mitarbeitern in Berlin reiche Früchte der Versöhnung und der Einheit beschieden seien - zum Wohl der Kirche und der Bundesrepublik Deutschland. Dazu erteilt er den Vertretern des kirchlichen, politischen und öffentlichen Lebens sowie allen, die sich zur Feier der Grundsteinlegung versammelt haben, von Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 10. September 1999 Mit besten persönlichen Wünschen Angelo Kardinal Sodano Staatssekretär Seiner Heiligkeit 1289 ANHANG Die Menschheit lernt nicht aus der Geschichte Ansprache von Bischof Giuseppe Bertello, Leiter der Delegation des Hl. Stuhls bei der außerordentlichen Sitzung der UNO-Menschenrechtskommission in Genf über die Lage in Ost-Timor, am 23. September Frau Präsidentin! Der Hl. Stuhl hat mit wohlwollender Zustimmung die Initiative aufgenommen, die Menschenrechtskommission zu einer Sondersitzung einzuberufen, um die schweren Verletzungen dieser Rechte, die seit dem Beginn dieses Monats in Ost-Timor Vernichtung und Tod verbreitet haben, zu untersuchen. Er richtet auch an Frau Hochkommissar für Menschenrechte sein Wort der Anerkennung für ihren Besuch in Darwin und in Jakarta sowie für ihr ergreifendes Zeugnis und den klaren, genauen und bündigen Bericht den sie uns erstattet hat. Die Tatsachen sind vor den Augen aller dargelegt worden, und das Fernsehen hat noch einmal diese Bilder unmenschlicher Gewalttaten, die man nicht mehr hätte sehen wollen; in unsere Häuser gebracht: Tausende waffenloser und wehrloser Menschen wurden getötet; weitere Tausende wurden gewaltsam verschleppt oder sind in die Berge oder in Nachbarländer geflüchtet. Auch die katholische Kirche wurde nicht davor bewahrt. In der Ermordung von Priestern, Ordensfrauen und Verantwortlichen der Gemeinden hat sie einen schweren Tribut bezahlt - man denke nur an das Massaker an der Gruppe der Caritas-Mitarbeiter und das Gemetzel in der Kirche von Suai -; und auch die Zerstörung ihrer Kirchen und Strukturen hat sie empfindlich getroffen. „Meine tiefe Verbitterung wegen der wiederholten Niederlage jeglichen Sinnes für Menschlichkeit kann ich nicht verschweigen“ - sagte Papst Johannes Paul II. „wenn sich zu Beginn des dritten Jahrtausends die Hände von Brudermördern wieder erheben, um erbarmungslos zu töten und zu zerstören“ (Beim Angelusgebet am 12. Sept.; O.R. dt., 17. 9. 1999). Ja, man kann nur mit Bitterkeit feststellen, dass nach den Tragödien von Ruanda vor fünf Jahren und, noch in jüngster Zeit, im Kosovo, die Menschheit nicht imstande war, von den Lektionen der Geschichte zu lernen. Die Timor-Affäre ist nicht nur ein weiterer Konflikt in der Welt von heute. Ihr kommt eine ganz besondere Bedeutung zu, weil man die große Mehrheit im Willen eines Volkes, ausgedrückt in fast 80% der Stimmen bei einer von höchster internationaler Instanz veranstalteten und überwachten Abstimmung, im Blut hat ersticken wollen. Seit den Ereignissen von 1975 hat der Hl. Stuhl nicht aufgehört, den Dialog zwischen Indonesien und Portugal unter der Schirmherrschaft der UNO zu unterstützen, wie auch den Dialog unter der Bevölkerung von Timor selbst im Hinblick auf eine friedliche Regelung, auch zum Schutz der kulturellen und der religiösen Identität der Bevölkerung. So hat er mit Befriedigung den Vertrag vom 5. Mai dieses Jahres zwischen der Re- 1290 ANHANG publik Indonesien und der Republik Portugal über die Frage von Ost Timor zur Kenntnis genommen, von dem man annahm, er öffne den Weg zu einer global und international akzeptierten friedlichen Lösung dieser Frage. Mehr noch: Während all dieser Jahre hat die katholische Kirche, die 90% der Bevölkerung zu ihren Gläubigen zählt, versucht, Stimme der Bevölkerung von Timor zu sein und ihre Identität zu verteidigen. Sie hat die Opfer der Unterdrückung geschützt, hat Erziehungs- und Gesundheitsdienste übernommen und sie für alle Einwohner zugänglich gemacht. Der an Bischof Carlos Ximenes Belo verliehene Nobelpreis ist ein vielsagendes Zeichen für die Anerkennung dieser Arbeit. Sogar hier haben während der Sitzungen der Menschenrechtskommission Nichtregierungsorganisationen mit katholischer Einstellung unausgesetzt die Realität von Ost-Timor und das rechtmäßige Verlangen seiner Bevölkerung in Erinnerung gerufen, um so die von der Insel kommenden besorgniserregenden Informationen bekannt zu machen. Als die Gewalttätigkeit der Anti-Unabhängigkeits-Milizen zum Ausbmch kam, drängte der Hl. Stuhl darauf, dass die Vereinten Nationen das Erstellen einer internationalen Truppe in Ost-Timor veranlassen sollten, weil eine solche unter den gegenwärtigen Bedingungen das einzige Mittel sei, die Massaker zum Stillstand zu bringen und in diesem Gebiet ein Mindestmaß von Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen. Frau Präsidentin! Gewiss, es ist der Zweck dieser außerordentlichen Sitzung der Kommission, die Missbilligung der internationalen Gemeinschaft und die energische Verurteilung der in Ost-Timor begangenen Verletzungen der Menschenrechte zum Ausdruck zu bringen. Aber einer Tragödie wie der des Volkes in Timor setzt man mit bloßen Erklärungen kein Ende. Eine Prüfung anstellen, ohne etwas zu unternehmen, das würde eine Narbe in der Geschichte hinterlassen und sogar das Ansehen der Kommission in Zweifel ziehen. Da nun die internationale Trappe vor Ort ist, besteht die dringende Notwendigkeit, dass die internationale humanitäre Hilfe rasch die Vertriebenen und die Flüchtlinge erreicht, die vor Hunger und Krankheit dem Tode nahe sind. Die internationale Gemeinschaft muss auch für ihren Schutz und ihre Rückkehr in sichere und freie Verhältnisse Sorge tragen. Ich denke besonders an Menschen, die gezwungen waren, nach West-Timor zu flüchten. Im Übrigen ist, wie Frau Hochkommissar nachdrücklich in ihrem Bericht betont, das Erstellen einer internationalen Untersuchungskommission eine vorrangige Frage, um die Wahrheit über die Vorkommnisse zu ermitteln und die Verantwortlichkeit derer zu beurteilen, die sich dieser Schandtaten schuldig gemacht haben. Der Dialog und die Versöhnung, denen wir alle das Wort reden und wofür die Kirche sich von jeher eingesetzt hat, können nicht fest begründet werden ohne die leidenschaftslose und unparteiische Suche nach Gerechtigkeit und Wahrheit. 1291 ANHANG Schließlich ist es nunmehr auch notwendig, sich der Zukunft zuzuwenden. Der Hl. Stuhl gibt seiner Zuversicht Ausdruck, dass die von der UNO gesandte multinationale Truppe die ihr gestellte Aufgabe ohne zu viele Schwierigkeiten durchführen kann und dass die internationale Gemeinschaft den in Angriff genommenen Übergangsprozess bis zu Ende zu begleiten und der Bevölkerung im Hinblick auf den Wiederaufbau von Ost-Timor tatkräftig Hilfe zu leisten versteht. Krise und Entwicklung der Auslandsverschuldung Ansprache des Apostolischen Nuntius, Erzbischof Renata R. Martino, Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen, bei der Generalversammlung (Zweite Kommission) der Vereinten Nationen in New York am 11. Oktober Viele Menschen guten Willens sehen dem Jahr 2000 als einem Jubiläumsjahr entgegen. Das biblische Jubeljahr war für die Gesellschaft eine Gelegenheit, Wege zur Wiederherstellung von Gerechtigkeit und Billigkeit zu überprüfen zur Entlastung von Bürden, die Ausgrenzung verursacht hatten. Schuldenerlass war eines der wesentlichen Elemente der Jubiläumsfeier. Schuldenerlass gab es jedoch nicht um seiner selbst willen. Schulden wurden erlassen und Belastungen wurden aufgehoben, damit die Ausgegrenzten die Möglichkeit zu einem Neuanfang bekämen und überall in der Gesellschaft wieder harmonische Beziehungen hergestellt würden. Diejenigen, die in unserer heutigen Welt im Geist des Jubiläumsjahres darauf bedacht sind, die schweren Belastungen der ärmsten Länder aufzuheben oder zu vermindern, sind ähnlich motiviert. Schuldenerlass als solcher ist nicht das Ziel. Er ist nur eine Dimension der grösseren Aufgabe, der sich die Welt gegenüberstehen sieht: des Kampfes gegen die Armut. Auf lange Sicht besteht das Ziel darin, eine umfassende globale Entwicklung zu erreichen, beruhend auf dem Einschluss der ärmsten Länder und ihrer Bürger. Schuldenentlastung und Kampf gegen die Armut gehen Hand in Hand. Schuldenentlastung ist dringend notwendig, wenn die ärmsten Länder in ihrem Kampf gegen Armut und Ausgrenzung vorankommen sollen. Schuldenentlastungsprogramme müssen so entworfen - und, wo nötig, ständig revidiert - werden, dass sie sich maximal auf Projekte zur Ausrottung der Armut auswirken. Die Situation, in der Schuldenrückzahlungen höher sind als die gesamten nationalen Ausgaben für Erziehung und Gesundheitsfürsorge zusammen, ist unannehmbar. Wirtschaftsreformen oder Regulierungspläne, die gerade die für den wirtschaftlichen Wiederaufbau erforderlichen Faktoren, wie Investierung von Menschen und menschlichen Fähigkeiten, zurückschrauben, wären wirklich kurzsichtigln den letzten Jahren wurde ein beachtlicher Fortschritt darin gemacht, die Bedeutung der Schuldenlast der ärmsten Länder anzuerkennen. Die Initiative für die „Schwer verschuldeten armen Länder“ [„Heavily Indepted Poor Countries“, HIPC] 1292 ANHANG ist ein bezeichnender Versuch, alle Schuldenlasten dieser Länder im Rahmen einer gesunden und dauerhaften Wirtschafts- und Sozialreform gleichzeitig anzugehen. Trotz des guten Willens und der großen Anstrengungen ihrer Urheber ist die HlPC-Initiative bisher zu langsam vorangekommen. Für alle Versprechungen einer tieferen und breiteren Pauschale ist die Anzahl der Länder, die innerhalb des Programms tatsächlich eine Schuldenentlastung erzielten, sehr klein. Die kürzlich gemachten Vorschläge zu einer „verbesserten HIPC-Initiative“ bieten jedoch neue Möglichkeiten an. Einzelne Länder haben auch auf einer bilateralen Basis versprochen, manchen Ländern nach dem Abschluss des HIPC-Prozesses zusätzlich Hilfe zu leisten und den Schuldennachlass unter gewissen Umständen sogar bis auf 100 % zu bringen. Innerhalb dieses neuen Entwurfs ist es wichtig, den übernommenen Verpflichtungen zur Schuldenentlastung einer beträchtlichen Anzahl armer Länder schnell nachzukommen und die nötigen finanziellen Quellen sicherzustellen. Hierbei haben die wohlhabenderen Länder eine besondere Verantwortung. Papst Johannes Paul II. hat beständig dazu aufgerufen, dass vor dem Ende des Jahres 2000 die größtmögliche Anzahl von Ländern den maximalen Nutzen erreichen sollten. Wir alle wissen, dass das sich durchführen lässt. Schuldennachlass sollte auch darauf abzielen, endgültig zu sein. Er sollte auf ein Niveau kommen, das nicht einfach ausreicht, die armen Länder aus einer augenblicklichen Krise zu retten, sondern sollte so sein, dass sie einen neuen Anlauf nehmen können zu ihrer Investition in langfristiger wirtschaftlicher und menschlicher Entwicklung. Das Erreichen international anerkannter sozialer Entwicklungsziele - besonders jener, die vom Kopenhagener Weltgipfel für menschliche Entwicklung aufgestellt wurden - wird von der ganzen internationalen Gemeinschaft angestrebt. Wesentliche soziale Ziele sind nicht etwas Zusätzliches, das man nach Wahl zu nationalen Entwicklungsprogrammen hinzufugen oder beiseite lassen kann. Die Regierungen der ärmeren Länder können nicht aufgefordert werden, auf solche Zielsetzungen zu verzichten. Programme zum Schuldennachlass müssen aber ein besser greifbares Bindeglied mit dem Kampf gegen die Armut bilden. Einerseits ist das notwendig, um in den wohlhabenderen Ländern politische Legitimierung für den Gebrauch öffentlicher Mittel zum Schuldennachlass zu erreichen. Anderseits ist die Umverteilung von Mitteln zu produktivem sozialem Aufwand ein Grundprinzip moderner Entwicklungstheorie. Es müssen neue Modelle gefunden werden, um sicherzustellen, dass die durch den Prozess des Schuldennachlasses ffeigewordenen Mittel tatsächlich für Erziehungsprogramme, Gesundheitsdienst und Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bürger verwendet werden. Um das zu erreichen, müssen die Staaten und die internationalen Finanzeinrichtun-gen Wege finden, die Bürger und die bürgerliche Gesellschaft der ärmeren Länder, die im ,3esitz“ von Reformprogrammen sind, zur Beteiligung anzuregen, das heißt zum Ausarbeiten und darauf folgenden Überwachen solcher Pläne. Den Männern, Frauen und Kindern dieser Länder muss Mut gemacht werden, so dass sie selbst zu 1293 ANHANG den Hauptpersonen in der Entwicklung ihrer Gemeinschaften und ihrer Nationen werden. Die Bürger der Entwicklungsländer werden auch die Ersten sein, die unproduktive Nutzung internationaler Mittel oder deren Missbrauch durch Korruption oder unzulängliche Verwaltung erkennen. Die zu Beginn dieser Sitzung der Generalversammlung von Herrn Generalsekretär Kofi Annan gesprochenen energischen Worte über die Verbreitung leichter Waffen sollten von allen beachtet werden. Es sollte ein deutlicher Konsens erarbeitet werden, der nicht zulässt, dass Länder, denen pauschaler Schuldennachlass gewährt wird, sich gleichzeitig unproportionierte Ausgaben für Waffen leisten. Schuldennachlass und Kampf gegen die Armut gehen miteinander. Es muss für Mittel gesorgt werden, die sicherstellen, dass die laufenden Hilfsinitiativen schnell vorankommen. Doch das sollte nicht auf Kosten anderer wichtiger Entwicklungsziele geschehen. Es ist dringend notwendig, neue finanzielle Hilfsmittel zu beschaffen. Diese sollen sicherstellen, dass die ärmsten Länder dann, wenn ihre augenblicklichen Schuldenprobleme gelöst sind, konzentrierte zusätzliche Hilfe erhalten, damit sie fähig sind, die sehr oft unter grossen Kosten begonnenen Reformen in Gang zu halten und sicherzustellen, dass ihr Kampf gegen die Armut weitergeht und unterstützt wird. Der ungeheuer große gute Wille, der den Beginn des neuen Jahrtausends umgibt, und die Feier des Jahres 2000 als Jubiläumsjahr rufen die Hoffnung wach, dass bei dieser einmaligen Gelegenheit die Generationen von heute zu dieser ausdrucksvollen Geste fähig sein werden und der Zukunft eine Welt mit weniger Armut, eine Welt mit größerer Hoffnung hinterlassen. Herr Vorsitzender, ich möchte dieses Statement abschließen mit den Worten, die Papst Johannes Paul II. am 24. September dieses Jahres in einer Ansprache an die Leiter und Befürworter der Schuldenkampagne für das Jubiläum 2000 richtete: „Ich wende mich an alle, die dabei beteiligt sind, besonders an die mächtigsten Nationen, dass sie die Gelegenheit des Jubeljahres nicht vorübergehen lassen ohne einen entscheidenden Schritt hin zur endgültigen Lösung der Schuldenkrise zu unternehmen.“ Ich danke Ihnen, Herr Vorsitzender. 1294 ANHANG Der Hl. Stuhl und das Heilige Land - Gerechtigkeit und Nächstenliebe Ansprache von Erzbischof Jean-Louis Tauran bei der 50-Jahr-Feier der Päpstlichen Palästina-Mission in New York am 25. Oktober Bei einem Rückblick über die jüngste Geschichte jenes Gebiets, das wir das Heilige Land nennen, vom 2. April 1947 [nach dem Erlöschen des britischen Mandats] bis in die Gegenwart, beeindruckt die Tatsache, dass sich dieser Teil der Welt in einem permanenten Kriegszustand behänden hat. Die Resolution Nr. 181 der Generalversammlung der Vereinten Nationen von 1947 [die die Gründung zweier Staaten — eines arabischen und eines jüdischen — vorsah und deren Durchführung bis heute unvollständig ist], die Niederlage der arabischen Armeen von 1948 und die anschließende durch Waffengewalt erzwungene Neugliederung des Territoriums verursachten die Umsiedlung wesentlicher Teile der Bevölkerung und führten zu Situationen großer Ungerechtigkeit und somit zu Konflikten. In diesem Kontext leisteten die Päpste und der Hl. Stuhl ihren Dienst zur Förderung des Friedens unter den Völkern und zur Annäherung verschiedener Religionen, stets unter Berücksichtigung der in politische Verwirrungen verstrickten Stadt Jerusalem und der Heiligen Stätten. Tatsächlich war das Heilige Land ein wichtiges Thema, das die Päpste bereits seit dem Mittelalter beschäftigt hatte. Aus Zeitmangel werde ich das anführen, was die römischen Päpste seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts bis heute gesagt und getan haben und versuchen, das beharrliche Bestreben des Hl. Stuhls zu verdeutlichen, Gerechtigkeit und Nächstenliebe miteinander zu vereinbaren. Ein geeigneter Ausgangspunkt unserer Reflexionen ist, denke ich, das Motu proprio Domini et Salvatoris Leos XIII. von 1887, nicht weil es das erste Dokument ist, sondern weil es zusammen mit zwei kurzen Stellungnahmen von Benedikt XV. und Pius XI. gewissermaßen eine Brücke zwischen den beiden verschiedenen politischen Situationen dieser Region darstellt. Die Analyse der in diesem Zusammenhang berücksichtigten Dokumente ermöglicht uns, die Aktivität des Hl. Stuhls im Hinblick auf das Heilige Land in drei Phasen einzuteilen, jede mit ihren eigenen speziellen Grundzügen, entsprechend den aufeinanderfolgenden historischen Ereignissen in der Region. 1. Von 1887 bis 1947, bis zum ersten arabisch-israelischen Krieg. 2. Von 1947 bis 1964, mit dem historischen Besuch von Paul VI. 3. Von 1964 bis heute. Die Dokumente, die vom Heiligen Land als Ganzes sprechen und insbesondere auf Jerusalem eingehen, gehören der ersten Periode an. In jener Zeit wendeten sich die Päpste wiederholt an die Katholiken in aller Welt und betonten die Notwendigkeit, die materielle Unversehrtheit der Heiligen Stätten zu wahren und den Bedürfnissen der dort lebenden Katholiken die erforderliche Aufmerksamkeit entgegenzubrin- 1295 ANHANG gen. In diesem Zusammenhang empfahl Leo XIII. der Geistlichkeit, mindestens einmal im Jahr eine „Kollekte für die Heiligen Stätten“ durchzuführen. Während seines kurzen Pontifikats befasste sich Benedikt XV. bei zwei Gelegenheiten mit den Heiligen Stätten und den rechtmäßigen Ansprüchen der Christenheit ihnen gegenüber. Während des geheimen Konsistoriums von 1919, gegen Ende des Ersten Weltkrieges, brachte der Papst seine Sorge im Hinblick auf Palästina zum Ausdruck und erinnerte an die Opfer, die die Christen des Ostens im Laufe der Jahrhunderte für die Verteidigung und Verwaltung der Heiligen Stätten auf sich genommen hatten (vgl. AAS 11[1919]97). In einer Ansprache an das Kardinalskollegium forderte der Papst 1921 in Bezug auf Palästina „für alle Christen jene unveräußerlichen Rechte, die ihnen dort zustehen“ (vgl. AAS 13[1921]281) und über die kein anderes Recht den Vorrang haben kann oder sollte. Pius XI. nahm nur einmal, kurz vor Weihnachten 1922, zu dieser Frage Stellung. In einer Rede an die Kardinäle sprach der Papst von „der Besorgnis, die ihm die Situation in Palästina, diesem gesegneten Land, bereitete“, und in einem Appell an die Mitgliedstaaten des Völkerbunds trat er für die Gewährleistung der vollen Rechte aller Christen in Palästina ein (vgl. AAS 14[1922]609). In der zweiten Phase konzentrierte sich die Sorge der Päpste und die Aktivität des Hl. Stuhls hauptsächlich auf jene Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen für die Heiligen Stätten und die dort ansässigen Gemeinden, zu denen die katholische Welt aus moralischen Gründen verpflichtet war. Anlass dieser Besorgnis war der Zustand der Armut und Unsicherheit, auch physischer Natur, in dem diese Gemeinden lebten. Pius XII., der während seines langjährigen Pontifikats dem Heiligen Land ganz besondere Aufmerksamkeit schenkte, brachte ein neues Element sowohl pastoraler als auch politischer Natur in die Nahostffage: einerseits bekräftigte er die Unparteilichkeit des Hl. Stuhls und verurteilte Gewalttaten „von welcher Seite auch immer sie ausgehen“, andererseits betonte er nachdrücklich, dass diese Unparteilichkeit keinesfalls mit „Gleichgültigkeit“ zu verwechseln sei (vgl. AAS 38[1946]322-323). In den Jahren des arabisch-israelischen Konflikts finden wir in den Enzykliken, Ansprachen und Botschaften Pius’ XII. nicht weniger als sieben Stellungnahmen zur Jerusalemfbage. Er forderte die Sicherung der Heiligen Stätten, freien und gefahrlosen Zugang zu ihnen für die Anhänger der drei Religionen und das Recht der drei monotheistischen Religionen, ihre jeweiligen Gebetsstätten ihrer vollen Kontrolle zu unterstellen. Kurz vor dem Ausbrach des ersten arabisch-israelischen Krieges erinnerte Pius XII. in einer Ansprache an die Delegierten der Arabischen Palästinakommission daran, dass „Frieden nur durch Waffenstillstand und Gerechtigkeit erlangt werden kann“ (vgl. ebd.). Diese Überzeugung, die sowohl in seinen eigenen Dokumenten wie in denen seiner Nachfolger eine Konstante werden sollte, kam auch in den Enzykliken von 1948, 1949 und 1956 wiederholt zum Ausdruck, in denen auch die Bedingungen für die Ermöglichung des Friedens dargelegt wurden. 1296 ANHANG 1. In Auspicia quaedam vom 1. Mai 1948 forderte der Papst zum Gebet auf, damit in der von den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs gepeinigten Welt „schließlich doch noch gegenseitiger, brüderlicher und vollkommener Friede unter allen Nationen und die ersehnte Eintracht aller Gesellschaftsklassen als Geschenk des Himmels leuchten möge“ (vgl. AAS 40[1948]169—172). Weiter schrieb der Heilige Vater: „Möge der Uneinigkeit ein Ende gesetzt werden, denn sie bringt niemandem Vorteile. Möge Gerechtigkeit die Lösung von Streitigkeiten herbeifuhren, die oft den Anstoß zu weiterem Unheil geben. Mögen sich internationale Beziehungen im öffentlichen wie im privaten Bereich intensivieren und festigen. Möge die Religion, die Verteidigerin aller Tugenden, die ihr gebührende Freiheit genießen. Möge die friedliche Arbeit der Menschen - im Zeichen der Gerechtigkeit und durch den göttlichen Impuls der Nächstenliebe - reiche Früchte für das Wohl aller erbringen“ (vgl. ebd.). Speziell auf die Heiligen Stätten anspielend, rief der Papst zum Gebet auf, damit „die Situation in Palästina schließlich eine gerechte Lösung finden und Eintracht und Friede triumphieren können“ (vgl. ebd). 2. Später, in seiner Enzyklika Redemptoris nostri vom 15. April 1949, forderte Papst Pius XII. jeden auf, vor allem aber die Katholiken in aller Welt, „die Verantwortlichen der Nationen und jene zu bewegen, deren Pflicht die Lösung dieser wichtigen Frage ist, der Heiligen Stadt und ihrer Umgebung einen angemessenen Rechtsstatus zu gewähren, dessen Stabilität nur durch ein gemeinsames Abkommen unter Nationen gewährleistet sein kann, die für Frieden und die Achtung der Rechte anderer eintreten“ (vgl. AAS 41[1949]161-164). 3. In seiner am 1. November 1956 während der schweren Suezkrise veröffentlichten Enzyklika Laetamur admodum ermahnte der Papst die Regierungen der Nationen schließlich, „es sei notwendig, sich für den Weg der Gerechtigkeit und nicht den der Gewalt zu entscheiden“, ohne ,jene unantastbaren Rechte der Kirche zu übersehen, die ihr der göttliche Gründer gewährt hat“ (vgl. AAS 48[1956]745-748). Mit dem II. Vatikanischen Konzil wurde die Heilige Stadt wiederum Mittelpunkt des kirchlichen Interesses, und ihre drei Dimensionen - das Irdische, das Menschliche und das Geistige - gehörten zu den konstanten Themen päpstlicher Erklärungen. In dieser Phase bemühte sich der Hl. Stuhl, weiterhin an seinem speziellen Aufruf für internationale Sicherheit festhaltend, durch die Forderung nach einer gerechten und ehrenhaften Lösung um die Beseitigung der Schwierigkeiten und „Feindseligkeiten militärischer und politischer Art“ (vgl. zLLS'61[1969]669-670) mit dem Ziel, eine Lösung zu finden, die „der Heimat des menschgewordenen Gottes würdig ist“ (vgl. L’Osservatore Romano, 21. April 1968). Das erhoffte internationale Abkommen wurde nicht lediglich als ein statisches und vorübergehendes Eingreifen betrachtet, sondern vielmehr als fortlaufende Aktion mit der Fähigkeit, Grundwahrheiten wie Frieden, Rechte und Würde zu lehren als ein Anfang von Einheit 1297 ANHANG oder auch als ein Schritt „auf dem Weg zu Versöhnung“ (vgl. AAS 60[1968]456— 457). Bei seinem historischen Besuch im Heiligen Land als Pilger des Friedens reflektierte Papst Paul VI. über die Probleme dieser Region und versäumte nicht, „für die Wiederversöhnung der Menschheit mit Gott und für die tiefe und aufrichtige Eintracht aller Völker“ (vgl. AAS 56[1964] 170-171) zu beten, für ,jene große Einheitsbewegung des Menschengeschlechts“ (vgl. ebd., 199-202), die sich in zwei Richtungen entwickelt: die Einheit der Christen und die Einheit der Welt. Das in den von uns untersuchten Jahren gezeigte Interesse für das Heilige Land wird zunehmend intensiver und schließlich eines der wesentlichen Anliegen des Pontifikats Johannes Pauls II. Bei zahlreichen Gelegenheiten nahm der gegenwärtige Papst zu den mit dem Heiligen Land verbundenen Problemen und Situationen Stellung; diese Erklärungen bezeugen nicht nur die Bedeutung der Region, sondern vor allem die aufrichtigen und unermüdlichen Bemühungen um einen Frieden, der, von diesen Orten ausgehend, auch als Vorbild und Inspiration für zahlreiche ähnliche Situationen überall in der Welt dienen könnte. Mit Papst Johannes Paul II. geht die im Wesentlichen auf Recht und Gerechtigkeit gründende Aktivität des Hl. Stuhls über die gegenwärtige Situation hinaus und schaut auf die Zukunft, auf den Austausch unter Nationen, Religionen, dem gesamten menschlichen Geschlecht. Bereits in seinen ersten Erklärungen umriss Papst Johannes Paul II. die zukünftigen Schritte des Hl. Stuhls im Palästinakonflikt: eine auf Gerechtigkeit gründende Aktivität als Mittelpunkt und Fundament jedes möglichen und erhofften Friedens. In der Angelusbotschaft vom 11. Mai 1979 betonte der Papst sein großes Interesse für die Entwicklungen in der Nahostkrise und, aufgrund „der Liebe des Papstes zum Frieden“, brachte er den Wunsch und die innige Hoffnung für die Gewährleistung eines allgemeinen Friedens und die angemessene Berücksichtigung der Rechte und legitimen Erwartungen aller beteiligter Völker zum Ausdruck. In der historischen Ansprache an die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 2. Oktober 1979 betonte er erneut die Hoffnung auf eine gerechte Lösung der Krise. Der Papst erklärte, dass die zwar anerkennenswerten konkreten Bemühungen zur Beseitigung des Problems allerdings wertlos seien, wenn sie nicht ein „Grundstein“ für den Aufbau eines Friedens sind, der sich „unbedingt auf die gleiche Anerkennung der Rechte aller gründen und dabei notwendigerweise die Beachtung und gerechte Lösung des Problems der Palästinenser einschließen muß“. In seiner Predigt zur Feier der Märtyrer von Otranto am 5. Oktober 1980 ging der Heilige Vater auf mehrere verschiedene Faktoren der Nahosttragödie ein: einerseits das jüdische Volk, das aufgrund seiner schmerzlichen Erfahrungen und der Sorge für seine Sicherheit den Staat Israel gegründet hatte; und andererseits das palästinensische Volk, das weitgehend von seinem Land vertrieben worden ist. Bei dieser Gelegenheit rief er zu Bemühungen auf, damit der Geist der Einheit, der gegenseitigen Achtung und Verständigung stets vorherrschend sei gegenüber all dem, was Völker und Nationen trennt und gegeneinander stellt. 1298 ANHANG Nach der ersten Begegnung zwischen dem Heiligen Vater und Präsident Arafat am 15. September 1982 veröffentlichte das Presseamt des Hl. Stuhls folgendes Kommunique : „Getrieben von seiner unaufhörlichen Sorge, den mühevollen Friedensprozeß im Nahen Osten zu fördern, empfing der Heilige Vater Herrn Yasser Arafat ... Bei diesem Gespräch äußerte der Papst sein Wohlwollen für das palästinensische Volk und die Teilnahme an seinem langen Leiden, indem er den Wunsch aussprach, man möge baldmöglichst zu einer gerechten und dauerhaften Lösung des Nahostkonflikts kommen, die den Rückgriff auf Waffen und Gewalt in jeder Form, von allem Terrorismus und Repressalien ausschließt und zur Anerkennung der Rechte aller Völker führt, insbesondere des Rechtes des palästinensischen Volkes auf ein eigenes Vaterland und Israels auf seine Sicherheit.“ Das Kommunique verdeutlicht jene Grundsätze, die die Sorge des Heiligen Vaters im Hinblick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt erklären. Im Einklang mit der seit dem Ausbruch der Feindseligkeiten vertretenen Haltung bekräftigt der Papst seine eindeutige Ablehnung von Gewalt, in Form von Terrorakten ebenso wie als Unterdrückungsmaßnahmen. Ferner betont der Papst den rechtmäßigen Anspruch des palästinensischen Volkes auf ein Heimatland und somit nicht nur auf eine Anerkennung als Flüchtlinge, sondern als Volk mit spezifischen und legitimen Rechten. Schließlich folgt eine De-facto-Anerkennung der Existenz des israelischen Staates und seines Rechts auf feste und gesicherte Grenzen. Am gleichen Tag kam der Heilige Vater nochmals auf die Palästinaffage zurück und bekräftigte seine feste Überzeugung, dass ohne Gerechtigkeit kein wirklicher Friede erlangt werden kann und volle Gerechtigkeit nicht möglich ist ohne die feste, rechtmäßige und angemessene Anerkennung und Annahme der Rechte aller in diesen traurigen Konflikt verwickelten Völker (vgl. L’Osservatore Romano, 17. September 1982). Dieser klare und ausdrückliche Hinweis auf Gerechtigkeit als Bedingung für die Herstellung von Frieden zeigte die Logik der päpstlichen Lehre auf diesem Gebiet und zählte gleichzeitig den rechtmäßigen Anspruch auf Existenz, Sicherheit und Wahrung der jeweiligen Identität zu den Rechten beider Völker. Das Thema Gerechtigkeit als Voraussetzung für Frieden kommt nachdrücklich auch in dem Apostolischen Schreiben Redemptoris anno vom 20. April 1984 zum Ausdruck. An die Tatsache erinnernd, dass zwei Völker, Israelis und Palästinenser, seit Jahrzehnten im Nahen Osten „in scheinbar unüberwindbarer Feindseligkeit einander bekämpft haben“, erflehte der Papst Frieden und Versöhnung für die Menschen jenes Landes, das auch die Heimat Christi war. Der Heilige Vater bestärkte die in Israel lebende jüdische Bevölkerung, die in diesem Land wertvolle Zeugnisse ihrer Geschichte und ihres Glaubens bewahrt, für jene ersehnte Sicherheit und gebührende Ruhe zu beten, die das Vorrecht jeder Nation und notwendige Voraussetzung für das Leben und die Entwicklung jeder Gesellschaft sind. Das palästinensische Volk, dessen historische Wurzeln in diesem Land liegen und das seit Jahrzehnten überall verstreut ist, „hat das Recht, wieder eine Heimat zu finden 1299 ANHANG und in Frieden und Eintracht mit den anderen in diesem Gebiet ansässigen Völkern zu leben“. Am 24. Juni 1988 wendete sich der Papst in Wien an die lokale jüdische Gemeinde und bekräftigte das Konzept der Gerechtigkeit wie bereits im September des Vorjahres gegenüber der jüdischen Gemeinde in den Vereinigten Staaten. Das Recht des jüdischen Volkes auf eine Heimat bestätigend, einen Anspruch, den es dem internationalen Recht entsprechend mit anderen Nationen teilt, hob er hervor, dass das gleiche Recht auch dem weitgehend heimatlosen palästinensischen Volk zustehe. Bei zahlreichen Gelegenheiten betonte der Heilige Vater in Bezug auf die Situation der palästinensischen Bevölkerung, dass sie wie jedes andere Volk der Welt eine Heimat brauche. Diese Notwendigkeit beruhe nicht lediglich auf einem Recht, sondern entspreche im wesentlichen und in erster Linie dem Sinn für Gerechtigkeit. Im Laufe der Jahre erhielt das, was anfänglich ein allgemein ignorierter Aufruf zu sein schien, wachsende Zustimmung, vor allem in der Internationalen Gemeinschaft, die, in Anbetracht ihrer eigenen Bestimmungen von 1947 ihre Friedensbemühungen im Nahen Osten und ihren Einsatz für die Rechte aller in der Region vertretenen Völker intensivierte. Vor der Friedenskonferenz in Madrid wendete sich der Heilige Vater in einem Schreiben an die Konferenzpräsidenten Bush und Gorbatschow. In seinem Brief an Präsident Bush sprach der Papst von den bevorstehenden Schwierigkeiten und gab seiner persönlichen Überzeugung Ausdruck, dass „Verständigung möglich ist, wenn sie mit Ausdauer gesucht wird und wenn sie von allen Beteiligten erstrebt wird mit dem beständigen Empfinden für die grundlegenden Rechte anderer und in der festen Überzeugung, daß wahrer Friede, dauerhafter Friede, nur dann erreicht werden kann, wenn die Forderungen der Gerechtigkeit erfüllt werden“ {Botschaft an Präsident George Bush, 29. Oktober 1991). Der Heilige Vater versicherte Präsident Gorbatschow, dass er den Verhandlungsprozess aufmerksam verfolgen würde und erinnerte daran, dass der Hl. Stuhl seit vielen Jahren „den Frieden für das Gebiet des Nahen Ostens wünsche mit der Forderung, den Situationen schwerer Ungerechtigkeit schnellstens ein Ende zu setzen und dabei die legitimen Bestrebungen aller Parteien zu berücksichtigen“ (vgl. Botschaft an Präsident Michail Gorbatschow, 29. Oktober 1991). In Madrid wurde schließlich eine neue Hoffnung geboren, eine Hoffnung, die zuweilen schwach war, aber nie vollends verloren ging: die Hoffnung, dass durch Dialog und im Namen von Recht und Gesetz der Lauf der Geschichte verändert werden könnte und die Völker des Nahen Ostens, insbesondere Israelis und Palästinenser, ihren jeweiligen rechtmäßigen Ansprüchen gemäß in Frieden leben würden. Wir selbst sind Zeugen, dass der Friedensprozess irgendwie doch den richtigen Weg zu gehen scheint. Seit einigen Monaten können wir scheinbar erneut auf die Fortsetzung des Friedensprozesses im Nahen Osten hoffen. 1300 ANHANG In dieser Hinsicht sind die Worte des Heiligen Vaters an das Diplomatische Korps am 9. Januar 1995 von prophetischer Bedeutung: „Es wird nie an mutigen Männern und Frauen fehlen, die bereit sind, einander zu achten und anzuhören. Sie werden auch fähig sein, geeignete Wege zum Aufbau von Gesellschaften zu fin-;#den, wo ein jeder für die anderen unverzichtbar ist, wo die Unterschiede vor allem ■als Reichtum anerkannt werden. Frieden wird nicht mit blutigen Lettern geschrieben, sondern mit Intelligenz und Herz! “ Wir alle sind hocherfreut über die Wiederaufnahme des Friedensprozesses und die erzielten Resultate in Scharm el-Sheikh; wir hoffen, dass dieses Jahrtausend mit einer mutigen Geste beendet werden wird, die als Inspiration für ähnliche Prozesse zur Beendigung weiterer Situationen dienen kann, die bedauerlicherweise noch immer auf eine Lösung warten. Dieser kurze Überblick macht deutlich, dass das Heilige Land stets eines der wesentlichen Anliegen des Hl. Stuhls war und ist, ein Anliegen, das nicht lediglich auf dem Interesse beruht, die in den betroffenen Gebieten lebenden katholischen Gemeinden zu unterstützen und zu schützen, sondern auch von dem Wunsch ausgeht, das friedliche Zusammenleben der verschiedenen dort ansässigen Völker zu fördern, und von der Notwendigkeit, die menschlichen Rechte von Juden, Christen und Muslimen gleichermaßen anzuerkennen und zu achten. Diese Sorge fand ihren konkreten Ausdruck in Aktionen, die stets die Unabhängigkeit des Hl. Stuhls von Faktoren hervorgehoben haben, die sich in vielen anderen Fällen von jenen unterscheiden, denen möglicherweise verschiedene, wenn auch legitime Interessen zugrunde liegen. Ferner sind Initiativen zur Erhaltung des Glaubens, zur Förderung des Friedens und zur Gewährleistung von Gerechtigkeit und der Achtung der Menschenrechte Bestandteile der besonderen Sendung der Kirche, deren Sittenlehre in aller Welt als richtungweisend anerkannt wird und die fähig ist, für den Aufbau einer besseren Welt beizutragen. Ferner hat der Hl. Stuhl insbesondere im Hinblick auf das Heilige Land stets unermüdlich versucht, die friedliche Koexistenz der Anhänger verschiedener Religionen zu fordern, um so zu zeigen, dass ihr gemeinsamer Glaube an Gott nicht zu Spaltungen oder sogar Konflikten führt, sondern vielmehr eine Quelle der Eintracht sein kann und muss. Aus diesem Grund ist das Staatssekretariat sehr beunruhigt über die augenblickliche Situation in Nazaret. Der Bau einer Moschee nur wenige Meter von der Basilika der Verkündigung entfernt ist sicherlich nicht der richtige Weg zur Förderung der Achtung und des harmonischen Zusammenlebens zwischen Muslimen und Christen. Konnte die Moschee - wenn sie wirklich notwendig ist - denn nicht anderswo gebaut werden? Jeder weiß, dass die Sorge des Hl. Stuhls und der römischen Päpste für das Heilige Land sich nicht nur auf diplomatischer Ebene zeigte, sondern in konkreter Form auch durch sein praktisches Engagement im sozialen und kulturellen Bereich zum Ausdruck kam. Meine Anwesenheit in eurer Mitte heute ist mit einer vor fünfzig Jahren gegründeten Organisation verbunden, die auf das besondere Interesse Papst Pius XII. für 1301 ANHANG die Menschen im Heiligen Land und vor allem für die Palästinenser zurückgeht. Gemeint ist die Päpstliche Palästina-Mission. Die 1949 entstandene Päpstliche Mission hatte ursprünglich die Aufgabe, palästinensischen Flüchtlingen zu helfen, für Unterstützung und Einrichtungen zu sorgen, die ihren menschlichen, religiösen, kulturellen und ausbildungsmäßigen Anforderungen entsprachen. Ihre Zentrale befindet sich in dieser Stadt, aber es gibt weitere Niederlassungen in Beirut, Jerusalem, Amman und ein Koordinierungsbüro in Rom. Die Mission steht in enger Zusammenarbeit mit der Catholic Near East Wel-fare Association (CNEWA), eine 1924 für die Ostkirchen gegründete Missionsorganisation des Hl. Stuhls. Ihrer ursprünglichen Bestimmung treu bleibend, erweiterte die Päpstliche Mission gemeinsam mit der CNEWA ihr Aktionsfeld, um sich schließlich zu einer Hilfsorganisation für alle Völker im Heiligen Land zu entwickeln. Beispielsweise kann auch ich jene Einsatzbereitschaft und hingebungsvolle Arbeit bezeugen, mit der die Mission die Not der libanesischen Bevölkerung gelindert hat. Während meiner Zeit in der Apostolischen Nuntiatur in Beirat zeigten die Libanesen, Christen wie auch Muslime, oft ihre Dankbarkeit für die humanitäre Arbeit der Päpstlichen Mission und der CNEWA. Anlässlich des fünfzigsten Jubiläums der Päpstlichen Mission möchte ich sowohl den Amtsträgem wie auch all ihren Mitarbeitern auf lokaler Ebene die tiefe und aufrichtige Dankbarkeit des Hl. Stuhls und auch des Heiligen Vaters vermitteln für ihren hochherzigen und unermüdlichen Einsatz im Dienst an den Menschen des Heiligen Landes. Der einst von dem bescheidenen Stall in Betlehem ausgegangene Aufruf für Frieden in der Welt hat auch heute noch die gleiche Kraft wie damals, und viele Völker hoffen noch immer auf die Verwirklichung dieses großen Ziels. Mit den Worten des Heiligen Vaters in seiner Ansprache an das Diplomatische Korps im Januar 1992 möchte ich heute zu allen, die im Heiligen Land von dem aufrichtigen Wunsch nach Frieden erfüllt sind, sagen: „Welch ein Segen wäre es, wenn dieses Heilige Land ein ganz besonderer Ort der Begegnung und des Gebets für die Menschheit werden könnte und die Heilige Stadt Jerusalem Sinnbild und Werkzeug für Frieden und Versöhnung.“ 1302 ANHANG Kinder haben ein Recht auf Frieden Ansprache von Erzbischof Renato R. Martino, Apostolischer Nuntius und Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen, bei der 54. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen - Drittes Komitee über Punkt 112: „Förderung und Schutz der Rechte der Kinder“, am 28. Oktober Herr Präsident! Während wir heute hier tagen, leiden in etwa 50 Ländern überall auf der Welt Kinder an den Folgen von Konflikten und ihren Auswirkungen. Heute gibt es über 20 Millionen Kinder, die durch Krieg aus ihrem Zuhause vertrieben wurden — so-wohl innerhalb ihres Landes als auch ins Ausland. Ungefähr 300.000 junge Menschen unter 18 Jahren werden gegenwärtig als „Kinder-Soldaten“ ausgebeutet, und etwa 800 Kinder werden jeden Monat von Landminen getötet oder verstümmelt (vgl. Mr. Olara Otunnu, Sondervertreter des Generalsekretärs für Kinder und bewaffnete Konflikte, Erklärung vor dem Sicherheitsrat vom 25. August 1999). „In Angola, Kosovo, Kolumbien und an vielen anderen Orten sind wir Zeugen einer kriminellen Verletzung der Rechte der Kinder, einschließlich Zwangsvertreibung, Entführung, sexueller Mißbrauch, Aushebung zum Militärdienst und Einsatz von Kindern als Spione oder menschliche Schutzschilde ... Die internationale Gemeinschaft muß diese Verletzungen mit lauter Stimme so darstellen, wie sie sind: nämlich untragbar und unannehmbar“ (vgl. Carol Bellamy, Exekutivdirektorin von Unicef, Bogota; 30. April 1999). „Der Bereich des Verkaufs von und des Handels mit Kindern ist nicht auf die kommerzielle sexuelle Ausbeutung beschränkt. Es gibt Anhaltspunkte für die Annahme einer großen Nachfrage nach Kindern als verkäufliche Ware zum Zweck der Adoption oder als Arbeiter“ (Ms. Ofelia Calcetas-Santos, Sonderberichterstatterin über den Verkauf von Kindern, Kinderprostitution und Kinderpomographie, bei der 55. Tagung der Menschenrechtskommission am 15. April 1999). Herr Präsident! Diese Zitate aus drei international bekannten Quellen über die Rechte und den Schutz von Kindern bezeichnen einen sehr traurigen Rückstand dieses ausgehenden Jahrtausends und eine tragische Ironie zu Beginn des neuen. Hat die internationale Gemeinschaft nach nur einem Jahrzehnt seit der Verabschiedung der Kinderrechtskonvention die Kinder der Welt im Stich gelassen? Eine Generation, der sehr viel daran liegt, den Kindern die besten Garantien für die Zukunft mit auf den Weg zu geben, erlebt derzeit einen schrecklichen Rückschlag in ihrem Schutz der Rechte und der Zukunft der Kinder. Oder haben wir die richtige Sichtweise in Bezug auf den „Frühling des Lebens“ verloren? In der Stellungnahme von Herrn Otunnu, die ich vorhin zitierte, sprach er von einer „Stärkung der traditionellen Wertesysteme“. Der Hl. Stuhl begrüßt diesen Vorschlag vollkommen. Achtung vor der Würde des Menschen, Heiligkeit der Familie und die Rolle der Eltern in der Erziehung der Kinder sind grundlegende Werte. Wenn diese Werte absichtlich bei- 1303 ANHANG seitegeschoben werden, genießen die Kinder nicht die Sicherheit, Geborgenheit und Fürsorge, die absolute Voraussetzungen für gesundes Wachstum und Entwicklung sind. Die Kinderrechtskonvention, die am 20. November 1989 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, stellt allerdings eine feierliche Anerkennung der obengenannten Werte durch die internationale Gemeinschaft dar. Und doch wurden gerade während des letzten Jahrzehnts innerhalb der internationalen Gemeinschaft wiederholte Versuche unternommen, um diese Werte nicht zu beachten oder sogar mit Füßen zu treten. Wenn manche Delegationen auf der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung dieser Werte bestanden, wurden sie als Gegner angegriffen. In seiner Botschaft zum diesjährigen Weltfriedenstag schrieb Papst Johannes Paul II.: „Meine Besorgnis gilt denen, die im Kontakt des Krieges leben und aufwachsen, und denen, die nichts anderes als Krieg und Gewalttätigkeit kennenge-lemt haben. Die Überlebenden werden für den Rest ihres Lebens unter den Wunden einer solch schrecklichen Erfahrung zu leiden haben. Was soll man über die mindeijährigen Soldaten sagen? Kann man je akzeptieren, dass kaum erwachte Menschenleben so ruiniert werden? Müssen diese Kinder, die zum Töten ausgebildet werden und oft auch gedrängt sind, es zu tun, nicht schwerste Probleme bei ihrer nachfolgenden Eingliederung in die bürgerliche Gesellschaft haben? Ihre Ausbildung wird unterbrochen, und ihre beruflichen Fähigkeiten werden unterdrückt. Welche Folgen wird das für ihre Zukunft haben! Die Kinder brauchen Frieden. Sie haben ein Recht darauf1 (Nr. 11). Herr Präsident! Die fürchterlichen Verbrechen, die gegen Millionen geborener und ungeborener Kinder begangen werden, bestätigen folgende Tatsache: Wenn die Grundwerte nicht geachtet werden, wird die Familie der Nationen schließlich die Friedhöfe der künftigen Generationen anlegen, anstatt Kindern eine positive Zukunft zu sichern. Der erste Schritt in die richtige Richtung wird sein, ein objektives und fundiertes internationales Bewusstsein bezüglich der Menschenwürde zu wecken. „Die Würde und der Wert der menschlichen Person“, die in der Präambel zur Charta der Menschenrechte der Vereinten Nationen feierlich verkündet und in der Präambel zur Kinderrechtskonvention bestätigt werden, dürfen nicht zu einfachen Podiumsparolen verkommen, sondern sie müssen zu einem Grundprinzip des täglichen Lebens werden. Nur wenn eine kompromisslose Achtung vor dieser Würde und diesem Wert tiefe Wurzeln im Herzen jedes Menschen, jeder Gesellschaft und jeder Nation schlägt, werden auch die Rechte der Kinder auf der ganzen Welt geschützt. Liebe und Fürsorge sind der echte Ausdruck dieser Achtung. Wenn Liebe und Fürsorge vorenthalten werden, dann wird die Achtung vor dem Leben in Frage gestellt, und das Ergebnis ist Gewalt. Liebesentzug schafft Gewalt, und nichts, aber auch gar nichts, kann die Rolle fürsorglicher Liebe ersetzen. Solche Liebe und Fürsorge sind nur im Kontext einer Familie gewährleistet. Die 1304 ANHANG Zerstörung der Familie und ihrer unverletzlichen Einrichtungen wird sich negativ auf die Zukunft der Kinder und Jugendlichen auswirken. Wenn wir die Kinder aus dem Umfeld einer liebevollen und umsorgenden Familie herausreißen, werden wir sicherlich eine gewalttätige Jugend und eine Zunahme der Jugendkriminalität erleben. Wenn sich Staaten entschließen, die Kinder zu schützen, dann ist die Stärkung der Familie das beste Mittel dazu; denn dort gehören die Kinder hin und nicht auf Schlachtfelder oder in die dunklen Ecken von Drogen und Gewalt. Viele, die die Familie auf eine einfache Beziehung reduzieren möchten oder sie durch irrige Ansichten zu schwächen versuchen, bringen die Zukunft der kommenden Generationen in große Gefahr. Herr Präsident! Neben Liebe und Fürsorge brauchen Kinder auch die richtige Führung. Die Eltern sind mit der Erziehung ihrer Kinder betraut, und ihre Rolle ist absolut wesentlich: Sie ist zugleich Pflicht und Privileg. Sie ist eine Pflicht, die sie als Eltern frei-willig übernehmen. Diese Pflicht können sie nur dann erfolgreich erfüllen, wenn sie bereit sind, sie mit Hingabe und Großherzigkeit zu übernehmen. Sie ist aber auch ein Privileg, weil sie als Eltern zur Bildung einer neuen Generation engagierter Männer und Frauen beitragen. Eine egoistische Einstellung der Eltern gegenüber ihren Kindern, Vernachlässigung ihrer elterlichen Pflichten oder die geteilte Loyalität, zu der Kinder oft gezwungen sind, werden negative Auswirkungen auf ihre Zukunft haben. Vor zwanzig Jahren, im Internationalen Jahr des Kindes, sagte Papst Johannes Paul II. in seiner Ansprache vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen: „Ich möchte deshalb vor den versammelten Vertretern so vieler Nationen der Welt der Freude Ausdruck geben, die für jeden von uns die Kinder bedeuten, der Frühling des Lebens, der Anfang der zukünftigen Geschichte eines jeden hier vertretenen Vaterlandes. Kein Land der Welt, kein politisches System kann anders an seine eigene Zukunft denken als nur mit dem Blick auf diese neuen Generationen, die von ihren Eltern das vielfältige Erbe an Werten, Verpflichtungen und Hoffnungen der Nation, zu der sie gehören, zusammen mit dem Erbe der gesamten Menschheitsfamilie übernehmen“ (Ansprache am 2. Oktober 1979, Nr. 21). Zwei Jahrzehnte nach dem Internationalen Jahr des Kindes und fast ein Jahrzehnt nach dem Inkrafttreten der Kinderrechtskonvention sind über 20 Millionen Kinder Opfer von bewaffneten Konflikten geworden. Viele weitere Kinder leiden an extremer Armut und Ausbeutung. Jede Verzögerung durch die internationale Gemeinschaft in ihren Maßnahmen zur Beendigung dieses schweren Verbrechens -einerseits der Unterlassung und andererseits der Bestätigung - bedeutet das Verweigern einer Zukunft für diese Millionen von Menschen. Die internationale Gemeinschaft sollte jeden Versuch von jeglicher Seite, Kinder in bewaffnete Konflikte zu verwickeln, verurteilen und ihre Entschlossenheit, sie vor den Aus- und Nachwirkungen solcher Konflikte zu schützen, zum Ausdruck bringen. Außerdem sollte sie konzertierte Maßnahmen ergreifen, um ihnen eine bessere Zukunft zu sichern. Vorbeugung, Schutz und Wiedereingliederung in die 1305 ANHANG Gesellschaft sind dringend nötig. Bei dem Prozess der Wiedereingliederung sollte der Heilung und Erziehung besondere Sorgfalt gewidmet werden. Nicht eine einzige Knospe des Lebens sollte verblühen dürfen, noch bevor sie die Möglichkeit hatte, zur vollen Blüte zu kommen. Herr Präsident! Der Hl. Stuhl wird auch in Zukunft die Würde jedes Menschen verteidigen, die Werte der Familie schützen und die Rolle der Eltern in der Erziehung ihrer Kinder unterstützen. Denn er ist überzeugt, dass diese Werte für jedes echte Unternehmen zum Schutz der Kinder auf der ganzen Welt wesentlich sind. Außerdem fühlt sich der Hl. Stuhl seiner zweitausendjährigen Tradition im Dienst an den bedürftigen Kindern dieser Welt verpflichtet. In der Tat kann die internationale Gemeinschaft auf dieses stete Engagement und auf diese Mitarbeit immer und überall dort zählen, wo die obengenannten Werte gewahrt und verteidigt werden. Lassen Sie mich mit den Worten von Papst Johannes Paul II. schließen: „Ich erneuere daher meinen Appell an die Verantwortlichen im politischen und gesellschaftlichen Leben, daß sie, an den Grundsätzen der Moral und des Rechts Orientierung nehmend, auf jede Weise verhindern, daß Kinder zu Kriegsakteuren werden und gezwungen sind, Waffen zu ergreifen und ihresgleichen zu töten ... Wenn wir den Frieden wollen, erziehen wir diejenigen zum Frieden, die sich anschicken, die Gesellschaft von morgen aufzubauen“ (Regina caeli am 6. April 1997). Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Botschaft zum Abschluss der Interreligiösen Begegnung beim öffentlichen Festakt auf dem Petersplatz am 28. Oktober An der Schwelle des Dritten Jahrtausends möchten wir, Vertreter verschiedener religiöser Traditionen, die im „Geist von Assisi“ aus vielen Teilen der Welt in der Vatikanstadt zusammengekommen sind, die Früchte der in diesen Tagen gesammelten Erfahrungen, die herangereiften Überzeugungen und die Hoffnung, womit wir uns der Zukunft unserer Welt gegenüberstellen, teilen. Wir sind uns der dringenden Notwendigkeit bewusst: - verantwortungsbewusst und mutig an die Probleme und Herausforderungen der modernen Welt heranzugehen (Armut, Rassismus, Umweltverschmutzung, Materialismus, Kriege und Waffenhandel, Globalisierung, AIDS, Mangel an medizinischer Hilfe, Zerrüttung der Familie und der Gemeinschaft, Ausgrenzung der Frauen und Kinder); - gemeinsam zu arbeiten, um die menschliche Würde als Quelle der Menschenrechte und der entsprechenden Pflichten zu bekräftigen; sowie zusammenzuwirken im Kampf für die Gerechtigkeit und den Frieden für alle; - ein mit den religiösen Traditionen in Einklang stehendes, neues geistiges Bewusstsein für das ganze Menschengeschlecht zu schaffen, um zu bewirken, dass dem Grundsatz der Respektierung der Religionsfreiheit und der Gewissensfreiheit 1306 ANHANG Vorrang gegeben wird. Wir sind überzeugt, dass unsere religiösen Traditionen über Mittel und Wege verfügen, die notwendig sind, um die Zersplitterungen, die wir in der Welt beobachten; zu überwinden und die gegenseitige Freundschaft und die Achtung unter den Völkern zu fördern. Wir sind uns bewusst, dass viele tragische Konflikte in der Welt ihren Ursprung in der pragmatischen und oft ungerechten Verbindung von Religionen mit nationalistischen, politischen, wirtschaftlichen und anderen Interessen haben. Wir sind uns bewusst, dass wir, wenn wir nicht die Pflicht erfüllen, die höchsten Ideale unserer religiösen Traditionen in die Praxis umzusetzen, für die Konsequenzen verantwortlich gemacht und streng gerichtet werden. Wir wissen, dass die Probleme, die die Welt belasten, von solcher Tragweite sind, dass wir nicht imstande sind, sie im Alleingang zu lösen. Daher besteht eine dringende Notwendigkeit zu interreligiöser Zusammenarbeit. Wir alle sind uns bewusst, dass die religiöse Zusammenarbeit nicht den Verzicht auf unsere religiöse Identität beinhaltet, sondern eher ein Weg ist, der zu Entdeckungen führt: - Wir lernen gegenseitige Achtung als Glieder einer einzigen Menschheitsfamilie; -wir lernen sowohl die Unterschiede achten als auch die gemeinsamen Werte schätzen, die uns miteinander verbinden. Wir sind also überzeugt, dass wir imstande sind, zusammenzuarbeiten in dem Bemühen, Konflikten vorzubeugen und die Krisen zu überwinden, die in den verschiedenen Teilen der Welt bestehen. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Religionen muss sich stützen auf die Ablehnung von Fanatismus, extremistischer Einstellung und von gegensätzlichen Positionen, die zur Gewalttätigkeit führen. Wir alle sind uns der Wichtigkeit der Instruktion und Information bewusst als Mittel, das gegenseitige Verstehen, die Zusammenarbeit und die wechselseitige Achtung zu fördern. Das beinhaltet: - die Familie als Grundpfeiler der Gesellschaft zu unterstützen; - den jungen Generationen zu helfen, ihr Gewissen zu bilden; - die grundlegenden und gemeinsamen moralischen und geistig-geistlichen Werte zu betonen; -ein geistliches Leben zu pflegen (durch das Gebet, die Meditation und die Sammlung, jeweils der Praxis einer jeden religiösen Tradition entsprechend); - alle Mittel, einschließlich der Massenmedien, anzuwenden, um Informationen über die gegenseitigen religiösen Traditionen zu vermitteln; - sich zu vergewissern, dass Texte, die Geschichte und Religion betreffen, eine objektive Darstellung der religiösen Traditionen bieten, damit die zu diesen Traditionen gehörenden Menschen sich in ihnen wiedererkennen können. Alle sind berufen, sich in diesen interreligiösen und interkulturellen Dialog einzuschalten. 1307 ANHANG Das führt uns zu einer Anzahl von Aufrufen: Wir rufen die religiösen Führer auf, im Umkreis der einzelnen Gemeinschaften den Geist des Dialogs zu fordern und gegenüber der zivilen Gesellschaft auf jeder Ebene dialogbereit zu sein. Wir appellieren an alle führenden Persönlichkeiten der Welt, unabhängig von ihrem Einflussgebiet, dass sie: - sich weigern zu gestatten, dass die Religion als Aufwiegelung zu Hass und Gewalt missbraucht wird; - sich weigern zu gestatten, dass die Religion missbraucht wird, um Diskriminierung zu rechtfertigen; -den religiösen Boden in der Gesellschaft auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene anerkennen; -die Armut ausmerzen und für die soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit kämpfen. Im Geist des Jubiläums wenden wir uns an uns alle, die wir heute hier zusammengekommen sind: um Vergebung zu suchen für die Irrtümer von gestern; um die Versöhnung zu fordern, wo die schmerzvollen Erfahrungen der Vergangenheit Zwietracht und Hass verursacht haben, und nicht zu gestatten, dass das Vergangene sich hindernd dem Weg zu gegenseitiger Achtung und Liebe entgegenstelle; um uns für die Überwindung des Unterschieds zwischen Reichen und Armen einzusetzen, und um für eine Welt zu arbeiten, in der wahrer und dauerhafter Friede herrscht. Mit Freude und Dank - die meisten von uns würden sagen: mit dank in erster Linie Gott gegenüber - bieten die hier zu dieser Interreligiösen Begegnung versammelten Teilnehmer ihren Brüdern und Schwestern diese Botschaft der Hoffnung an. [verlesen von Francis Kardinal Arinze, Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog] 1308 ANHANG Erklärung zur Rechtfertigungslehre Gemeinsame Erklärung des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche unterzeichnet vom Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Bischof Christian Krause, und dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Edward Idris Kardinal Cassidy, in Augsburg am 31. Oktober Präambel 1. Die Lehre von der Rechtfertigung hatte für die lutherische Reformation des 16. Jahrhunderts zentrale Bedeutung. Sie galt ihr als der „erste und Hauptartikel“, <782> der zugleich „Lenker und Richter über alle Stücke christlicher Lehre“ <783> sei. Ganz besonders wurde die Rechtfertigungslehre in der reformatorischen Ausprägung und ihrem besonderen Stellenwert gegenüber der römisch-katholischen Theologie und Kirche der damaligen Zeit vertreten und verteidigt, die ihrerseits eine anders geprägte Rechtfertigungslehre vertraten und verteidigten. Hier lag aus reformatori-scher Sicht der Kernpunkt aller Auseinandersetzungen. Es kam in den lutherischen Bekenntnisschriften <784> und auf dem Trienter Konzil der römisch-katholischen Kirche zu Lehrverurteilungen, die bis heute gültig sind und kirchentrennende Wirkung haben. <782> Schmalkaldische Artikel 11,1 (Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, 3. Aufl. [Göttingen 1956} 415). ^ ,Jlector et iudex super omnia genera doctrinarum“ (Weimarer Ausgabe von Luthers Werken, 39,1,205). <784> Es sei daraufhingewiesen, dass eine Reihe von lutherischen Kirchen nur die Confessio Augustana und Luthers Kleinen Katechismus zu ihren verbindlichen Lehrgrundlagen rechnen. Diese Bekenntnisschriften enthalten keine die Rechtfertigungslehre betreffenden Lehrverurteilungen gegenüber der römisch-katholischen Kirche. 2. Die Rechtfertingungslehre hat für die lutherische Tradition jenen besonderen Stellenwert bewahrt. Deshalb nahm sie auch im offiziellen lutherisch-katholischen Dialog von Anfang an einen wichtigen Platz ein. 3. In besonderer Weise sei verwiesen auf die Berichte Evangelium und Kirche“ (1972) <785> und Einehe und Rechtfertigung“ (1994) <786> der internationalen Gemeinsamen Römisch-katholischen/Evangelisch-lutherischen Kommission, auf den Bericht „Rechtfertigung durch den Glauben“ (1983) <787> des katholisch-lutherischen Dialogs <785> Bericht der Evangelisch-lutherisch/Römisch-katholischen Studienkommission ,f)as Evangelium und die Kirche1972 („Malta-Bericht“): Dokumente wachsender Übereinstimmung [= DwÜ]. Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene. Bd. I. 1931-1982, hg. v. H. Meyer u.a. (Paderborn-Frankfurt 21991) 248-271. <786> Gemeinsame Römisch-katholische/Evangelisch-lutherische Kommission (Hg.), Kirche und Rechtfertigung. Das Verständnis der Kirche im Licht der Rechtfertigungslehre (Paderborn-Frankfurt 1994). <787> Lutherisch/Römisch-Katholischer Dialog in den USA: Rechtfertigung durch den Glauben (1983): Rechtfertigung im ökumenischen Dialog. Dokumente und Einführung, hg. v. H. Meyer u. G. Gaßmann = ÖkPer 12 (Frankfurt 1987) 107-200. 1309 ANHANG in den USA und die Studie „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?“ (1986) <788> des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen in Deutschland. Einige von diesen Dialogberichten haben eine offizielle Rezeption erfahren. Ein wichtiges Beispiel ist die verbindliche Stellungnahme, die die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands zusammen mit den anderen Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem höchstmöglichen Grad kirchlicher Anerkennung zu der Studie über die Lehrverurteilungen verabschiedet hat (1994). <789> <788> Lehrverurteilungen — kirchentrennend} I. Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute = DiKi 4, hg. v. K. Lehmann u. W. Pannenberg (Freiburg-Göttingen 31988). <789> Gemeinsame Stellungnahme der Amoldshainer Konferenz, der Vereinigten Evangelischen-Lutherischen Kirche Deutschlands und des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes zum Dokument ,Lehrverurteilungen — kirchentrennend}': ÖR 44 (1995) 99-102; einschließlich der diesem Beschluß zugrundeliegenden Stellungnahmen, vgl. Lehrverurteilungen im Gespräch. Die ersten offiziellen Stellungnahmen aus der evangelischen Kirche in Deutschland (Göttingen 1993). 4. All die genannten Dialogberichte und auch die Stellungnahmen dazu zeigen in ihrer Erörterung der Rechtfertigungslehre untereinander ein hohes Maß an gemeinsamer Ausrichtung und gemeinsamem Urteil. Es ist darum an der Zeit, Bilanz zu ziehen und die Ergebnisse der Dialoge über die Rechtfertigung in einer Weise zusammenzufassen, die unsere Kirchen in der gebotenen Präzision und Kürze über den Gesamtertrag dieses Dialogs informiert und es ihnen zugleich ermöglicht, sich verbindlich dazu zu äußern. 5. Das will diese Gemeinsame Erklärung tun. Sie will zeigen, dass aufgrund des Dialogs die unterzeichnenden lutherischen Kirchen und die römisch-katholische Kirche <790> nunmehr imstande sind, ein gemeinsames Verständnis unserer Rechtfertigung durch Gottes Gnade im Glauben an Christus zu vertreten. Sie enthält nicht alles, was in jeder der Kirchen über Rechtfertigung gelehrt wird; sie umfasst aber einen Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre und zeigt, dass die weiterhin unterschiedlichen Entfaltungen nicht länger Anlass für Lehrverurteilungen sind. <790> In dieser Erklärung gibt das Wort .Kirche“ das jeweilige Selbstverständnis der beteiligten Kirchen wieder, ohne alle damit verbundenen ekklesiologischen Fragen entscheiden zu wollen. 6. Unsere Erklärung ist keine neue und selbständige Darstellung neben den bisherigen Dialogberichten und Dokumenten, erst recht will sie diese nicht ersetzen. Sie bezieht sich vielmehr - wie der Anhang über die Quellen zeigt - auf die genannten Texte und deren Argumentation. 7. Wie die Dialoge selbst so ist auch diese Gemeinsame Erklärung von der Überzeugung getragen, dass eine Überwindung bisheriger Kontrovers fragen und Lehrverurteilungen weder die Trennungen und Verurteilungen leicht nimmt, noch die eigene kirchliche Vergangenheit desavouiert. Sie ist jedoch von der Überzeugung bestimmt, dass unseren Kirchen in der Geschichte neue Einsichten Zuwachsen und dass sich Entwicklungen vollziehen, die es ihnen nicht nur erlauben, sondern von 1310 ANHANG ihnen zugleich fordern, die trennenden Fragen und Verurteilungen zu überprüfen und in einem neuen Licht zu sehen. 1. Biblische Rechtfertigungsbotschaft 8. Zu diesen neuen Einsichten hat unsere gemeinsame Art und Weise geführt, auf das Wort Gottes in der Heiligen Schrift zu hören. Gemeinsam hören wir das Evangelium, dass „Gott die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Diese frohe Botschaft wird in der Heiligen Schrift in verschiedener Weise dargestellt. Im Alten Testament hören wir das Wort Gottes von der menschlichen Sündhaftigkeit (Ps 51,1-5; Dan 9,5 f.; Koh 8,9 f.; Esra 9,6 f.) und vom menschlichen Ungehorsam (Gen 3,1-19; Neh 9,16 f.26) sowie von der Gerechtigkeit (Jes 46,13; 51,5-8; 56,1; [vgl. 53,11]; Jer 9,24) und vom Gericht Gottes (Koh 12,14; Ps 9,5 f.; 76,7-9). 9. Im Neuen Testament werden bei Matthäus (5,10; 6,33; 21,32), Johannes (16,8-11), im Hebräerbrief (5,13; 10,37 f.) und im Jakobusbrief (2,14-26) die Themen „Gerechtigkeit“ und „Rechtfertigung“ unterschiedlich behandelt“. <791> Auch in den paulinischen Briefen wird die Gabe des Heils auf verschiedene Weise beschrieben, unter anderem: als „Befreiung zur Freiheit“ (Gal 5,1-13; vgl. Röm 6,7), als „Versöhnung mit Gott“ (2 Kor 5,18-21; vgl. Röm 5,1 1), als „Frieden mit Gott“ (Röm <791> Vgl. Malta-Bericht Nm. 26-30; Rechtfertigung durch den Glauben Nm. 122-147. Die nichtpaulinischen neutestamentlichen Zeugnisse wurden im Auftrag des US-Dialogs Rechtfertigung durch den Glauben“ untersucht von J. Reumann: Righteousness in the New Testament, mit Antworten von J. Fitzmeyer und J.D. Quinn (Philadelphia, New York 1982) 124-180. Die Ergebnisse dieser Studie wurden im Dialogbericht „Rechtfertigung durch den Glauben “ in den Nm. 139-142 zusammengefasst. 5.1) , als „neue Schöpfung“ (2 Kor 5,17), als „Leben für Gott in Christus Jesus“ (Röm 6,11.23), oder als „Heiligung in Christus Jesus“ (vgl. 1 Kor 1,2; 1,30, 2 Kor 1.1) . Herausragend unter diesen Bezeichnungen ist die Beschreibung als „Rechtfertigung“ des Sünders durch Gottes Gnade im Glauben (Röm 3,23-25), die in der Reformationszeit besonders hervorgehoben wurde. 10. Paulus beschreibt das Evangelium als Kraft Gottes zur Rettung des unter die Macht der Sünde gefallenen Menschen: als Botschaft, die die „Gerechtigkeit Gottes aus Glauben zum Glauben“ (Röm 1,16 f.) verkündet und die „Rechtfertigung“ (Röm 3,21-31) schenkt. Er verkündet Christus als „unsere Gerechtigkeit“ (1 Kor 1,30), indem er auf den auferstandenen Herrn anwendet, was Jeremias über Gott selbst verkündet hat (Jer 23,6). In Christi Tod und Auferstehung sind alle Dimensionen seines Erlösungswerkes verwurzelt, denn er ist „unser Herr, der wegen unserer Verfehlungen hingegeben, wegen unserer Gerechtigkeit auferweckt wurde“ (Röm 4,25). Alle Menschen bedürfen der Gerechtigkeit Gottes, denn „alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren“ (Röm 3,23; vgl. Röm 1,18— 3,20; 11,32; Gal 3,22). Im Galaterbrief (3,6) und im Römerbrief (4,3-9) versteht 1311 ANHANG Paulus den Glauben Abrahams {Gen 15,6) als Glauben an den Gott, der den Sünder rechtfertigt (Röm 4,5) und beruft sich auf das Zeugnis des Alten Testaments, um sein Evangelium zu unterstreichen, dass jene Gerechtigkeit allen angerechnet wird, die wie Abraham auf Gottes Versprechen vertrauen. „Der aus Glauben Gerechte wird leben“ {Hab 2,4; vgl. Gal 3,11; Röm 1,17). In den paulinischen Briefen ist Gottes Gerechtigkeit zugleich Gottes Kraft für jeden Glaubenden (Röm 1,16 f.). In Christus lässt er sie unsere Gerechtigkeit sein (2 Kor 5,21). Die Rechtfertigung wird uns zuteil durch Christus Jesus, „den Gott dazu bestimmt hat, Sühne zu leisten mit seinem Blut, Sühne, wirksam durch Glauben“ (Röm 3,25; vgl. 3,21-28). „Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft -Gott hat es geschenkt -, nicht aufgrund eurer Werke“ (Eph 2,8 f.). 11. Rechtfertigung ist Sündenvergebung (Röm 3,23-25; Apg 13,39; Lk 18,14), Befreiung von der herrschenden Macht der Sünde und des Todes (Röm 5,12-21) und vom Fluch des Gesetzes (Gal 3,10-14). Sie ist Aufnahme in die Gemeinschaft mit Gott, schon jetzt, vollkommen aber in Gottes künftigem Reich (Röm 5,1 f.). Sie vereinigt mit Christus und seinem Tod und seiner Auferstehung (Röm 6,5). Sie geschieht im Empfangen des Heiligen Geistes in der Taufe als Eingliederung in den einen Leib (Röm 8,1 f.; 8,9 f.; 1 Kor 12,12 f.). All das kommt allein von Gott um Christi willen aus Gnade durch den Glauben an das „Evangelium vom Sohn Gottes“ (Röm 1,1-3). 12. Die Gerechtfertigten leben aus dem Glauben, der aus dem Wort Christi kommt (Röm 10,17) und der in der Liebe wirkt (Gal 5,6), die Frucht des Geistes ist (Gal 5,22 f.). Aber da Mächte und Begierden die Gläubigen äußerlich und innerlich anfechten (Röm 8,35-39, Gal 5,16-21) und diese in Sünde fallen (1 Joh 1,8.10), müssen sie die Verheißungen Gottes immer wieder hören, ihre Sünden bekennen (1 Joh 1,9), an Christi Leib und Blut teilhaben und ermahnt werden, in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes gerecht zu leben. Damm sagt der Apostel den Gerechtfertigten: „Müht euch mit Furcht und Zittern um euer Heil! Denn Gott ist es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, noch über euren guten Willen hinaus“ (Phil 2,12 f.). Die frohe Botschaft aber bleibt: „Jetzt gibt es keine Verurteilung mehr für die, welche in Christus Jesus sind“ (Röm 8,1) und in denen Christus lebt (Gal 2,20). Durch die gerechte Tat Christi wird es „für alle Menschen zur Gerechtsprechung kommen, die Leben gibt“ (Röm 5,18). 2. Die Rechtfertigungslehre als ökumenisches Problem 13. Die gegensätzliche Auslegung und Anwendung der biblischen Botschaft von der Rechtfertigung waren im 16. Jahrhundert ein Hauptgrund für die Spaltung der abendländischen Kirche, was sich auch in Lehrverurteilungen niedergeschlagen hat. Für die Überwindung der Kirchentrennung ist dämm ein gemeinsames Verständnis der Rechtfertigung grundlegend und unverzichtbar. In Aufnahme von bibelwissenschaftlichen, Theologie- und Dogmengeschichtlichen Erkenntnissen 1312 ANHANG hat sich im ökumenischen Dialog seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine deutliche Annäherung hinsichtlich der Rechtfertigungslehre herausgebildet, so dass in dieser gemeinsamen Erklärung ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre formuliert werden kann, in dessen Licht die entsprechenden Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts heute den Partner nicht treffen. 3. Das gemeinsame Verständnis der Rechtfertigung 14. Das gemeinsame Hören auf die in der Heiligen Schrift verkündigte frohe Botschaft und nicht zuletzt die theologischen Gespräche der letzten Jahre zwischen den lutherischen Kirchen und der römisch-katholischen Kirche haben zu einer Gemeinsamkeit im Verständnis von der Rechtfertigung geführt. Es umfasst einen Konsens in den Grundwahrheiten; die unterschiedlichen Entfaltungen in den Einzelaussagen sind damit vereinbar. 15. Es ist unser gemeinsamer Glaube, dass die Rechtfertigung das Werk des dreieinigen Gottes ist. Der Vater hat seinen Sohn zum Heil der Sünder in die Welt gesandt. Die Menschwerdung, der Tod und die Auferstehung Christi sind Grund und Voraussetzung der Rechtfertigung. Daher bedeutet Rechtfertigung, dass Christus selbst unsere Gerechtigkeit ist, derer wir nach dem Willen des Vaters durch den Heiligen Geist teilhaftig werden. Gemeinsam bekennen wir: Allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Christi, nicht auf Grund unseres Verdienstes, werden wir von Gott angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu guten Werken. <792> <792> Vgl. Alle unter einem Christus, Nr. 14: DwÜ I, 323-328. 16. Alle Menschen sind von Gott zum Heil in Christus berufen. Allein durch Christus werden wir gerechtfertigt, indem wir im Glauben dieses Heil empfangen. Der Glaube selbst ist wiederum Geschenk Gottes durch den Heiligen Geist, der im Wort und in den Sakramenten in der Gemeinschaft der Gläubigen wirkt und zugleich die Gläubigen zu jener Erneuerung ihres Lebens fuhrt, die Gott im ewigen Leben vollendet. 17. Gemeinsam sind wir der Überzeugung, dass die Botschaft von der Rechtfertigung uns in besonderer Weise auf die Mitte des neutestamentlichen Zeugnisses von Gottes Heilshandeln in Christus verweist: Sie sagt uns, dass wir Sünder unser neues Leben allein der vergebenden und neuschaffenden Barmherzigkeit Gottes verdanken, die wir uns nur schenken lassen und im Glauben empfangen, aber nie -in welcher Form auch immer - verdienen können. 18. Damm ist die Lehre von der Rechtfertigung, die diese Botschaft aufhimmt und entfaltet, nicht nur ein Teilstück der christlichen Glaubenslehre. Sie steht in einem wesenhaften Bezug zu allen Glaubenswahrheiten, die miteinander in einem inneren Zusammenhang zu sehen sind. Sie ist ein unverzichtbares Kriterium, das die ge- 1313 ANHANG samte Lehre und Praxis der Kirche unablässig auf Christus hin orientieren will. Wenn Lutheraner die einzigartige Bedeutung dieses Kriteriums betonen, verneinen sie nicht den Zusammenhang und die Bedeutung aller Glaubenswahrheiten. Wenn Katholiken sich von mehreren Kriterien in die Pflicht genommen sehen, verneinen sie nicht die besondere Funktion der Rechtfertigungsbotschaft. Lutheraner und Katholiken haben gemeinsam das Ziel, in allem Christus zu bekennen, dem allein über alles zu vertrauen ist als dem einen Mittler (1 Tim 2,5 f.), durch den Gott im Heiligen Geist sich selbst gibt und seine erneuernden Gaben schenkt [vgl. Quellen zu Kap. 3]. 4. Die Entfaltung des gemeinsamen Verständnisses der Rechtfertigung 4.1 Unvermögen und Sünde des Menschen angesichts der Rechtfertigung 19. Wir bekennen gemeinsam, dass der Mensch im Blick auf sein Heil völlig auf die rettende Gnade Gottes angewiesen ist. Die Freiheit, die er gegenüber den Menschen und den Dingen der Welt besitzt, ist keine Freiheit auf sein Heil hin. Das heißt, als Sünder steht er unter dem Gericht Gottes und ist unfähig, sich von sich aus Gott um Rettung zuzuwenden oder seine Rechtfertigung vor Gott zu verdienen oder mit eigener Kraft sein Heil zu erreichen. Rechtfertigung geschieht allein aus Gnade. Weil Katholiken und Lutheraner das gemeinsam bekennen, dämm gilt: 20. Wenn Katholiken sagen, dass der Mensch bei der Vorbereitung auf die Rechtfertigung und deren Annahme durch seine Zustimmung zu Gottes rechtfertigendem Handeln,unitwirke“, so sehen sie in solch personaler Zustimmung selbst eine Wirkung der Gnade und kein Tun des Menschen aus eigenen Kräften. 21. Nach lutherischer Auffassung ist der Mensch unfähig, bei seiner Errettung mitzuwirken, weil er sich als Sünder aktiv Gott und seinem rettenden Handeln widersetzt. Lutheraner verneinen nicht, dass der Mensch das Wirken der Gnade ablehnen kann. Wenn sie betonen, dass der Mensch die Rechtfertigung nur empfangen kann (mere passive), so verneinen sie damit jede Möglichkeit eines eigenen Beitrags des Menschen zu seiner Rechtfertigung, nicht aber sein volles personales Beteiligtsein im Glauben, das vom Wort Gottes selbst gewirkt wird [vgl. Quellen zu Kap. 4.1]. 4.2 Rechtfertigung als Sündenvergebung und Gerechtmachung 22. Wir bekennen gemeinsam, dass Gott aus Gnade dem Menschen die Sünde vergibt und ihn zugleich in seinem Leben von der knechtenden Macht der Sünde befreit und ihm das neue Leben in Christus schenkt. Wenn der Mensch an Christus im Glauben teilhat, rechnet ihm Gott seine Sünde nicht an und wirkt in ihm tätige Liebe durch den Heiligen Geist. Beide Aspekte des Gnadenhandelns Gottes dürfen nicht voneinander getrennt werden. Sie gehören in der Weise zusammen, dass der Mensch im Glauben mit Christus vereinigt wird, der in seiner Person unsere Ge- 1314 ANHANG rechtigkeit ist (1 Kor 1,30): sowohl die Vergebung der Sünden, als auch die heiligende Gegenwart Gottes. Weil Katholiken und Lutheraner das gemeinsam bekennen, dämm gilt: 23. Wenn Lutheraner betonen, dass Christi Gerechtigkeit unsere Gerechtigkeit ist, wollen sie vor allem festhalten, dass dem Sünder durch den Zuspmch der Vergebung die Gerechtigkeit vor Gott in Christus geschenkt wird und sein Leben nur in Verbindung mit Christus erneuert wird. Wenn sie, sagen, dass Gottes Gnade vergebende Liebe („Gunst Gottes“) <793> ist, verneinen sie damit nicht die Erneuerung des Lebens des Christen, sondern wollen zum Ausdruck bringen, dass die Rechtfertigung frei bleibt von menschlicher Mitwirkung und auch nicht von der lebensemeu-emden Wirkung der Gnade im Menschen abhängt. Vgl. WA 8, 106. 24. Wenn die Katholiken betonen, dass dem Gläubigen die Erneuerung des inneren Menschen durch den Empfang der Gnade geschenkt wird, <794> dann wollen sie festhalten, dass die vergebende Gnade Gottes, immer mit dem Geschenk eines neuen Lebens verbunden ist, das sich im Heiligen Geist in tätiger Liebe auswirkt; sie verneinen damit aber nicht, dass Gottes Gnadengabe in der Rechtfertigung unabhängig bleibt von menschlicher Mitwirkung [vgl. Quellen zu Kap. 4.2]. Vgl. DS 1528. 4.3 Rechtfertigung durch Glauben und aus Gnade 25. Wir bekennen gemeinsam, dass der Sünder durch den Glauben an das Heilshandeln Gottes in Christus gerechtfertigt wird; dieses Heil wird ihm vom Heiligen Geist in der Taufe als Fundament seines ganzen christlichen Lebens geschenkt. Der Mensch vertraut im rechtfertigenden Glauben auf Gottes gnädige Verheißung, in dem die Hoffnung auf Gott und die Liebe zu ihm eingeschlossen sind. Dieser Glaube ist in der Liebe tätig; dämm kann und darf der Christ nicht ohne Werke bleiben. Aber alles, was im Menschen dem freien Geschenk des Glaubens vorausgeht und nachfolgt, ist nicht Grand der Rechtfertigung und verdient sie nicht. 26. Nach lutherischem Verständnis rechtfertigt Gott den Sünder allein im Glauben , (sola fide). Im Glauben vertraut der Mensch ganz auf seinen Schöpfer und Erlöser und ist so in Gemeinschaft mit ihm. Gott selber bewirkt den Glauben, indem er durch sein schöpferisches Wort solches Vertrauen hervorbringt. Weil diese Tat Gottes eine neue Schöpfung ist, betrifft sie alle Dimensionen der Person und führt zu einem Leben in Hoffnung und Liebe. So wird in der Lehre von der „Rechtfertigung allein durch den Glauben“ die Emeuemng der Lebensführung, die aus der Rechtfertigung notwendig folgt und ohne die kein Glaube sein kann, zwar von der Rechtfertigung unterschieden, aber nicht getrennt. Vielmehr wird damit der Grund angegeben, aus dem solche Emeuemng hervorgeht. Aus der Liebe Gottes, die dem Menschen in der Rechtfertigung geschenkt wird, erwächst die Erneuerung des 12 13 1315 ANHANG Lebens. Rechtfertigung und Erneuerung sind durch den im Glauben gegenwärtigen Christus verbunden. 27. Auch nach katholischem Verständnis ist der Glaube für die Rechtfertigung fundamental; denn ohne ihn kann es keine Rechtfertigung geben. Der Mensch wird als Hörer des Wortes und Glaubender durch die Taufe gerechtfertigt. Die Rechtfertigung des Sünders ist Sündenvergebung und Gerechtmachung durch die Rechtfertigungsgnade, die uns zu Kindern Gottes macht. In der Rechtfertigung empfangen die Gerechtfertigten von Christus Glaube, Hoffnung und Liebe und werden so in die Gemeinschaft mit ihm aufgenommen. <795> Dieses neue personale Verhältnis zu Gott gründet ganz und gar in der Gnädigkeit Gottes und bleibt stets vom heilsschöpferischen Wirken des gnädigen Gottes abhängig, der sich selbst treu bleibt und auf den der Mensch sich darum verlassen kann. Deshalb wird die Rechtfertigungsgnade nie Besitz des Menschen, auf den er sich Gott gegenüber berufen könnte. Wenn nach katholischem Verständnis die Erneuerung des Lebens durch die Rechtfertigungsgnade betont wird, so ist diese Erneuerung in Glaube, Hoffnung und Liebe immer auf die grundlose Gnade Gottes angewiesen und leistet keinen Beitrag zur Rechtfertigung, dessen wir uns vor Gott rühmen könnten (Röm 3,27) [vgl. Quellen zu Kap. 4.3], <795> Vgl. DS 1530. 4.4 Das Sündersein des Gerechtfertigten 28. Wir bekennen gemeinsam, dass der Heilige Geist in der Taufe den Menschen mit Christus vereint, rechtfertigt und ihn wirklich erneuert. Und doch bleibt der Gerechtfertigte zeitlebens und unablässig auf die bedingungslos rechtfertigende Gnade Gottes angewiesen. Auch er ist der immer noch andrängenden Macht und dem Zugriff der Sünde nicht entzogen (vgl. Röm 6,12-14) und des lebenslangen Kampfes gegen die Gottwidrigkeit des selbstsüchtigen Begehrens des alten Menschen nicht enthoben (vgl. Gal 5,16; Röm 7,7.10). Auch der Gerechtfertigte muss wie im Vaterunser täglich Gott um Vergebung bitten (Mt 6,12; 1 Joh 1,9), er ist immer wieder zu Umkehr und Buße gerufen, und ihm wird immer wieder die Vergebung gewährt. 29. Das verstehen Lutheraner in dem Sinne, dass der Christ „zugleich Gerechter und Sünder“ ist: Er ist ganz gerecht, weil Gott ihm durch Wort und Sakrament seine Sünde vergibt und die Gerechtigkeit Christi zuspricht, die ihm im Glauben zu eigen wird und ihn in Christus vor Gott zum Gerechten macht. Im Blick auf sich selbst aber erkennt er durch das Gesetz, dass er zugleich ganz Sünder bleibt, dass die Sünde noch in ihm wohnt (1 Joh 1,8; Röm 7,17.20); denn er vertraut immer wieder auf falsche Götter und liebt Gott nicht mit jener imgeteilten Liebe, die Gott als sein Schöpfer von ihm fordert (Dtn 6,5; Mt 22,36^40 parr.). Diese Gottwidrigkeit ist als solche wahrhaft Sünde. Doch die knechtende Macht der Sünde ist aufgrund von Christi Verdienst gebrochen: Sie ist keine den Christen „beherrschende“ 1316 ANHANG Sünde mehr, weil sie durch Christus „beherrscht“ ist, mit dem der Gerechtfertigte im Glauben verbunden ist; so kann der Christ, solange er auf Erden lebt, jedenfalls stückweise ein Leben in Gerechtigkeit führen. Und trotz der Sünde ist der Christ nicht mehr von Gott getrennt, weil ihm, der durch die Taufe und den Heiligen Geist neugeboren ist, in täglicher Rückkehr zur Taufe die Sünde vergeben wird, so dass seine Sünde ihn nicht mehr verdammt und ihm nicht mehr den ewigen Tod bringt. <796> Wenn also die Lutheraner sagen, dass der Gerechtfertigte auch Sünder und seine Gottwidrigkeit wahrhaft Sünde ist, verneinen sie nicht, dass er trotz der Sünde in Christus von Gott ungetrennt und seine Sünde beherrschte Sünde ist. Im Letzteren sind sie mit der römisch-katholischen Seite trotz der Unterschiede im Verständnis der Sünde des Gerechtfertigten einig. Vgl. Apol. 11,38^15. 30. Die Katholiken sind der Auffassung, dass die Gnade Jesu Christi, die in der Taufe verliehen wird, alles was „wirklich“ Sünde, was „verdammenswürdig“ ist, tilgt {Röm 8,1) <797>, dass jedoch eine aus der Sünde kommende und zur Sünde drängende Neigung (Konkupiszenz) im Menschen verbleibt. Insofern nach katholischer Überzeugung zum Zustandekommen menschlicher Sünden ein personales Element gehört, sehen sie bei dessen Fehlen die gottwidrige Neigung nicht als Sünde im eigentlichen Sinne an. Damit wollen sie nicht leugnen, dass diese Neigung nicht dem ursprünglichen Plan Gottes vom Menschen entspricht, noch, dass sie objektiv Gottwidrigkeit und Gegenstand lebenslangen Kampfes ist; in Dankbarkeit für die Erlösung durch Christus wollen sie heraussteilen, dass die gottwidrige Neigung nicht die Strafe des ewigen Todes verdient <798> und den Gerechtfertigten nicht von Gott trennt. Wenn der Gerechtfertigte sich aber willentlich von Gott trennt, genügt nicht eine erneute Beobachtung der Gebote, sondern er muss im Sakrament der Versöhnung Verzeihung und Frieden empfangen durch das Wort der Vergebung, das ihm Kraft des Versöhnungswerkes Gottes in Christus gewährt wird [vgl. Quellen zu Kap. 4.4]. Vgl. DS 1515. Vgl. DS 1515. 4.5 Gesetz und Evangelium 31. Wir bekennen gemeinsam, dass der Mensch im Glauben an das Evangelium „unabhängig von Werken des Gesetzes“ (Röm 3,28) gerechtfertigt wird. Christus hat das Gesetz erfüllt und es durch seinen Tod und seine Auferstehung als Weg zum Heil überwunden. Wir bekennen zugleich, dass die Gebote Gottes für den Gerechtfertigten in Geltung bleiben und dass Christus in seinem Wort und Leben den Willen Gottes, der auch für den Gerechtfertigten Richtschnur seines Handelns ist, zum Ausdmck bringt. 32. Die Lutheraner verweisen darauf, dass die Unterscheidung und richtige Zuordnung von Gesetz und Evangelium wesentlich ist für das Verständnis der Rechtfer- 15 16 17 1317 ANHANG tigung. Das Gesetz in seinem theologischen Gebrauch ist Forderung und Anklage, unter der jeder Mensch, auch der Christ, insofern er Sünder ist, zeitlebens steht und das seine Sünde aufdeckt, damit er sich im Glauben an das Evangelium ganz der Barmherzigkeit Gottes in Christus zuwendet, die allein ihn rechtfertigt. 33. Weil das Gesetz als Heilsweg durch das Evangelium erfüllt und überwunden ist, können Katholiken sagen, dass Christus nicht ein Gesetzgeber im Sinne von Mose ist. Wenn Katholiken betonen, dass der Gerechtfertigte zur Beobachtung der Gebote Gottes gehalten ist, so verneinen sie damit nicht, dass die Gnade des ewigen Lebens den Kindern Gottes durch Jesus Christus erbarmungsvoll verheißen ist <799> [vgl. Quellen zu Kap. 4.5], <799> Vgl. öS 1545. 4.6 Heilsgewissheit 34. Wir bekennen gemeinsam, dass die Gläubigen sich auf die Barmherzigkeit und die Verheißungen Gottes verlassen können. Auch angesichts ihrer eigenen Schwachheit und mannigfacher Bedrohung ihres Glaubens können sie kraft des Todes und der Auferstehung Christi auf die wirksame Zusage der Gnade Gottes in Wort und Sakrament bauen und so dieser Gnade gewiss sein. 35. Dies ist in besonderer Weise von den Reformatoren betont worden: In der Anfechtung soll der Gläubige nicht auf sich, sondern ganz auf Christus blicken und ihm allein vertrauen. So ist er im Vertrauen auf Gottes Zusage seines Heils gewiss, wenngleich auf sich schauend niemals sicher. 36. Katholiken können das Anliegen der Reformatoren teilen, den Glauben auf die objektive Wirklichkeit der Verheißung Christi zu gründen, von der eigenen Erfahrung abzusehen, und allein auf Christi Verheißungswort zu vertrauen (vgl. Mt 16,19; 18,18). Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sagen Katholiken: Glauben heißt, sich selbst ganz Gott anvertrauen <800>, der uns aus der Finsternis der Sünde und des Todes befreit und zum ewigen Leben erweckt. <801> Man kann nicht in diesem Sinn an Gott glauben und zugleich dessen Verheißungswort für nicht verlässlich halten. Keiner darf an Gottes Barmherzigkeit und an Christi Verdienst zweifeln. Aber jeder kann in Sorge um sein Heil sein, wenn er auf seine eigenen Schwächen und Mängel schaut. In allem Wissen um sein eigenes Versagen darf der Glaubende dessen gewiss sein, dass Gott sein Heil will [vgl. Quellen zu Kap. 4.6]. <800> Vgi.nv5. <801> Vgl. DV4. 4.7 Die guten Werke des Gerechtfertigten 37. Wir bekennen gemeinsam, dass gute Werke - ein christliches Leben in Glaube, Hoffnung und Liebe - der Rechtfertigung folgen und Früchte der Rechtfertigung sind. Wenn der Gerechtfertigte in Christus lebt und in der empfangenen Gnade 1318 ANHANG wirkt, bringt er, biblisch gesprochen, gute Frucht. Diese Folge der Rechtfertigung ist für den Christen, insofern er zeitlebens gegen die Sünde kämpft, zugleich eine Verpflichtung, die er zu erfüllen hat; deshalb ermahnen Jesus und die apostolischen Schriften den Christen, Werke der Liebe zu vollbringen. 38. Nach katholischer Auffassung tragen die guten Werke, die von der Gnade und dem Wirken des Heiligen Geistes erfüllt sind, so zu einem Wachstum in der Gnade bei, dass die von Gott empfangene Gerechtigkeit bewahrt und die Gemeinschaft mit Christus vertieft werden. Wenn Katholiken an der „Verdienstlichkeit“ der guten Werke festhalten, so wollen sie sagen, dass diesen Werken nach dem biblischen Zeugnis ein Lohn im Himmel verheißen ist. Sie wollen die Verantwortung des Menschen für sein Handeln heraussteilen, damit aber nicht den Geschenkcharakter der guten Werke bestreiten, geschweige denn verneinen, dass die Rechtfertigung selbst stets unverdientes Gnadengeschenk bleibt. 39. Auch bei den Lutheranern gibt es den Gedanken eines Bewahrens der Gnade und eines Wachstums in Gnade und Glauben. Sie betonen allerdings, dass die Gerechtigkeit als Annahme durch Gott und als Teilhabe an der Gerechtigkeit Christi immer vollkommen ist, sagen aber zugleich, dass ihre Auswirkung im christlichen Leben wachsen kann. Wenn sie die guten Werke des Christen als „Früchte“ und „Zeichen“ der Rechtfertigung, nicht als eigene „Verdienste“ betrachten, so verstehen sie gleichwohl das ewige Leben gemäß dem Neuen Testament als unverdienten „Lohn“ im Sinn der Erfüllung von Gottes Zusage an die Glaubenden [vgl. Quellen zu Kap. 4.7]. 5. Die Bedeutung und Tragweite des erreichten Konsenses 40. Das in dieser Erklärung dargelegte Verständnis der Rechtfertigungslehre zeigt, dass zwischen Lutheranern und Katholiken ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre besteht, in dessen Licht die in Nr. 18 bis 39 beschriebenen, verbleibenden Unterschiede in der Sprache, der theologischen Ausgestaltung und der Akzentsetzung des Rechtfertigungsverständnisses tragbar sind. Deshalb sind die lutherische und die römisch-katholische Entfaltung des Rechtfertigungsglaubens in ihrer Verschiedenheit offen aufeinander hin und heben den Konsens in den Grundwahrheiten nicht wieder auf. 4L Damit erscheinen auch die Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts, soweit sie sich auf die Lehre von der Rechtfertigung beziehen, in einem neuen Licht: Die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der lutherischen Kirchen wird nicht von den Verurteilungen des Trienter Konzils getroffen. Die Verwerfungen der lutherischen Bekenntnisschriften treffen nicht die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der römisch-katholischen Kirche. 42. Dadurch wird den auf die Rechtfertigungslehre bezogenen Lehrverurteilungen nichts von ihrem Emst genommen. Etliche waren nicht einfach gegenstandslos; sie 1319 ANHANG behalten für uns „die Bedeutung von heilsamen Warnungen“, die wir in Lehre und Praxis zu beachten haben. <802> <802> Lehrverurteilungen - kirchentrennend7, 32. 43. Unser Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre muss sich im Leben und in der Lehre der Kirchen auswirken und bewähren. Im Blick darauf gibt es noch Fragen von unterschiedlichem Gewicht, die weiterer Klärung bedürfen: Sie betreffen unter anderem das Verhältnis von Wort Gottes und kirchlicher Lehre sowie die Lehre von der Kirche, von der Autorität in ihr, von ihrer Einheit, vom Amt und von den Sakramenten, schließlich von der Beziehung zwischen Rechtfertigung und Sozialethik. Wir sind der Überzeugung, dass das erreichte gemeinsame Verständnis eine tragfähige Grundlage für eine solche Klärung bietet. Die lutherischen Kirchen und die römisch-katholische Kirche werden sich weiterhin bemühen, das gemeinsame Verständnis zu vertiefen und es in der kirchlichen Lehre und im kirchlichen Leben fruchtbar werden zu lassen. 44. Wir sagen dem Herrn Dank für diesen entscheidenden Schritt zur Überwindung der Kirchenspaltung. Wir bitten den Heiligen Geist, uns zu jener sichtbaren Einheit weiterzuführen, die der Wille Christi ist. (Es folgt hier ein Anhang mit der Überschrift „Quellen zur Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ zu finden in: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Einig im Verständnis der Rechtfertigungsbotschaft? Erfahrungen und Lehren im Blick auf die gegenwärtige ökumenische Situation, 21. September 199S = VDBK 19, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz [Bonn 1998] 50-58.) Quellen zur Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre In den Teilen 3 und 4 der „Gemeinsamen Erklärung“ wird auf Formulierungen aus verschiedenen lutherisch/katholischen Dialogen zurückgegriffen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Dokumente: Alle unter einem Christus, Stellungnahme der Gemeinsamen Römisch-katholi-schen/Evangelisch-lutherischen Kommission zum Augsburgischen Bekenntnis, 1980: Dokumente wachsender Übereinstimmung. Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene. Bd. I. 1931-1982, hg. v. H. Meyer u.a. (Paderborn-Frankfurt 21991) 323-328. Denzinger-Schönmetzer, Enchiridion symbolorum ... 32. bis 36. Auflage [zit.: DS]. Denzinger-Hünermann, Enchiridion symbolorum ... seit der 37. Auflage, zweisprachig [zit.: DH], Gutachten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen zur Studie Lehrverurteilungen - kirchentrennend? (Vatikan 1992), unveröffentlicht [zit.: Gutachten]. 1320 ANHANG Justification by Faith. Lutherans and Catholics in Dialogue VII (Minneapolis 1985).Deutsch: Lutherisch/Römisch-katholischer Dialog in den USA. Rechtfertigung durch den Glauben: Rechtfertigung im ökumenischen Dialog. Dokumente und Einführung, hg. v. H. Meyer u. G. Gaßmann = ÖkPer 12 (Frankfurt 1987) 107-200 [zit.: USA], Lehrverurteilungen - kirchentrennend? I. Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute = DiKi 4, hg. v. K. Lehmann u. W. Pannenberg (Freiburg 31988) [zit.: LV]. Stellungnahme des Gemeinsamen Ausschusses der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands und des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes zum Dokument „Lehrverurteilungen - kirchentrennend? “ (13. September 1991): Lehrverurteilungen im Gespräch. Die ersten offiziellen Stellungnahmen aus den evangelischen Kirchen in Deutschland, hg. v. der Geschäftsstelle der Amoldshainer Konferenz (AKf), dem Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dem Lutherischen Kirchenamt der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) (Göttingen 1993) 57-160 [zit.: VELKD], zu 3: Das gemeinsame Verständnis der Rechtfertigung, Abschnitte 17 und 18: vgl. insbesondere LV 75; VELKD 95. - „... ein auf den Glauben zentriertes und forensisch verstandenes Bild von der Rechtfertigung ist für Paulus, und in gewissem Sinne für die Bibel insgesamt, von entscheidender Bedeutung, wenn dies auch keinesfalls die einzige biblische oder paulinische Weise ist, das Heilswerk Gottes darzustellen“ (USA Nr. 146). - „Katholiken wie Lutheraner können die Notwendigkeit anerkennen, die Praxis, die Strukturen und die Theologien der Kirche daran zu messen, inwieweit sie ,die Verkündigung der freien und gnädigen Verheißungen Gottes in Christus Jesus, die allein durch den Glauben recht empfangen werden können1 (Nr. 28), fördern oder hindern“ (USA Nr. 153). Von der „grundlegenden Affirmation“ (USA Nr. 157; vgl. Nr. 4) heißt es: - „Diese Affirmation dient wie die reformatorische Lehre von der Rechtfertigung allein durch den Glauben als Kriterium, an dem alle kirchlichen Bräuche, Strukturen und Traditionen gemessen werden, gerade weil die Entsprechung dazu das ,solus Christus4, allein Christus, ist. Ihm allein ist letztlich zu vertrauen als dem einen Mittler, durch den Gott im Heiligen Geist seine rettenden Gaben ausgießt. Alle an diesem Dialog Beteiligten bekräftigen, dass alle christliche Lehre und Praxis und alle christlichen Ämter in einer Weise wirksam sein sollten, dass sie ,den Gehorsam des Glaubens4 (Röm 1,5) an Gottes Heilshandeln in Christus Jesus allein, durch den Heiligen Geist, für das Heil der Gläubigen und zu Lob und Ehre des himmlischen Vaters fördern“ (USA Nr. 160). - „Darum behält die Rechtfertigungslehre und vor allem ihr biblischer Grund in der Kirche für immer eine spezifische Funktion: im Bewußtsein der Christen zu 1321 ANHANG halten, daß wir Sünder allein aus der vergebenden Liebe Gottes leben, die wir uns nur schenken lassen, aber auf keine Weise, wie abgeschwächt auch immer,, ,verdienen“ oder an von uns zu erbringende Vor- oder Nachbedingungen binden können. Die ,Rechtfertigungslehre' wird damit zum kritischen Maßstab, an dem sich jederzeit überprüfen lassen muß, ob eine konkrete Interpretation unseres Gottesverhältnisses den Namen ,christlich' beanspruchen kann. Sie wird zugleich zum kritischen Maßstab für die Kirche, an dem sich jederzeit überprüfen lassen muß, ob ihre Verkündigung und ihre Praxis dem, was ihr von ihrem Herrn vorgegeben ist, entspricht“ (LV75,21-31). - „Eine Einigung darin, daß die Rechtfertigungslehre ihre Bedeutung nicht nur als besondere Teillehre im Ganzen der Glaubenslehre unserer Kirchen hat, sondern daß ihr darüber hinaus eine Bedeutung als kritischer Maßstab für Lehre und Praxis unserer Kirchen insgesamt zukommt, ist aus lutherischer Sicht ein fundamentaler Fortschritt im ökumenischen Dialog zwischen unseren Kirchen, der nicht genug zu begrüßen ist“ (VELKD 95,20-26; vgl. 157). - „Zwar hat die Rechtfertigungslehre bei Lutheranern und Katholiken einen unterschiedlichen Stellenwert innerhalb der ,hierarchia veritatum'; doch stimmen beide Seiten darin überein, daß die Rechtfertigungslehre ihre spezifische Funktion darin hat, ein kritischer Maßstab zu sein, ,an dem sich jederzeit überprüfen lassen muß, ob eine konkrete Interpretation unseres Gottesverhältnisses den Namen ,christlich' beanspruchen kann. Sie wird zugleich zum kritischen Maßstab für die Kirche, an dem sich jederzeit überprüfen lassen muß, ob ihre Verkündigung und ihre Praxis dem, was ihr von ihrem Herrn vorgegeben ist, entspricht.' Die kriteriologische Bedeutung der Rechtfertigungslehre für die Sakramentenlehre, die Ekklesiologie sowie für den ethischen Bereich bedarf allerdings noch vertiefter Studien“ (Gutachten 106 f.). zu 4.1: Unvermögen und Sünde des Menschen angesichts der Rechtfertigung, Abschnitte 19-21: vgl. insbesondere LV48 ff.; 53; VELKD 77-81; 83 f. - „Diejenigen, in denen die Sünde herrscht, können nichts tun, um die Rechtfertigung zu verdienen, die ein freies Geschenk der Gnade Gottes ist. Selbst die Anfänge der Rechtfertigung, z.B. Reue, das Gebet um Gnade und das Verlangen nach Vergebung, müssen Gottes Werk in uns sein“ (USA Nr. 156,3). - „Beiden geht es ... nicht... darum, ein wahrhaftes Beteiligtsein des Menschen zu leugnen! ... eine Antwort ist kein ,Werk‘. Die Antwort des Glaubens ist selbst erwirkt durch das unerzwingbare und von außen auf den Menschen zukommende Wort der Verheißung. ,Mitwirkung' kann es nur in dem Sinne geben, daß das Herz beim Glauben dabei ist, wenn das Wort es trifft und den Glauben schafft“ (LV 53,12-22). - „Nur wenn die lutherische Lehre die Beziehung Gottes zu seinem Geschöpf bei der Rechtfertigung jedoch mit solcher Betonung auf den göttlichen Monergis-mus oder die Alleinwirksamkeit Christi konstruiert, daß die freiwillige Annahme von Gottes Gnade, die selbst ein Geschenk Gottes ist, keine wesentliche Rolle 1322 ANHANG bei der Rechtfertigung spielt, dann kennzeichnen die Trienter Canones 4, 5, 6 und 9 noch einen beachtlichen Lehrunterschied bezüglich Rechtfertigung“ (Gutachten 25). - das strikte Betonen der Passivität des Menschen bei seiner Rechtfertigung hatte auf lutherischer Seite niemals den Sinn, etwa das volle personale Beteiligtsein des Menschen im Glauben zu bestreiten, sondern sollte lediglich jede Mitwirkung beim Geschehen der Rechtfertigung selbst ausschließen. Diese ist allein das Werk Christi, allein das Werk der Gnade“ (VELKD 84,3-8). zu 4.2: Rechtfertigung als Sündenvergebung und Gerechtmachung, Abschnitte 22- 24: vgl. insbesondere USA Nr. 98-101; LV 53 ff.; VELKD 84 ff; vgl. auch die Zitate zu 4.3. - „Durch die Rechtfertigung werden wir zugleich gerecht erklärt und gerecht gemacht. Rechtfertigung ist darum keine rechtliche Fiktion. Indem er rechtfertigt, bewirkt Gott, was er verheißt; er vergibt Sünden und macht uns wahrhaft gerecht“ (USA Nr. 156,5). - „... daß die reformatorische Theologie nicht übersieht, was die katholische Lehre hervorhebt: den schöpferischen und erneuernden Charakter der Liebe Gottes; und nicht behauptet...: die Ohnmacht Gottes gegenüber einer Sünde, die bei der Rechtfertigung ,nur‘ vergeben, nicht aber in ihrer von Gott trennenden Macht wahrhaft aufgehoben werde“ {LV 55,25-29). - „... diese [= die lutherische Lehre] hat nie die .Anrechnung der Gerechtigkeit Christi1 als wirkungslos im Leben des Glaubenden verstanden, weil Christi Wort wirkt, was es sagt. Entsprechend versteht sie die Gnade als Gottes Gunst, aber diese durchaus als wirksame Kraft ... denn ,wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit“1 (VELKD 86,15-23). -... daß die katholische Lehre nicht übersieht, was die evangelische Theologie hervorhebt: den personalen und worthaften Charakter der Gnade; und nicht behauptet ...: die Gnade als dinghaften, verfügbaren .Besitz1 des Menschen, und wäre er auch geschenkter Besitz“ {LV55,21-24). zu 4.3: Rechtfertigung durch Glauben und aus Gnade, Abschnitte 25-27: vgl. insbesondere USA Nr. 105 ff; LV56-59; VELKD 87-90. - „Übersetzt man von einer Sprache in die andere, dann entspricht einerseits die reformatorische Rede von der Rechtfertigung durch den Glauben der katholischen Rede von der Rechtfertigung durch die Gnade, und dann begreift anderseits die reformatorische Lehre unter dem einen Wort .Glaube1 der Sache nach, was die katholische Lehre im Anschluß an 1 Kor 13,13 in der Dreiheit von .Glaube, Hoffnung und Liebe1 zusammenfaßt (LV59,4-10). - „Zugleich betonen wir, daß der Glaube im Sinne des ersten Gebotes immer auch Liebe zu Gott und Hoffnung auf ihn ist und sich in der Liebe zum Nächsten auswirkt (VELKD 89,8-11). 1323 ANHANG - „Katholiken ... - wie die Lutheraner - lehren, daß nichts, was dem freien Geschenk des Glaubens vorausgeht, die Rechtfertigung verdient und daß alle heilbringenden Gaben Gottes durch Christus allein geschenkt werden“ (USA Nr. 105). - „Die Reformatoren ... verstehen ... den Glauben als die durch das Verheißungswort selbst ... gewirkte Vergebung und Gemeinschaft mit Christus. Das ist der Grund fiir das neue Sein, durch das das Fleisch der Sünde tot ist und der neue Mensch in Christus (,sola fide per Christum1) sein Leben hat. Aber auch wenn ein solcher Glaube den Menschen notwendig neu macht, so baut der Christ seine Zuversicht nicht auf sein neues Leben, sondern allein auf die Gnadenzusage Gottes. Ihre Annahme im Glauben reicht aus, wenn ,Glaube1 als , Vertrauen auf die Verheißung1 (fides promissionis) verstanden wird“ (LV 56,18-26). -Vgl. Tridentinum sess. 6 cap. 7: „... Daher erhält der Mensch in der Rechtfertigung selbst zusammen mit der Vergebung der Sünden durch Jesus Christus, dem er eingegliedert wird, zugleich alles dies eingegossen: Glaube, Hoffnung und Liebe“ (DH 1530). - „Nach evangelischem Verständnis reicht der Glaube, der sich an Gottes Verheißung in Wort und Sakrament bedingungslos festklammert, zur Gerechtigkeit vor Gott aus, so daß die Erneuerung der Menschen, ohne die kein Glaube sein kann, nicht ihrerseits zur Rechtfertigung einen Beitrag leistet“ (LV 59,19-23). - „Als Lutheraner halten wir fest an der Unterscheidung von Rechtfertigung und Heiligung, von Glaube und Werken, die jedoch keine Scheidung bedeutet“ (VELKD 89,6-8). - „Die katholische Lehre weiß sich mit dem reformatorischen Anliegen einig, daß die Erneuerung des Menschen keinen ,Beitrag1 zur Rechtfertigung leistet, schon gar nicht einen, auf den er sich vor Gott berufen könnte ... Dennoch sieht sie sich genötigt, die Erneuerung des Menschen durch die Rechtfertigungsgnade um des Bekenntnisses zur neuschaffenden Macht Gottes Willen zu betonen, freilich so, daß diese Erneuerung in Glaube, Hoffnung und Liebe nichts als Antwort auf die grundlose Gnade Gottes ist“ (LV59,23-30). - „Sofern die katholische Lehre betont, daß die Gnade personal und worthaft zu verstehen ist... daß die Erneuerung nichts als - von Gottes Wort selbst erwirkte ... - Antwort ... ist und daß die Erneuerung des Menschen keinen Beitrag zur Rechtfertigung leistet, schon gar nicht einen, auf den wir uns vor Gott berufen könnten ... wird sie von unserem Widerspruch ... nicht mehr getroffen (VELKD 89,12-21). zu 4.4: Das Sündersein des Gerechtfertigten, Abschnitte 28-30: vgl. insbesondere USA Nr. 102 ff.; LV 50-53; VELKD 81 ff. - „... wie gerecht und heilig sie [= die Gerechtfertigten] auch immer sein mögen, sie verfallen von Zeit zu Zeit in die Sünden des täglichen Daseins. Noch mehr, das Wirken des Heiligen Geistes enthebt die Gläubigen nicht des lebenslangen Kampfes gegen sündhafte Neigungen. Die Begierde und andere Auswirkungen 1324 ANHANG der Erbsünde und der persönlichen Sünde bleiben nach katholischer Lehre im Gerechtfertigten, der darum täglich zu Gott um Vergebung beten muß“ (USA Nr. 102). - „Die Trienter und die reformatorische Lehre stimmen darin überein, daß die Erbsünde und auch noch die verbliebene Konkupiszenz Gottwidrigkeit sind ... Gegenstand des lebenslangen Kampfes gegen die Sünde ... daß beim Gerechtfertigten, nach der Taufe, die Konkupiszenz den Menschen nicht mehr von Gott trennt, also, tridentinisch gesprochen: nicht mehr ,im eigentlichen Sinne Sünde1 ist, lutherisch gesprochen: ,peccatum regnatum1 (beherrschte Sünde)“ (LV 52,14-24). - „... geht es ... um die Frage, in welcher Weise beim Gerechtfertigten von Sünde gesprochen werden kann, ohne die Wirklichkeit des Heils einzuschränken. Während die lutherische Seite diese Spannung mit der Wendung ,beherrschte Sünde1 (peccatum regnatum) zum Ausdruck bringt, die die Lehre vom Christen als gerechtem und Sünder zugleich1 (simul iustus et peccator) voraussetzt, meinte die römische Seite die Wirklichkeit des Heils nur so festhalten zu können, daß sie den Sündencharakter der Konkupiszenz bestritt. Im Blick auf diese Sachffage bedeutet es eine erhebliche Annäherung, wenn LV die im Gerechtfertigten verbliebene Konkupiszenz als , Gottwidrigkeit1 bezeichnet und sie damit als Sünde qualifiziert“ (VELKD 82,28-39). zu 4.5: Gesetz und Evangelium, Abschnitte 31-33: - Nach der paulinischen Lehre handelt es sich hier um den Weg des jüdischen Ge- setzes als Heilsweg. Dieser ist in Christus erfüllt und überwunden. Insofern ist diese Aussage und die Konsequenz daraus zu verstehen. - In Bezug auf die Canones 19 f. des Tridentinum äußert sich die VELKD (89,28-37): „Die Zehn Gebote gelten selbstverständlich für den Christen, wie an vielen Stellen der Bekenntnisschriften ausgeführt ist... Wenn in Canon 20 betont wird, daß der Mensch zum Halten der Gebote Gottes verpflichtet ist, werden wir nicht getroffen; wenn Canon 20 aber behauptet, daß der Glaube nur unter der Bedingung des Haltens der Gebote selig machende Kraft hat, werden wir getroffen. Was die Rede des Canons von den Geboten der Kirche betrifft, so liegt hier kein Gegensatz, wenn diese Gebote nur die Gebote Gottes zur Geltung bringen; im andern Fall würden wir getroffen.“ zu 4.6: Heilsgewissheit, Abschnitte 34—36: vgl. insbesondere LV 59-63; VELKD 90 ff. - „Die Frage ist, wie der Mensch trotz und mit seiner Schwachheit vor Gott leben kann und darf1 (LV60,5f.). - „... Grundlage und Ausgangspunkt [der Reformatoren]... sind: die Verläßlichkeit und Allgenügsamkeit der Verheißung Gottes und der Kraft des Todes und der Auferstehung Christi, die menschliche Schwachheit und die damit gegebene Bedrohung des Glaubens und des Heils“ (LV62,16-20). 1325 ANHANG - Auch Trient betont, es sei notwendig zu glauben, „daß Sünden nur umsonst [= d.h. ohne eigenes Verdienst], allein durch die göttliche Barmherzigkeit um Christi willen vergeben werden und immer vergeben wurden“ (DH 1533) und dass man nicht zweifeln darf „an der Barmherzigkeit Gottes, am Verdienst Christi und an der Kraft und Wirksamkeit der Sakramente“ (DH 1534); Zweifel und Unsicherheit seien nur im Blick auf sich selbst angebracht. - „Luther und seine Anhänger gehen einen Schritt weiter. Sie halten dazu an, die Unsicherheit nicht nur zu ertragen, sondern von ihr wegzusehen und die objektive Geltung der ,von außen' kommenden Lossprechung im Bußsakrament konkret und persönlich ernst zu nehmen ... Da Jesus gesagt hat: ,Was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein' (Mt 16,19), würde der Glaubende ... Christus zum Lügner erklären ... wenn er sich nicht felsenfest auf die in der Lossprechung zugesprochene Vergebung Gottes verließe ... Daß dieses Sich-Verlassen noch einmal subjektiv ungewiß sein kann, daß also Vergebungsgewißheit nicht Vergebungssicherheit (securitas) ist, weiß Luther ebenso wie seine Gegner - aber es darf sozusagen nicht noch einmal zum Problem gemacht werden: der Glaubende soll den Blick davon ab- und nur dem Vergebungswort Christi zuwenden“ (LV60,18-33). -„Heute können Katholiken das Bemühen der Reformatoren anerkennen, den Glauben auf die objektive Wirklichkeit von Christi Verheißung zu gründen: ,Was du auf Erden lösen wirst ...‘ ... und die Gläubigen auf ein ausdrückliches Wort der Sündenvergebung auszurichten ... Luthers ursprüngliches Anliegen [ist nicht zu verurteilen], von der persönlichen Erfahrung abzusehen und allein auf Christus und sein Vergebungswort zu vertrauen“ (Gutachten 27). -Eine gegenseitige Verurteilung bezüglich des Verständnisses von Heilsgewissheit ist „zumal dann nicht [zu begründen], wenn man vom Boden eines biblisch erneuerten Glaubensbegriffs aus denkt... Denn es kann zwar geschehen, daß ein Mensch den Glauben, die Selbstüberantwortung an Gott und sein Verheißungswort verliert oder aufgibt. Aber er kann nicht in diesem Sinne glauben und zugleich Gott in seinem Verheißungswort für unverläßlich halten. In diesem Sinne gilt mit den Worten Luthers auch heute: Glaube ist Heilsgewißheit“ (LV 62,23-29). -Zum Glaubensbegriff des Zweiten Vatikanischen Konzils vgl. DF Nr. 5: „Dem offenbarenden Gott ist der ,Gehorsam des Glaubens1 ... zu leisten. Darin überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit, indem er sich ,dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft' und seiner Offenbarung willig zustimmt.“ - „Die lutherische Unterscheidung zwischen der Gewißheit (certitudo) des Glaubens, der allein auf Christus blickt, und der irdischen Sicherheit (securitas), die sich auf den Menschen stützt, ist in LV nicht deutlich genug aufgenommen worden. Die Frage, ob ein Christ ,voll und ganz geglaubt hat' (LV60,17) stellt sich für das lutherische Verständnis nicht, da der Glaube nie auf sich selbst reflek- 1326 ANHANG tiert, sondern ganz und gar an Gott hängt, dessen Gnade ihm durch Wort und Sakrament, also von außen (extra nos) zugeeignet wird“ (VELKD 92,2-9). zu 4.7: Die guten Werke des Gerechtfertigten, Abschnitte 37-39: vgl. insbesondere LV12 ff.; VELKD 92 ff. - „... schließt das Konzil jedes Verdienst der Gnade — also der Rechtfertigung - aus (can. 2: DS 1552) und begründet das Verdienst des ewigen Lebens im Geschenk der Gnade selbst durch Christusgliedschaft (can. 32: DS 1582): Als Geschenk sind die guten Werke ,Verdienste“. Wo die Reformatoren ein ,gottloses Vertrauen“ auf die eigenen Werke anprangem, schließt das Konzil ausdrücklich jeden Gedanken an Anspruch und falsche Sicherheit aus (cap. 16: DS 1548 f.). Erkennbar ... will das Konzil an Augustinus anknüpfen, der den Verdienstbegriff einfuhrt, um trotz des Geschenkcharakters der guten Werke die Verantwortlichkeit des Menschen auszusagen“ (LV73,9—18). - Wenn man die Sprache der ,Ursächlichkeit“ in Canon 24 personaler fasst, wie es im Kapitel 16 des Rechtfertigungsdekretes getan wird, wo der Gedanke der Gemeinschaft mit Christus tragend ist, dann wird man die katholische Verdienstlehre so umschreiben können, wie es im ersten Satz des zweiten Absatzes von 4.7 geschieht: Beitrag zum Wachstum der Gnade, der Bewahrung der von Gott empfangenen Gerechtigkeit und der Vertiefung der Christusgemeinschaft. - „Viele Gegensätze könnten einfach dadurch überwunden werden, daß der mißverständliche Ausdruck ,Verdienst“ im Zusammenhang mit dem wahren Sinn des biblischen Begriffs ,Lohn‘ gesehen und bedacht wird“ (ZK74,7-9). - „Die lutherischen Bekenntnisschriften betonen, daß der Gerechtfertigte dafür verantwortlich ist, die empfangene Gnade nicht zu verspielen, sondern in ihr zu leben ... So können die Bekenntnisschriften durchaus von einem Bewahren der Gnade und einem Wachstum in ihr sprechen ... Wird Canon 24 in diesem Sinne von der Gerechtigkeit, insofern sie sich in und am Menschen auswirkt, verstanden, dann werden wir nicht getroffen. Wird die , Gerechtigkeit“ in Canon 24 dagegen auf das Angenommensein des Christen vor Gott bezogen, werden wir getroffen; denn diese Gerechtigkeit ist immer vollkommen, ihr gegenüber sind die Werke des Christen nur ,Früchte“ und ,Zeichen““ (VELKD 94,2-14). - „Was Canon 26 betrifft, so verweisen wir auf die Apologie, wo das ewige Leben als Lohn bezeichnet wird: ,... Wir bekennen, daß das ewige Leben ein Lohn ist, weil es etwas Geschuldetes ist um der Verheißung willen, nicht um unserer Verdienste willen““ (VELKD 94,20-27). Gemeinsame Offizielle Feststellung des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche am 31. Oktober 1. Auf der Grundlage der in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GE) erreichten Übereinstimmungen erklären der Lutherische Weltbund und die 1327 ANHANG Katholische Kirche gemeinsam: „Das in dieser Erklärung dargelegte Verständnis der Rechtfertigungslehre zeigt, dass zwischen Lutheranern und Katholiken ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre besteht“ (GE 40). Auf der Grundlage dieses Konsenses erklären der Lutherische Weltbund und die Katholische Kirche gemeinsam: „Die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der lutherischen Kirchen wird nicht von den Verurteilungen des Trienter Konzils getroffen. Die Verwerfungen der lutherischen Bekenntnisschriften treffen nicht die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der römisch-katholischen Kirche“ (GE 41). 2. Im Blick auf den Beschluss des Rates des Lutherischen Weltbundes über die Gemeinsame Erklärung vom 16. Juni 1998 und die Antwort der Katholischen Kirche auf die Gemeinsame Erklärung vom 25. Juni 1998 sowie die von beiden Seiten vorgebrachten Anfragen wird in der (als „Anhang“ bezeichneten) beigefügten Feststellung der in der Gemeinsamen Erklärung erreichte Konsens weiter erläutert; so wird klargestellt, dass die früheren gegenseitigen Lehrverurteilungen die Lehre der Dialogpartner, wie sie in der Gemeinsamen Erklärung dargelegt wird, nicht treffen. 3. Die beiden Dialogpartner verpflichten sich, das Studium der biblischen Grundlagen der Lehre von der Rechtfertigung fortzuführen und zu vertiefen. Sie werden sich außerdem auch über das hinaus, was in der Gemeinsamen Erklärung und in dem beigeffigten erläuternden Anhang behandelt ist, um ein weiterreichendes gemeinsames Verständnis der Rechtfertigungslehre bemühen. Auf der Basis des erreichten Konsenses ist insbesondere zu denjenigen Fragen ein weiterer Dialog erforderlich, die in der Gemeinsamen Erklärung selbst (GE 43) besonders als einer weiteren Klärung bedürftig benannt werden, um zu voller Kirchengemeinschaft, zu einer Einheit in Verschiedenheit zu gelangen, in der verbleibende Unterschiede miteinander „versöhnt“ würden und keine trennende Kraft mehr hätten. Lutheraner und Katholiken werden ihre Bemühungen ökumenisch fortsetzen, um in ihrem gemeinsamen Zeugnis die Rechtfertigungslehre in einer für den Menschen unserer Zeit relevanten Sprache auszulegen, unter Berücksichtigung der individuellen und der sozialen Anliegen unserer Zeit. Durch diesen Akt der Unterzeichnung bestätigen die Katholische Kirche und der Lutherische Weltbund die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre in ihrer Gesamtheit 1328 ANHANG Anhang (Annex) zur Gemeinsamen Offiziellen Feststellung am 31. Oktober 1. Die folgenden Erläuterungen unterstreichen die in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre {GE) erreichte Übereinstimmung in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre; so wird klargestellt, dass die früheren wechselseitigen Verurteilungen die katholische und die lutherische Rechtfertigungslehre, wie sie in der Gemeinsamen Erklärung dargestellt sind, nicht treffen. 2. „Gemeinsam bekennen wir: Allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Christi, nicht aufgrund unseres Verdienstes, werden wir von Gott angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu guten Werken“ {GE 15). A) „Wir bekennen gemeinsam, dass Gott aus Gnade dem Menschen die Sünde vergibt und ihn zugleich in seinem Leben von der knechtenden Macht der Sünde befreit...“ {GE 22). Rechtfertigung ist Sündenvergebung und Gerechtmachung, in der Gott „das neue Leben in Christus schenkt“ {GE 22). „Gerechtfertigt aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott“ {Röm 5,1). „Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es“ {1 Joh 3,1). Wir sind wahrhaft und innerlich erneuert durch das Wirken des Heiligen Geistes und bleiben immer von seinem Wirken in uns abhängig. „Wenn jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung, das Alte ist vergangen, Neues ist geworden“ (2 Kor 5,17). Die Gerechtfertigten bleiben in diesem Sinne nicht Sünder. Doch wir würden irren, wenn wir sagten, dass wir ohne Sünde sind (vgl. 1 Joh 1,8-10; vgl. GE 28). Wir „verfehlen uns in vielen Dingen“ {Jak 3,2). „Wer bemerkt seine eigenen Fehler? Verzeihe mir meine verborgenen Sünden!“ (vgl. Ps 19,13). Und wenn wir beten, können wir nur wie der Zöllner sagen: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ {Lk 18,13). Unsere Liturgien geben dem vielfachen Ausdruck. Gemeinsam hören wir die Mahnung: „Daher soll die Sünde euren sterblichen Leib nicht mehr beherrschen, und seinen Begierden sollt ihr nicht gehorchen“ {Röm 6,12). Dies erinnert uns an die beständige Gefährdung, die von der Macht der Sünde und ihrer Wirksamkeit im Christen ausgeht. Insoweit können Lutheraner und Katholiken gemeinsam den Christen als simul iustus et peccator verstehen, unbeschadet ihrer unterschiedlichen Zugänge zu diesem Themenbereich, wie dies in GE 29-30 entfaltet wurde. B) Der Begriff „Konkupiszenz“ wird auf katholischer und auf lutherischer Seite in unterschiedlicher Bedeutung gebraucht. In den lutherischen Bekenntnisschriften wird Konkupiszenz verstanden als Begehren des Menschen, durch das der Mensch sich selbst sucht und das im Lichte des geistlich verstandenen Gesetzes als Sünde angesehen wird. Nach katholischem Verständnis ist Konkupiszenz eine auch nach der Taufe im Menschen verbleibende, aus der Sünde kommende und zur Sünde drängende Neigung. Unbeschadet der hier eingeschlossenen Unterschiede kann aus 1329 ANHANG lutherischer Sicht anerkannt werden, dass die Begierde zum Einfallstor der Sünde werden kann. Wegen der Macht der Sünde trägt der ganze Mensch die Neigung in sich, sich gegen Gott zu stellen. Diese Neigung entspricht nach lutherischem und katholischem Verständnis nicht „dem ursprünglichen Plan Gottes vom Menschen“ (GE 30). Die Sünde hat personalen Charakter und führt als solche zur Trennung von Gott. Sie ist das selbstsüchtige Begehren des alten Menschen und mangelndes Vertrauen und mangelnde Liebe zu Gott. Die Wirklichkeit des in der Taufe geschenkten Heils und die Gefährdung durch die Macht der Sünde können so zur Sprache kommen, dass einerseits die Vergebung der Sünden und die Erneuerung des Menschen in Christus durch die Taufe betont und andererseits gesehen wird, dass auch der Gerechtfertigte „der immer noch andrängenden Macht und dem Zugriff der Sünde nicht entzogen (vgl. Rom 6,12-14) und des lebenslangen Kampfes gegen die Gottwidrigkeit... nicht enthoben“ ist (GE 28). C) Rechtfertigung geschieht „allein aus Gnade“ (GE 15 und 16), allein durch Glauben, der Mensch wird „unabhängig von Werken“ gerechtfertigt (Rom 3,28; vgl. GE 25). „Die Gnade ist es, die den Glauben schafft, nicht nur, wenn der Glaube neu im Menschen anfängt, sondern solange der Glaube währt“ (Thomas von Aquin, S. Th. II/II 4,4 ad 3). Gottes Gnadenwirken schließt das Handeln des Menschen nicht aus: Gott wirkt alles, das Wollen und Vollbringen, daher sind wir aufgerufen, uns zu mühen (vgl. Phil 2,12 f.). „... alsbald der Heilige Geist, wie gesagt, durchs Wort und heilige Sakrament solch sein Werk der Wiedergeburt und Erneuerung in uns angefangen hat, so ist es gewiß, daß wir durch die Kraft des Heiligen Geists mitwirken können und sollen ...“(FCSD 11,64 f.; BSLK 897,37 ff.). D) Gnade als Gemeinschaft des Gerechtfertigten mit Gott in Glaube, Hoffnung und Liebe wird stets vom heilsschöpferischen Wirken Gottes empfangen (vgl. GE 27). Doch der Gerechtfertigte ist dafür verantwortlich, die Gnade nicht zu verspielen, sondern in ihr zu leben. Die Aufforderung, gute Werke zu tun, ist die Aufforderung, den Glauben zu üben (vgl. BSLK 197,45f.). Die guten Werke des Gerechtfertigten soll man tun, „nämlich daß wir unsem Beruf fest machen, das ist, daß wir nicht wiederum vom Evangelio fallen, wenn wir wiederum sundigeten“ (Apol XX,13; BSLK 316,15-18; unter Bezugnahme auf 2 Petr 1,10. Vgl. auch FC SD IV,33; BSLK 948,9-23). In diesem Sinn können Lutheraner und Katholiken gemeinsam verstehen, was über das „Bewahren der Gnade“ in GE 38 und 39 gesagt ist. Freilich, „alles, was im Menschen dem freien Geschenk des Glaubens vorausgeht und nachfolgt, ist nicht Grund der Rechtfertigung und verdient sie nicht“ (GE 25). E) Durch die Rechtfertigung werden wir bedingungslos in die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen. Das schließt die Zusage des ewigen Lebens ein: „Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein“ (Rom 6,5; vgl. Joh 3,36; vgl. Rom 8,17). Im Endgericht werden die Gerechtfertigten auch nach ihren Werken gerichtet (vgl.: Mt 16,27; 25,31^16; Röm 2,16; 14,12; 1 Kor 3,8; 2 Kor 5,10 etc.). Wir gehen einem 1330 ANHANG Gericht entgegen, in dem Gott in seinem gnädigen Urteil alles annehmen wird, was in unserem Leben und Tun seinem Willen entspricht. Aber alles, was unrecht in unserem Leben ist, wird aufgedeckt und nicht in das ewige Leben eingehen. Die Konkordienformel stellt ebenfalls fest: „Wie dann Gottes Wille und ausdrücklicher Befehl ist, daß die Gläubigen gute Werk tuen sollen, welche der heilige Geist wirket in den Gläubigen, die ihme auch Gott umb Christi willen gefallen läßt, ihnen herrliche Belohnung in diesem und künftigen Leben verheißet“ {FC SD IV,38; BSLK 950,18-24). Aller Lohn aber ist Gnadenlohn, auf den wir keinen Anspruch haben. 3. Die Rechtfertigungslehre ist Maßstab oder Prüfstein des christlichen Glaubens. Keine Lehre darf diesem Kriterium widersprechen. In diesem Sinne ist die Rechtfertigungslehre ein „unverzichtbares Kriterium, das die gesamte Lehre und Praxis der Kirche unablässig auf Christus hin orientieren will“ {GE 18). Als solche hat sie ihre Wahrheit und ihre einzigartige Bedeutung im Gesamtzusammenhang des grundlegenden trinitarischen Glaubensbekenntnisses der Kirche. Gemeinsam haben wir „das Ziel, in allem Christus zu bekennen, dem allein über alles zu vertrauen ist als dem einen Mittler {1 Tim 2,5 f.), durch den Gott im Heiligen Geist sich selbst gibt und seine erneuernden Gaben schenkt“ {GE 18). 4. In der Antwortnote der Katholischen Kirche soll weder die Autorität lutherischer Synoden noch diejenige des Lutherischen Weltbundes in Frage gestellt werden. Die Katholische Kirche und der Lutherische Weltbund haben den Dialog als gleichberechtigte Partner („par cum pari“) begonnen und geführt. Unbeschadet unterschiedlicher Auffassungen von der Autorität in der Kirche respektiert jeder Partner die geordneten Verfahren für das Zustandekommen von Lehrentscheidungen des anderen Partners. Die Erklärung zur Rechtfertigungslehre: Fortschritte, Implikationen, Grenzen von Edward Idris Kardinal Cassidy, veröffentlicht im Osservatore Romano am 12. November In dem Schreiben Tertio millennio adveniente (1994) ruft Papst Johannes Paul II. zu einem Geist der Buße und Umkehr auf, welche die Voraussetzungen zur Feier des Großen Jubiläums des Jahres 2000 sind. „Zu den Sünden, die einen größeren Einsatz an Buße und Umkehr verlangen, müssen sicher jene gezählt werden, die die von Gott für sein Volk gewollte Einheit beeinträchtigt haben.“ <803> Der Papst verlangt von der Kirche, dass sie vom Heiligen Geist die Gnade der Einheit der Christen erbittet. Die Trennungen der Vergangenheit zu überwinden, welche im <803> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, Nr. 34. 1331 ANHANG offenen Widersprach zum Willen Christi stehen und Anlass zum Skandal für die Welt sind, sowie zur Einheit beizutragen ist eine der Aufgaben, die die Christen auf dem Weg zum Jahr 2000 haben <804>. Deswegen meint auch der Heilige Vater: „Das Herannahen des Endes des zweiten Jahrtausends spornt alle zu einer Gewissensprüfung und zu passenden ökumenischen Initiativen an, so daß man im Großen Jubeljahr, wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht auftreten kann, der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends sein-nahe zu sein.“ <805> <804> Vgl. ebd. <805> Ebd. Genau an der Schwelle des neuen Jahrtausends haben der Lutherische Weltbund und die Katholische Kirche ein weiteres Stück der Wegstrecke zur Lösung einer der Ursachen der Spaltungen der Vergangenheit zurückgelegt. Im Juni 1998 haben beide nämlich eine Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre offiziell bestätigt und angenommen <806>. In ihrer offiziellen Antwort hat die Katholische Kirche auf einige Argumente der Erklärung verwiesen, die ihres Erachtens einer weiteren Klärung bedurften. Der Lutherische Weltbund seinerseits hat dasselbe getan, wobei man die Gelegenheit unterstrich, die Erörterungen einiger in dem Papier behandelten Fragen zu vertiefen. Dank einer weiteren Untersuchung, die mit großem Einsatz in den darauffolgenden Monaten von beiden „Dialogpartnem“ vorgenommen wurde, konnten die in den „Antworten“ sowohl von katholischer als auch von lutherischer Seite aufgezeigten Probleme sorgfältig geprüft werden, so dass daraufhin die offizielle Gemeinsame Erklärung verfasst werden konnte, der eine gemeinsame offizielle Feststellung des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche beigefügt wurde. So konnte ich dann am 31. Oktober 1999 in Augsburg in Deutschland zusammen mit dem Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, Dr. Ismael Noko, diese Texte unterzeichnen. <806> Hinsichtlich des englischen und französischen Textes der Gemeinsamen Erklärung verweise ich auf die offizielle Veröffentlichung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Service Informations — Information Service, Nr. 98 (1998). In dieser Nummer werden auch die „Antworten“ der Katholischen Kirche und des Lutherischen Weltbundes auf den Text der Erklärung veröffentlicht sowie die Erwägungen des Heiligen Vaters über den Fortschritt, den ein solches Dokument ermöglicht hat. Der Service Information -Information Service wird von nun an mit dem Kürzel SL zitiert. Die jeweils angegebenen Seiten beziehen sich auf die englische Ausgabe des Bulletins. Dieser Artikel möchte den Fortschritt hervorheben, den die Gemeinsame Erklärung ermöglicht hat, indem er deren Implikationen und Grenzen beschreibt. Der erzielte Fortschritt Die Annahme des Konvergenzdokumentes hinsichtlich der Rechtfertigungslehre seitens des Lutherischen Weltbundes und seitens der Katholischen Kirche darf ohne weiteres als eine der größten Errungenschaften der ökumenischen Bewegung unserer Zeit betrachtet werden. Das Dokument ist das Ergebnis des über dreißig Jahre andauernden Dialogs zwischen Lutheranern und Katholiken auf nationaler 1332 ANHANG und internationaler Ebene. Mein Vorgänger Kardinal Johannes Willebrands hat bereits vor ungefähr zehn Jahren die besondere Bedeutung des katholisch-lutherischen Dialoges für die Christen des Abendlandes unterstrichen, „da der neuralgische Knotenpunkt der Reformation des 16. Jahrhunderts der Disput zwischen Luther und den römischen Behörden war. Daher hätte die Versöhnung zwischen Lutheranern und Katholiken einen ebenso symbolischen Wert“. „Ich meine“, so schrieb Kardinal Willebrands, „daß diesbezüglich eine besondere ökumenische Verantwortung existiert.“ <807> <807> Kardinal Johannes Willebrands, „The Catholic Church and Ihe Ecumenical Movement", A Day of Dialogue, September 12,1987, Kolumbien, SC. New York: Lutheran Church in America,1987. Der Dialog selbst hat aufgezeigt, dass die Rechtfertigungslehre „eine entscheidende Bedeutung für die Reformation“ <808> hatte und dass sie sogar als „Mittelpunkt der Kontroverse des 16. Jahrhunderts“ <809> angesehen werden kann. Für alle Reformatoren ist die Rechtfertigungslehre der Glaubensartikel, mit dem die Kirche steht oder fällt. Sie betrachten die Rechtfertigung durch den Glauben als ein Kriterium, auf das sich das ganze kirchliche Handeln, die kirchlichen Strukturen und die Theologie konsequent beziehen müssen. Diese Lehre ist für sie geradezu der Angelpunkt der Verkündigung des Evangeliums hinsichtlich der Verheißungen von der Freiheit und Barmherzigkeit Gottes in Jesus Christus, die nur durch den Glauben wirklich empfangen werden können. Die Erklärung selbst erwähnt Fragen von unterschiedlichem Gewicht, die weiterer Klärung bedürfen (Nr. 43). Dennoch kann man sagen, dass Lutheraner und Katholiken bezüglich der Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre eine wesentliche Übereinstimmung erzielt haben. Die Art und Weise, in welcher die Erklärung einige Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre versteht, wurde offiziell vom Lutherischen Weltbund und der Katholischen Kirche akzeptiert. Folglich können auch beide Gemeinschaften sagen, dass die gegenseitigen Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts, die spezifische in der Erklärung behandelte Argumente betrafen, nicht mehr zutreffen, weder auf katholischer noch auf lutherischer Seite, und zwar in dem Maße, in dem beide Seiten die in der Erklärung ausgearbeiteten Stellungnahmen annehmen. <808> Alle unter einem Christus (1980), 14, Stellungnahme der Gemeinsamen Römisch-katholischen/Evangelischlutherischen Kommission zum Augsburgischen Bekenntnis. Der deutsche Text des Dokumentes wurde veröffentlicht in: H. Meyer und Lukas Vischer, Dokumente wachsender Übereinstimmung. Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene. Bd. I. 1931—1982, S. 243 [Seitenangaben des englischen Textes], Paderborn-Frankfurt2 1991. <809> s)Das Amt in der Kirche“ (1981), Nr. 9, in: Dokumente wachsender Übereinstimmung, op. cit., S. 250 [Seitenangaben des englischen Textes]. Ich meine, dass man zu Beginn des Jahres 2000 sagen kann, dass Lutheraner und Katholiken mit der Gnade Gottes und im Geist des Apostolischen Schreibens 7er-tio millennio adveniente einen bedeutenden Fortschritt in Richtung der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends erzielt haben <810>. <810> Vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 31. 1333 ANHANG Der erzielte Konsens über die Rechtfertigungslehre Die Erklärung ist keine neue Lehrerklärung noch ist sie ein Kompromissdokument, sondern sie versucht die Ergebnisse des katholisch-lutherischen Dialogs hinsichtlich der Rechtfertigungslehre zusammenzufassen, die sich in einem Zeitraum von über dreißig Jahren ergeben haben. Indem sie dies tut, bejaht sie das, was beide Gemeinschaften als ihren Glauben an die Grundwahrheiten dieser Lehre betrachten. Gleichzeitig wird darin aufgezeigt, dass weder die katholische noch die lutherische Auslegung solcher Glaubenswahrheiten sich imbedingt gegenseitig ausschließen. In der Tat legt die Erklärung durch folgende Aussagen ihren Zweck dar: „Sie will zeigen, dass aufgrund des Dialogs die unterzeichnenden lutherischen Kirchen und die römisch-katholische Kirche nunmehr imstande sind, eingemeinsames Verständnis unserer Rechtfertigung durch Gottes Gnade im Glauben Christus zu vertreten. Sie enthält nicht alles, was in jeder der Kirchen über Rechtfertigung gelehrt wird; sie umfasst aber einen Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre und zeigt, dass die weiterhin unterschiedlichen Entfaltungen nicht länger Anlass für Lehrverurteilungen sind“ (Nr. 5). Ein Grundprinzip des ökumenischen Dialogs besteht darin, eine Unterscheidung auszuarbeiten zwischen den Glaubenswahrheiten und der Art, wie diese formuliert und zum Ausdruck gebracht werden. Ein solches Prinzip wurde bereits bei der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils von Papst Johannes XXIII. angekündigt, und es bildet eine der Grundlagen des Direktoriums für die Anwendung der Prinzipien und Normen hinsichtlich der Ökumene, das vom Hl. Stuhl 1993 veröffentlicht wurde. Mit anderen Worten: dieselbe Wahrheit kann im Bereich jeweils verschiedener Traditionen auch auf verschiedene Weiseausgedrückt werden, ohne dass diese unterschiedlichen Formulierungen irgendwelche Glaubensunterschiede beinhalten. Verschiedene Ausdrucksweisen sind nicht notwendigerweise widersprüchlich noch müssen sie sich unbedingt gegenseitig ausschließen. Natürlich muss man beim Dialog - und das ist somit die Aufgabe der Kirchen, die ihn führen - zwischen den Formulierungsunterschieden und den Glaubensunterschieden differenzieren. Verschiedene Ausdrucksweisen können unser Glaubensverständnis bereichern, aber sie können auch die Einheit verletzen und somit die Christen untereinander spalten. Der hier untersuchte Text behandelt Themen, die Lutheraner und Katholiken Jahrhunderte lang gespalten haben. Er versucht aufzuzeigen, wie solche Argumente auch als sich gegenseitig ergänzende Positionen betrachtet werden können, wobei gleichzeitig die Gründe hervorgehoben werden, die beide Seiten dazu veranlasst haben, verschiedene Akzente zu setzen. Die in der Erklärung angewandte Methode besteht darin, zuerst den gemeinsamen Glauben in beiden zur Debatte stehenden Glaubenswahrheiten zu beschreiben. Es werden, falls nötig, die verschiedenen Zu- * In dieser Erklärung gibt das Wort „Kirche“ das jeweilige Selbstverständnis der beteiligten Kirchen wieder, ohne alle damit verbundenen Fragen entscheiden zu wollen. (Ajim. 9 zu GER, 5),[Anm. d. Red.] 1334 ANHANG gangsweisen und Akzentsetzungen erklärt, welche die Dialogpartner traditionsgemäß hinsichtlich einer bestimmten Glaubenswahrheit verfolgt haben. Die Erklärung beginnt mit einer Präambel; diese geht kurz auf die biblischen Hauptpunkte ein, aus der Gottes Handeln gegenüber der gefallenen Menschheit ersichtlich wird. Es folgt eine Analyse der Rechtfertigungslehre, insofern sie ein ökumenisches Problem zwischen der Katholischen Kirche und den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen darstellt. Weiter geht der Text auf die bisher durch den Dialog erzielten Ergebnisse ein, die als eine gemeinsam vertretene Ausdrucksweise der Rechtfertigung betrachtet werden. Sodann behandelt das Dokument detailliert die grundlegenden Komponenten des gemeinsamen Verständnisses der Rechtfertigungslehre: 1. Unvermögen und Sünde des Menschen angesichts der Rechtfertigung; 2. Rechtfertigung als Sündenvergebung und Gerechtmachung; 3. Rechtfertigung durch den Glauben und aus Gnade; 4. Das Sündersein des Gerechtfertigten; 5. Gesetz und Evangelium; 6. Heilsgewissheit; 7. Die guten Werke des Gerechtfertigten. Der Schlussteil des Dokumentes behandelt die Bedeutung und Tragweite des erreichten Konsenses. Ich kann aufgrund des begrenzten Rahmens dieses Artikels nicht auf alle Inhalte der Erklärung ausführlich eingehen. Dennoch scheint es mir wichtig, auf die drei Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre Bezug zu nehmen, über die der Lutherische Weltbund und die Katholische Kirche einen Konsens erzielt haben. Dies kommt im dritten Teil des Dokumentes in den Nummern 14-18 zur Sprache. In erster Linie ist die Rechtfertigung eine freie Gabe, die vom dreifältigen Gott ausgeht und ihre Mitte in der Person Christi hat, der Mensch geworden, gestorben und auferstanden ist. Wir werden mit der Person Christi durch das Wirken des Heiligen Geistes in Beziehung gebracht und haben so einen Zugang zur Gerechtigkeit. Es geht dabei nicht um etwas, was wir uns verdienen, sondern um etwas, was frei gewährt wird. Aus diesem Grund bekennen Katholiken und Lutheraner in der Erklärung gemeinsam: „Allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Christi, nicht aufgrund unseres Verdienstes werden wir von Gott angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu guten Werken“ (Nr. 15). Zweitens empfangen wir dieses Heil im Glauben. Der Glaube ist in sich ein Geschenk Gottes durch den Heiligen Geist, der im Wort und in den Sakramenten in der Gemeinschaft der Gläubigen wirkt und zugleich die Gläubigen zu jener Erneuerung ihres Lebens führt, die Gott im ewigen Leben vollendet. Daher ist auch die Wirklichkeit der Rechtfertigung an den Glauben gebunden. Doch ist er nicht einfach die intellektuelle Zustimmung des Geistes, im Gegenteil, der Gläubige muss sich durch die Erneuerung seines Lebens Christus schenken. 1335 ANHANG Schließlich ist die Rechtfertigung das Herzstück der frohen Botschaft, aber sie muss in organischer Einheit mit all den anderen Glaubenswahrheiten wie der Dreifaltigkeit, der Christologie, der Ekklesiologie und den Sakramenten gesehen werden. Die Rechtfertigung „steht in einem wesenhaften Bezug zu allen Glaubenswahrheiten, die miteinander in einem inneren Zusammenhang zu sehen sind. Sie ist ein unverzichtbares Kriterium, das die gesamte Lehre und Praxis der Kirche unablässig auf Christus hin orientieren will“ (Nr. 18). Das in der Erklärung zum Ausdruck gebrachte gemeinsame Verständnis der Rechtfertigung hat trinitarischen und christologischen Charakter: „Es ist unser gemeinsamer Glaube, dass die Rechtfertigung das Werk des dreieinigen Gottes ist. Der Vater hat seinen Sohn zum Heil der Sünder in die Welt gesandt. Die Menschwerdung, der Tod und die Auferstehung Christi sind Grund und Voraussetzung der Rechtfertigung. Daher bedeutet Rechtfertigung, dass Christus selbst unsere Gerechtigkeit ist, derer wir nach dem Willen des Vaters durch den Heiligen Geist teilhaftig werden. Gemeinsam bekennen wir: Allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Christi, nicht aufgrund unseres Verdienstes werden wir von Gott angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu guten Werken“ (Nr. 15). Wenn wir diese Gemeinsame Erklärung annehmen, welche das Werk des dreieinigen Gottes preist und sich in der Heilstat Christi konzentriert, kommen wir nicht umhin, hervorzuheben, dass das von den Katholiken und Lutheranern bisher erreichte Ziel glücklicherweise mit den letzten Vorbereitungen auf die Feierlichkeiten des Jahres 2000 zusammengefallen ist. Die Vorbereitung des Jubiläums, so hat es das Apostolische Schreiben Tertio millennio adveniente vorgegeben, muss dazu fuhren, die Dreifaltigkeit zu preisen und innerhalb des christlichen Volkes das Bewusstsein für den Wert und die Bedeutung des Jubiläums wiederzubeleben, das innerlich christologisch geprägt ist <811>. Das von der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre erzielte Ergebnis hat zu den Vorbereitungen unserer Jubiläumsfeierlichkeiten beigetragen und es uns gestattet, mit einer ökumenischen Perspektive in das neue Jahrhundert hinüberzuwechseln, die einen entscheidenden Schritt nach vome gemacht hat. Wenn wir der 2000 Jahre seit Christi Geburt gedenken, werden wir nun auch in aller Demut und Dankbarkeit Gott gegenüber im Stande sein, zu sagen, dass wir versucht haben, dem Gebet des Herrn für seine Jünger zu entsprechen: „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21); und wir können greifbare Resultate liefern, wenn auch im Bewusstsein, dass der Weg noch weit ist, der bis zur sichtbaren Einheit zurückzulegen ist, zu der uns Christus beruft. <811> Vgl. Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, Nr. 31. Die Bedeutung der Gemeinsamen Erklärung Bei der Annahme der Erklärung haben die katholischen und lutherischen Autoritäten darauf hingewiesen, dass die Rechtfertigungslehre, so wie sie im Dokument 1336 ANHANG vorgestellt wird, den Lehren der maßgeblichen Quellen der beiden Partner, nämlich das Konzil von Trient und die lutherischen Bekenntnisse, nicht widerspricht. Vielmehr kann die Erklärung in deutlicher Kontinuität mit dem wesentlichen Verständnis der Rechtfertigungslehre gesehen werden, so wie sie Katholiken und Lutheraner im sechzehnten Jahrhundert formuliert hatten. Um zu verstehen, wie ein solches Übereinstimmungsniveau erreicht werden konnte, müssen wir auf folgende Tatsachen etwas genauer eingehen: Die besonders in jüngster Zeit im ökumenischen Bereich unternommenen historischen und dogmatischen Studien konnten sowohl hinsichtlich des polemischen Kontextes des 16. Jahrhunderts als auch bezüglich der politischen, sozialen, theologischen und philosophischen Einflüsse eine Klärung herbeifuhren. Es waren Einflüsse, die auf beide Seiten einwirkten, als sich damals das Verständnis dieser Lehre herausgebildet und man die gegenseitigen Lehrverurteilungen ausgesprochen hatte, bzw. das verurteilte, was man für die Lehrposition des anderen hielt. Durch solche Studien konnte aufgezeigt werden, dass „eine gewisse Anzahl von Unterschieden aus mangelndem gegenseitigen Verständnis resultierte und zum Teil auch aufgrund falscher Interpretation und übertriebenem Misstrauen entstanden ist. Andere Unterschiede gehen auch auf unterschiedliche Denk- und Ausdrucksweisen zurück“ <812>. Zur besagten wissenschaftlichen Untersuchung hat auch Papst Johannes Paul II. ermutigt <813>, und sie hat die theologische und intellektuelle Grundlage für eine eingehende Neubewertung der jeweiligen Lehrpositionen und für eine Klärung dessen, was auf beiden Seiten damit ausgesagt wird, geliefert. Außerdem hat die gegenwärtige ökumenische Bewegung zur „inneren Bekehrung“ und zum „Neuwerden des Geistes“ aufgerufen und auch, dass „wir vom göttlichen Geiste die Gnade aufrichtiger Selbstverleugnung, der Demut und des geduldigen Dienstes sowie der brüderlichen Herzensgüte zueinander erflehen“ <814>. Sie hat jene Kraft genährt und jene geistige Grundlage gelegt, die Schritt für Schritt zu einer solchen Neubewertung geführt hat. Für die Katholiken hat diese Neubewertung ihre Wurzeln in der Lehre des II. Vatikanischen Konzils, das zu seinen Hauptanliegen die Wiederherstellung der Einheit zählt, die bei allen Christen zu fördern ist <815>. <812> K. Lehmann - W. Pannenberg, Lehrverurteilungen - kirchentrennend?, in: Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute = DiKi4, Freiburg-Göttingen 3 1988. <813> Vgl. Johannes Paul II., Schreiben anlässlich des 500. Jahrestages der Geburt Martin Luthers (1983). <814> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über den Ökumenismus, Unitatis redintegratio, Nr. 7. <815> Ebd., 1. Die ökumenischen Implikationen der Gemeinsamen Erklärung Eine Annäherung in der Frage der Rechtfertigung ist offensichtlich von großer Bedeutung für die Wiederversöhnung von Lutheranern und Katholiken, weil diese Frage als eine kirchentrennende Problematik angesehen worden ist. Man beachtete die Rechtfertigungslehre bereits seit Beginn des lutherisch/katholischen Dialogs. In 1337 ANHANG dem Dokument, das die erste Phase des internationalen katholisch-lutherischen Dialogs zum Abschluss bringt (1972), werden dem Problem fünf Absätze gewidmet <816>. In diesem Bericht wird bemerkt, dass hinsichtlich der Frage der Rechtfertigung „die traditionellen polemischen Uneinigkeiten ganz besonders deutlich definiert waren“, doch es wurde hinzugefiigt, dass „sich ein weitreichender Konsens in der Auslegung der Rechtfertigung entwickelte“ <817>. Dasselbe Dokument stellte aber auch brauchbare Perspektiven vor, die eine Öffnung für eine Annäherung herbeiführen <818>. Die zweite Phase des internationalen Dialogs ist auf einen solch vorgezeichneten Konsens eingegangen und hat ihn auch in den beiden Dokumenten erwähnt, die in den Jahren 1980 und 1981 veröffentlicht wurden <819>. Gleichzeitig wurden auch im Rahmen des lutherisch-katholischen Dialogs auf nationaler Ebene in den Vereinigten Staaten <820> und in Deutschland <821> bedeutende Dokumente über die Rechtfertigung ausgearbeitet. Diese entfachten eine intensive Debatte und stärkten die wachsende Überzeugung, dass Lutheraner und Katholiken einen Konsens in der Rechtfertigungslehre erreichen könnten. <816> H. Meyer-L. Vischer, Bericht der Evangelisch-lutherisch/Römisch-katholischen Studienkommission „Das Evangelium und die Kirche“, 1972 {Malta-Bericht) 26-30. Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene. Bd. I. 1931-1982, Paderborn-Frankfurt 21991. <817> Ebd.,26. <818> Ebd., 26. 3^ Alle unter einem Christus (op. eit), 14; „Das Amt in der Kirche“ (1981), Nr. 9. 3^ Justification by Faith, Lutherans and Catholics in Dialogue VII (Minneapolis, 1985). Deutsch: Lutherisch/Römisch-katholischer Dialog in den USA. Rechtfertigung durch den Glauben: Rechtfertigung im ökumenischen Dialog, Dokumente und Einführung, hrsg. v. H. Meyer u. G. Gaßmann = ÖkPer 12 (Frankfurt 1987). <821> K. Lehmann u. W. Pannenberg, Lehrverurteilungen- kirchentrennend? in: Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute = DiKi4, Freiburg-Göttingen 3 1988. Als die dritte Phase des internationalen lutherisch-katholischen Dialogs einsetzte, erwiesen sich die beiden eigentlich auf nationale Ebene abgestimmten Dokumente als äußerst nützlich für die Ausarbeitung eines ausführlichen Berichts, den die Kommission im Jahre 1993 fertigstellte und dem sie den Titel gab: „Kirche und Rechtfertigung: die Kirche im Lichte der Rechtfertigungslehre verstehen.“ <822> Als man dann auf Anfrage des Lutherischen Weltbundes und des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 1993 eine kleinere Gruppe einsetzte mit der Aufgabe, eine gemeinsame Erklärung über die Rechtfertigungslehre zu verfassen, verfügte diese über eine hohe Anzahl von Quellen, die bereits gemeinsame Ansichten zwischen Katholiken und Lutheranern in diesem Hauptpunkt andeuteten. Die Rechtfertigungslehre hat auch eine große Bedeutung für den Annäherungsprozess zwischen Katholiken und anderen aus der Reformation hervorgegangenen Gemeinschaften, und tatsächlich hat sich ja auch diese Streitfrage innerhalb der abendländischen Christenheit ergeben. Daher mag es auch keineswegs überraschen, wenn die Rechtfertigungslehre von der internationalen Katholisch-Anglika- <822> IS86 (1994), 128-181. 1338 ANHANG nischen Kommission in ihrem Dokument Salvation and the Church42 von 1987 ausführlich behandelt wurde. Die beiden Vorsitzenden dieser Kommission unterstrichen, dass „die Ausarbeitung des Textes enorm erleichtert wurde durch die Erklärung Justification by Faith ... der Katholisch-Anglikanischen Konsultation in den Vereinigten Staaten“ <823> <824>. Auch der Dialog zwischen der Katholischen Kirche und dem Weltbund der Reformierten Kirchen hat sich mit einigen Aspekten des Themas Rechtfertigung in dem Bericht von 1990 in seiner zweiten Phase auseinandergesetzt <825>. Selbiges Thema wurde ebenfalls von der internationalen Kommission des Katholisch-Methodistischen Dialogs behandelt <826>. <823> IS63 (1987), 33—41. <824> Vgl. ebd., Diese Aussage ist dem Vorwort von Salvation and the Church entnommen. <825> Towards a Common Understanding of the Church: Reformed/Roman Catholic International Dialogue -Second Phase,77-88, IS74 (1990) 104-106. <826> Honolulu-Report 1981, 13-15, Growth in Agreement, op. cit., S. 370-371. Man darf deshalb sagen, dass der entscheidende Schritt, der mit der Gemeinsamen Erklärung getan wurde, was die katholisch-lutherischen Beziehungen anbelangt, auch der formellen Versöhnung zwischen Katholiken und Christen anderer Konfessionen zugute kommt. Ungeachtet der Tatsache, ob dies eintritt oder nicht, ist und bleibt die Erklärung ein historischer Fortschritt von größter Bedeutung in der Geschichte der abendländischen Christenheit und für die ökumenische Bewegung überhaupt. Das Dokument beweist, dass ökumenischer Fortschritt auch in Fragen mitgrundlegender Bedeutung erzielt werden kann, welche die Kirchen Jahrhunderte lang getrennt haben. Die Grenzen des bisher Erreichten Wenn die Rechtfertigung - und dem ist auch so - nun wirklich „der Kernpunkt der Auseinandersetzung des 16. Jahrhunderts“ ist, dann muss man sich fragen, inwieweit der von der Katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund erzielte Konsens in dieser Lehre den untereinander bestehenden Lehrstreit eliminiert. Wir haben bisher zu Recht die Bedeutung der Gemeinsamen Erklärung unterstrichen, insofern sie es gestattet hat, ein beachtliches Hindernis zu überwinden. Nun müssen aber auch klar und deutlich die Grenzen des erzielten Konsenses beschrieben werden. Die Erklärung hat selbstverständlich der Katholischen Kirche und den Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes, welche die Erklärung unterzeichnet haben, erlaubt, einen Schritt in Richtung Einheit zusetzen. Doch haben sie deshalb noch nicht das Ziel der vollen und sichtbaren Einheit erreicht. Die offiziellen „Antworten“ auf die Gemeinsame Erklärung akzeptieren den grundlegenden Konsens hinsichtlich der Rechtfertigung, sowie er im Dokument dargestellt wird, weisen aber auch gleichzeitig auf einige mit diesem Konsens in Verbindung stehenden Argumente hin, die weiterer Untersuchungen bedürfen. Der 1339 ANHANG Lutherische Weltbund bezieht sich dabei auf die Nummern 18, 28-30 und 38 der Erklärung. Die Katholische Kirche ihrerseits möchte die in den Nummern 21, 22 und 29-30 behandelten Argumente einer sorgfältigeren Klärung unterzogen wissen. Außerdem zählt auch die Erklärung selbst (Nr. 43) einige Fragen unterschiedlicher Bedeutung auf, welche die Kommission noch weiter untersuchen muss: die Beziehung zwischen Wort Gottes und dem Lehramt der Kirche, die Ekklesiologie, die Autorität in der Kirche und ihre Einheit, das Amt, die Sakramente und das Verhältnis zwischen Rechtfertigung und Sozialethik. In den letzten Jahrzehnten, in denen beide Gemeinschaften an der modernen ökumenischen Bewegung teilgenommen haben, sind einige neue Differenzen aufgebrochen, die unseren jeweiligen Weg zur sichtbaren Einheit behindern können. Die Gemeinsame Erklärung hat einen bedeutenden Schritt nach vorne ermöglicht, der uns voller Hoffnung sein lässt, dass sich diese beiden Christenfamilien, die seit der Reformation getrennt sind, wieder annähem. Dennoch hat uns dieser Schritt nicht zur vollen und sichtbaren Einheit geführt, und Katholiken können die Eucharistie mit ihren lutherischen Brüdern nicht gemeinsam feiern. Zwar müssen Lutheraner und Katholiken ihr gemeinsames Gebet intensivieren, aber deshalb besitzen sie dennoch nicht jene „Einheit des Glaubens, des Kultes und des kirchlichen Lebens“ <827>, welches für die Katholiken eine unabdingbare Voraussetzung ist, um gemeinsam die Eucharistie feiern zu können. Unsere gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie kann erst dann erfolgen, wenn wir die volle kirchliche Einheit erlangt haben, nach der wir suchen und wofür die Eucharistie das Zeichen schlechthin ist. <827> Direktorium für die Anwendung der Prinzipien und Normen hinsichtlich der Ökumene, Nr. 129. Die seelsorglichen Implikationen der Gemeinsamen Erklärung Bevor ich mm diese Reflexion über die Gemeinsame Erklärung abschließe, scheint es mir durchaus angebracht, einige seelsorgliche Implikationen dessen aufzuzeigen, was die Katholische Kirche und der Lutherische Weltbund offiziell in diesem Dokument ausgesagt haben. Ganz sicher wird die Erklärung bedeutende Auswirkungen auf die gegenseitigen Beziehungen haben. Die erste Konsequenz der offiziellen Annahme der Gemeinsamen Erklärung besteht in der Feststellung, dass wir in der Lage waren, eine jener grundlegenden Differenzen zu überwinden, die das Unterscheidungsmerkmal (sowie das Zeichen des Gegensatzes) der beiden Gemeinschaften bildeten. Dies wird sich nicht nur in konkreter Weise positiv auf den künftigen theologischen Dialog, sondern jeweils auch auf unsere beiden Gemeinschaften auswirken, und zwar in allen Bereichen des kirchlichen Lebens. Daher müssten wir von nun an auch im Stande sein, all das, was uns zu Brüdern und Schwestern im einzigen Herrn werden lässt, den wir auch als den einzigen Mittler zwischen Gott und seinem Volk betrachten, besser zu schätzen. Es bleiben ernsthafte Schwierigkeiten bestehen, doch haben diese zweit- 1340 ANHANG rangige Bedeutung angesichts dessen, über das wir gemeinsam verfugen. Katholiken und Lutheraner können ihre unterschiedlichen Ausdrucksformen des Glaubens nicht mehr als zwei schwere Feuergeschütze betrachten, die sich in Schlachtformation gegenüberstehen. Zweitens sollten wir uns nunmehr noch tiefer der Dringlichkeit bewusst sein, auf dem Weg in Richtung Einheit fortzufahren. Noch sind wir nicht am Ende des Weges angelangt, doch wir haben einmal diesen Weg unternommen und auf diese Weise auch neue Perspektiven eröffnet, ihn zu vollenden. Dennoch ist Vorsicht geboten, damit nicht neue Hindernisse aufbrechen, die uns auf dem Weg behindern. Wir müssen Entwicklungen in der Lehre und in den ökumenischen Beziehungen verhindern, die uns auf dem Weg zur ersehnten Einheit bremsen könnten. Gleichzeitig müssen wir sichergehen, dass unsere Einstellung, unsere Redeweise, unsere Frömmigkeitspraktiken und die Art und Weise des gegenseitigen Verständnisses in vollem Umfang die Wahrheit respektieren, die wir in der Gemeinsamen Erklärung klar und deutlich ausgesprochen haben. Drittens müssen wir auch das erwägen, was uns die Gemeinsame Erklärung selbst in Erinnerung ruft: das neue Leben, das wir empfangen haben, kommt nicht durch unsere Verdienste, sondern es ist ein freiwilliges Geschenk Jesu Christi. Diese Feststellung muss ständig unseren Dank Gott gegenüber und unseren Gottesdienst nähren; etwas, was wir wesentlich öfter zusammen tun können und sollten, als es uns in der Vergangenheit möglich gewesen ist. Es ist an dieser Stelle auch angebracht, daran zu erinnern, dass die Gemeinsame Erklärung nicht in erster Linie das Resultat derer ist, die sie verfasst haben. Diese Ergebnisse sind doch das Werk der Gnade, die vom Heiligen Geist kommt. Das Gebet war ein sehr wichtiger Faktor, und das Gebet für die Einheit wird auch weiterhin ein wesentlicher Bestandteil unserer Beziehungen sein. Schließlich und endlich erinnert uns die Erklärung an die Verantwortung, die wir alle haben, nämlich an die Verantwortung, das neue Leben in Fülle zu leben, das uns aus freien Stücken geschenkt wurde. Katholiken und Lutheraner sind berufen, im nunmehr beginnenden dritten christlichen Jahrtausend Zeugnis von ihrem Glauben an Christus abzulegen. Die Rechtfertigung erfordert auch einen Wandel der Lebensweise. Gemeinsam können wir heute der Welt die frohe Kunde von der Rechtfertigung durch den Glauben an Christus verkünden. So habe ich vor den Teilnehmern der Generalversammlung des Lutherischen Weltbundes in Hongkong im Juli 1997 erklärt: „Vor all jenen, die heutzutage oft Opfer falscher aus dem Materialismus und der Säkularisierung stammenden Werten sind, können Lutheraner und Katholiken zusammen mit den Worten der Gemeinsamen Erklärung bekennen, ,daß der Mensch im Blick auf sein Heil völlig auf die Gnade Gottes angewiesen ist“ (Nr. 19). Vor jenen, die gebrochen sind oder sich durch die vielen Gefahren bedrückt fühlen, die das Leben und die harmonische Entwicklung des Menschen bedrohen, können wir gemeinsam bekennen, daß wir uns ,auf die Verheißungen Gottes verlassen können“ 1341 ANHANG (Nr. 34). Vor jenen, die sich vom Gewicht der Schuld angesichts der in der Vergangenheit begangenen Sünden erdrückt fühlen oder die heute ein Dasein in Sünde führen, ,bekennen wir gemeinsam, daß Gott aus Gnade dem Menschen die Sünde vergibt und ihn zugleich in seinem Leben von der knechtenden Macht der Sünde befreit und ihm das neue Leben in Christus schenkt1 (Nr. 22). Vor jenen, die heute, wie damals zu Zeiten des hl. Paulus den unbekannten Gott suchen, ,bekennen wir gemeinsam, daß der Heilige Geist in der Taufe den Menschen mit Christus vereint, rechtfertigt und ihn wirklich erneuert1 (Nr. 28) und ,daß der Mensch im Glauben an das Evangelium unabhängig von Werken des Gesetzes (Rom 3,28) gerechtfertigt wird1“ (Nr. 31). Um all das in möglichst wirkungsvoller Weise zu tun, müssen wir auch gemeinsam in Christus wachsen. Die Gemeinsame Erklärung darf kein Dokument sein, das in den Archiven Roms oder Genfs endet. Was wir verwirklicht haben, muss wesentlicher Bestandteil des Lebens all unserer Pfarrgemeinden und unserer Zusammenkünfte werden. Auf lokaler Ebene müssen Wege und Mittel gefunden werden, um dies zu erreichen. Eine Anregung, die in diesem Zusammenhang gegeben werden kann, betrifft die biblischen Studien zur Rechtfertigung, welche der Lutherische Weltbund und der Päpstliche Rat für die Förderung .der Einheit der Christen vor zwei Jahren vorbereitet haben. Eine solche Initiative sollte erneut in Erwägung gezogen und im Hinblick auf die katholischen und lutherischen Pfarrstrukturen untersucht werden. Im Bereich der ökumenischen Bewegung ist besonders das sog. „Prinzip von Lund“ bekannt, ein Dokument, das 1952 den Abschluss der dritten Weltkonferenz über „Glauben und Kirchenverfassung“ bildete. Das Dokument regt die Kirchen an, „zu erwägen, ob diese effektiv alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu bekunden, daß das Gottesvolk eins ist“, und es ermutigt sie, sich zu fragen, „ob sie nicht hinsichtlich aller Fragen gemeinsam handeln sollten, außer im Bezug auf jene, die aufgrund gravierender Unterschiede in der Glaubensüberzeugung zu getrenntem Handeln zwingen“ <828>. <828> The Third World Conference on Faith and Order, Lundl952 hrsg. v. Oliver S. Tomkins, London SCM Press Ltd, 1953, Erster Teil: A Word to the Churches, S. 16. Dieses wichtige Prinzip wurde von der Weltkonferenz in Lund als eine Anfrage an die Kirchen formuliert. Katholiken und Lutheraner haben gemeinsam ihre Übereinstimmung hinsichtlich eines wichtigen Aspektes des apostolischen Glaubens zum Ausdruck gebracht. Nun könnten sie dieses Prinzip als theologische Verantwortung übernehmen. Wie könnten sie es da wohl versäumen, sich zu bemühen, den Grad der Einheit, die wir heute miteinander teilen, zu vertiefen, indem sie versuchen, hinsichtlich all dieser Fragen gemeinsam zu handeln, außer in Bezug auf jene, die aufgrund gravierender Unterschiede in der Glaubensüberzeugung zu getrenntem Handeln zwingen? 1342 ANHANG Schluss Die Gemeinsame Erklärung darf, wenn auch mit gewissem Vorbehalt, als Ausdruck dessen betrachtet werden, was das Dekret über den Ökumenismus aussagt: „Der Herr der Geschichte aber, der seinen Gnadenplan mit uns Sündern in Weisheit und Langmut verfolgt, hat in jüngster Zeit begonnen, über die gespaltene Christenheit ernste Reue wegen ihrer Trennung und Sehnsucht nach Einheit reichlicher auszugießen.“ <829> <829> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über den Ökumenismus, Unitatis redintegratio, Nr. 1. Vor allem müssen wir dem Herrn danken für all das, was wir verwirklicht haben. Das Jahr 1998, in dessen Verlauf die offiziellen „Antworten“ der Katholischen Kirche und des Lutherischen Weltbundes auf die Gemeinsame Erklärung bekannt gemacht wurden, war innerhalb des Vorbereitungszyklus auf das Jubiläum dem Heiligen Geist gewidmet. Wie sollte man in diesem Zusammenhang nicht daran erinnern, dass das große Geheimnis der Menschwerdung durch das Wirken des Heiligen Geistes geschah <830> und dass der Heilige Geist unablässig in der Kirche wirkt? <830> Johannes Paul n., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, Nr. 44. Was den Ökumenismus anbelangt, so müssen wir uns auf das berufen, was das II. Vatikanische Konzil ohne Zögern aussagt, nämlich dass die Bewegung zur Wiederherstellung der Einheit der Christen durch den Impuls des Heiligen Geistes ins Leben gerufen wurde <831>. Lange Jahre theologischen Dialoges haben der erzielten Übereinstimmung zwischen Lutheranern und Katholiken eine sprachliche Form gegeben; dieser Dialog wurde durch das Gebet für die Einheit unterstützt und zeichnet nun die Beharrlichkeit aus, mit der sich der Lutherische Weltbund und die Katholische Kirche dieser Aufgabe gewidmet haben. Und wir würden eine Unterlassungssünde begehen, würden wir in dem, was wir erreicht haben, nicht den Impuls erkennen, der uns durch die Gnade des Heiligen Geistes zuteil wurde, des Geistes der Einheit, der uns in unserer Antwort auf das Gebet Christi für seine Jünger unterstützt: ,AHe sollen eins sein“ (Joh 17,21). <831> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über den Ökumenismus, Unitatis redintegratio, Nr. 1. Mit dem Psalmisten können wir also ausrufen: „Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig“ (Ps 118,1). „Wir sagen dem Herrn Dank für diesen entscheidenden Schritt zur Überwindung der Kirchenspaltung. Wir bitten den Heiligen Geist, uns zu jener sichtbaren Einheit weiterzuführen, die der Wille Christi ist.“ <832> <832> Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, Nr. 44. 1343 ANHANG Förderung einer tragbaren und menschlichen Entwicklung für alle Bewohner der Erde Statement von Bischof Diarmuid Martin, Sekretär des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden und Leiter der Delegation des Hl. Stuhls, bei der Dritten Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO/OMC) in Seattle, U.S.A., am 2. Dezember 1. Der Hl. Stuhl ist erfreut, an der dritten Ministerkonferenz der WTO teilzunehmen, da er die Wichtigkeit eines auf Regeln gestützten multilateralen Handelssystems [mled-based Multilateral Trade System - MTS] für die Weltwirtschaft und für die Entwicklung eines jeden Landes anerkennt. Als Beobachter hat der Hl. Stuhl die laufende Debatte über den Zweck und die Zielsetzungen der bevorstehenden Verhandlungen der Millennium-Runde mit großem Interesse verfolgt und nimmt diese Gelegenheit wahr, einige Anliegen und Vorschläge zu den Diskussionsthemen vorzutragen. 2. Die anfängliche Durchführung der Abkommen der Uruguay-Runde hat bedeutsame Fortschritte seitens der Entwicklungsländer in der Umsetzung von Politiken zur Liberalisierung des Marktes gezeigt, aber Armut und Marginalisierung wurden nicht besiegt. Die ärmsten Länder [d. h. die in der LDC-Liste der Vereinten Nationen enthaltenen und viele andere arme, kleine oder Übergangs-Volkswirtschaften], welche immer noch hoffen, dass der Handel eine entscheidende Hilfe in ihrer Entwicklung sein könnte, mühen sich dennoch damit ab, sich den WTO-Regeln und dem globalen Handelssystem anzupassen. Der Hl. Stuhl ist der Ansicht, dass das MTS erst dann verwirklicht ist, wenn solche Länder in der Lage sind, sich in die internationale Gemeinschaft zu integrieren und gleichzeitig die Möglichkeit beibehalten, eine menschliche und tragbare Entwicklung ihrer Bürger zu fördern. Die positive Antwort der Entwicklungsländer auf die Vorschläge des Marrakesh-Dokuments sowie der Konferenzen von Singapur und Genf sollte eine entsprechende Reaktion der großen Wirtschaftsmächte finden in der Förderung von freundlichen Rahmenbedingungen des Handels für die Entwicklung und den Kampf gegen extreme Armut. Besonders auffallend ist, dass der Anteil der LDC-Länder [Less developed countries - wenig entwickelte Länder] am Welthandel nur noch rund ein halbes Prozent beträgt und seit 1990 abnimmt. Weitere Anstrengungen sind daher nötig, um sicherzustellen, dass alle Partner die Gelegenheit haben, Nutzen zu ziehen aus offenen Märkten und dem freien Fluss von Gütern, Dienstleistungen und Kapital. Papst Johannes Paul II. schrieb in der Enzyklika Centesi-mus annus: „Die Armen verlangen das Recht, an der Nutzung der materiellen Güter teilzuhaben und ihre Arbeitsfähigkeit einzubringen, um eine gerechtere und für alle glücklichere Welt aufzubauen. Die Hebung der Armen ist eine große Gelegenheit für das sittliche, kulturelle und wirtschaftliche Wachstum der gesamten Menschheit“ (Nr. 28). In seiner Botschaft an das Weltforum zur Ausrottung der Armut hat der Generaldirektor der WTO, Mike Moore, sehr deutlich festgehalten: 1344 ANHANG „Die Zielsetzung des Handels muss die Hebung des Lebensstandards sein.“ Der Hl. Stuhl lädt die Verhandelnden daher ein, den Bedürfnissen der Entwicklungsländer und den Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, denen sie begegnen, um Zugang zum Weltmarkt zu erhalten. 3. Die Unfähigkeit der LDC-Länder und schwacher Volkswirtschaften, vollen Nutzen aus den von den bestehenden WTO-Abkommen gebotenen Möglichkeiten zu ziehen, besteht neben weiteren Problemen in einem Mangel an Fachkräften, die mit der Komplexität der Arbeitsstrukturen und Regeln der WTO umzugehen vermögen, in der Unfähigkeit, nationale Vorschriften zu modernisieren, in schwachen institutioneilen Infrastrukturen [speziell in so heiklen Bereichen wie der Gesetzgebung über geistiges Eigentum] und in den hohen Kosten des Unterhalts von Gesandtschaften in Genf. Diesen Zwängen sollte entgegengetreten werden durch eine substantielle Steigerung in der Bereitstellung jeder Art von Hilfe [wie sie geleistet wird durch die Tätigkeiten technischer Zusammenarbeit von WTO, UNCTAD und ITC], so dass die Verhandlungsfähigkeit dieser Länder entwickelt und gefördert werde (vgl. Papst Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus [1991], Nr. 59). Somit sind also LDC-Länder und schwache Volkswirtschaften außerstande, das Streitschlichtungsverfahren [Dispute Settlement] zu ihren Gunsten zu nutzen aufgrund ihres Mangels an finanziellen Mitteln und der fehlenden Erfahrung in rechtlichen Angelegenheiten. Gremien könnten repräsentativer zusammengesetzt werden, indem man Experten von entwickelten, in Entwicklung begriffenen und wenigst entwickelten Ländern mit einschließt. Die vorgeschlagene Rechtsberatungsstelle [Legal Advisory Center] sollte ohne weitere Verzögerung eingerichtet werden, um den Bedürfnissen der armen Länder entgegenzukommen hinsichtlich der Wahrung ihrer Rechte durch Zuhilfenahme der DSU. Abkürzungswege [fast-track] bei der WTO-Mitgliedschaft für solch arme, kleine oder Übergangs-Volkswirtschaften, die noch nicht Mitglieder sind, könnten ebenfalls ein wichtiger Teil der Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft sein. Eine klare und vereinfachte Prozedur könnte für potentielle Mitglieder festgesetzt werden, so dass sie innerhalb eines Jahres aufgenommen werden können und nicht Auflagen unterworfen werden, die über diejenigen der LDC-Mitglieder der WTO hinausgehen. 4. Die Verbesserung der Gewandtheit in Angelegenheiten des Rechts und Management bei den armen Ländern ist wertlos, wenn nicht von Maßnahmen begleitet, die daraufhinzielen, eine wesentliche Beteiligung ihres Handels am MTS zu erreichen. Diese Maßnahmen sollten beginnen mit der Anwendung bestehender Regeln, und zwar so, dass eine wirksame Antwort auf die Anliegen der Entwicklungsländer gewährleistet ist. Die Umsetzung der Verfügungen besonderer und differenzierter Behandlung, wobei den entsprechenden Ländern technische, rechtliche und finanzielle Hilfe geleistet wird, ist ein Schritt in dieser Richtung. Ingesamt betrachtet, geht eine besondere und differenzierte Behandlung über Vorzugstarife und Über- 1345 ANHANG gangsfristen hinaus und zielt auf wesentliche Elemente des Wirtschaftswachstums und der Entwicklung ab: „Know-how“, technische Fähigkeiten und Information. Unter den Vereinbarungen, welche die Handelsposition von LDC- und anderen wirtschaftlich schwachen Ländern stärken können, scheint ein Abkommen über abgabenfreien und nicht kontingentierten Marktzugang für alle Produkte mit LDC-Ursprung weiterhin sehr wünschenswert trotz der Schwierigkeiten, die sich mit dessen Anwendung ergeben. Der Hl. Stuhl hofft, dass die nächste Verhandlungsrunde sich mit den hauptsächlichen Erwartungen der Entwicklungsländer auseinandersetzen wird, um so die Entwicklung und die Linderung der Armut zu fordern und alle Länder, speziell die wirtschaftlich schwächsten, in die Lage zu versetzen, den vollen Nutzen des MTS zu genießen. 5. Eine Liberalisierung des Handels im Bereich der Landwirtschaft, die von großer Bedeutung für die Entwicklungsländer ist, die Lebensmittel- und Rohmaterial-Lieferanten sind, sollte nicht begleitet sein von unerwünschten Auswirkungen für Entwicklungsländer mit Lebensmittel-Endimport. Die ärmsten Länder sollten in der Lage sein, Nutzen zu ziehen aus jeder weiteren Öffnung der Landwirtschaftsmärkte und gleichzeitig die Möglichkeit beibehalten, geeignete Handelspolitiken zur Förderung ihrer eigenen Produktion festzusetzen. Ein solcher spezifischer Rechtsschirm zugunsten von LDC- und NFIDC-Ländem sollte ergänzt werden durch jede nötige technische und finanzielle Hilfe auf bilateraler und multilateraler Basis, um die Nahrungsmittelproduktion vor Ort zu steigern und die Nahrungsmittel-Sicherheit zu gewährleisten. 6. Art. 66.2 des TRIP-Abkommens war darauf angelegt, die durch die neue Regelung über geistiges Eigentum auferlegten Einschränkungen zu kompensieren. Dessen Bestimmungen müssen daher dahingehend umgesetzt werden, dass eine Mobilisierung der Wissenschaft zugunsten der Entwicklung gefordert wird. Die ärmsten Länder sind besonderen Schwierigkeiten ausgesetzt, was Wetter, Boden, Landwirtschaft, Grund-Gesundheitsfürsorge und Tropenkrankheiten betrifft, die nur überwunden werden können durch einen konstanten Fluss spezifischen Wissens. Die TRIP-Bestimmungen dürfen schnellen und billigen Zugang zu den Produktionsmitteln für Grund-Arzneimittel und andere Medikamente nicht verhindern, die nötig sind um die wichtigsten Geißeln zu bekämpfen, von denen die Bevölkerung der ärmsten Länder heimgesucht ist. Über die bestehenden TRIP-Regelungen hinaus können neue Rechtsinstrumente, die sowohl den gebührlichen Austausch von Basis-Technologie als auch die vertretbaren Interessen von Patent- und Copyright-Inhabern berücksichtigen, hilfreich sein, den technischen Rückstand zu überwinden. Weitere wissenschaftliche und politische Anstrengungen sollten ferner unternommen werden, um Wege des Schutzes und der Integration in das MTS von Biologischer Diversität, traditionellem Wissen, Folklore und Rechten der Landarbeiter zu finden (vgl. Convention on Biological Diversity, 5. Juni 1992). 1346 ANHANG 7. Es gibt gewisse heikle Fragen, die ebenso entwickelte Länder wie solche mit mittlerem Einkommen oder arme betreffen - etwa Menschenrechte, Arbeitsfragen, Umweltschädigung, Biotechnologie und Gesundheit -, die ungeachtet ihres Zusammenhangs mit Handel ihre volle Lösung jenseits der Grenzen der WTO haben. Sie alle sind in einem Geist der Vernunft und Zusammenarbeit zu behandeln, und es muss ein breiter und langfristiger Konsens auf den Grundvoraussetzungen menschlicher, tragbarer Entwicklung gesucht werden. 8. Fragen der Menschen- und Arbeitsrechte verdienen besonderes Augenmerk. Der Hl. Stuhl begrüßt die ILO-Erklärung [ILO: International Labour Organization -Internationale Arbeitsorganisation] über Grundprinzipien und Rechte der Arbeit [ILO Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work], er betrachtet diese als eine angemessene Antwort auf die von einer globalisierten Wirtschaft gestellten Herausforderungen. Kinderarbeit, organisierte Prostitution, Sklaverei und Zwangsarbeit sowie das Verbot von Gewerkschaften kann niemals Teil einer nationalen Politik sein oder als Recht eines Landes zur Entwicklung verteidigt werden (vgl. Papst Johannes Paul II., Enzyklika Laborem exercens [1981], Nr. 7). Um jedoch die volle Einhaltung der in der ILO-Erklärung verkündeten Prinzipien zu erleichtern, ist es nötig, dass die reichen Länder jede Art von Protektionismus unter dem Deckmantel der genannten Prinzipien vermeiden. 9. Die internationale Debatte sollte die Multilateralen Umwelt-Abkommen anerkennen in gerechter, nicht-protektionistischer und geeigneter Weise, um die dringendsten Probleme der ärmsten Länder zu bewältigen und auch die nötigen Bedingungen für eine wirklich menschliche Ökologie zu schaffen (vgl. Papst Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus [1991], Nr. 38). Die wirtschaftlichen Kosten des internationalen Umwelt-Managements sollten zur Hauptsache von den reicheren Ländern getragen werden, um den LDC-Ländem und schwachen Volkswirtschaften nicht noch zusätzliche Lasten und Erschwernisse aufzuerlegen (vgl. Rio Declaration on Environment and Development, UNCED, 92. Principle Nr. 7). 10. Außerdem erfordert die vorteilhafte Einbeziehung der LDC-Länder sowie kleiner, armer und Übergangs-Volkswirtschaften in die Wirtschaft auf Weltebene einen innovativen und erheblichen Einsatz zur Erleichterung der Last internationaler Schulden und zur Vermehrung bilateraler und multilateraler ODA [Official Development Assistance - öffentliche Entwicklungshilfe]. Dieser Ansatz geht über die Kompetenzen der WTO hinaus, ist aber nötig für das Wohlergehen des MTS selbst. 11. Schließlich ist die zivile Gesellschaft zunehmend daran, zu einem wichtigen Mitspieler bei globalen Entscheidungsvorgängen [global govemance] zu werden. Die WTO hat eine Reihe von Initiativen unternommen, um die Arbeit der Organisation transparenter und offener gegenüber der zivilen Gesellschaft zu machen. Allerdings war die WTO mit einer Reihe von Einschränkungen konfrontiert in dieser ersten Phase des Dialogs: unter anderen der Mangel an geeignetem Personal, 1347 ANHANG Geldmitteln und Information für einen systematischen Kontakt zu Gruppen der zivilen Gesellschaft. In die Zukunft gesehen, wird es für die WTO wichtig sein, einen systematischeren, konstruktiven Dialog mit repräsentativen Gruppen der zivilen Gesellschaft aufzubauen und Mechanismen permanenter Akkreditierung und regelmäßiger Konsultation zu entwerfen. Der Erfahrungsaustausch mit anderen internationalen Organisationen, zumal dem System der Vereinten Nationen, könnte auf dieser Stufe ebenfalls hilfreich sein. Besondere Anstrengungen sollten dahingehend unternommen werden, Bürgergruppen von Entwicklungsländern einzubeziehen und ein repräsentatives Spektrum von Organisationen zu gewährleisten. Nicht-Regierungsorganisationen [NGOs] könnten ihrerseits die Debatte über die zu behandelnden Themen in der WTO anregen und so einen fruchtbareren Austausch auf allen Ebenen ermöglichen. 1348 REGISTER Wortregister Abendmahl - Letztes 40, 656 f., 737, 752 Abendmahlssaal 364, 656 - als erstes Priesterseminar 410 - Fußwaschung im 317, 364,410 f. - Gebet/Worte Jesu im 158,257, 304,318, 737, 752 - Jünger versammelt im 71 f., 261 f.,410f. - Maria im 71, 261 f. Abhängigkeit - gegenseitige A. der sozialen, wirtschaftl., politischen Systeme 112 Ablass 628,995 - der gekreuzigte Jesus selbst ist der 131 f., 134 - ein göttliches Geschenk 131-134, 628,1170 Absolution 128 f., 752 Abtreibung 18, 535, 547-549, 733-735, 812 f., 963,1195-1197,1286 - gesetzliche Abtreibungsregelung in Deutschland 1195-1197 Achtung - der Menschenrechte 3 f., 160, 193 f., 245 f., 334,423,453-463, 509,620-624, 651-653,710 - der Menschenwürde 195,197,276 - gegenseitige 176,246, 251, 266 f. - gegenüber den Eltern 11 - vor alten Menschen 822-829 - vor dem Heilsplan Gottes 352 - vor dem Leben 176,197,201-205, 353 - vor dem Menschen 3 f., 59, 306, 369, 805, 822-829 - vor der Umwelt 68 - vor Gottes Geboten 43-45, 115 f., 288-291,305 Advent - als marianische Zeit 167 - Beginn des neuen Kirchenjahrs 166 f. - Vorbereitung auf die Geburt Jesu 166 f. - Zeit der Erwartung u. der Hoffnung 171 Agnostizismus 1218 AIDS 1306 Akademie - Päpstl. A. der Wissenschaften 620-624 - Päpstl. A. des hl. Thomas v. Aquin 565-569 - Päpstl. A. für das Leben 600-604 - Päpstl. A. für Sozialwissenschaften 611-614 - Päpstl. Theologische 565-569 Allerheiligen 153 f. Allerseelen 153 f. Almosen 23 Alte(n) 15, 95 f., 548 f. - Brief an die alten Menschen 814-829 - Internat. Jahr der alten Menschen (1999) 95 f. Amt/Ämter 1340 - bischöfliches 1023-1029, 1057 f., 1105 - des Apostolischen Nuntius 1288 f. - des Bischofs von Rom 774 f. - Dienstämter 270,419 - Jesu Christi 418 f. - Petrusamt 770 f. 1349 REGISTER - Priesteramt 40,220, 1035,1042, 1073 Amtspriestertum - und Laienberufimg 1082 f. Analphabetismus 857, 882 - Kampf gegen 794 f. Anbetung 782 f. - eucharistische 225,844,1189 - Gottes 33,229 - in der Nacht auf Karfreitag 40 f. Anerkennung - historischer S chuld 115-118 Anthropologie 791-793 - biblische A. von Beziehung 164, 176 f. - christliche 163 f., 960-963 Anti-Personen-Minen 24, 216, 931, 1101 Antisemitismus 57 Apologetik - neue 1087 f. Apostel(n) - als Verkünder des Evangeliums 63, 500 - Andreas 250,261 - Bischöfe als Nachfolger der 87 f., 250 £, 424, 656 f., 745 f, 770, 1023-1029 - Jesus und seine 5 £, 73, 500, 626 £, 752, 770-772, 987 - Paulus 85-88,770-772 - Petrus 85-88,109 £, 250, 261, 770-772, 776 £, 810 £, 821, 987 - Sendung der 770-772 - Zeugnis der 211,770-772 Apostelgeschichte 67 £, 363, 365 Apostolat 71, 748 - aller in der Kirche 322 - apostolischer Wagemut 266 £ - der Barmherzigkeit 358 - der Laien 314 £, 605-608,1107 Apostolische Nuntiatur - Grundsteinlegung in Berlin 1288 £ Apostolische Pönitentiarie 625-629 - Anweisungen der 131 Apostolisches(n) Schreiben(s) - Catechesi tradendae 1141 - Christifideles laici 200, 336 £, 607, 746 £, 1058, 1101, 1148 - Dies Domini 201 £ - Diserti interpretes 328 - Ecclesia in Africa 1014, 1016, 1041,1047,1063,1090,1117 £, 1130-1139,1145,1149 - Ecclesia in America (1999) 10, 16-18, 191,206,224,493-565, 993, 1075-1079, 1126 - Ecclesia inAsia 159-162,421-427, 874-946, 993 - Evangelii nuntiandi 315,496 £ - Familiaris consortio 96,168-171, 182 £, 579, 1090,1101 - Inter Munera Academiarum 565-569 - Investigabiles divitias 328 - Ordinatio sacerdotalis 1035 - Ordo Poenitentiae 125,128 - Pastores dabo vobis 325,1042, 1048 £, 1060, 1073,1142 - Reconciliatio et paenitentia 109, 112,125 - Redemptoris anno 1299 - Redemptoris missio 716 - Salvifici doloris 199 - Tertio millennio adveniente 9 £, 19,51,55,104, 107,116, 135 £, 154, 163,175,184, 208,275 £, 318, 322, 331,341,404, 465, 470 £, 494 £, 506, 571, 581, 604 £, 693, 761-769, 802, 875, 976, 993 £, 1350 REGISTER 1002-1004,1053,1084,1110, 1138,1331-1333, 1336 Approbation - der Statuten der Päpstl. Akademien 565-569 Arbeit(s) 15 f., 81, 373-377, 581, 593, 635-637, 800 - als Form der Verkündigung 635-637 - Aufteilung der 613 - Christsein am A.platz 635-637 - Menschund 373-377,611-614 - Recht auf 458 f. - Wert der 373-377,636 Arbeitslosigkeit 458 f., 595, 611-614, 636 Arbeitspolitik - Erneuerung der 614 Arbeitsrecht(e) 1347 Arme(n) - als Opfer des Unrechts 149, 543 - arm vor Gott 311 - Dienst an den 311, 508 f., 544 f., 754 f., 844 f. - Frohbotschaft für die 148-151 - gehört das Himmelreich 311 f. - Ghettos der 193 - Hingabe an die 717 f. - innere Haltung der 150 - Liebe zu den 148-151, 926-928 - Option für die 544 f., 584 f., 1138 - Schutz der 149, 544 f. - Seligpreisung der 151,311 f. - Solidarität mit den 926-928 - und Kirche 471, 544 f., 800 f., 1138 - Ungleichgewicht zwischen Reichen und 614, 622 f., 931-933,955-960 Armenier 88, 772-776 - katholische 62 Armut 216, 425,455, 510 f., 573 f., 590, 596, 857, 955-957,1292-1294, 1305 £, 1344-1348 - als Strafe 149 - als Tugend 150 - christl. Lehre über die 151, 311 f. - die neue 23 - evangelische 150 - und Unrecht 149, 543 - Welttag der Bekämpfung der 143 f. Arzt 198 - Hüter u. Diener des Lebens 811-814 Aschermittwoch 19,40, 591 f. Atheismus 7, 47-49, 1140-1144, 1212 Auferstehung - Hoffnung auf 76,93,209,357 - offenbart den Wert des Kreuzes 31 f. - Teilnahme des Menschen an der 105 - Tod und A. Jesu Christi 20,29, 39-42, 45, 73, 76, 93, 97, 105, 125, 255 f., 283, 356 f., 629-633, 658-662, 1223 Aufgabe(n) - der Christen 119,135-138,143, 193,203,211 f. - der Eltem/Großeltem 208, 366, 535 f. - der Erzieher/Lehrer 370-372 - der Kirche 5,103,143,474 - der Laien 336 f., 532 f., 938-940, 1083 - der Theologie 130 - der Vernunft 130 - des Bischofs 240-244, 326, 1031 £, 1146 1351 REGISTER - des Papstes 109 £, 143 - des Priesters 594 Aufrüstung 547 Aufruf/Ruf - an jeden Getauften 7, 10, 606 - des Papstes 17 f., 144,400-404, 753 f., 1293 - Gottes zur Barmherzigkeit 121 - Jesu Gebote zu halten 288 f. - Jesus nachzufolgen 22 - zum Einsatz für das Reich Gottes 147 - zum Kampf gegen die Armut 144 - zum Vertrauen auf den Herrn 227 - zur Heiligkeit 999 - zur Umkehr u. Buße 19 f., 167, 204,514,516, 592, 643 f. Auftrag - an die Bischöfe 5 £, 935 £, 1023-1029, 1063 - der Familie 578-580 - der Gläubigen 66 - der Kirche 160, 177 £, 237, 609, 935 £, 1017 - der Laien 1080-1083 - des Priesters 403 - Gottes an Jesu 32 £ - Jesu Christi an die Apostel 5 £, 73,1023-1029 - Jesu Christi zur Verkündigung 223, 500, 551 £, 584, 1023-1029 - zur Evangelisierung 66, 935 £, 1057 £ - zur Mission 143 £ Augustiner-Rekollekten 28 Ausbeutung - von Kindern 1305 £ Ausbildung - der Jugendlichen 228,414,458, 622 - der Laien 64 £, 939, 1038,1043, 1047, 1148, 1269 £ - der Priester 64 £, 527 £, 567, 936, 1042, 1049 £, 1082,1091,1110 £, 1147 - der Seminaristen 241,271,410-412 - in Entwicklungsländern 458, 622 Ausstellung - „Paul VI., ein Licht für die Kunst“ 690-692 - „Steinerne Bücher“ 269 - Rom - Armenien 637-640 Autonomie 48, 1218 £ Autorität - der Apostel Petrus u. Paulus 86 - des Wort Gottes 197 - in der Kirche 1340 Barmherzigkeit/Erbarmen - Apostolat der 358 - der Menschen untereinander 121 - Gericht und 90-92,107 £ - Gottes 6,20 £, 39 £, 45 £, 59, 79 £, 89, 93, 96-98,101, 108, 120-122,126 £, 131 £, 222, 277, 304, 355-359,407 £, 469, 644, 731, 1148,1318 - Gottes Aufruf zur 121 - Werke der 82, 91,146, 571 £ Basilika - Vatikanische B. in Rom (Petersdom) 809-811 - von Guadalupe 187,190 £, 212 Basisgemeinde(n) 914 £, 1014, 1137 Begegnung(en) - interreligiöse 860-863,1306-1308 - mit dem Erlöser/Retter 171,181 - mit (dem lebendigen) Jesus Christus 248 £, 498-504, 514, 522 £, 554 £, 808, 852 1352 REGISTER - mit Gott 33, 94, 846 f. - Wallfahrtsorte als Stätten der 757-759,1169-1171 - zwischen Bischof u. Seminaristen 1115 - zwischen Elisabet u. Maria 291-293, 349 f. - zwischen Jesu u. der Frau am Jakobsbrunnen 288, 615 f., 939 f. - zwischen Jesus u. Zachäus 307-312 - zwischen Papst u. Katholikos-Patriarch Ilia II. 433-439 - zwischen Papst u. dem Heiligen Synod 433-439 - zwischen Papst u. Rektoren der polnischen Hochschulen 298-302 - zwischen Papst und Patriarch Teoctist 64, 250-255 Behinderte 548 £, 973-976 Beichte/Bekenntnis - der Sünden 20, 108,469, 625-629, 847,1061 £, 1122 f. - siehe auch: Bekehrung; Buße, Umkehr; Versöhnung Beichtvater/-väter 125 f., 707 Bekehrung/Buße 17,20,498, 626, 778, 1175 - siehe auch: Beichte; Umkehr; Versöhnung Bekenntnisschriften - lutherische 1309, 1328, 1337 Benediktiner 406, 779-783 Bergwerk(e) - Salzb. 392 Berliner Mauer - Fall der 65, 280, 335, 1288 f. Berufung(s/en) 270, 1008 - als Dialog der Liebe 698 - als Geschenk Gottes 695,1142 - der Christen 66,203,262,296, 368, 392,421-424 - der Erzieher 306 - der Familie/Eltem 183 f., 266, 368 f. - der Frau 533 f. - der Gläubigen 66,296,1176 - der Jugendlichen 220 - der Kranken 200 - der Laien 532 f., 1082 f. - der Menschheit 153 - des hl. Josef 35 - des Lebens 1165 - des Menschen 136,199, 280, 368, 427,483, 693 f. - Förderung der 696,1142 - ökumenische 261 f. - zum geweihten Leben 1014,1100 - zrnn Ordensleben 54,208,211, 325, 527 f., 693-696, 866 f., 1095 f., 1116 - zum Priestertum 54,204, 208, 211, 325,410-412, 527 f., 693-696, 752 f., 1013 f„ 1041 £, 1060, 1064 f., 1073,1095 f., 1100 - zur Heiligkeit 411, 505 f., 518 f., 536, 694, 703-706, 838, 1008, 1095 - zur Mutterschaft 15 f. - zur Nachfolge 500 - zur Vaterschaft 15 f. Berufimgspastoral 325, 527 f., 693-696,1037, 1054,1072 f., 1107 f., 1141,1146,1171,1268 f. Bevölkerung - der ärmsten Länder 1346 - libanesische 1302 - unterschiedliche ethnische u. religiöse Gruppen in der 238 Bevölkerungsprobleme 62 Bevölkerungswachstum 881 1353 REGISTER Bewegung(en) - kirchliche 71,316, 740 f. - ökumenische 1337 Bewusstsein - für transzendente Werte 194 f. - Sündenb. 111 f., 114,469, 644 - vom Selbstbestimmungsrecht 818 Beziehung(en) - außereheliche sexuelle 1285 f. - biblische Anthropologie von 164 - gleichgeschlechtliche 490 f., 743 f. - internationale 195, 818 - nichteheliche 743 f. - persönliche B. zu Christus 323 - zu den Muslimen 1150 - zwischen den Metropolitan-Erzbischöfen u. dem Papst 86 f. - zwischen Erkenntnis u. Liebe 137 f. - zwischen Evangelisierung u. Inkulturation 903-905 - zwischen Evangelisierung u. Ökumene 1253-1257 - zwischen Evangelisierung u. Freiheit 1250 - zwischen Glaube u. Vernunft 122 f., 130 f., 210, 300 f., 472, 566, 718-720, 807 f., 953 f. - zwischen Gläubigem u. Schuldnern 155 - zwischen Gott u. Israel 8,11-13, 51, 90 f., 136 f., 140 - zwischen Gott u. Mensch 7-9,20, 38,43, 47-49, 59-61, 96-98,100-102,104,112,114,119-123,125, 127 f., 135-138,172 f., 184,190 f., 198-201, 222-226, 279, 288 f., 344-349, 374 f., 384-388,439-443,463, 466, 474, 606, 693-696, 718-720, 758 f. - zwischen Gottvater u. Jesus Christus 24-27, 29-31, 43-45, 69, 81,91,93, 111, 120, 137,240, 299 £, 466 f., 474-476, 629-633, 731, 890 f., 1127 - zwischen Hl. Stuhl u. Rumänien 233 - zwischen Hl. Stuhl u. UNO 194, 1285-1288,1290-1292, 1303-1306 - zwischen Industrie- u. Entwicklungsländern 195 - zwischen Jesus Christus u. dem Menschen 27, 504, 606 - zwischen Juden u. Christen 9 f., 55-57, 538, 768 f. - zwischen kath. u. orthodoxer Kirche 61-65,259 f., 433-449, 597, 724 f., 729 f. - zwischen Kirche u. Wissenschaft 82,298-302 - zwischen Kunst, Evangelium u. Kirche 269-271,663-678 - zwischen Mann u. Frau 163-166, 168 - zwischenmenschliche 169,203, 301,318,491 - zwischen Priester u. Laien 1080 f., 1091,1107,1245 f. - zwischen Staat u. Kirche 214, 420, 516, 848-851,1097 f., 1108-1113,1217 - zwischen Wort Gottes u. dem Lehramt der Kirche 1340 Bibel 906 f. - Botschaft der 124 - Himmel in der 93 f. - heilige Räume/Orte in der 762-769 - in der Khmer-Sprache 1102 - interkonfessionelle Übersetzung der 260 - Lektüre der 503, 519,702 f., 718 f. 1354 REGISTER Bibelföderation - Botschaft zum 30-jährigen Bestehen der Kath. 702 f. Bildung 414, 794 f., 929 f. - aller Mitglieder der Gemeinden 1135-1139 - als Aufgabe der Priester 594 - der Laien 1047,1269 f. - des Gewissens 82, 290, 373-377, 1026 f. - des jungen Menschen 458 - evangelisieren 557-559 - für Mädchen 458 - in den Pfarreien 1135-1139 - menschliche 1118,1147 - Recht auf 62,458 - religiöse 1052 - und Katechese 727 - und Kultur 367-372 Bischof(s)/Bischöfe 202, 523 f., 1057 f., 1109 f. - als Garant der Gemeinschaft 240-244 - als Hirten 305, 323, 381 f., 424, 1014,1080-1082, 1109 f. - als Nachfolger der Apostel 87 f., 250 f., 424, 770,1023-1029 - Amtsgewalt des 1116 - Aufgabe des 240-244, 326, 1031 f., 1146 - Auftrag/Lehrauftrag an die 5 £, 935 £, 1023-1029, 1063 - aus Angola 111 - Begegnung zwischen B. u. Seminaristen 1115 - Brüderlichkeit der 80,422 - dreifaches bischöfl. Amt 1023-1029,1057 f., 1105 - Einheit mit dem 270,1033 - Einheit unter den 1126 - Gebet für die 87,139 - griechisch-katholische 63 - Hirtendienst der 87, 326, 745 f. - in den USA 1186 - Jesus Christus und 326 f. - kollegiale Verbundenheit unter 191,240 f., - Kongregation für die 745-748, 1181-1184 - lateinische 63 - Metropolitan-Erzb. 85 f. - pastorale Sorge/Verantwortung der 71 f., 326, 1008-1010, 1031 f., 1092,1099,1146 f. - Pflicht der 1031 f. - und Priester 40, 241,325, 654 f., 1007 £, 1029,1048 £, 1096,1100, 1117,1127 - Verfolgung von 233 f. - von Ost-Timor 798 - Weihe der 5 £, 472-474 - Zeugen des Evangeliums 746, 1096 Bischofskonferenz(en) 1105 - Amerikanische 545 - Brief an die 1181-1184 - Deutsche 78,733-735, 963 f., 1195-1197 - Einheit in der 1196 - Polnische, Botschaft an 321-327 - Rumänische 64 f. - Slowenische 418-420 - und das „Authentische Lehramt“ 1181-1184 - von Äthiopien u. Eritrea 700 f. Bischofssynode - 2. Sonderversammlung der B. für Europa 19, 139, 147 f., 152,415, 484, 839-842, 851-854, 993, 1124, 1197-1278 - Außerordentliche B. (1985) 1030 f. - Sonderversammlung der B. für Afrika 1041 1355 REGISTER - Sonderversammlung der B. für Amerika 16-18,187,191, 206, 214, 224, 493-565 - Sonderversammlung der B. für Asien 874-946 Bitte(n) - um das tägliche Brot 38 Böse(n) 31 f., 37 f., 43 f., 279 - Befreiung vom 19,107-109 - Kampf gegen das 107,111,390 - Personifizierung des 108 f. - Sieg über das 107, 112 f., 207, 212, 390, 643 - Überwindung des 303-307 Botschaft(en) - an „Caritas Intemationalis“ 748-750 - an das ökumenische Treffen in Betlehem 976 - an den Generaldirektor der UNESCO 794 f. - an den Katholikos u. Obersten Patriarch aller Armenier 772-776 - an den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. 967 f. - an den Patriarch v. Moskau 681 f. - an den Präsidenten des Ital. Kath. Presseverbands (UCSI) 803-806 - an die Bischöfe von Ost-Timor 798 - an die Buddhisten zum Vesakh-Fest 1155 f. - an die Katholiken Chinas 977-981 - an die Kinder im Card. Glennon Children's Hospital 221 f. - an die Kranken 198-201,588 - an die „Piccole Suore Missionarie della Caritä“ 717 f. - an die Polnische Bischofskonferenz 321-327 - an die Priester 751-754 - an die UNO 699 - an die Verantwortlichen von 40 neuen Bewegungen u. geistl. Gemeinschaften 740 f. - an die Vollversammlung des Päpstl. Rates für die Kultur 960-963 - der Bibel 124 - der Liebe 176 f., 277 - des Evangeliums 548,1136 - für den Frieden in Nahost 802 f. - Osterb. vor dem Segen Urbi et Orbi 306, 679-681 - Weihnachtsb. vor dem Segen Urbi et Orbi 1000-1002 - zum XIV. Weltjugendtag 465-472 - zum 100. Jahrestag der Weihe der Menschheit an das Heiligste Herz Jesu 327-332 - zum 30-jährigen Bestehen der Kath. Bibelfoderation 702 f. - zum 33. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 718-720 - zum 36. Weltgebetstag für Geistliche Berufe 693-696, 698 - zum 50. Jahrestag der Gründung des Europarats 709-711 - zum Abschluss der Interreligiösen Begegnung 1306-1308 - zum Ende des Ramadan 1153 f. - zum Weltfriedenstag 3 f., 216, 334, 453-463, 1015, 1304 - zum Weltmissionssonntag 855-860 - zum Welttag der Kranken 584-587 - zum Welttag der Migranten 569-575 - zur 1500-Jahrfeier der Abtei Subiaco 779-783 - zur Fastenzeit 23,588-590 Brief(e) - an die alten Menschen 814-829 - an die Familien 169,390 1356 REGISTER - an die Frauen 169 - an die Galater 145,190 f. - an die Gläubigen in Rom 868-871 - an die Hebräer 56, 576 - an die Kolosser 146 - an die Korinther 252 - an die Künstler 269, 663-678, 691,988 - an die Philipper 277 - paulinische 1311 f. Brüderlichkeit 121, 168,182,189, 208, 210,238,241,246,445, 573 f., 689 f., 749 f., 976 - christliche 319, 641 f. - der Bischöfe 79 f., 422 - Familie als Wirkungsstätte von 170,183,216 - im Geist des Evangeliums 231, 236 - zwischen Juden u. Christen 57 - zwischen Orthodoxen u. Katholiken 64, 250, 255, 259, 433-439 Buch - Apostelgeschichte 771 - der Klagelieder 108 - der Offenbarung 10, 73, 77, 153 f., 784 f. - der Sprichwörter 12,43 - der Weisheit 48, 75 f. - Deuteronomium 11, 43 f., 140 £, 375 - Exodus 288 £, 656, 661 f. - Jesaja 12, 43, 104, 108, 659 Buddhismus 1101 Buddhisten - und Christen 1155 f. Bulle - Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums (Incamationis mysterium) 22 £, 131, 204, 628, 756, 759, 761-769, 966, 977, 980, 1122 £, 1145 Bund - Gottes mit den Menschen 125, 386 - Gottes mit Israel 8,11-13,43,51, 72 £, 90 £, 125,136 £, 149,142 - Neuer 322 - Priestertum als Sakrament des Neuen 654 £ Buße/Beichte 514-520,589, 595, 976 - Aufruf zur 19,167, 592, 643 £ - Sakrament der 19,58,124-126, 132,218, 304,468-470, 519 £, 625-629, 643 £, 1061,1122 £, 1169 £ - Weg der 20-22,115-118 - siehe auch: Umkehr; Versöhnung Caritas 66, 81 £, 508 - „Caritas International^“ 361 - caritatives Engagement 1166 - in Polen 310 - katholische caritative Einrichtungen 224 - Massaker an Mitarbeitern der 1290 Charisma/Charismen 270, 776 £ - Authentizität der 747 - benediktinisches 779-783 - des Franz von Assisi 796 £ - Gründungsch. 634, 717 £, 780 £, 786 - priesterliches 305 - unterschiedliche 419, 526 £ Chrisam 633 - Chrisammesse (Gründonnerstag) 654 £ 1357 REGISTER Christ(en) 196 - aller Konfessionen 215, 245 f., 259 f. - als simul iustus et peccator 1329 - Aufgabe der 119,135-138, 143, 193, 203,211 f. - Berufung der 66, 203, 262,296, 368, 392,421-424 - Buddhisten und 1155 f. - Einheit der 10, 64, 82, 116, 151 f., 206, 231-262, 317-321, 585, 637-642, 729, 774, 920 £, 990, 1298, 1331 f. - in der Welt/als Licht der Welt 17, 203,211,218-221,315, 636 - in Palästina 1296 - Juden und 9 £, 55-57, 538, 768 f. - Kreuzverehrung der 31 f. - Muslime und 32,52,59-61,113, 1044 f., 1138 f., 1153 f. - Päpstl. Rat zur Förderung der Einheit der 724 f. - portugisische 1125 - Roms 868-871 - sein 114,212,392,605-608, 636 f., 713 - Sendung der 219,314 - Spaltung der 116 £, 152,257, 319, 423, 724 f. - Verantwortung der 176,193,636, 1014 - Zeugnis der 5 £, 60, 66, 107, 177, 211,223, 250-255, 636, 929 Christentum(s) 56, 176 £, 322, 637-640, 1114 - 1000 Jahre C. in Georgien 161, 431-433 - 2000 Jahre 260, 1004 - in Europa 482, 830 £ - in Indien 159 £ - in Mexiko 189 - in Rumänien 63, 233, 247 £ - Nation tief geprägt vom 401 - tinitarischer Monotheismus des 60 - und Islam 59-61 Christianisierung - des kroatischen Volkes 1095 Christologie 146, 1336 Clausula unionis 247 £ communio 71 £, 240 £, 418-420, 524, 1273 £ - Communio-Ekklesiologie 1031 - innerkirchliche 1033 - siehe auch: Gemeinschaft Dankbarkeit 38 Dekalog(s) 196 £, 288 £, 765 - 7. Gebot des 541 - unantastbare Prinzipien des 196 - siehe auch: Gebot(e) Dekret - über den Ökumenismus 1343 Demokratie 194 £, 333, 456 £, 509, 543, 599 - Aufbau der 65, 238,402, 710 £ - solide ethische Werte einer 81 Deportation(en) - im Zweiten Weltkrieg 80 Diakon(e) 228 - ständige 594 Diakonat - ständiges 530 Dialektik - in der Geschichte Israels 108 Dialog(s) 569, 717, 876 £, 919 £ - Bereitschaft zum 1021 - der Bekehrung 1143 - des Handelns 68 - desLebens 1118,1139 - Engagement für den 912 - Enzyklika des D. (Ecclesiam suam) 1086-1088 1358 REGISTER Geist des 1308 Heilsdialog 52, 423 interkonfessioneller 236,319, 429, 538 interreligiöser 10,51-53,59-61, 67-69,160-162,429, 539, 585 f., 818, 860-863, 879 f., 916, 921-923, 994, 1010,1068,1153-1156,1172, 1253-1257 jüdisch-christlicher 9 f., 55-57, 538, 768 £, 1010, 1255-1257 katholisch-methodistischer 1339 Kultur des 861 f., 1010 lutherisch-katholischer 1309-1343 mit den Medien 805 mit den Muslimen 1045 ökumenischer 538, 597, 702 f., 760 f„ 916, 920 f„ 949 £, 967 f„ 982-984,1053,1133,1172,1313, 1334-1343 Päpstl. Rat für den Interreligiösen 1153-1156 statt Krieg 46, 70, 79,182,461, 648, 685-687, 930 f., 1290 f. theologischer 69, 243, 641 über die Anforderungen des Priesterlebens 1013 f. um Konflikte zu lösen 58 £, 210, 213,264,478, 685-687, 699 zwischen Amerika u. der Welt 194,197 zwischen Christentum u. Islam 59-61,788, 1139 zwischen Gott u. seinem Volk 140 zwischen Indonesien u. Portugal 1290 f. zwischen Kath. Kirche u. Weltbund der Reformierten Kirchen 1339 zwischen kath. u. orthodoxer Kirche 253,256 £, 260, 724 f. zwischen Kultur u. Kirche 355 £, 445 - zwischen Kultur u. Glaube 443-446,482, 807 £, 969 f., 1045, 1217 f. - zwischen Okzident u. Orient 254, 261 £, 951 - zwischen verschiedenen Kulturen 445, 574, 961 - zwischen Wissenschaft u. Kirche 82 £, 298-302, 355 f. Dienerinnen Mariens von Galeazza 843 Dienst(e) 991 f. - am Gemeinwohl 237, 335 £, 370-372,439-443, 453, 622, 747 - am Nächsten 305,422 f., 1261-1274 - an den Armen 311, 508 f., 544 f., 754 £, 844 f. - an der Kirche 110, 712 £, 1130-1135 - an der Menschheit 110,211 f., 752 - an der Welt 1130-1135 - an Sterbenden 600-604 - bis zur Hingabe des Lebens 54, 148, 419, 723 - der Apostel u. ihrer Nachfolger 656 f. - der Bischöfe 87, 745 f. - für den Frieden 844, 849 f. - für die Stadt Rom 636, 810 - im D. des Evangeliums 119, 264-268, 842-845 - im D. des Hl. Stuhls 484-487, 687-690 - Leben als 35 - Machtals 229 - selbstloser D. an Kranken 198, 272 £, 358, 584-587, 600-604, 811-814, 929 1359 REGISTER Diktatur 63 - Zusammenbruch der 65 Diözesangemeinschaften 1143 f. Diözesanpastoral - in der Erzdiözese von Ancona/Marken 268-271 Diözese(n) 913 f. - Rom 635-637,642-648 - Verband der D. Deutschlands 1289 Diplomatisches Korps - beim Hl. Stuhl akkreditiertes 476-481 - von Mexiko 17,194-197 - von Rumänien 237 Direktorium(s) - für die Anwendung der Prinzipien u. Normen hinsichtlich der Ökumene (1993 veröffentlicht vom Hl. Stuhl) 1334 - für Dienst u. Leben der Priester 1116 Diskriminierung - auf Grund der Religion 456, 539 - der Frau 534, 927 f., 1306 - Rassend. 193, 457, 539, 542 f., 549 f. - von Kindern 1306 Dokument(s/e) - der II. Nationalsynode Polens 324 - Ethik in der Werbung 609 - Marrakesh-D. 1344 - Ottawa-D. vom 4.12.1997 24 - „Prinzip von Lund“ (1952) 1342 - schriftliches D. zum Pallium Ritus 86 f. Dom(s) - 1200-Jahrfeier des Aachener 985 - Petersdom 809-811 Dozent(en) - der Universitäten Roms 15 f., 615, 952-954 Dreifaltigkeit - siehe: Heiligste Dreifaltigkeit Drogen 18,192,197,208 f., 216, 219,455, 512, 542 £, 546 f., 929 Dunkelheit(en) - im Leben 219 - siehe auch: Finsternis Egoismus 15,208 Ehe 489, 743 £, 789-794, 1059, 1066 f., 1287 - als Weg der Heiligkeit 391,1137 - christliche 1137,1149 - eheliche Liebe 489-492, 579, 789-793,1067, 1128 - Gefährdungen der 535 f. - Infragestellung der 488 f. - Krise der 169-171,183 - Liebesbund zwischen Mann und Frau 168 f., 220,535, 579, 742 f., 789-793 - Rechtauf 492 - rechtliche Form der Eheschließung 488-492 - Sakrament der 535 £, 1044,1067 - Unauflöslichkeit der 1044 - Vorbereitung auf die 492,1149 - Wert der 168-171,183,224 - siehe auch: Beziehung(en) Eheleute 169-171,182-184,266 Ehescheidung 489 f. Einheit 9 £, 314, 775, 854, 976, 979, 1053,1339-1341 - auf dem Weg zur 62 f., 317-321 - der Christen 10,64,82,116, 151 £, 206,231-262, 317-321, 585, 637-642, 729, 774, 920 f., 990, 1298,1331 f. 1360 REGISTER - der Hl. Schrift 986 f. - der Kirche 85-88,247 f., 253, 255-258, 317-321, 366,418, 637-640, 760 f., 771,913, 948 f., 967 f., 982-984,1084,1171 f., 1340 - der Menschheitsfamilie 5 - der Teilkirche 271 - der Welt 1298 - des Glaubens 597, 783, 948 f. - Deutschlands 1018,1288 f. - Europas 280,651-653,711,990, 1202 f. - Gebet für die 313, 320 f., 771 f., 1341 - im Geist der 239-244 - in den Familien 266 - in der Bischofskonferenz 1196 - in Verschiedenheit 164 f., 637-640 - Mexikos 189 - mit dem Bischof 270,1033 - mit Gott u. untereinander 365, 717 f. - nationale 238 - Päpstl. Rat zur Förderung der E. der Christen 724 f. - Priester als Zeichen der 526 f., 572 - unter den Bischöfen 1126 - Vielfalt in der 194,366,748,1142 Einsamkeit 219 Einwanderung 583 - in Amerika 207 - Problematik der 550 f. Ekklesiologie 1336, 1340 - Communio-E. 1031 Eltern 578-580 - Achtung gegenüber den 11 - als Spiegelbild der Vaterschaft Gottes 15 f. - Aufgabe der 208, 366, 535 f - Berufung der 368 f. - Kirche unterstützt 242 - Mitwirkende am Schöpfungswerk Gottes 15 f. - Recht/Pflicht der 1287,1305 - Sendung der 15 f. - Verantwortung der 1287 Embryonenforschung 549 Emigration 880 f. Empfängnis 18 - Unbefleckte Empfängnis Mariens 84,172 f., 981 f. Empfängnisverhütung 1286 Entführung 54, 1303 - während einer Messfeier 77 Entwicklung(en) - der Völker 68, 112, 794 f. - ganzheitliche E. des Einzelnen 454 f., 545 f. - in der Gentechnik 455 - integrale E. der Menschheit 194 - Jugend eine Zeit der 218 - menschliche 61, 794 f. - unterschiedliches Niveau der E. in Amerika 196 - wirtschaftliche 276 f., 310 f., 373-377 Entwicklungsländer 1344-1348 - Erziehung und Ausbildung in 458, 622 - Industrie-und 195 - Schuldenlast der 155,574 Entwicklungsprogramm(s) - Mensch als Mittelpunkt jedes 62 Enzyklika/Enzykliken - Leo XIII. (1878-1903) - Aetemi Patris 566 - Annum sacrum 307, 327-329, 344 - Rerum no varum 150 1361 REGISTER - Pius XI. (1922-1939) - Quas primas 328 - Miserentissimus Redemptor 328 - Pius XII. (1939-1958) - Auspicia quaedam 1297 - Haurietis aquas 328 - Laetamur admodum 1297 - Redemptoris nostri 1297 - Summi Pontificatus 328 - Paul VI. (1963-1978) - Ecclesiam suam(Enzyk. des Dialogs) 103, 919 f., 1030, 1086-1088 - Evangelii nuntiandi 68, 759 - Populorum progressio 155 - Johannes Paul II. (seit 1978) - Centesimus annus 150, 614, 1089, 1344 - Dives in misericordia 328 - Dominum et vivificantem 299 f. - Evangelium vitae 170, 176, 602 f., 689, 812 f., 1015 - Fides et ratio 122 f., 130 f., 300 f., 472, 567, 689, 731 f., 791, 961 - Redemptor hominis 453,468 f., 602, 1025 - Redemptoris missio 741, 858 f., 922,1135 f. - Sollicitudo rei socialis 112,155, 311,621,749 - Ut unum sint 64, 152, 158, 238 f., 248 f., 319 f., 597, 724 f. 761, 775, 976, 984, 1053 f., 1143 - Veritatis splendor 491 f., 613, 731 f. Epiphanie 5 f., 80,472-474 Episkopat - lateinamerikanischer 196 Erbe - Adalberts 80,378,383 - an Heiligkeit 224, 259 f. - christl. Kulture. 19, 207, 259 f., 387,486, 562, 774,1197-1278 - der menschl. u. christl. Werte 207, 210, 383, 849 - der Piasten 392 - einer lateinischen u. byzantinischen Zivilisation 65, 247 f. - geistiges u. kulturelles 267,287, 443-446,711 - geistliches 55-57,63,215 - religiöses 69,247 f. Erdbeben(s) - Opferdes 15,110,130 Erde - Verheißung einer neuen 73 f. Erfahrung - religiöse 324, 691 Erkenntnis - der Schuld 20,40 f., 108 - der Wahrheit 52, 301, 322, 719 f. - Glaubenserkenntnis 123 - Gottes 32-34,47-49, 135-138, 329 - schließt Erfahrung ein 32 f. - sich selbst zu erkennen 329 - und Liebe 137 f. - von Gut und Böse 279 Erklärung - Allgemeine E. der Menschenrechte 3, 160, 181 £, 195, 208, 263 £, 454, 456,464, 651-653, 818, 925, 956 - gegen das Klonen von Menschen 15 £ - Gemeinsame E. des Papstes u. Patriarch Teoctist 245 £ - Gemeinsame E. zur Rechtfertigungslehre 151 £, 983, 1303-1343 Erlösung 125, 625 £ - als Heilsangebot 97,105 1362 REGISTER - durch Jesus Christus 84 £, 93, 172 f., 183, 318, 327, 658-660, 679, 893 - zentrale Ereignisse unserer 39-41 Erlösungswerk 6, 39, 111,137 - Maria als Mitarbeiterin am 286, 344 f., 396 f. Erneuerung 1175 - christlichen Lebens 324, 340-344 - der Gesellschaft 210,161 - der Kirche 115-118,341 1,358, 688, 775,1205-1222 - der Pfarreien 528-530 - des Bußsakraments 124-126 - des Weiheakts an das Heiligste Herz Jesu 328 - geistige 583 - innere 21,28,40,4161,644 - liturgischer Feiern 1124,12051 - spirituelle 759, 1149 - Wort Gottes als Quelle der 323 Emtedank 158 f. Erster Weltkrieg 817 Erzieher - Aufgabe der 370-372 - Berufung der 306 - im Priesterseminar 410-412 - Unterweisung der 1129 Erziehung 81,348,358,483,7941, 865-868,1066,10701,1090 - aller Mitglieder der Gemeinden 1135-1139 - christliche 326, 369, 508 1, 929 £ - der Enkel 951 - der Kinder 369-372,744,1129 - durch die Familie 369 - evangelisieren 557-559 - Glaubenserziehung 386, 555 1, 689 - in Entwicklungsländern 485, 622 - in Pfarrgemeinden 1135-1139 - Jugendlicher 2481, 326,458, 622,1129 - katholische 224, 865-868 - und Formung 683 - zum Frieden 68 - zur Gerechtigkeit 750,1011-1017 - zur Reinheit 348 - zur Solidarität 750 Eschatologie 72-74,1085 - eschatologisches Ziel des menschl. Daseins 103 1 Ethik - christliche 136 - der menschlichen Existenz 19 - des Arztberufs 811-814 - des Überlebens 155-157 - gemeinsame ethische Grundlagen für Europa 19, 1220-1222 - in der Medien 805 £ - in der Werbung (Dokument) 609 - Rechtfertigung u. Sozialethik 1340 - Sexualethik 790 Eucharistie 94,218,225,304,330, 589, 736-738,1046, 11691 - als Brot des Lebens 695 - als Mittelpunkt der Gemeinschaft 365,522, 843, 1113-1119 - als Unterpfand ewigen Lebens 1531 - Einsetzung der 40, 365, 632, 6561 - Empfang der 366, 627 £ - gemeinsame Teilnahme an der 1340 - in Portugal 1123 - profanieren 1190 - Realpräsenz Christi in der 503 1, 5221, 778, 1123, 1189 - Sakrament der 286, 366, 656 1, 683, 10271,1189 1363 REGISTER - Schutz der Allerheiligsten 1189-1191 - Ursprung u. Höhepunkt christl. Lebens 365, 698,1061, 1074-1079 - Verachtung u. Schändung der 1190 - Verehrung der 363-367,1189 Eucharistiefeier 1170 - nach griechisch-katholischem Ritus 64 - nach lateinischem Ritus 64 - nach rumänisch-byzantinischem Ritus 64 - Teilnahme an der 1124 Europa(s) 415,849 - 2. Sonderversammlung der Bischofssynode für 19, 139, 147 f., 152,415,484, 839-842, 851-854, 993, 1124, 1197-1278 - auf dem Weg ins 3. Jahrtausend 1204-1222 - Christentum in 482, 830 f. - das alte 19 - das neue 65, 70 f., 837 f., 1273 f. - Einheit 280,651-653,711,990, 1202 f. - Europarat 651-653,709-711 - Frieden in 79, 333-339, 415 - gemeinsame ethischen Grundlagen für 19, 710 f,, - Geschichte 70 f., 482,280 - Herausforderungen innerhalb 139, 710 f. - integrierende Rolle Rumäniens in 65, 237 - Kirche in 839-842,1197-1278 - Neuevangelisierung 19,139,148, 416, 1201 f., 1213 f., 1248-1253 - Patrone/Mitpatrone 19,406,830-838, 841, 853, 993 - vorsynodales Symposium über 482-484 Europäische Gemeinschaft - Eintritt in die 324 Euthanasie 18, 548 f., 600-604, 813 f. Evangelisierung 210, 330, 853 f., 899 £, 934 £, 1094, 1126 £, 1141, 1146, 1168,1250,1253-1257 - Amerikas 497, 530 £, 1937 £ - Chinas 971 £, 978-981 - der Familien 1044 - der Massenmedien 1019 £ - der orientalischen katholischen Gemeinden 756 - des 3. Jahrtausends 28 - durch alte Menschen 825 - durch Massenmedien 559 £, 804, 942 £ - durch Zeitschriften 624 £, 687-690 - Kongregation für die E. der Völker 68, 147 £, 1181-1184 - Maria als als Leitstern der Evangelisierung 103, 148, 157, 191,205 £, 226, 501 £, 557, 759 - Rumäniens 235 - und Freiheit 1250 - und Inkulturation 903-905 - und Ökumene 1253-1257 - und soziale Tätigkeit 1146 - Zentrum der 780 Evangelisierungsauftrag 66, 935 £, 1057 £ - der Kirche 52,82,210 - der Laien 1057 £ Evangelium(s) 808 - als Norm des Lebens 210 - apokryphes E. des Jakobus 95 £ - Botschaft des 548, 1136 1364 REGISTER - der Hoffnung 1247-1278 - des Friedens 304, 681 f., 728 - die Gute Nachricht des 17 - Gesetz und 1317 f. - Glaube an das 21,281,294, 592 - im Dienst des 119, 264-268, 842-845 - im Geist des 780 - Inkulturation des 160,250 f., 507, 556-560, 962,1169 - Lehre des 66 - Leiden wegen des 115 - Missionare des 147 - Treue zum 87,115, 308, 378 f., 387,422 - und Kultur 566-569,1039,1129 - Verkündigung des 5 f., 49, 63-65, 71,160-162,176 f., 202, 223, 252, 261 f„ 270, 285, 315, 692, 715 f., 746, 844, 848, 857, 934 f., 1025-1029, 1093-1098 - Verwirklichung des 414-416 - vom barmherzigen Samariter 66 f. - vom Leben 17,192,225,549, 578, 598 f., 928,1087 - vom Weinstock u. den Reben 413-416 - von den Seligpreisungen 79 f. - von der Liebe 55, 79,225 - Werte, vermittelt durch das 486, 510 - Zeuge des 103,162 £, 233 f., 342 f., 475, 746, 934 f., 1065,1096 - Zeugnis des E. in der Gesellschaft 9 f., 269, 1141 Ewigkeit 105, 822 f. - Zeit und 1085 Exerzitien - der Römischen Kurie 604 f. Exkommunikation 1190 Exodus - als Offenbarung des Heilswirkens Gottes 72, 74 - als Pilgerschaft zum Haus des Vaters 104 - Exodus-Wunder 11 Familie(n) 81, 99,211,369, 386 f., 414, 425, 789-794, 1054 £, 1059, 1066 £, 1104,1131 £, 1304 £ - als Hauskirche 169 £, 326, 535, 564, 742, 793, 940 £, 1128 - als Heiligtum 18, 534 £ - als Institution 535,1038 - als Schule für die Kultur des Lebens 18,184,224,306 - als Ur-/Keimzelle der Gesellschaft 168-171,182,216,224 £, 243, 326, 653,1128, 1131 £, 1287 - als Wirkungsstätte von Brüderlichkeit 170,183,216 - Auftrag der 578-580 - Berufung der 183 £, 266, 368 £ - Brief an die 169,390 - christliche 169 £, 183, 534-536, 1101,1142 - Einheit in den 266 - Erziehung durch die 369 - Evangelisierung der 1044 - Fest der 578-580 - Förderung der 168-171,224,1305 - Gebet für die F. Amerikas 564 £ - Gebetsleben in der 369, 535,1070 - Gefährdungen der 326, 743,1306 - Gemeinschaft der Liebe und des Lebens 182-184 - Gewalt in der 219 - Glaube innerhalb der 17, 1070 £ - im Heilsplan 183 £, 789, 1128 - in afrikanischer Kultur 1044, 1118, 1149 - in Rom 582 1365 REGISTER - Krise der 168-171,534-536 - Liboriusblatt - Zeitschrft für die 624 f. - Orientierung u. Unterstützung der 243, 326 - Päpstl. Rat für die 742-744, 973-976 - Rechte der 181 f. - Schutz der 35,182 f., 326 - Schwerstkranke u. Sterbende in der 600-604 - Sendung der 183 - Träger menschl., geistl., sittlicher Werte 62,216,243,1090 - Trinitarische F. (Ordensgemeinschaft) 786-788 - Verteidigung der 18,744 - Wandeider 168 f., 183, 1038 - Wert der 168-171,176,183,224, 578-580 - Würde der 1285-1288 Familienpastoral 326, 582, 1055, 1090 f., 1128,1137,1171,1265 f. Familienplanung 1287 Familienpolitik 653 FAO - Weltemährungsprogramm 174 Fasten 61, 591 f. Fastenzeit 19-24, 31 f., 40, 591 f. - als Zeit des Entgegenkommens Gottes 20 f. - Botschaft zur 23, 588-590 Fegefeuer 100-102 Ferien 98-100 Fest(e)/Hochfest(e) - 12. Dez. Marienfest für ganz Amerika 193 - Allerheiligen 153 f. - Allerseelen 153 f. - Christkönigsfest 162 f. - der Aufnahme Mariens in den Himmel (15. August) 106 f., 784-786 - der Darstellung der seligen Jungfrau Maria 162 f. - der Darstellung des Herrn (2. Februar) 575-577 - der Erscheinung des Herrn (Epiphanie) 5 f., 472-474 - der Familie 578-580 - der Gottesmutter Maria (1. Januar) 463-465 - der Hl. Familie v. Nazaret 181 f. - der hll. Apostelfürsten Petrus und Paulus 85-88,770-772 - der Heiligsten Dreifaltigkeit 264-268 - der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau u. Gottesmutter Maria 172 f., 981 f. - der Taufe des Herrn 6 f., 474-476 - des hl. Andreas 967 f. - des hl. Josef 35 f., 635-637 - des Heiligsten Herz Jesu 343 - Diwali 428 f. - Fronleichnam 736-738 - Johannes des Täufers 115 - Lichtmess 14 f. - Mariä Heimsuchung 732 f. - Weihnachten 178 f., 181, 183 Festmahl - Einladung zum 121 f., 127 Fideismus 123 Film(e) 969-971 - als Träger einer Kultur des Friedens 969 f. Finsternis - der Sünde 279 - des menschlichen Gewissens 309 - Licht in der 41, 203 f., 329, 426, 472, 474 - siehe auch: Dunkelheit 1366 REGISTER Firmung - besiegelt mit den Gaben des Geistes 218 - Sakrament der 536, 605 f. Flüchtling(s/e) 245 f., 263 f., 461, 1102 - aus dem Kosovo 42, 67, 393 f. Flüchtlingslager 1016 Folter 63 Forschung - Fortschritte in der medizinischen 814 - Krebsf. 812 f. - philosophische 565-569 - theologische (ökumenische) 152, 253, 565-569 - über Ehe u. Familie 793 £ Fortschritt(e) 228 f., 302 - auf Kosten der Armen 82 - für alle Völker 194 - in der medizinischen Forschung 814 f. - moralischer 187 - ökumenischer 1339 - technischer 187,425 - Tradition und 207-212 - wirtschaftlicher u. materieller 276 f. Franziskaner 844 Franziskanerinnen - von der christlichen Liebe 863-865 Frau(en) - am Grab Jesu Christi 41 f. - Berufung der 533 f. - Brief an die 169 - Diskriminierung der 534, 927 f., 1306 - Frau-Sein 164 - Gewalt gegen 18, 164, 927 f. - in der Gesellschaft 165 f., 882 f., 1244 f. - in der Kirche 165 f., 939 f., 1034 £, 1244 f. - Mann und 163-166,168f., 220, 535, 579,742 f., 789-793, 1067, 1128 - Pastoral der 358 - Priesterweihe für 1035 - Rechte der 163-166 - Rolle u. Sendung der 830-838, 1034 f. - schwangere F. in Not 733-735, 1195-1197 - Symbolik der Erschaffung der 164 - Tag der 28 - Würde der 163-166, 533 f., 818, 1038 f, 1285-1288 Freiheit 4,18 f., 61, 65, 81,168, 189,194 £, 210, 217-221,229, 276, 598, 923 f., 1201 f., 1250 - Anspruch auf absolute lllf., 491 f. - des Menschen 97,105,109,203, 347, 430, 491 f. - persönliche 194 - Polens 324 £, 333-339, 355,373 - Sehnsucht nach 161,176 £ - Sünde als Missbrauch der 246, 468 - und Umkehr 113 £ - und Wahrheit 220,246-250,325, 598 £ - wiedergewonnene 334 Freiwilligendienst(e) 66,110, 721-723 - ein friedliches „Heer der Hoffnung“ 66 Frieden(s) 3 £, 42,189,210, 219, 229,453-463, 650, 652, 680 £, 686, 736-738, 748-750, 856, 923 £, 930 £, 1015, 1299, 1308 1367 REGISTER - als Geschenk Gottes 303-307 - Appell des Papstes ftir 13,27, 32, 36,46,53,58 f., 70,77,113,119, 124, 134, 138,154, 156, 167 f., 182, 245 f., 305,437, 699-701, 798, 849 f., 1295-1302 - Betlehem als Symbol für Hoffnung auf 596 f. - Dienst für den 844, 849 f. - Einsatz für den 56, 61,118 f., 138, 156 - Erziehung zum 68 - Evangelium des 304, 681 f., 728 - Förderung des 476-481 - für Äthiopien und Eritrea 75,138, 700 f. - für Tschetschenien 154 - Gebet für den 39,46,59,75,77, 100,113,117,138,148,154, 245 f., 263 f., 844 - in Bosnien-Herzegowina 1007-1011 - in der Balkanregion 648, 685-687 - in Europa 79,333-339,415 - in Gesellschaft u. Kirche 306, 1011-1017 - in Kolumbien 77,100,148 - inNah-Ost 1295-1302 - in Ost-Timor 113,119,1290-1292 - Informations- u. Initiativkomitee für den 610 - Jesus Christus ist der 303-307 - Kultur des 3,461, 477 f., 969 f. - leben in 265 f. - Päpstl. Rat für Gerechtigkeit und 871-873 - Rechtauf 460 f., 652 f., 1303-1306 - Religion und 430,861 - Sehnsucht/Streben nach 3, 53, 305 f., 610 - stiften u. teilen 303-307 - unter den Menschen u. Völkern 79,758 Friedensabkommen „Thomer Friede“ 303 f. Friedenskonferenz in Madrid 1300 Friedhof/-höfe - Gebet auf den 153 f. Frömmigkeit - marianische 191,292,377,843, 1180 - Übung in der 217 Frohbotschaft 173 - Annahme der 191 f. - Apostel als Verkünder der 500 - des Reich Gottes 124, 609 - für die Armen 148-151 - von der Befreiung 149 f. - siehe auch: Evangelium, Heilsbotschaft Fürsorge 1304 f. - Gottes 26, 36-38 Fürsprache 101 - der Seligen und Heiligen 153 f. - Marias 4 f„ 7, 10, 14, 19,46, 54 f„ 59, 72, 79 Gabe(n) 776 f. - Austausch der 223 f. - des Geistes/Hl. Geistes 61, 71, 145 f., 218,299 f., 368, 500 f., 745-748 - des Heils 1311 f. - Rechtfertigung als G. des dreieinigen Gottes 1313,1335 f. Gastfreundschaft 80,212, 405 f., 550 f., 571, 646 f., 844, 851 - brüderliche 868-871 1368 REGISTER Gebet 7, 9 f., 61, 68 f., 71, 99,178, 220, 323, 397, 517 f., 521,592, 594, 707,717,741,759, 761, 782 f., 844 f., 975 f., 1124 - Abendg. in St. Louis 227 f. - auf den Friedhöfen 153 f. - Dankg. 184,761,1164 - das hohepriesterliche 137,141 - der Engel des Herrn 28,143, 647 - der Juden nach dem Exil 115 - eucharistisches Hochg. 1114 - für den Frieden 39,46, 59, 75, 77, 100, 113, 117,138, 148, 154, 245 f., 263 f., 844 - für die Bischöfe/Bischofssynode 87, 139 - für die Einheit 313, 320 £, 771 £, 1341 - für die Familien Amerikas 564 £ - für die Märtyrer 249 £ - für die neuen Seligen 135 - für die Opfer der Naturkatastrophen 130,159,407 - für die Opfer des Holocaust 339 - für die Opfer von Naturkatastrophen 130,159 - für Kranke 140, 221 £ - für Ost-Timor 134 - für Sri Lanka 167 - gemeinsame/ökumenische 318, 1053 £ - Heiligtum als Schule des 1164 - Jesu an den Vater 32-34 - Jesu im Abendmahlssaal 158,257, 304 - Marieng. (Rosenkranz ...) 28, 58, 135,139 £, 263 £, 416 £, 945 £, 981 £ - Salomos 1160 - Stundengebet 658 £ - um Geistliche Berufe 54 £ - Weiheg. 697 £ - zu Gott (Vaterunser ...) 33 £, 91, 107,227,466, 632, 646, 693-696, 855-860 - zur Feier des Großen Jubiläums 2000 739 Gebetsleben in der Familie 369, 535, 1070 Gebetstreffen - von Assisi (1986) 923 - während der Polenreise 81 Gebot(e) - der Nächstenliebe 289,470, 571 £, 722 £, - die Zehn 229, 288 £ - Gott zu lieben/der Gottesliebe 23, 66,138,140-142,280,289, 388-393,465-469, 571,584, 722 £ - Gottes achten/befolgen 43-45, 115 £, 288-291, 305 - neues G./Liebesg. 40,44 £, 66, 82, 136, 138, 140-143, 145-147, 317-321,470, 721-723 Geburt 813 £ Gefängnis 63 Geheimnis(se) - Christusg. 1025 £ - der Menschwerdung des Gottessohnes 166 £, 173 £, 176 £, 179 £, 283,329, 331,351,396, 466, 731 £, 763 £, 891 £, 950 £ - der neuen Schöpfung 679-681 - der Weihnacht 1000 £ - derZeit 1084 £ - des Kreuzes 127,730-732 - des Lebens 31 £ - des Tempels 1158 £, 1163,1178 - des Todes 947 £ - Kirche als 269,1030,1230-1232 - österliches 20 £, 105, 272, 356 £, 475, 592, 657, 660-662,1039 £ 1369 REGISTER - trinitarisches 6 f., 10, 24 f., 29-31, 60, 89,105, 164 f., 169, 176 f., 190 f., 631,786-793 - siehe auch: Mysterium Gehorsam 1032 - bis zum Tod 386 - gegenüber Gottes Geboten 43-45, 115 f., 288-291, 305 - im Glauben 123, 1088 - Leben in 780 f. Geist(es) - der Einheit 239-244 - des Dialogs 1308 - Gabe des 61,145 £, 218,295 f., 500 f., 745-748 - Gegenwart des 1145 - „G. von Assisi“ 860-863,1306-1308 - im G. des Evangeliums 780 - Wirken des G. Gottes 33, 69, 71 f., 467 Gelübde - Keuschheitsg. 391 Gemeinschaft(en) 10, 71, 194, 208, 382,483,498,1174 - armenische 236 - aus der Reformation hervorgegangene 1338 - Bischof als Garant der 240-244 - brüderliche 261 f. - christliche 769,1115 - christl. Initiation und 521 f. - der Gläubigen 1168 - der Heiligen 1167,1170 - der Trinitarier 786-788 - diözesane 268-271 - Familie als G. der Liebe u. des Lebens 182-184 - griechisch-katholische 236 - innerhalb der Kirche 912-915, 1243-1246 - internationale 245 f., 620-624, 800, 955-957,1304 - israelitische 215 - katholische 53,446-448 - Kirche als 10,126, 326, 363, 521, 532 f., 1079, 1171-1173,1230-1232 - Kirche als Sakrament der 520 f., 910-912,1242 f. - kontemplative 1128 - lateinische 236 f. - litauische 308 - mit den kath. Ostkirchen 525 f. - neue geistliche 71, 740 f. - und Mission 910-912 - unter den Teilkirchen 524 f., 1144,1243-1246 - verschiedene religiöse 227 f. - vollkommene 243, 320, 760 f., 774 - Welt besteht aus verschiedenen 194 - wiederhergestellte 121 - siehe auch: communio Gemeinwohl 113,155,157, 229,334 - Dienst am 237,335 f., 370-372, 439-443, 453, 622, 747 - nationales und internationales 457 - Zusammenarbeit lur das 1139 Generation(en) - Glauben verbindet 17 - Solidarität der 823 f. Gentechnik - Entwicklungen in der 455 Gerechtfertigter^) - gute Werke der 1318 f., 1330 - Sündersein des 1316 f. Gerechtigkeit 4, 73,113, 150,195, 219, 229, 276, 309, 846-848, 923 f., 1295, 1299 - Einsatz für 61, 197, 689 f., 1166 1370 REGISTER - Erziehung zur 750,1011-1017 - Förderung von 422 f., 1145 - Gottes 90-92,1311 f. - Jesu Christi ist unsere 1311-1313, 1315 f. - menschliche 121 - Päpstl. Rat für G. und Frieden 871-873 - Rückgabe beschlagnahmter Güter als 242 f. - soziale 56, 68, 82, 622 - unter den Völkern 1015 Gerechtmachen - ein Gnadenhandeln Gottes 1314 f. Gericht - und Erbarmen 90-92, 107 f. Geschichte - 2000-jährige G. der Kirche 86 f., 116, 570, 763,1158 - 3000-jährige G. Georgiens 160 f. - der Evangelisierung Amerikas 1037 f. - der Menschheit 41 f., 190 f., 207, 229, 453, 1002-1004, 1085, 1121 f. - der pilgernden Kirche 570, 1158 - des Hl. Landes 1295-1302 - des „Midwest“ (St. Louis) 215 - Dialektik in der G. Israels 108 - Europas 70 f,, 280, 482 - geprägt durch Menschwerdung Gottes 996 f. - Handeln Gottes in der 1160 - Herausforderungen der 130 - Jesus Christus Herr der 648-650 - Mexikos 189 - Polens 70 f., 275-404 - Rumäniens 248 - Ruts (AT) 578 f. - unseres Jahrhunderts 279 f., 282, 289 f., 295,299 - von Ancona 266 f. - Wahrheit der 116 - Wandel der 688 - Weg der G. zu einem neuen Jerusalem 104 - Ziel der 72-74 Gesellschaft(en) - als Ur-/Keimzelle der Gesellschaft 168-171,182,216, 224 f., 243, 326, 653,1128, 1131 f., 1287 - alte Menschen in der 95 f. - am Rand der 23 f. - Aufbau einer solidarischeren 55, 150, 229, 238,243, 342,460, 610, 614, 636, 802 f., 1102,1149 - die heutige 19 - Erneuerung der 210,416 f. - Frau in der 165 f., 882 f., 1244 f. - Frieden in der 306,1011-1017 - Fundamente einer 367-372 - gerechtere, brüderlichere, friedliche 150 f., 187, 203,229, 454 f. - gottfeme 1129 - Kongregation für die Gesellschaft apostolischen Lebens 936-938 - Krise der 168 f. - mexikanische 202 f. - Religion u. demokratische 653 - säkularisierte 1020 f., 1126 - ukrainische 1143 - Veränderungen in der 168 - Verantwortung der Laien in der 392 f., 532 f., 1098-1103 - Wohlstands-/Konsumgesellschaft 75, 78, 1019 - Zeugnis des Evangeliums in der 269,1141 Gesellschaft des hl. Vinzenz v. Paul 224 Gesetz(es) - befolgen 73 - des gesellschaftl. Zusammenlebens 177 - Gottes 8, 11 f., 43 1371 REGISTER - Liebe ist die Erfüllung des 322 - mosaische Gesetzgebung 11,43, 289 - Naturgesetz 491 - religiöse Gesetzgebung des AT 100 f., 289 - Sittengesetz 164,168,229 - und Evangelium 1317 f. - und Propheten 44, 146 f. Gesundheit(s) - 14. Konferenz über „Wirtschaft und G.“ 957-960 - Rechtauf 62 - sexuelle u. reproduktive 1286 f. - Tag der geistigen 140 Gesundheitsdienst(e) - katholische 224 Gesundheitswesen - Kosten im 813 Getaufte(n) 320 f., 329 f. - Aufruf/Ruf an jeden 7,10,606 - Priestertum aller 1034 Gewalt 118, 192, 216,219, 261 f„ 542 f., 679-681, 707 f. - Bombardierung eines Marienheiligtums in Sri Lanka 167 f. - gegen den Menschen 18, 58 £, 454 - gegen Frauen 18, 164, 927 f. - gegen Kinder 18,219 - gegen Priester 77 - Gewalttaten in Sierra Leone 4, 53, 206 - im Namen des Glaubens 430,456, 1139 - in der Balkanregion 46, 70 - in der Familie 219 - in der Republik Kongo Brazzaville 206 - in Indonesien 32 - in Ost-Timor 123, 798 - ist keine Lösung 61,460 f., 652 - Opfer der 23 £, 32, 113,134, 263 £, 273, 1012 - Wahrheit mit G. aufdrängen Gewissen(s) 20,276,1176 - Bildung des 82,290,373-377, 1026 £ - privates 1219 - wachrütteln 193,309 £ - Wandlung des 124 Gewissensfreiheit 160, 1306 £ Gewissenserforschung 21 £, 178, 479 £, 606 Gläubige(en) - Auftrag „Licht d. Welt“ und „Salz d. Erde“ zu sein 66 - Berufung der 66,296,1176 - Brief an die G. in Rom 868-871 - Gemeinschaft der 1168 - Sendung der 66 - vereint im Leib Christi 102 Glaube(n/ns) 38, 203 £, 329, 386, 483,569, 756, 828-838, 1166, 1311-1318 - als Antwort 55-57, 96-98,387 £ - an das Evangelium 21,281,294, 592 - an die Heilstat Christi 1313, 1335 £ - an Gott 80 - an Jesus Christus 33 £, 208, 211 £, 641 - christlicher 97,235,1176 - Einheit des 597, 783, 948 £ - Gehorsam im 123,1088 - gelebter G. in Gesellschaft u. Kirche 1098-1103 - Geschenk des 887-893 - Gewalt im Namen des 430, 456, 1139 1372 REGISTER - Glaubensakt 846-848 - Glaubensfrage 1220-1222 - Gleichgültigkeit gegenüber dem 47 £, 111,175-178, 305,1126 f., 1218 - Inkulturation des 1048 f., 1067, 1102 - innerhalb der Familie 17,1070 f. - jüdischer 56 - Katechese über den 615 f., 1058 f. - katholischer 188, 218, 687-690 - Kultur und 443-446,482, 807 f., 969 f., 1045, 1217 f. - Leben aus dem 392 - Rechtfertigung geschieht durch 1314-1316, 1341 - und Kunst 988 - und Liebe 587,774 - und Vernunft 122 £, 130 f., 210, 300 f., 472, 566, 718-720, 807 f., 953 f. - verbindet Generationen 17 - Verbreitung/Weitergabe des 213, 687-690, 847 £, 1058 f., 1087 - Zeugen des 80 f. - Zeugnis des 17,114 £, 247,269, 293-298, 315,419 f., 431-433, 515, 605 f., 618 £, 770-772, 863-865, 964-967,1274 £ Glaubensbekenntnis 17, 63, 348 - des Petrus 770, 776 £, 987 - Sündenvergebung 119 £ Glaubenserkenntnis 123 Glaubenserziehung 386, 555 £, 689 Glaubenslehre - Kongregation für die 69, 745-748, 1185-1188 Glaubenswahrheiten 1168 Gleichgültigkeit 22 £, 456 £ - religiöse 47 £, 111,175-178, 305, 1126 £, 1218 Gleichnis(se) - vom barmherzigen Samariter 198, 571, 584 £, 723,929 - vom Festmahl 150 - vom Guten Hirten 381 - vom reichen Verschwender 97 - vom verlorenen Schaf 223 - vom verlorenen Sohn 20 £, 120-122,127, 171 Globalisierung 156 £, 459, 509 £, 574, 686 £, 799-802, 931 £, 1121, 1207 £, 1306 - der Solidarität 541 £ - im Guten 114 - negative Auswirkungen der 509 £, 542, 1209-1211 Gnade - der göttlichen Barmherzigkeit 304 - Gottes 20, 84, 91, 93 £, 124,127, 174, 183, 224, 311, 371, 386-388, 518, 1311-1318,1342 - in der Gnade Christi sterben 76 £ - Rechtfertigung geschieht allein aus 1314-1316,1329,1342 - Wirken der göttlichen 20,93 £, 1314,1330 Götzenbilder 48 Gott(es) - Absage an 96-98 - als Mutter 12,121 £ - als Vater (Abba) 6-10,24-27,32-34, 36-38,43-45, 98,121 £, 136, 190 £, 240, 320, 396,465-469, 627-629, 642-648, 693-696 - Anbetung 33,229 - Angesicht/Antlitz 7-9,44 £, 49, 120 £ - Barmherzigkeit/Erbarmen 6, 20 £, 39 £, 45 £, 59, 79 £, 89, 93, 96-98, 101, 108, 120-122, 126 £, 131 £, 277, 304, 355-359,407 £, 469, 644, 731,1148,1318 1373 REGISTER - Begegnung mit 33, 94, 846 f. - Bitte um G. Hilfe 20, 40 f., 108 - ein Gott u. Vater aller 51-53 - Einzigkeit 60 f. - erkennen 32-34,47-49, 135-138, 329 - Fürsorge 26, 36-38 - Gebote achten 43-45, 115 £, 288-291,305 - Gegenwart 268 f., 778,1163, 1166-1173 - Gerechtigkeit 90-92, 1311 f. - Gesetz 8,11 f., 43 - Glaube an 80 - Gnade 20, 84, 91, 93 f., 124, 127, 174, 183,224,311,371,386-388, 518, 1311-1318, 1342 - Güte 721-723 - Handeln 11,1160 - Heiligkeit 856 - Heilsplan 3, 5,37 f., 56, 72, 75, 84, 86,104 f., 124 f., 172,187,201, 266, 288, 319, 396,407 f.,761, 789-793, 1084,1102, 1122, 1158 - Herr der Welt u. Geschichte 79 f. - Hilfe/Beistand 118,136 - Hingabe an 228, 304, 1060 - Initiative in der Heilsgeschichte 33 f., 136, 1164 -Kinder 6-9, 25 f., 132,137,143, 192,199, 304, 312, 384 f., 475, 544, 693-696 - Liebe G./ist die Liebe 6, 12, 30, 36-38, 43-45, 79-83, 91 f., 121, 124,135-138,140, 171,175, 184, 222-226, 252,265, 275-277,288, 299 f., 312-316, 320-327, 330 f„ 343, 384-388, 427, 429, 465-472, 474, 571, 584, 590, 642-648, 655, 715-717, 1031, 1153 f., 1162 - Liebe zu G. (Gottesliebe) 23, 66, 138, 140-142, 280,289, 360 f., 465-470, 388-393, 571, 584, 722 f. - loben/danken 82, 227,229,239, 255-258, 264, 351, 355-361, 402, 654 f., 1164 - Offenbarung 7-9,25,37,51,56, 60, 69, 75, 104 f., 120-123, 176, 474, 631, 693 f., 731 - personale Transzendenz 52 f. - Reich 26, 32,44, 76, 78, 105,124, 147,240, 311 f., 320 £, 328, 343, 609, 694 f., 749 f., 1173-1176 - Ruf 6 £, 121 - Schöpfergott 43,47 £, 123,170, 269, 302,351 f. - Schöpfungswerk 15 £, 48,353 - Segen 8 £,158 - Solidarität 200, 1165 - Souveränität 175,177 £, 603 - Stimme 22 £ - Strafe G. für mangelnde Treue 108 - Suche/Frage nach 7-9, 779-783, 1021 £ - Treue 90 £, 108,171 - Treue zu G. dem Herrn 87, 257, 260, 296, 349,470 - und Israel 8,11-13,43, 51, 72 £, 90 £, 125,136 £, 140,142 - und Jesus Christus 24-27,29-33, 43-45, 69,81,91,93, 111,120, 137,240,299 £, 466 £, 474-476, 629-633, 731, 890 £, 1127,1313 - und Mensch 7-9,20,38,43,47-49, 59-61, 96-98, 100-102,104, 112, 114,119-123,125, 127 £, 135-138, 172 £, 184, 190 £, 198-201, 222-226,279,288 £, 344-349, 374 £, 384-388,439-443,463,466, 474, 606, 693-696, 718-720, 758 £ - universaler Heilswille 51-53,96-98 - Ursprung u. Quelle 6,33 £, 124, 175 1374 REGISTER - Vaterschaft 6-13, 15 £, 24-27,29-31, 33 f., 44, 68, 127,143, 169-171, 629 £, 742-744 - Verehrung 763 - Vergebung 40,124,132,469, 627 f., 695 f. - Verheißungen 57,1341 f. - versöhnende Umarmung 20 f., 121 f., 126,469, - Versöhnung mit 22,127-129, 695 f. - Vertrauen in 38 - Volk 10,140,154, 340 f., 934 f., 1016,1161 - Vollkommenheit 101 - von G. geoffenbarte Wahrheit 229,284 - Vorsehung 36-38 - Werke 79 f. - Wille 59 f. - Wirken 63, 276,1160 f. - Wort Gottes 25, 72, 75, 85 f., 176 f., 183,197,255, 282-286, 329, 466, 702 f., 781, 1002-1004, 1125, 1168,1340 - Zeichen G. in der Heilsgeschichte 130,229 - Zeugnis geben für 47-49,51-53, 63,66,115,143,314,316, 733, 950 f. 1094,1099 - zu Gott (Vater unser ...) 33 f., 91, 107, 227, 466, 632, 646, 693-696, 855-860 - Zuflucht bei 90 f. Gottesdienst - ökumenischer 317-321 Gottlosigkeit 48, 97 - der heutigen Welt 61,124,126, 175-178, 209 Gottvater-Jahr 6, 10, 20, 22 f., 35 f., 39 f., 45, 55, 107, 124,135 f., 138, 171,206,240,321,465,473, 584, 631, 655, 693, 750,1031 f., 1053 Gründonnerstag 40 - Schreiben an die Priester zum 629-633 Grundbesitz 154 f. Gut/Güter - materielle 311 - Inkulturation geistlicher u. sittlicher 68 - Recht als höchstes 480 Gute(n) 37 f., 279 - besiegt das Böse 107,112 f., 207, 212, 390 - Wahl des 19 Handlung(en) - homosexuelle 1187 f. Hass - überwinden 679-681 Hedonismus 209,1126 f. Heil(s) 104 - Ablehnung des 91,1122 - des Menschen 846 - Gabe des 1311 f. - Heilsgewissheit 1318 - Kirche als universales Heilssakrament 1017-1036 - Suche nach dem 68 Heilige(n) 616, 729 f., 840 - als Mitpatrone Europas 830-838, 853 - als Vorbilder 50, 80,153 f., 278 - Amerikas 505 f. - Erfahrung der 682 f. - Gemeinschaft der 1167,1170 - Kanonisierung von 12 neuen 162 f. - Maria als Königin der 106,110, 153 £, 162 £ 1375 REGISTER - neue 50, 79, 322 f., 388-393, 683-685, 964-967 - Polens 377-384,388-393,401 - Sendung der 281 Heilige(n) Familie 96,181 -184, 793 Heilige Nacht 179 f. - der Beginn des Großen Jubiläums 179, 181,184, 761 Heilige(n) Pforte - des Jahres 2000 19,166,171, 178 f., 181,225,439,581,645, 981,1120 f. - Homilie bei der Öffnung der 998-1000 Heilige(n) Schrift(en) 48,51,346 - als Buch des Lebens 284 - als Stätte der Begegnung mit Christus 284,502-504 - Beispiele völliger Hingabe in der 38 - das Alter in den 95 f., 820-822 - die Liebe in der Lehre der 145-151 - Einheit der 986 f. - Gericht u. Erbarmen in der Logik der 90-92, 107 f. - Himmel in den 92-94 - Hölle in den 97 - lectiodivina 284,323,781 - Purgatorium in den 100-102 - Weggeschichten der 122 - Zugang zur 702 f. Heilige Stätten 1157-1180 - Kollekte für 1296 - Theologie der 1159 f. Heiliger(n) Geist(es) 26,28,206, 299 f„ 516 f„ 615-618, 631 f„ 1167, 1316 f., 1342 - als Band der Gemeinschaft 30, 363, 717 f. - als Beistand 255 - als Seele/Antrieb 321 f., 442, 715 f., 725-728, 742 - Gaben des 71,145 f., 218, 368, 500 £, 745-748 - Herr u. Spender des Lebens 894-899 - im Vertrauen auf den 152 - in der Heils- u. Schöpfungsgeschichte 894-897 - Kraft des 6, 73,103, 742-744, 775 f. - Pfingsten als Kommen des 71 £, 74,250, 255,257,396 - und der Leib Christi 897 f. - Wirken des 137, 141, 177,285, 331,403,422,776 Heiliger(n) Stuhl(s) 24 - Diplomatische Korps akkreditiert beim 476-481 - im Dienst des 484-487, 687-690 - italienischer Staat und 848-851 - offizielle Stellungnahme des 1286-1288 - und das Hl. Land 1295-1302 - und die Republik Georgien 448 f. - und Rumänien 233 - und UNO 194,1286-1288,1290-1292,1303-1306 - und Welthandelsorganisation 1344-1348 Heiliges Land 751,755-757 - Hl. Stuhl und das 1295-1302 - jüngste Geschichte des 1295-1302 - Stätten der Jubiläumswallfahrt im 761-769 Heiliges Triduum 631,654 f. Heiligkeit 6, 830-838, 853 f. - Berufung zur 411, 505 f., 518 f., 536, 694, 703-706, 838,1008,1095 - der Missionare 858 - des Menschen 703 f. - Erbe an 224,259 f. 1376 REGISTER - Gottes 856 - Rufzur 999 - Streben nach 73,211,694 - Weg der 391,1042,1137 - Zeugnis der 276,411,840 Heiligsprechung 50,276, 682-685, 964-967 - 1000-Jahrfeier der H. Adalberts v. Polen 325 - Predigt bei der 388-393, 682-685, 964-967 Heiligste(n) Dreifaltigkeit 24, 52, 60, 94,128,137,141 f., 144 f., 184, 222,264, 299 f., 332,418,466 f., 554 f., 604 £, 629 f., 778, 894-899, 992 f, 1336 - Geheimnis der 6 f., 10,24 f., 29-31, 60, 89,105,164 f., 169,176 £, 190 £, 293,631,789-793 - Hochfest der 264-268 - Ordensgemeinschaft der H. D. (Trinitarische Familie) 786-788 Heiligstes(n) Herz Jesu 222 £, 225, 287-291, 384 £, 423 - 100. Jahrestag der Weihe an das 307 - Herz-Jesu-Andacht 303-307 - Litanei zum 287 £ - Verehrung des 81 - Vesper zum 384-388 Heiligtum(-tümer) 988,1157-1180 - als Erinnerung an den Ursprung 1160-1166 - als Schule des Gebets 1164 - als Stätte der Gegenwart Gottes 1166-1173, 1177 - als Stätte kirchlicher Gemeinschaft 1171-1173 - als Stätte sakramentaler Begegnung 1169-1171 - als Zeichen der Hoffnung 1173-1176 - Familie als 18, 534 £ - Gedenkstätte des Wirken Gottes 1161 - Katechese in den 1167-1169 - Kritik der Propheten an den 1175 - Prophezeiung der himmlischen Heimat 1173-1176 - Symbol des neuen Himmels u.der neuen Erde 1176 - und Sakramente 1165-1171 - Wallfahrt zu den 506 £, 1157-1180 Heiligung - derZeit 1084 - des Sonntags 363-367,369 Heilsgeschichte 626 £ - Erfüllung der 127 - für Juden u. Christen 55-57 - Hl. Geist in der 894-897 - in der Perspektive des Exodus 229 - Initiative Gottes in der 33 £, 136, 1164 - Meditation über die 84 - Menschheitsgeschichte wird 191 - Stätten der 85, 763-769 - Zeichen Gottes in der 130, 229 Heilsplan - Achtung vor dem 352 - Familie im 183 £, 789,1128 - Gottes 3, 5, 37 £, 55-57, 72, 75, 84, 86,104 £, 124 £, 172, 187, 201, 229,266,288, 319, 396,407 £, 761, 789-793,1084,1102, 1122, 1158 - Mann und Frau im 163-166,789, 1067, 1128 Heilsweg - des Menschen 14 £, 104,179 1377 REGISTER Heilswerk - Beteiligung am 328, 357 - Gottes in Christus 1313 - Leiden im H. des Erlösers 198 Heilswille - universale H. Gottes 51-53,96-98 Heilung(en) - Ablass schenkt völlige 131-134 - Jesu Christi 111,198 Herz(en) - des Gerechten 8 - reines 344-349 - öffnen für Jesus Christus 179-181, 183 f., 319 - Unbeflecktes H. der Seligen Jungfrau Maria 344-349 - siehe auch: Heiligstes Herz Jesu Heute 309 f. Hilfe - Gottes 118,136 - Mangel an medizinischer 1306 Hilfsaktion(en) 42,110,196,310 - internationale humanitäre 1291 Hilfsorganisationen) 310 - katholische 65 f. Himmel(s) 92-94 - als Bild für das Leben in Gott 93 - den Armen gehört das Himmelreich 311 f. - in der Bibel 93 f. - Lohn im 153,297 f. - Maria als Himmelskönigin 106 f., 110, 153 f., 162 f. - Verheißung eines neuen 73 f. Himmelfahrt - Jesu Christi 73 - Mariens 84, 106 £, 286 f., 784-786 Hingabe/Selbsthingabe 35, 37 f., 100 £, 301, 468 - an die Armen 717 f. - an Gott 228, 304, 1060 - der Ehepartner 169-171, 182-184 - des Lebens 54,134,141,143, 146,148, 275-281,287, 294 £, 323, 359, 380 f„ 515, 723,770-772 - des Priesters 1060,1064 - Dienst bis zur 54,148,419, 723 - für das Reich Gottes 240, 328 - Jesu Christi 38,44, 147, 365, 380 f. Hinrichtung(en) - Massenh. im Zweiten Weltkrieg 80 HIPC - Initiative für „Schwer verschuldete arme Länder“ 1292-1294 Hirt(en) - als erste Zeugen 180, 935 f. - Bischöfe u. Priester als 305, 323, 381 f., 424, 1014, 1080-1082, 1109 f. - der Gute 54, 87,222 f., 331, 380 £, 424, 697 £, 1081 Hölle - als Absage an Gott 96-98 - in den Hl. Schriften 97 Hoffnung 17, 173 f., 329 f., 462 £, 474, 955 £, 1022, 1316, 1318 - auf Auferstehung 76, 93, 209, 357 - aus der Wahrheit 298-302, 357 - der Kirche 28,209 - ein friedliches „Heer der H.“ 66 - Evangelium der 1247-1278 - für die Zukunft 118 - Heiligtum als Zeichen 1173-1176 - Kirche der 192 - Kreuz als Zeichen der 31 £, 41 £, 45, 61, 660-662 1378 REGISTER Hohelied - der Liebe (7 Kor 13) 140,146 Holocaust(s) - Gebet für die Opfer des 339 Homilie - bei der Öffnung der Heiligen Pforte 998-1000 - beim Jahresabschluss und „Te Deum“ 1002-1004 Homosexualität - Lehre der kath. Kirche über die 1185-1188 Humanismus 66, 600 f. - christlicher 780, 960-963, 970 f. Hunger 216,219,455 - 30. Konferenz der Emährungs- u. Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) 955-957 - Kongress über H. und Kinder 174 Hymnus 1022 Identität - Bewahrung der eigenen 51 - christl. I. Amerikas 504 f. - christl. I. Polens 346, 386 - christl. I. Rumäniens 247 f. - der Jünger Christi 270 - der Kirche 187,270,276,314 - des Menschen 164 - des Priesters 751-754 - Georgiens 432 - Jesu 751-754 Ideologie(n) 195,204 - des Atheismus 48 f. Indianer 189 Individualismus 195,1057, 1218 f. - religiöser 1026,1213 Individuen 1287 Industrieländer - und Entwicklungsländer 195 Information 804 - Manipulation von 804 -806 Initiation - christliche I. und Gemeinschaft 521 f. Inkulturation 549 f., 1168 - des Evangeliums 160,250 f., 507, 556-560, 962,1169 - des Glaubens 1048 f., 1067,1102 - Evangelisierung und 903-905 - geistlicher u. sittlicher Güter 68 - in Afrika 1067 - in Mexiko 188 Institut(e) - „Katholisches I. von Westafrika“ 1045 - Kongregation für die Institute geweihten Lebens 163 - Päpstl. I. „Johannes Paul II.“ 789-793 Instrumentum laboris - der 2. Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa 1197-1278 Integration - Kirche unterstützt demokratischen Prozess der 65 - von Migranten 570-572 Internationales Priestertreffen - 4. Internat. P. 54 Internationales Tribunal 457 Intoleranz 117 Islam - Botschaft zum Ende des Ramadan 1153 f. 1379 REGISTER - Kenntnis der spirituellen u. sittl. Werte des 1150 - und Christentum 59-61, 788,1139 Israel(s) - Dialektik in der Geschichte 108 - Gott und 8, 11-13,43, 51,72 f., 90 f., 125, 136 f., 140,142 - Volk/Bundesvolk 11-13,51,57 - Weg I. in das verheißene Land 104 Jahr - 100-jähriges Bestehen des Liboriusblattes 624 f. - 2000: Gnadenjahr/Hl. Jahr 173 f., 184, 810, 870, 991-995,1002-1004, 1121 f. - Akademisches 846-848 - der Solidarität 154-157 - Internat. J. der alten Menschen 95 f. - Internat. J. des Kindes 1305 Jahrestag - 60. J. des „Pelpliner Herbstes“ 282 - 70. J. des Bestehens der Polnischen Luftfahrtgesellschaft 361 f. - 100. J. der Weihe an das Heiligste Herz Jesu 307, 327-332, 343 - 100. J. der Weihe der Kirche des hl. Josef (Görka) 395 Jahrfeier - 50-Jahrf. der Päpstl. Palästina-Mission 1295-1302 - 500-Jahrf. der ersten Evangelisierung Amerikas 497, 563 - 900-Jahrf. des Ritterordens vom Hospital des hl. Johannes zu Jerusalem 754 f. - 1000-Jahrf. der Errichtung des unabhängigen polnischen Metropolitensitzes Gnesen (Papst Sylvester II.) 79,276, 321 f., 373 - 1000-Jahrf. der Erzdiözese Krakau 82, 377-384 - 1000-Jahrf. der Kanonisierung des hl. Adalbert 79,278, 321 f., 325, 401 - 1000-Jahrf. der Kathedrale v. Ancona 263-271 - 1000-Jahrf. des Märtyrertodes des hl. Adalbert (1997) 275 f., 294 - 1200-Jahrf. des Aachener Doms 985 - 1500-Jahrf. der Abtei Subiaco 779-783 - 1500-Jahrf. der Gründung des Benediktinerklosters von Subiaco 406 Jahrhundert(s) - 20. J.: Zeuge außergewöhnlicher Ereignisse 816 f. - Ende des 818 f. - Geschichte unseres 279 f., 282, 289 f., 295, 299 Jahrtausend(s) - Ende des zweiten 818 f. - das dritte 102 f., 204 f., 207 f., 254,258,281,462 f„ 563, 650, 751,761,1000,1204-1222 Jerusalem - das himmlische 389,950,1173, 1175 - ein neues 73 f., 104, 778 Jesus(Jesu) Christus(Christi) 30, 71, 101, 111,115 f., - als Bräutigam der Kirche 1034 - als Erlöser/Retter 21,104, 127 f., 171 f., 174,181,183,205 f., 258, 327 f., 475, 650, 887-893, 1034, 1102,1227 f. - als Gottmensch 174, 731, 791 f., 888 f. 1380 REGISTER als Guter Hirt 54, 87,222 f., 331, 380 f., 424, 697 f., 1081 als Lamm, das die Sünden der Welt auf sich nimmt 22, 87,127, 251, 592, 658-660,1081 als Quelle u. Hoffnung 41 f., 45, 147,288, 660-662, 839-842,1197- 1278 Auftrag 5 f., 73, 223, 500, 551 f., 584, 1023-1029 Auftrag Gottes an 32 f. befreit von Sünde und Tod 6, 93, 111, 120-122, 592, 660-663, 679-681,696 Begegnung mit (dem lebendigen) 248 f., 498-504, 514, 522 f., 554 f., 808, 852 Begegnung zwischen Jesus u. der Frau am Jakobsbrunnen 288, 615 f., 939 f. Begegnung zwischen Jesus u. Zachäus 307-312 das Heiligste Herz 81, 222 f., 225, 287-291, 303-307, 327-332, 343, 384-388,423 der neue Adam 76 der Weg zur Heiligkeit 519 durch Maria zu 50,292 f., 501 f. eines Wesens mit dem Vater 29- 31 erfüllt das Gesetz 289,1317 Erlösung durch 84 f., 93,172 f., 183,318, 327, 658-660, 679, 893 erteilt Vollmacht 626 f., 752, 770-772 eucharistischer 1123 Gegenwart 118,235,1228-1230 gegenwärtig im notleidenden Bruder 66 f., 684 Glaube an 33 f., 208,211 f., 641 Gott und 24-27,29-34,43-45, 69, 81,91,93, 111, 120, 137,240, 299 f., 466 f., 474-476, 629-633, 731, 890 f., 1127,1313 - Gotteskindschaft/Sohn Gottes 6 f., 9, 25,209,466 f., 498-504, 576, 890, 986 f. - Gottesknecht (AT) 108 - hat Worte des ewigen Lebens 203, 209 - Heilungen 111,198 - Herr der Geschichte 648-650 - Herr der Zeit 1084-1088 - Herzen öffnen für 179-181,183 f., 319 - Himmelfahrt 73 - Hingabe 38,44,147,365,380 f. - Identität 751-754 - ist Alpha u. Omega 816 - ist das Brot des Lebens 153 f. - ist das Licht der Welt 5,14 f., 105, 179,203 f., 210,219,309, 329, 372,423-427,472,474, 577 - ist der Frieden 303-307 - ist der Messias 90-94,109 f., 171, 250 f., 349 f., 650, 951 - ist der Weg, die Wahrheit und das Leben 16-18, 52,245 f., 329, 331, 599, 703 f. - ist derselbe gestern, heute u. in Ewigkeit 839 f., 951, 991,1002, 1004 - ist die Fülle aller Dinge 987 f., - ist die Tür 225,422, 997,1001 f., 1120-1125 - ist unsere Gerechtigkeit 1311-1313,1315 f. - Josef als irdischer Vater 35 f. - Königtum 964-967 - Kreuz 21, 30-33,105, 199, 316, 423, 649, 730-732 - Leiden/Passion 39-41, 127 f., 198, 202, 364, 592, 648-650, 658-660 - Liebe 21,288,318,365,642-648 1381 REGISTER - Macht über Dämonen 111 - Menschwerdung 25 f., 105,209 f., 180,222,225,283, 350, 514, 576, 763 £, 891 £, 981, 996 £, 1000, 1002-1004,1121 f. - Mittlerschaft 141 - nachzufolgen 17,22,39,111, 114 £, 150,199 £, 204,217-221, 296 - offenbart Gott 47, 51, 60, 104 £, 120-123,299 f., 385 f., 731 - Offenbarung 498-504, 986 f. - Opfertod 30 £, 40,142, 656-660, 679, 736 - Priestertum 576, 633, 654, 752, 1013,1034, 1114 - Realpräsenz in der Eucharistie 503 f, 522 £, 778,1123,1189 - selbst ist der große Ablass 131 f., 134 - Sendung 44,314,890,1034,1230 - sitzt zur Rechten des Vaters 93 f. - Taufe 6 £, 26,474-476 - Tod und Auferstehung 20,29, 39-42,45, 73, 76, 93, 105, 125, 255 £, 283, 356 f, 629-633, 658-662, 1223 - Treue zu 27,206,314, 357,606, 717 £, 751 - und der Mensch 27,504,606 - und die Kirche 10, 251, 500 f. - und Priester/Bischöfe 54, 326 £, 632 £, 752 - und seine Apostel/Jünger 5 £, 40 £, 73,114 £, 210, 500, 626 £, 752, 770-772 - Verkündigung 34,209,438 £, 551-555,737, 1222-1232 - Versuchungen 987 - Vertrauen auf Christi Verheißungswort 1318 - Wiederkunft 73 - Wirken 124 - Zeugnis geben für 47-49,51-53, 63,66,115,143,314,316, 733, 950 £, 1094,1099 Jubeljahr 180,250,318, 626, 1125, 1139 - biblisches 154 - Vorbereitung auf das 463 £, 580-583,593,631,751-754 Jubiläum - 100-jähriges J. der Evangelisierung Burundis 1012 - 800-jähriges Gründungsj. des Ordens der Heiligsten Dreifaltigkeit 786-788 - 3. Vorbereitungsjahr (Reflexion: Gott Vater) 6,10,20,22 £, 35 £, 39 £, 45, 107, 171, 206,240, 321, 465,473, 584, 631, 655, 693, 750, 1031 £, 1053 - als Gelegenheit zu Begegnungen 55 £ - christliches J. nach Papst Bonifaz VIII. (1300) 154-157 - Großes J. des Jahres 2000 17,19, 22 £, 45, 51, 53 £, 79,116,131, 154,157 £, 163,165,171, 173, 178-184, 191, 204, 206,225,240, 260,277,321, 325, 329, 371, 385, 418-420,426, 453, 464, 580-583, 605-610, 626, 635-637, 701, 739, 751-754, 756 £, 761-769, 806, 868-871,976-981,995-997,1001, 1031 £, 1095,1120 £, 1129,1145, 1276-1278 Jubiläumswallfahrt - ins Hl. Land 85,759,761-769 Juden 196, 836 £ - Gebet der J. nach dem Exil 115 - und Christen 9 £, 55-57, 538, 768 £ 1382 REGISTER Jünger - als Zeugen 71 f. - Emmaus-J. 285 f., 682 f., 839, 1124 f. - Jesus Christus u. seine 5 f., 40 f., 114 f., 210,270, 500, 679 - versammelt im Abendmahlssaal 71 f., 261 f., 410 f. Jugend 941,1069-1074 - des Tschad 1138 - eine Zeit der Entwicklung 218 - israelische u. palästinensische 802 f. - muslimische 60 - Talente der 218 - Welttag der 31,36,144,266,465-472, 582 f., 646, 648-650, 796 f., 999 Jugendkriminalität 1305 Jugendliche(n) 31 f., 47, 119,210 f., 262,266, 325 f., 411, 536 f., 649, 683, 796 f., 941, 1069-1074,1096, 1104,1146 - als Licht der Welt 220 f. - amerikanische 192,217-221 - Apostel des Evangeliums für das 3. Jahrtausend 32 - Arbeitslosigkeit von 612 f., 636 - Ausbildung der 228,414,458, 622 - behinderte 973-976 - Berufung der 220 - der Papst und die 17,217-221, 370-372, 642-648 - Erziehung (christl.) der 248, 326, 369-372, 458, 622 - Katechese für 1072 - Lebensstil der 392,1039 - Persönlichkeit des 866 f. - Polens 80 - Roms 582 - Selbstmord 219 - sexuelle Beziehungen 1286 Jugendpastoral 64 f., 536 f., 941, 1039,1070-1074,1266 f. Kampf/Kämpfe - Aufruf zum K. gegen die Armut 144 - friedliche K. von 1989 81, 335 - gegen Analphabetismus 794 f. - gegen das Böse/die Sünde 107, 111,390 - gegen die Kirche 316 Kapuziner 703-709, 845 Kardinal(s) - Gefängnis u. Zwangsaufenthalt des rumänischen 64 Kardinalskollegium 991-995 Karmel - „Mater Misericordiae“ 407 f. Karmeliterpatres - Unbeschuhten K. von Görka (Wadowice) 395 Karwoche 39-41, 648-650 Katastrophen - Aufruf des Papstes zur Hilfe 179 - Lawinenunglück in Österreich 600 - Naturk. 15, 66, 110,130, 159, 179,407, 409 Katechese 369-372, 556 f., 595, 599, 1047, 1077 f., 1101,1105, 1110, 1168 - Bildung und 727 - im Kinder- u. Jugendalter 1072 - in den Heiligtümern 1168 f. - Modernisierung der Methodik 1141 - über den Glauben 615 f., 1058 f. Katechet(en) 556, 1014,1043,1065, 1115, 1137,1148 1383 REGISTER Katechismus(-men) - Abfassung neuer örtlicher 324 - der Katholischen Kirche (KKK) 11 f., 25,29 f., 33 f., 36,43-45,48, 56, 59 f., 68, 76, 91 £, 94, 97, 100, 104 f., 107 f., 112, 120, 125, 142, 145 f., 164,168, 323 f., 468, 541, 1067, 1141, 1190 Katharinenschwester(n) - Seligsprechung der Gründerin der 92,287 Kathedrale - als Zeugnis einer Glaubensgeschichte 269 - Patriarchal-K. von Bukarest 235 f. - Sankt Cyriacus von Ancona (1000-Jahrfeier) 263-271 - von St. Louis 227-229 Katholiken) 10, 248,1338 - Amerika Kontinent mit den meisten 192,224 - des östl. u. lateinischen Ritus 256, 700 f. - Georgiens 161 - in China 977-981 - in Jerusalem 1295 f. - in Puerto Rico 1126 - Lutheraner und 949 f., 982-984, 993 f., 1309-1343 - Orthodoxe und 62-65,250-255, 257,259 f., 433-449, 597, 724 f., 729 f. Katholische Aktion - der Jugendlichen 315 f. Keuschheit(s) 219 f. - Kgelübde 391 Kind(es/er/em) 537 - als Geschenk und Hoffnung 183, 537 - als Segen Gottes 169 - Ausbeutung von 1305 f. - behinderte 973-976 - Diskriminierung von 1306 - Erziehung der 369-372, 744 - Gewalt gegen 18 - Gottes 6-9, 25 £, 132,137,143, 192, 199, 304, 312, 384 f., 475, 544, 693-696 - Internat. Jahr des 1305 - Katechese für 1072 - Kongress über Hunger und 174 - kranke 221 f. - Lebensbedingungen der 537, 1303 - Opfer bewaffneter Konflikte 1305 - Persönlichkeit des 866 f. - Rechte der 181 f., 1303-1306 - Schutz der 1303,1306 - Würde des 973-976, 1303-1306 - Zeugung eines 11 f., 15 £, 169 Kinderhandel 1303 Kinderrechtskonvention - verabschiedet: 20. Nov. 1989 UNO 1303-1306 Kindersoldaten 479 £, 1303 f. Kirche 237,474 - 2000-jährige Geschichte der 116, 570,1158 - als Braut Jesu Christi 251,1034 - als Familie Gottes 58, 1016, 1090, 1117 f., 1145 - als Geheimnis 269, 1030 f., 1230-1232 - als Gemeinschaft 10,126, 326, 363, 521, 532 £, 1079,1171-1173, 1230-1232,1242 f. - als Leib Christi 257,10811016, 1081 - als mater et magistra 1032 - als Pilgervolk 570, 1158 f. - als Sakrament 520 f., 910-912, 1017-1036 - als Volk Gottes 1016 - als Zeugin des Evangeliums 934 f. 1384 REGISTER apostolischer Dienst der 485 armenische 88, 772-776 Aufgaben der 5,103,143,474 Auftrag der 160,177 f., 237, 609, 935 f., 1017 autochtone 1065 Autorität in der 1340 der Hoffnung 192 des armenischen Ritus 233,1142 des byzantinischen Ritus 261, 313 f., 1142 des lateinischen Ritus 261, 313, 1142 Dienst an der 110, 712 £, 1130-1135 Einheit der 85-88,247 f., 253, 255-258, 317-321, 366,418, 637-640,760 £, 771, 913, 948 £, 967 £, 982-984, 1084, 1171 f., 1340 Erneuerung der 115-118,341 f., 358, 688, 775,1205-1222 Evangelische Kirche in Deutschland 1310 Evangelisierungsauftrag der 52, 82,210 Frau in der 165 f., 939 £, 1034 £, 1244 £ Freude an der 1022 Frieden in der 306,1011-1017 Frühling der 71 £ Fürsorge der 24 Gemeinschaft innerhalb der 912- 915,1243-1246 griechisch-katholische 313 Hoffnung der 28, 209 Identität der 187, 270,276,314 im Tschad 1135-1139 in Amerika 207, 493-565 in Burundi 1011-1017 in China 971 £, 977-981 in der Elfenbeinküste 1040-1046 in der Ukraine 1140-1144 - in Deutschland 1017-1022 - in Europa 839-842,1197-1278 - in Georgien 161,431 -449 - in Kroatien 1093-1098 - in Mosambik 1119 - in Polen 79-83,275-404 - in Portugal 1120-1125 - in Puerto Rico 1125-1130 - in Rumänien 62-65,231-262 - in Sambia 1130-1135 - in Zentralafrika 1144-1150 - ist missionarisch 1043,1046 £ - Jesus Christus und die 10,251, 500 £ - junge 363 - Kampf gegen die 316 - katholische 61-65, 231,259 £, 433-449, 597, 724 £, 729 £ - katholische K. u. Lutherischer Weltbund 151 £, 982-984, 993 £, 1309-1343 - katholische Ostkirchen 507, 525 £, 724 £, 916 - Kongregation für die Orientalischen 755-757 - Laien und 208,938-940,1098-1103 - Lehramt der 284, 540,1340 - Lehre der 94,100-102, 609 £, 689,1035,1087,1186 £ - leistet Beitrag zur Gesamtentwicklung einer Nation 82 - lutherische 1310 - Maria Mutter der 6,36, 55, 58, 83, 87,103,106,158,161,226,271, 286 £, 360,428, 690, 698, 954, 1011,1275 £ - Missionstätigkeit der 1043, 1046 £ - Morallehre der 609 £, 812 - Mysterium der 986-988 1385 REGISTER - orientalisch-katholische 507 - orthodoxe 45 f., 61-65,259 f., 433-449, 597, 724 f., 729 f. - Petrus u. Paulus als Säulen der 86 - prophetische Rolle der 1145 f. - römisch-katholische 1310 - rumänisch-orthodoxe 232-262 - Schwierigkeiten der 192 - Sendung der 5 f., 52,103, 322, 334,338,419 f., 473, 551-565, 716, 867 f., 898 f., 1016,1233 f. - Solidarität der 102,224 - Solidarität unter den 915 f. - Soziallehre der 150,177,439-443, 508 f., 540 f., 548 f., 553 f., 792 f., 799-802, 871-873, 923-925,1016, 1059,1066, 1089,1138,1148 - Spaltungen innerhalb der 313, 1312 f. - Treue zur 315 - und Arme 471, 544 f., 800 f., 1138 - und jüdische Liturgie 56 f. - und Kranke 198 f. - und Kultur 355 f., 445 - und Kunst 269-271,663-678 - und Medien 609,718-720,730 - und Mensch 375 f. - und nichtchristl. Religionen 51-53 - und Staat 214,420,516,848-851, 1097 f., 1108-1113,1217 - und Vereinte Nationen 195 - und Welt 1086 - und Weltreligionen 67-69 - und Wissenschaft 82,298-302 - Unterdrückung der 251 - unterstützt demokratischen Integrationsprozess 65 - Verantwortung für die 315 - Verfolgung der 244, 256,382,422 - Vergebungsbitte der 115-118 - Verkündigung durch die 82,192, 689 f. - Versöhnung geschieht in der Gemeinschaft der 127 f. - Wege der K. in das 3. Jahrtausend 103 - Wiederaufbau der 1140-1144 - Zukunft der 204,276,383 f. Kirchengeschichte 116, 570, 763, 1158 - erste Jahrhunderte der 86 f. - in Amerika 207 - in Asien 884-887 - in Polen 79-83,275-404 Klausurschwester(n) 163 Klerus 268-271 - Kleriker verschiedener Herkunft 1117 - Kongregation für den 54, 985 - St. Matthäus - Haus für den 410-412 - Weiterbildung des 1046-1050 Klonen - Erklärung gegen das K. von Menschen 15 f. Kloster - Karmeliterk. 407 f. - Klarissenk. in Stary-Sacz 388-393 - Leben im 779-783 - von Montecassino 780 Klugheit 1088 Kodex - des Kanonischen Rechts (CIC) 1189 Komitee - Informations- u. Initiativk. für den Frieden (COMIN) 610 Kommission - der rumänisch-orthodoxen und griechisch-katholischen Kirche 243 - Katholisch-Anglikanische 1338 f. 1386 REGISTER Kommunikation - interpersonale 130 - Sozialk. 803 f., 942 f. - spiritueller Angelegenheiten 1172 Kommunikationsmittel - Päpstl. Rat für die Sozialen 608-610 - soziale 804, 931 £, 942 f., 1019 f., 1267 f. Kommunismus 63,233 f., 238, 258, 262 Konferenz(en) - 14. Internat. K. über „Wirtschaft u. Gesundheit“ 957-960 - 3. Ministerk. der Welthandelsorganisation 1344-1348 - 30. K. der Emährungs- u. Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) 955-957 - Friedensk. in Madrid 1300 - Internat. K. über Bevölkerung u. Entwicklung (Kairo 1994) 62, 1285-1288 - von Genf 1344 - von Singapur 1344 Konfession(en) - Bruderchristen anderer 82 - Christen aller 10 - Einigung der K. Rumäniens 63 Konflikt(e) - arabisch-israelischer 1296 - bewaffnete 455 - ethnische 478, 686 f. - zwischen Äthiopien u. Eritrea 700 f. - zwischen einer Kultur des Lebens u. einer des Todes 216 Kongregation - der Schwestern von der hl. Jungfrau u. Märtyrin Katharina 357 f. - der „Piccole Suore Missionarie della Carita“ 717 f. - für den Klerus 54, 985 - für die Bischöfe 745-748,1181-1184 - für die Evangelisierung der Völker 68,147 f, 1181-1184 - für die Glaubenslehre 69, 745-748, 1185-1188 - für die Institute geweihten Lebens u. die Gesellschaften apostolischen Lebens 163 - für die Orientalischen Kirchen 755-757 Kongress - 1. Internat. K. der „Jugend nach Assisi“ 796 f. - 4. Internat. Vorbereitungsk. auf das Große Jubiläum 2000 751-754 - 7. K. der Internat. Vereinigung für gynäkologische Krebserkrankungen 811-814 - Internat. Historikerk. über Jan Hus 989-991 - Internat. Missionarisch-Missiologischer 147 f. - über „Familie u. Integration von Behinderten im Kinder- u. Jugendalter“ 973-976 - über Hunger und Kinder 174 - über „Kirchl. Bewegungen u. neue Gemeinschaften in pastoraler Sorge der Bischöfe“ 71 f. - XX. Internat. Mariologisch-Marianischer 89 1387 REGISTER Konkupiszenz - in den lutherischen Bekenntnisschriften 1329-1331 - nach katholischem Verständnis 1329-1331 Konsumismus 209, 548,1126 f. Kontemplation 69, 99,163, 358, 407 f., 517 f., 717 f., 759, 843, 1124, 1165 Kontinent(e) - der Hoffnung (Amerika) 196 - großer religiöser Traditionen u. alter Zivilisationen 421-424 Konzentrationslager - Auschwitz-Birkenau 837 - Dachau 80, 294 f., 368 - Festung VII 305 - Sachsenhausen 287 - Stutthof 280 Konzil(ien) - 4. K. im Lateran (1215 n. Chr.) 60 - von Trient (1545 n. Chr.) 340 f., 358, 1309,1319, 1328, 1337 Korruption 195, 197, 208 f., 456, 512, 542 f., 546 Kranke(n) 202,221 f., 226, 272 f., 727 - Aids-K. 929 - als Zeugen Christi 200,273 - Berufung der 200 - Botschaft an die 198-201,588 - Gebet für 140, 221 f. - Kirche und 198 f. - Leben der Schwerstk. 600-604 - selbstloser Dienst an 198, 272 f., 358,584-587,811-814, 929 - unheilbar 548 f., 812-814 - Welttag der 584-587 - wirksame u. zugängliche Therapieformen für 813 f., 957 Krankendienst - Päpstl. Rat für die Pastoral im 198-201,957-960 Krankenhaus - als Mittelpunkt der Barmherzigkeit 272 f. Krankheit 14, 66, 198-201, 219, 974 - der neuen Seligen 617 - des Papstes 14 - Erbkrankheiten 173 - psychische Erkrankung 140 Kreditwucher 49 f. Kreuz(es) 1021 f. - Annahme des K. Christi 31 f. - Auferstehung offenbart den Wert des 31 f. - der Weltjugendtage 31 f., 266, 615 - Geheimnis des 127, 730-732 - Jesu Christi 21,30-33,105,199, 316,423,649, 730-732, - Kreuzesopfer 318,656-660,698 - Sinn des 39 f., 199 - Verehrung des 31 f., 40 £, 316 - Zeichen der Hoffnung u. Liebe 21, 30-32 - Zeichen der Liebe Christi u. des Vaters 21, 30 Kreuzweg(s) - Abschluss des 658-660 - Gebet zu Beginn des K. (Karfreitag) 658 - Teilnahme des Menschen am 105 Krieg(es) 66, 118, 208, 382 f., 460 £, 707 £, 1306 - Bosnien-Herzegowina 1009 £ - Bruderk. in Angola 110 - Dialog statt 46, 70, 79, 182,461, 648, 685-687, 700 £, 930 £, 1290 £ - Expansionskrieg 197 1388 REGISTER - im Kosovo 42,53,306,478,487, 711,1290 - in Afrika 53,478,1290 - in Jugoslawien 50,58 f., 79, 648 - Opfer des 70 f., 306, 700 f. - zwischen Äthiopien und Eritrea 138, 700 f. Krippe(n) 180 - volkstümlicher Ausdruck der Erwartung 174 Künstler - Brief an die 269,663-678,691, 988 - Genie des 691 f. Kultstätten 761-769 Kultur(en) 414 - alte K. Amerikas 196 - alte K. Indiens 159 f. - asiatische 68 - Bildung und 367-372 - christliche 325,773 - der Liebe 138,175-178,575,797, 802, 994 - der Menschenrechte 15 f., 461 f. - der Solidarität 66, 144, 540, 975, 1273 f. - des Dialogs 861 £, 1010 - des Friedens 3, 461, 477 f., 969 f. - des Lebens 18,24,216,455,735, 1022,1079 - des Todes 24,176-178, 208 £, 216, 547 £, 598 f., 602, 928-931 - Dialog zwischen verschiedenen 445, 574, 961 - Evangelium und 566-569,1039 f., 1129 - gottfeme 1129, 1212 - Herausforderungen der 130 - Medien in der heutigen 719 f. - Neuevangelisierung der 485 - nihilistische 176 - Päpstl. Rat für die 482-484,960-963, 969-971 - Rumänien als Brücke zwischen verschiedenen 65,235, 248,250-255 - und Glaube 443-446,482, 807 £, 969 £, 1045, 1217 £ - und Kirche 355 £, 445 - und Wissenschaft 301,484-487, 807 £ - Veränderungen in der 1207 £ Kulturerbe - christliches 19,207,259 £, 387, 486, 562,1197-1278 Kulturpastoral 1068,1129, 1267 £ Kulturschätze 484-487 Kunst - als Weg zur Transzendenz 690-692 - der Sixtinischen Kapelle 986-988 - Glaube und 988 - Kirche und 269-271,663-678 - sakrale 988 Kunstschätze 484-487, 690-692 Kurie - Organe der Römischen 1279-1284 - Römische 604 £, 991-995 Laie(n) 268-271, 531-533, 551 £, 593, 725-728, 938-940,1033,1091, 1101,1106 £, 1109,1128,1134 £, 1148 - als Zeichen der Barmherzigkeit Gottes 1148 - Apostolat der 314 £, 605-608, 1107 - Aufgaben der 336 £, 532 £, 938-940, 1083 - Auftrag der 1080-1083 - Ausbildung der 64 £, 939, 1038, 1043,1047,1148, 1269 £ 1389 REGISTER - Berufung der 532 f., 1082 f. - Engagement der 325,1066 - Evangelisierungsauftrag der 1057 f. - katholische 336 f. - Päpstl. R. fiir die Laien 71 f., 815 f. - Priester und 1080 f., 1091,1107, 1245 f. - Sendung der 314 f., 1080-1083 - und Kirche 208,938-940,1098-1103 - Verantwortung der L. in der Gesellschaft 392 f„ 532 f., 1098-1103 - Vorbereitung der L. auf das Große Jubiläum 605-608 - Weiterbildung der 1046-1050 - Zeugnis der 177,411 Laienapostolat(s) - Vereinigungen des 223 f. Laienmissionare 1148 Laienverbände 786-788 Land/Länder - ärmste 1344-1348 - Ungleichgewicht zwischen reichen u. armen 614, 620-624, 931-933, 955-960, 1292-1294, 1344-1348 Landbevölkerung 158 Landflucht 510 f. Landminen - Opfer der 461,1303 Landwirtschaft 158 f., 354 - Handel in der 1346 Leben(s) 17,87, 815 f. - Achtung vor dem 176,197,201-205, 353 - als Dienst 35 - als Kinder Gottes 132 - aus dem Glauben 392 - Berufung des 1165 - christliches 30, 103-106,124,208, 226, 315,324,330, 340-344, 515, 605-608, 698, 741, 906-910 - der Herbst des 819 - der Sterbenden u. Schwerstkranken 600-604 - Dialog des 1118,1139 - Entfaltung des sakramentalen 661 f. - Erneuerung des 1316 - Evangelium als Norm des 210 - Evangelium vom 17,192,225, 549, 578, 598 £, 928, 1087 - ewiges 32-34, 54, 75, 137, 153 f., 280,289 £, 384 £, 816, 1319, 1330 - Geheimnis des 31 £ - Geschenk des 15 £, 586, 829, 928, 973-976 - gesicherte Lebensumstände 15 £ - geweihtes 530 f, 575-577, 693-696, 936-938, 1014,1037,1049, 1060 f, 1073, 1100, 1133, 1136, 1147 - Gott Vater Ursprung u. Quelle des 6, 97 - Hingabe des 54, 134, 141,143, 146,148,275-281,287,294 £, 323, 359, 380 £, 419, 515, 723, 770-772 - in Fülle haben 427, 874-946, 1121,1341 - in Gehorsam 780 f. - in Mut und Demut 863-865 - internationales 195 - kontemplatives 163, 1037 f. - Kultur des 18,24,216,455,735, 1022,1079 - Leben ohne Gott 97 £ - menschliches 68, 81, 225, 811 £ - monastisches 779-783 - neues 1341 1390 REGISTER - Recht/Grandrecht auf 62,181 f., 192,203, 321-327, 368 f., 455, 599, 652, 1059, 1285-1288 - Schutz für geborenes u. ungeborenes 181-183,321-327, 349-354, 733-735, 812 f., 963 f., 1033 f., 1195-1197 - sich Gott zuwenden bedeutet 43-45 - Sinn des 31,49, 118 f., 456, 536, 642-648, 1069-1074 - spirituelles 1158 - Tag für das 15 f., 578 - Unantastbarkeit des menschlichen 56,192, 205,219,225,229, 547-549, 599-604, 733-735, 811-814, 820, 963 f., 1195-1197 - unsterbliches 20 - Verlängerung des 814 f. - Verteidigung/Schutz des 18,56, 119,192,197,229,326,353, 598-604, 812 f. - Weitergabe des 168 f., 490 f. - Zeugnis des eigenen 212 Lebensalter - fortschreitendes 95 f. Lehramt - der Kirche 284,540,1181-1184 - päpstliches 485 - Wort Gottes u. L. der Kirche 1340 - zur Herz-Jesu-Verehrung 328 Lehrauftrag - der Bischöfe 5 f., 935 f., 1023-1029,1063 Lehre(n) - christl. Dreifaltigkeitsl. 60 - christl. L. über die Armut 151, 311 f. - der kath. Kirche über die Homosexualität 1185-1188 - der Kirche 94,100-102, 609 £, 689,1035,1087, 1186 f., 1319 - der lutherischen Kirchen 1319 f. - der Offenbarung 569 - des Evangeliums 66 - des Zweiten Vatikan. Konzils 115 f., 341,418-420, 626, 688, 1016 - Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts 1333 - Morall. 609 f. - Quetzalcoatls 207 - thomistische 566 f. - Treue zur katholischen 324 - über das Sakrament der Buße/ Versöhnung 125 f. - von der Rechtfertigung 151, 1309-1343 Lehrer 458 - Aufgabe der 370-372 Lehrschreiben - Verbi Sponsa 163 Leib(es) Christi - Aufbau des 270 - Gläubige vereint im 102 - Hl. Geistund 897 f. - Kirche als 257,315,1016,1081 Leid/Leiden(s) 4,17, 37,118 - als Strafe (AT) 107 f. - durch Krieg und Gewalt 42 - für die Wahrheit 63 - im Heilswerk des Erlösers 198 - in Jugoslawien 245 f. - Jesu Christi 39-41,127 £, 198, 202,364, 592, 648-650, 658-660 - körperliche u. seelische 5,198 - Leidensweg 305 - Mysterium des 199 £ - Sinn menschlichen 198,202, 272 £, 403 £, 586 £, 601 - Solidarität mit der Welt des 68 - wegen des Evangeliums 115 1391 REGISTER Licht - Christen als L. der Welt 17,203, 218-221, 315 - der Ewigkeit 105 - in der Finsternis 41, 203 f., 329, 426,472,474 - Jesus Christus ist das L. der Welt 5,14 f., 105,179,203 f., 210,219, 309, 329, 372,423-427,472,474, 577 - Jugendliche als L. der Welt 220 f. Lichtmess 14 f. Liebe 17,23 f., 119,220,422 f., 657, 754-756,1261-1264,1304 f., 1316,1318 - als das Band, das alles zusammen hält 101 f. - als erste Gabe des Geistes 61, 145 f., 299 f„ - als größte der theologalen Tugenden 23, 91 f., 135-138, 140-142, 144-147, 317-321, 571, 584-587, 750 - Berufung als Dialog der 698 - Botschaft der 176 f., 277 - christliche 68,141 - das doppeltes Gesicht der 23, 66, 138, 140-147, 322, 571, 584, 750 - eheliche 489-492,579,789-793, 1067,1128 - Erkenntnis und 137 f. - Evangelium von der 55, 79,225 - Gebot der 40,44 f., 66,82,136, 138,140-143, 145-147,317-321, 470, 721-723 - Glaube und 587, 774 - Gottes/Gott ist die 6,12, 30, 36-38,43-45, 79-83, 91 f., 121,124, 135-138, 140 f, 145, 171, 175, 184, 222-226, 252, 265, 275-277, 288, 299 f., 312-316,320-327, 330 f., 343, 384-388,427,429,465-472, 474, 571, 584, 590, 642-648, 655, 715-717, 1031,1153 f., 1162 - Hohelied der L. (1 Kor 13) 140, 146 - im Geist der 61 - in der Lehre der HL Schrift 145-151 - ist die Erfüllung des Gesetzes 322 - Jesu Christi 21,288,318,328, 365, 642-648 - Kultur der 138,175-178,575, 797, 802, 994 - Mensch sucht die 279 - Mysterium der 467,1031 - pastorale 1064 - Sieg der 105 - universale 856 - Werke der 61,1318 - Zeugnis der 366 - Zivilisation der 66,118, 175-178, 280, 310, 329, 348, 500 f., 584 f., 630, 687,723, 861, 871,914 f., 923 f., 1045, 1072 - zu den Armen 148-151,926-928 - zu Gott 23, 66, 138, 140-142, 280, 289,360 f., 388-393,465-470, 571, 584, 722 f. - zum Vaterland 70 f., 370-372, 414 f. - zur Wahrheit 320 Litanei - zum Heiligsten Herzen Jesu 287 f. Liturgie 906 f., 1052,1078,1106, 1258-1261 - als Stätte der Begegnung mit Christus 503 f. - der Aschenweihe 19 f. - des Heiligsten Herz Jesu 289 - Erneuerung liturgischer Feiern 1124,1205 f. - Göttliche L. im Byzantinischen Ritus 246-250,252,259 1392 REGISTER - Kirche und jüdische 56 f. - kontemplative Dimension der 1061 - zum Hochfest der Apostel Petrus u. Paulus 86 Lobpreis - Gottes 82, 227, 229,239,255-258,264, 351, 355-361, 373, 377-384,402, 654 f., 1164 Luftfahrt - L.seelsorge 361 f. Lutheraner - und Katholiken 949 f., 982-984, 993 f., 1309-1343 Lutherischer Weltbund - katholische Kirche und 151 f., 982-984, 993 £, 1309-1343 Macht - als Dienst 229 - der Sünde 1329-1331 - Jesu über Dämonen 111 Märtyrer 28, 63,161,205,244, 248 £, 254, 262, 266 £, 282, 287, 313 £, 616, 715, 943 £, 979, 983, 1274 £ - als Vorbilder 296 - des Zweiten Weltkriegs 355-359, 395 - Gebet für die 249 £ - Gräber der 249 £, 1080 - M.tod der Apostel Petrus und Paulus 86 - Messe der 80 - Reliquien der 312-316 - vonAbitana 1124 Magnifikat 229, 349 £, 360 £, 784-786, 1165 Mann - und Frau 163-166,168 £, 220, 535, 579,742 £, 789-793, 1067, 1128 Maria/Mariens 89 - als lebendiges Heiligtum 1178-1180 - als Leitstern der Evangelisierung 103, 148, 157,191,205 £, 226, 501 £, 557, 759 - als Mitarbeiterin am Erlösungswerk 286, 344 £, 396 £ - als Tempel Gottes 1179 - als Vorbild 17,165,167,172, 178 £, 286 £, 399 £, 471,732 - Aufnahme M. in den Himmel 84, 106 £, 286 £, 784-786 - Bitte um M. Schutz 54 £, 81, 87, 193 £, 205 £, 260,263 £, 268, 416 £, 778 - Eltern 95 £ - erfüllt mit der Gnade Gottes 106, 172 £, 784, 1165 - fiat/Ja/Gehorsam 3,135,167,172, 178,286 £, 471, 784 - Fürsorge anvertrauen 66 £, 83, 143,193,428,471, 599, 690, 750 - Fürsprache/Fürbitte 4 £, 7,10, 14, 19,46, 54 £, 59, 72, 79,107,119, 135,139,152,163,179,193 £, 206,245 £, 292 £, 502, 557, 778 £, 982,1045 - Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit und 89,293 - Gnadenbild der Muttergottes (Krönung) 263 £, 377, 394-399 - Gottesmutter/Theotokos 3, 50, 106,165, 167,229,286 £, 293, 354, 360, 388, 396 £, 464, 599, 698, 750, 757, 950 £, 1119 - Heimsuchung 732 £ 1393 REGISTER - Himmelskönigin 106 f., 110, 153 f., 162 f. - Hochfest der Gottesmutter 463-465 - im Abendmahlssaal 71, 261 f. - Jungfrau 3, 167, 286 f., 690, 951 - Königin der Apostel (des Friedens...) 6,36,50,59,81,113, 119,124, 135, 153 f., 193,264, 268,271,412,1045 - Magnifikat 229, 349 f., 360 f., 784-786, 1165 - Maimonat als Marienmonat 59 - Marieng. (Rosenkranz ...) 28,58, 135,139 f., 263 f., 416 f., 945 f., 981 f. - mit M. im Gebet verharren 72 - Mutter der Barmherzigkeit 407 f. - Mutter der Hoffnung 163 - Mutter der Kirche 6, 36, 55, 58, 83, 87, 103,106, 158, 161, 226, 271, 286 f., 360,428, 690, 698, 954, 1011, 1275 f. - Mutter der Menschen 107,119, 286 f., 471, 750,1011 - Rumänien der „Garten M.“ 65, 234 - Sedes Sapientiae 954 - spendet Trost u. Hoffnung 107, 154 - steht unterm Kreuz 41 - Typus der Kirche 1171 - U. Lb. Frau von der göttl. Vorsehung 1130 - Unbefleckte Empfängnis Immaculata 84, 172f., 981 f., - Unbeflecktes Herz der Seligen Jungfrau 81, 344-349 - und Elisabet 291-293, 349 f. - und Simeon 576 f. - voll der Gnade 106, 172 f., 291, 504, 784, 1165 - Weihe an 81 - zeigt u. begleitet den Weg der Menschen 106, 172, 348 f„ 399 f., 778 - Zeugin Gottes 41,286 f. - zu Jesus durch 50,292 f., 501 f. Marianerpatres 292 Marienfrömmigkeit 191,292,377, 843,1180 Marienheiligtum(-tümer) 1178-1180 - Bombardierung eines M. in Sri Lanka 167 f. - als Oase des Geistes 107 - in Lichen 81,291-293 - in Slowenien 416 f. - Krönung d. Marienbildes in der Basilika v. Wadowice 394-399 - Madonna vom Tor der Morgenröte 308 - Santuario del Divino Amore (in Rom) 89,776-779 - U. Lb. Frau vom Berge Karmel 395 - U. Lb. Frau von Guadalupe (Schwarze Madonna von Tepeyac) 189,19110,13 f., 16-18, 187,189-191, 193,198, 205 f., 214,224, 502, 557, 565 - U. Lb. Frau von Harissa 584 - U. Lb. Frau von Madhu 167 - von der immerwährenden Hilfe in Jaworzno (Krönung d. Marienbildes) 377 - von Tschenstochau 79,81,89, 399 f. - von Yamoussoukro 1045 f. Marienverehrung 50, 58, 81, 84 f., 89,107, 191, 263 f., 292, 345, 394-400, 776-779 - der Muslime 59 f. - der neuen Heiligen 162 f. - der neuen Seligen 135,416, 843 1394 REGISTER - des Papstes 81,394-400 - des Volkes 84 f., 89 Martyrium 296 f. - Adalberts 80, 275 f., 291 - als größtes Glaubenszeugnis 114 f., 293-298, 515, 618 f., 770-772, 964-967,1274 f. - als höchste, radikale Prüfung 293-298 - der Priester u. Märtyrer 282 Martyrologium 295 f. Massenmedien 1267 f. - Evangelisierung der 1019 f. - Evangelisierung durch 559 f., 804, 942 f. - moderne 1019 f. Materialismus 548,1306 Medien 462, 882, 942 f. - Beitrag der M. zum Jubiläumsjahr 2000 608-610 - Dialog mit den 805 - Ethik in den 805 f. - in der heutigen Kultur 719 f. - Kirche und 609,718-720,730 Meditation - christliche 69 - über die Heilsgeschichte 84 Mensch(en) 31 f. - Achtung vor dem 3 f., 59, 306, 369, 805, 822-829 - afrikanischer Abstammung 215 f. - als beziehungsfähiges Wesen 164 - als Kind Gottes 199, 304, 384 f., 544, 693-696 - als Mittelpunkt jedes Entwicklungsprogramms 62 - als Person 15 f., 195, 453-463483 - als Zentrum aller ziviler u. sozialer Ordnung 195 - alte Menschen 15, 95 f., 548 f., 814-829 - Autonomie des 48 - Barmherzigkeit der M. untereinander 121 - bedarf Gerechtigkeit Gottes 1311 f. - Berufung des 136,199,280, 368, 427,483, 693 f. - Bestimmung des 482 - Entfaltung des 1145 - findet Frieden 303-307 - Freiheit des 97,105,109,203, 347,430,491 f. - gegen seinen Schöpfer 111-114, 679 - geschaffen nach dem Abbild Gottes 4,47, 68, 76,163-166, 176-178, 195,206,269,279,289 f., 310, 333,351,369, 374,422 £, 453, 462, 535, 544, 925, 970 - Gewalt gegen 18, 58 £, 454 - Gott und 7-9,20,38,43,47-49, 59-61, 96-98,100-102, 104, 112, 114,119-123,125,127 £, 135-138, 172 f, 184,190 £, 198-201,222-226,279,288 £, 344-349, 374 f, 384-388,439-443,463,466,474, 606 f., 693-696, 718-720, 758 f. - Grundrechte des 62,455 - Handelndes 1319,1330 - Heil des 846 - Heiligkeit des 703 f. - Heilsweg des 14 £, 104,179 - Identität des 164 - Jesus Christus und 27, 504 - Kirche und 375 £ - Klonen von 15 £ - Maria als Mutter der 107,119, 286 £, 471,750,1011 - Maria zeigt u. begleitet den Weg der 106,172 £, 348 £, 399 £, 778 1395 REGISTER - nach seiner Nützlichkeit bewerten 95 f. - Schöpfung dem M. anvertraut 302, 374,405,513,622-624 - Selbstverwirklichung des 416 f., 753 - sucht die Liebe 279 - Sünde des 37,40 f., 643 - Taufe erhebt den M. zum Adoptivkind Gottes 6 - Teilnahme des M. am Kreuzweg 105 - Teilnahme des M. an der Auferstehung 105 - und Arbeit 373-377,611-614 - Unsterblichkeit des 76 f. - Verantwortung des 643,1319 - Vollkommenheit des 100-102, 105 - Wahrheit über den 891 f., 1086 - Was ist der Mensch? 6 f., 329, 567 - Würde des 4,15 f., 56, 61 f., 163 f., 176,178,187,194 f., 197, 199,210, 225,276, 333, 376, 422 f., 453-463, 542-545, 599, 620-624, 686 f., 689 f., 700 £, 801, 872, 925, 956 f., 1086 f., 1144-1150, 1285-1288,1303-1306 Menschenrecht(e) 373-377,610, 802 f„ 818, 872, 1010, 1347 - Achtung der 3 f., 160, 193 f., 245 f., 334,423,453-463, 509, 620-624, 651-653,710 - Allgemeine Erkärang der M. (10. Dez. 1948) 3, 160,181 f., 195, 208,263 f., 454,456,464, 651-653, 818, 925, 956 - Fundament der 543-545 - Kultur der 15 f., 461 f. - Schutz der 457 - Universalität der 454 f. - Unteilbarkeit der 453 f. - Verletzung der 117,123 £, 453-463 - Verteidigung der 610 - zwei Kategorien der 454 f. Menschheit - auf dem Weg zum Vater 72-74 - Berufung der 153 - Dienst an der 110, 211 f., 752 - Geschichte der 41 f., 190 f., 207, 229,453,1002-1004,1085,1121 f. - Heilsplan Gottes für die ganze 55-57, 229 - Herausforderung für die Gegenwart u. Zukunft der 18 - integrale Entwicklung der 194 - versöhnte 57 Menschheitsfamilie 121,1085 - Aufbau einer neuen 59 : - Einheit der 5 - zum Wohl der 429 Menschlichkeit 20 - Verbrechen gegen die 457 Menschwerdung - des Wortes 25, 85, 176 f., 183, 255, 329,466,1002-1004 - Geheimnis der 166 £, 173 f., 176 £, 179 £, 283, 329, 331, 351, 396, 466, 731 £, 763 f., 891 £, 950 f. - Geschenk der 184,381 - Jesu Christi/Gottes 25 f., 105, 180, 209 £, 222, 225,283, 350, 396, 514, 576, 763 £, 791 £, 891 £, 981, 996 £, 1000, 1002-1004, 1121 £ Mentalitätswandel 195 £, 748-750 Messe(n) - Besuch der Sonntagsm. 218 - Chrisamm. 40 - der Märtyrer 80 - Konzelebration der 160 - zweigleisiger Rythmus der 1124£ 1396 REGISTER Messias 90-94,109 f., 250 f., 650, 951 - Wegbereiter des 171, 349 f. Migration 163,569-575 Missbrauch - sexueller 219,1303 Mission(s) 5 f., 19, 266 f., 714-716, 910-923,1041,1126,1148 - „ad gentes“ 561-563,1234,1243 - Auftrag zur 143 f. - des hl. Adalbert 278 - Gemeinschaft und 910-912 - Missionsreisen des Paulus 771 - Päpstl. Palästina-M. (50. Jahrfeier) 1295-1302 - Sendung zur 143 f. - Stadtm. in Rom 71 f., 578, 581, 593-596, 635,725-728, 869, 999 Missionar(e) 1042,1117,1135-1139 - „ad gentes“ 148 - der Liebe Gottes 467 f. - des Evangeliums 147 - Franziskanerm. 203 - Heiligkeit der 858 - Laienm. 1148 Missionarinnen d. Nächstenliebe - Mord an Sr. Maria Aloysius 206 - Mutter Teresa 118 Missionstätigkeit - der Kirche 1043,1046 f. Missionswerke - Päpstliche 714-716, 859 f. Missverständnis(se) - überwinden 69 Mitmenschlichkeit 55 Mönchtum 249, 254, 406, 781 f. Monotheismus - im AT 51 f. - trinitarischer M. des Christentums 60 Morallehre - der Kirche 609 f., 812 Mord - an Priestern, Ordensfrauen 1290 - an Sr. Maria Aloysius 206 - Völkermord 457 Motu proprio - Ad tuendam fidem 1035 - Apostolos Suos 1181-1184 - Domini et Salvatoris (Leo XIIL) 1295 Muslime(n) 196,215, 700 f. - Marienverehrung der 59 f. - und Christen 32,52,59-61,113, 1044 f., 1138 f., 1153 f. Mutterschaft 578-580, 742-744, 790 f. - als Geschenk u. Verpflichtung 15 f. - Berufung zur 15 f. - Gottes 12,121 f. Mysterien 84 f. Mysterium 1158 - christlichen Hirtentums 1081 f. - christliches 482 - der Kirche 986-988 - der Liebe 467,1031 - des gekreuzigten u. auferstandenen Sohnes 52,104,199 - des Leidens 199 f. - göttliches 52 - siehe auch: Geheimnis Mystik 69 Nachfolge - Berufungen zur 500 - im Priesteramt 220 - Jesu Christi 17,22, 39, 111,114 f., 150,199 f., 204, 217-221,296 - praktizierte 721-723 1397 REGISTER Nachricht - die Gute N. siehe: Evangelium Nächstenliebe/Bruderliebe 23,49, 58, 94,126,135-138,142, 144-147, 178,280, 319, 328, 360 f., 515, 550, 584-587, 603, 627 £, 721-723, 726, 748-750, 754 f., 966, 980, 1162,1261-1264, 1295 - christliche 388-393,422 f., 974 - christologische Bedeutung der 146 - Gebot der 289,470, 571 f. - Kongregation der „Piccole Suore Missionarie della Caritä“ 717 f. - Tag der 65-67 - umsetzen in konkretes Handeln 154-157, 380, 682-685,705 f. - Vorbild der 80 Nation(en) - braucht friedliebende Menschen 306 - eine große mexikanische 189 - rumänische 65,231-262 - slowenische 414 f. - Teilnahme aus verschiedenen 54 - tief geprägt vom Christentum 401 - Vereinte N. siehe: UNO - Wandel der polnischen 280,333-339 Nationalismus 1271 f. Natur - Autonomie der 48 - N.katastrophen 66,159,179,409, 600 Neoliberalismus 542 f. Neuevangelisierung 54,112 f., 158, 176, 178, 210, 242, 266, 649, 692, 725 £, 740 £, 746, 918 £, 1025 £, 1044,1056-1058,1060,1083, 1090,1094-1098,1105 - Amerikas 10,13 £, 16-18,187, 214, 224 £, 228, 493-565, 1075 - der Großstädte 1075-1077 - der Kultur 485 - Europas 19, 139,148,416, 1201 £, 1213 £, 1248-1253 - Heiligtum als Möglichkeit zur 1167-1169 - Herausforderungen der 72, 315 £., 635 £ - in Polen 275-404 - Kanadas 1082 - pastorale Aufgaben der 1125-1130 - Sloweniens 419 £ Nonne(n) - Klarissen-N. 80 - siehe auch: Ordensfrauen/Ordensgemeinschaft Norm(en) - ethische u. rechtliche 931 £ Not - lindem/bekämpfen 66 Obdachlose(n) 15,110,219 Ökologie 1347 Ökumene 62-65, 82, 85,131,151 £, 158,162,255-258, 319 f.,414, 505, 537 £, 585, 597, 637-642, 724 £, 760 £, 771-776, 949 £, 967 £, 976, 993 £, 1143,1253-1257,1309-1343 - Dekret über den Ökumenismus 1343 - im Geist der Wahrheit u. der Freiheit 246-250 - ökumenische Berufung 261 £ Ökumenisches Patriarchat(s) - von Konstantinopel 85 Offenbarung - christliche 791 - das Buch der 10, 73, 77, 153 £, 784 £ - der erbarmenden Liebe 39 £ 1398 REGISTER - des Gottesreiches 749 f. - des Gottessohnes 498-504,986 f. - des trinitarischen Geheimnisses 29-31,190 f., 786-793 - gehorsames Hören der 1158 f. - Gottes 7-9,25,37,47,51,56,60, 69, 75,104 f., 120-123,176,299 f., 385 f., 474, 631, 693 f., 731 - Lehre der 569 - Übereinstimmung biblischer Offenbarungstexte 60 - Wahrheit der 284,1087 Okzident - und Orient 254,261 f., 951 Opfer - der Gewalt 23 f., 32,113,134, 263 f„ 273,1012 - der Kriege 70 f., 306, 700 f. - der Landminen 461,1303 - der Verfolgung 63,245 f., 259 f. - des Erdbebens 15,110,130,159 - des Holocaust 339 - des Straßenverkehrs 159 - des Zweiten Weltkrieges 117, 279 f. - Gebet für O. von Naturkatastrophen 130,159,407 - Jesu Christi 30 f., 40 f., 736 - Kinder O. bewaffneter Konflikte 1305 - Kreuzesopfer 318,656-660,698 - mit dem O. des Lebens 115, 282, 314 Opfertod - Jesu Christi 30 f., 40 f., 142, 656-660, 679, 736 Ordens ffau(en)/Ordensschwester(n) 530 f., 786-788, 1065, 1100, 1116, 1136 - Franziskanerinnen von der christlichen Liebe 863-865 - Karmel „Mater Misericordiae“ 407 f. - Katharinenschwestem 92,287 - Klarissen-Nonnen 80 - Klausurschwestem 163 - Schwestern von Nazaret in der Straße des 3. Mai 395 Ordensgemeinschaft(en) 223 f., 1148 - der „Piccole Suore Missionarie della Caritä“ 717 f. - der Augustiner-Rekollekten 28 - der Benediktiner 406,779-783 - der Dienerinnen Mariens von Galeazza 843 - der Franziskaner 844 - der Heiligsten Dreifaltigkeit (Trinitarische Familie) 786-788 - der Kapuziner 703-709, 845 - der Pallotinerpatres in Kopiec 395 - der Paulinerpatres (Tschenstochau) 399 f. - der Salvatorianer 634 f. - der Unbeschuhten Karmeliterpatres von Görka (Wadowice) 395 - Ritterorden vom Hospital des hl. Johannes zu Jerusalem 754 f. Ordensleben 530 f., 1060 f. - benediktinisches O. (ora et labora) 406 - Berufung zum 54,208,211, 325, 527 f., 693-696, 866 f., 1095 £, 1116 Ordensleute(n) 241 f., 268-271,408, 530 f., 708 f., 725-728, 936-938, 1008,1054,1096,1111 f., 1128 - Verfolgung von 233 f. - Zeugnis der 1096 Ordensmänner 786-788, 1065, 1100, 1136 1399 REGISTER Ordnung - der Wahrheit (moralische O.) 288 f. - Mensch als Zentrum aller 195 - sittliche u. ethische 305 Organisation(en) - karitative u. humanitäre 65-67, 245 f. - katholische 315 f. Orient - und Okzident 254,261 f., 951 Orthodoxe(n) 10, 61 - in Georgien 161 - und Katholiken 62-65,250-255, 257,259 f., 433-449, 597, 724 f., 729 f. Ortskirche 271,324, 746 f., 927 f, 1040-1046,1103-1108,1243-1246 - Universalkirche und 1046 f., 1096 - weit verstreute internationale 1050-1055 Ostern 41 f., 255,104 f., 679-681 - Botschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi“ 306,679-681 - erfüllt sich ganz im eschatolo-gischen Reich Gottes 105 - Ostergeheimnis 20 f., 105,272, 356 f., 475, 592, 657, 660-662, 1039 f. Ostemacht - feierliche Riten der 41,661 f. Paare 1287 Päpstliche Missionswerke - siehe: Missionswerke, Päpstliche Päpstliches Institut - siehe: Institut, Päpstliches Palliativ-Medizin 600-604 Pallium(s) - als Zeichen d. Gemeinschaft mit dem Hl. Stuhl 85,771 - Ritus der Übergabe des 85-88 - Übergabe des P. an Metropolitan-Erzbischöfe 86 f., 771 Pallotinerpatres in Kopiec 395 Palmsonntag 39-41, 648-650 Papst(es) 196 - 50. Priesteijubiläum 951,1060 - als Apostel Jesu 187 - als Bischof von Rom 85, 770 f., 774 f. - als Nachfolger Petri 85-88,187, 394, 521, 753, 770 f., 849 f., 935 f., 988, 1093 - als Pilger des Evangeliums (des Friedens...) 233,236,251,275, 291, 1093 - als „Servus servorum Dei“ 110 - als sichtbares Prinzip der Einheit in Vielfalt 1226 - Anliegendes 1298 - Appell des P. zur Abschaffung der Todesstrafe 175,192 f. - Aufgabe des 109 f., 143 - Aufruf des 17,144,179,400-404, 753 f., 1293 - Begegnung zwischen dem Heiligen Synodund 433-439 - Begegnung zwischen Katholikos-Patriarch Ilia II. und 433-439 - Begegnung zwischen Patriarch Teoctist und 64, 232,250-255 - Begegnung zwischen Rektoren der polnischen Hochschulen und 298-302 - Dank für Polenreise 79-83 - Einheit mit dem Nachfolger Christi 977 f. - Exerzitien des 23 1400 REGISTER - Ferien des 405-408 - Friedensappell des 13, 27, 32, 36, 46, 53, 58 f., 70, 77,113,119,124, 134, 138, 154, 156, 167 f., 182, 245 f., 305,437, 699-701, 798, 849 f., 1295-1302 - Gebet zur Feier des Großen Jubiläums 739 - Fleimatdes 275-404 - Krankheit des 14 - Lebenserinnerung des P. in Wadowice 394-399 - Leo XIII. 567 - Marienverehrung des 81,394-400 - PastoraL/Pilgerreise des 13 f., 16-18, 62-65, 78-83,157, 159-162, 401,409-412,1093 - Paul VI. 103 - Pius IX. 687 f. - Solidarität des P. mit Bischöfen 700 f. - und die alten Menschen 815 - und die Jugendlichen 17,217-221, 370-372, 642-6-648 - und die Priester 751-754 - Wahl des 986 - Wallfahrt des P. durch Polen 401 Papstamt 64 f., 770 f., 774 f., 986-988 Parlament - polnisches 333-339 Parusie 104 Paschamysterium 39,45, 629-633 Passion - Jesu Christ 40 f., 658-660 - siehe auch: Leid(en) Pastoral - Berufungsp. 325, 527 f., 693-696, 1037,1054,1072 f., 1107 f., 1146, 1171,1268 f. - der Frauen 358 - der Kulturwelt 1068,1129, 1267 f. - Familienp. 326, 582,1055, 1090 f., 1128,1137,1171, 1265 f. - im Krankendienst 198-201,957-960 - pastorale Aufgaben 1264-1270 - Pastoralhelfer 1115 - Schulp. 64 f. - Wallfahrtsp. 759,1177 f. - siehe auch: Seelsorge Pastoralplan(-pläne) 17 - der Erzdiözese St. Louis 224 - für Slowenien 419 f. Patriarch(en) - Begegnung zwischen Katholikos-Patriarch Ilia II. und dem Papst 433-439 - Begegnung zwischen Patriarch Teoctist und dem Papst 64,232, 250-255 - Botschaft an den Obersten P. aller Armenier 772-776 - Tod von P. Karekin I. 88 Patriarchat - von Konstantinopel 760 f. Patron(e) - der Stadt Rom 85, 770-772 - Josef als P. der Kirche 35 f. - P./Mitpatrone Europas 19,406, 830-838, 841,853,993 - Schutzp. von Danzig (hl. Adalbert) 275 f. Paulinerpatres (Tschenstochau) 399 f. Perichorese 60 Person(en) - Entfaltung der menschlichen 850 - ganze menschliche 846 - homosexuelle 1188 1401 REGISTER - Menschals 15 f., 195,453-463, 483 - Rechte der 177, 509 - Transzendenz der menschlichen 516 - Verantwortung der 112-114,805 - Würde/Wert der 20,176, 195, 197, 203,210,333,453-463,543 f., 601-604, 700 f., 925,1015,1303-1306 Petrusdienst 986-988 Pfadfinder 303-307 Pfarrei/Pfarrgemeinde(en) 913 f., 1077 f., 1243-1246 - Aufnahme von Migranten 570-572 - Bildung u. Erziehung in den 1135-1139 - eine Zelle, Grundstruktur des Bistums 271 - Erneuerung der 528-530 - von Ancona 264-268,270 Pfarrkirchen - Zulassung für den Gottesdienst 1141 Pfingsten 284 - ein neues 261 f., 746 - Kommen des Hl. Geistes 71 £, 74, 250, 255, 257, 396 Pflicht(en) - der Bischöfe 1031 f. - der Erzieher 306 - des Staates 238 Pharisäer 121 Philosophie 301 - Theologie und 565-569, 731 f. „Piccole Suore Missionarie della Caritä“ (Kleine Schwestern der Nächstenliebe) 717 f. Pilger 162 f., 1169 - Papstals 233,236,251,275,291, 1099 Pilgerweg - des Weltjugendtagkreuzes 615 Pluralismus - religiöser 67 f. Politik - Erneuerung der Arbeitsp. 614 - Familienpolitik 653 - politische Situation in Rumänien 63 - Verändemngen in der 1207 f. Politiker - Verantwortung der 3 £, 124,182, 336,478, 511, 613 f„ 867 £, 931 £, 1010 Polizei - P.-Führungsakademie aus Münster 61 Predigten) - als Glaubensvermittlung 1058 £ - am Fest Fronleichnam 736-738 - am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel 784-786 - am Hochfest der hll. Apostel Petrus u. Paulus 770-772 - an Aschermittwoch 591 £ - bei der 1000-Jahrfeier der Erzdiözese Krakau 377-384 - bei der Christmette zur Eröffnung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 996 £ - bei der Einweihung der Kapelle „Redemptoris Mater“ 950 £ - bei der Einweihung des Marienheiligtums 776-779 - bei der Gedenkmesse für verstorbene Kardinäle u. Bischöfe 947 £ 1402 REGISTER - bei der Heiligsprechung 388-393, 682-685, 964-967 - bei der Priesterweihe 697 f. - bei der Seligsprechung 703-706, 842-845 - Bergpredigt 280-286,289,322, 987 - in der Ostemacht 661 f. - zur Eröffnung/zum Abschluss der 2. Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa 839-842, 851-854 Presse 803-806 Priester(s) 11,410, 683, 708, 843 £, 936,1059 f., 1100, 1147 - als Glaubenslehrer 725-728 - als Hirten 305, 323, 381 f„ 424, 698, 1014, 1080-1082, 1109 f. - als Mitarbeiter der Evangelisierung 1014 - als Zeichen der Einheit 526 f., 572 - als Zeugen J. Chr. 526 - Auftrag des 403 - Bildungsaufgabe der 594 - Bischof und 40, 241, 325, 654 f., 1007 £, 1029,1048 £, 1096,1100, 1117, 1127 - Botschaft an die 751-754 - der Diözese Roms 593-596 - Direktorium für Dienst u. Leben der 1116 - Fidei-Donum-P. 1148 - Gewalt gegen 77 - Hirtensorge der 226 - Identität des P. (alteri Christi) 751-754 - im Tschad 1135 f. - in Mosambik 1115 - Jesus und 54, 326 £, 632 f., 752 - Leitungsamt der 1147 - Martyrium der 282 - Neup. 54 f. - Papst und 751-754 - Priestersein 697 f., 1013 f. - Rolle der 1037,1049,1064 - Schreiben an die P. zum Gründonnerstag 629-633 - Selbsthingabe des 1060,1064 - Sendung derl034 - Spiritualität der 527 f., 698 - undLaien 1080f., 1091,1107, 1245 f. - Vaterschaft des 655 - Verfolgung von 233 f. - Weiterbildung der 1064, 1132 f. - Zeugnis der 411,1096 - Zölibat 528,1060, 1064,1073, 1132 f., 1147 Priesteramt(s) 1073 - als Weg der Heiligkeit leben 1042 - den Männern Vorbehalten 1035 - Einsetzung des 40 - Nachfolge im 220 Priesteramtskandidaten 1064 f., 1136 f., 1146 Priesterausbildung 64 £, 527 £, 567, 936,1042,1049 £, 1082,1091, 1110 £, 1147 Priestermangel 1028, 1034 £, 1037, 1054 Priesterseminar 527 £, 1049 £, 1095, 1127, 1141 £ - Abendmahlssaal als erstes 410 - Einweihung des Metropolitan-P. in Salerno 409-412 - Erzieherim 410-12 - Seminario Regionale Marchigiano 270 £ - von Krakau 1115 - vonPonce 1127 - von Rom (Seminario Romane Maggiore) 19, 697 £ 1403 REGISTER - von San Juan 1127 - Vorbereitung auf das 1043 Priestertum 654 f. - aller Getauften 1034 - als Sakrament des Neuen Bundes 654 f. - Amtspriestertum u. Laienberufüng 1082 f. - Berufung zum 54, 204, 208, 211, 325,410-412, 527 f., 693-696, 752 f., 1013 f., 1041 f., 1060, 1064 f., 1073, 1095 f., 1100 - der geweihten Amtsträger 1034 f. - Jesu Christi 576, 633, 654, 752, 1013,1034,1114 Priesterweihe 54 f., 633, 752 - für Frauen 1035 - Predigt bei der 697 f. - Sakrament der 698 Prinzip(-ien) 194-197 - grundlegend für menschliches Zusammenleben 489 - Grundp. des ökumenischen Dialogs 1334-1343 - moralische 81 Prophet(en) 11 - Gesetz und 44,146 f. - Jesaja 227, 659 - Johannes der Täufer 171 - Kritik der P. an den Heiligtümern 1175 - Nehemia 776-779 - Schimpffeden der 149,151 - Verkündigungen der 125 Proselytismus 560 f. Prostitution 881 Protestant(en) 10 Prozess(es/e) - gegen Dred Scott (St. Louis) 215 f. Prozession - Fronleichnamsp. 736 f. Psalm(en) 11-13,40,43,48 - das Alter in Ps 90,10; Ps 92 814 f., 821 - Erkenntnis der Schuld in den 108 - Gerechtigkeit Gottes in den 90 f. - menschliche Arbeit in den 375 - Reintegrationsprozess in Ps 51 101,108 - Sündenvergebung in den 120 Psychologie 49 Purgatorium/Läuterung - Lehre der Kirche über 100-102 Quelle(n) - der Weisheit und des Lebens 68 - Gott als Ursprung und 6, 33 £, 124,175 - Jesus Christus ist die 288, - kulturelle u. geistliche Q. Rumäniens 65 Radio Vatikan 167 Ramadan - Botschaft zum Ende des Ramadan 1153 f. Rassendiskriminierung 193, 457, 539, 542 f., 549 f. Rassismus 18,216,1306 Rat/Räte - Europarat (50. Jahrestag der Gründung) 651-653,709-711 - Päpstl. R. Cor Unum 65-67, 722 - Päpstl. R. d. Seelsorge für die Migranten u. Menschen unterwegs 757-759, 1157-1180 - Päpstl. R. für den Interreligiösen Dialog 68,1153-1156 - Päpstl. R. für die Familie 742-744, 973-976 1404 REGISTER - Päpstl. R. für die Interpretation von Gesetzestexten 1189-1191 - Päpstl. R. für die Kultur 482-484, 960-963, 969-971 - Päpstl. R. für die Laien 71 f., 815 f. - Päpstl. R. für die Pastoral im Krankendienst 957-960 - Päpstl. R. für die Sozialen Kommunikationsmittel 608-610, 969-971 - Päpstl. R. für Gerechtigkeit u. Frieden 871-873 - Päpstl. R. zur Förderung der Einheit der Christen 724 f., 1309-1343 Rationalismus 300 f. Rationalität - moderne R. europäischer Prägung 189 Recht(e) / Grundrecht(e) - als höchstes Gut 480 - auf Arbeit 458 f. - auf Bildung 62,458 - auf Ehe 492 - auf Existenz 457 - auf Frieden 460 f., 652 f., 1303-1306 - auf Gesundheit 62 - auf Heimat 1300 - auf Leben 62,181 f., 192,203, 321-327, 368 f., 455, 599, 652, 1059,1285-1288 - auf Religionsfreiheit 246 f., 423, 428-431, 455 f., 1053 - auf Selbstverwirklichung 458 - auf Teilhabe 456 f. - der Familie 181 f. - der Frau 163-166 - der Kinder 181 f., 1303-1306 - der Person 177,509 - des Menschen 62,455 - R./Pflicht der Eltern 1287, 1305 - von Juden, Christen u. Muslimen 1301 - Wiederherstellung der 246 f. Rechtfertigung(s) - als Werk/Gabe des dreieinigen Gottes 1313, 1335 f. - biblische Grundlagen der Lehre von der 1328 - biblische R.botschaft 1311-1313 - des Sünders 1311 f. - erfordert Wandel der Lebensweise 1341 - geschieht allein aus Gnade 1314-1316, 1329, 1341 - geschieht durch Glaube (sola fide) 1314-1316, 1342 - ist Sündenvergebung u. Gerecht-machung 1329 - Konsens in der Auslegung der 1338 - und Sozialethik 1340 - Wirklichkeit der 1335 f. Rechtfertigungslehre - als Maßstab christl. Glaubens 1331 - als ökumenisches Problem 1312 f. - Die Erklärung zur 1331-1343 - Gemeinsame Erklärung zur 151 f., 993 f., 1309-1343 - Konsens in Grundwahrheiten der 1310, 1320,1329,1333-1336 Rechtsprechung 1015 Reformation - lutherische 1309 Reformatoren 1318,1333 Regel(n) - benediktinische 779-783 Regime - kommunistisches 258 - totalitäres 115,233 f., 280, 316, 334 1405 REGISTER Reich(es) Gottes 26,44,105, 311 f., 320 f., 694 f., 1173-1176 - Aufruf zum Einsatz für das 147 - Hingabe für das 240, 328 - in Besitz nehmen 76, 78 - Mitarbeit am 32 - Offenbarung des 749 f. - Ostern erfüllt sich ganz im eschatologischen 105 - Verkündigung des 124,609 - Wachstum des 343 Reiche - Ungleichgewicht zwischenArmen und 614, 622 £, 931-933, 955-960 Relativismus 1057,1218 Religion(en) 159 £, 861 - christliche R. des Ostens u. Westens 319 f. - Diskriminierung auf Grund der 456, 539 - Indiens 425 - nichtchristliche 51-53 - orientalische 69 - Religionsführer 1308 - Solidarität anderer 68 - Spiritualität anderer 69 - traditionelle afrikanische 68, 700 £, 1044 £, 1068 - und demokratische Gesellschaft 653 - und Frieden 430,861 - Unterschiede zwischen den 60 - Verantwortung der Weltr. 67-69, 429 - Zusammenarbeit verschiedener 1307 Religionsfreiheit 160,213,483, 909 £, 917 £, 1068,1139, 1216 £, 1306 - Rechtauf 346,423,428-431, 455 £, 1053 - Verletzung der 480 £ Religiosität 49 - Strömungen zeitgenössischer 68 Reue 226,469 - bedarf greifbarer Taten 40 - der Kirche 117 Revolution - digitale 804 £ Ritterorden - vom Hospital des hl. Johannes zu Jerusalem 754 £ Ritus/Riten - der Auflegens der Asche 591 - der Buße 128 £ - der Handauflegung 697 £ - der Ostemacht 41, 661 £ - der Übergabe des Palliums 85-88 - des Neuen u. Ewigen Bundes 656 £ - kath. Kirche des armenischen 1142 - kath. Kirche des byzantinischen 233,261, 313 £, 1142 - kath. Kirche des lateinischen 233, 261,1142 - Katholiken des östl. u. lateinischen 256, 700 £ - Weiher, für das Marienheiligtum 776-779 Rota Romana - Eröffnung des Gerichtsjahres der 488-492 Ruf - siehe: Aufruf/Ruf Rundfünkanstalt - RAI 174 Säkularismus 47,175, 606, 746 £, 1020 £, 1083,1210-1213, 1225 £, 1241 £ 1406 REGISTER Sakrament(e) 518,1095,1125, 1336, 1340 - Allerheiligste 1189-1191 - Bußsakrament (Beichte) 19,58, 124-126,132,218, 304,468-470, 519 f., 625-629, 643 f., 1061, 1122 f., 1169 f. - der Ehe 535 f., 1044,1067 - der Eucharistie 286, 366, 656 f., 683,1027 f., 1189 - der Firmung 536, 605 f. - der Priesterweihe 698 - der Taufe 474-476, 661 f., 1027 f. - der Versöhnung 125, 127-129, 178,218, 304, 625-629, 644,1317 - des Neuen Bundes 654 f. - Empfang der 356 - Heiligtum und 1169-1171 - Kirche als 520 f., 910-912,1017-1036 Sakrileg 1190 f. Salvatorianer 634 f. Sanktuarium - siehe: Heiligtum Satan/Teufel 108 f. Schlacht bei Montecassino - 55. Jahrestag 70 f. Schöpfer - als Ursprung aller Wirklichkeiten 122 f. - Gott als 43,47 £, 123,170,269, 302, 351 f. - Mensch gegen seinen 111-114, 679 - Vollkommenheit des 351 Schöpfung 33 f., 351,482 - als Abglanz des Schöpfers 48 - als Geschenk 158,302,405 - Bewahrung der 353,405,460 - dem Menschen anvertraut 302, 374,405,513,622-624 - Gefahren für die 621 - Geheimnis der neuen 679-681 - Leben mit der 620-624 - neue 73 - Staunen über die 11, 351 f. - Verantwortung für die 353,405 f. - Weihnachten als Fest der ganzen 181 Schöpfungsbericht(en) 351 - Erschaffung der Frau in den 164 - Hl. Geist in den 894-897 - Mann und Frau in den 163-166 S chöpfüngs werk - Gottes 15 f., 48, 353 - Mensch hat Anteil am 374 Schreiben - an den Apostolischen Nuntius in Deutschland 1288 f. - an den Bischof von Macau 971 f. - an den Erzbischof von Belgrad 685 - an den Päpstl. Rat zur Förderung der Einheit der Christen 724 f. - an den Präfekt der Kongregation für den Klerus 985 - an den Vorsitzenden der Dt. Bischofskonferenz 963 f. - an die Bischöfe Äthiopiens und Eritrea 700 f. - an die deutschen Bischöfe (und zusätzlich: Erklärende Note) 733-735,1195-1197 - an die Priester zum Gründonnerstag 629-633 Schriftgelehrte(n) 121 Schuld - Bekenntnis der 469 - der Väter 115 1407 REGISTER - Erkenntnis der 20,40 f., 108 - Kirche bittet um Vergebung der historischen 115-118 - Vergebung der 20,40 f., 108,111, 115-122,132,469, 625-629, 1314 f., 1342 - wird psychologisch u. soziologisch interpretiert 124 - siehe auch: Sünde Schule 122,414,458, 795, 850 - als Ort der Evangelisierung 1146 - katholische 224,242,370, 557 f., 692, 795, 929 f., 941,1053,1066, 1118,1138 - Leben der 600 f. - Nationalversammlung der italienischen katholischen 865-868 Schulpastoral 64 f. Schwangerschaftskonfliktberatung - katholische 733-735, 963 £, 1033 f., 1195-1197 S chweizer Garde 61 - Vereidigung der Neugardisten 712 f. Schwestern von Nazaret 395 Seele - Christen als S. der Welt 17 - Hl. Geist als Antrieb u. Seele 321 f., 442,715 f., 725-728, 742 Seelsorge 252,323, 843,1008 - für Homosexuelle 1185 - in Amerika 187,528-530,549-551 - in den Bistümern 1128 - neue Formen der 1036-1040 - seelsorgliche Implikationen der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1340-1342 - Universitätsseelsorge 806-808 - siehe auch: Pastoral Segen - Gottes 8 f., 158 Sehnsucht - nach Freiheit 161, 176 f. - nach Frieden 3, 53, 305 f., 610 - nach Gott 47 - nach Wahrheit 161 Sekten 560 f., 1133 f., 1257 f. Selbsthingabe - siehe: Hingabe Selbstmord 602 f. - assistierter 601 f., 813 f. - Jugendlicher 219 Selbstverwirklichung - des Menschen 416 f., 753 - Rechtauf 458 Selige(n) - als Fürsprecher 618,845 - als Vorbilder 360 f. - Gebet für die 135 - neue 27 f., 58 £, 79 f., 413-416, 615-620, 703-709, 742-745, 843 - Polens 303-307, 322 f., 357-359, 401 - Zeugnis der 27 f. 205, 306 f. Seligpreisung(en) 77, 282-286, 293-298, 304 f. - derArmen 151,311 f. - der Barmherzigen 355-359 - Evangelium von den 79 £, 298, 322 Seligsprechung(en) 58 f., 276, 303-307, 325, 615-620, 706-709, 863 f. - Predigt bei 355-359,413-416, 703-706 Seminaristen 325,1043 - Ausbildung der 241,271,410-412 - Begegnung zwischen Bischof und 1115 - vonButa 1012 1408 REGISTER Sendung 71 - der Apostel 770-772 - der Christen 219,314 - der Eltern 15 f. - der Familie 183 - der Frau 830-838, 1034 f. - der Gläubigen 66 - der Heiligen 281 - der Kirche 5 £, 52,103, 322, 3,34, 338,419 f. 473, 551-565, 716, 867 f., 898 f., 1016, 1233 f. - der Laien 314 f., 1080-1083 - der Priester 1034 - Jesu Christi (priesterl., prophetische, königliche) 44, 314, 890, 1034, 1230 - katechetische 843 - Petri 87 - zur Mission 143 f. Sextourismus 164 Sheol - Totenreich im AT 75, 96 f. Shoa 57 Sinn - des Lebens 31,49, 118 f., 456, 536, 642-648, 1069-1074 - des Kreuzes 39 f., 199 - des universalen Dienstes Petri 988 - menschlichen Leidens 198-201, 272 f., 403 f., 586 f., 601 Sinnsuche 300, 757-759,1069-1074 Soldat(en) 70 f. - Kindersoldaten. 1303 f. Solidarität 17, 79, 81 f., 119, 170, 176 f., 210,219,276,459,498, 514 f., 539-551, 611, 680,686 f., 749 £, 856, 923 £, 959, 980, 1016, 1215 £, 1262-1264 - als christliche Tugend 441,959, 974 - anderer Religionen 68 - Antisolidaritätskultur 176 - der Generationen 823 £ - der Kirche 102,224 - der Länder untereinander 155 £, 195 £, 701 - des Papstes mit den Bischöfen 700 £ - Erziehung zur 750 - Globalisierung der 541 £ - Gottes 200,1165 - im Dienst der Menschheitsfamilie 160 - im Handeln 573 £ - Jahr der 154-157 - Kultur der 66,144, 540, 975, 1273 £ - menschliche 17,46,238,245 £, 309, 603,613,758,1165 - mit den Armen 926-928 - mit der Welt des Leidens 68 - unter den Kirchen 915 £ Solidamosc 81, 280, 335 Sonnengesang - des hl. Franz v. Assisi 77 Sonntag 201 £ - als Tag des Herrn 1106 - Bedeutung des 1019,1165 - Besuch der Sonntagsmesse 218 - „Blomberger Sonntag“ (1939) 295 - christliches Verständnis des 1085 £ - Heiligung des 363-367, 369 Souveränität - Gottes 175,177 £, 603 Soziallehre - der Kirche 150,177,439-443, 508 £, 540 £, 548 £, 553 £, 792 £, 799-802, 871-873, 923-925, 1016, 1059,1066, 1089, 1138, 1148 1409 REGISTER Sozialwesen - in Amerika 508 Sozialwissenschaft(en) - Päpstl. Akademie für 611-614 Soziologie 49 Spaltung(en) - derChristen 116 f., 152, 257, 319, 423, 724 f. - innerhalb der Kirche 313, 1312 f. - zwischen Gott und Mensch 127 Spiritualität 517 f., 845, 1241 f. - anderer Religionen 69 - der Priester 527 f., 698 - der Trinitarier 788 - des Heiligsten Herz Jesu 327-332 - Erbe an 19,207,259 f. - franziskanische 844 f. - marianische 416 f. - Pater Pios 707 - Zentren tiefer 758 Sprache - biblische 32 Staat(s/en) - geprägt vom Geist gegenseitiger Liebe 400-404 - Kirche und 214,420,516,848-851, 1097 f., 1108-1113,1217 - Pflicht des 238 - polnischer Untergrundstaat 335 - Wiederherstellung eines Rechtsstaats (1989) 234 Stadt - Danzig 275-280 - Krakau 377-384 - Neuevangelisierung der Großstädte 1075-1079 - Rom 85,580-583,636,770-772, 810, 868-871 - Stadtmission in Rom 71 f., 578, 581, 593-596, 635, 725-728, 869, 999 - Wadowice 394-399 Sterben 75-78, 813 f. Sterbende(n) - Leben der 600-604 - Unterstützung u. Begleitung 814 - Würde des 602, 813 f. Sterilisation 1286 Sterilisierung - Massensterilisierung 164,197 Sterndeuter 5 f. Stiftung - „Centesimus Annus - Pro Pontifice” 799-802 - Kolloquium der „Gorbatschow-Stiftung“ 686 f. Stille/Schweigen 781, 845,1124 Strafe - Armut als 149 - Gottes für mangelnde Treue 108 Student(en) 615,952-954 Studien - über Ehe u. Familie 789-793 Studientagung - Internat. S.: „Der Film: Bilder für einen Dialog zwischen den Völkern u. eine Kultur des Friedens im dritten Jahrtausend“ 969-971 Subsidiaritätsprinzip 542 Sühne 128, 132 Sünde(n) 75 f„ 128,468, 504, 679, 857 f„ 1316 f., 1329,1342 - als Missbrauch der Freiheit 246, 468 1410 REGISTER - Beichte/Bekenntnis der 20,108, 469, 625-629, 847,1061 f., 1122 f. - des Menschen 37,40 f., 643 - entzweit/spaltet 5,20,351,628 - Finsternis der 279 - hat personalen Charakter 111-113, 1330 - heißt abwenden von Gott 20,43, 47, 96-98,120-122,290,468, 627, 858 - Jesus befreit von 6,93,111,120-123, 592, 626 f., 660-662, 679-681, 696 - Macht der 1329-1331 - soziale 111-113, 542 f. - Strukturen der 111-114 - Todsünde 625-629 - Überwindung der 22,105 - Vergebung/Lossprechung der 20, 40,108,111,115-122,132,469, 625-629,1062,1314 f., 1342 - siehe auch: Schuld Sündenbewusstsein 111 fl, 114,469, 644 Symbol/Symbolik - Betlehem als S. der Friedenshoffhung 596 f. - Boot als 36 f. - der Erschaffung der Frau 164 - der Getreideernte 340-344 - der neuen Erde 1176 - des Hirten u. des Lammes 87 f., 222 f., 697 f., 1014,1080-1082 - des neuen Himmels 93,1176 - des Schlüssels (Petrus) 987 f. - des Staubes 591 f. - Libanon als S. der Einheit 585 - Meer als 36 f. - Tempel als 762 f. - Wasser als 288,498 f., 615 f. - Weinberg des Herrn als 842-845 - Wüste als 616 f. Symposium - vorsynodales S. über Europa 482-484 Synkretismus 1172 f., 1212 f. Synode(n) 419 - 1. Landess. von Santo Domingo (Dominikan. Republik) 1037, 1040 - der kath. Armenier 62 - Pastoralsynoden 340 f., 383 - Plenarsynoden 340 f., 418-420 - Synodenväter 422,493-565,1076, 1117 f. - H. Polnische Nationalsynode (1991-1999) 276, 322, 324, 340- 344,401 Tag - den der Herr gemacht hat 679 - der Frau 28 - der geistigen Gesundheit 140 - der Nächstenliebe 65-67 - Feier des III. T. des geweihten Lebens 575-577 - für das Leben (Italien) 15 f., 578 - Gebets-und Fasttag zum Gedenken der Märtyrer-Missionare 36 Talent(e) - der Jugend 218 Taufe 217 f., 296, 315, 474-476, 537, 694,1316 f., 1330,1342 - erhebt den Mensch zum Adoptivkind Gottes 6 f. - Jesu Christi 6 f., 26,474-476 - Sakrament der 474-476, 661 f., 1027 f. Technologie 925 Teilhabe - am Heilswerk Christi 357 - am Himmelreich 150,153 1411 REGISTER - am Leiden Jesu Christi 199,272 - am Priestertum Christi 752,1013, 1034, 1114, - am prophetischen Amt Christi 551 f. - an der Liebe Gottes 137,141,145 - an der Sendung Jesu Christ 1230 - an Gottes Heiligkeit 153 f. - des Glaubenden am göttlichen Leben 30 f., 190 f., 381, 387 f. - Recht auf 456 f. Teilkirche(n) - Äthiopiens u. Eritrea 700 f. - des amerikanischen Kontinents 188, 507, 562 - Einheit der 271 - Gemeinschaft unter den 524 f., 1144,1243-1246 Tempel - als Symbol 762 £ - als Wohnung der Bundeslade 1166 - Geheimnis des 1158 f., 1163, 1178 - kosmischer 1158 f. - Maria als Gottes 1179 - neuer endgültiger 1159,1161 - steinerner 269, 272 - von Jerusalem 762 f., 1159, 1161, 1173 f. Terrorismus 192 Testament(s) - Alter im AT 811-829 - Alter im NT 811-829 - Altes 43 f., 56 f., 72-74,90 f., 96 f., 104, 107 f., 119 f., 132, 140 f., 145, 149, 151,626, 656, 659-661, 986 f., 1311 f. - geistliches 32 - Jesu Christi 313 - Monotheismus im Alten 51 f. - Neues 57, 73, 91 f., 97 f„ 104, 111, 120-122, 137, 145, 149-151, 626, 656 f., 659, 986 f„ 1311 f. - Vaterschaft Gottes im Alten 11-13 - Vaterschaft Gottes im Neuen 24-27, 29 f. Theologie 379 f. - Aufgabe der 130 - der Geburt Christi 190 f. - der Heiligen Stätten 1159 - des Kreuzesopfer 659 - Päpstliche Theologische Akademie 565-569 - und Philosophie 565-569, 731 f. Tod(es) 31 £, 601-604, 679, 813 £, 826-829 - als Begegnung mit Gottvater 75-78 - christliche Sicht des 75-77 - Geheimnis des 947 £ - imAT 75 £, 78 - im NT 75 £, 78 - Kultur des 24,176-178, 208 £, 216, 547 £, 598 £, 602, 928-931 - Märtyrert. 63 - natürlicher T. des Menschen 18 - Sieg über den 76 £, 97, 679 - und Auferstehung Jesu Christi 20, 29, 39-42, 45, 73, 76, 93, 97,105, 125, 255 £, 283, 356 £, 629-633, 658-662,1223 - Zivilisation des 347 £ Todesstrafe 18,222-226,1015 - Appell des Papstes zur Abschaffung der 175,192 £ Toleranz - gegenseitige 159 £, 306,423, 1216 £ Tourismus 47,405, 881 1412 REGISTER Tradition(en) - christl. T. des Ostens u. Westens 63 f., 772-776 - christliche 61, 324 f. - geistliche 159 f. - Gesänge u. Tänze der örtlichen 160 - in Polen 364,377-384 - jüdische T. der Jubeljahre 56 - klösterliche 161 - kulturelle 265,443-446 - messianische 12 - muslimische 61 - religiöse 7,207,265,421-424, 1101 - Treue zur 248 - und Fortschritt 207-212 - unterschiedl. Riten in der kirchl. T. Rumäniens 240 f. Transzendenz 210 - der menschlichen Person 516 - Kunst als Weg zur 690-692 - Menschenbild ohne 47 f., 601 - personale T. Gottes 52 f. Treue 301 - der Ehepartner 182-184,489 - Gottes 90 f., 108,171 - Jesu Christi 269 f. - Strafe Gottes für mangelnde 108 - zu Gott 87,257,260,296,349, 470 - zu Jesus Christus 27,206,314, 357, 606, 717 f., 751 - zum Evangelium 87,115,308, 378 f., 387,422 - zum Nächsten 470 - zur katholischen Lehre 324 - zur Kirche 315 - zur Lehre des Zweiten Vatikan. Konzils 115 f., 341 - zur Tradition 248, 387 Triduum - österliches 39-41 Trinität - siehe: Heiligste Dreifaltigkeit Trinitarische Familie - 800-jähriges Gründungsjubiläum 786-788 Trost - für Kranke 198,202 Tugend(en) 145 f. - Armut als 150 - christliche 23, 372, 959, 974 - evangelische 844 f. - Liebe als größte der theologalen 23, 91 f., 135-138,140-142,144-147, 317-321, 571, 584-587, 750 - Solidarität als 441,959, 974 - soziale 370 f., 504 Umkehr 40,107-109, 124,137, 171, 183,273, 303-307, 504, 514-520, 540, 589,1047 - als Heimkehr 121 £, 225 f. - aufrichtige Rückkehr zu Gott 108, 121,126-129,171,225 f., 468, 591, 644, 694 f., 847 - Aufruf zur 19 f., 204, 514, 516, 643 f. - Freiheit und 113 f. - Freude über 121,125 - im NT 514 - ist Gotteserfahrung 137 - siehe auch: Beichte; Bekehrung; Versöhnung Umwelt - Achtung vor der 68 - Multilaterale U.-Abkommen 1347 - Schutz der 61,349-354,621,872, 933 f. 1413 REGISTER - Verantwortung gegenüber der 405 f., 459 f., 513, 933 f. - Zerstörung der 18,216,263 f., 352,455, 542 f., 1306 Unabhängigkeit 189 - Amerikas 229 - Georgiens 160 - Gewalt der Anti-Unabhängigkeits-Miliz 1291 - nationale 70 f., 478 - Polens 340 f., 373 - Sloweniens 415 Ungerechtigkeit 118 Union der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen (ROACO) 755-757 Universalität - der Botschaft des Evangeliums 1136 - der Erlösung in Jesus 893 - der Menschenrechte 454 f. Universalkirche 248,271,1243-1246 - und Ortskirche 1046 f., 1096 Universität(en) 615 - Aula Magna der Kopemikus-U. in Thom 298-302 - für einen neuen Humanismus 807 - katholische 557 f. - kirchliche 846-848 - La Sapienza 174 - Päpstl. U. vom Hl. Kreuz 730-732 - Päpstliche Lateranu. 952-954 - Theologische Fakultät in Maribor 418-420 - von Krakau 379 f. - von Rom 15 f. Universitätsseelsorge 806-808 UNO 3,124,174, 216,456 £, 613 f. - Botschaft an die 699 - Diplomatische Konferenz der 457 - erklärt 1999 zum Jahr des alten Menschen 815 - Hl. Stuhl und 194,1285-1288, 1290-1292,1303-1306 - Initiative für den Kosovo 699 - Internat. Konferenz über Bevölkerung u. Entwicklung (Kairo 1994) 62,1285-1288 - Kirche und 195 - LCD-Liste der 1344 - Menschenrechtskommission (Lage in Ost-Timor) 1290-1292 Unsterblichkeit - des Menschen 76 f. Unterdrückung 457 - der Kirche 251 - im Kosovo 263 f. - in Jugoslawien 263 f. - sowjetisch-kommunistische 161 Unterschied(e) - ethnische und kulturelle 571 Unversehrtheit 100 f. Urbanisation 1126 Urbi et Orbi - Osterbotschaft vor dem Segen 306, 679-681 - Weihnachtsbotschaft vor dem Segen 1000-1002 Vaterland(s) - Liebe zum 70 f., 370-372,414 f. - polnisches 70 f., 275-404 - Verteidigung des 280, 364 Vaterschaft 578-580, 742-744, 790 f. - als Geschenk u. Verpflichtung 15 f. - Berufung zur 15 f. 1414 REGISTER - des Josef 35 f. - des Priesters 655 - Gottes (im AT/NT) 6-13,15 f., 24-27,29-31, 33 f., 44, 68,127, 143,169-171,629 f., 742-744 Vatikanische Apostolische Bibliothek 484-487 Vatikanisches Geheimarchiv 484-487 Verantwortung 195,302,1341 - Amerikas 229 - der Bischöfe 71 f, 326,1008-1010,1031 £, 1146 f. - der Christen 176,193,636,1014 - der Eltern 1287 - der internationalen Gemeinschaft 955-957 - der Laien in der Gesellschaft 392 f., 532 f., 1098-1103 - der Luftfahrtgesellschaft 361 f. - der Person/persönliche 112-114, 805 - der Politiker 3 f., 124,182,336, 478 f„ 511, 613 f., 867 f„ 931 f., 1010 - der Weltreligionen 429 - des Menschen 643,1319 - für bessere Gesellschaft 49 - für die Kirche 315 - für die Schöpfung 353,405 f. - für die Zukunft 370-372 - gegenüber der Umwelt 405 £, 459 f, 513, 933 f. - in der Wirtschaft 613 f., 622 - in der Wissenschaft 302 - in katholischen Hilfsorganisationen 65 f. - moralische 116,118,302,805 - öffentliche 15,622,805 - von Staat u. Kirche 848-851 Verbrechen - gegen die Menschlichkeit 457 Verehrung - des hl. Josef 35 f. - des Heiligsten Herz Jesu 81, 327-332, 343 - des Kreuzes 31 f., 40 f., 316 - eucharistische 363-367, 1189 - Gottes 763 - siehe auch: Marienverehrung Verfassung - ohne Schutz der 216 Verfolgung 208,312 - der Kirche 244,256,383,422 - Opfer der 63, 245 f., 259 f. - um der Gerechtigkeit willen 293-298 - von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten 233 f. - wegen der Religion 233-262, 787 Verführung 108 f. Vergebung 46,113, 127, 249,273, 625-629, 723, 858,1174,1272 f. - der Schuld/der Sünden 20,40 f., 108,111,115-122,132,469, 625-629, 1062, 1314 f., 1342 - gegenseitige 82, 91 £, 183, 645, 695 f. - Geschenk der 20,127, 628 - Gottes 40,124, 132,469, 627 f, 695 f. - Vergebungsbitte der Kirche 115-118,645 Vergöttlichung - in der theolog. Tradition des Ostens 33 Verheißung(en) - eines neuen Himmels u. einer neuen Erde 73 f. - Gottes 57, 1341 f. Verkündigimg(en) 899-910,1056 f. - an alle Völker 5 f., 71, 561-563 - Arbeit als Form der 635-637 1415 REGISTER - Auftrag Jesu Chrusti zur 584 - christliche 98 - der Osterbotschaft 41 f. - der Propheten 125 - des Evangeliums /Wort Gottes 5 f., 49, 63-65, 71, 160-162,176 f., 202, 223,252, 261 f., 270,285,315, 692, 715 f., 746, 844, 848, 857, 934 f„ 1025-1029,1093-1098 - des Reich Gottes 124, 609 - durch die Kirche 82,160,192, 689 f. - Jesu Christi/des Sohnes 34, 209, 438 f., 551-555, 737 f., 1222-1232 - von Umkehr und Versöhnung 19 Verletzung - der Menschenrechte 117, 123 f., 453-463 - der menschlichen Person 15 f., 454 f. - der Religionsfreiheit 480 f. - der Würde der Frau 164 Vernunft 46 - als Geschenk Gottes 302 - Aufgabe der 130 - Glaube und 122 f., 130 f., 210, 300 f., 472, 566, 718-720, 807 f., 953 f. - menschliche 60 Verschuldung - internationale Schuldensenkung 154-157,1138, 1292-1294,1347 f. - internationale V. der ärmsten Nationen 459, 511 f., 545 f., 574, 932 f., 1138, 1292-1294, 1347 f. Versöhnung 3 f., 63,248 f., 273, 519 f., 748-750, 1169, 1273 f. - als Geschenk 91,127,628 - gemeinsame Weg der 61 - geschieht in der Gemeinschaft der Kirche 128 f. - Jesus Christus selbst ist die 127 - mit den Brüdern 127-129, 627 f., 644, 695 f., 778 - mit Gott 22,127-129, 695 f. - Sakrament der 125,127-129,178, 218, 304, 625-629, 644,1317 - zwischen Gott u. Mensch 758 - zwischen Lutheraner u. Katholiken 1333,1337 f. - siehe auch: Beichte; Bekehrung; Umkehr Verteidigung - der Familie 18,744 - der Menschenrechte 610 - der Würde des Menschen 15 f., 56, 197,1086 f. - des Lebens 18, 56, 119,192,197, 229, 326, 353, 598-604, 812 f. - des Vaterlandes 280, 364 - sozial Schwacher 81 f. Vertrauen - auf Gott 38, 108 Vielfalt - in der Einheit 194,366, 748, 1142 Vision(en) - des Johannes 950 Völkermord 457 Völkervielfalt - althergebrachte u. gegensätzliche V. Mexikos 188,196,202 Volk/Völker(n) - amerikanische 207 f. - armenisches 640-642 - benachteiligte 112 - das indonesische 32 - das V. Israel 11-13,1173 f. - Entwicklung der 68, 112, 794 f. - Erscheinung Christi vor den V. (Epiphanie) 5 f. - Fortschritt für alle 194 - gegenseitiger Respekt der 79 - georgisches 431-449 1416 REGISTER - Gerechtigkeit unter den 1015 - Indianervölker 189,213 - italienisches 849 - jüdisches 1298 - kroatisches 1094 - mexikanisches 188,202,213 - palästinensisches 1298 f. - polnisches 80 - reiche - arme 574 - rumänisches 62-65,231-262 - schlesische 384-388 - Verkündigung an alle 5 f., 71, 561-563 - Völkermord 457 - Völkerverständigung 550 - von Kambodscha u. Laos 1099 - von Timor 123 f. - Zusammenarbeit der 79,1121 f. - zwischen Tradition u. Fortschritt 207-212 Volk Gottes 10, 140,154, 934 f., 1161 - Kirche als 1016 - Orientierung für das 340 f. Volksffömmigkeit 84,1168 - Amerikas 506 f. Vollkommenheit 348 - des Menschen 100-102,105 - Gottes 101 - Streben nach 265 f., 280 Vollmacht - Jesus erteilt den Aposteln 626 f., 752, 770-772 Vorbild(er) - Abraham als V. bedingungsloser Unterwerfung 59 f. - der barmherzige Samariter als 66 - der Nächstenliebe 80 - der (neuen) Seligen 27 f., 58 f., 135,153 f., 360 f. - des hl. Josef 35 - Heilige als 50, 80,153 f., 278 - hl. Adalbert als 278 - Hl. Familie als 181-184 - Märtyrer als 296 - Mariaals 165,167,286f., Vorsehung - göttliche 36-38 Vorurteil(e) - frei von konfessionellen u. ideologischen 116 - überwinden 69 Waffen 18,195,197,479 - niederlegen 245 f., 262 Waffenhandel 455,461, 931,1306 Wahrheit(en) 18 £, 69,130, 197, 1021 - christliche 68,311 - der Geschichte 116 - der Offenbarung 284, 1087 f. - des eigenen Lebens 22 f. - Erkenntnis der 52,301,322, 719 f. - Freiheit und 220,246-250, 325, 598 f. - Glaubensw. 1168 - Grundw. der Rechtfertigungslehre 1310, 1320, 1329, 1333-1336 - historische 990 f. - Hoffnung aus der 298-302, 357 - Leiden für die 63 - Liebe zur 320 - mit Gewalt aufdrängen 117 - moralische 229 - Ordnung der 288 f. - Sehnsucht nach 161 - Sieg der 105 - Suche nach der 301, 346, 483, 488, 504, 989-991 - über den Menschen 891 f., 1086 - über die Liebe Gottes 322 - Verzerrung der 804 1417 REGISTER - von der Kirche verkündete 743 f. - von Gott geoffenbarte 229,284 - Werbung, die die W. entstellt 197 - Zeugnis für die 626 Wallfahrt(en) - Arbeitshilfe für 1157-1180 - des Papstes durch Polen 401 - Jubiläumsw. ins Hl. Land 85, 759, 761-769 - zu Heiligtümern 506 f., 1157-1180 Wallfahrtsort(e) 1157-1180 - Anwesenheit von Kranken u. Leidenden 1174 - im Hl. Land 1157 f. - Marienw. 292,1158 - Stätten der Begegnung u. Sinnsuche 757-759, 1169-1171 Wallfahrtspastoral 759,1177 f. Wanderbewegung - aus Osteuropa 1207 f. Wasser - lebendiges 288,498 f., 615 f. Weihe - an das Heiligste Herz Jesu 307, 327-332, 343 - der Bischöfe 5 f., 472-474 - der heiligen Öle 40 - des Marienheiligtums „Santuario del Divino Amore“ 776-779 - des Marienheiligtums in Lichen 292 f. - vollkommene W. für Christus 406 Weihnachten 17 8 f. - als Fest der Familie 181,183 - als Fest der ganzen Schöpfung 181 - Botschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi“ 1000-1002 - Geheimnis der 1000 f. - Vorbereitung auf 178 Weiterbildung - der Priester 1064,1132 - von Klerus 1046-1050 - von Laien 1046-1050 Welt - besteht aus verschiedenen Gemeinschaften 194 - Christen in der 17, 203,211, 636 - Dienst an der 1130-1135 - Einheit der 1298 - Gottlosigkeit der heutigen 61, 124,126,175-178,209 - Jesus Christus ist das Licht der 5, 14 f., 105,179,203 f., 210,219, 309, 329, 372,423-427,472,474, 577 - Jugendliche als Licht der 220 f. - Kirche und 1086 - Pflicht die W. zu wandeln 850 f. - solidarischere 3, 610 - Wirklichkeiten der 122 f. - Zerstreuungen der 22 f. Weltfriedenstag - Botschaft zum 3 f., 216, 334,453-463, 1015,1304 Weltgebetstag - 36. W. für Geistliche Berufe 54, 693-696 Weltgebetswoche - für die Einheit der Christen 10, 13,206 W eltgipfeltreffen - Kopenhagener 1293 Welthandel 1344 Welthandelsorganisation (WTO/OMC) - Hl. Stuhl und 1344-1348 - Ministerkonferenz der 1344-1348 1418 REGISTER W eltj ugendtag(e) - Botschaft zum XIV. W. 465-472 - Kreuze der 31 f., 266, 615 - XV. W. (Rom 2000) 36,144, 582 f., 646, 796 f., 999 Weltmarkt 1345 Weltmissionssonntag 143,147 - Botschaft zum 855-860 Weltreligion(en) - Kirche und 67-69 Welttag - der Aussätzigen 14 - der Bekämpfung der Armut 143 f. - der Jugend 31, 266,465-472,615, 648-650 - der Kranken 584-588 - der Migranten 569-575 - der Sozialen Kommunikationmittel 67,718-720 - siehe auch: Botschaft Werbung - die die Wahrheit entstellt 197 - Ethik in der W. (Dokument) 609 Wert(e) 18 - Aufgabe moralischer 112 - christliche 238,441, 803 f., 923 f., 929 - der Arbeit 373-377,636 - der Ehe 168-171,183 - der Familie 168-171,176,183, 578-580 - der menschlichen Person 176 f., 210, 601-604,1303-1306 - des Islam 1150 - die das Evangelium vermittelt 486,510 - Erbe der menschl. u. christlichen 207, 210, 383, 849 - geben Orientierung 300 - geistige, moralische, zivile 238, 483, 624 - gemeinsame religiöse 60,429 - gemeinsame Wertebasis 17,52, 195 f., 334, 849, 1219 - grundlegende 300,414,1145, 1303 - kulturelle 202 - sittliche 61,238,243,613 - solide ethische W. einer Demokratie 81 - soziale W. des biblischen Jubeljahres 155 - spirituelle 243 - transzendente 203,453, 601 - Wertemaßstäbe der Globalisierung 509 f. - Werteverlust 208,1214-1216 Wille - Gottes 59 f. Wirken - der Christen 23 - der göttlichen Gnade 2093 f., 1314,1330 - des göttlichen Erbarmens 21 - des Heiligen Geistes/Geist Gottes 33,69,71 f., 137, 141, 177,285, 331,403,422,467, 776 - Gottes 63,276,1160 f. - Jesu 124 f. - menschliches 105 Wirklichkeit(en) - der Welt 122 f. - geschaffene 48 - letzte 94, 105 Wirtschaft 195 - 14. Konferenz über „W. und Gesundheit“ 957-960 - aufWeltebene 1347 - Folgen der Weltwirtschaft 574 f. - Marktw. 478, 540-543, 931 f. - Verantwortliche in der 613 f., 622 - wirtschaftliche Entwicklung 276 f., 310 f., 373-377 - wirtschaftliche Situation 458 1419 REGISTER Wissenschaften) 302, 989-991 - Autonomie der 48 - Päpstl. Akademie der 620-624 - und Kirche 82, 298-302 - und Kultur 301,484-487, 807 f. - Verantwortung in der 302 Wort(e) - Abschiedsworte Jesu 212 - Jesu im Abendmahlssaal 318,737, 752 - letzte W. Jesu am Kreuz 658-660 Wort Gottes 702 f., 781,1125 - als Quelle der Erneuerung 323 - Autorität des 197 - erhellt und tröstet 72,75 - hören u. befolgen 282-286,1168 - menschgewordenes 25, 85, 176 f., 183,255, 329,466, 1002-1004 - und Lehramt der Kirche 1340 - Verkündigung des 285 - Weitergabe durch die Apostel Petrus u. Paulus 86 Wortgottesdienst 1124 f. Würde - christliche 1066 - der christlichen Ehe 1149 - der ehelichen Liebe 1128 - der Familie 1285-1288 - der Frau 163-166, 533 f., 818, 1038,1285-1288 - der Person 20,176,195,197,203, 210, 333,435-463, 543 f., 601-604, 700 f., 925,1015,1303-1306 - des Kindes 973-976,1303-1306 - des Menschen 4,15 f., 56, 61 f., 163 f., 176,178,187, 194 f., 197, 199,210,225, 276, 333,376, 422 f., 453-463, 542-545, 599, 620-624, 686 f., 689 f., 700 f., 801, 872, 925, 956 f., 1086 f., 1144-1150, 1285-1288,1303-1306, - des Sterbenden 602, 813 f. Wüste - als Symbol 616 f. Zeichen - der konsekrierten Gestalten von Brot u. Wein 1123 Zeit(en) 816 - Fülle der 190 £, 1002-1004 - Geheimnis der 1084 f. - Heiligung der 1084 - heutige 112 - Jesus Christus Herr der 1084-1088 - und Ewigkeit 1085 - Zeichen der 1030,1204 f. Zeitschrift(en) - „La Civiltä Cattolica“ 687-690 - Liboriusblatt - Familienz. 624 f. Zerstörung - der Umwelt 18, 216, 263 f., 352, 455, 542 f., 1306 - des Zweiten Weltkriegs 80, 382 f. Zeuge(n) - der Liebe Gottes 79 - des auferstandenen Christus 42, 211,679 - des Evangeliums 103,162 f., 233 f., 342,475, 746, 934 f., 1065, 1096 - des Glaubens 80 f. - die Jünger als unerschrockene 71 - Hirten als erste 180 - Kranke als Z. Christi 200,273 - Priester als 526 Zeugnis(se) - archäologische u. ikonographische 86 f. - der Apostel 211,770-772 - der Bischöfe 1096 - der Christen/christliches 5 f., 60, 66, 107, 177, 211, 223, 250-255, 636, 929 1420 REGISTER - der Heiligkeit 276,411,840 - der Kirche Georgiens 160 f. - der Laien 177,411 - der Liebe 366 - der Ordensleute 1096 - der Priester 411,1096 - der Seligen 27 f., 205, 306 f. - der Vergangenheit 985 - des eigenen Lebens 212,282 - des Evangeliums 9 f., 269,1141 - des Glaubens 17,114 f., 247,269, 293-298, 315,419 f., 431-433, 515, 605 f., 618 f., 770-772, 863-865, 964-967, 1274 f. - ewiges 985 - für das Leben ablegen 963 f. - für die Wahrheit 626 - für Gott/Christus geben 47-49,51-53, 63, 66,115,143, 314, 316, 733, 950 f., 1094,1099 - Martyrium als größtes 114 f., 293-298, 515, 618 £, 770-772, 964-967, 1274 f. - ökumenisches 1143 Zeugung 11 f., 15 f., 169 Zivilisation(en) 81,421 -424 - christliche 415 - der Liebe 66,118,175-178,280, 310, 329, 348, 500 f., 584 f., 630, 687, 723, 861, 871, 914 f., 923 £, 1045,1072 - des Todes 347 - konsumorientierte 326 - Krise der 861 - lateinische u. byzantinische 65, 247 £ - römische 247 Zölibat - priesterlicher 528, 1060,1064, 1073, 1132 £, 1147 Zukunft - Aufbau der 280,283 £ - der Kirche 204,276, 383 £ - für Rumänien 248 £ - Hoffnung für die 118 - Verantwortung für die 370-372 Zusammenarbeit - der Christengemeinschaften Amerikas 17 £ - der internationalen Gemeinschaft 621 - der kath. u. armenischen Kirche 641 - der Völker 79,1121 £ - für das Gemeinwohl 1139 - gemeinsame Regeln der 195 - in Achtung und Brüderlichkeit 802 £ - innerhalb der Ortskirchen, Pfarreien, Gemeinschaften 71, 242, 271, 718, 726, 936, 1243-1246 - interreligiöse 1307 - kirchlicher Gremien (Päpstl. Rat, Kongregationen...) 745-748 - pastorale 775 £, 1116, 1243-1246 - von Kirche und Medien 719 £ - von Kirche und Staat 214,334, 420, 850, 1108-1112 - von Priestern und Laien 1091 - von Teil-und Gesamtkirche 748 - zwischen Gott und Mensch 38 - zwischen Juden und Christen 55-57 - zwischen Ordensleuten 718 - zwischen orthodoxer u. katholischer Kirche 64,251,257,260, 266 £ - zwischen Priestern u. Laien 1245 £ Zwangsvertreibung 1303 Zweifel 47 Zweiter(n) Weltkrieg(s) 306, 817 - Deportationen im 80 1421 REGISTER - Entstehung der Universität von Thom im 299 - Märtyrer des 355-359, 395 - Massenhinrichtungen im 80, 279 f., 294 f. - Opfer des 117, 279 f. - Wiederaufbau nach dem 80 - Zerstörungen des 80, 382 f. Zweites(n) Vatikanisches(n) Konzil(s) 103,208 f., 256 f., 276, 341, 688, 691, 1080,1083,1141 - Dokumente des -Adgentes 1046 f. - Apostolicam actuositatem 314 f. - Christus Dominus 745 f., 1025 f., 1117 - Dei Verbum 123, 284, 323, 702 f. - Dignitatis humanae 60 - Gaudium et spes 47, 49, 75,105, 164 f., 175, 177,209, 329,489, 752, 808,1121 f. - Gravissimum educationis 567 - Lumen Gentium 59,102,115, 129, 149, 170, 203 £, 241, 256 f., 329, 473, 626, 746 f, 752, 938 £, 1018,1023, 1032,1035, 1126 - Nostra aetate 7, 51-53, 55, 68, 160, 921 f. - Optatam totius 567 - Presbyterorum Ordinis 411, 1127,1189-1191 - Sacrosanctum Concilium 129, 752, 1106 - Unitatis redintegratio 243 - Lehre des 115 £, 341,418-420, 626, 688,1016 - ökumenische Forderung des 1053 1422 REGISTER Personenregister Organe und Mitglieder der römischen Kurie, Personenverzeichnis siehe: Seite 1279 bis 1284 Aaron 8, 987 Ablewicz, Jerzy Bischof von Tamow 388 Abo von Tiflis, hl. 434 Abraham 38, 57, 59, 84 f., 589, 765, 820, 846, 1203,1275,1312 Adalbert (Vojtech), hl. (| 967) Bischof von Prag, Missionar, Märtyrer 79-81,275-278,281, 283, 285, 287, 291, 294 f., 297, 316, 321,325,378,401 Adam 279 Adamkus, Valdas Präsident der Republik Litauen 308 Aftenie, Vasile, Bischof 63 Agatha, hl. 841 Agnes, hl. (| 250), Märtyrin 86, 389 Agnes von Prag, hl. 841 Ahumada, Emesto Corripio, Kardinal Alterzbischof von Mexiko-City 202 Akbar, Jalaluddin Muhammad (t 1605), Herrscher Indiens 430 Albert aus Krakau, hl. 364, 380, 382 Alexander VI., Papst (1492-1503) 691 Alexij II. [Aleksei Ridiger] Patriarch von Moskau und ganz Russland (seit 1990) 681 Ambrosius, hl. (t 397) Bischof von Mailand, Kirchenlehrer 239,669,1179 Ambrozic, Aloysius Matthew, Kardinal, Erzbischof von Toronto 1080 Arnos, Prophet 149,1166 Anastasia 841 Anastasius (t 878/79), Bibliothekar der römischen Kirche 484 Anders, Irena R. Witwe des polnischen Generals Wladislaw Anders 70 Andreas, hl., Apostel Bruder des Simon Petrus 63,204, 233,250,410,420,434,439,444, 760, 770 f., 967 Anfossi, Giuseppe Bischof von Aosta 405,408 Angelini, Fiorenzo, Kardinal Präsident em. des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst 45 Anna Zeugin der Darstellung Jesu im Tempel 821 Anna, hl. Frau des Joachim, Mutter der Gottesmutter Maria 95 f. Annan, Kofi 7. Generalsekretär der Vereinten Nationen (1997-2006) 699,1294 Anselm, hl. (f 1109) Erzbischof von Canterbury 130, 954 1423 REGISTER Antonio, sei. Märtyrer von Tlaxcala 205 Antonius, hl. Abt 84,797 Arafat, Yasser [Abu Ammar / Muhammad Abdel Rahman Abdel Raouf Arafat al-Oudwa al Husseini] Präsident der Palästinenser (1996-2004) 1299 Araml. Katholikos des großen Hauses Kilikien 638 Arat(os) von Soloi (| 245 v. Chr.) Dichter 7 Arinze, Francis, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog 1153— 1156 Ashoka (| 233 v. Chr.) 3. Herrscher der altindischen Maurya-Dynastie 430 Athenagoras I. [Aristokles Spyron] Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel (1948-1972) 435 Attalos (4. Jahrhundert) Märtyrer 233 Augustinus, hl. (354-430) Kirchenlehrer, ab 395 Bischof von Hippo 7, 37, 290, 323, 346, 365, 586 f„ 616,669,719, 731,987, 1204, 1229 Baccilieri, Ferdinando Maria, sei. 842-845 Bach, Johann Sebastian (1685—1750) deutscher Komponist 672, 692 Balan, Joan (| 1959) Bischof von Lugoj /Rumänien) 249 Baraga, Irinäus Friderik (| 1868) Bischof von Sault Sainte Marie-Marquette/USA 413 Barre OFM Conv., Nicolas, sei. (1621-1686) 28,616-620 Bartholomäus, hl. Apostel 641, 773 Bartholomaios I. Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch 760 f., 771 f„ 967 Baum, William Wakefield Kardinal-Pönitentiar 625 Baziak, Eugeniusz (| 1962) Erzbischof von Lviv 383 Beato Angelico [Fra Angelico = Guido di Pietro] (| 1455), italienischer Maler 668, 692 Beethoven, Ludwig van (1770-1827) deutscher Komponist 672 Bela IV. (Arpaden-Dynastie) (| 1270) König von Ungarn und Kroatien, Bruder der hl. Elisabeth 389 Belo SDB, Carlos F. Ximenes Apostolischer Administrator von Dili 798, 1291 Benedikt XIII., Papst (1724-1730) 568 Benedikt XV., Papst (1914-1922) 567, 1296 Benedikt von Nursia, hl. Schutzpatron Europas, Begründer des westlichen Mönchtums 19,74, 406, 653, 779-781, 831, 841 £, 853, 993 Berlioz, Louis Hector (1803-1869) französischer Komponist 672 1424 REGISTER Bemini, Giovanni Lorenzo (1598— 1680), italienischer Baumeister, Bildhauer und Maler 672 Bertello, Guiseppe Apostolischer Nuntius, Leiter der Delegation des Hl. Stuhls bei der außerordentlichen Sitzung der UNO-Menschenrechtskommission in Genf 1290 Bertone SDB, Tarcisio Erzbischof em. von Vercelli, Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre 1188 Berträn, Cirilo, hl. 964-967 Bette, Andrew, Fürst Großmeister des Souveränen Malteser-Ritterordens 754 Birgitta von Schweden, hl. Mitpatronin Europas 158,830-838, 841 f., 853, 948-950, 984, 993,1062 Boas, Ehemann von Rut (vgl. Buch Rut) 579 Bobola, Andreas, hl. 345 Bobowski, Wladislaw Weihbischof in Tamow 389 Bojanowski, Edmund von, sei. 80, 323, 355, 358-360, 401 Boleslaw V., Herzog von Polen (| 1279), Gatte der hl. Kinga 80, 391 Bonaventura OFM, hl. (t 1274) Kardinal und Kirchenlehrer 384, 668 Bonetti, Renzo Leiter des internationalen Amtes für die Familienpastoral der Italienischen Bischofskonferenz [CEI] 578 Bonifatius (Bonifaz) VIII., Papst (1294-1303) 154,998 Borromini, Francesco (f 1667) Schweizer Architekt in Rom 672 Botticelli, Sandro (1444/5-1510) [Alessandro di Mariano Filipepi], italienischer Maler 986 f. Bourgeoys, Marguerite, hl. (f 1700) 1077 Bozanic, Josip Metropolitanerzbischof von Zagreb 1093 Brakemeier, Gottfried ehemaliger Präsident des Lutherischen Weltbundes 982 Bramante [Donato di Pascuccio d’ Antonio] (f 1514), italienischer Baumeister 672 Bronislawa, sei. (f 1259) 390 Brebeuf SJ, Jean de, hl. (| 1649) Missionar und Märtyrer 1077 Buddha 1155 Buisson de St. Cosme SJ, Jean Frangois (1707 ermordet), französischer Missionar in St. Louis 223 Buranelli, Francesco Direktor der Vatikanischen Museen 986 Bush, George Präsident der Vereinigten Staaten 1300 Cacciavillan, Agostmo, Erzbischof Präsident der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls 799 Cäcilia, hl. 841 Caffarra, Carlo Erzbischof von Ferrara 789 1425 REGISTER Calabria, Giovanni, hl. 682-685 Canoura Amau, Emmanuel CP [Inocencio de la Immaculada], hl. (t 1934), spanischer Märtyrer 964-967 Careggio, Alberto Bischof von Chiavari 405 Cassianus, Johannes, Mönche und christlicher Schriftsteller 233 Cassidy, Edward Idris, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 10, 724, 773, 967, 1309,1331 Castrillön Hoyos, Dario, Kardinal Präfekt der Kongregation für den Klerus 985 Celli, Claudio Maria, Erzbischof Sekretär der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls 799 Champagnat, Marcellin Benoit, hl. 50, 682-685 Chatrapati Shivaji [Shivaji Maharaj] (| 1680), bedeutender Herrscher Indiens 430 Chenu OP, Marie-Dominique (t 1990) 674 Chinezu, Tit Liviu (| 1955) griechisch-katholischer Bischof und Märtyrer in Rumänien 249 Chmielöwski, Albert, hl. 82, 376 Chodzinska, Maria 398 Chrapek CSMA, Jan Weihbischof in Thom [Torun] 303 Chuanguira Machado, Manuel Bischof von Gurue 1113 Ciampi, Carlo Azeglio Präsident der Italienischen Republik 714,809,848 Cicero 819, 824 Ciesielski, Jerzy (f 1970) Diener Gottes in Krakau 382 Clemens VIII., Papst (1592-1605) 810 Clemens X., Papst (1670-1676) 505 Clemens von Rom, hl. 444 Clinton, Bill 42. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (1993-2001) 16 Cob Garcia, Rafael Titularbischof von Cerbali und Apostolischer Vikar von Puyo in Ecuador 473 Columban, hl. 1062 Comgall, hl. 1062 Constantinescu, Emil Präsident Rumäniens 63 Cordes, Paul Josef, Erzbischof Präsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ 722 Cori OFM, Tommaso da, hl. (f 1729) 162 Crispinus, hl. 84 Cristöbal, sei. Märtyrer von Tlaxcala 205 Cuauhtlatohuac [Juan Diego], sei. (| 1548), Indianer 189,205 Cyprian, hl. 264,1031 f. Cyriacus, hl. 266, 268 f., 271 Czeslaw OP, sei. (| 1242) 345 1426 REGISTER Czezowski, Tadeusz (f 1981), polnischer Philosoph und Professor 299 da Cori OFMObs, Thomas, hl. (1655-1729) 964-967 da Gama, Vasco Graf von Vidigueira (f 1524), portugiesischer Seefahrer 1113 da Silveira, Gonalo 1117 Dankowski, Piotr, sei. 381 Dante Alighieri (1265-1321) italienischer Dichter 671,692 Darwin 1290 David, König 12, 90,132, 648 f., 1161,1179 Davion SJ, Antoine französischer Missionar in St. Louis 223 de Bonis, Donato (| 2001) Titularbischof von Castello di Numidia; Prälat des Souveränen Malteser-Ritterordens 754 de Lastic, Alan Basil Erzbischof von Delhi 160,421, 425 De Luca, Antonio Saverio (| 1883), Kardinal; Präfekt der Kongregation für die Studien 567 Dembowski, Bronislaw Bischof von Leslau 292 Demetrius, hl. 262 de Montigny SJ, Frangois Jolliet, Generalvikar, französischer Missionar in St. Louis 223 Demski, Wladislaw, sei. 287 de Nobili SJ, Roberto (| 1656), Indienmissionar 903 de Quiroga, Vasco (| 1565) 1. Bischof von Michoacan 189, 205 D'Errico, Alessandro Apostolischer Nuntius in Pakistan 473 Deskur, Andrzej Maria, Kardinal, Präsident em. des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikations-mittel 173, 608 de Victoria, Tomäs Luis (1548-1611), einer der bedeutendsten spanischen Komponisten 672 Diego, Juan [Cuauhtlatohuac], hl. (t 1548), Indianer in Mexiko 502 Diez OAR, Jose Ricardo, sei. (| 1936) Märtyrer von Motril 28, 616, 618 Dini, Armondo Erzbischof von Campobasso-Boiano 84 Diognet 570 Diokletian, römischer Kaiser (284-305) 295 Diokletius Märtyrer von Osimo 266 Dionysius Exiguus (f ca. 540) Begründer der heutigen christlichen Zeitrechnung; Dekretalensammlung und Sammlung von Konzilsbeschlüssen 233 Dlugosz, Antoni Jözef Weihbischof in Tschenstochäu [Czgstochowa] 400 Dlugosz, Jan [Johannes Longinus] (| 1480), polnischer Historiker und Diplomat 345, 381 1427 REGISTER Dominikus [Domingo de Guzman], hl., (•jT221), Begründer des Dominikanerordens 834 Do Nascimento, Basilio Apostolischer Administrator von Baucau in Osttimor 798 Dorothea von Montau [Matowy], sei. (t 1394) 287 Dostojewski), Fjodor (f 1881) russischer Schriftsteller 642 Duchesne, Philippine Rose, hl. (t 1852) 224 Dung-Lac, Andreas [Dung An Trän], hl. (| 1839), vietnamesischer Märtyrer 422, 943 Durcovici, Antonio (1888-1951) Bischof von Iasi 244 Dyba, Johannes Erzbischof von Fulda 22 Dydcz, OFM Cap, Antoni Pacyfik Bischof von Drohiczyn 317 d'Youville, Marguerite [Marie-Marguerite Duffost de Lagemme-rais], hl. (t 1771), Gründerin der Kongregation der „Grauen Schwestern“ 1077 Echevarria, Javier Großkanzler und Prälat des Opus Dei 730 Eder, Georg Erzbischof von Salzburg 142 Edith Stein, hl. siehe: Teresia Benedicta a Cruce Efraim Sohn Josefs 12 Egeria Pigerin der Antike 7 64 Egger, Wilhelm, Bischof Präsident der Katholischen Bibelföderation 702 Eleasar, alttestamentlicher Märtyrer [2Makk6,18-31] 820 Elijas, Prophet 93, 604 Elisabet, hl. hebr. ,mein Gott ist Fülle4, Frau des Priesters Zacharias, eine Verwandte Marias, sie wurde in hohem Alter Mutter von Johannes dem Täufer 190 f., 291,292, 349 f., 784, 820, 946, 1178 Elisabet von Thüringen, hl. (1207-1231), Patronin von Thüringen und Hessen 389 Elisabeth von Ungarn (f 1380), Regentin in Polen 835 Eminescu, Mihai (| 1889) bedeutender rumänischer Dichter 247 Emmerich [Imre], hl. (| 1031) Prinz von Ungarn 389 Ephräm der Syrer, hl. (| 373) Schriftsteller und Kirchenlehrer 669, 819 Escrivä, Josemaria, sei. Gründer des Opus Dei 730 f. Eustachius von Mtskheta, hl. 434 Evdokimov, Pavel orthodoxer Theologe 319 Ezechiel, Prophet 120,136 1428 REGISTER Farina, Raffaele Präfekt der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek 484 Felicitas, hl., Märtyrin 841 Festorazzi, Franco Erzbischof von Ancona-Osimo 265,268 Florenskij, Pavel [Pawel Alexandrowitsch] (t 1937), russischer Religionsphilosoph 671 Florentius, hl. (| 303) Märtyrer von Osimo 266 Florian, hl. 363 Foley, John Erzbischof, Präsident des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel 608 Follereau, Raoul (| 1977), „Apostel der Leprakranken” 14 Föscolos, Nikolaos, Erzbischof von Athen, Präsident der Griechischen Bischofskonferenz 1050 Francisco Hirtenkind von F atima 1125 Frankiewicz, Stefan polnischer Botschafter beim Hl. Stuhl (1996-2001) 70 Franz von Assisi, hl. 31, 58,77, 668, 704 f., 708 f., 764,796 f., 862,923 Franz von Sales, hl. 720 Franz Xaver, hl. 884, 972 Frelichowski, Wincenty (1913-1945), sei. 80, 303 f., 306, 322,325,401 Frentiu, Valeriu Traian (f 1952) Bischof von Oradea Mare in Rumänien 249 Gabriel Erzengel 190 Gärski, Karol, Historiker aus Wilna 299 Galassi, Gioanni Botschafter der Republik San Marino 476 Ganda, Joseph Henry Erzbischof von Freetown 13 Gandhi, Mahatma [Mohandas Karam-chand] (f 1948), gewaltloser Freiheitskämpfer für die Unabhängigkeit Indiens 430, 861 f. Gembicki, Wawrzyniec (f 1624) Erzbischof von Gnesen [Gniezno] 340 George OMI, Francis Eugene, Kardinal Erzbischof von Chicago 597 Gesturi, Nicola da, sei. 842-845 Ghirlandaio, Domenico [Domenico di Tommaso Curradi di Doffo Bigardi] (f 1494), florentinischer Maler (Sixtinische Kapelle) 986 f. Gioia, Francesco, Erzbischof Sekretär des Päpstlichen Rates der Seelsorge für Migranten und Menschen unterwegs 1180 Giordano, Michele, Kardinal Erzbischof von Neapel, Präsident der Bischofskonferenz von Kampanien 409 Giotto [di Bondone] (| 1337) italienischer Maler und Baumeister 692 1429 REGISTER Glemp, Jözef, Kardinal Primas von Polen, Erzbischof von Warschau [Warszawa] 70,403 Glödz, Slawoj Leszek Militärbischof in Polen 70 Gnidovec CM, Janez (f 1939) Bischof von Skopje 413 Goclowski CM, Tadeusz Erzbischof von Danzig [Gdansk] 278 Golebiowski, Piotr (| 1980) Apostolischer Administrator von Sandomierz 345 Gonzales Nieves, Robert Octavio Erzbischof von San Juan de Puerto Rico 1126 Goral, Wladyslaw, sei. Bischof von Lublin 325, 359 Gorbatschow, Michail Präsident der „Gorbatschow-Stiftung“ 686,1300 Gore, Al [Albert] amerikanischer Vizepräsident 230 Gorgasali, Vakhtang [5. Jahrhundert] georgischer König 432 Gramick SSND, Jeannine 1185-1188 Granat, Wincenty (f 1979) Professor in Lublin 345 Graziano, Giancarlo, Msgr. 646 Gregor der Große, hl., Papst (590— 604) 670,779,1088 Gregor XIII., Papst (1572-1585) 971 Gregor XV., Papst (1621-1623) 884 Gregor XVI., Papst (1831-1846) 568 f., 835 Gregor von Nazianz, hl. Kirchenlehrer 669, 824 Gregor von Nyssa, hl. 33,424,1161 Gregorios der Erleuchtete, hl. 641, 775 Grozde, Lojze (1923-1943), slowenischer Märtyrer 413 Grzymislawa (1227-1228) 390 Gulbinowicz, Henryk Roman, Kardinal, Erzbischof von Breslau [Wroclaw] 70 Gutiu, Gheorge Bischof von Cluj-Gherla in Rumänien 246 Guizar, Rafael Valencia, sei. (| 1938) Bischof von Veracruz-Jolapa (Mexiko) 205 Händel, Georg Friedrich deutscher Komponist 672 Haller, Bruno Sekretär der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 651 Hamao, Stephen Fumio, Erzbischof Präsident des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs 757 f., 1180 Hedwig von Schlesien, hl. (f 1243), Herzogin, Patronin von Polen und Schlesien 82,308,311,345, 379 f., 382, 388-390 Herranz, Julian Titularerzbischof von Vertara, Präsident des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten 1191 1430 REGISTER Hesselblad, Elizabeth, sei. (| 1957) 948 Hickey, James, Kardinal Erzbischof von Washington 1185 Hieronymus, hl. 819 Hilario, Jaime, hl. 965 Hilarius von Poitiers, hl. 669 Hiob 667 Hitler, Adolf 117,295 Honorius III., Papst (1216-1227) 796 Hossu, Juliu (1885-1970), Kardinal Bischof von Cluj-Gherla (Rumänien) 63,244,249 Humikiewicz, Artur, Professor für Literaturwissenschaft aus Lemberg in Thom [Torun] 299 Hus, Jan (f 1415) 989-991, 994 Husar, Lubomyr Weihbischof in Lviv 312 Hyazinth [Jacek], hl. (| 1257), Slawenapostel 345, 390 Iakovos von Krinis, Metropolit Griechisch Orthodoxer Bischof in Chicago 597 Ignatius von Antiochien, hl. 270, 466, 587, 828, 1009 Ijob, Prophet 38 Ilia II., Patriarch von Georgien Erzbischof von Mzcheta-Tiflis 158,160,437,448 Inchausti OAR, Leon, sei. (| 1936) Märtyrer von Motril 28,616, 618 Inocencio de la Immaculada CP [Emmanuel Canoura Amau], hl. (t 1934) spanischer Märtyrer 964—967 Irenäus von Lyon, hl. (gest. um 202) Kirchenvater 34 Isaak Sohn Abrahams 38 Isidor von Sevilla, hl. (f 633) 84 Izjaslao-Demetrios getauft am Dnjeprufer 1140 Jacinta Hirtenkind von Fatima 1125 Jakob, Erzvater 288,1160 Jakobus, hl. Apostel, Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes 95 f., 150, 972 Januarius, hl. 84 Jaricot, Pauline (f 1862), Mitgründerin des Kindheit-Jesu-Vereins 147 Jaworski, Marian Erzbischof von Lviv, Präsident der Ukrainischen Bischofskonferenz 1140 Jeanne d'Arc [Johanna von Orleans], hl. (| 1431), Märtyrin und Patronin Frankreichs 1231 Jefferson, Thomas 3.Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (1801-1809) 215 Jeremia Prophet 108,136,1166 1431 REGISTER Jeremias [Kaligiorgis] griechisch-orthodoxer Metropolit von Frankreich 968 Jesaja Prophet 12,43, 51, 56, 76, 101, 104,108,149,151, 171,173,227, 318,474,589, 659 f., 849, 896, 981, 996,1000 Joachim, hl. 95 f. Joel, Prophet 591 Jogues SJ, Isaak (| 1646), Indianermissionar in Kanada 1077 Johanna von Neapel 835 Johannes, hl., Apostel und Evangelist, Bruder des Jakobus 9, 25,29 f., 73 f., 91 f., 111, 136,153,222,252, 300, 318, 351, 385,426, 570, 584, 631, 656, 659, 679, 784 f., 950, 998, 1000,1086,1311 Johannes XXIII., Papst (1958-1963) 736, 1334 Johannes Chrysostomus, hl. 45, 934, 1111 Johannes der Täufer 6,115,167, 171,349,475, 736, 754 f., 1174 Johannes von Damaskus, hl. 1083 Johannes von Gott, hl. (f 1550) Gründer des Ordens der Barmherzigen Brüder 965 Johannes von Matha, hl. Gründer der Trinitarischen Familie 786-788 Johnston, Lord Russell Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 651 Jolante, sei. (f 1292), Schwester der hl. Kinga, Stifterin des Klarissenklosters in Alt-Sandecz 389 f. Jona, Prophet 1076 Jop, Franciszek Weihbischof in Sandomierz 345 f. Jordan SDS, Johann Baptist [Franziskus Maria vom Kreuz] Gründer der Gesellschaft des Göttlichen Heilandes [Salvatorianer] 634 Josaphat, hl. 316 Josef(AT) 37 Josef, hl. Pflegevater Jesu, Schutzpatron der Arbeiter 25, 35, 174,439, 614, 631, 634-637, 821, 972, 996,1088 Juan Diego [Cuauhtlatohuac], sei. (t 1548), Indianer 189, 205 Juan, sei. Märtyrer von Tlaxcala 205 Judas, Verräter 40 Justin, hl. Märtyrer und Philosoph 56, 961 Justinian, römischer Kaiser ("f 565) 669 Juszczak OSBM, Wlodzimierz Roman, Bischof von Breslau-Danzig [Wroclaw-Gdansk] des byzantinisch-ukrainischen Ritus 312 Kaczmarek, Lech (f 1984) Bischof von Danzig [Gdansk] 278 Kaczorowski, Ryszard letzter polnischer Exilpräsident (1989-1990) in London 70 1432 REGISTER Kadlubek, Wincenty, sei. 345, 381 Kafka, Restituta, sei. Franziskanerin von der christl. Liebe 863-865 Kaligiorgis Jeremias griechisch-orthodoxer Metropolit von Frankreich 968 Kalinowski OCD, Raphael vom hl. Josef [Jözef], hl. (t 1907) 382, 395 Kallinikos von Tschemica, hl. Mönch und Bischof von Rimnicu-lui in Rumänien 252 Kamasis Märtyrer 233 Kanty, Jan [Kety, Johannes], hl. (f 1473), Professor für Theologie in Krakau 380 f. Karekin I. Höchster Patriarch und Katholikos aller Armenier 88, 638, 640, 772 Karl der Große, Kaiser (768-814) 985 Karl V., König von Frankreich (1364-1380) 835 Karl von Durazzo [Karl II. von Ungarn (1385-1386)] 835 Kamkowski, Stanislaw (t 1603) Erzbischof von Gnesen [Gniezno] 340 Kasimir, hl. 308, 382 Kasparian ICPB, Jean Pierre XVIII., Patriarch von Kilikien der armenischen Katholiken im Libanon 62, 638 Kasper, Walter, Bischof Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 967 Katharina von Siena, hl. (| 1380) Mitpatronin Europas 357, 830-838, 841 f„ 853, 949, 993 Kazimierczyk, Stanislaus, sei. (1433-1485) 382 Keeler, William Henry, Kardinal Erzbischof von Baltimore, Vorsitzender des Bischofskomitees für Initiativen zugunsten des Lebens 598 Kern, Jakob, sei. 863 Ketevan, Märtyrin Königin von Georgien 434 Kierocinsky, Teresa Mutter 375 Kim Taegon, Andreas, hl. (f 1846) erster Katholischer Priester Koreas 422, 943 Kinga [Kunigunde], hl. (| 1292) polnische Herzogin, als Witwe Klarissin in Nowy S^cz 80, 322, 388-393,401 Klara von Assisi, hl. (| 1253), Gründerin des Klarissenordens 797, 844 Kleanthes (| ca. 232 v. Chr.) griechischer Philosoph und Dichter 8 Klemens VIII., Papst (1592-1605) 350 Klemens XI., Papst (1700-1721) 568 1433 REGISTER Klemens XIV., Papst (1769-1774) 568 Klopotowski, Ignacy, sei. (f 1931) Gründer der Kongregation der Loreto-Schwestem 364 Kluger, Jurek [Jerzy], jüdischer Freund von Johannes Paul II. 398 Kochanowski, Jan (f 1584) polnischer Dichter 380 Kocharian, Robert Präsident der Republik Armenien 637 Kolankowski, Ludwik (f 1956), Professor, Historiker und 1. Rektor der Universität Thom 299 Kolbe, Maximilian, hl. 297,464 Komenan Yao, Vital Erzbischof von Bouake (Elfenbeinküste) 1040 Konarski SP, Stanislaw [Hieronim Franciszek] (| 1773), Pädagoge, Vordenker der polnischen Aufklärung 368 Konstantin, Kaiser (f 337) 669 Kopemikus, Nikolaus 299 f., 303, 380 Kornelius Hauptmann 109 Kothgasser, Alois Bischof von Innsbruck 600 Kotlarczyk, Mieczyslaw, Regisseur und Direktor des Rhapsodie-Theaters in Wadovice 398 Kowalska, Faustina, hl. (f 1938) polnische Mystikerin 46, 382 Kozal, Michal (f 1943 im KZ Dachau) Weihbischof in Wloclawek 294, 368 Kozlowiecki SJ, Adam (| 2007), Kardinal, Erzbischof von Lusaka 294 Kramberger, Franc Bischof von Maribor 413,418 Kraszewski, Zbigniew Jözef (f 2004) Weihbischof in Warszawa-Praga 70 Krause, Dr. Christian, Landesbischof Präsident des Lutherischen Weltbundes 982, 1309 Krölikiewiczowa-Kwiatkowska, Halina aus Wadowice 398 Krupa, Piotr Weihbischof und Generalvikar in Pelpin 282 Krzywicki, Michal Apostolischer Administrator von Pinsk 317 Kuharic, Franjo, Kardinal Erzbischof em. von Zagreb 1094 Kusz, Gerard Weihbischof in Gleiwitz [Gliwice] 385 Kyrillos, hl. Mitpatron Europas, Apostel der Slawen 19, 653, 729 £, 831, 841 f., 853, 993 1434 REGISTER Ladislawa, hl. 389 Laghi, Pio, Kardinal Präfekt der Kongregation für das katholische Bildungswesen, „Kardinalpatron“ des Ritterordens vom Hospital des hl. Johannes zu Jerusalem 754, 806, 846 Lajolo, Giovanni, Erzbischof Apostolischer Nuntius in Deutschland 1288 Lam Ka Tseung, Domingos Bischof von Macau 971 Lament, Boleslawa, sei. 368 Langa, Adriano Weihbischof in Maputo 1113 Laurentius von Novae 233 Lazarus 25, 827, 870 Lazarus der Bettler 926 Lebeaupin, Alain Apostolischer Nuntius in Ecuador 473 Lehmann, Karl Bischof von Mainz, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz 733,963,1195 Leo I. (der Große), hl., Papst (440-461) 810 f. Leo III., hl., Papst (795-816) 485 Leo XIII., Papst (1878-1903) 81, 307, 327-329,485, 566 f., 1295 f. Leonard, Andre-Mutien Bischof von Namur 604 Leonhard (von Noblat), hl. 84, 379 Leoni, Luigi Architekt des „Santuario del Divino Amore“ 777 Leopardus (Leopardo) 266,271 Leszczynski, Mariusz Weihbischof in Zamosc-Lubaczow 350 Levi 468 Lewoniuk, Wincenty, sei. 313 Liberius 266 Lienhard, Marc, Professor Präsident der Lutherischen Kirche des Elsaß 487 Lindbergh, Charles (f 1974), Pilot 215 Liszt, Franz (f 1886) ungarischer Komponist 672 Lizares Estrada, Jose Weihbischof in Monterrey 201 Lopez Rodriguez, Nicoläs de Jesus, Erzbischof von Santo Domingo, Vorsitzender der Bischofskonferenz der Dominikanischen Republik 1036 Lopez Trujillo, Alfonso, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie 578, 742, 789, 973 Lozano Barragän, Javier Präsident des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst 957 Lubich, Chiara Begründerin der Fokolarbewegung 740 Lubienski, Maciej (f 1652) Erzbischof von Gnesen [Gniezno] 340 Lucia, hl., frühchristliche Märtyrin aus Syrakus 841 Ludwig I. (der Große) [Lajos I. Nagy] König von Ungarn und Polen 835 1435 REGISTER Lukas, hl. Evangelist 26, 56,222, 307, 309, 363,596, 767, 869,1000, 1178 Macchi, Pasquale Privatsekretär Papst Pauls VI. (1963-1978) 691 Macharski, Franciszek, Kardinal Erzbischof von Krakau 377 f., 394, 403 Maciejowski, Bemard (f 1608), Kardinal, Primas von Polen und Erzbischof von Gnesen 340, 381 Mademo, Carlo (| 1629) Baumeister des römischen Frühbarock 672 Magagnin, Massimo Nationalassistent der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls 799 Maharaj, Shivaji [Chatrapati Shivaji] (t 1680), bedeutender Herrscher Indiens 430 Maida, Adam, Kardinal Erzbischof von Detroit 1185 f. Makarios der Große (f um 390) 668 Makhweliha SCI, Tome Bischof von Pemba [Zanzibar] 113 Maleachi, Prophet 43 Malinvaux, Edmond Präsident des Päpstlichen Rates für Sozialwissenschaften 611 Malysiak CM, Albin Weihbischof em. in Krakau [Krakow] 378, 394 Mancuso, Salvatore, Professor der Gynäkologie in Rom 811 Manoogian, Torkom II. armenischer Patriarch von Jerusalem 638, 640 Manzoni, Alessandro (f 1873) italienischer Dichter und Schriftsteller 692 Marcelino, Antonio Baltasar Bischof, Vizepräsident der Bischofskonferenz von Portugal 1120 Margareta OP, hl. (f 1270) Schwester der hl. Kinga 389 Maria Aloysius Schwester von den Missionarinnen der Nächstenliebe 206 Maria Magdalena (NT) 84 Maria von Betanien Marias u. Lazarus' Schwester 870 Maria von Magdala 25,499 Maria von Betanien Marias u. Lazarus' Schwester 870 Martin, hl. Bischof von Tours, Patron der Schweizer Garde 713 Martin V., Papst (1417-1431) 998 Martin, Diarmuid Bischof, Sekretär des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Leiter der Delegation des Hl. Stuhls bei der Dritten Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO/OMC) in Seattle 473,1344 Martinez, Salvatore Vorsitzende der katholischen Charismatischen Erneuerung Italiens 740 1436 REGISTER Martino, Renato R., Erzbischof Apostolischer Nuntius und ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei der UNO 1285,1292,1303 Martyniak, Jan Erzbischof und Metropolit von Warschau-Przemysl 312 Martinez, Luis Aponte, Kardinal Erzbischof em. von San Juan 1126 Marusyn, Miroslav Erzbischof, Sekretär der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 799 Mashtots, Mesrop, hl. (| 440), Mönch Begründer des armenischen Alphabets und armenischer Übersetzer 773 Matthäus, hl., Evangelist 40, 198, 279,1311 Matton, Aaron (1896-1980) Bischof von Alba Julia 244 Matulaitis, Jurgis, sei. Erzbischof von Vilnius 308 Maurus, hl. 780 Maximilian, hl. 382 Mazzolari MCCI, Cesare Bischof von Rumbek im Sudan 473 • Mazur, Jan Bischof em. von Siedlce 312 Mazurek OCD, Alfons Maria, sei. (| 1944) 395 Meacci OSB, Mauro Abt des Benediktinerklosters Subiaco 779 Mechthiar von Sebaste armenischer Abt 640 Mejia, Jorge Maria Erzbischof, Archivar und Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche 484 Menni OH, Benedetto, hl. 62, 964-967 Methodios, hl. Mitpatron Europas, Apostel der Slawen 19, 653, 729 £, 831, 841 f„ 853, 993 Michael, Erzengel 84,363, 833 Michelangelo (Buonarroti) (f 1564) italienischer Bildhauer 672, 692, 986 Mickiewicz, Adam (f 1855) polnischer Dichter 81, 678 Micu-Klein, Inochentie (| 1768) Siebenbürgischer Bischof 248 Mieszko I. (t 992), Herzog von Polen 378 Miki SJ, Paul, hl. (| 1597) japanischer Missionar und Märtyrer 422, 943 Mirian, georgischer König (4. Jh.) 161 Misago, Augustin Bischof von Gikongoro 53 Montecorvino OFM, Giovanni da (1247-1328), Erzbischof und Missionar in Kasachstan 903 Monteverdi, Claudio (| 1643) italienischer Kirchenmusiker und Komponist 672 Montini, Giovanni Battista siehe: Papst Paul VI. 1437 REGISTER Mooiakkattu, Mattew Weihbischof des Bischofs von Kottayam der Syro-Malabaren in Indien 473 Moreira Neves, Lucas, Kardinal Präfekt der Kongregation fiir die Bischöfe 1184 Morena OAR, Julian (f 1936), sei. Märtyrer von Motril 28,616,618 Moretti, Luigi Weihbischof, Leiter des Zentrums für die Familienpastoral der Diözese Rom 578 Morissette, Pierre Bischof von Baie-Comeau 1069 Mose(s) 11,43,51,101,136,223, 229, 765 f., 874, 987,1222,1318 Mozart, Wolfgang Amadeus (f 1791) österreichischer Komponist 672 Müller, Manfred Bischof von Regensburg 619 Muntoni, Caterina 646 Mure?an, Lucian Erzbischof von Fägära§ und Alba Julia, Präsident der Bischofskonferenz von Rumänien 64,233, 240,247,256 Mussinghoff, Heinrich Bischof von Aachen 985 Muszynski, Henryk Erzbischof von Gnesen [Gniezuo] 294 Mutter Teresa von Kalkutta 118, 428, 861 f., 881 Natan, Prophet 12, 648,1161 Nehemia, Prophet 776 f. Nero, römischer Kaiser (54-68) 295 Nerses IV. (Shnorhali = der Gnadenvolle), erster Katholikos von Kili-kien 640,774 Nerses von Lambron (1153-1198) Bischof von Tarsos 640 Nersessian, Der Nerses (f 2006) 1. armensich-katholischer Bischof „Erzbischof von Sebaste der Armenier“ 440 Niketas von Remesiana, hl. 233, 239 f. Nikodemus 821 Nikolaus, hl. Bischof von Myra 84 Nikolaus III., Papst (1277-1280) 691 Nikolaus V., Papst (1447-1455) 485 Nikolaus von Flüe [Bruder Klaus] (t 1487), hl., Patron der Schweizer Garde 713 Nikolaus von Kues, Kardinal 664 Nino, hl. (| 361), Katechetin in Georgien 161,432,434 Nobou, Auguste Erzbischof von Korhogo, Vorsitzender der Bischofskonferenz der Elfenbeinküste 1040 Noko, Ismael, Dr. Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes 1332 Nonnatus, Raimund, hl. 596 Noomi Schwiegermutter der Rut 578 f. Norwid, Cyprian polnischer Dichter der Romantik 299, 364, 394, 665 f„ 677 1438 REGISTER Nowak, Jan Wiktor Bischof von Siedlce 312 Nowak, Stanislaw Erzbischof von Tschenstochau [Cz^stochowa] 400 Nowicki, Edmund (f 1971) Bischof von Danzig [Gdansk] 278 Nowowiejski, Antoni Julian Erzbischof von Plock 359 Nowowiejski, Julian, sei. 325 Ntamwama, Simon Vorsitzender der Bischofskonferenz aus Burundi 1012 Nugent SDS, Robert 1185-1188 Nycz, Kazimierz Weihbischof in Krakau [Krakow] 378, 394 Oddi, Diego, sei. 842-845 Odrowaz, Hieronymus, hl. 381 f. Odrowaz, Iwo 381 Oiesnicki, Zbigniew 381 Orione, Don Luigi, sei. (f 1940) Gründer der „Piccole Suore Missionarie della Caritä“ 717 f. Orszulik SAC, Alojzy Bischof von Lowicz 367 Otunnu,, Olara Sondervertreter des Generalsekretärs der UNO für Kinder und bewaffnete Konflikte 1303 Ovid [Publius Ovidius Naso] (f ca. 18 n. Chr.), römischer Dichter 822 Oviedo Cavada O.de M., Carlos (t 1998), Kardinal, Erzbischof von Santiago de Chile 947 Pagano, Sergio Präfekt des Vatikanischen Geheimarchivs 484 Palacios OAR, Deogracias (| 1936), sei., Märtyrer von Motril 28,616, 618 Palazzini, Pietro, Kardinal Gründer des „Istituto Superiore di Scienze Religiöse aH'Apollinare“ 730 f. Palestrina, Giovanni Pierluigi [Sante da Palestrina] (f 1594) italienischer Kirchenmusiker 672, 692 Papandreou, Damaskinos Metropolit der Schweiz und Exarch von Europa 968 Paramahamsa, Ramakrishna (1836-1886), spiritueller Lehrer 430 Pascal, Blaise (t 1662) Mathematiker, Philosoph 299, 346 Pascoli, Plinio, Msgr. (f 1999) Weihbischof in Rom, Rektor des Römischen Priesterseminars 697 Pasotto CSS, Giuseppe, Apostolischer Administrator von Caucaso (Armenien) 431,440,442,446 Patrick, hl.(t um 461), Patron Irlands 1062 Paul V., Papst (1605-1621) 485, 810 Paul VI., Papst (1963-1978) 68,103, 155, 315, 328, 331, 435, 485, 489, 493 f., 500, 503, 510, 556, 578, 641, 673, 690-692, 702, 774, 861, 899, 904, 914, 918 f., 1030, 1057, 1075 f., 1086, 1088,1227,1298 Paulinus von Nola, hl. (f 431) 669 f. 1439 REGISTER Paulus von Tarsus, hl., Apostel 7, 10, 22,24,26,30, 34,37,48,51, 60, 67, 73, 76, 85-88, 91, 93,101, 104,109,114,127,129,137, 145 f., 150,172,184,190,192, 201, 212, 217, 235, 249 f., 252, 260, 266 f., 270, 272, 277, 279-281, 283,294, 303, 311, 316, 319, 348, 353, 357, 367 f., 371, 375, 380, 383, 386, 391, 396,431,440, 446 f., 475,491,499,514, 571, 589, 616 f., 629 f., 635, 643, 656, 668, 676, 712, 715, 737, 742, 746, 760, 767, 770-772, 774, 808, 811, 821, 827 f., 844, 846, 863, 869, 871,889, 899, 902, 962,964 f., 967, 977, 996, 999 f., 1007, 1011 f., 1016 f., 1023,1031, 1036, 1040, 1050, 1056,1080 f., 1088, 1093, 1108, 1112, 1120,1125,1135, 1144,1158, 1162, 1167,1203, 1223 f., 1243, 1289, 1311 f., 1342 Pavle [Gojko Stojcevic], serbischer Patriarch, Metropolit von Belgrad 681 Pawela Priester in Wadowice 394 Pennacchio, Salvatore Apostolischer Nuntius in Ruanda 473 - Perko, Frank, Erzbischof Präsident der Jugoslawischen Bischofskonferenz 487, 685 Perpetua (f 203), Märtyrin 841 Perugino [Pietro di Cristoforo Vannucci] (f 1523) italienischer Maler der Renaissance, Lehrer Raffaels 986 f. Petrus (Simon Petrus, Kephas), hl., Apostel 45, 85-88, 109,125, 187, 198,204,250, 255,262, 394,404, 410,412,440,444,446 f., 626, 679, 712, 729, 751, 760, 766 f., 770-772, 776, 810 f., 821, 852, 860, 869, 871, 967, 977, 987, 991 f., 999 f., 1011,1017, 1022-1024,1040,1050, 1056,1080, 1093,1112, 1120,1125, 1135, 1144,1223 f., 1228,1289 Philippos rumänischer Märtyrer 233 Philippus, Apostel, hl. 9,466,472 f., 631,633 Phokylides griechischer Dichter 822 Pierro, Gerardo Erzbischof von Salemo-Campagna-Acemo 409 Pietrantoni, Agostina Livia, hl. Ordensschwester 50, 682-685 Pinilla OAR, Vincente (t 1936), sei. Märtyrer von Motril 28, 616, 618 Pinturicchio [Bernardino di Betto di Biagio] (f 1513) italienischer Maler 691, 986 Pio da Pietrelcina OFMCap [Francesco Forgione], sei., [Pater Pio] 58 f., 703-709 Pius IX., Papst (1846-1878) 687 f. Pius X., hl., Papst (1903-1914) 328, 567 Pius XI., Papst (1922-1939) 328, 485, 567,1296 Pius XII., Papst (1939-1958) 328, 462, 777,1296 f., 1301 1440 REGISTER Plazidus, hl. 780 Plunkett, Oliver, hl. 1062 Pomodimo, Paulin Bischof von Bossangoa, Päsident der der Zentralafrikanischen Bischofskonferenz 1144 Popa, Anghel Atanasio 248 Popieluszko, Jerzy 295 Poppe, Edward Joannes Maria, sei. (t 1924), Förderer der Eucharistieverehrung 135,842-845 Poupard, Paul, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Kultur 482, 806, 960,969 Prandota, Jan (f 1266) Bischof von Krakau 391 Primian, hl. (4. Jh.) erster Bischof von Ancona 266 Pro, Miguel, sei. 205 Prochownik, Leonard Pfarrer in Wadowice 394, 397 Protmann, Regina, sei. Gründerin der Katharinenschwes-tem 80, 92,287, 323, 355, 357, 359 f., 401 Prudentius [Aurelius Prudentius Clemens] (f ca. 405) christlicher Dichter 669 Pujats, Jänis Erzbischof von Riga 1103 Puljic, Vinko, Kardinal Erzbischof von Vrhbosna 1007 Quetzalcoatl, Ce Acatl Topiltzin (t ca. 1000), Priesterkönig der Tolteken 207 Rada OAR, Jose (| 1936), sei. Märtyrer von Motril 28, 616, 618 Radhakrishnan, Sarvepalli (1888— 1975) 2. Staatspräsident von Indien 430 Raffael (Santi), (f 1520) italienischer Maler und Architekt 672, 691 Ramousse, Yves, Bischof Vorsitzender der Bischofskonferenz von Laos und Kambodscha 1098 Ratti, Achille siehe: Papst Pius XI. Ratzinger, Joseph, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre 129,1188 Redrado Marchite, Lose Luis Bischof, Sekretär des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst 473 Riccardi, Andrea Dr. Begründer der Communitä di Sant’ Egidio 740 Riccardini, Giacomo Bischof 266 Ricci SJ, Matteo (1552-1610) Begründer der Chinamission 903 Rigali, Justin Erzbischof von Saint Louis 16, 215, 223, 226 f. Ritter, Joseph Eimer (f 1967), Kardinal, Erzbischof em. von Saint Luis 223 Riva, Clemente Weihbischof in Rom 726 1441 REGISTER Rivera Carrera, Norberto Kardinal, Primas von Mexiko 188, 191,213 Robu, Joan Bischof von Bukarest 233,256 Roccacasale OFM, Mariano da, sei. (| 1866) 842-845 Rochus, hl. 84 Romaniuk, Kazimierz Bischof von Warschau-Praga 363 Rosa von Lima, hl. Hauptpatronin Amerikas (1586— 1617) 505 Rosati, Joseph erster Bischof von Saint Louis 223 Rospond Priester in Wadowice 407 Rospond, Stanislaw (1958) Weihbischof em. in Krakau [Krakow] 378,394 Rosselli, Domenico [Domenico di Giovanni di Bartolomeo Rosselli] (t um 1497/98) italienischer Bildhauer und Maler 986 f. Rota, Daniele, Prälat Nationalassistent der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls 799 Rufmus von Aquileia (f 412) Kirchenschriftsteller des Westens 434 Ruggeri OFM, Costantino Maler und bildhauer 777 Ruhuna, Joachim Erzbischof von Gitega 1012 Ruini, Camillo, Kardinal Kardinalvikar, Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz 16, 635, 789, 950 Ruiz, Lorenzo, hl. 422, 943 Rustaveli, Shota georgischer Dichter 433 Rusu, Alexandru (t 1963) Bischof von Maramures (Rumänien) 249 Rut Moabiterin 340, 578-580 Rylko, Stanislaw, Bischof Sekretär des Päpstlichen Rates für die Laien 605 Sabas der Gote (| 372), Märtyrer 233 Sacconi, Antonio Maria, Missionsbischof in China 266 Sadok OP, sei. (t ca. 1260) 345, 390 Sahak I., Bartev [Isaak d. Gr.], hl. (t 439), Katholikos und Begründer der armenischen Schrift, armenischer Übersetzer 773 Salawa, Aniela, sei. (f 1922) 382 Sales, Eugenio de Araujo, Kardinal Erzbischof von Säo Sebastiäo do Rio de Janeiro 608 Salomea, sei. (| 1268) Schwester von Herzog Boleslaw V. 390 Salomo, 3. Herrscher des vereinigten Königreichs Israel 1160 Sänchez Sorondo, Marcelo, Msgr. 611 1442 REGISTER Sapieha, Adam Stefan, Kardinal, Erzbischof von Krakau 381, 383, 1115 Sara, Frau des Abraham 820 Sawa,Hrycuniak, orthodoxer Erzbischof von Warschau und ganz Polen 317,364 Scandaletti, Paolo Präsident des Italienischen Katholischen Presseverbands (UCSI) 803 Schadewaldt, Wolfgang (f 1974), deutscher Altphilologe 8 Schäffer, Anna, sei. (1882-1925) 28, 616-620 Scheele, Paul-Werner Bischof von Würzburg 45 Schewardnadse, Eduard Präsident Georgiens 160 f., 440, 443,448 Schick, Ludwig Weihbischof in Fulda 142 Schleck, Charles A., Erzbischof beigeordneter Sekretär der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Präsident der Päpstlichen Missionswerke 714 Schiembach, Anton Bischof von Speyer 740 Schubert, Franz (f 1828) österreichischer Komponist 672 Schwartz, Anton Maria, sei. 863 Scola, Angelo Rektor magnificus der Päpstlichen Lateranuniversität; Vorsitzender des Päpstlichen Instituts „Johannes Paul II.“ 789, 952 Scott, Dred (| 1858), amerikanischer Sklave 215 Sebastian, hl., Patron der Schweizer Garde 713 Shushanik, hl., georgischer Märtyrer des 5. Jh. 434 Siedliska, Franciszka Jozefa, sei. (t 1902), Gründerin derNazareta-nerinnen 368 Sierra, Manuel Martin, sei. (f 1936) Märtyrer von Motril 28, 616, 618 Signorelli, Luca (| 1523) italienischer Maler (Sixtinische Kapelle) 986 Silkowski, Zbyszek aus Wadowice 398 Silla, Pasquale Pfarrer der Wallfahrtspfarrei „Santuario del Divino Amore“ 777 Silota MAfr, Francisco Joäo Bischof von Chimoio, Präsident der Bischofskonferenz von Mosambik 1113 Silva Henriquez SDB, Raul, Kardinal Erzbischof em. von Santiago de Chile 947 Silvestrini, Achille, Kardinal Präfekt der Kongregation für die orientalischen Kirchen; Präsident der Union der Hilfswerke für die orientalischen Kirchen 755 Simeon Zeuge der Darstellung Jesu im Tempel 821, 828 Simon Petrus siehe: Petrus 1443 REGISTER Sisinius Märtyrer von Osimo 266 Sixtus IV., Papst (1471-1484) 233, 485, 986 Sixtus V., Papst (1585-1590) 485, 691,810 Skalbmierz, Stanislaus von (f 1431) Rektor der Jagiellonen Universität Krakau 380 Skarga SJ [Pow^ski], Piotr (| 1612] Rektor der Universität Vilnius, Hofprediger 336, 380 f. Skorupka, Ignacy Jan (f 1920) polnischer Priester 364 Skucha, Piotr Weihbischof in Sosnowiec 373 Skworc, Wiktor Bischof von Tamöw 389 Slomsek, Anton Martin, sei. (| 1862) Bischof von Lavant-Maribor 413 f., 416-420 Smigielski SDB, Adam Bischof von Sosnowiec 373 Sodano, Angelo, Kardinal Kardinalstaatssekretär 377, 384, 600, 706, 1288 f., Soler OAR, Vincente, sei., (f 1936) Märtyrer von Motril, Generalprior des Augustiner-Rekollekten Ordens 28, 616, 618 f. Solkowski, Zbyszyk aus Wadowice 398 Solovev, Vladimir Sergeevic (f 1900) russischer Religionsphilosoph und Dichter 604 Somalo, Eduardo Martinez, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens 576 Srutwa, Jan Bischof von Zamosc-Lubaczöw 350 St. Cosme SJ siehe: Buisson de St. Cosme SJ, Jean Franfois Stafford, James Francis, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien 605 Stalin [Dschugaschwili], Josef W. (1879-1953), Generalsekretär der KPdSU 295 Stanislaus von Szczepanow, hl. 297, 316,379,381,383 Stefan, hl. (969-1038) König und Patron Ungarns 233, 389 Stein, Edith siehe: Teresa Benedikta vom Kreuz Steinhardt, Nicolae Mönch von Rohia 259 Stephanus, hl. Märtyrer 266 Stepinac, Alojzije, sei. (f 1960) Erzbischof von Zagreb 1094 Sterzinsky, Georg, Kardinal Erzbischof von Berlin 162 Styma, Jan Weihbischof in Tamöw 389 Suciu, Joan (f 1953) griechisch-orthodoxer Bischof 249 1444 REGISTER Suski, Andrzej Wojciech Bischof von Thom [Torun] 303 Swierzawski, Waclaw Bischof von Sandomierz 344 Swjatoslawitsch [Wladimir I.] russischer Großfürst (980-1015) 987 getauft am Dnjeprufer 1140, 1144 Sylvester II., Papst (999-1003) 276 Szarek, Jan Präsident des polnischen ökumenischen Rates 317 Szeremi, Teofilo 248 Szkodon, Jan Weihbischof in Krakau [Krakow] 378 Szlaga, Jan Bemard Bischof von Pelplin 282 Szoka, Edmund Casimir, Kardinal Präsident der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt 690, 986 Szymonowic, Szymon (1558-1629) polnischer Dichter 354 Tadini, Arcangelo, sei. (f 1912) 842-845 Tagore, Gurudeva 430 Teoctist I. [Aräpa§u] (| 2007) 5. Patriarch der Rumänisch-Orthodoxen Kirche 63 f., 231 f., 235 f., 245, 250,260 f. Terenzi, Umberto Gründer des „Santuario del Divino Amore“ 777 Teresa von Kalkutta 118,428, 861 f., 881 Teresia Benedikta vom Kreuz (Edith Stein), Mitpatronin Europas 274, 830-838, 841 f„ 853,949, 993 Tertullian (160-220) einer der bedeutendsten Kirchenlehrer der alten Kirche 1275 Thaddäus, hl., Apostel 641, 773 Theresia von Avila, hl. Kirchenlehrerin 836, 847 Theresia von Jesus, hl. 38 Thiandoum, Hyacinthe, Kardinal Erzbischof von Dakar 608 Thomas, hl., Apostel 33,46, 159, 162, 703, 884 Thomas von Aquin, hl. (um 1226— 1274), Kirchenlehrer 145, 565-568, 605,657, 671, 732 Thouret, Jeanne-Antide, hl. (| 1826) Ordensgründerin 50 Timotheus Schüler des Apostels Paulus 217 Tobit 12,820 Todea, Alexandra, Kardinal Erzbischof em. von Fagaras und Alba Julia 64,234, 240,246 Tomasik, Henryk Marian Weihbischof in Siedlce 312 Tomko, Jozef, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker 714 Torkom II. [Manoogian], armenischer Patriarch von Jerusalem 638,640 Touran, Jean-Louis, Erzbischof Sekretär im Staatssekretariat 1295 1445 REGISTER Tran Dinh Tu, Pierre Bischof von Phil Cuong in Vietnam 473 Trouillard, Luc ehern. Generalsekretär der Caritas Intemationalis 750 Tryphon 56 Turati PSMC, Maria Ortensia Leiterin des Instituts der „Piccole Suore Missionarie della Caritä“ 717 f. Tzadua, Paulos, Kardinal Erzbischof em. von Addis Abeba 700 Ulf Ehemann der Birgitta von Schweden 833 Van Thuan, Francis Xavier Erzbischof, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden 871 f. Vandame SJ, Charles Bischof von N’Djamena, Präsident der Bischofskonferenz des Tschad 1135 Vannucci, Pietro di Cristoforo [Perugino] (t 1523) italienischer Maler der Renaissance, Lehrer Raffaels 986 f. Vargas, Ulises Aurelio Casiano Erzbischof von Mayagüez, Präsident der Bischofskonferenz von Puerto Rico 1126 Vasken I. Oberster Patriarch und Katholikos aller Armenier 641,774 Verdi, Giuseppe (f 1901) italienischer Komponist 672 Vivekananda, Swami [Narendranath Datta] (f 1902) hinduistischer Mönch 430 Vlk, Miroslav, Kardinal Erzbischof von Prag 740,989 von Szczepanöw, Stanislaus, hl. (f 1079), Bischof von Krakau 379,390 Vosnjak OFM, Vendelin (t 1933) 413 Vovk, Anton, Bischof 413 Welitschkowskij, Paisij [Pjotr Iwanowitsch] (1722-1794) Verfasser der kirchenslawischen Philokalie 254 Wesoly, Szczepan, Titular-Erzbischof und Weihbischof in Gnesen [Gniezno] 70 Wetmanski, Jeon, Erzbischof 325 Wetter, Friedrich, Kardinal Erzbischof von München und Freising 619 W^zyk, Jan (1575-1638) Erzbischof von Gnesen [Gniezno] 340 Wieczorek, Jan Bischof von Gleiwitz [Gliwice] 385 Willebrands, Johannes, Kardinal Präsident em. des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen 1333 Wladimir I. [Swjatoslawitsch] russischer Großfürst (980-1015) 987 getauft am Dnjeprufer 1140, 1144 Wlodkowic, Pawel [Paulus Vladimiri] (f 1435), Rektor der Universität Krakau 380 1446 REGISTER Wlodyga Priester in Wadowice 394 Wojtyla, Emilia Mutter von Papst Johannes Paul II. 397 Wouking, Andre, Bischof von Bafoussam, Präsident der Bischofskonferenz von Kamerun 1062 Wresinski, Joseph (t 1988) Begründer der Menschenrechtsbewegung 143 Wysz, Piotr (f 1414) Bischof von Krakau 380 f. Wyszynski, Stefan (| 1981), Kardinal Primas von Polen, Erzbischof von Warschau 80,295,354 £, 369, 388 Zacharias 349, 820 Zachäus 307, 309, 311,468,498, 869,1174 Zacher, Tadeusz Priester in Wadowice 394 Zajac, Jan Prälat in Krakau 394 Zaragoza, Federico Mayor Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur 794 Zawitkowski, Jözef Weihbischof und Generalvikar in Lowicz 367 Zedillo Ponce de Leon, Emesto, Dr. Präsident der Vereinigten Mexikanischen Staaten (1994-2000) 16, 188,194 Zefanja Prophet 1178,1224 Ziemba, Wojciech Bischof von Lyck [Elk] 307 Zotikos (t 250) Märtyrer auf Kreta 233 Zumärraga OFM, Juan de (f 1548) 1. Erzbischof von Mexiko 189, 205 Zyprian [Cyprian], hl.(| 258) Bischof von Karthago 366 1447 REGISTER Länder- und Ortsregister Abchasien 437,448 Abendland 261 Abendmahlssaal 71,158,261, 304, 355, 364, 378,410 Abruzzen 135 Addis Abeba 700 Ägypten 51,136,145, 344, 571, 661,667,766, 898,1224 Äthiopien 27,75,138,479, 700 f., 884 Affile [Gemeinde der Region Latium, Italien] 779 Afrika 16,27, 53, 59,182,207,264, 294,426,479,496, 680, 686, 824, 839, 872, 874, 978,1016,1041-1047,1063,1067,1090,1117 f., 1130,1136, 1207,1274 - Horn von Afrika 53 - Ost-Afrika 138 Aglona - Marienheiligtum in Lettland 1103 Alaska 188 Alba Julia und Fägära§ - Erzbistum 64,233 f., 240,244, 256 Albanien 42,478,661 Alberta (Kanada) 1084-1088 Algerien 478 Alpen 407 Alt-Sandecz [Stary Sacz] 80, 276, 322,388, 391,401 Altötting 138 Amalfi 833 Amazonas 193 Ambon 32 - Insel 113 Amerika 10, 16-18,188 f., 191-197, 202,204-217,220,224,226 f., 229 f., 426,473,493-564,, 598 f„ 839, 874,1002,1075,1079,1129, 1276 - Lateinamerika 191,196,223,680, 872,1274 - Mittelamerika 17 - Nordamerika 17,192 - Südamerika 17, 191, 192 - Vereinigte Staaten von Amerika 10,14,16-18,225-227, 598 f., 1187 - Zentralamerika 192,196 Anatuja (Argentinien) 267 Ancona 263 f., 267, 272 Ancona-Osimo - Erzbistum 263, 265 Andalusien 618 Anden 193 Angola 4, 53,109-111,479,1303 Antiochien 884 Aosta 405,408 Aostatal 31,96,405-408 Apulien 650 Aquileia 233,417 Ararat 773 Argentinien 162,267,616,965 Armenien 62, 637-641, 772, 775, 884 1448 REGISTER Asien 16, 79,157,159,160 f., 207, 421-428,437,448,473,479 £, 496, 680, 686, 839, 872, 874-946, 971, 978, 993, 1101,1207,1274, 1276 - Kleinasien 771 - zentralasiatische Republiken/ Zentralasien 876, 885,978 Assisi 31, 58, 77,430, 796 f., 833, 860, 862 f., 923, 966,994 - „Geist von Assisi“ 1254,1306 Assur 51 Athos - Berg 445 Atlantik 82, 159, 215, 840 - Atlantischer Ozean 1002 Augsburg 949,993,1332 - Bistum 74,151 Auschwitz-Birkenau 837, 841 Avignon 832, 841 Aztekenstadion 17 Babylonien 579 Baden-Württemberg 34 Bafoussam 1062 Balkan 39,46, 59, 70,245 f., 394, 415, 394, 415, 643, 650, 686, 711, 724, 736, 749, 760,817, 850 Baltikum 80,335,351 Baltimore 724 Bamberg - Erzbistum 122 Bäneasa [Flughafen von Bukarest] 261 Banja Luka 1009 f. Bari 84,833 Baucau [in Osttimor] 134, 798 Bayern 34 Beirut 584,588,1302 Belgrad 681, 685 Benevento 833 Berge - Horeb 43,765 - Mont-Blanc-Tunnel 407 - Monte della Vema 668 - Monte Gargana 833 - Nebo 766 - Phileremos 755 - Sinai 85, 288 £, 609,765 £, 1178 - Zion 318 Berlin 1018,1202 - Apostolische Nuntiatur in 1288 f. - Brandenburger Tor 1288 - Erzbistum 65, 162 Betamen 870 Bethlehem (Betlehem) 6, 85,190, 350,464,474, 501, 576, 596 £, 739, 756, 763, 766, 888,976, 981 £, 991,995-997,1001,1302 Betsaida 86 Bialystok 351 Blaj [Blasendorf in Siebenbürgen] 247 f. Blomberg 294 Bochnia 392 Böhmen 278 Bogota 54,493 Bolivien 513 Bologneser Tiefebene 135 Bonn 78, 1288 Bosnien 265 Bosnien-Herzegowina 478, 1007-1011 1449 REGISTER Bossangoa [Zentralafrik. Rep.] 1144 Bouake [Elfenbeinküste] 1040 Bozen-Brixen 147 Brasilien 477,513,616 Brescia - Bistum 135 Breslau [Wroclaw] 70, 79,276, 322, 836 Breslau-Danzig [Wroclaw-Gdansk] - byzantinisch-ukrainisches Bistum 312 Brezje Marienwallfahrtsort in Slowenien 416 British Columbia (Kanada) 1084-1088 Bromberg (Bydgoszcz) 80,293,295, 401 Bucaramanga [Kolumbien] 54 Budapest 710 Buenos Aires 615 Bukarest 64,232 f., 235,239,245 f., 252, 255,259 Bulgarien 729 Bundesrepublik Deutschland 61 Bungoma [Kenia] 1089 Bumndi 156,479,1011-1017 Buta 1012 Bydgoszcz [Bromberg] 80,293, 295, 401 Byzanz 254,313 Cäsarea Philippi 751,766,951,987 Caldäa 85 Cali 77 Campobasso 84 Campobasso-Boianö - Erzbistum 84 Casablanca 60 Cassino - Kloster von Montecassino 780 Castel Gandolfo 41 f., 95 f., 98, 102 f., 109, 114,118,122, 130 Castello 96 Changanacherry [Indien] 790 Chersones 444 Chiapas [Mexiko] 188 Chicago 597 Chihuahua [Prov. in Mexiko] 188 China 661, 879, 884, 886, 917, 971 f., 977-979 - Volksrepublik China 876 Ciudad de Mexico (Mexiko-Stadt) 10 Coahuila [mexikanischer Bundesstaat] 188 Coromoto [Marienheiligtum in Venezuela] 179 Cotonou [Benin] 790 Cz^stochowa [Tschenstochau] 79, 81,83, 89,317, 399 f., 615, 647 Dachau [Konzentrationslager] 80, 294, 305 Damaskus 86,499,767,770 Danzig (Gdansk) 80 f., 275-280, 378, 401 Delhi - Erzbistum 160 Demokratische Republik Kongo 4, 53,479 1450 REGISTER Denver 647 Deutschland 22,34,45, 57,142, 151,733,985,1017-1036,1195, 1288 f., 1310,1332 Dili [Hauptstadt Osttimors] 798 Dinklage 147 Dnjepr - Fluss 1140 Dominikanische Republik 1036-1040 Donau 254 Drohiczyn - Bistum 82,317,319,401 Dzialdowo [Soldau in Masuren] 359 Ecuador 473,477,513 Edessa 773, 884 Edschmiadzin 637, 640 f. Efesos [Ephesus] 760 EI Pinön (Magdalena [Kolumbien]) 77 Eichstätt - Bistum 75 Elbing [Elbing] 80,287,401 Elfenbeinküste 182,1040-1046 Elk [Lyck] 81,307 f. - Bistum 401 Emmaus 57,499,682,839-841,852, 1203 f., 1222-1224,1229,1233 f., 1278 Ephesus [Efesos] 51 Eritrea 27, 75,138,479, 700 f. Ermland [Warmien] 351 Essen - Bistum 34 Etchmiadzin 88 Europa 16,19,39, 64 f., 70, 79, 98, 117,134 f., 139,147,152, 160, 233,237,246-248, 254,262,276, 280, 303, 306,308 f., 324, 333, 335,337 £, 355, 363 f., 406,414-418,426,435,437,440,443, 448 f„ 476 f., 482,484, 582, 648, 651-653, 686, 699,709 f„ 729, 817, 830-842, 851-854, 866, 874, 948, 968, 978, 993,1021,1055,1075, 1197-1278 - Mitteleuropa 234,278,414,478, 481,1245 - Osteuropa 234,478,481,831, 1207,1211 f„ 1214 f„ 1231,1241, 1245.1251.1254.1257.1259 f., 1273,1276 - Südosteuropa 711,1007 - Westeuropa 480,1206,1211, 1214-1216,1231,1241,1251, 1254.1257.1259 f., 1273,1276 Fägära? und Alba Julia - Erzbistum 64,233 f., 240,256 Fatima 1125,1179 Ferrara 789 Feuerland 188,193 Finnland 948 Finsta 832 Florenz 102, 835 Foggia 159 Frankenwald 122 Frankreich 407, 661, 968 Fulda - Bistum 22, 142 Galiläa 85,870 Galtür 600 1451 REGISTER Gdansk [Danzig] 80 f., 275-280, 378,401 Gdingen 278 Gelobtes Land 72 Gembicki 340 Genf 1290,1342,1344 Gennesaret - See von 987 Georgien 157-162,421,431-444, 447 f., 993 Getsemani 26,633, 770 Ghana 1046-1050 Gikongoro [Rwanda] - Bistum 53 Gitega 1012 Gleiwitz [Gliwice] - Bistum 81,384 f., 401 Gnesen [Gniezno] - Bistum 79,275 f., 294, 321, 340, 368 Golgota 21,121,464, 576, 592,631, 633, 659, 667, 757 Golkowice 393 Görka 395 Göra Jargowska 398 Gorzen [Ortsteil von Wadowice] 398 Gorzöw [Landsberg a. d. Warthe] 398 Graz 1254 Griechenland 771,1050-1055 Groß Montau [Mqtowy] 287 Guadalupe 10,13 f., 16,18,187, 190 f., 193 f., 198,201,205-207, 212,214, 224, 501,557, 1179 Guanahani (Insel) 193 Guinea-Bissau 53 Gurue [Mogambique] - neue Diözese 1113 Guyana 513 Harissa 584, 587 f. Heiligenwalde [Swiety Gaj] 287 Heiliges Land 54, 609, 634,751, 756 f., 763 f., 766, 768, 803, 833, 886,918, 976, 1295-1302 Hildesheim - Bistum 147 Hongkong 1341 Horeb - BergH. 43,765 siehe auch: Sinai Hrubieszow [Stadt in Polen] 354 Indien 79,158-162,421,425,427-431, 879, 884, 993 - Südindien 159, 884 Indonesien 32,1290 f. Innsbruck 600 Introd [Aostatal] 405,408 Irak 478 Irland 476, 1056-1062 Isiolo (Kenia) 1089 Israel 8,11 f., 34,43, 51, 57, 60, 73, 108,136,140,142,145,149, 340, 588 f., 842, 1224, 1298 f. Italien 9,15,31, 36,42,47, 57 f., 89, 98,135,140,158,162 f., 167,173, 407,714, 805, 809, 833, 841, 849 f., 1222 - Latium 89,135, 580, 582 1452 REGISTER Iviron - Kloster auf dem Berg Athos 445 Jakarta 1290 Jakobsbrunnen 615, 939 JasnaGöra 81,89,363,399-401, 404,1179 Jawaharlal-Nehru-Stadion (in Neu-Delhi) 160 Jaworzno 377 Jericho 309, 723 Jerusalem 51, 57, 73 f., 85,104,106, 108,110, 162, 344, 363, 389,478, 499,575,597,638,649,682,723, 754, 756, 758,763, 766, 770 f„ 842, 852, 884, 886, 898„ 1161, 1178, 1204,1224 f., 1295,1302 - heilige Stadt 918,950,1233 Jordan 6,26, 694, Juda 982 - Wüste 171 Judäa 350,870,898 Jugoslawien 50, 58,79,245 f., 263, 648, 685 - Bundesrepublik J. 263, 680 f., 699 - Ex-Jugoslawien 642 f. Jvari [georgische Klosterkirche] 445 Kachebere (Malawi) - Diözesanseminar 1111 Kairo 62 Kaliningrad [Königsberg] 287 Kalkutta 118,428 Kalvarienberg 293,298 Kalwaria Zebrzydowska 398 Kambodscha 876,1098-1103 Kamerun 1062-1069 Kampanien 409 f., 412 Kana 501 Kanada 1069-1088 Kap Verde 661 Kappadozien 773 Karibik 17 Karthago 1031 Kasachstan 312, 885 Kaukasus 161,437,443,448 - Nord-Kaukasus 437 Kenia 1089-1093 Kericho (Kenia) 1089 Kharthweli [Georgien] 440 Kilikien 638-640 Kirgisistan 885 Kissi (Kenia) 1089 Kitale (Kenia) 1089 Kitui (Kenia) 1089 Klecza Dolna 398 Klecza Görna 398 Koden 312 Köln - Erzbistum 166 Königsberg [Kaliningrad] 287 Königsmünster 74 Kolberg [Kolobrzeg] 79,276, 322 Kolobrzeg [Kolberg] 79, 276, 322 Kolosseum 175 Kolumbien 54, 77, 99,148, 513, 1303 Kongo - siehe: Demokratische Republik Kongo 1453 REGISTER Kongo-Brazzaville 53,206 Konstantinopel 85, 669,760 Kopenhagen 948 Kopiec 395, 398 Korea 917 - Nordkorea 749,917 - Südkorea 886 Korhogo 1040 Korinth 1036 Kosovo 4, 13, 36,39,42, 53, 67, 159,263, 306, 393,478,487, 652, 680, 685, 699,711,1303 Kottayam - Syro-malabarisches Bistum in Indien 473 Krakau [Krakow] - Erzbistum 79, 82, 85,153,276, 321, 345, 350,377-380, 382 f., 385, 390, 392, 397,400 f. - Seminar von 1115 - Wawel-Kathedrale 82 Kroatien 265,417,1093-1098 LaEspanola 193 La Storta 27,122 La Thuile 408 Landsberg a. d. Warthe [Gorzöw] 398 Laos 876, 886,1098-1103 Latium 89, 135, 580, 582 Leczyca 367 Legnica [Liegnitz] 374 Leopolis - Bistum 312 Les Combes 405 Leslau [Wloclawek] - Bistum 292, 368 Libanon 584 f., 588 Lichen 81,291 f., 401 Liechtenstein - Fürstentum 45 Liegnitz [Legnica] 374 Limburg 138 Lingen - Frühjahrsvollversammlung d. dt. Bischöfe 1999 1195 Litauen 308, 312, 317,1103-1108 Lodsch [Lodz] - Erzbistum 368 London 709 Loreto 796 f. Lourdes 588,733,1179 Lowicz [Lowitsch] 81, 367 f., 401 Lublin 345, 359 Lüneburg 151 Lund 1342 Lyck [Elk] 81, 307 f. - Bistum 401 Macau - Diözese 971 f. Madhu - Heiligtum Unserer Lieben Frau von 167 Madrid 787,866,1300 - Ciempozuelos in Madrid 966 Mailand 833 - Erzbistum 15 Malawi 1108-1112 Mallorca 787 1454 REGISTER Mangochi [Malawi] - Diözesanseminar von 1111 Manila 875,878 Manitoba [Kanada] 1084-1088 Maputo [Mosambik] 1113 Maribor 413,416-418,420 Marija Bistrica [Marienwallfahrtsort in Kroatien] 1011,1095 Marokko 60,661 Marrakesh 1344 Masovien 351,364 Massa 1224 Masurien 351 M^towy [Groß Montau] 287 Mayagüez 1126 Mazedonien 478 Medellin 495 Meki - Bistum 75 Melbourne (Australien) 790 Meriba 1224 Mexiko 10, 13 f., 16-18,187-191, 194,196-198,201-206,208,211-214,217,338 - Mexiko-Stadt / Mexiko-City 16 f., 187, 194,201 f., 205,207,217, 224, 790, 993, 1075 Milet 260 Mississippi 215,225 Missouri 215,217,230 Mittelmeerraum 850 Moldawien 254 Molise 84 Molukken 32 Mongolei 876 Mont-Blanc-Tunnel 407 Monte della Verna 668 Monte Gargana 833 Montecassino 70 f. Monterrey 201 Montreal 1069 Morgenland 261 Mosambik 1113-1119 Moskau 681 Mostar-Duvno [Trebinje-Mrkan] - Diözese in Bosnien-Herzegowina 1010 Motril 616,619 Mtskheta [ehern. Hauptstadt Georgiens] 161 Münster 27,61,129 Myanmar 876, 886 Nagorny Karabach 437 Naher Osten - siehe: Orient/Osten Namur 604 Nazaret 24, 56, 85, 89, 86,104,109, 172, 181-184,226, 311,348-350, 368 f., 395,416,441, 756, 766, 869, 896,1301 Neapel 833 - Erzbistum 409 Nebo - Berg 766 Neu-Delhi 157, 159, 162,421,424, 427 - Vigyan Bhawan [Bawan] 428 1455 REGISTER Neustadt [Wejherowo] 280 New Brunswick [Kanada] 1080-1083 New York 62,215, 615, 1285,1292, 1295 Newfoundland [Kanada] 1080-1083 Nicäa - Konzil von N. (325 n. Chr.) - Nizäa-Konstantinopel 894 Niederbayem 123 Ninive 1076 Noblat [Kloster bei Limoges] 84 Nola 670 Norcia 779 Nordpol 196 Nordwest-Territorien (Kanada) 1084-1088 Nova Scotia [Kanada] 1080-1083 Novae 233 Nowy Sacz 389 NuevaLeön 188 Nunavit [Kanada] 1084-1088 Nzama [Malawi] 1108 Obed-Edom - das Haus Obed-Edom 1179 Ocznia 397 Österreich 34,45, 57, 148, 600, 863 Okzident 254,262 Ontario [Kanada] 1074-1079 Opole [Oppeln] 345 Oranienburg-Sachsenhausen 305 Orient/Osten 197,254,262, 501 - FemerOsten 971 - Mittlerer Osten 507, 597 - NaherOsten 478,802,1299-1301 - Vorderer Orient 765 Ortona 833 Osiedle Stahle 377 Osimo 267 Ossöw 364 Ost-Timor 113, 119,123, 134* 798, 1290 Ostsee 404 Otranto 1298 Ottawa 479 Ozeanien 16, 839, 876,1276 Paderborn 690 Padua 796 f. Pakistan 79, 473 Palästina 866,977,1179, - Päpstl. Palästina-Mission 1295-1302 Paris 215, 607, 647 Patmos - Insel 950 Patras 233 Pavia 833 Pelplin 80,282,286,401 Pempa [Mosambik] 1113 Peru 477,513 Phil Cuong - Diözese in Vietnam 473 Phileremos - Berg 755 Philippinen 647, 875, 885 Piasnica 280 1456 REGISTER Piekary [Piekar ] 385 f. Piemont 31 Pinsk - Bistum 317 Plock - Bistum 359, 368 Podlachien 312 f., 316 f. Polen 70, 77-83, 117,275 £, 278, 281,283, 302, 310, 312, 315, 317, 321, 324, 326, 333-335, 337,340, 349,359,361,365,368,370, 375 f., 385, 389 f., 400-404, 835, 993 Pommern 278 Ponce [Puerto Rico] - Seminar von 1127 Pontecagnano-Faiano 409 Port-au-Prince [Haiti] 497 Portugal 1120-1125,1290 f. Posavina 1010 Pozega [Kroatien] - neue Diözese 1094 Pozzuoli 833 Prag 275,989 Pratulin 313-315 Prince Edward Island [Kanada] 1080-1083 Ptujska Gora Marienwallfahrtsort in Slowenien 416 Puebla 188,495 Puerto Plata - Diözese 1037 Puerto Rico 1125-1130 Puyo [Ecuador] 473 Quart 405,408 Quebec (Kanada) 1069-1074 Radzymin 82, 364 Regensburg 129,162, 690 - Bistum 28,619 Remesiana 233 Riga 1103 f. Rio de Janeiro 495 Rödersheim 138 Rohia 259 Rom 14 f., 18,31,36,41,45,49,53, 55,61,64, 70, 78, 85 f., 88 f., 92, 114,118, 126,131,134 f., 138, 142-144,148,151, 158-160,162, 174,180 f., 184,187,191,195, 202.214.223.230 f., 233, 240, 247 f., 250 f., 255 £, 312 f., 384, 421,424,433,435 f., 440,444, 448,489, 580-583, 588, 600, 605, 609, 615,618-620, 624, 634 £, 637-639, 641, 654,702 £, 713, 726-729, 744, 751, 760, 768, 770 £, 774, 778 £, 787, 790, 796 £, 807, 832 £, 841, 851, 863, 868-871, 884, 991,1012,1017 £, 1023 £, 1029, 1046, 1074, 1084, 1093, 1098, 1108,1113,1130,1144,1179, 1198,1342 - Bistum 19, 54 £, 174, 593-596, 642,646 £, 998 £, 1004 - Katakombe St. Sebastinao 86 - Lateran 60 - Lateranbasilika 58 - Petersbasilika (Petersdom) 5, 54, 86.225.230 - Petersplatz 14, 16, 45, 50, 55, 58, 65,71,84,157,167,188, 1306 - Petrusgrab 88 - Piazza San Carlo 31 1457 REGISTER - San Giovanni Rotondo - Santa Sabina am Aventin 591 - Santuario del Divino Amore 776 - Spanischer Platz 173 - St. Paul vor den Mauern 10, 86 - Via Francigena 67 Rotes Meer 229,255, 987,1200 Rottenburg-Stuttgart - Bistum 157,967 Ruanda 53,473,479,1290 Rumänien 61-63, 65,231-243,250, 253-262, 993 Rumbek - Diözese im Sudan 473 Russland 74,308,312,681 - Sibirien 876, 885 Sacz 390,393 Saint Louis - Erzbistum 10,14,16,187,214-217,220-228,230 Salerno 409 f., 412, 833 Saloniki 19 Salvador do Bahia [Brasilien] 790 Salzburg 142,151,417 Salzkotten 147 Samaria 615,870,898 Sambia 1130-1134 San Giovanni Rotondo. - Kloster 703-707 San Juan [Puerto Rico] - Erzdiözese 1126 f. San Marino 476 San Pedro de Macoris [Dominikanische Republik] - Diözese 1037 Sandomierz 81,344-346,390,401 Santiago de Compostela 615, 833 Santo Domingo 495 f., 1036 Sarajevo [Vrhbosna] 866,1010 Sardinien 135 Saskatchewan [Kanada] 1084-1088 Scharm el-Sheikh 1301 Schlesien 387 f. - Oberschlesien 386 Schweden 830, 833, 948 Schweiz 34,45,57,69,83 Seattle (USA) 1344 Sevilla 787 Sibirien 876, 885 Sichern 51 Siedlce - Bistum 82, 312 f., 401 Siena 830,834,841 Sierra Leone 4,13, 53,206,479 Sinai - Berg S. siehe auch: Horeb 85, 288 f., 609, 765 f„ 1178 Singapur 1344 Skawa 398 Skytien 884 Slowakei 393 Slowenien 413,415,417-420,1221 Solin 1095 Sonora 188 Sora 223 Sosnowiec - Bistum 81,373,387,401 1458 REGISTER Sowjetunion - ehemalige 917 Spanien 162,476 f., 616, 618, 965 - Baskenregion in 476 f. Speyer 740 f. Spree 1288 Sri Lanka 167 f., 478 Stalowa Wola 345 Stary Sacz [Alt-Sandecz] 80,276, 322,388, 391,401 Stockholm 948 Straßburg 652, 710 Stutthof - Konzentrationslager 280,305 Suai 1290 Subiaco 406, 779 f., 783 Subukia - Marienheiligtum in Kenya 1093 Sudan 53,473,479,787 Südpol 196 Surinam 513 Sveta Gora Marienwallfahrtsort in Slowenien 416 Svetitskhoveli [Swetizchoweli] Kathedrale in Mzcheta [Georgien] 438 Swiety Gaj [Heiligenwalde] 287 Sychar 288 Syrien 771,884,978 Tadschikistan 885 Taiwan 131 Tal al Muqayyar - siehe: Ur (Chaldäa) Tamöw 389 Tarragona 965 Tatra 404 Tbilisi 157,161,437 Tepeyac [Mexiko] 189,191,193, 205,207, 502 Thessaloniki [Thessalonich; heute: Saloniki] 184,1081 Thom (Torun) 80, 82,276, 298, 303 f., 322, 401 Thüringen 129 Tiber 1288 Tiflis [Georgien] 431,433,439, 442 £, 446 Timor 124 Tirana 144 Tismana 254 Toronto [Kanada] 1080-1083 Torun [Thom] 80, 82,276,298, 303 f., 322, 401 Trebinje-Mrkan [Mostar-Duvno] - Diözese in Bosnien-Herzegowina 1010 Trient 102 Trier - Bistum 122 Tschad 1135-1139 Tschechische Republik 393, 989 Tschenstochau [Czqstochowa] 79, 81,83,89,317, 399 f., 615, 647 Tschemik 252 Tschetschenien 154, 182 Türkei 109, 159 Turin 31 1459 REGISTER Turkmenistan 885 Turön (Asturien) 965 Ukraine 312, 317, 393, 507,1140-1144 Ungarn 278,388, 393, 661, 835 Uppland 832 Ur (in Chaldäa) - ist das heutige Tal al Muqayyar (südl. Irak) 85, 765 f. Ural 82,840 Usbekistan 885 Uvira 479 Valence 787 Valencia 787,790 Varazdin - neue Diözese in Kroatien 1094 Vatikan 16, 36, 86,404,494 - Sixtinische Kapelle 6 - Vatikanbasilika 85, 88,147,158, 184 - Vatikanische Grotten 153 Velehrad 417 Venezuela 179,513,616 Veracruz 188 Vietnam 473, 876, 886 Vilnius [Wilno; Wilna] 299, 350 Vrhbosna [Sarajevo] 866,1010 Wadowice 81, 394-398,401, 1024 Walachei 258 Warmien [Ermland] 351 Warschau - Erzbistum 80,82,276,317,322 f., 333,339 f., 355, 360 f., 368,401 Warschau-Praga 81, 363 f. Warschau-Przemysl - Bistum 312 Warwal 398 Washington 599,790,1185 Wawel-Kathedrale 82 Weisrussland 308,312,317 Wejherowo [Neustadt] 280 Westerplatte 278 f. Wezyk 340 Wieliczka 392 Wielkopolska 351 Wien 138, 863,1300 Wigry - Kamaldulenser-Kloster in Polen 81,401 Wilna [Wilno; Vilnius] 299, 350 Windischgarsten 22 Wloclawek [Leslau] - Bistum 292, 368 Wojnicz 389 Wroclaw [Breslau] 70, 79,276, 322, 836 Wroclaw-Gdansk [Breslau-Danzig] - byzantinisch-ukrainisches Bistum 312 Würzburg 151,690 - Bistum 45 Wüste 1178 Xi'an - Hauptstadt Chinas 978 Yamoussouko [Jamussukro] - Heiligtum [Elfenbeinküste] 1045 Yaounde 1063 1460 REGISTER Yukon [Kanada] 1084-1088 Zaglebie 377 Zagreb 1093 f. Zamosc 81, 349 f., 354,401 Zamosc-Lubaczöw - Bistum 350 Zaspa [bei Danzig] 278 Zentralafrikanische Republik 1144-1150 Zion 1178 - Berg 318 Zomba [Malawi] - Diözesanseminar 1111 Zoppot 278 Zypern 478 1461 REGISTER Zitierte Bibelstellen Altes Testament Das Buch Genesis 1,1 93 1,2 676 1,25 513 1,27 163 1,28 524 1,31 351,588, 663 2,1 679 2,18 164 3,1-19 1311 3,5 279 3,19 591 12,1-3 765 12,2-3 820 15,6 1312 17,4 57 22,8 38 45,8 37 50,20 37 Das Buch Exodus 3,14 666 4,22 11 12,42 661 13,21 1224 17,7 615 20,2 765 20,12 824 20,13 369 22,21-22 149 33,18 466 34,6-7 132 Das Buch Levitikus 15,8-28 573 19,2 518 19,18 145, 571 19,32 824 19,33-34 571 25,8-28 545, 872 25,10 781 25,23-24 155 Das Buch Numeri 6,24-26 3 6,25 f. 9 Das Buch Deuteronomium 2,7 373, 375 6,4-7 140 6,5 136, 1316 7,6-8 223 7,7-8 136 8,2 736 8,6 f. 43 14,1 f. 12 15,10 376 27,15 666 30,15 141 30,15 f. 44 32,6 33 32,18 12 Das Buch Rut 1,16 578 2,2 340 Das zweite Buch Samuel 6,9 1179 7,5.11-14 1161 7,14 12 12,7 648 Das erste Buch der Könige 8,27-29 1160 8,61 100 Das erste Buch der Chronik 17,13 12 Das Buch Esra 9,6 f. 1311 1462 REGISTER Das Buch Nehemia 8,3 777 8,10 776 f„ 951 9,16 f. 1311 Das Buch Tobit 3,14 612 13,3—4 13 13,13 389 Das erste Buch der Makkabäer 3,18.19.50.60 93 4,24.55 93 Das zweite Buch der Makkabäer 7,11 76 7,14 76 Das Buch Ijob 1,21 38 10,20-22 75 34,28 309 Die Psalmen U-2 387 2,7 12 9,5 f. 1311 10,4 48 14,1 48 15[16],3 852 16,11 826 23,1 697 24,1-2 762 27,1 203 27,8 8 27,10 8 27[26],1.8-9 721 27[26],4 721 32,5 846 32,11 847 42,9 259 43,4 1174 46,2 441 50[51],3 591 50[51], 12.17 592 51,1-5 1311 51,3—4 40,290 51,12 347 54,23 586 63,2-4 758 67 229 67,4 227 68,21 874 69,10 323 70,6 164 71,17-18 815 71[70],5.18 95 76,7-9 1311 89[88],2 655 90,10 814 90,12 819 92,13.15-16 821 95,8 284, 309 103,1 640 104,27-28 37 106,1-2.48 356 106,3 288 106,4-5 356 112,1.3 149 115,11 380 116,5 90 116[1173,1—2 373 118,1 874, 1343 118,1-2.16-17 661 118,22 661 f. 118,23 662 122,1 269 122,1-2 763 122,8-9 303 126[127],1 262 127,1 830 127[128],2 375 133,1 1018 139,13 11 140,13-14 90 143,1-2 91 145,7 877 1463 REGISTER Das Buch der Sprichwörter 3,11-12 12 3,12 33,43 20,24 37 Das Buch Kohelet 1,2 820 8,9 f. 1311 11,10 820 12,14 1311 Das Hohelied 2,11 433 2,12 433 Das Buch der Weisheit 1,7 894 2,23-24 76 2,24 591, 826 3,4 76 3,6 296 f. 4,8-9 822 14,3—4 37 Das Buch Jesus Sirach 36,17 11 44,1a. 14b-15 413 51,10 33 Das Buch Jesaja 1,2 8 1,12-17 1175 2,3 320, 995 2,3—4 758 2,4 931 5,1 843, 845 7,14 190,995 9,1 203, 981 9,5 996,1000 10,1-2 149 11,4 149 11,9 758 21,11 859 25,8 76 26,19 76 35,4 227 42,2-3 475 45,8 991 45,10 f. 43 46,13 1311 49,6 51 49,13 149 49,14-15 12 49,15-16 463 51,5-8 1311 52,7 285 52,8 859 53,3.5.6.8.-9.11 659 56,1 1311 61,2 173 61,11 354 65,17-19 73 66,10-11 918 66,13 12 Das Buch Jeremia 2,27 8 3,22 108 7,11 1166 9,24 1311 23,6 1311 31,2-3 136 31,3 385 31,33 136 Das Buch Ezechiel 11,19 74 11,19-20 72 18,23 626 34,11 966 36,26 136 36,35 73 37,26 1173 Das Buch Daniel 3,26.29 f. 115 9,5 f. 1311 1464 REGISTER Das Buch Hosea 2,21 136 6,2 947 11,3 ff. 12 Das Buch Joel 2,13 591 72,13 591 Das Buch Habakuk 2,4 1312 Das Buch Zefanja 3,14 840 3,14-17 1178 3,14-18 1225 3,16 840 3,17 840 Das Buch Sacharja 12,10 331 Das Buch Maleachi 2,10 33 3,17 43 3,22 43 Neues Testament Das Evangelium nach Matthäus 1,18 631 2,11 501 3,17 6,474 4,4 865,1019 4,17 204 4,19 204, 1079 4,26 343 5,3 311 5,7 355 f. 5,8 154, 346, 348 5,9 117, 304 5,10 292,1311 5,11 296 5,11-12 293 5,12 93, 297 5,13-16 607 5,14 203,218 5,16 23,218 5,17 44,289 5,43-45 44 5,45 37, 279 5,48 279 6,4.6.18 591 6,6 517 6,9 25 6,12 1316 6,13 108 6,20 93 6,24 516 6,33 37,684,1311 6,50 221 7,7 1164 7,21 515,1175 7,24-25 283 7,24-27 1124 9,12 357 9,35 929 9,37-38 55 9,38 696,1107 10,17 296 10,32-33 27 11,5 573 11,19 695 11,25-27 631 11,27 25 11,28 759 13,11 500 13,42 97 13,52 1058 14,16 1115 14,27 102 14,33 103 16,6 987 16,15 109,951 16,16 109, 770, 776, 951 16,17 951 16,18 109, 770, 776 16,19 626,1326 1465 REGISTER 16,24 114 18,18 626 18,20 118, 503,1229 19,14 537 19,16-17 290 20,4 552 21,9 650 21,13 1166 21,32 1311 21,42 845 22,13 102 22,36—40 parr. 1316 22,37-40 470 23,8 372 24,36 26 25,21 828 25,23 992 25,30 102 25,31 964 25,34 44, 76, 812 25,34-35 154 25,34-36 965 25,34-46 1011 25,36 604, 812 25,40 362, 539, 755, 812 26,28 695 26,38 40 26,39 199, 631,826 26,42 631 27,42 293 28,5 41 28,8 41 28,18-20 899,1023 28,19 5, 250, 855, 978 28,19-20 562 28,20 202,212,221,244, 269, 372,497, 563 28,20 877 Das Evangelium nach Markus 1,15 124. ,468,514,592,995 2,10-11 111 2,27.41 35 4,23-24 198 9,24 878 9,43 97 10,39 649 10,45 364, 992, 1116 12,29 60 12,30-31 66 14,38 272 15,34 631 15,38 1161 16,15 493,728 16,20 899 16,24-25 649 Das Evangelium nach Lukas 1,7 820 1,18 820 1,28 766, 1178 1,37 152 1,38 471 1,42 149, 590, 820 1,43 349,1179 1,45 191,349,354 1,46 149, 360, 784 1,46-47 190 1,48 360 1,49 784 1,51-52 229 1,78 981 2,7 570 2,10-11 978, 996 2,29 821 2,29-30 828 2,29-32 577 2,32 575 2,34-35 576 2,35 576 2,38 821 2,48 344, 631 2,48-50 349 2,49 25,631 2,52 1071 3,10.12.14 1088 1466 REGISTER 3,22 694 4,18 148,150 f., 173, 311,508, 553 4,18-19 45,655, 1011 4,18.21 1016 4,19 695 6,30 38 7,22 573,1174 8,15 286 9,2 584 10,29 544 10,29-37 145 10,32-34 198 11,1 632 11,20 111 11,28 282,286,635 12,1 847 12,2 847 12,4 848 12,7 848 12,29 f. 38 12,32 944,1021 12,48 504 15,5-6 223 15,7 121 15,10 1174 15,13 121 15,18 20 15,25 591 15,32 1174 15.10 121 18,13 1329 18,14 1312 19,5 307, 309 19,6 307 19,8 309 19,9-10 309 19,10 148, 626 20,38 827 22,15-19 752 22,27 325 22,32 992,1069 22,33 992 22,34 992 23,34 632 23,34.46 25 23,46 38, 631,890 24,13-14 1204 24,13-35 1203 24,15-16 1204,1229 24,17 1204 24,21 840,1204 24,25-27 1222 24,27 499 24,29 684 24,30-31 682 24,32 57,683, 841 24,33 1233 24,34 1233 24,35 499, 682,1233 24,49 419 Das Evangelium nach Johannes U 29 1,5 212,472 1,9 179,968 1,10-11 426 1,12 25,426,1000 1,12-13 475 1,14 209, 283, 646, 762, 977,1000 1,16 626 1,18 29, 69,466,1025 1,38-39 500, 554 1,41 250,410,498 2,5 501, 854 2,19-22 1162 3,16 6,146,240,277,280, 331, 357, 384,439 f., 467,767, 879,978, 996,1000,1311 3,17 92 4,7 498 4,14 615 4,15 498 4,16 472 1467 REGISTER 4,23 33 4,24 763 4,29 554 4,34 695 4,42 554 5,17 25 6,45 467 6,51 331,738 6,68 203, 1105 6,69 878 8,11 469 8,12 219 8,32 246 8,34 468 8,56 764 10,3—4 697 10,9 226,1123 10,10 427, 874,945,947 10,11 379 f., 516 10,14-15 380 10,16 467 10,25 222 10,30 29 11,25 827 11,41—42 25 11,52 570 12,21 574 12,32 570 13,1 318, 364,1034 13,15 365 f. 13,34 318, 321,522 13,34-35 146 13,35 175, 539, 979 14,1 703 14,2 141 14,2-3 73,703 14,5 703 14,6 52, 329, 501,519, 890, 922,994 14,7 33 14,8 9, 631,852 14,8-11 466 14,9 890 14,9-10 631,633 14,12 704, 853 14,15 288 14,16 246,703 14,16-17 255 14,21 257,289,386 14,23 30 14,27 304, 737 15,2 911 15,5 327, 372, 844,911 15,9-10 137 15,9.12 892 15,12 755 15,13 365, 367 15,13-14 141 15,15 137 15,16 1060 16,8-11 1311 16,15 29 16,28 630 16,33 109 17 29 17,1—4 f. 29 17,3 32,137, 321,468, 634 17,5 467 17,6 473 17,11 240, 313 17,11.21 994 17,14-15.17 -19 314 17,21 228,441,520,949,1104, 1242,1336,1343 17,23 322 17,26 34,141,467 18,37 626 19,30 631,659 19,37 331 20,1 662 20,17 25 20,19 737 20,21 143,551,737, 884 20,23 626 20,26 737 21,15 988 1468 REGISTER 21,18 821 21,19 821 48,58 153 Die Apostelgeschichte 1,7-8 73 1,8 898 1,14 410,723 2,11 1180 2,17 262 2,22-24.36 1223 2,32 683 2,42 363, 365 2,47 365 3,6 252,311 3,18-19 125 3,19 514 4,12 853, 890,1228 4,32 363 5,15-16 198 5,29 296 9,4 767 10,38 109 12,8 246 13,23 712 13,39 1312 17,22-23 67 17,28 602 20,28 1113 20,32 260, 323, 808 Der Brief an die Römer 1,1-3 1312 1,5 1025,1088,1321 1,6 1084 1,7 634,1130 1,9 715 1,16 808,1311 f. 1,28 491 3,21-31 1311 3,23 1311 3,23-25 1311 f. 3,25 1312 3,27 1316 3,28 1317,1330 3,29 f. 34 4,3-9 1311 4,5 1312 4,18 1275 4,20 357 4,24 357 4,25 356,1311 5,1 1311 f., 1329 5,1-2 616 5,5 137,141,500,616-618, 816,1074 5,12-21 1312 5,18 1312 6,3-4 661 6,5 1312,1330 6,8-9 641 6,11.23 1311 6,12 1329 6,23 290 7,17.20 1316 8,1 1312,1317 8,9 f. 1312 8,14 742, 947 8,15 30, 98, 742 8,16-17 899 8,28 37 8,29 30, 501 8,31 316 8,35 312 8,35-39 1312 8,35.37 283, 643 8,35.38-39 137 8,38-39 313 10,13-14 900 10,17 1312 11,32 91 12,1 200,1034 12,2 348 12,21 212 13,10 322 13,11 514 15,5-6 1017 15,33 235,1089 1469 REGISTER Der erste Brief an die Korinther 1,3 233 1,10 201 1,30 1311,1315 3,9 438,1112,1167 3,9.17 440 3,14-15 101 3,16-17 1162 4,1 752 4,2 1075 7,15 245 7,25-26 391 9,16 493, 635,746 9,19.23 1007 10,4 1224 11,1 516 11,24-25 656 11,27-29 627 12,4-6 774 12,12 f. 1312 12,13 517 12,26 1016 12,31 741 13,4-7 252 13,8 724 13,12 137 13,13 23 15,19 1223 15,24 74 15,28 74 15,54 77 f., 602 15,55 77 5,19 1122 5,20 20,127,129, 1289 5,21 1312 6,9-10 865 6,16 1162 7,1 102 8,9 150 11,28 1030,1075,1120 13,13 267,1023 Der Brief an die Galater 1,3 367 1,6 742 1,16 499 1,18 1023 2,5 1007 2,9 1023 2,20 698,1312 3,6 1311 3,10-14 1312 4,4 104,190, 396, 666, 874, 977,1002 4,4-5 629,1003 4,6 30, 98, 396 4,6-7 630 5,1-13 1311 5,6 514, 1312 5,16 475 5,16-21 1312 5,22 894,1312 5,22-23 145 6,2 775 Der Brief an die Epheser Der zweite Brief an die Korinther 1,3 239, 1059 2,4 1036 4,5 899 4,7 808 5,14 494, 1108 5,14-15 494 5,17 1311,1329 5,18-19 127 5,18-21 1311 U 1,2 1.3 1.3- 4 1.4 1.4- 7 1,9-10 1.9.4 1,13 2.4 967 1140 24,382,438,693 589 172, 694 381 104 856 1026 45, 93,299,1170 1470 REGISTER 2,4-5 386 2,8 f. 1312 2,14 245, 571,892,990 2,14.16 737 2,19 1117 2,19-22 1167 2,20 269 3,8 331,344 3,15 35,742, 791 3,17 344 3,20 433 3,20-21 , 436,1093 4,1 368 4,1.12 371 4,2 1023 4,6 51,720 4,7 371 4,13 105 4,14 1043 4,15 900 4,16 363 4,24 785 5,1-2 319 5,8-9 424 5,9 309 5,16 1085 5,25-26 331 Der Brief an die Philipper 1,8 1029 1,20 295 1,23 828 1,25 468 1,25-26 277 1,27 281 1,27-28 294 1,28 279 1,29 295 1,30 279 2,2 423 2,8 386, 648 2,9 649 2,10-11 1046 2,11 2.12 f. 3.8 3,20 4,1 4,5 4.9 4.13 Der erste Brief an die Thessalonicher Der zweite Brief an die Thessalonicher Der erste Brief an Timotheus U 1,6 1,17 2.4 2.5 f. 2,5-6 192, 650 1312 284 74, 590 1098 173 844 272 Der Brief an die Kolosser 1.12- 13 30 1,15 961,1127 1,20 94 2.9 303, 763, 853 2.13- 14 889 3,1 94 3.10 519 3,14 101,142,146, 249, 605 2,13 1125 2,17 431 3,8 1081 3,12 f. 101 4.16- 17 73 4.17- 18 94 5,16-18 184 5,21 1031 5,24 1075 1,9 97 1,11-12 1108 2,7 109 2,13 34 2,16-17 1098 3,16 1046 1276 200 60 52, 322,715, 855 f., 978 1314,1331 892 1471 REGISTER 3,15 1021,1167 4,7 217 4,12 218 6,16 855 Der zweite Brief an Timotheus 1,10 981 2,15 1025 4,2 1026 4,17 771 Der Brief an Titus 2,2-5 821 2,11 996 Der Brief an die Hebräer 2,10 159 2,16 576 2,17 576 4,14 93 4,15 826 5,13 1311 7,25 332 9,24 93, 389 10,37 f. 1311 11,16 74 12,1 438 13,7-8 797 13,8 463, 701, 839, 910, 991, 1248 13,12 570 13,20 988 Der Brief des Jakobus U7 693 2,5 150 2,12-13 91 2,14-26 1311 3,2 1329 Der erste Brief des Petrus 1,3 30,45 1,18-19 684 1,20 284 2,4-5 1159 2,5 705,811,986 2,9 1167 2,24 707 3,15 1020 3,18 255 5,3 87,1056 12,5 1167 Der zweite Brief des Petrus 1,2 1080 1,3 760 3,11-13 73 Der erste Brief des Johohannes 1,1 998 1,2 1121 1,8 1316 1,8.10 1312 1,9 1312, 1316 1,12 1122 3,1 9,137, 384,467, 1329 3,17 515 4,7-8 136, 279 4,8 30, 252, 299, 343 4,8.16 23,331,571 4,8.16b 440 4,9 222 4,10 76, 222, 330, 1027 4,11 1053 4,15 30,222 4,16 222, 385 f., 429 4,19 300 4,19-20 429 4,20 470,515,645 4,20-21 144 5,21 470 5,31 141 Die Offenbarung des Johannes 1,4-5 421 1,5 1056 1,5-6 77, 654 1,6 654 1,7 654 1,9 950 1472 REGISTER 2,7 419 3,21 31 5,9 421 5,13 1080 7,9 153, 520 7,12 327 7,14 251 12,1 785 12,2 785 12,5 785 14,4 1116 14,13 77 19,9 589 20,13 97 20,13 f. 97 21,1 f. 73 21,1-2 74 21,3 10,1167 21,5 948 21,6 307 21,9.11 778 21,10 950 21,12 950 21,22 1173 21,23 597 21,36 206 22,17 769 22,21 1011 1473 Abkürzungen AAS BKV CCEO CIC D.A.S. DH DS LEV ORdt. Acta Apostolicae Sedis, Rom Bibliothek der Kirchenväter, Kempten/München Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium Codex Juris Canonici (Codex des kanonischen Rechts) Der Apostolische Stuhl Denzinger, Heinrich - Schönmetzer, Adolf: Enchiridion sym-bolorum defmitionum et declarationum de rebus fidei et morum. -Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen (lat./dt.); hrsg. v. Peter Hünermann. Freiburg/Brsg. 1991 Denzinger, Heinrich - Schönmetzer, Adolf: Enchiridion sym-bolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. Freiburg/Brsg. Libreria Editrice Vaticana L'Osservatore Romano, deutsche Ausgabe